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Einführung in die Medizinische Ökonomie
Vorlesung SS 2005
Prof. Dr. med. Thomas D. Szucs
Institut für Sozial- und Präventivmedizin
Universität Zürich
Gloriastrasse 18 a
CH-8006 Zürich
Die drei Säulen der medizinischen Ökonomie
• Wirtschaftlichkeitsanalysen
(economic analysis)
• Entscheidungsanalysen
(policy and decision analysis)
• Ergebnis-Forschung
(Outcomes research)
Evaluation circleBurden of illness
Etiology or causation
Community effectiveness
Reassessment
Monitoring of program
Synthesis & Implementation Economic evaluation
Zentrale Frage der Gesundheitsökonomie
Wie können die knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft am besten auf die jeweiligen Verwendungsmöglichkeiten verteilt werden, so dass sie in jeder Verwendungsrichtung den höchsten Nutzen zeigen?
Was ist Wirtschaftlichkeit?
KVG und Wirtschaftlichkeit
• 2. Abschnitt: Voraussetzungen für die Kostenübernahme
• Art 32 Voraussetzungen:
• 1Die Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Die Wirksamkeit muss nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sein.
• 2Die Wirksamkeit, die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen werden periodisch überprüft.
• 6. Abschnitt: Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und der Qualität der Leistungen
• Art 56 Wirtschaftlichkeit der Leistungen:
• 1Der Leistungserbringer muss sich in seinen Leistungen auf das Mass beschränken, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist.
• 5Leistungserbringer und Versicherer sehen in den Tarifverträgen Massnhamen zur Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Leistungen vor.
KVG und Wirtschaftlichkeit
Leistungen in der Grundversicherung
Wirksamkeit Wirtschaftlichkeit
Zweckmässigkeit
Wirksamkeit
• Wirksamkeit (efficacy) = Wirksamkeit unter Idealbedingungen (z.B. kontrollierte Studie)
• Effektivität (effectiveness) = Zielerreichungsgrad, Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen
Appropriateness = Zweckmässigkeit
„My relationship with Ms. Lewinsky was
inappropriate“
Bill Clinton, August 1998
Wirtschaftlichkeit
Input Output
Bewertung des Inputs: die Kosten
Kosten(Nachteile)
Direkte Kosten
Personalaufwand - Arzthonorare - Pflege - Heimpflege
Sachaufwand - Diagnostik - Pharmaka - Operationen
Indirekte Kosten
Einkommensausfall
Arbeitsausfall
Künftige Kostendurch höhereLebenserwartung
Intangible Kosten
Unerwünschte Begleitsymptome
Psychologische Faktoren(Streß, Angst, Schmerzen)
Verschlechterung von Verträglichkeit und Compliance
Definition von Kosten
Ökonom
Der Wert eines Nutzens, der verlorengeht, um etwas Anderes zu erzielen
Buchhalter
Die monetäre Ausgabe, um etwas zu erzielen
Determinants of medical care costs
Patient/ Disease related factors
Treatment- related factors
Provider/hospital- related factors
Economic/geographic-related factors
Medical costs =
+
+
+
Kosten = Menge X Preis
Management der schiefen Verteilungen
DIRCO_LN
DIRCO_LN
Fre
quen
cy
200
100
0
Std. Dev = 1,10
Mean = 7,40
N = 1468,00
Ausgangsdaten
DIR_TOT
DIR_TOT
Fre
quen
cy
1200
1000
800
600
400
200
0
Std. Dev = 7201,48
Mean = 3488,8
N = 1468,00
Nach Log-Transformation
Kostenvergleich Asthma bronchiale(in CHF pro Patientenjahr)
Variable Mittelwert Median
GP/INT PULM P-Wert GP/INT PULM P-Wert
Gesamtkosten3109 1925 0.06 847 670 0.29
Direkte Kosten1849 1048 0.027 763 670 0.57
Indirekte Kosten 1260 877 0.314 0 0 0.27
Spital 925 46 0.106 0 0 0.069
Medikamente 734 577 0.0001 738 324 0.005
Leistungen ambulant 177 419 0.0001 140 260 0.0001
Transportkosten 13 6 0.547 0 0 0.147
Health outcomes
Positive outcomes
• Patient is cured
• Improved quality of life
• Patient’s medical condition is successfully managed
• Patient is able to resume normal functions
• Disease avoided
Negative outcomes
• Death
• Disability
• Discomfort
• Dissatisfaction
• Disease
Typen von klinischen Endpunkten
Surrogater Endpunkt Finaler Endpunkt
Knochendichte Frakturen
Cholesterin Infarkt
Blutdruck Apoplex
Grenzkosten
Beispiel Marginalanalyse: Colon Ca - Modellannahmen von Neuhauser und Lewicki
1. Population: 10.000 mit 72 Colon Ca’s
2. Sensitivität Guaiac Test: 91,67%
Richtig positive ErgebnisseAnzahlTests
% Anzahl Fälle
1 91.6667 65.9469
2 99.3056 71.4424
3 99.9421 71.9003
4 99.9952 71.9385
5 99.9996 71.9417
6 99.9999 71.9420Neuhauser und Lewicki (1975)
Anzahl entdeckte Fälle und Kosten durch Testung auf okkultes Blut
Anzahl Tests Entdeckte Fälle Kosten $1 Durchschnittskosten $2
1 65.9469 77’511 1’175
2 71.4424 107’609 1’507
3 71.9003 130’199 1’811
4 71.9385 148’116 2’059
5 71.9417 163’141 2’268
6 71.9420 176’331 2’451
1 Guaiac Test bei 10’000 Patienten plus Röntgen Doppelkontrast Untersuchung bei positiven Fällen2 Gesamtkosten dividiert durch richtig positive Fälle
Neuhauser und Lewicki (1975)
Inkrementale entdeckte Fälle und inkrementale Kosten sequentieller Guaiac Tests
Neuhauser und Lewicki (1975)
Anzahl Tests Inkrementale Inkrementale Grenzkosten $ Fälle Kosten $
1 65.9469 77’511 1’175
2 5.4956 30’179 5’492
3 0.4580 22’509 49’150
4 0.0382 17’917 469’534
5 0.0032 15’024 4’724’695
6 0.0003 13’190 47’107’214
Die Balance zwischen Grenzkosten und Grenznutzen
Nutzenzuwachsfunktion(Grenznutzen)
Kostenzuwachsfunktion (Grenzkosten)
Behandlungsintensität
FunktionaleGesundheits-versorgung
ÖkonomischesBehandlungs-optimum
MedizinischesBehandlungsoptimummaximale Versorgung
GrenzkostenGrenznutzen
Medizinisch-ökonomische Studientypen
Medizinisch-ökonomische Studientypen
• Sensu structu– Kosten-Nutzen-Analysen– Kosten-Effektivitäts-Analysen– Kosten-Nutzwert-Analysen
• Sensu latu– Krankheitskostenstudien– Kosten-Minimisierungs-Studien– Lebensqualitäts-Studien
Die Kosten Nutzen Analyse
Results of HBV vaccination versus non vaccination in Germany
Cost per cycle
00.5
11.5
22.5
3
Cycle1
Cycle2
Cycle3
mio
DE
M
Vaccination No vaccination
Total costs
3.4
0.8
8.4
1.9
0
2
4
6
8
10
Total nominal Total discounted
mio
DE
M
Vaccination No vaccination
Szucs 1997
Die Kosten Effektivitäts Studie
• Klinische Parameter• Überleben (YOLS)
Messung der Kosten-Effektivität von Strategien zur Behandlung von Patienten mit
Hyperlipidämien
• Kosten pro gerettetes Lebensjahr
• Kosten pro qualitäts-bereinigtes Lebensjahr (QALY)
• Kosten pro Prozent Reduktion Plasmacholesterin Spiegel
• Kosten zur Erreichung eines spezifizierten Cholesterin Wertes
• Kosten pro vermiedenen kardiovaskulären Endpunkt
Ermittlung der Lebenserwartung
4 Ansätze
Markov-Modellierung
DEALE-Ansatz
Gompertz-Formel
Sterbe-Tafeln
I II III IV
Saving or extending lives?
To tell patients that a particular treatment will reduce their risk of dying is nonsense, because the patient knows that everyone eventually dies.
ExampleACE inhibitor treatment
Risk of dying in 5 years: 30 %
6 months longer life on average
or
Die Kosten Nutzwert Studie
QualitätsbereinigteLebensjahre
Wozu dienen Nutzwerte?
• Ermöglichen die Gewichtung von verschiedenen Gesundheitszuständen, um diese vergleichbar zu machen.
• Beispiel: Überleben einer 80-jährigen Frau nach osteoporotischer Schenkelhalsfraktur im Vergleich zu einer 80-jährigen Frau nach rezidivierendem Ovarialkarzinom.
Methode der Standard-Lotterie
Kernfrage:
Nehmen Sie an, Sie hätten eine Krankheit, die Sie ohne Behandlung permanent in den Zustand GH versetzt. Die einzige mögliche Behandlung ist für Sie kostenlos und würde Sie mit Wahrscheinlichkeit p vollständig heilen, mit Wahrscheinlichkeit 1-p jedoch zum sofortigen Tod führen.
Variierung der Wahrscheinlichkeit bis Alternativen indifferent sind
KeineBehandlung
Behandlung
U (GH)
p
(1-p)0
U (G*)=1
Beispiel der Standard Lotterie
• Ein Patient mit schwerer Diskushernie hat derartige Schmerzen, dass er bereit wäre, ein perioperatives Risiko von 5% einzugehen.
• Der diesbezügliche Nutzwert für seinen Zustand wäre demzufolge 0,95.
Qualitätsbereinigte Lebensjahre
• Qualitätsbereinigtes Lebensjahr = Anzahl Jahre in einem bestimmten Zustand multipliziert mit dem betreffenden Nutzwert.
• Beispiel:– 10 Jahre mit milder Angina pectoris: 10 x 0,9 = 9 QALYs– 7 Jahre mit schwerer Angina pectoris: 7 x 0,5 = 3, 5 QALYs
Utilities and comorbidities
0 1 2 3# comorbidities
Util
ity
0.8 0.81
0.68
0.74
0.62
0.66
0.500.57
Laib C & Szucs TD, 1999, in print
= Physician
= Patient
Die Kosten Minimisierungs Studie
Programm 1 Programm 2
Kosten-Minimierungs-AnalyseBeispiel: Durchschnittliche jährliche Ausgaben pro Patient mit Duodenalulkus (Michigan-Medicaid-Studie)
Quelle: Geweke J, Weisbrod BA: Assessing technological change:The case of a new drug. Madison, University of Wisconsin (1982)
66
9757
Total: US $ 221
Total: US $ 721
10
602
109
Arzthonorare
Hospitalisation
Medikamente
Kontroll-Gruppe(n=386)
Cimetidin-Gruppe(n=308)
KostenUS ($)
Praktische Aspekte der medizinisch-ökonomischen
Forschung
Ansätze ökonomischer Studien
Prospektiv Retrospektiv
Prospektive Klinische Studiemit ökonomischen Komponenten("piggyback")
Prospektive Ressourcen-Analyse
Datenbank-Analysen
Modellierungauf Basis KlinischerStudien
Krankenakten-Analyse
Comparison of RCT and Outcomes studies
Characteristic RCT Outcomes study
Goal Establish cause and effect Demonstrate relationships
Level of control Experimental Observational
Treatment allocation Random assignment Routine clinical care
Patient selection Restrictive Broad
Typical setting Hospital/Academia Community-based
Endpoint definitions Objective health status Subjective quality of life
Time frame Short or intermediate Long
Statistical analysis Paired or independent groups Multivariate regression
Potential for bias Low High
Mögliche Perspektiven für ökonomische Analysen
• Individuelle Kriterien
• Individuelle Informationsbedürfnisse
PerspektivePerspektive
Patienten
Leistungserbringer
Leistungsträger
Gesellschaft
Praktische Verwendung der ökonomischen Evaluation für die
Ressourcenallokation
Allokation knapper Güter
• Maximalprinzip: Effektivitätsmaximierung bei vorgegebenem Budget
• Minimalprinzip: Kostenminimierung bei vorgegebenem Gesundheitsziel
Allokationsalgorithmus für unabhängige Programme
• Ausschluss von Programmen, die Kosten verursachen ohne Effektivität zu erhöhen
• Einschluss von Programmen, die Kosten einsparen und Effektivität erhöhen
• Sortieren der übrigen Programme vom Beginn der Rangliste bis das Budget erschöpft ist
• Teilbarkeit der Programme berücksichtigen
Beispiel der Allokation
Programm Nettokosten Nettoeffektivität
(CHF) (QALYs)
A 8’000’000 350
B 12’000’000 600
C 600’000 -5
D 4’500’000 125
E 5’000’000 20
Zur Verfügung stehendes Budget: Fr. 23 mio
Unsinniges Programm C eliminieren
Programm Nettokosten Nettoeffektivität
(Fr.) (QALYs)
A 8’000’000 350
B 12’000’000 600
D 4’500’000 125
E 5’000’000 20
Kosten-Effektivität berechnen und Programme in aufsteigender Reihenfolge sortieren
Programm Nettokosten Nettoeffektivität K/E
(CHF) (QALYs)
B 12’000’000 600 20’000
A 8’000’000 350 22’857
D 4’500’000 125 36’000
E 5’000’000 20 250’000
Programm B und A können mit CHF 20 mio vollständig finanziert werden.
Mit den restlichen CHF 3 mio sollte D zu 67% (CHF 3 mio/ CHF 4.5 mio) finanziert werden 600+350+.67*125=1034 zusätzliche QALYs
COST-EFFECTIVE COST-EFFECTIVE
COST-SAVINGSCOST-SAVINGS
COST-EFFECTIVE COST-EFFECTIVE
COST-SAVINGSCOST-SAVINGS
Pro memoria...
Ein Schlusswort...
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgend jemand ein wenig machenoder etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preisorientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug, zuviel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zubezahlen. Wenn Sie zuviel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. WennSie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufteGegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz derWirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten.
Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie das Risko eingehen, etwashinzuzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um füretwas besseres zu bezahlen.“
John Ruskinengl. Sozialreformer (1819-1900)