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1 Einführung – Teil II – Schuldrecht AT – Start 7.1.2010 Hinweis: Teil I endet mit § 17, welcher ab 18.1.2010 unter dem Ihnen bekannten Link zu finden ist. Teil II erfolgt fortlaufend und beginnt deshalb mit § 18 KURZ UND BÜNDIG ZU § 18 UND § 19 § 18 Grundbegriffe des Schuldrechts A. Begriffe I. systematische Einordnung II. Gläubiger und Schuldner III. Definition Schuldverhältnis 1. Schuldverhältnis im engeren Sinne 2. Schuldverhältnis im weiteren Sinne IV. Relativität des Schuldrechts B. Pflichten des Schuldners I. Primärpflichten 1. Leistungspflichten Hauptleistungspflichten Nebenleistungspflichten 2. Schutz- und Verhaltenspflichten II. Sekundärpflichten III. Abgrenzung: Obliegenheiten C. Forderungsrecht des Gläubigers I. relatives Recht II. Durchsetzbarkeit der Forderung D. Besonderheiten I. Dauerschuldverhältnisse II. Gefälligkeitsverhältnisse III. Naturalobligationen

Einfuehrung Teil II - Schuldrecht AT Start 7.1 - TU … · Nach dem neuen Schuldrecht spielt die Unterscheidung zwischen Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten im Ergebnis eine

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Einführung – Teil II – Schuldrecht AT – Start 7.1.2010

Hinweis: Teil I endet mit § 17, welcher ab 18.1.2010 unter

dem Ihnen bekannten Link zu finden ist.

Teil II erfolgt fortlaufend und beginnt deshalb mit § 18

KURZ UND BÜNDIG ZU § 18 UND § 19

§ 18 Grundbegriffe des Schuldrechts

A. Begriffe

I. systematische Einordnung

II. Gläubiger und Schuldner

III. Definition Schuldverhältnis

1. Schuldverhältnis im engeren Sinne

2. Schuldverhältnis im weiteren Sinne

IV. Relativität des Schuldrechts

B. Pflichten des Schuldners

I. Primärpflichten

1. Leistungspflichten

� Hauptleistungspflichten

� Nebenleistungspflichten

2. Schutz- und Verhaltenspflichten

II. Sekundärpflichten

III. Abgrenzung: Obliegenheiten

C. Forderungsrecht des Gläubigers

I. relatives Recht

II. Durchsetzbarkeit der Forderung

D. Besonderheiten

I. Dauerschuldverhältnisse

II. Gefälligkeitsverhältnisse

III. Naturalobligationen

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§ 18 Grundbegriffe des Schuldrechts

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §§ 1 und 2; Medicus „Bürgerliches Recht“, Rn 207 und

Rn. 219 ff.; Hütte / Helbron „Schuldrecht Allgemeiner Teil“, Rn. 1-26; Kallwass „Privatrecht – Ein

Basisbuch“, § 35

A.Begriffe I. systematische Einordnung

Das Schuldrecht umfasst das Recht der Schuldverhältnisse und ist im Zweiten Buch

des BGB geregelt. Der Gesetzgeber ist dabei dem Grundsatz „Vom Allgemeinen zum

Besonderen“ gefolgt, indem er zunächst in den Abschnitten 1 bis 7 allgemeine

Vorschriften und anschließend im Abschnitt 8 besondere Vorschriften aufstellt.

Die Regeln des allgemeinen Teils des Schuldrechts lassen sich wie folgt systematisieren:

- §§ 241 - 304 BGB (Abschnitt 1) enthalten Regeln für alle (vertraglichen und gesetzlichen) Schuldverhältnisse; - §§ 311 - 359 BGB (Abschnitt 3) enthalten nur Regeln für vertragliche Schuldverhältnisse; - §§ 320 - 326 BGB (Abschnitt 3, Titel 2) enthalten nur Regeln für gegenseitige Verträge

Der Besondere Teil des Schuldrechts behandelt in den §§ 433 - 853 BGB eine Reihe von praktisch besonders wichtigen Schuldverhältnissen. Hierzu zählen insbesondere Erwerbsverträge (wie Kauf, Tausch oder Schenkung), Tätigkeitsverträge (Dienst- oder Werkvertrag, Auftrag etc.) sowie Gebrauchsüberlassungsverträge (Miete, Pacht bzw. Leihe). Es folgen dann Regelungen zur Geschäftsführung ohne Auftrag, zur Gesellschaft, Bürgschaft und zur ungerechtfertigten Bereicherung. Einen eigenen Titel hat auch die unerlaubte Handlung erhalten. Wie wir schon wissen, hat der Gesetzgeber aber bei weitem nicht alle Vertragstypen geregelt, die in der Praxis vorkommen.

II. Gläubiger und Schuldner

Die Beteiligten am Schuldverhältnis sind nach § 241 BGB der Gläubiger und der

Schuldner. Gläubiger ist, wer aus einem Schuldverhältnis berechtigt ist. Schuldner

ist die Person, die aus einem solchen Schuldverhältnis verpflichtet ist.

III. Definition Schuldverhältnis

Der Begriff des Schuldverhältnisses wird vom Gesetz im doppelten Sinn benutzt. Wir

unterscheiden das Schuldverhältnis im weiteren Sinne und das Schuldverhältnis im

engeren Sinne.

1. Schuldverhältnis im weiteren Sinne

Durch ein Schuldverhältnis wird zwischen zwei oder mehr Parteien eine

privatrechtliche Sonderverbindung begründet. Aus dieser Sonderverbindung

resultiert gem. § 241 BGB eine Vielzahl von Rechte und Pflichten. Die globale

Sichtweise auf alle Aspekte dieser Sonderverbindung, die man etwas abstrakter auch

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Rechtsverhältnis nennen kann, wird als Schuldverhältnis im weiteren Sinne

bezeichnet.

2. Schuldverhältnis im engeren Sinne

Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezeichnet eine konkrete Verpflichtung

des Schuldners, seine Verbindlichkeit beziehungsweise Schuld aus der oben

genannten Sonderverbindung zu erfüllen. Umgekehrt hat der Gläubiger einen

entsprechenden Anspruch (Legaldefinition in § 194 Abs. 1 BGB), ein Recht oder eine

Berechtigung gegenüber dem Schuldner. Diese schuldrechtlichen Ansprüche werden

"Forderungen" genannt. Die Forderung ist stets auf die Vornahme einer

menschlichen Handlung (ein Tun, Dulden oder Unterlassen) gerichtet. Der Gläubiger

kann sein Recht gegenüber dem Schuldner einklagen und mit dem erlangten Urteil

die Zwangsvollstreckung gegen ihn betreiben.

Beispielspielsweise ist in § 362 Abs. 1 BGB (Erlöschen durch Leistung) nur das

Schuldverhältnis im engeren Sinne (eine konkrete Forderung) und gerade nicht das

ganze Schuldverhältnis im weiteren Sinne gemeint.

IV. Relativität des Schuldverhältnisses und die Gestaltungsfreiheit

Im Gegensatz zum Sachenrecht ist das Schuldrecht weitestgehend dispositiv, d.h.

die Parteien können gemäß § 311 BGB grundsätzlich durch vertragliche Gestaltung

von den gesetzlichen Normen abweichen. Insbesondere durch Gesetzgebung zum

Schutz der Verbraucher mehren sich jedoch die zwingenden Normen im Schuldrecht.

Zwingende Normen, d. h. Normen, von denen nicht durch anderweitige Gestaltung

abgewichen werden kann, sind z. B. §§ 134 und 138 BGB sowie viele Normen im

Verbraucherrecht z.B.: § 475 I BGB.

Durch ein Schuldverhältnis entstehen Rechte und Pflichten grundsätzlich nur

zwischen den Parteien und nicht gegenüber unbeteiligten dritten Personen.

Schuldverhältnisse wirken daher relativ (nur zwischen Parteien des

Schuldverhältnisses). Der Verkäufer einer Sache kann also den Kaufpreis nach § 433

Abs. 2 BGB grundsätzlich nur vom Käufer und nicht von jedermann verlangen.

In Abgrenzung hierzu regelt das Sachenrecht nicht das Rechtsverhältnis einer Person

zu einer anderen, sondern ordnet die Beziehung einer Person zu einer Sache (Zum

Beispiel das Eigentum § 903 BGB). Das Sachenrecht gibt dem Inhaber eines Rechts

ein so genanntes absolutes Recht, das also gegenüber jedermann wirkt. So ist der

Eigentümer einer Sache nach § 903 BGB grundsätzlich berechtigt, jeden anderen von

der Einwirkung auf diese Sache auszuschließen.

B. Pflichten des Schuldners

Die Pflichten des Schuldners lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen.

I. Primärpflichten

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Die Primärpflichten bestehen in der Erfüllung der so genannten Leistungspflichten

und den Schutzpflichten.

1. Leistungspflichten

Die Leistungspflichten werden in die so genannten Hauptleistungspflichten und

Nebenleistungspflichten unterteilt.

Die Hauptleistungspflichten charakterisieren das jeweilige Schuldverhältnis und

dienen dem Äquivalenzinteresse (Dem Interesse des Gläubigers an einer

vertragsgemäßen Leistung). Die jeweiligen Hauptleistungspflichten ergeben sich bei

vertraglichen Schuldverhältnissen aus der Vereinbarung der Parteien – gegebenenfalls

ergänzt durch die gesetzlichen Definitionsnormen für den jeweiligen Geschäftstyp –

und bei gesetzlichen Schuldverhältnissen allein aus dem Gesetz. Bei gegenseitigen

Verträgen sind alle Pflichten die im Gegenseitigkeitsverhältnis (dem so genannten

Synallagma) stehen Hauptleistungspflichten. Bei einem Kaufvertrag sind

beispielsweise die Verpflichtung zur Übergabe und Übereignung einer rechts- und

mangelfreien Sache und die Kaufpreiszahlung Hauptleistungspflichten.

Hauptleistungspflichten sind selbständig einklagbar.

Als Nebenleistungspflichten kann man alle anderen selbständig einklagbaren

Pflichten bezeichnen. Diese Pflichten können zum einen auf die ordnungsgemäße

Erbringung und Nutzung der eigenen Hauptleistung bezogen sein und so dem

Erfüllungsinteresse des Gläubigers dienen. Zum anderen können sie jedoch auch

einen anderen selbständigen Zweck verfolgen und beispielsweise auf den Schutz des

Integritätsinteresses des Gläubigers gerichtet sein. Nebenleistungspflichten

können vertraglich vereinbart werden, sich aus dem Gesetz (z.B.: § 666 BGB) oder

aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Hierzu zählen etwa

die ordnungsgemäße Verpackung des Kaufgegenstandes vor dem Transport sowie die

Weitergabe notwendiger Informationen (z.B.: Bedienungsanleitung).

Beispiel:

V verkauft dem Z einen afrikanischen Elefanten.

Auch wenn die Verpackung des Elefanten nicht explizit vertraglich geregelt

wird, hat sie nach § 241 Abs. 2 BGB und Treu und Glauben doch so zu

erfolgen, dass der Elefant heil bei Z ankommt und nicht ausbrechen kann.

Bricht der Elefant dennoch aus, verletzt sich dabei und zerstört nebenbei

noch Gegenstände des Z, so sind sowohl das Erfüllungsinteresse des Z an

dem unversehrten Elefanten als auch das Integritätsinteresse des Z am

Erhalt seiner Gegenstände betroffen.

Die Unterscheidung von Hauptleistungspflichten und Nebenleistungspflichten hatte

vor allem für das alte Schuldrecht Bedeutung. So konnte der Gläubiger nach § 326

a.F. BGB nur dann vorgehen und gegebenenfalls Schadensersatz wegen

Nichterfüllung verlangen, wenn der Schuldner mit der Erfüllung einer

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synallagmatischen Hauptleistungspflicht in Verzug war. Dies führte teilweise dazu,

dass von der Rspr. klassische Nebenleistunspflichten im Einzelfall als

Hauptleistungspflicht gewertet wurden, um gerechte Ergebnisse zu erreichen. Im

„Elefantenbeispiel“ hätte man hinsichtlich der Pflicht zur Verpackung auch darüber

diskutieren können.

Nach dem neuen Schuldrecht spielt die Unterscheidung zwischen Hauptleistungs- und

Nebenleistungspflichten im Ergebnis eine deutlich geringere Rolle. Vielmehr kann es

auf die Abgrenzung der Nebenleistungspflichten von den Pflichten nach § 241 Abs. 2

BGB – wozu auch die Schutzpflichten gehören – ankommen. Bei der Prüfung von

Schadensersatzansprüchen statt der Leistung gilt dies insbesondere für die Wahl der

richtigen Hilfsnorm zum Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280

Abs. 3 BGB. Soll § 281 BGB oder § 282 BGB Anwendung finden?

2. Schutz- und Verhaltenspflichten

Schutz- und Verhaltenspflichten richten sich auf die Beachtung derjenigen

Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, die von der Leistung unabhängig sind.

Die Schutz- und Verhaltenspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB dienen also vornehmlich

dem Integritätsinteresse des anderen Teils. Zu den Schutz- und

Verhaltenspflichten gehört unter anderem die Pflicht zur Rücksichtnahme und die

Pflicht zur Aufklärung der Gegenseite über besondere Gefahren. So muss der

Verkäufer einer Maschine den Käufer ungefragt vor bestimmten von der Maschine

ausgehenden Gefahren warnen. Ein klagbarer Anspruch auf Erfüllung dieser Pflichten

besteht nicht. Eine schuldhafte Verletzung der Schutzpflichten kann lediglich zu

Schadensersatzansprüchen führen

II. Sekundärpflichten

Erst aus einer Verletzung der oben beschriebenen Primärpflichten können so

genannte Sekundärpflichten entstehen. Die Sekundärpflichten treten entweder

neben die Primärpflicht – vgl. § 280 Abs. 1 BGB und § 280 Abs. 2 BGB – oder an

ihre Stelle – vgl. § 280 Abs. 3 und § 346 BGB.

Der Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §

241 Abs. 2 BGB ist ein solcher neben dem Primäranspruch bestehender

Sekundäranspruch. Vgl. nochmals die Übersicht zu den wichtigsten

Anspruchsgrundlagen´

Beispiel:

Malermeister M zerbricht beim Streichen einer Zimmerdecke aus

Unachtsamkeit eine kostbare Vase.

III. Abgrenzung Obliegenheiten

Obliegenheiten sind keine Pflichten im eigentlichen Sinne. Unter einer Obliegenheit

versteht man eine Verpflichtung gegenüber sich selbst. Die Untersuchungs- und

Rügepflicht gem. § 377 HGB ist die prominenteste Obliegenheit. Auch die

Schadensminderungs“pflicht“ nach § 254 BGB ist nicht weniger prominent.

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Des Weiteren enthalten Versicherungsverträge oftmals die Obliegenheit, einen

Versicherungsfall unverzüglich anzuzeigen. Die Verletzung einer Obliegenheit führt

nicht zu einem Schadensersatzanspruch, sondern hat einen Rechtsverlust zur Folge.

Die Verletzung der Obliegenheit des Versicherungsnehmers, den Versicherungsfall

unverzüglich beim Versicherer anzuzeigen, kann zur Folge haben, dass der

Versicherer von seiner nach dem Versicherungsvertrag bestehenden Leistungspflicht

frei wird (Vergl. § 28 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz [VVG] und § 30 VVG).

C. Forderungsrecht des Gläubigers

Korrespondierend zu den Pflichten des Schuldners hat der Gläubiger ein

Forderungsrecht –siehe oben.

I. relatives Recht

Aufgrund der Relativität des Schuldrechts besteht dieses Forderungsrecht, wie oben

bereits ausgeführt, nur gegenüber dem jeweiligen Schuldner.

II. Durchsetzbarkeit der Forderung

Aufgrund des staatlichen Gewaltmonopols kann der Gläubiger seine Forderung

gegenüber dem leistungsunwilligen Schuldner nur mit Hilfe des Staates durchsetzen.

So kann der Gläubiger seine Forderung gegen den Schuldner gerichtlich einklagen

und aus dem dieser Klage stattgebenden Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den

Schuldner betreiben.

Beispiel:

V hat dem K einen restaurierten Bauernschrank verkauft und liefert nicht,

weil V den Schrank inzwischen doch lieber selbst behalten will.

K kann den V beim zuständigen Gericht gemäß § 433 Abs. 1, S.1 BGB auf

Übergabe und Übereignung des Schrankes verklagen. Liefert der V nach

dem dieser Klage stattgebenden Urteil noch immer nicht, kann K den

zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung beauftragen.

Da das Urteil die Willenserklärung des B auf Übereignung des Schranks

bereits gemäß § 894 Abs. 1, S. 1 ZPO ersetzt, braucht der

Gerichtsvollzieher dem V den Schrank nur noch nach §§ 883 Abs. 1 ZPO

und 897 Abs. 1 ZPO wegzunehmen und bei K abzuliefern.

D. Besonderheiten

Schließlich ist noch auf einige Besonderheiten hinzuweisen:

I. Dauerschuldverhältnisse Von einem Einzelschuldverhältnis spricht man, wenn sich das Schuldverhältnis in

einem einmaligen Leistungsaustausch erschöpft (z. B. der Kauf eines Buches).

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Demgegenüber ist das Dauerschuldverhältnis durch wiederkehrende Einzelpflichten

gekennzeichnet (Pflichten bei Anmietung einer Wohnung; Pflichten aus einem

Arbeitsverhältnis). Ein Dauerschuldverhältnis unterscheidet sich von dem

Einzelschuldverhältnis dadurch, dass aus ihm während seiner Laufzeit ständig neue

Leistungs-, Nebenleistungs- und Schutzpflichten entstehen.

II. Gefälligkeitsverhältnisse

In diesem Zusammenhang ist noch auf die Abgrenzung des Schuldverhältnisses vom

Gefälligkeitsverhältnis hinzuweisen. Wir erinnern uns: Maßgebliches

Unterscheidungskriterium ist der beim Gefälligkeitsverhältnis fehlende

Rechtsbindungswille, also der Wille eine rechtlich relevante Verpflichtung einzugehen.

Ob ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt ist, anhand eines „bunten Straußes an Indizien“

wie Entgeltlichkeit, besonderes Interesse des Adressaten einer Zusage, Häufigkeit,

Konsequenzen bei Nichtvornahme u.s.w. zu ermitteln. Statt weiterer Ausführungen

wird auf BGB AT, Punkt 4.1.2.4. dieses Skripts verwiesen.

III. Naturalobligationen

Naturalobligationen sind auch als so genannte unvollkommene Verbindlichkeiten

bekannt, weil sie nicht im Klagewege durchgesetzt werden können. Der Gläubiger

einer unvollkommenen Verbindlichkeit hat zwar keinen Anspruch. Leistet der

Schuldner aber trotzdem freiwillig, kann das Geleistete in der Regel nicht mehr

zurückgefordert werden, da erbrachte Naturalobligationen einen Rechtsgrund

darstellen, so dass ein Rückgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB in der Regel

ausscheidet.

Die bekanntesten Beispiele für unvollkommene Verbindlichkeiten sind Spiel und Wette

nach § 762 BGB, der Lotterie- und Ausspielvertrag nach § 763 BGB sowie der

Heiratsvermittlungsvertrag nach § 656 BGB.

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§ 19 Das Entstehen von Schuldverhältnissen

A. Entstehen durch Rechtsgeschäft

I. mehrseitiges Rechtsgeschäft

1. gegenseitige (synallagmatische) Verträge

2. unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge

3. einseitig verpflichtende Verträge

II. einseitiges Rechtsgeschäft

B. Entstehen durch Gesetz

I. unerlaubte Handlung

II ungerechtfertigte Bereicherung

III. Geschäftsführung ohne Auftrag

C. Sonderfall: vorvertragliche Schuldverhältnisse (ehemals culpa

in contrahendo)

I. Voraussetzungen

1. Aufnahme von Vertragsverhandlungen

2. Vertragsanbahnung

3. ähnliche geschäftliche Kontakte

II. Beteiligung Dritter

1. Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens

2. besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse

3. Selbststudium: Prospekthaftung

D. Selbststudium: Sonderfall: nachvertraglicher Schuldverhältnisse

(culpa post contrahendum)

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§ 19 Das Entstehen von Schuldverhältnissen

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §, § 4 I, § 5 und § 7 Rn. 11; Hütte / Helbron

„Schuldrecht Allgemeiner Teil“, Rn. 27-42; Kallwass „Privatrecht – Ein Basisbuch“, § 35

Das Gesetz unterscheidet im 8. Abschnitt des Zweiten Buchs des BGB zwischen

rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen.

A. Entstehen durch Rechtsgeschäft

Die rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse entstehen gem. § 311 Abs. 1 BGB

grundsätzlich durch Vertrag, sofern nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt. Ein

Vertrag kommt, wie wir wissen, durch zwei in Bezug aufeinander abgegebene

inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme zu

Stande.

Wir unterscheiden die mehrseitigen von den einseitigen Rechtsgeschäften.

Ausnahmsweise, das Gesetz schreibt hier also etwas anderes vor, genügen nämlich

auch einseitige Rechtsgeschäfte zur Begründung eines Schuldverhältnisses.

I. mehrseitiges Rechtsgeschäft

Das wichtigste mehrseitige Rechtsgeschäft ist der Vertrag. Es gibt jedoch

beispielsweise auch noch den so genannten Gesamtakt –z.B.: bei der Gründung eines

Vereins. Beim Gesamtakt werden mehrere Willenserklärungen nicht gegenseitig,

sondern auf dasselbe Ziel ausgerichtet abgegeben

Hier soll es jedoch nur um mehrseitige Verträge gehen:

1. gegenseitige (synallagmatische) Verträge

Ein gegenseitiger Vertrag liegt vor, wenn der eine Vertragsteil eine Leistung nur

deshalb verspricht, weil auch der andere sich zu einer Leistung verpflichtet. Dies läuft

unter dem lateinischen Motto „do ut des“ – „Ich gebe, damit Du gibst“.

Beispiele hierfür sind der Kauf nach § 433 BGB (z.B.: Zahlung von 2,45 € für ein

Malfabrot), der Tausch nach § 480 BGB (ein Pferd gegen eine Kuh), der Mietvertrag

nach § 535 BGB (zeitweise Überlassung der Mietsache gegen Zahlung des

Mietzinses), der Pachtvertrag nach § 581 BGB (zeitweise Überlassung einer

Gaststätte gegen Zahlung der Pacht), der Dienstvertrag nach § 611 BGB (Dienst als

Aushilfskellner gegen eine Vergütung von 6 € pro Stunde), der Werkvertrag nach §

631 BGB (Reparatur eines Autos gegen 541,62 € Werklohn).

Allen gegenseitigen Verträgen ist gemein, dass auf sie die §§ 320 bis 326 BGB

Anwendung finden. Diese schützen gerade die besondere Funktionsweise des

Gegenseitigkeitsverhältnis. So kann ein Vertragsteil nach § 320 BGB seine Leistung

grundsätzlich so lange verweigern bis auch der andere Vertragsteil seine Leistung

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erbringt. Leistungsstörungen auf der Seite eines Vertragspartners können nach § 326

BGB das Schicksal der versprochenen Gegenleistung beeinflussen.

2. unvollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge

Ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag liegt vor, wenn zunächst nur für

einen Vertragsteil Leistungspflichten entstehen und unter Umständen aber doch noch

eine Verpflichtung des anderen Vertragsteils ergeben kann. Man kann auch von

zufällig zweiseitigen Verträgen sprechen.

Das prominenteste Beispiel ist der Auftrag nach § 662 BGB. Hier wird nur der

Beauftragte verpflichtet. Jedoch kann sich unter Umständen doch noch eine

Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber dem Beauftragten ergeben. Macht der

Beauftragte zum Zwecke der Ausführung des Auftrages Aufwendungen, die er den

Umständen nach für erforderlich halten darf, so ist der Auftraggeber dem

Beauftragten nach § 670 BGB zum Ersatz dieser Aufwendungen verpflichtet. Einen

Entgeltanspruch für seine Tätigkeit hat der Beauftragte jedoch nicht.

Weitere Beispiele sind die Leihe nach § 598 BGB sowie die unentgeltliche Verwahrung

nach § 688 i.V.m. § 690 BGB.

3. einseitig verpflichtende Verträge

Ein einseitig verpflichtender Vertrag ist gegeben, wenn nur eine Vertragspartei zur

Leistung verpflichtet wird.

Beispiele hierfür sind der Schenkungsvertrag nach § 516 BGB und der

Bürgschaftsvertrag nach § 765 BGB.

II. einseitiges Rechtsgeschäft

Wie oben erwähnt, lässt das Gesetz in Ausnahmefällen die Entstehung von

Schuldverhältnissen auch durch einseitige Rechtsgeschäfte zu. Beispiele hierfür sind

die Auslobung nach § 657 BGB und das Vermächtnis nach § 1939 BGB.

Beispiele:

A verspricht demjenigen, der seine entlaufe Schildkröte Kassiopeia

zurückbringt einen Finderlohn in Höhe von 50 €.

E errichtet ein Testament mit folgendem Inhalt: Z soll mein Erbe werden

aber mein lieber Neffe N soll meine Münzsammlung erhalten.

B. Entstehen durch Gesetz

Schuldverhältnisse können auch ohne Rechtsgeschäft unmittelbar kraft Gesetzes

entstehen:

I. unerlaubte Handlung

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Die Vorschriften über die unerlaubte Handlung befinden sich in den §§ 823 ff. BGB.

Die §§ 823 ff. BGB begründen eine Ersatzpflicht für zurechenbare Schädigungen.

Diese ist auf Ersatz des rechtswidrig und schuldhaft verursachten Schadens gerichtet.

Die bekannteste Vorschrift aus diesem Bereich ist § 823 Abs. 1 BGB.

Beispiel:

A wirft einen Stein durch ein geschlossenes Fenster am Haus des B.

B kann von A nach § 823 Abs. 1 BGB Schadensersatz für die zerstörte

Scheibe verlangen.

II. ungerechtfertigte Bereicherung

Die Rechtsfolgen der ungerechtfertigten Bereicherung sind in den §§ 812 ff. BGB

geregelt. Erlangt jemand auf Kosten eines anderen ohne Rechtsgrund einen

Vermögensvorteil so hat der von dieser Vermögensverschiebung Betroffene

grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass dies rückgängig gemacht wird. Er kann die

Herausgabe des so Erlangten oder gegebenenfalls Wertersatz verlangen.

III. Geschäftsführung ohne Auftrag

Besorgt jemand für einen anderen ein Geschäft ohne von diesem beauftragt worden

zu sein, dann entsteht nach §§ 677 ff. BGB ein gesetzliches Schuldverhältnis aus dem

sich für beide Teile Pflichten ergeben können.

C.Sonderfall: vorvertragliche Schuldverhältnisse (ehemals culpa in

contrahendo)

Eine Zwischenstellung zwischen rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen

Rechtsgeschäften nimmt das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis ein.

Grund: kein Vertrag – dennoch Haftung kraft Gesetz.

Ein solches Schuldverhältnis entsteht gem. § 311 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme

von Vertragsverhandlungen, durch Vertragsanbahnung oder durch ähnliche

geschäftliche Kontakte. So hat der Gesetzgeber mit dieser durch die

Schuldrechtsreform eingeführten Vorschrift des § 311 Abs. 2 BGB das Rechtsinstitut

der so genannten culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsverhandlungen)

erstmals gesetzlich geregelt. Insofern gehört die culpa in contrahendo (kurz c.i.c.),

welche zuvor als quasiverträgliches Schuldverhältnis galt, jetzt zu den gesetzlichen

Schuldverhältnissen. Andererseits hat dieses Schuldverhältnis, das im Vorfeld eines

Vertrages entstehen kann, gleichwohl die Wirkungen eines rechtsgeschäftlichen

Schuldverhältnisses. So geht es auch aus der amtlichen Überschrift zu § 311 BGB

„Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse“ hervor.

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Die Pflichten aus diesem rechtsgeschäftsähnlichen Rechtsverhältnis ergeben sich aus

§ 241 Abs. 2 BGB. Es gibt hier keine Leistungspflichten sondern nur Schutzpflichten.

Sollte so eine Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt werden, ergibt sich ein

sekundärer Anspruch aus culpa in contrahendo (Verschulden bei

Vertragsverhandlungen) gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.

Ausnahmsweise kann gemäß § 311 III BGB ein solches rechtsgeschäftsähnliches

Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu beteiligten dritten

Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen.

Zur Erklärung, warum es überhaupt einer Vorschrift wie § 311 Abs. 2 BGB bedarf, soll

folgender Beispielsfall dienen.

Beispiel: „Gemüseblattfall“

A will im Supermarkt die Wochenendeinkäufe erledigen. Als sie den Inhalt

des Einkaufswagens auf das Förderband an der Kasse stapeln will, rutscht

sie auf einem Gemüseblatt aus und bricht sich das rechte Bein. Wie sich

später herausstellt hatte das Blatt dort schon über eine Stunde lang

gelegen, weil Kassiererin K keine Lust hatte schon wieder den Dreck hinter

den Kunden wegzuräumen. A verlangt von Supermarktbetreiber S

Schadensersatz. S verweist darauf, dass er K –was auch stimmt - für diese

Aufgabe ordnungsgemäß ausgesucht und instruiert hatte. Hat A einen

Anspruch gegen S?

Gegen die Kassiererin vorzugehen, erscheint in solchen Fällen selten

sinnvoll. Ein besserer Anspruchsgegner ist der S, weil bei ihm die

Wahrscheinlichkeit deutlich höher ist, dass sein Vermögen ausreicht, um

tatsächlich alle Ansprüche A’s in voller Höhe zu kompensieren.

Vertragliche Ansprüche (etwa aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 433 BGB) gegen S

hat A nicht, da im vorliegenden Fall noch kein Vertrag zwischen A und S zu

Stande gekommen war. A hatte die einzukaufenden Waren noch nicht

einmal auf das Förderband der Kasse legen und so auch noch kein Angebot

abgeben können.

Ein Anspruch der A gegen S aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert jedenfalls am

fehlenden Verschulden des S nach § 276 BGB. Nur die K hatte eine

schuldhafte Rechtsgutsverletzung zum Nachteil der A begangen, indem sie

das gefährliche Gemüseblatt pflichtwidrig aus Faulheit nicht aus dem

Kassenbereich entfernte.

S könnte jedoch möglicherweise nach § 831 BGB auf Schadensersatz

haften und so für das Verschulden der K haften müssen. Schließlich hatte

er die K als Kassiererin eingesetzt und die K in Ausübung dieser Tätigkeit

der A rechtswidrig einen Schaden zugefügt. Jedoch kann sich S gemäß §

831 Abs. 1 Satz 2 BGB exkulpieren, da er K laut Sachverhalt

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ordnungsgemäß ausgesucht und auf ihre Pflichten – wozu auch das

Sauberhalten des Kassenbereichs gehört – hingewiesen hatte.

Weil im Zeitpunkt des Sturzes noch kein Schuldverhältnis zwischen A und S

bestand, kann A sich ohne § 311 Abs. 2 BGB auch nicht auf § 278 BGB

berufen. Nur nach dieser Vorschrift müsste S vollumfänglich für das

Verschulden der K einstehen und sich zurechnen lassen.

Genau in diese Schutzlücke griff auch schon vor dessen Kodifizierung das

Rechtsinstitut der c.i.c. ein. Aufgrund von § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist im

vorliegenden Fall bereits vor einem Vertragsschluss an der Kasse ein

Schuldverhältnis zwischen A und S entstanden, weil S sein Geschäft

geöffnet hatte um potentiellen Kunden die Möglichkeit zur

Kontaktaufnahme und zum Vertragsschluss zu geben und die A das

Geschäft des S genau zu diesem Zweck betreten hatte. Deshalb muss S

nach § 278 auch für die von K nach § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 276 BGB

schuldhaft begangene Schutzpflichtverletzung einstehen.

Folglich kann A von S gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 und §

241 Abs. 2 BGB Schadensersatz verlangen.

I. Voraussetzungen

Damit auch ohne Vertrag ein Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten entstehen

kann stellt § 311 Abs. 2 BGB drei alternative Voraussetzungen auf:

1. Aufnahme von Vertragsverhandlungen

Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen entsteht nach § 311 Abs. 2 Nr. 1

BGB ein vorvertragliches Schuldverhältnis. Es genügen Vorgespräche oder einseitige

Handlungen eines Teiles die den anderen zum Vertragsschluss veranlassen sollen.

Dieses Schuldverhältnis endet, wenn die Verhandlungen endgültig abgebrochen

werden oder im Abschluss eines Vertrages (= Entstehen eines vertraglichen

Schuldverhältnisses) münden.

2. Vertragsanbahnung

Nach § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügt bereits die Anbahnung eines Vertrages, bei

welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem

anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und

Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut zur Begründung eines vorvertraglichen

Schuldverhältnisses.

Hier reicht es also beispielsweise aus, dass ein Unternehmer sein Geschäftslokal

öffnet, um potentiellen Kunden die Möglichkeit der Kontaktaufnahme zum Zwecke des

Vertragsschlusses zu geben und dass ein Interessent zu diesem Zweck dieses

Geschäft betritt. Wer sich dann als Kunde in dieses Geschäft begibt setzt seine

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Rechtsgüter, Rechte und Interessen der Einwirkungsmöglichkeit des

Geschäftsinhabers aus und riskiert wie im Gemüseblattfall gegebenenfalls sogar „Kopf

und Kragen“.

3. ähnliche geschäftliche Kontakte

§ 311 Abs. II Nr. 3 BGB stellt klar, dass auch Kontakte, die noch nicht das Stadium

der Vertragsanbahnung erreichen und noch nicht auf den Abschluss eines Vertrages

abzielen, die Rechtsfolgen der c.i.c. auslösen können.

Erforderlich ist also nur die Aufnahme eines Kontaktes mit dem Ziel, vielleicht einen

Vertrag abzuschließen oder anderweitig geschäftlich mir dem anderen Teil zu

verkehren und ihm so eine erhöhte Einwirkungsmöglichkeit auf die eigenen

Rechtsgüter, Rechte und Interessen zu eröffnen.

So kann eine Haftung des Anschlussinhabers aus c.i.c entstehen, wenn zwischen

einem Anbieter und dem Inhaber eines Internet-, Telefon-, oder Mobilfunkanschlusses

durch Falschbedienung oder missbräuchliche Verwendung durch einen Dritten ein

Kontakt zustande kommt.

II. Beteiligung Dritter

Nach § 311 Abs. 3 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2

BGB auch zu Dritten entstehen. Auch dies war bereits vor der Kodifizierung der c.i.c.

allgemein anerkannt. Hierbei kann ein Dritter sowohl berechtigt (so genanntes

Schuldverhältnis mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter) als auch verpflichtet

werden. Hier soll es jedoch zunächst nur um die Fälle gehen, in denen ein Dritter

verpflichtet wird.

1. Inanspruchnahme besonderen Vertrauens

Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Dritter in besonderem Maße Vertrauen in

Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsabschluss

erheblich beeinflusst.

Tritt ein Gebrauchtwagenhändler bei einem Kaufvertrag über ein Auto nur als

Vermittler oder Vertreter eines seiner Kunden auf, so haftet der

Gebrauchtwagenhändler dem Käufer nach § 311 Abs. 3 BGB für die Richtigkeit der

gemachten Angaben, wenn der Käufer wegen der besonderen Fachkenntnisse des

Händlers auf dessen Angaben und Beratung vertraut.

Gleiches gilt im Rahmen der so genannten Sachwalterhaftung, wenn ein

Sachverständiger (ohne eigenes Interesse am Vertragsschluss) im Auftrag eines

Grundstücksverkäufers ein Grundstück bewerten soll und sich der Grundstückskäufer

bei seiner Kaufentscheidung maßgeblich von den Angaben des Sachverständigen

beeinflussen lässt.

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Sind die Angaben schuldhaft falsch hat der Geschädigte einen

Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 3 und § 241 Abs. 2

BGB gegen den Gebrauchtwagenhändler / Sachverständigen.

2. besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse

Hat ein Dritter, der beispielsweise als Makler oder Vertreter einer Vertragspartei am

Zustandekommen eines Vertrages beteiligt ist, ein besonderes wirtschaftliches

Eigeninteresse am Zustandekommen dieses Vertrages, so haftet er nach § 311 Abs. 3

Satz 1 BGB auch ohne dass er ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nehmen

muss. Dieses Eigeninteresse muss aber über ein bloßes Provisionsinteresse

hinausgehen, so dass der Dritte gleichsam in eigener Sache tätig sein muss.

Ein solches besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse kann beispielsweise bei dem

Ehegatten vorliegen der das Geschäft des anderen Ehegatten wie ein eigenes führt.

3. Selbststudium Prospekthaftung

D. Selbststudium: Sonderfall nachvertraglicher Schuldverhältnisse (culpa

post contrahendum oder culpa post pactum finitum)

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KURZ UND BÜNDIG ZU § 20 UND § 21

§ 20 Inhalt von Schuldverhältnissen

A. Bestimmung des Leistungsinhalts

I. Bestimmung durch eine Partei oder einen Dritten

II. Bestimmung durch Gesetzesrecht

III. Treu und Glauben

B. Modalitäten der Leistungsbewirkung

I. Leistungsort und Erfolgsort

II. Leistungszeit

C. Leistungsgegenstand

I. Stückschuld

II. Gattungsschuld

III. Konkretisierung

D. Selbststudium

I. Wahlschuld

II. Ersetzungsbefugnis

III. Erfüllung von Geldschulden

IV. Zinsschuld

V. Aufwendungsersatz

VI. Wegnahmerecht

VII. Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

VIII. Vertragsstrafe

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§ 20 Inhalt von Schuldverhältnissen

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §§ 6, 7, 8, 9, 10 und 11; Hütte / Helbron „Schuldrecht

Allgemeiner Teil“, Rn. 43-111; Kallwass „Privatrecht – Ein Basisbuch“, §45, S.166 bis 168

A. Bestimmung des Leistungsinhalts

Der Inhalt eines Schuldverhältnisses ergibt sich aus der Vereinbarung der Parteien

oder unmittelbar aus dem Gesetz. Es gilt, dass bei einem vertraglichen

Schuldverhältnis der Leistungsinhalt bestimmt sein oder zumindest bestimmbar sein

muß. Der Grund dafür ist, dass ein Schuldner durch Gerichte nur zu einer bestimmten

Leistung verurteilt werden kann, weil für die anschließende Zwangsvollstreckung der

Gerichtsvollzieher genau wissen muss welche Leistung er durchsetzen soll.Die

Parteien sind nach § 311 Abs. 1 BGB grundsätzlich frei darin zu bestimmen, welchen

Inhalt ihr Schuldverhältnis haben soll. Nur wenn der der Inhalt eines

Schuldverhältnisses fest steht, kann die Frage beantwortet werden, ob die Schuld

z.B.: durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist oder eine Störung des

Schuldverhältnisses nach §§ 275 ff. BGB vorliegt.

I. Bestimmung durch eine Partei oder einen Dritten

Die Parteien können die nähere Bestimmung ihres Vertragsinhaltes bei Vertragschluss

auch ausdrücklich offen lassen und einer Partei oder einem Dritten übertragen. Die

zur Leistungsbestimmung berechtigte Partei beziehungsweise der Dritte sind bei

dieser Leistungsbestimmung jedoch nicht ganz frei. Sie müssen unter anderem die §§

315 ff. BGB beachten.

II. Bestimmung durch Gesetzesrecht

Häufig treffen die Parteien allerdings nur lückenhafte vertragliche Regelungen.

Etwaige Vertragslücken müssen dann mittels dispositivem Gesetzesrecht (vgl. etwa

die §§ 269, 270, 271, 276 Abs. 1 S. 1) und der ergänzenden Vertragsauslegung nach

§ 157 BGB geschlossen werden.

III. Treu und Glauben Wesentliche Bedeutung für die Konkretisierung schuldrechtlicher Vertragspflichten

und die inhaltliche Ergänzung des Schuldvertrages kommt dem Grundsatz von Treu

und Glauben, zu, der in § 242 niedergelegt ist. Voraussetzung für die Anwendung

von § 242 BGB ist, dass es im Gesetz keine speziellere Vorschrift gibt. Er hat die

folgenden Funktionen:

- Konkretisierungsfunktion (über § 242 können Art und Weise der

Leistungserbringung konkretisiert werden),

- Ergänzungsfunktion für Nebenpflichten (hierzu zählen insbesondere Schutz- und

Informationspflichten),

- Schrankenfunktion (§ 242 BGB setzt eine Schranke gegen unzulässige

Rechtsausübung) sowie

- Korrekturfunktion (Anpassung des Vertragsinhaltes an die geänderte Wirklichkeit)

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B. Modalitäten der Leistungsbewirkung

Um sagen zu können, ob die geschuldete Leistung erbracht und damit gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist, muss man zunächst Ort und Zeitpunkt, zu welchem die Leistung zu erbringen ist, bestimmen können.

I. Leistungsort und Erfolgsort

Der Leistungsort (im BGB z.B: in § 447 Abs. 1 BGB auch als Erfüllungsort bezeichnet) ist der Ort an dem die geschuldete Leistung zu erbringen ist. Hiervon abzugrenzen ist der Erfolgsort, also der Ort an dem der geschuldete Leistungserfolg (z.B: Bewirkung der geschuldeten Eigentumsübertragung) eintritt. Leistungsort und Erfolgsort können am selben Ort zusammentreffen aber auch auseinanderfallen. Leistungsort und Erfolgsort können laut Gesetz von den Vertragsparteien bestimmt werden. Wenn sich die Parteien hierüber nicht verständigt haben, so wird aus den Umständen und der Natur des Schuldverhältnisses der Ort der Leistung bestimmt (§ 269 I BGB). Ausnahme: Ergibt sich aus der Vereinbarung zwischen Handelsleuten nicht die Form der Schuld, gilt nach branchenübergreifendem Handelsbrauch nach § 346 HGB Schickschuld bei Lieferverpflichtungen. Das Gesetz unterscheidet in § 269 BGB folgende Konstellationen:

• Holschuld (Der Käufer muss sich die gekaufte Sache auf eigene Gefahr und

Kosten „holen“. Der Verkäufer hat die geschuldete Sache lediglich bei sich

bereitzustellen. Dies ist der Regelfall, wenn nichts anderes im Vertrag vereinbart

ist, oder sich aus den Umständen ergibt, § 269 Abs. 1, 2 BGB). Leistungs- und

Erfolgsort sind beim Schuldner.

• Bringschuld (Leistungs- und Erfolgsort sind beim Gläubiger).

• Schickschuld (Hier muss der Schuldner zwar den Transport organisieren, die

geschuldete Leistung wird jedoch bereits mit Absenden der Sache am Ort des

Schuldners erbracht. Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB tritt jedoch erst mit dem

Eintreffen der Sache beim Gläubiger ein.), § 447 BGB, Ausn. § 474 Abs. 2.

Leistungsort beim Schuldner, Erfolgsort beim Gläubiger.

Besonderheit des § 474 Abs. 2 BGB § 474 Abs. 2 BGB geht auf die Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf zurück. Ihr liegt der folgende Gedanke zu Grunde: Der Versandhandel ist populär. Heutige Unternehmen sind oft gar nicht darauf ausgerichtet, dass Kunden persönlich ins Ladengeschäft kommen. Dann ist es aber unangemessen, den Kunden ab Übergabe der Ware an die Transportperson das Risiko des Verlusts der Sache aufzubürden, d.h. ihnen die „Gefahr“ des Untergangs der Sache auf dem Transport tragen zu lassen. Zudem sind Unternehmen weit besser dazu in der Lage, sich gegen das Transportrisiko zu versichern.

Fall:

Die F-AG wird von der E-GmbH mit Stahlbolzen beliefert. Leistungsort für die Erfüllung der Lieferverträge?

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Zur Bestimmung des Leistungsortes nach den Umständen sind z. B. folgende Merkmale des Liefergutes geeignet:

• Vertriebsform (im Versandhandel)

• Gewicht (3 kg oder 30 t)

• Größe (Dimension des Leistungsgegenstands)

• Gefährlichkeit (z.B.: Heizöllieferung)

• Geldschulden werden wie gewöhnliche Sachen behandelt (eine

bestimmte Menge Geldzeichen), deren Leistungsort nach den

allgemeinen Regeln bestimmt wird. Geldschulden sind

Schickschulden. Der Schuldner ist grundsätzlich verpflichtet, auf seine

Kosten und Gefahr das Geld an den Wohnsitz des Gläubigers zu

übermitteln (§ 270 BGB), d.h. der Erfüllungsort für Geldschulden ist

der Wohnsitz des Schuldners und der Erfolgsort der Wohnsitz des

Gläubigers. Im Gegensatz zur normalen Schickschuld trägt bei der

Geldschuld der Schuldner jedoch auch die Gefahr für den Verlust des

Geldes zwischen Absendung und Ankunft. Allein die Übernahme der Transportkosten begründet jedoch noch keine Bringschuld, § 269 Abs. 3 BGB.

II. Leistungszeit Die Leistungszeit bestimmt den Zeitpunkt, wann der Gläubiger die Leistung fordern (Fälligkeit) und der Schuldner die Leistung erbringen darf (Erfüllbarkeit). Grundsätzlich tritt dies nach § 271 BGB „sofort“ (nicht unverzüglich!) ein. Diese Leistungszeit kann entweder gesetzlich bestimmt oder von den Vertragspartnern vereinbart werden. Bei Handelsgeschäften entsteht oft nach Handelsbrauch (z.B. in der materialwirtschaftlichen Praxis) schon mit Vertragsschluss oder jedenfalls mit Rechnungszugang ein Zinsanspruch in Höhe von 5 % der Forderungshöhe, § 352 ff. HGB. Weiter kann die Leistung nur während der gewöhnlichen Geschäftszeit verlangt werden, § 358 HGB, wobei sich diese nach den für die jeweilige Branche üblichen Gepflogenheiten bestimmt. § 273 gibt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht, solange er seinerseits etwas vom Gläubiger fordern kann. § 273 stellt also eine „Einwendung“ dar. Eine Bestimmung der Leistungszeit legt nach § 271 Abs. 2 BGB im Zweifel den Zeitpunkt fest, vor dem der Gläubiger die Leistung noch nicht fordern der Schuldner die Leistung jedoch bewirken darf. Beispiel:

G gewährt S ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1000 €, das S bis zum 13. Februar zurückzahlen soll.

S darf das Darlehen nach § 271 Abs. 2 und § 488 Abs. 3 S. 3 BGB vor dem 13. Februar zurückzahlen und G die Rückzahlung erst ab diesem Termin verlangen.

Es ist jedoch auch denkbar, dass die Bestimmung der Leistungszeit im Interesse des Gläubigers getroffen wird. Dann gilt die Regel des § 271 Abs. 2 BGB nicht. Beispiel:

Die Bank B gewährt S ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 1000 €, das S bis zum 13. Februar zurückzahlen soll.

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Hier hat B ein besonderes Interesse daran, dass S das Darlehen erst am 13. Februar tilgt, weil sie für jeden Tag der zwischen der Auszahlung des Darlehensbetrages und der Rückzahlung vergeht Zinsen verlangen kann. Deshalb ist die Zweifelsregelung nach § 271 Abs. 2 BGB mangels bestehender Zweifel hier nicht anwendbar. Könnte S das Darlehen früher als vereinbart zurückzahlen, würde B Zinsverluste erleiden. Unter den engen Voraussetzungen des § 490 II BGB kann der Darlehensnehmer eines verzinslichen Darlehens den Darlehensbetrag ausnahmsweise früher zurückzahlen, muss den Darlehensgeber jedoch für die entstandenen Zinsverluste durch Leistung einer so genannten Vorfälligkeitsentschädigung entschädigen.

C. Leistungsgegenstand

Je nach Schuldverhältnis kann es sich um eine Stück-, oder aber auch um eine Gattungsschuld handeln. I. Stückschuld Haben sich die Parteien auf einen individuellen Gegenstand geeinigt, so handelt es sich um eine Stückschuld (der gebrauchte PKW, die Antiquität, die Immobilie). II. Gattungsschuld Eine Gattungsschuld liegt vor, wenn die Verpflichtung zur Übergabe einer Sache im Zeitpunkt des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts sich nicht auf ein konkret und individuell bestimmten Gegenstand bezieht (Stückschuld), sondern der Gegenstand nur nach allgemeinen, gattungsmäßigen Merkmalen bestimmbar ist (1 Kilo Bananen; 10 Liter Superkraftstoff; ein Neuwagen). Nach Abschluss der Vereinbarung über eine Gattungsschuld kann der Schuldner bestimmen, mit welcher konkreten Sache er seine Verpflichtung erfüllen will, § 243 Abs. 1 BGB. Der Schuldner einer nur der Gattung nach bestimmten Sache ist auch dann zur Lieferung einer Sache aus der Gattung verpflichtet, wenn er kein Stück davon im Lager hat und die Sache erst beschaffen muss. Bei der Vorratsschuld handelt es sich um eine Gattungsschuld, bei der sich der Schuldner verpflichtet, die Leistung nur aus einer bestimmten Menge gleichartiger Sachen zu erbringen (Wein eines Jahrganges). Eine strengere Haftung als diejenige von Vorsatz und Fahrlässigkeit kann sich insbesondere aus der Übernahme eines Beschaffungsrisikos ergeben, § 276 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieses Beschaffungsrisiko besteht insbesondere, wenn Waren auf dem Markt erworben werden können und der Vertrag keine Beschränkung im Hinblick auf bestimmte Beschaffungsarten vorsieht. III. Konkretisierung Der Schuldner wird stets danach streben, die Gattungsschuld in eine Stückschuld umzuwandeln. Das Gesetz gibt ihm dazu unter den Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 die Möglichkeit. Hierzu muss er „das zur Leistung Erforderliche“ getan haben. Was das konkret ist, richtet sich nach dem jeweiligen Vertrag. Wurde wie oben eine Holschuld vereinbart, muss der Schuldner die Sache dem Gläubiger zur Abholung anbieten und sie ansonsten nur bereithalten. Bei der Bringschuld muss er sie dem Gläubiger an dessen Wohnsitz vorbeibringen. Bei der Schickschuld schließlich muss er die Sache einer zuverlässigen Transportperson übergeben. Die Folge dieses „Konkretisierung“ genannten Vorgangs ist die Umwandlung der Gattungs- in eine Stückschuld und der Übergang der Leistungsgefahr vom Schuldner auf den Gläubiger. Beim Untergang der konkretisierten Sache wird der Schuldner – anders als bei der Gattungsschuld und dem Untergang irgendeiner Sache aus dieser Gattung – von seiner primären Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei. Von seiner

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Leistungspflicht aus der Gattungsschuld wird der Schuldner nach § 275 Abs. BGB nur beim Untergang der gesamten Gattung frei.

Beispiel: A ist gegenüber B verpflichtet 10 t Thunfisch zu liefern. Weil die Meere zu diesem Zeitpunkt leergefischt sind, gibt es überhaupt keinen Thunfisch mehr auf dem Markt.

A ist wegen des „Untergangs“ der Gattung Thunfisch von seiner

Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei geworden.

Folge einer solchen Leistungsbefreiung nach § 275 BGB ist nach § 326 Abs. 1 BGB

bei gegenseitigen (synallagmatischen) Verträgen grundsätzlich, dass auch die

Pflicht zur Gegenleistung entfällt.

Beispiel:

A hat dem B eine Vase verkauft. Bevor A dem B die Vase übergeben und

übereignen kann, fällt die Vase dem A versehentlich aus der Hand und

zerbricht.

A muss nach § 275 Abs. 1 BGB seine Verpflichtung zur Übergabe und

Übereignung der Vase nicht mehr erfüllen. Jedoch verliert A damit gemäß §

326 Abs. 1 BGB auch seinen Kaufpreisanspruch gegen B. Etwas anderes

gilt nach § 326 Abs. 2, Satz 1, Var. 1 BGB nur, wenn der Gläubiger für den

Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 BGB allein oder weit

überwiegend verantwortlich ist. Auch nach § 326 Abs. 2, Satz 1 Var. 2 BGB

behält der Schuldner seinen Gegenleistungsanspruch, wenn der Gläubiger

im Verzug der Annahme ist und der Schuldner sein Leistungshindernis

nach § 275 BGB nicht zu vertreten hat.

D. Selbststudium

Praktisch bedeutsam sind hiervon die Punkte III., IV., V., VII. und VIII..

I. Wahlschuld

II. Ersetzungsbefugnis

III. Erfüllung von Geldschulden

IV. Zinsschuld

V. Aufwendungsersatz

VI. Wegnahmerecht

VII. Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

VIII. Vertragsstrafe

§ 21 Überblick über das Erlöschen von Schuldverhältnissen

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A. Erfüllung

B. Aufrechnung

C. Rücktritt

D. Kündigung

E. Widerruf

F. Selbststudium: Hinterlegung, Erlass, negatives

Schuldanerkenntnis, Abänderungsvertrag und Schuldersetzung

§ 21 Überblick über das Erlöschen von Schuldverhältnissen

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Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §§ 14 bis 18; Hütte / Helbron „Schuldrecht Allgemeiner

Teil“, Rn. 161-247; Kallwass „Privatrecht – Ein Basisbuch“, §44, S. 157

Gesetzliche und vertragliche Schuldverhältnisse können aus vielfältigen Gründen

erlöschen. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Schuldverhältnis als Ganzes erlischt

oder nur ein Anspruch. Bei Rücktritt, Kündigung und Aufhebungsvertrag wird das

gesamte Schuldverhältnis beendet. Einzelne Ansprüche erlöschen dagegen

insbesondere durch Aufrechnung oder Erfüllung.

A. Erfüllung

Laut § 362 Abs.1 BGB erlischt das Schuldverhältnis (im engeren Sinne), besser

jedoch die Forderung, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

Der Schuldner hat dabei zur

richtigen Zeit,

am richtigen Ort,

dem richtigen Gläubiger

die geschuldete Leistung

zu erbringen.

Eine Leistung an Erfüllungs statt gem. § 364 Abs. 1 BGB ist eine andere als die

geschuldete Leistung, die jedoch vom Gläubiger als Erfüllung akzeptiert wird. Eine

Leistung an Erfüllungs statt führt zum Erlöschen des ursprünglichen Anspruchs.

Davon zu unterscheiden ist die Annahme erfüllungshalber gem. § 364 Abs. 2 BGB,

die nicht zum Erlöschen des ursprünglichen Anspruchs führt. In diesem Fall

übernimmt der Schuldner eine neue Verbindlichkeit, die neben die ursprüngliche

Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger tritt wie z.B. ein Wechsel. Der Gläubiger soll

durch Verwertung des erfüllungshalber Angenommenen Gegenstandes befriedigt

werden. Nur soweit diese Befriedigung tatsächlich eintritt erlischt die Schuld.

B. Aufrechnung

Bei der Aufrechnung heben sich die Haupt- und Gegenforderung gegenseitig auf.

Voraussetzungen für die Aufrechnung sind gem. § 387 BGB

die Gleichartigkeit,

Gegenseitigkeit

und Fälligkeit

der Forderungen. Eine Forderung, die mit einer Einrede behaftet ist, kann nicht

aufgerechnet werden (§ 390 BGB).

Fall:

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A schuldet dem B aus einem Darlehen EUR 1.000,00. Er hat aber

seinerseits dem B seinen alten VW Golf für EUR 3.000,00 verkauft. Als B

sein Darlehen zurückfordert, erklärt A, dass B diese Summe von dem

Kaufpreis abziehen soll. Wie ist dieser Vorgang juristisch einzuordnen?

Lösung:

Es handelt sich bei dem Vorgang um eine Aufrechnung i. S. v. § 387 BGB,

die A gegenüber dem B erklärt hat (§ 388 BGB). Die geschuldeten

Leistungen bestehen in Geldforderungen und sind damit gleichartig.

Mangels entgegenstehender Angaben ist von der Fälligkeit der Forderungen

auszugehen. Da A und B sowohl Gläubiger als auch Schuldner des jeweils

anderen sind, ist auch das Erfordernis der Gegenseitigkeit erfüllt.

C. Rücktritt

Das Rücktrittsrecht gem. §§ 346 ff. BGB ist eine einseitige empfangsbedürftige

Willenserklärung, durch die ein Rückgewährschuldverhältnis entsteht. Ein

Rücktrittsrecht kann sich aus einer Parteivereinbarung oder aus Gesetz ergeben.

Gesetzliche Regelungen sind z.B. zu finden im Kaufrecht (§ 437 BGB) und im Recht

der Leistungsstörungen (§§ 323 ff. BGB)

D. Kündigung

Die Kündigung beendet in der Regel Dauerschuldverhältnisse für die Zukunft und ist

bis auf § 314 BGB im Rahmen des besonderen Vertragsrechts geregelt. Man

unterscheidet zwischen ordentlicher z.B.: § 622 BGB (ordentliche Kündigung eines

Arbeitsverhältnisses) und außerordentlicher Kündigung z.B.: § 626 BGB

(außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses).

E. Widerruf

Das Widerrufs- und Rückgaberecht für Verbraucherverträge, wie zum Beispiel

Haustürgeschäfte, Fernabsatzverträge und Teilzeitwohnrechte ist in den §§ 355 ff.

BGB geregelt (siehe auch § 16 dieses Skripts). Der Widerruf muss fristgemäß, in

Textform oder durch Rücksendung der Sache gegenüber dem Unternehmer erklärt

werden. Der Unternehmer muss den Verbraucher unter anderem über sein

Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehren, da sonst ein Widerruf auch nach Ablauf der

Sechsmonatsfrist in § 355 Abs. 3 BGB noch möglich.

F. Selbststudium: Hinterlegung, Erlass, negatives Schuldanerkenntnis,

Abänderungsvertrag und Schuldersetzung

Die verflixte Bananenschale

Michael Glose (G) begibt sich in den Supermarkt des Horst Seh (S), um dort Lebensmittel einzukaufen. Unmittelbar hinter dem Eingang befindet sich die Obst- und Gemüseabteilung, in der G auf einer auf dem Boden liegenden Bananenschale ausrutscht, stürzt und sich einen Arm bricht. Dadurch entstehen ihm Arztkosten in Höhe von 1.000 €. Nachdem langwierige Verhandlungen mit S zu keinem Ergebnis führen, erhebt G schließlich Klage beim zuständigen Gericht.

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G behauptet, S habe den Unfall verschuldet, da er bzw. seine Angestellten die Bananenschale nicht entfernt hätten, obwohl erkennbar gewesen sei, dass hierdurch Kunden zu Schaden kommen konnten. S bringt dagegen vor, ihn träfe keine Schuld, da die Bananenschale auch von einem anderen Kunden fallen gelassen worden sein könnte.

Lösung (ohne Besprechung in der Vorlesung):

Hierbei handelt es sich um einen (ehemaligen) Klausurfall; die in Klammern gesetzten fetten Zahlen stellen Bewertungseinheiten dar.

I. Anspruch G gegen S gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB

G könnte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.000 € aus § 280 Abs. 1 S.1

BGB haben. Dazu müsste S eine dem G gegenüber bestehende Pflicht aus einem

Schuldverhältnis verletzt haben. (5)

1. Bestehendes Schuldverhältnis (2)

Voraussetzung ist das Vorliegen eines Schuldverhältnisses.

a) Kaufvertrag, § 433 BGB (5)

Die Parteien könnten einen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB geschlossen haben. Jedoch ist

fraglich, ob die dafür notwendigen Willenerklärungen vorliegen: Selbst wenn man der

umstrittenen Auffassung folgt, in Selbstbedienungsgeschäften stelle die Auslage der

Waren bereits ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages dar und nicht nur eine

invitatio ad offerendum, erfolgt die Annahme auf jeden Fall erst an der Kasse durch den

Kunden durch Vorlage der Waren. In dem Augenblick, als G unmittelbar nach dem

Betreten der Obst- und Gemüseabteilung stürzte, ist also keinesfalls bereits ein

Kaufvertrag zustande gekommen.

b) Vorvertragliches Schuldverhältnis, § 311 Abs. 2 BGB

Damit kommt nur noch ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.v. von § 311 Abs. 2 BGB

in Betracht.

• Durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen. (5) Ein solches könnte durch die

Aufnahme von Vertragsverhandlungen gem. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB entstanden sein.

Da der Begriff nicht näher umrissen ist, kann man ihn nach dem allgemeinen

Wortsinn verstehen. Danach erfüllt das Betreten eines Selbstbedienungsladens allein

den Tatbestand der Vertragsverhandlungen noch nicht, selbst wenn Waren

ausgesucht werden, da es an der für die Verhandlung notwendigen Kommunikation

fehlt.

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• Infolge Vertragsanbahnung (5). Es könnte sich hier aber um die Anbahnung eines

Vertrages im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB handeln. Eine Vertragsanbahnung

setzt voraus, dass sich der Geschädigte mit dem Ziel des Vertragsabschlusses oder

der Anbahnung geschäftlicher Kontakte zumindest als möglicher Kunde in den

Einflussbereich des Unternehmers begeben hat. Da der G in der Absicht,

Lebensmittel zu kaufen, die Räume des S betreten hat, hat er – in den Worten des §

311 Abs. 2 Nr. 2 BGB – „im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung“

dem S „die Möglichkeit zur Einwirkung“ auf ihre „Rechte, Rechtsgüter und Interessen

gewährt“. Es liegt damit ein Schuldverhältnis i.S. des § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor. Ob

es tatsächlich zu einem Vertragsschluss kommt, ist hierbei unerheblich.

2. Pflichtverletzung

Weiterhin müsste S gem. § 280 Abs. 1 BGB eine sich aus diesem Schuldverhältnis

ergebende Pflicht verletzt haben (2). § 311 Abs. 2 BGB regelt allein die Voraussetzungen

für das Entstehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses, ohne über Inhalt und

Reichweite der hierdurch begründeten Pflichten eine Aussage zu treffen, und stellt

außerdem lediglich klar, dass das rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis keine

Leistungspflichten begründet, sondern nur sonstige Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB.

Auch § 241 Abs. 2 BGB stellt lediglich klar, dass im Rahmen eines Schuldverhältnisses

Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen

Teils bestehen können. Die Bezugnahme auf den „Inhalt“ des Schuldverhältnisses

bedeutet nichts anderes, als dass der Umfang der Schutzpflichten im jeweiligen Einzelfall

zu bestimmen ist. Insofern kann (wiederum) auf die bereits vorhandene Rechtsprechung

zurückgegriffen werden. Danach trifft den Inhaber eines Geschäftes gegenüber Personen,

die sich zwecks Vertragsanbahnung in seinen Einflussbereich begeben, eine Obhuts- und

Schutzpflicht i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB dahingehend, durch geeignete Maßnahmen und

Vorkehrungen zu verhindern, dass jemand durch am Boden liegende Gegenstände zu

Schaden kommt. Da die Beseitigung der Bananenschale seinem Organisations- und

Gefahrenbereich zuzurechnen und offenkundig unterblieben ist, was zu einer Verletzung

der körperlichen Integrität des G geführt hat, hat S diese Pflicht verletzt. (8)

3. Vertretenmüssen

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Der Schadensersatzanspruch bestünde nicht, wenn S die Pflichtverletzung nicht zu

vertreten hätte, vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Zu vertreten hat der Schuldner gem. § 276

Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit (2). Da ein vorsätzliches, also

jedenfalls wissentliches Handeln des S nicht ersichtlich ist, kommt allenfalls Fahrlässigkeit

in Betracht. Diese liegt vor, wenn S die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht

gelassen hat, § 276 Abs. 2 BGB. Die Pflichtverletzung des S liegt darin, dass die

Bananenschale nicht entfernt bzw. die Reinigung und Überwachung des Gefahrenbereichs

nicht ausreichend organisiert wurde. Insofern spielt es keine Rolle, ob eventuell ein

Kunde die Bananenschale hat fallen lassen. Die Fahrlässigkeit des S wäre nur

ausgeschlossen, wenn er sein Personal im erforderlichen Umfang angewiesen hätte, den

potenziell besonders gefährlichen Obst- und Gemüsebereich ständig zu kontrollieren und

eventuell Gefahren sofort zu beseitigen. Denn es ist auch für das Personal faktisch

ausgeschlossen, jede Verunreinigung und sonstige Gefahr auf dem Boden sofort zu

erkennen und zu entfernen. Somit hilft auch § 278 BGB nicht weiter, über den dem S ein

eventuelles Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zugerechnet werden könnte, da auch

ein solches nicht feststeht. Damit stellt sich die Frage, wen die Beweislast für das

Vertretenmüssen trifft. (8)

Da das Vertretenmüssen eine anspruchsbegründende Tatsache ist, trifft grundsätzlich G

die Beweislast. Jedoch enthält § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine generelle Beweislastumkehr

für die Frage des Vertretenmüssens von Pflichtverletzungen im Rahmen von

Schadensersatzansprüchen. Konsequenz ist, dass der Gläubiger nur die Darlegungs- und

Beweislast für das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung trägt. Liegt – wie hier –

eine Pflichtverletzung vor, greift die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ein mit der

Folge, dass den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass er diese nicht

zu vertreten hat. Diese Vermutung kann der Schuldner widerlegen, indem er Tatsachen

vorträgt und ggf. beweist, aus denen sich ergibt, dass er die Pflichtverletzung nicht zu

vertreten hat. (4)

S hat lediglich darauf verwiesen, dass ein anderer Kunde die Bananenschale fallen

gelassen haben könnte. Damit hat er nicht dargelegt, dass er alle ihm zumutbaren

Vorkehrungen zur regelmäßigen Beseitigung von Bodenverunreinigungen und damit zur

Vermeidung eines solchen Unfalls getroffen hat. Er kann also den Nachweis des

Nichtvertretenmüssens nicht führen. (5)

4. Schaden, haftungsausfüllende Kausalität, Ersatz gem. §§ 249 ff. BGB

Dem G ist durch den Armbruch ein Schaden entstanden: Zum einen liegt eine

Vermögenseinbuße vor, da der Bruch ärztlich behandelt werden musste; die

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Behandlungskosten von 1.000 € beruhen adäquat-kausal auf der Pflichtverletzung. G

kann sie gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Geld ersetzt verlangen. Ein

anspruchsminderndes Mitverschulden i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB ist dem Sachverhalt nicht

zu entnehmen. (3)

5. Ergebnis

G hat einen (durchsetzbaren) Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.000 € aus §

280 Abs. 1 S. 1. BGB (2)

Anspruch G gegen S gem. § 823 Abs. 1 BGB

G könnte auch einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB haben. (5)

1. Rechtsgutsverletzung

Es liegt eine Verletzung des Körpers des G vor. (2)

2. Handlung des S

Die Verletzung müsste auf einer Handlung des S beruhen. Da S nicht aktiv geworden ist,

kommt insofern nur die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Nach der

Rspr. hat derjenige, der eine Gefahrenquelle für andere Personen eröffnet, alle ihm

zumutbaren Maßnahmen zu unternehmen, um den Eintritt vor Schäden zu verhindern.

Als Betreiber des Supermarktes traf S eine Pflicht, dafür zu sorgen, dass niemand durch

die Beschaffenheit der Geschäftsräume, insbesondere durch am Boden liegende

Gegenstände, zu Schaden kommt. Hierzu gehören auch die Reinhaltung des Bodens und

die Sicherstellung der Beseitigung von herunter gefallenen Gegenständen durch

geeignete organisatorische Maßnahmen. Dieser Pflicht ist S nicht in ausreichendem

Umfang nachgekommen. (5)

3. Haftungsbegründende Kausalität

Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht führte zum Sturz des G und somit zur

Körperverletzung. (1)

4. Rechtswidrigkeit

Die Rechtswidrigkeit ist bei Verletzung einer Gefahrvermeidungspflicht indiziert. (1)

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5. Verschulden

Allerdings müsste S zumindest fahrlässig gehandelt haben, § 823 Abs. 1. BGB Da er sein

Verschulden bestreitet und auf eine Verursachung durch einen anderen Kunden hinweist,

müsste an sich G beweisen, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2

BGB) hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Die Beweislastumkehr des §

280 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht sich lediglich auf Pflichtverletzungen in bestehenden

Schuldverhältnissen. Für die allgemeine Deliktshaftung verbleibt es bei dem Grundsatz,

dass jede Partei die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen hat, die für sie günstig sind.

Danach müsste G das Verschulden des S beweisen. Das kann er insofern nicht, als nicht

auszuschließen ist, dass die Bananenschale von einem anderen Kunden fallen gelassen

worden ist. Da S jedoch eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, kommt dem G der

Beweis des ersten Anscheins zur Hilfe, den S durch seinen bloßen Hinweis auf die

Möglichkeit einer Fremdverursachung nicht entkräften kann; er müsste vielmehr, etwa

durch die Vorlage eines detaillierten Reinigungsplans, nachweisen, dass er alle ihm

zumutbaren Anstrengungen zur Vermeidung von Verletzungen seiner Kunden getroffen

hat. Da er dies nicht tut, kann aus der objektiven Verletzung der

Verkehrssicherungspflicht auf eine (Organisations-) Fahrlässigkeit des S geschlossen

werden. (2)

6. Schaden und haftungsausfüllende Kausalität

Zum Schaden gelten die Ausführungen wie oben: I. 3. und 4. (1)

7. Ergebnis

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht ebenfalls in gleicher Höhe. (2)

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KURZ UND BÜNDIG ZU § 22

§ 22 Die Verletzung von vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten

(„Leistungsstörungen“)

A. Einführung

B. Das Vertretenmüssen

I. Verschulden und Haftung

II. Haftung für fremdes Verschulden, § 278 BGB

III. Ausnahmen vom Verschuldensprinzip

C. Unmöglichkeit der Leistung

I. Begriff der Unmöglichkeit

1.) Echte Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB

a.) objektive Unmöglichkeit

b.) subjektive Unmöglichkeit

2.) Faktische Unmöglichkeit, § 275 Abs. 2 BGB

3.) Persönliche Unzumutbarkeit, § 275 Abs. 3 BGB

4.) Teilunmöglichkeit

II. Rechtsfolgen der Unmöglichkeit

1.) Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 BGB

2.) Befreiung des Gläubigers von der Gegenleistungspflicht

a.) Grundsatz

b.) Ausnahmen

(1) § 326 Abs. 2, Satz 1, 1. Halbsatz BGB

(2) § 326 Abs. 2, Satz 1, 2. Halbsatz BGB

(3) beiderseitig zu vertretende Unmöglichkeit

3.) Schadensersatzansprüche

a.) nachträgliche Unmöglichkeit: § 280 Abs. 1 und

Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 BGB

b.) anfängliche Unmöglichkeit: § 311a Abs. 2 BGB

4.) Aufwendungsersatzansprüche

a.) nachträgliche Unmöglichkeit: § 284 BGB i.V.m. §

280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 BGB

b.) anfängliche Unmöglichkeit: § 284 BGB i.V.m. §

311 a Abs. 2 BGB

5.) Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285

BGB

6.) Rücktrittsrecht

D. Leistungsverzögerung und Verzug

I. Schuldnerverzug

1.) Voraussetzungen

2.) Rechtsfolgen

II. Gläubigerverzug §§ 293 ff. BGB

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1.) Voraussetzungen

2.) Rechtsfolgen

E. Mangelhafte Leistung / Schlechtleistung

F. Verletzung einer Schutzpflicht

G. Störung der Geschäftsgrundlage

I. Voraussetzungen

1.) Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage nach

§ 313 Abs. 1 BGB

2.) Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2

BGB)

II. Rechtsfolgen

H. Struktur der Ansprüche und Gestaltungsrechte im Leistungsstörungsrecht

I. Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche

1.) § 280 Abs. 1 BGB

a.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB (PVV)

b.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 BGB und

§ 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.)

c.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 2 und § 286

BGB (Schuldnerverzug)

d.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 281

BGB

e.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 282

BGB

f.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 283

BGB

g.) 284 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 280 Abs. 3

und §281 / §282 / §283 BGB

2.) § 311 a Abs. 2 BGB

a.) § 311 a Abs. 2, Var. 1 BGB

b.) § 311 a Abs. 2, Var. 2 BGB i.V.m. § 284 BGB

II. Rücktritt

1.) § 323 BGB

2.) § 324 BGB

3.) § 326 Abs. 5 i.V.m. § 323 BGB

I. Fall zum Annahmeverzug

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§ 22 Die Verletzung von vertraglichen und vorvertraglichen Pflichten

(„Leistungsstörungen“)

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §§ 21 bis 27; Hütte / Helbron

„Schuldrecht Allgemeiner Teil“, Rn. 363-837; Kallwass „Privatrecht – Ein Basisbuch“,

§§ 44 bis 47

A. Einführung

Werden die Pflichten aus einem gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnis, wie

z.B. auf Erfüllung des Vertrags, nicht ordnungsgemäß - also nicht, nicht rechtzeitig

oder unzulänglich - erfüllt oder mit dem Schuldverhältnis verbundene

Schutzpflichten verletzt, spricht man davon, dass die Leistung gestört ist. Folgende

Umstände führen zu Störungen im Schuldverhältnis:

� die Unmöglichkeit der Leistung,

� der Schuldnerverzug,

� die Schlechtleistung,

� die Verletzung einer Schutzpflicht,

� der Annahmeverzug und

� die Störung der Geschäftsgrundlage.

B. Das Vertretenmüssen

Oft kommt es im Leistungsstörungsrecht für das Entstehen einer Rechtsfolge

entscheidend darauf an, ob jemand bestimmte Umstände zu vertreten hat. Deshalb

soll zunächst auf das so genannte Vertretenmüssen eingegangen werden, bevor wir

uns den einzelnen Leistungsstörungen zuwenden.

I. Verschulden und Haftung

„Der Schuldner hat nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu

vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem

sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist“. Vorsatz und

Fahrlässigkeit sind die beiden anerkannten Formen des Verschuldens. Der Begriff

des Vertretenmüssen bedeutet, dass der Schuldner dem Gläubiger gegenüber

verantwortlich ist, er also die Konsequenzen aus seinem Verhalten und der

übernommenen Haftung zu tragen hat. § 276 BGB normiert nur Einzelheiten zum

Verschuldensprinzip und bildet selbst keine Anspruchsgrundlage.

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Die Verschuldensfähigkeit richtet sich gemäß § 276 Abs. 1, Satz 2 BGB nach §§ 827

und 828 BGB. Danach sind volljährige und geistig normal entwickelte Personen für ihr

Verhalten grundsätzlich voll verantwortlich. Minderjährige, die das siebente

Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind verschuldensunfähig. Für ältere

Minderjährige gilt dies in abgestufter Form.

Der Handelnde haftet für eigenes Verschulden nach § 276 BGB. Fremdes Verschulden

kann ihm nach § 278 BGB zugerechnet werden.

Vorsätzlich handelt, wer mit Wissen und Wollen den rechts- oder pflichtwidrigen

Erfolg herbeiführt. Ausreichend ist regelmäßig bedingter Vorsatz, bei dem der

Handelnde den Erfolg nicht um jeden Preis erreichen will, ihn aber billigend in Kauf

nimmt. Fahrlässigkeit ist ein Oberbegriff und kann in grobe und leichte

Fahrlässigkeit eingeteilt werden. (Leicht) fahrlässig handelt, wer die im Verkehr

erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. Grob fahrlässig handelt,

wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.

Nach einer Faustregel, liegt leichte Fahrlässigkeit vor, wenn man von einem

Verhalten sagen kann: „Das kann jedem einmal passieren.“

Beispiel:

A wohnt im obersten Stockwerk eines Hauses und schließt seine neue

Waschmaschine versehentlich ohne ausreichende Dichtung an. Beim ersten

Waschgang gibt es eine Überschwemmung und A macht Bekanntschaft mit

den anderen Mietern, welche unterhalb wohnen…

Nach einer Faustregel, liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn man von einem

Verhalten sagen kann: „Was hat der sich nur dabei gedacht!“

Beispiel:

A geht mit einem brennenden Streichholz als Lichtquelle in ein

Sprengstofflager.

II. Haftung für fremdes Verschulden, § 278 BGB

Der Schuldner hat nach § 278 S. 1 BGB ein Verschulden seines gesetzlichen

Vertreters (z. B. Eltern, Betreuer) und seiner Erfüllungsgehilfen zu vertreten.

Der Schuldner muss in aller Regel seine Leistungsverpflichtung nicht selbst erfüllen,

vgl. § 267 Abs. 1 BGB. Er kann also auch Hilfspersonen zur Erfüllung einsetzen, was

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jedoch nicht dazu führen darf, dass sich der Schuldner durch Übertragung der

Erfüllungshandlungen an andere von jeglicher Verantwortung freimachen kann. Daher

bestimmt § 278 S. 1 BGB, dass dem Schuldner das Verschulden seiner Hilfsperson

wie eigenes Verschulden zugerechnet wird. Es handelt sich bei § 278 BGB also um

eine Zurechnungsnorm und nicht um eine Anspruchsgrundlage. Voraussetzungen

des § 278 BGB sind:

- Es muss eine Sonderverbindung (Schuldverhältnis) bestehen;

- Der Handelnde muss Erfüllungsgehilfe oder gesetzlicher Vertreter des

Schuldners sein und

- das Tätigwerden muss gerade in Erfüllung der Verbindlichkeit erfolgen.

Erfüllungsgehilfe ist, wer mit dem Willen des Schuldners in dessen

Pflichtenkreis als Hilfsperson tätig wird, d. h. wer dem Schuldner bei der

Erfüllung seiner schuldvertraglichen Verpflichtungen behilflich ist. Welche

Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Erfüllungsgehilfe besteht, ist dabei

unerheblich. Anders als beim Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB kommt es auf die

Weisungsgebundenheit des Gehilfen nicht an.

III. Ausnahmen vom Verschuldensprinzip

Vom Verschuldensprinzip des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB gibt es eine Reihe von

Ausnahmen, die entweder zu einer Haftungsmilderung oder –verschärfung

führen. So kann der Schuldner nach § 276 BGB insbesondere durch die Übernahme

einer Garantie oder eines Beschaffungsrisiko strenger haften.

1. Eine gesetzliche Regelung, die die Haftung auf Vorsatz beschränkt,

existiert nicht. Möglich ist eine nachträgliche vertragliche

Haftungsbeschränkung, vgl. § 276 Abs. 3 BGB. Diese darf aber nicht

durch AGB erfolgen, § 309 Nr. 7 b BGB.

2. Der Schuldner hat leichte Fahrlässigkeit nicht zu vertreten, wenn der

Gläubiger mit der Annahme der Leistung in Verzug ist, § 300 Abs. 1

BGB, oder wenn der Schuldner im Interesse des Gläubigers tätig wird,

§§ 521, 599, 680, 968 BGB. Ein vertraglicher Ausschluss der Haftung

für leichte Fahrlässigkeit ist, abgesehen von der Haftung für die

Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und Kardinalpflichten, auch

durch AGB möglich, § 309 Nr. 7 BGB.

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3. In Ausnahmefällen sieht das Gesetz eine Haftung für Zufall vor:

Unmöglichkeit im Schuldnerverzug, § 287 S. 2 BGB; Haftung des

Verkäufers für die garantierte Mangelfreiheit der Ware, § 443 BGB;

Haftung des Käufers auf volle Kaufpreiszahlung trotz Verschlechterung

des Kaufgegenstandes, §447 BGB; Geldschulden nach § 270 Abs. 1

BGB; rechtsgeschäftlich übernommene Garantiehaftung. Im

deliktsrechtlichen Bereich gilt die Haftung für Zufall in den Fällen der

sog. beschränkten Gefährdungshaftung, vgl. § 7 StVG (keine Haftung

nur dann, wenn der Unfall auf höherer Gewalt beruht).

4. Nach einigen Vorschriften haftet der Schuldner nur für diejenige

Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, vgl.

§§ 690, 708 und 1359 BGB. In diesen Fällen kommt es auf die

persönlichen Fähigkeiten des Schuldners an. Allerdings geht diese

Haftung nicht soweit, dass der Schuldner von Haftung für grobe

Fahrlässigkeit befreit ist, § 277 BGB. Diese Haftungsbeschränkung ist

zumeist auf die enge Beziehung der Beteiligten zurückzuführen

(Gesellschafter bei § 708 BGB; Ehepartner bei § 1359 BGB).

C. Unmöglichkeit der Leistung

Von Unmöglichkeit spricht man allgemein, wenn die Voraussetzungen eines der

Absätze von § 275 BGB vorliegen. Wichtigste Rechtsfolge dieser Unmöglichkeit der

Leistung ist, dass der Schuldner von seiner primären Leistungsverpflichtung frei

wird. Impossibilium nulla obligatio est – Zu Unmöglichem ist niemand verpflichtet.

Sekundäre Ansprüche (z.B.: Schadensersatzansprüche) können jedoch an die Stelle

der untergegangen Leistungsverpflichtung treten. Liegen die Voraussetzungen von §

275 Abs. 1 BGB vor, ist dies vom Richter im Prozess von Amts wegen zu beachten (=

rechtsvernichtende Einwendung). Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 275

Abs. 2 und 3 BGB gibt dem Schuldner das Recht zur Leistungsverweigerung. Möchte

der dieses Recht geltend machen, muss er sich im Prozess auf das Vorliegen der

Voraussetzungen von § 275 Abs. 2 oder 3 BGB berufen, da es nur in diesem Fall vom

Richter berücksichtigt wird (=Einrede).

I. Begriff der Unmöglichkeit

1.) Echte Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB

Die echte Unmöglichkeit ist in § 275 Abs. 1 BGB geregelt und bezeichnet den Fall, in

dem die geschuldete Leistung nur vom Schuldner nicht (= subjektive

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Unmöglichkeit oder Unvermögen genannt) oder von überhaupt niemandem (=

objektive Unmöglichkeit) mehr erbracht werden kann. Dieses Leistungshindernis

kann auf tatsächlichen, rechtlichen oder terminlichen Gründen beruhen.

a.) objektive Unmöglichkeit

Die objektive Unmöglichkeit ist unter anderem gegeben, wenn der Schuldner die

Leistung aus physischen Gründen nicht mehr erbringen kann, zum Beispiel weil die

geschuldete Sache zerstört wurde. Aus rechtlichen Gründen wird die Leistung objektiv

unmöglich, wenn die Veräußerung des Gegenstandes gesetzlich verboten wird (z.B.:

Verbot, Alkohol zu übereignen). Aus terminlichen Gründen wird die Leistung

unmöglich, wenn für die Leistungserbringung ein fester Termin vereinbart wurde und

die Einhaltung dieses Termins nach dem Vertragszweck und der jeweiligen

Interessenlage so wesentlich ist, das die verspätete Leistung keine Erfüllung mehr

darstellt (=so genanntes absolutes Fixgeschäft, z.B.: Die geschuldeten

Schokoladenweihnachtsmänner werden nicht wie vereinbart Ende November, sondern

erst am 26.12. ausgeliefert.).

Beispiel:

Bevor die von Giacometti geschaffene Skulptur von V an K übergeben werden

kann, wird sie durch einen Brand zerstört und kann nicht wieder beschafft

werden, da es sich um ein Unikat handelt.

b.) subjektive Unmöglichkeit

Die subjektive Unmöglichkeit ist nur gegeben, wenn der Schuldner sein

Leistungshindernis nicht einmal theoretisch durch Ersatzbeschaffung ausräumen

kann.

Beispiel:

Die oben genannte Skulptur wird dem V durch den Dieb D gestohlen und ist

nicht mehr auffindbar. V kann sie zwar noch an K übereignen, aber nicht mehr

übergeben. Letzteres kann nur noch D, der dies aber nicht will und auch

unauffindbar ist.

Die Leistung von Geldschulden kann jedoch nicht nach § 275 Abs.1, Var 1 BGB

subjektiv unmöglich werden, weil ein Schuldner für seine finanzielle

Leistungsfähigkeit einstehen muss. „Geld hat man zu haben“. In Betracht kommt

jedoch eine objektive Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 Var. 2 BGB i.V.m. § 300 Abs.

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2 BGB analog, wenn ausgesondertes Geld zu einem Zeitpunkt untergeht zu dem der

Gläubiger in Annahmeverzug ist.

Beispiel:

S schuldet G 100.000 €. Nachdem S zum vereinbarten Zeitpunkt mit dem

vereinbarungsgemäß befüllten Geldkoffer zu G gefahren ist, ohne diesen

jedoch in seiner Wohnung anzutreffen, verbrennt der Geldkoffer infolge eines

von S auf der Rückfahrt leicht fahrlässigen verursachten Autounfalls.

2.) Faktische Unmöglichkeit, § 275 Abs. 2 BGB

Die faktische Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 2 BGB ist gegeben, wenn die Leistung

zwar theoretisch, aber nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erbracht werden kann.

Beispiel:

V verkauft dem K eine weniger wertvolle Skulptur Giacomettis, die auf dem

Boden des Mittelmeeres liegt. Die Bergung dieser Skulptur ist zwar technisch

möglich, würde aber zehnmal soviel kosten, wie die Skulptur wert ist.

3.) Persönliche Unzumutbarkeit, § 275 Abs. 3 BGB

Ausschließlich persönlich zu erbringende Leistungen können aufgrund persönlicher

Umstände nicht erbracht werden. Die Leistungserbringung muss unzumutbar sein.

Beispiel:

V soll einen Vortrag über die Kunst Giacomettis halten. Da seine Tochter

schwer erkrankt, sieht er sich außerstande, diese Leistung zu erbringen. V

könnte sich nicht richtig konzentrieren und wäre ohnehin in Gedanken ständig

bei seiner Tochter. Statt dessen pflegt V seine Tochter lieber gleich gesund.

4.) Teilunmöglichkeit

Eine Teilunmöglichkeit liegt nur vor, wenn die Leistung teilbar ist. Der Anspruch auf

die Leistung erlischt nur hinsichtlich des unmöglichen Teils. Ein

Schadensersatzanspruch kommt dann auch nur hinsichtlich des unmöglichen Teils in

Betracht, es sei denn, der Gläubiger hat kein Interesse an der Teilleistung nach § 281

Abs. 1, Satz 2 BGB i.V.m. § 283 BGB.

Beispiel:

A hat B genau 10 t Kartoffeln der Sorte „Erdapfel deluxe“ verkauft und sich

bereit erklärt, die Ware an B zu versenden. A verfrachtet 10 t der

geschuldeten Sorte in einen Güterwagen der Deutschen Bahn und schickt

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diesen an B ab. Aufgrund der winterlichen Verhältnisse entgleist gerade der für

B bestimmte Güterwagen auf einem Streckenabschnitt mitten im Wald. Eine

Horde Wildschweine nutzt diese einmalige Gelegenheit und vernichtet genau

2,5 t Kartoffeln.

Hier ist wegen der vernichteten 2,5 t Kartroffeln gemäß § 275 Abs. 1 Var. 2

BGB objektive Unmöglichkeit und Teilunmöglichkeit eingetreten, weil A im

Rahmen der vereinbarten Schickschuld durch das Aussondern und Versenden

der 10 t Kartoffeln nach § 243 Abs. 2 BGB das seinerseits Erforderliche getan

hatte. Ein Schadensersatzanspruch des B gegen A aus § 280 Abs. 1 und 3 BGB

i.V.m. § 283 BGB scheitert hier am fehlenden Vertretenmüssen des A nach §

276 und § 447 Abs. 1 BGB.

II. Rechtsfolgen der Unmöglichkeit

Liegen die Voraussetzungen von § 275 BGB vor, löst dies zahlreiche Rechtsfolgen

aus.

1.) Befreiung von der Leistungspflicht nach § 275 BGB

Die Befreiung des Schuldners von seiner primären Leistungspflicht nach § 275 BGB ist

die wichtigste Rechtsfolge der Unmöglichkeit und wurde bereits unter § 20, C., III

dieses Skripts vorgestellt. Das Vorliegen dieser Rechtsfolge ist im Anspruchsaufbau

unter dem Punkt „Anspruch untergegangen“ zu prüfen. Insoweit gehört sie

systematisch mit zu § 21 dieses Skripts.

2.) Befreiung des Gläubigers von der Gegenleistungspflicht nach § 326 BGB

Auch auf die wichtigsten mit § 275 BGB zusammenhängenden Rechtsfolgen des § 326

BGB wurde bereits unter § 20, C., III dieses Skripts kurz hingewiesen. Auch das

Vorliegen dieser Rechtsfolge ist im Anspruchsaufbau unter dem Punkt „Anspruch

untergegangen“ zu prüfen.

a.) Grundsatz

Wird der Schuldner nach § 275 BGB von seiner primären Leistungspflicht frei, hat dies

bei gegenseitigen Verträgen nach § 326 Abs. 1 BGB grundsätzlich auch die Befreiung

des Gläubigers von der Gegenleistungspflicht zur Folge. Anders betrachtet: Wird der

Schuldner nach § 275 BGB von seiner Verpflichtung zur Leistung frei, verliert er nach

§ 326 Abs. 1 BGB jedoch seinen Anspruch auf die Gegenleistung.

b.) Ausnahmen

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Von diesem Grundsatz gibt es zahlreiche Ausnahmen. Diese erschließen sich über §

326 Abs. 2 BGB.

(1) § 326 Abs. 2, Satz 1, 1. Halbsatz BGB

Nach § 326 Abs. 2, Satz 1, 1. Halbsatz BGB behält der Schuldner dann den Anspruch

auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger allein oder weit überwiegend für den

Umstand verantwortlich ist, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu

leisten braucht.

Der Gläubiger hat hierbei nach § 276 BGB grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu

vertreten, wenn nichts anderes bestimmt ist.

Nach § 446 BGB verschärft sich die Haftung des Käufers mit der Übergabe

der verkauften Sache dahingehend, dass er nun auch für den zufälligen

Untergang der Kaufsache haftet.

Beispiel:

V drückt dem K die unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Vase in die Hand.

K lässt diese Vase unmittelbar danach versehentlich fallen, wodurch die

Vase in tausend Scherben zerspringt.

Auch wenn V dem K die Vase mangels unbedingter

Übereignungsvereinbarung nach § 929 BGB noch nicht übereignet hatte

und von dieser Pflicht nach § 275 Absatz 1 BGB frei geworden ist, muss K

dennoch nach § 433 Abs. 2 i.V.m. § 326 Abs. 2, Satz 1, Var. 1 BGB i.V.m.

§ 446 BGB den Kaufpreis zahlen.

Nach § 447 Absatz 1 BGB hat der Gläubiger einer Schickschuld bereits ab

der Übergabe der Sache durch den Schuldner an die Transportperson den

zufälligen Untergang dieser Sache zu vertreten.

Beispiel:

V bringt das an den Kunsthändler K verkaufte Gemälde gut verpackt zu

einer Filiale der Deutschen Post und sendet dieses Paket an K ab. Auf dem

Transport Richtung K wird das Postauto mit dem Gemälde von einer

Windhose erfasst, in einen See geschleudert und das Gemälde zerstört.

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Nach § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. 326 Abs. 2, Satz 1, Var. 1 BGB i.V.m. § 447

BGB muss K dennoch den Kaufpreis für das zerstörte Gemälde zahlen, da

§ 474 Abs. 2 BGB ihm als Unternehmer nicht hilft.

Umstritten ist, ob §447 BGB auch Anwendung findet, wenn der Verkäufer

den Transport durch eigene Leute bewirken lässt. Eine Auffassung nimmt

hier Bringschuld an, so dass § 447 BGB von vorneherein entfällt. Nach der

h.M. erfasst § 447 BGB auch den Transport durch eigene Leute. Der

Verkäufer muss sich aber von diesen verschuldete Leistungsstörungen über

§ 278 BGB zurechnen lassen, so dass „Zufall“ hier insoweit ausscheidet.

(2) § 326 Abs. 2, Satz 1, 2. Halbsatz BGB

Nach § 326 Absatz 2, Satz 1, 2. Halbsatz BGB behält der Schuldner seinen Anspruch

auf die Gegenleistung auch dann, wenn der Gläubiger im Annahmeverzug ist und der

Schuldner den leistungsbefreienden Umstand nach § 275 BGB nicht zu vertreten hat.

Der Annahmeverzug ist in §§ 293 ff. BGB geregelt. Danach kommt der Gläubiger

grundsätzlich dann in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Eine der wichtigsten Rechtsfolgen des Annahmeverzuges ist § 300 Abs. 1 BGB.

Hiernach wird der Schuldner in seiner Haftung gegenüber § 276 BGB privilegiert und

haftet nur noch für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.

(3) beiderseitig zu vertretende Unmöglichkeit

Nicht ausdrücklich vom Gesetz geregelt ist das Schicksal der Gegenleistung bei der

beiderseitig zu vertretenden Unmöglichkeit. Die folgende Lösungsmöglichkeit

entspricht der h.M.:

Ist kein Anwendungsfall von § 326 Abs. 2 BGB betroffen, so steht dem Gläubiger ein

Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 283 BGB

beziehungsweise nach § 311 a Abs. 2 BGB zu. Dieser Schadensersatzanspruch ist

nach § 254 BGB um den Mitverschuldensanteil des Gläubigers an dem zur

Leistungsbefreiung des Schuldners nach § 275 BGB führenden Umstand zu kürzen.

Der Gegenleistungsanspruch des Schuldners fällt nach § 326 Abs. 1 BGB weg. Dieser

Wegfall des Gegenleistungsanspruches stellt für den Schuldner einen Schaden dar,

den der Gläubiger aufgrund der Verletzung einer Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB

mitzuverantworten hat. Der Schuldner kann also Schadensersatz nach § 280 Abs. 1

BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB verlangen, wobei dieser Anspruch ebenfalls um den

Mitverschuldensanteil des Schuldners nach § 254 BGB zu kürzen ist.

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Beiden Teilen steht in den Grenzen von § 323 Abs. 6 BGB außerdem ein

Rücktrittsrecht zu. Für den Schuldner besteht dieses Rücktrittsrecht nach § 323 BGB

für den Gläubiger nach § 326 Abs. 5 BGB. Erfolgt ein Rücktritt werden die oben

ausgeführten Schadensersatzansprüche nach § 325 BGB hiervon nicht berührt.

3.) Schadensersatzansprüche

Durch die zur Leistungsbefreiung nach § 275 BGB führenden Umstände können

Schadensersatzansprüche ausgelöst werden.

a.) nachträgliche Unmöglichkeit: § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 BGB

Treten die zur Leistungsbefreiung führenden Umstände nach § 275 BGB erst nach

dem Vertragsschluss ein, so hat der Gläubiger unter Umständen einen

Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i.V.m. § 283 BGB.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Schuldner eine Pflichtverletzung begangen und

diese auch zu vertreten hat.

b.) anfängliche Unmöglichkeit: § 311a Abs. 2 BGB

Liegt das Leistungshindernis nach § 275 BGB bereits vor Vertragsschluß vor, können

sich Schadensersatzansprüche aus § 311b BGB ergeben. Weitere Voraussetzung ist,

dass der Schuldner das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss kannte oder

seine Unkenntnis über das Leistungshindernis zu vertreten hat.

4.) Aufwendungsersatzansprüche

Durch die zur Leistungsbefreiung nach § 275 BGB führenden Umstände können auch

Aufwendungsansprüche (Aufwendungen definiert man als freiwillige

Vermögensopfer; In Abgrenzung hierzu ist ein Schaden ein unfreiwilliges

Vermögensopfer.) entstehen. Statt Schadensersatz zu verlangen, kann der Gläubiger

auch Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

a.) nachträgliche Unmöglichkeit: § 284 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB

i.V.m.

§ 283 BGB

Treten die zur Leistungsbefreiung führenden Umstände nach § 275 BGB erst nach

dem Vertragsschluss ein, so hat der Gläubiger einen Aufwendungsersatzanspruch

nach § 284 BGB i.V.m. § 280 Absatz 1 und Absatz 3 BGB i.V.m. § 283 BGB.

Voraussetzung ist wie oben („an Stelle von Schadensersatz“), dass der Schuldner

eine Pflichtverletzung begangen und diese auch zu vertreten hat. Diese nun

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vergeblichen Aufwendungen muss der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der

Leistungen gemacht haben.

Beispiel:

J will ein Gartenfest für sich und seine Freunde veranstalten. Für den

Schlechtwetterfall mietet er bei V ein großes Zelt, das der Band, den

Gästen und dem reichhaltigen Büfett Platz bieten soll. Dann bestellt J

„Die bekannte Band Zärtlichkeiten mit Freunden“ und Essen im Hotel K.

Am Tag des Festes erklärt V, dass J das angemietete Zelt doch nicht

haben könne, weil ein Mitarbeiter von V beim Konsum nicht ganz

legaler Rauchwaren versehentlich das Zeltlager in Brand gesteckt hat.

Da das Regenrisiko bei 90% liegt, muss J das Fest leider kurzfristig

absagen. Für das Essen und die Band muss J aufgrund entsprechender

Vereinbarungen trotzdem zahlen.

J kann von V Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen für Band und

Essen nach § 284 BGB i.V.m. § 280 Absatz 1 und Absatz 3 BGB i.V.m. §

283 BGB verlangen.

b.) anfängliche Unmöglichkeit: § 284 BGB i.V.m. § 311a Abs. 2 BGB

Liegt das Leistungshindernis nach § 275 BGB bereits vor Vertragsschluß vor, können

sich Aufwendungsersatzansprüche aus § 311b i.V.m. § 284 BGB ergeben.

Voraussetzung ist, dass der Schuldner das Leistungshindernis bereits bei

Vertragsschluss kannte oder seine Unkenntnis über das Leistungshindernis zu

vertreten hat.

5. Anspruch auf das stellvertretende commodum nach § 285 BGB

Als stellvertretendes commodum bezeichnet man einen Vorteil, den der Schuldner auf

Grund der Befreiung von der Leistungspflicht gem. § 275 Abs. 1-3 BGB erhält, z.B.

Auszahlung bzw. Anspruch auf eine Versicherungsleistung. Der Gläubiger kann gem.

§ 285 Abs. 1 BGB Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des

Ersatzanspruchs vom Schuldner verlangen.

6.) Rücktrittsrecht

Der Gläubiger kann ohne Fristsetzung gem. § 326 Abs. 5 BGB i.V.m. § 323 BGB vom

Vertrag zurücktreten. Dieses Rücktrittsrecht ist, wie das Recht zur Anfechtung, ein so

genanntes Gestaltungsrecht (Durch die Ausübung eines solchen Rechtes verändert

sich die Rechtslage.) und wird durch eine entsprechende Erklärung des Berechtigten

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ausgelöst. Erfolgt eine solche Rücktrittserklärung nach § 349 BGB entsteht ein

Rückgewährschuldverhältnis mit den Rechtsfolgen nach §§ 346 ff. BGB.

D. Leistungsverzögerung und Verzug

I. Schuldnerverzug

1.) Voraussetzungen

Der Schuldner leistet zu spät und kommt nach § 286 BGB in Verzug, wenn:

- die Leistung fällig und durchsetzbar und dem Schuldner

noch möglich ist,

- der Schuldner die Verspätung zu vertreten hat (§ 286 Abs.

4 BGB), Haftungsverschärfung § 287 S. 1 BGB,

- die Leistung erfolglos abgemahnt wurde (Leistungsklage

und Mahnbescheid stehen der Mahnung gleich). Die Mahnung

ist nicht formgebunden und muss lediglich eine klare und

deutliche Leistungsaufforderung an den Schuldner enthalten.

oder

Die Mahnung ist nach § 286 Abs. 2 BGB ausnahmsweise entbehrlich

wenn:

- die Leistungszeit nach dem Kalender (Nr.1) oder nach einem

Ereignis bestimmt ist (Nr.2)

- endgültige Verweigerung der Leistung (Nr.3) oder aus

besonderen Gründen (Nr.4)

2. Rechtsfolgen

Neben die primäre Leistungspflicht tritt die sekundäre Verpflichtung zur

Leistung von Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 und 2 BGB i.V.m. § 286 BGB.

Nach § 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger auch

Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er eine Frist zur Leistung gesetzt

hat bzw. diese Frist gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich ist. Dies ist der Fall wenn der

Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB)

oder es liegen besondere Umstände vor, die nach einer Interessenabwägung die

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sofortige Geltendmachung des Schadensersatzes rechtfertigen (§ 281 Abs. 2 Alt. 2

BGB).

Gleiches gilt für ein Rücktrittsrecht des Gläubigers nach § 323 BGB.

Eine weitere Folge des Schuldnerverzugs ist die Haftungsverschärfung nach § 287

BGB. Der Schuldner haftet während des Verzugs für jede Fahrlässigkeit und auch für

Zufall, es sei denn der Schaden wäre auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten.

Außerdem kann der Gläubiger einer Geldschuld im Falle des Schuldnerverzugs

Verzugszinsen nach § 288 BGB i.V.m. § 247 BGB verlangen.

II. Gläubigerverzug §§ 293 ff. BGB

1.) Voraussetzungen

Im Falle des Gläubigerverzugs unterbleibt eine erforderliche Mitwirkung des

Gläubigers, was seine Rechtsposition verschlechtert. Eine Voraussetzung für den

Verzug des Gläubigers ist ein Angebot durch den Schuldner, dem die Leistung zur

rechten Zeit am rechten Ort in der richtigen Menge und Beschaffenheit möglich ist.

Der Schuldner muss zur Leistung berechtigt sein. Dieses Angebot kann der Schuldner

sowohl nach § 294 BGB in tatsächlicher Form als auch in wörtlicher Form nach § 295

BGB abgeben. Ist die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung nach dem Kalender

bestimmt, so ist das Angebot des Schuldners nach § 296 dann entbehrlich, wenn

Gläubiger diese Handlung nicht rechtzeitig vornimmt. Ein Verschulden des Gläubigers

ist im Gegensatz zum Schuldnerverzug nicht erforderlich. Jedoch kann bei Vorliegen

der Voraussetzungen von § 299 BGB eine Gläubigerverzug ausgeschlossen sein.

2. Rechtsfolgen

Ist der Gläubiger im Verzug, so ist der Schuldner nach § 300 I BGB in seiner Haftung

privilegiert. Er hat nur noch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

Ist nur eine der Gattung nach bestimmte Sache geschuldet und diese bei Eintritt des

Gläubigerverzuges nicht schon vom Schuldner nach § 241 Abs. 2 BGB konkretisiert,

so findet eine Konkretisierung und ein Übergang der Leistungsgefahr nach § 300 Abs.

2 BGB statt. Der Schuldner haftet ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für leichte

Fahrlässigkeit und Zufall.

Während des Annahmeverzuges muss der Schuldner nach § 301 BGB eine Geldschuld

nicht verzinsen.

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Der Schuldner ist nach § 372 BGB berechtigt, die geschuldete Sache zu hinterlegen.

Nach § 304 BGB kann der Schuldner überdies verlangen, dass ihm

Mehraufwendungen – zum Beispiel Kosten für den Rücktransport und die weitere

Lagerung der geschuldeten Gegenstände - erstattet werden.

Wird die geschuldete Leistung während des Gläubigerverzuges unmöglich, ohne dass

dies der Schuldner zu vertreten hat, so behält der Schuldner nach § 326 Abs. 2,

Satz1, Var. 2 BGB seinen Anspruch auf die Gegenleistung (siehe oben).

Ein Rücktrittsrecht nach § 326 Abs. 5 BGB hat der sich im Annahmeverzug

befindende Gläubiger wegen § 323 Abs. 6 BGB nicht, wenn der Schuldner den

Rücktrittsgrund nicht zu vertreten hat.

E. Mangelhafte Leistung / Schlechterfüllung

Ein Fall der Schlechterfüllung beziehungsweise mangelhaften Leistung ist gegeben,

wenn der Schuldner zwar eine Leistung erbringt, dies jedoch nicht ordnungsgemäß

erfolgt, weil die Leistung mit einem Sach- oder Rechtsmangel behaftet ist. Dies ist

eine Pflichtverletzung.

Beispiel:

Es stellt sich bei der Lieferung heraus, dass es sich bei der Skulptur um

eine Fälschung handelt, die nicht von Giacometti geschaffen wurde.

Da K nach § 433 Abs. 1, Satz 2 BGB zur mangelfreien Lieferung verpflichtet

ist und hier nach § 434 Abs. 3 BGB ein Sachmangel vorliegt, kann K die

Abnahme der Fälschung verweigern. Verweigert K die Abnahme, bleibt es

bei den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts: K hat noch

immer seinen Anspruch auf Lieferung des Originals. K kann aber auch aus

§ 280 Abs. 1 und 3 BGB i.V.m. 281 BGB Schadensersatz verlangen oder /

und nach § 323 BGB vom Vertrag zurücktreten. Dies geht in beiden Fällen

jedoch nur, wenn K dem V erfolglos eine angemessene Nachfrist gesetzt

hat.

Nimmt K dem V die Skulptur dennoch ab, erfolgt nach § 446 BGB der

Übergang von den Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts zu den

Gewährleistungsregeln des Kaufrechts. K könnte seine Ansprüche nun nur

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noch nach § 437 BGB geltend machen. Dazu später mehr im

Kaufgewährleistungsrecht.

F. Verletzung einer Schutzpflicht

Eine Schutzpflichtverletzung liegt vor, wenn der Schuldner Nebenpflichten nach § 241

Abs. 2 BGB verletzt, die zwar nicht den Hauptzweck des Schuldverhältnisses bilden,

sich jedoch aus dem Schuldverhältnis ergeben und zur Erfüllung jeweils von beiden

Parteien zwingend beachtet werden sollen.

Nebenpflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB sind:

- Schutzpflichten sonstiger Rechte und Güter

- Aufklärungspflichten

- Rücksichtnahmepflichten

- Nachwirkende Fürsorgepflichten

Beispiel:

Bei der Lieferung der Skulptur stößt V den K mit der Skulptur aus

Unachtsamkeit am Kopf und verursacht dadurch eine Platzwunde.

Die vertragliche Haftung kann sowohl zeitlich nach vorn als auch nach hinten durch

die gesetzlichen Schuldverhältnisse der culpa in contrahendo und culpa post pactum

finitum ergänzt werden. Die durch Schutzpflichtverletzung entstehenden

Schuldverhältnisse haben keine primären Leistungspflichten und führen zu

Schadensersatzansprüchen nach §§ 280 Abs.1, 3; 282 BGB (so genannte positive

Vertragsverletzung – Abk. PVV) beziehungsweise nach §§ 311 Abs. 2 i.V.m. 241 Abs.

2 BGB (culpa in contrahendo – siehe oben). Wenn dem Gläubiger ein Festhalten am

Vertrag durch eine Nebenpflichtverletzung nicht zuzumuten ist, kann dieser auch

gem. § 324 BGB vom Vertrag zurücktreten.

G. Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB

Es ist möglich, dass sich bei Verträgen die bei Vertragsschluss vorliegenden

Umstände nachträglich und unerwartet ändern oder sich erst nach Vertragsschluss

herausstellt, dass die bei Vertragsschluss vorausgesetzten Umstände in Wirklichkeit

gar nicht vorgelegen haben. Fraglich ist, ob und in wieweit die Parteien dennoch an

den unveränderten Vertrag gebunden sind. Um dieses Problem interessengerecht zu

lösen, wurde schon vor der Schuldrechtsreform das Rechtsinstitut vom Wegfall der

Geschäftsgrundlage entwickelt.

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Nach dem ersten Weltkrieg diente dieses Rechtsinstitut vor allem dazu, die

bestehenden Vertragsverhältnisse an die gravierenden wirtschaftlichen

Veränderungen der Inflationszeit anzupassen. Als Rechtsgrundlage für dieses

Rechtsinstitut wurde der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB

herangezogen.

Mit der Schuldrechtsreform wurde die Störung der Geschäftgrundlage in § 313 BGB

auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Nach dem Willen des Gesetzgebers kann bei

der Auslegung von § 313 BGB auf die schon vorher anerkannten Grundsätze dieses

Rechtsinstituts zurückgegriffen werden, weil der Gesetzgeber mit der Schaffung von

§ 313 BGB die bestehende Rechtslage nicht ändern, sondern lediglich kodifizieren

wollte.

I. Voraussetzungen

Die Geschäftsgrundlage kann gemäß § 313 BGB in Form ihres nachträglichen Wegfalls

oder ihres bereits ursprünglichen Fehlens gestört sein.

1.) Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB

Die Geschäftsgrundlage fällt nach § 313 Abs. 1 BGB weg, wenn sich

vertragswesentliche objektive Umstände nachträglich ändern. Dies sind solche

Umstände auf denen der Geschäftswille der Parteien aufgebaut hat. Die andere Partei

hätte sich auf die Berücksichtigung dieses Umstandes redlicherweise einlassen

müssen.

Weitere Voraussetzung ist, dass diese fehlenden oder weggefallenen Umstände nicht

Vertragsinhalt gewesen sein dürfen.

Außerdem dürften die Parteien den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt

geschlossen haben, wenn sie die Veränderung vorausgesehen hätten. Der

hypothetische Kausalverlauf wird hier also ausnahmsweise berücksichtigt.

Schließlich muss das Festhalten am unveränderten Vertrag für den einen Teil unter

Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere nach der vertraglichen

oder gesetzlichen Risikoverteilung unzumutbar sein.

Beispiel:

V vermietet an K für den Rosenmontag seinen Balkon, damit K von dieser

günstigen Stelle, den alljährlichen Karnevalsumzug betrachten kann.

Wegen einer Schweinegrippenepidemie wird der Umzug abgesagt.

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2.) Fehlen der subjektiven Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB)

Gemäß § 313 Abs. 2 BGB steht es einer Veränderung der Umstände gleich, wenn

wesentliche Vorstellungen, welche Vertragsgrundlage geworden sind, sich als falsch

herausstellen. Dies erfasst das ursprüngliche Fehlen der subjektiven

Geschäftsgrundlage.

Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift Fälle des gemeinschaftlichen

Motivirrtums und jene Fälle erfassen, in denen sich nur eine Partei falsche

Vorstellungen macht und die andere Partei diesen Irrtum ohne eigene Vorstellungen

hierzu hingenommen hat.

II. Rechtsfolgen

Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage ist nach § 313 Abs. 1 BGB primär ein

Anspruch auf interessengerechte Anpassung des Vertrages.

Nach § 313 Abs. 3, Satz 1 BGB kann der durch die Störung benachteiligte Teil vom

Vertrag zurücktreten soweit eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder nicht

zumutbar ist. Bei Dauerschuldverhältnissen hat der benachteiligte Teil nach § 313

Abs. 3 Satz 2 BGB stattdessen das Recht zur Kündigung.

H. Struktur der Ansprüche und Gestaltungsrechte im Leistungsstörungsrecht

Zur Wiederholung und zum besseren Verständnis sollen die Ansprüche und

Gestaltungsrechte im Leistungsstörungsrecht hier systematisch dargestellt werden.

Die Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB ist die zentrale Regelung der

Leistungsstörungen. Sie hat Geltung für alle Schuldverhältnisse und jede der

Vertragsparteien. Sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner können eine

Pflichtverletzung begehen. § 280 Abs. 1 BGB ist die wichtigste Grundnorm für

Schadensersatzansprüche im Leistungsstörungsrecht. Daneben gibt es noch eine

zweite selbständige Anspruchsgrundlage, die jedoch nicht ganz so zentral ist: § 311 a

Abs. 2 BGB.

Rücktritt und Schadensersatz sind gemäß § 325 BGB nebeneinander möglich. Der

Leistungsanspruch des Gläubigers erlischt, wenn er sich für den Rücktritt, § 346 BGB,

oder Schadensersatz statt der Leistung entscheidet, § 281 Abs. 4 BGB

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I. Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche

Festzuhalten ist noch das § 280 Abs. 1 BGB und seine Kombinationsmöglichkeiten

Anwendung finden, wenn die Pflichtverletzung nach Vertragsschluss erfolgt.

Besteht das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss ist § 311 a Abs. 2

BGB die richtige Anspruchsgrundlage.

1. § 280 Abs. 1 BGB

Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 entsteht, wenn ein Schuldverhältnis

besteht und der Schuldner eine seiner Pflichten hieraus verletzt. Das Wort

Pflichtverletzung ist hier ohne implizierten Verschuldensvorwurf und absolut neutral

zu sehen. Nach § 280 Abs. 1, Satz 2 BGB ist es erforderlich, dass der Schuldner diese

Pflichtverletzung zu vertreten hat. Erst hier wird nach der Verantwortlichkeit des

Schuldners für die Verletzung seiner Pflicht gefragt.

Aufbauend auf § 280 Abs. 1 BGB gibt es ähnlich einem Baukastensystem weitere

Vorschriften, welche für die jeweils angestrebte Rechtsfolge zusätzliche

Voraussetzungen aufstellen. Nur dann, wenn es in der Vorschrift explizit

vorgeschrieben ist, kann der jeweilige Schadens- oder Aufwendungsersatzanspruch

nur statt der Leistung geltend gemacht werden. Ansonsten ist dies immer neben den

bestehenden Leistungsansprüchen möglich.

a.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB (PVV)

Verletzt der Schuldner eine Schutzpflicht aus dem Schuldverhältnis nach § 241 Abs. 2

BGB erwirbt der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB

i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB, wenn der Schuldner diese Pflichtverletzung zu vertreten

hat.

b.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 BGB und § 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.)

Inhaltlich dasselbe wie unter a.) gilt, wenn der Schuldner eine solche Pflicht aus

einem Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 2 BGB verletzt. Erwähnenswert ist, dass in

einem solchen Schuldverhältnis jedoch keine Leistungspflichten sondern nur

Schutzpflichten entstehen.

c.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 2 und § 286 BGB (Schuldnerverzug)

Will der Gläubiger Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung erhält er

diesen nur nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 2 und § 286 BGB. Die

Voraussetzungen der genannten Vorschriften müssen vorliegen.

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d.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 281 BGB

Erbringt der Schuldner die geschuldete Leistung nicht oder nicht wie geschuldet, so

kann der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 281 BGB

Schadensersatz statt der Leistung oder Schadensersatz statt der ganzen

Leistung verlangen.

Im Fall von § 281 BGB ist es dem Schuldner noch möglich, die Leistung wie

geschuldet zu erbringen. Wichtigste Voraussetzung des § 281 BGB ist die erfolglose

Nachfristsetzung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 281 Abs. 2 BGB kann diese

Nachfristsetzung jedoch entbehrlich sein. Schadensersatz statt der ganzen Leistung

gibt es nach § 281 Abs. 1, Satz 2 BGB bei Teilleistungen nur, wenn der Gläubiger an

der Teilleistung kein Interesse hat und im Fall der fehlerhaften Leistung nach § 281

Abs. 1, Satz 3 BGB nur, wenn die Pflichtverletzung erheblich ist.

e.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 282 BGB

Verletzt der Schuldner eine Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB kann der Gläubiger nach §

280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 282 BGB Schadensersatz statt der

Leistung verlangen, wenn ihm die Leistung durch den Schuldner nicht mehr

zuzumuten ist.

Auch hier ist die Leistung noch möglich – nur dem Gläubiger nicht mehr zumutbar.

Wegen der Unzumutbarkeit muss der Gläubiger hier auch keine Nachfrist setzen.

f.) § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 283 BGB

Ist die Leistungspflicht nach § 275 BGB ausgeschlossen, hat der Gläubiger nach § 280

Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 3 und § 283 BGB Anspruch auf Schadensersatz statt

der Leistung.

Weil die Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist oder nach § 275 Abs. 2 oder 3

BGB vom Schuldner nicht mehr erbracht werden muss, ist auch hier eine

Nachfristsetzung entbehrlich, weil sie ohnehin sinnlos wäre.

Umstritten ist worin die Pflichtverletzung in dieser Konstellation zu sehen ist, ist

umstritten. Eine Auffassung erblickt in der Herbeiführung des Leistungshindernisses

nach § 275 BGB die Pflichtverletzung. Der Gesetzgeber wollte die Pflichtverletzung bei

§ 275 BGB jedoch bereits darin sehen, dass der Schuldner die Leistung einfach nicht

erbringt. Die Ursache für die Pflichtverletzung ist erst nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB

zu Untersuchen. Nach richtiger Ansicht hat der Begriff der Pflichtverletzung noch

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nichts mit Vertreten müssen zu tun und eine Pflichtverletzung bereits in der

Nichterfüllung des ursprünglich Geschuldeten zu erblicken.

g.) § 284 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 i.V.m. § 280 Abs. 3 und §281 / §282 /§283

BGB

Nach § 284 BGB kann der Gläubiger anstelle des Schadensersatzes statt der

Leistung auch Aufwendungsersatz verlangen, wenn er diese Aufwendungen im

Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise auch machen

durfte. Dies gilt nicht, wenn der Zweck dieser Aufwendungen auch ohne die

Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden wäre.

§ 284 BGB kann mit den Anspruchsketten nach §§ 281, 282 oder 283 BGB also mit

d.), e.) oder f.) kombiniert werden. Die Voraussetzungen eines dieser

Schadensersatzansprüche müssen aber zusätzlich zu den weiteren Voraussetzungen

von § 284 BGB vorliegen.

2.) § 311 a Abs. 2 BGB

Nach § 311 a Abs. 2 BGB gibt es zwei Anspruchsziele, unter denen der Gläubiger bei

einem schon bei Vertragsschluss vorliegenden Leistungshindernis wählen darf.

Im Rahmen von § 311 a Abs. 2 Satz 2 BGB kommt es darauf an, ob der Schuldner

das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss kannte oder seine Unkenntnis über

das Leistungshindernis zu vertreten hat. In analoger Anwendung von § 166 Abs. 1

BGB sollte auch eine Zurechnung der Kenntnisse der Wissensvertreter des Schuldners

möglich sein.

a.) § 311 a Abs. 2, Var. 1 BGB

Nach § 311 a Abs. 2, Var. 1 BGB kann der Gläubiger Schadensersatz statt der

Leistung verlangen.

b.) § 311 a Abs. 2, Var. 2 BGB i.V.m. § 284 BGB

Nach § 311 a Abs. 2, Var. 2 BGB i.V.m. § 284 BGB kann der Gläubiger anstelle von

Schadensersatz statt der Leistung auch Aufwendungsersatz verlangen.

II. Rücktritt

Die Rücktrittsmöglichkeiten nach §§ 323, 324 und 326 Abs. 5 BGB funktionieren

ähnlich wie die §§ 281, 282 und 283 BGB. Auch hier hat der Gesetzgeber ein

Baukastensystem verwendet.

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1.) § 323 BGB

Nach § 323 BGB kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten,

wenn der Schuldner die geschuldete Leistung nicht oder nicht wie geschuldet

erbringt.

Im Fall von § 323 BGB ist es dem Schuldner noch möglich, die Leistung wie

geschuldet zu erbringen.

Wichtigste Voraussetzung des § 323 BGB ist die erfolglose Nachfristsetzung nach §

323 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 323 Abs. 2 BGB kann diese Nachfristsetzung jedoch

entbehrlich sein. Ein Rücktritt vom ganzen Vertrag ist nach § 323 Abs. 5, Satz 1 BGB

bei Teilleistungen nur möglich, wenn der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse

hat. Im Fall der fehlerhaften Leistung ist ein Rücktritt nach § 323 Abs. 5, Satz 2 BGB

nur möglich, wenn die Pflichtverletzung erheblich ist.

Nach § 323 Abs. 6 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den

Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend

verantwortlich ist oder wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist und der

Schuldner nicht für den zum Rücktritt berechtigenden Umstand verantwortlich ist.

2.) § 324 BGB

Verletzt der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine Pflicht nach § 241 Abs. 2

BGB kann der Gläubiger nach § 324 von diesem Vertrag zurücktreten, wenn ihm ein

Festhalten an diesem Vertrag nicht zumutbar ist.

Auch hier ist die Leistung noch möglich – nur dem Gläubiger nicht mehr zumutbar.

Wegen der Unzumutbarkeit muss der Gläubiger hier auch keine Nachfrist setzen.

3.) § 326 Abs. 5 i.V.m. § 323 BGB

Ist die Leistungspflicht nach § 275 BGB ausgeschlossen, hat der Gläubiger nach § 326

Abs. 5 BGB i.V.m. § 323 BGB die Möglichkeit zum Rücktritt.

Weil die Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist oder nach § 275 Abs. 2 oder 3

BGB vom Schuldner nicht mehr erbracht werden muss, ist auch hier eine

Nachfristsetzung entbehrlich, weil sie ohnehin sinnlos wäre.

I. Fall zum Annahmeverzug:

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Veit Nauer ist Inhaber eines Antiquariats, dessen Betrieb er zum 31.01.2002

einstellen will. Aus diesem Grund veranstaltet er vom 24.01.2002 bis zum

30.01.2002 einen Räumungsverkauf, um seine angemieteten Geschäftsräume

termingerecht zum 31.01.2002 an den Vermieter übergeben zu können. Student

Jakob kauft in Kenntnis der Geschäftsauflösung bei Veit Nauer am 29.01.2002

eine antiquarische Ausgabe der gesammelten Werke von Karl May zum Preis von

€ 250,00. Jakob ist an diesem Tag schon schwer mit seinen Studienunterlagen

beladen und kann die erstandenen Bücher unmöglich nach Hause transportieren.

Aus diesem Grund vereinbart er mit Veit Nauer, dass er die Bücher am

kommenden Tag, den 30.01.2002 abholen wird. Am 30.01.2002 erscheint Jakob

bis zum Geschäftsschluss nicht im Geschäft des Veit Nauer. Wegen der

bevorstehenden Räumung seines Geschäftes beauftragt Veit Nauer seinen

Angestellten Kurt, die für Jakob bestimmten Bücher in das Lager von Veit Nauer

am anderen Ende der Stadt zu bringen. Beim Ausladen am Lager fallen die Karl

May Bände durch eine leichte Unachtsamkeit des Kurt in einen Haufen

Schneematsch und sind auf Grund der Feuchtigkeit und des Drecks nicht mehr zu

gebrauchen.

Am 31.01.2002 meldet sich Jakob bei Veit Nauer und entschuldigt sich für sein

Nichterscheinen am vorhergehenden Tag. Wegen einer dringenden ambulanten

Operation war es ihm nicht möglich, die Bücher termingerecht abzuholen.

Veit Nauer schildert Jakob das Missgeschick seines Angestellten, verlangt aber

zum Ende des Gesprächs die Bezahlung der Karl May Ausgabe.

Zu Recht?

Lösung:

Veit Nauer könnte gegen Jakob einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v.

€ 250,00 gemäß § 433 Abs. 2 BGB haben.

I. Anspruch entstanden?

Wirksamer Kaufvertrag?

Antrag § 145 BGB, Annahme § 147 BGB (+); Ein wirksamer Kaufvertrag über die

Karl May Ausgabe zum Preis von € 250,00 liegt zwischen Jakob und Veit Nauer

vor (essentialia negotii).

Ein Anspruch gegen Jakob auf Zahlung des Kaufpreises ist entstanden.

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I. Anspruch erloschen bzw. untergegangen?

1. Anspruch untergegangen durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1

BGB?

Jakob hat den Kaufpreis bisher nicht an Veit Nauer gezahlt, daher ist der Anspruch

nicht durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

2. Anspruch auf die Gegenleistung untergegangen gem. § 326 Abs. 1 BGB?

a.) Ausschluss der Leistungspflicht, Voraussetzungen der Unmöglichkeit gem.

§ 275 Abs. 1 bis 3 BGB, in diesem Fall § 275 Abs. 1 BGB, Def.: nachträgliche

subjektive Unmöglichkeit (nachträgliches Unvermögen): Der Schuldner ist nach

Vertragsschluss nicht mehr im Stande die Leistung zu erbringen, ein Dritter im

Gegensatz dazu schon, die Bücher sind durch den Schneematsch zerstört und

können von Veit Nauer nicht mehr an Jakob übergeben werden, der Anspruch auf

die Leistung von Veit Nauer aus § 433 Abs.1 S. 1BGB ist gem. § 275 Abs. 1 BGB

erloschen.

Gem. § 326 Abs. 1 BGB erlischt somit auch der Anspruch auf die Gegenleistung.

b) Bestehenbleiben der Gegenleistungspflicht gem. § 326 Abs. 2 BGB

aa) Annahmeverzug des Gläubigers zum Zeitpunkt des Ausschlusses der

Leistungspflicht

Der Gläubiger Jakob müsste sich in Annahmeverzug gem. §§ 293 ff. BGB

befinden. Dazu müsste Jakob die ihm angebotene Leistung nicht rechtzeitig

angenommen haben.

§ 294 BGB erfordert ein tatsächliches Angebot. Am 30.01.2002 hat Veit Nauer

dem Jakob kein tatsächliches Angebot unterbreitet. Da jedoch zur Bewirkung der

Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, genügt ein wörtliches

Angebot des Schuldners. Ein wörtliches Angebot zur Leistung durch Veit Nauer ist

jedoch ebenfalls nicht erfolgt. Gem. § 296 S. 1 BGB ist das Angebot zur Leistung

allerdings vollkommen entbehrlich, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem

Kalender bestimmt ist. Jakob sollte die Bücher am 30.01.2002 abholen. Die

Parteien hatten somit eine Zeit nach dem Kalender bestimmt. Jakob befand sich

vom 30.01.2002 nach Ladenschluss im Annahmeverzug.

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Der Annahmeverzug lag bereits vor der Befreiung von der Leistungspflicht gem.

§ 275 Abs. 1 BGB vor.

aa) Nichtvertretenmüssen des Veit Nauer

Veit Nauer dürfte die Unmöglichkeit nicht zu vertreten haben. Grundsätzlich haftet

der Schuldner gem. § 276 BGB für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Def.:

Fahrlässigkeit: ist das Außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt

(§ 276 Abs. 2 BGB). Vorliegend hat Veit Nauer selbst die Zerstörung der Bücher

nicht verschuldet. Ein mögliches Verschulden des Angestellten Kurt könnte jedoch

über § 278 Abs. 1 BGB dem Veit Nauer zuzurechnen sein. Dann müsste Kurt

Erfüllungsgehilfe des Veit Nauer sein. Def.: Erfüllungsgehilfe ist, wer mit dem

Willen des Schuldners im Rahmen der Erfüllung einer diesem obliegenden

Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig wird. Die Aufbewahrung der verkauften Sache

ist eine Nebenpflicht im Rahmen des § 433 BGB und somit eine Verbindlichkeit

des Schuldners gegenüber dem Gläubiger.

Kurt ist im Geschäft als Hilfsperson angestellt und damit Erfüllungsgehilfe i.S.v.

§ 278 Abs. 1 BGB, ein Verschulden des Kurt hat Veit Nauer somit als eigenes

Verschulden zu vertreten.

Die Karl May Ausgabe ist Kurt durch leichte Unachtsamkeit in den Schneematsch

gefallen, worin eine leichte Fahrlässigkeit zu sehen ist.

Allerdings können unter besonderen Umständen Haftungserleichterungen zu

Gunsten des Schuldners vorliegen. Eine solche ist gem. § 300 Abs. 1 BGB zu

Gunsten des Schuldners beim Gläubigerverzug gegeben. Wie oben dargelegt,

befindet sich Jakob im Annahmeverzug und Veit Nauer haftet daher nur für

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

.

Veit Nauer hat die Unmöglichkeit nicht zu vertreten.

aa) Zwischenergebnis

Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt gem. § 326 Abs. 2 BGB bestehen.

I. Ergebnis

Veit Nauer hat gegen Jakob einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v.

€ 250,00 gem. § 433 Abs. 2 BGB.

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KURZ UND BÜNDIG ZU § 23 UND § 24

§ 23 Schadensersatzrecht A. Schadensbegriff

I. Maximen des Schadensrechts / Umfang

II. Der ersatzfähige Schaden 1. Erfüllungsschaden 2. Vertrauensschaden

B. Kausalität und Zurechnung

I. Äquivalenztheorie

II. Adäquanztheorie

III. Schutzzweck der Norm

C. Arten von Vermögensschäden

D. Höhe des Schadens

E. Besonderheit immaterieller Schaden

I. Schmerzensgeld

II. Persönlichkeitsrechtsverletzungen

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§ 23 Schadensersatzrecht

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, §§ 28 bis 31; Hütte / Helbron „Schuldrecht Allgemeiner

Teil“, Rn. 862-967; Kallwass „Privatrecht – Ein Basisbuch“, §§ 40 bis 42

A. Schadensbegriff Wenn geklärt ist, ob ein vertraglicher oder gesetzlicher Schadensersatzanspruch besteht (haftungsbegründender Tatbestand), stellt sich die Frage, in welcher Höhe und auf welche Art und Weise der Schaden zu ersetzen ist (haftungsausfüllender Tatbestand). Dazu enthalten die §§ 249 ff. BGB des Allgemeinen Schuldrechts entsprechende Regelungen. Kernvorschrift des Schadensersatzrechts ist § 249 BGB, der den Grundgedanken enthält, dass der Geschädigte so gestellt werden soll, wie er stünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (= Naturalrestitution). Der Schadensersatzanspruch tritt an die Stelle des verletzten Rechts oder des nicht erfüllten Primäranspruchs. Im Vordergrund steht der Gedanke, Schäden auszugleichen (Kompensation), nicht etwa der Prävention bzw. der Abschreckung vor weiteren schadensverursachenden Ereignissen. Das unterscheidet das deutsche Schadensersatzrecht vom amerikanischen, bei dem die Abschreckung ein tragender Gedanke ist, der zu rechtskonformem Verhalten anregen soll.

I. Maximen des Schadensersatzrechts/Umfang

1. Totalreparation. Alles oder Nichts Prinzip, auch schwerwiegende Folgen einer

kleinen Unachtsamkeit sind zu ersetzen.

2. Naturalrestitution. Per Gesetz stellt die Wiederherstellung des früheren

Zustandes in Natur gem. § 249 I BGB (Naturalrestitution) den Regelfall für

Vermögens- und Nichtvermögensschäden dar.

3. Entgangener Gewinn, § 252 BGB, wird auch von der Ersatzpflicht umfasst.

Darunter versteht man Vermögensvorteile, die im Zeitpunkt des

Schadenseintritts noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehören, jedoch

nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten

waren.

4. Die Berechnung des entgangenen Gewinns kann abstrakt nach der Vermutung

des § 252 Satz 2 BGB erfolgen.

5. Wenn die Herstellung unverhältnismäßig teuer ist, kann der Schädiger den

Gläubiger in Geld entschädigen, § 251 II 1 BGB. Die Aufwendungen zur

Wiedergutmachung des Schadens können den Wert der Sache -wegen des zu

schützenden Integritätsinteresses- auch um bis zu 30 % übersteigen, Stichwort

wirtschaftlicher Totalschaden, gilt jedoch nicht für Heilbehandlungskosten bei

Tieren § 251 II 2 BGB.

6. Wird eine Person verletzt oder eine Sache beschädigt, kann der Geschädigte die

Herstellung selbst übernehmen oder übernehmen lassen und den dazu

erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger verlangen, § 249 II 1 BGB.

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7. Ist die Herstellung nicht mehr möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers

nicht genügend, z.B. irreparable Schädigung einer Sache oder eines

Einzelstücks, hat der Geschädigte Anspruch auf Geldersatz, § 251 I BGB.

8. Immaterielle Schäden werden nur in gesetzlich bestimmten Fällen in Geld

entschädigt, § 253 Abs. 1 BGB.

9. Ersetzt werden nur eigene Schäden, außer in gesetzlich ausdrücklich anders

geregelten Fällen, wie z.B. § 844 BGB.

10. Mitverschulden, § 254 BGB, bzw. eine zu verantwortende Betriebsgefahr

können den Schadensersatzanspruch bis auf Null reduzieren.

II. Der ersatzfähige Schaden Ein Schaden wird als jede unfreiwillige Einbuße an Lebensgütern definiert.

1. Erfüllungsschaden Beim Erfüllungsschaden hat der Schädiger den Geschädigten so zu stellen, als ob der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Eine Haftung erfolgt auf das positive Erfüllungsinteresse und umfaßt auch den entgangenen Gewinn.

2. Vertrauensschaden Der Geschädigte ist so zu stellen, als hätte er nicht auf die Richtigkeit einer Erklärung oder einer Vertrauen schaffenden Handlung vertraut. Also so, als ob er nie davon gehört hätte. Diese Haftung auf das negative Interesse umfaßt nutzlose Aufwendungen (Reisekosten, zusätzliche Inseratskosten, Kosten für An- und Abtransport), die im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages gemacht wurden z.B. §§ 122 I, 179 II BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, berechnet sich nach der Differenzhypothese durch Vergleich des Vermögens vor und nach dem schadenstiftenden Ereignis. Von einem Nichtvermögensschaden spricht man wenn ein Vergleich der Vermögensmassen nach der Differenzhypothese nicht möglich ist z.B. bei ehrverletzenden Äußerungen. B. Kausalität und Zurechnung Ein Schaden ist dem Schädiger nur anzulasten, wenn seine Handlung für den Schaden kausal geworden und zurechenbar ist. Handlung kann hierbei sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen sein. Für die Folgen eines Unterlassens ist jedoch nur schadensersatzpflichtig, wer aus Gesetz, voraagegangenem pflichtwidrigen Tun (Ingerenz) oder freiwilliger Übernahme für das Ausbleiben eines Erfolges verantwortlich ist. Kausalität und Zurechnung werden nach folgenden Ansätzen bestimmt: I. Äquivalenztheorie Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung kausal, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne daß der tatbestandliche Erfolg entfiele „conditio sine qua non“). Nach dieser Theorie sind zahlreiche Handlungen und Erfolge miteinander verknüpfbar, wodurch die Äquivalenztheorie recht ungenau und weit die Kausalität bestimmt. Bei dieser Theorie sind alle Bedingungen gleichwertig.

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Ein Unterlassen ist nach der Äquivalenztheorie dann für einen Erfolg kausal, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzu gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.

Beispiel: Betriebsfeuerwehrmann F löscht einen im Betrieb durch einen Kurzschluss entstandenen kleinen Brand nicht, sondern sieht interessiert dabei zu, wie das Feuer immer größer wird und schließlich das ganze Warenlager erfasst.

II. Adäquanztheorie Um die Äquivalenztheorie einzuschränken, wird die Adäquanztheorie verwendet. Danach ist dem Handelnden ein Schaden nur dann zuzurechnen, wenn die von ihm gesetzte Bedingung nach der allgemeinen Lebenserfahrung zum Eintritt des Erfolges führen konnte. Ganz unwahrscheinliche und nur unter ganz besonderen Umständen eintretende Schadensfolgen werden so ausgegrenzt.

Beispiel: Bei einem Streit versetzt A dem schwächlichen B einen Schlag, so dass dieser hintenüber stürzt und mit dem Kopf so unglücklich auf die Tischkante fällt, dass er das Bewußtsein für einige Tage verliert. Derweil verhungert der Hund des B in dessen Wohnung. Als B davon erfährt, verfällt er in Trübsinn und muß sich in psychiatrische Behandlung begeben. Hat A für die Schäden des B aufzukommen?

Nach der Äquivalenztheorie ist A für alle eingetretenen Schäden verantwortlich, weil er sie kausal verursacht. Nach der Adäquanztheorie ist A lediglich die Bewußtlosigkeit und den Tod des Hundes zuzurechnen. B’s Reaktion auf den Tod seines Hundes sind so außergewöhnlich, dass sie außerhalb des Bereichs der allgemeinen Lebenserfahrung liegen.

III. Schutzzweck der Norm Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm sind dem Schädiger nur jene Schäden zuzurechnen, welche die verletzte Norm gerade verhindern soll.

Beipiel: A fährt bei Rot über die Ampel und verletzt auf der Kreuzung den Fahrradfahrer F. Genau dies will, die Norm „Du darfst bei rot nicht über die Ampel fahren!“ verhindern. Die Verletzungen des F sind dem A also nach dem Schutzzweck der Norm zurechenbar. Beispiel: A fährt in Dresden bei Rot über die Ampel. Dadurch ist er 30 Sekunden früher in Radebeul wo ein spielendes Kind unmittelbar vor A ganz plötzlich auf die Straße läuft und von A angefahren wird. Die Ampel in Dresden will keinen Unfall in Radebeul verhindern. Sie schütz nur die jeweilige Kreuzung.

Beispiel: Auf einer stark befahrenen Straße verursacht B eine Verkehrsstockung. Andere Verkehrsteilnehmer weichen über die Grünstreifen und Fußwege aus und beschädigen dabei Gehwegsteine und den Rasen.

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Der BGH gewährte keinen Schadensersatzanspruch gegen den für die Verkehrsstockung verantwortlichen B. Nach anderer Ansicht von Brem, VersR, 70, 424 ist auch der Grundstückseigentümer in den Schutz der straßenverkehrsrechtlichen Normen einbezogen und hat daher einen Schadensersatzanspruch gegen B.

C. Arten von Vermögensschäden Grundsätzlich wird nur der Vermögensschaden ersetzt. Ausnahmsweise auch der immaterielle Schaden in den vom Gesetz bestimmten Fällen, § 253 BGB. In bestimmten Fällen behilft sich der Geschädigte ohne Ersatz. Dann handelt es sich um einen bloßen Nutzungsausfall, der rechnerisch nicht zu einem Schaden führt. Allein die Nutzungsmöglichkeit des betreffenden Gegenstandes hat aber einen bestimmten Marktwert, so dass bei wertender Betrachtung allein die ständige Verfügbarkeit bereits einen (entziehbaren) Vermögenswert darstellt.

Beispiel 1: Nach einem Autounfall mietet sich der Eigentümer keinen Ersatzwagen, kann jedoch den entstehenden Nutzungsausfall (in Höhe der sonst entstandenen Mietkosten) vom Schädiger verlangen.

Beispiel 2: Durch Bauarbeiten wird die Standsicherheit eines am Hang oberhalb liegenden Einfamilienhauses gefährdet. Bis zur Errichtung einer Stützmauer ziehen die Eigentümer des Hauses für einige Wochen in ihren Campingbus auf ihrem Grundstück. Sie verlangen vom schädigenden Bauherrn € 1.500,00 als Ausgleich für die entgangene Gebrauchsmöglichkeit ihres Wohnhauses. Der Nutzungsausfall von Wirtschaftsgütern von „zentraler Bedeutung für die Lebensführung ist als ersatzfähiger Schaden“ anerkannt. Hier besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfall des Wohnhauses. Nicht ersatzfähig sind dagegen Nutzungsausfälle von Luxusgütern, wie z.B. eines Sportboots oder eines Pelzmantels.

Die Rechtsprechung hat auch die Unterhaltskosten für ein unerwünschtes Kind als Folge einer mißlungenen Sterilisation oder Schwangerschaftsunterbrechung als ersatzfähigen Schaden anerkannt.

D. Höhe des Schadens Der Schadensersatzanspruch mindert sich um ein Mitverschulden des Geschädigten, § 254 BGB. Genauso wirkt die Vorteilsausgleichung schadensmindernd z.B. durch Wertsteigerungen, ersparte Aufwendungen wie Lebenshaltungskosten während eines Krankenhausaufenthaltes aus. Der Geschädigte soll am entstandenen Schaden nicht verdienen. Nicht schadensmindernd wirken sich Zahlungen aus einer privaten Lebens- oder Unfallversicherung an den Geschädigten aus. Bei einem Verkehrsunfall mit dem Pkw begründet die von jedem Auto ausgehende Betriebsgefahr grundsätzlich ein Mitverschulden.

E. Besonderheit immaterieller Schaden

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I. Schmerzensgeld Immaterieller Schadensersatz kann gem. § 253 Abs. 1 BGB nur in gesetzlich bestimmten Fällen verlangt werden. Solche Tatbestände finden sich in § 253 Abs. 2 BGB für die Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung. Das Schmerzensgeld soll den erlittenen Schaden ausgleichen und eine Genugtuung für die Einbuße an Lebensfreude durch die Verletzung darstellen. Damit bei einer vergleichbaren Verletzung annähernd gleiche Schmerzensgelder zugesprochen werden, orientieren sich die Gerichte an Schmerzensgeldtabellen. Die Regelung des § 253 Abs. 2 BGB galt als § 847 BGB a.F. i.ü. bis 2002 nur im Deliktsrecht. Nunmehr kann Schmerzensgeld auch bei Vertragsverletzungen verlangt werden. II. Persönlichkeitsrechtsverletzungen Der Schmerzensgeldanspruch auf Grund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist gesetzlich nicht geregelt. Bei einer schuldhaften Verletzung des Persönlichkeitsrechts aus Artt. 1 und 2 GG ist dem Geschädigten allerdings eine Entschädigung nach Art des Schmerzensgelds zu leisten. Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts durch Massenmedien wird in letzter Zeit, entgegen der sonstigen Grundannahme zum Schadensrecht, auch der Gesichtspunkt der Prävention in der Höhe des Schadensersatzanspruchs berücksichtigt.

Beispiel: Schadensersatz i.H.v. € 180.000,00 für Prinzessin Caroline von Monaco wegen Veröffentlichung von Fotografien aus der Privatsphäre.

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§ 24 Aufrechnung, Abtretung und Gesamtschuld

A. Aufrechnung I. Wirkung und Zweck der Aufrechnung II. Voraussetzungen der Aufrechnung

1. Aufrechnungslage

a) Gegenseitigkeit

b) Gleichartigkeit

c) Wirksamkeit

d) Fälligkeit und Erfüllbarkeit

2. Aufrechnungserklärung

III. Ausschluss der Aufrechnung

B. Abtretung

I. Voraussetzungen der Abtretung

II. Wirkungen der Abtretung

C. Gesamtschuld

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§ 24 Aufrechnung, Abtretung und Gesamtschuld

Literatur: Brox / Walker „Allgemeines Schuldrecht“, § 16, § 34 und § 37; Hütte / Helbron „Schuldrecht

Allgemeiner Teil“, Rn. 188-232, Rn. 248-315 und Rn. 1109 -1140;

A. Aufrechnung Nach § 387 ff. BGB ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich gleichartige Leistungen gegeneinander aufzurechnen. I. Wirkung und Zweck der Aufrechnung Durch eine wirksame Aufrechnungserklärung nach § 388 BGB werden zwei einander gegenüberstehende Forderungen gemäß § 389 BGB getilgt, soweit sie sich decken. Diese Wirkung tritt gemäß § 389 BGB in dem Zeitpunkt ein, in dem sich die beiden Forderungen erstmals aufrechenbar (= Aufrechnungslage) gegenüber standen. Damit ist die Aufrechnung ein zeitlich auf die erstmalige Aufrechnungslage zurückwirkendes Erfüllungssurrogat. Sie ermöglicht die Vermeidung eines unnötigen Austauschs von Leistungen und bewirkt, dass nur noch derjenige mit der höheren Forderung eine Leistung erhalten muss. Gleichtzeitig eröffnet die Aufrechnung eine unkomplizierte Möglichkeit der Privatvollstreckung, welche sogar dann noch funktioniert, wenn der Aufrechnungsgegner insolvent ist.

Beispiel: A hat sich von B 2000 € geliehen. Etwas später kauft B dem A ein „bessssssssonders sssssssssseltenes Reptil“ für 2000 € ab. Die Rückzahlung des Darlehens ist inzwischen fällig und A in finanziellen Schwierigkeiten. Statt den Kaufpreis in bar zu entrichten, könnte B gegen die Kaufpreisforderung des A mit seiner Rückzahlungsforderung aus dem Darlehensvertrag aufrechnen.

II. Voraussetzungen der Aufrechnung Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung sind das Vorliegen einer Aufrechnungslage und die Abgabe einer Aufrechnungserklärung. 1.) Aufrechnungslage Eine so genannte Aufrechnungslage nach § 387 BGB liegt vor, wenn zwei Forderungen gegenseitig, gleichartig und wirksam sind. Zusätzlich muss die Hauptforderung fällig und die Gegenforderung erfüllbar sein. a.) Gegenseitigkeit Die Gegenseitigkeit liegt vor, wenn die Forderungen zwischen denselben Personen bestehen, also jeder der Beteiligten zugleich Gläubiger und Schuldner des anderen ist. Die Forderung des Aufrechnungsgegners ist das Ziel der Aufrechnung und wird deswegen als Hauptforderung oder Passivforderung bezeichnet. Die Forderung mit welcher der Aufrechnende aufrechnet ist das Mittel der Aufrechnung und wird deswegen als Gegenforderung oder Aktivforderung bezeichnet. Rechnet B im obigen Beispielsfall auf, so ist seine Darlehensforderung (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) als Mittel der Aufrechnung die Gegenforderung und die Kaufpreisforderung des A (§ 433 Abs. 2 BGB) als Ziel der Aufrechnung ist die Hauptforderung. b.) Gleichartigkeit

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Haupt- und Gegenforderung müssen ihrem Gegenstand nach gleichartig sein. Folglich kommen für eine Aufrechnung nur Gattungsschulden in Betracht. Häufigster Fall ist die Aufrechnung Geld gegen Geld. Aber es ist auch möglich Rhabarber gegen Rhabarber aufzurechnen. Dabei ist es möglich, dass die einander gegenüberstehenden Forderungen unterschiedlich hoch sind. Beispiel:

A und B haben kräfig an der Gemüsebörse spekuliert. Am Schluss des Tages schuldet A dem B 200 t Kartoffeln der Sorte „Erdapfel deluxe“ und B hat gegen A einen Anspruch auf 210 t Katoffeln derselben Sorte. Erklärt B gegenüber A die Aufrechnung mit seiner Forderung über 210 t so erlischt die Forderung des A nach § 289 BGB vollständig. B kann von A noch 10 t Kartoffeln verlangen.

c.) Wirksamkeit Beide zur Aufrechnung gegenüber stehende Forderungen müssen wirksam sein. Die Hauptforderung muss nach § 390 BGB nicht erzingbar sein. Die Gegenforderung muss jedoch – mit Ausnahme des § 215 BGB – erzwingbar und einredefrei sein. Ist die Hauptforderung bereits verjährt, so kann man dennoch dagegen aufrechnen. Ist die Gegenforderung verjährt, so kann man mir dieser nach § 390 BGB i.V.m. § 214 BGB nicht mehr aufrechnen. Ausnahmsweise ist dies nach § 215 BGB aber doch möglich, wenn die Gegenforderung der Hauptforderung irgendwann einmal unverjährt gegenüber stand. d.) Fälligkeit und Erfüllbarkeit Die Gegenforderung muss fällig sein. Andernfalls könnte der Aufrechnende die Erfüllung seiner Forderung zu einem Zeitpunkt erreichen, zu dem der Aufrechnungsgegner noch gar nicht erfüllen muss. Die Hauptforderung muss jedoch nur erfüllbar und noch nicht fällig sein. Nach § 271 Abs. 2 BGB gibt es Situationen in denen der Schuldner auch schon vor Fälligkeit leisten darf. Dies soll ihm auch durch eine Aufrechnung möglich sein. 2.) Aufrechnungserklärung Nach § 388 Satz 1 BGB wird die Aufrechnung erst durch eine Aufrechnungserklärung wirksam. Hierbei handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Aufrechungserklärung gestaltet die Rechtslage (die gegenseitigen Forderungen erlöschen soweit sie sich decken) wodurch die Aufrechnungserklärung ein Gestaltungsakt ist. Es ist im Interesse der Rechtssicherheit nach § 388 Satz 2 BGB nicht möglich, eine Aufrechnungserklärung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abzugeben. III. Ausschluss der Aufrechnung Die Aufrechnung kann von den Parteien durch eine entsprechende Vereinbarung nach § 311 Abs. 1 BGB im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit ausgeschlossen werden. Nach § 309 Nr. 3 BGB ist ein Aufrechnungsausschlus durch AGB jedoch nicht hinsichtlich unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Forderungen möglich. Nach § 393 BGB ist es nicht zulässig gegen eine Forderung aus unerlaubter Handlung aufzurechnen. Mit einer solchen Forderung ist die Aufrechnung jedoch möglich. Beispiel:

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Don Vito (V) hat aus einem abstrakten Schuldanerkenntnis noch eine Forderung in Höhe von 5.000 € gegen den Ladenbesitzer L. Weil die Geschäfte schlecht laufen, kann L diese Forderung aber nicht begleichen. Nachdem sich V anhand einschlägiger Fachliterarue über die Tarife informiert hat und L noch immer nicht zahlt, wird L von V als „abschreckendes Beispiel“ zusammengeschlagen und erleidet dabei einen Beinbruch. Das zuständige Gericht spricht dem mutigen L ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zu. V kann wegen § 393 BGB – aus gutem Grund – nicht gegen die Schmerzensgeldforderung des L aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB aufrechnen. L könnte dies jedoch schon.

Nach § 394 BGB ist es nicht möglich gegen eine unpfändbare Forderung aufzurechnen. Auch der Pfändungsschutz nach § 850 ff. ZPO soll nicht unterlaufen werden. Auch die Aufrechnung gegen eine beschlagnahmte Forderung - § 392 BGB – und gegen eine öffentlich-rechtlich Forderungen einer anderen Kasse ist nicht möglich. B. Abtretung Nach § 398 ff. BGB kann eine Forderung durch Vertrag mit einem anderen auf diesen übertragen werden. Diesen Vertrag nennt man Abtretung oder Zession. Die Abtretung ist eine Verfügung wie die Übereignung nach § 929 BGB. Die Abtretung ist also kein Verpflichtungsgeschäft. Der Abtretung muss folglich ein Verpflichtungsgeschäft zu Grunde liegen, dass häufig gleichzeitig mit ihr vorgenommen wird. Den Gläubiger, welcher die Forderung überträgt, nennt man Zedent und den neuen Gläubiger Zessionar.

Beispiel: Z handelt mit Baustoffen. Z`s Stammkunde der Handwerker Ferdinand Fleißig (F) hat dem Z gerade wieder einen Posten Jura-Marmor-Platten für 3000 € abgekauft. Als Z beim Steinbruch des X neue Ware abholt, verlangt X hierfür 3200 € als Kaufpreis. Da Z nur 200 € dabei hat und die Sache gleich mit X klären will, bietet Z dem X zusätzlich seine Forderung gegen F an. Weil X den Z gut kennt und F einen ausgezeichneten Ruf hat, ist X ohne weiteres damit einverstanden.

I. Voraussetzungen der Abtretung Erforderlich für eine wirksame Abtretung ist ein Vertrag zwischen dem Zedenten und dem Zessionar darüber, dass die Forderung vom Zedenten auf den Zessionar übergehen soll. Der Schuldner muss hierbei nicht mitwirken, wird jedoch nach den §§ 399 und 406 ff. BGB geschützt.

Es ist im Beispielsfall für die Wirksamkeit der Abtretung zwischen Z und X also unerheblich, ob F überhaupt etwas davon weiß.

Die Forderung muss bestehen und dem Zedenten auch zustehen. Ein gutgläubiger Erwerb von Forderungen ist nicht möglich.

Hätte F im Beispielsfall bereits die 3000 € an Z bezahlt, könnte Z diese so nach § 362 BGB erloschene Forderung nicht mehr an X abtreten.

Außerdem muss die Forderung übertragbar sein. Die Abtretbarkeit einer Forderung können Schuldner und Gläubiger nach § 399 BGB ausschließen.

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Hätten F und Z miteinander vereinbart, dass Z seine Forderungen gegen F nur mit Zustimmung des F an Dritte abtreten darf, wäre die Abtretung der Forderung von Z an X unwirksam.

Würde die Abtretung an den Zessionar dazu führen, dass sich dadurch der Inhalt der Forderung ändert, so ist die Abtretung nach § 399 BGB ebenfalls nicht möglich. Beispiel:

Der Urlaub soll der Erholung des Urlaubsberechtigten dienen. Weil dieser Zweck an die Person des Berechtigten gebunden ist, kann der Anspruch auf Urlaubsgewährung gemäß § 399 BGB nicht abgetreten werden.

Nach § 400 BGB können unpfändbare Forderungen ebenfalls nicht abgetreten werden. Aus demselben Grund wie bei der Aufrechnung soll auch durch eine Abtretung der Pfändungsschutz nach den §§ 850 ff. ZPO nicht unterlaufen werden. Die zu übertragende Forderung muss im Interesse der Rechtssicherheit bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Eine Forderung ist dann bestimmbar, wenn nach der Abtretungsvereinbarung ohne weiteres Inhalt, Höhe und Schuldner der Forderung spätestens im Zeitpunkt der Forderungsentstehung bestimmt sind. Insoweit ist auch die Abtretung künftiger Forderungen möglich. Beispiel:

Z will ein zweites Transportfahrzeug erwerben. Das dafür erforderliche Darlehen erhällt Z von der Bank B jedoch nur nach einer vorherigen Sicherheitsleistung. Als Sicherheit tritt Z alle seinen bestehenden und zukünftigen Forderungen gegen seine Kunden mit den Anfangsbuchstaben A bis E ab.

II. Wirkungen der Abtretung Mit ihrer Abtretung geht die Forderung nach § 398 BGB vom Zedenten auf den Zessionar über. Nach § 401 BGB gehen mit der abgetretenen Forderung auch die mit der Forderung verbundenen Neben- und Vorzugsrechte wie Hypotheken oder Pfandrechte auf den Zessionar über. Diese Wirkung kann jedoch vertraglich ausgeschlossen werden (z.B.: § 1250 Abs. 2 BGB für das Pfansdrecht). Beispiel:

J hat sich beim Pfandleiher P 50 € geliehen und dafür seine goldene Armbanduhr verpfändet. Zahlt J das Darlehen nicht rechtzeitig zurück, kann P seine Darlehensforderung samt Pfand nach §§ 398 und 1250 BGB auf einen Dritten übertragen.

Nach § 402 BGB hat der Zedent dem Zessionar alle zur Geltendmachung dieser Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und vorhandene dem Beweis der Forderung dienende Urkunden auszuliefern.

Z muss dem X also beispielsweis auch die Anschrift des F mitteilen. Hat F dem X einen nach § 781 BGB einen Schuldschein ausgestellt, kann X von Z auch die Übergabe des Schuldscheins verlangen. Legt X dem F die Abtretung offen und zahlt der F daraufhin, kann er von X den Schuldschein nach § 371 BGB zurück verlangen.

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Nach §§ 404 BGB bleiben die gegenüber dem Zedenten bestehenden Einwendungen des Schuldners grundsätzlich auch gegenüber dem Zessionar bestehen. So kann sich der Schuldner also auch gegenüber dem neuen Gläubiger auf die Verjährung der Forderung nach § 214 Abs. 1 BGB berufen. Zwei Ausnahmen hiervon bestimmt § 405 BGB. Nach § 407 Abs. 1 BGB kann der Schuldner auch nach der Abtretung noch an den Zedenten mit befreiender Wirkung leisten, wenn er von der Abtretung im Zeitpunkt der Leistung nichts weiß. Auch das Ergebnis eines nach Abtretung der Forderung zwischen dem Schuldner und dem Zedenten entstehenden Rechtsstreites muss der Zessionar nach § 407 Abs. 2 BGB gegen sich gelten lassen, wenn der Schuldner bei Eintritt des Rechtsstreites nichts von der Abtretung weiß.

So kann F die 3000 € auch noch an den Z bezahlen, wenn F zum Zeitpunkt der Zahlung noch nichts von der Abtretung an X weiß. X könnte dann von Z Ersatz verlangen.

Schließlich kann der Schuldner unter den Voraussetzungen des § 406 BGB auch gegenüber dem Zessionar mit einer Forderung aufrechnen, die der Schuldner bereits vor seiner Kenntnis von der Abtretung gegenüber dem Zedenten hatte, wenn die Gegenforderung bereits vor der Hauptforderung fällig war. C. Gesamtschuld Es ist sowohl auf Schuldner- als auch auf Gläubigerseite Personenmehrheit möglich. Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger diese Leistung aber nur nur einmal zu fordern berechtigt ist, so liegt nach § 421 BGB Gesamtschuldnerschaft vor. Beispiel: M und L mieten gemeinsam von V eine Tandem für einen Tag für 8 €.

Nach § 535 BGB i.V.m. § 421 BGB kann V sowohl von M als auch von L den gesamten Mietzins fordern. Bezahlt M die 8 € an V, kann V von L nichts mehr verlangen. M kann jedoch von L nach § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 426 Abs. 1, Satz 1 BGB von L einen Anteil von 4 € verlangen. Bezüglich der Rückgabeverpflichtung hinsichtlich des Tandems nach § 546 BGB haften M und L nach § 431 BGB als Gesamtschuldner.

Das Gegenstück zur Gesamtschuldnerschaft ist die Gesamtgläubigerschaft. Diese ist nach § 428 BGB gegeben, wenn mehrere eine Leistung jeweils im Ganzen fordern können, der Schuldner diese Leistung jedoch nur einmal bewirken muss. Beispiel:

U und W betreiben gemeinsam eine Autowerkstatt. S gibt dort sein Auto ab, dass sodann vereinbarungsgemäß von U und W repariert wird. S kann die Reparaturkosten nach § 428 BGB sowohl an U als auch an W mit befreiender Wirkung leisten.

Wie sich verschiedene Veränderungen auf die Gesamtschuldner auswirken, regeln die §§ 422 ff. BGB. Der Ausgleich der Gesamtschuldner im Innenverhältnis ergibt sich aus § 426 BGB. Insbesondere erfolgt nach § 426 Abs. 2 BGB ein gesetzlicher Forderungsübergang soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger über das im Innenverhältnis zu den anderen Gesamtschuldnern Geschuldete hinaus befriedigt. Wie sich Veränderungen auf Gesamtgläubiger auswirken regeln die §§ 429 ff. BGB

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Zum Problem der so genannten gestörten Gesamtschuld: Rasmussen-Bonne, „Mit dem Fahrrad unterwegs“, JUS 1996, S. 36 ff.

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KURZ UND BÜNDIG ZU § 25

§ 25 Die Vertragstypen des Schuldrechts, insbesondere der

(internationale) Kauf

A. Absatzverträge

I. Kauf

1. Vertragspflichten

2. Mängelhaftung im Kaufrecht

a) Sachmangel

b) Rechtsmangel

c) Gefahrübergang

d) Rechtsfolgen

3. Garantieansprüche

a) Selbständige Garantieverträge

b) Unselbständige Garantieverträge

4. Verjährung

5. Haftungsbegrenzung

6. Konkurrenzen

7. Sonderformen des Kaufs

a) Verbrauchsgüterkauf

b) Handelskauf, §§ 373 ff. HGB

c) Just-in-time

d) CISG

II. Tausch

III. Schenkung

B. Gebrauchsüberlassungsverträge

I. Leihe, Miete, Pacht

II. Leasing, Franchising

C. Dienstleistungsverträge

I. Werkvertrag

II. Dienstvertrag, Geschäftsbesorgung

1. Dienstvertrag

2. Geschäftsbesorgung

III. Maklervertrag

IV. Auftrag

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§ 25 Die Vertragstypen des Schuldrechts, insbesondere der (internationale) Kauf

Literatur: Brox / Walker „Besonderes Schuldrecht“, Kapitel 1 bis 4; Führich, Kapitel 4 - 6; Meyer, §§ 4 - 6.

Das besondere Schuldrecht enthält spezielle Vertragstypen, aus denen sich

unterschiedliche Primärpflichten ergeben können. Die bedeutendsten Verträge lassen

sich in vier Gruppen einteilen: Absatzverträge, Gebrauchsüberlassungsverträge,

Dienstleistungsverträge und Kreditsicherungsverträge.

A. Absatzverträge

Durch Absatzverträge (Kauf, Tausch und Schenkung) verpflichtet sich

der Schuldner zur Übertragung von Wirtschaftsgütern.

I. Kauf

Der Kaufvertrag ist der wichtigste im BGB geregelte Schuldvertrag.

Das Gesetz widmet sich ihm in den §§ 433 - 479 BGB, die

insbesondere die Haftung für Rechts- und Sachmängel regeln. Die

Schuldrechtsreform von 2001/2002 hat die kaufrechtlichen

Vorschriften des BGB erheblich verändert. Das deutsche Schuldrecht

wurde den Vorgaben der EU-Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten

Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für

Verbrauchsgüter (Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie) angepasst. Die

Richtlinie definiert das Mindestmaß an Schutz für Verbraucher, das die

kaufrechtlichen Regelungen der EU-Mitgliedsstaaten vorsehen müssen.

Der deutsche Gesetzgeber hat die in der Richtlinie vorgesehenen

Rechte nicht nur für Endverbraucher als Käufer eingefügt, sondern sie

für alle Käufer vorgesehen.

Kaufrechtliche Vorschriften finden sich nicht nur im BGB. Für den

Handelskauf, das heißt den zwischen (zwei) Kaufleuten im Sinne des

HGB abgeschlossenen Kauf finden sich Sondervorschriften in den §§

373 – 381 HGB. Besonders wichtig ist die Vorschrift des § 377 HGB.

Der Käufer kann seine Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer

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verlieren, wenn er Mängel der gelieferten Ware deshalb nicht sogleich

bemerkt und beanstandet, weil er die Ware nicht untersucht hat.

Für die Praxis wichtig ist auch das Übereinkommen der Vereinten

Nationen über Vertrage über den Internationalen Warenkauf (UN-

Kaufrecht oder CISG). Dieses internationale Abkommen verdrängt

die kaufrechtlichen Vorschriften des BGB und des HGB, sobald an

einem Kaufvertrag eine Partei aus einem anderen Vertragsstaat

beteiligt ist.

Ein Kaufvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln der

Rechtsgeschäftslehre, durch zwei auf den Abschluss eines Vertrages

gerichtete Willenserklärungen, Angebot und Annahme, §§ 145 ff. BGB,

zustande.

Man unterscheidet zwischen dem Kauf von Rechten und dem Kauf von

Sachen, die jedoch gem. §§ 433, 453 Abs. 1 BGB grundsätzlich

gleich behandelt werden. Sachen sind alle körperlichen Gegenstände

(§ 90 BGB). Alle übertragbaren Rechte können Kaufgegenstand sein,

z.B. Forderungen, dingliche Rechte, gewerbliche Schutzrechte (z.B.

Marken- und Patentrechte).

Bei der Veräußerung von Sach- und Rechtsgesamtheiten, wie

beispielsweise dem Vermögen einer Person oder einem Unternehmen,

werden im Zweifel alle vermögenswerten Bestandteile wie Maschinen,

Kundschaft, Know-how, good will und Marken, mitverkauft (vgl. auch §

311 c). §§ 434 ff. BGB sind unmittelbar nur auf Sachkauf anwendbar.

Zwar wird beim dauerhaften Erwerb eines auf einen Datenträger

gespeicherten Standardsoftware das Verpflichtungsgeschäft als Kauf

einer vertretbaren Sache und nicht etwa als Kauf eines Nutzungsrechts

behandelt. Doch wird in diesem Zusammenhang maßgeblich auf die

Verkörperung der Programmkopie auf einen Datenträger abgestellt.

Daran fehlt es z.B. gerade beim Herunterladen von Software über das

Internet. Das Mängelgewährleistungsrecht ist jedoch nach § 453 Abs.

1 BGB in diesen Fällen entsprechend anwendbar.

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1. Vertragspflichten

Die Anspruchsgrundlage für Erfüllungsansprüche aus dem Kaufvertrag

ist § 433 BGB, der in Abs. 1 die Pflichten des Verkäufers und in Abs. 2

die Pflichten des Käufers regelt.

Die Hauptpflichten des Verkäufers sind neben der Übergabe der Kaufsache frei von Sach- und Rechtsmängeln auch die Eigentumsübertragung bei Sachen / Rechtsverschaffung beim Kauf eines Rechtes.

Die Hauptpflicht des Käufers besteht in der Zahlung des Kaufpreises. Die Abnahme

der Kaufsache ist nach h.M. genauso Nebenpflicht des Käufers wie das Tragen der

Versendungskosten, § 448 Abs. 1 BGB und die Übernahme der Beurkundungskosten,

§ 448 Abs. 2 BGB.

2. Mängelhaftung im Kaufrecht

Ausführlich geregelt ist die Haftung des Verkäufers für Mängel der Kaufsache

(Gewährleistung). Da § 433 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich sagt, dass die Sache in

mangelfreiem Zustand geliefert werden muss, erfüllt der Verkäufer durch die

Lieferung einer mangelhaften Sache seine Pflichten nicht vollständig. Insofern

handelt es sich um eine Leistungsstörung. §§ 434 – 445 BGB enthalten jedoch

Sonderregeln, die dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, das in Kurz und Bündig

zu § 22 besprochen wurde, vorgehen.

Nochmals besondere Vorschriften für die Sachmängelhaftung gelten, wenn an dem

Kaufvertrag ein Unternehmer (§ 14 BGB) als Verkäufer und ein Verbraucher (§ 13

BGB) als Käufer beteiligt sind (Verbrauchsgüterkauf). Die Sonderregelungen

betreffen nicht nur die Haftung des Verkäufers im Verhältnis zum Käufer, sondern

auch den Rückgriff dieses Verkäufers gegen seine Lieferanten.

a) Sachmangel

Maßgeblich für die Feststellung, ob ein Mangel vorliegt oder nicht, ist die

Sollbeschaffenheit. Die Sollbeschaffenheit ist gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB die

vertraglich vereinbarte Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs. Die

Beschaffenheit kann durch Beschreibung, Probe oder ein Muster der Kaufsache

vereinbart werden.

Bei der Durchführung von komplexen Softwareprojekten (z.B.: Dienst- oder

Werkvertrag) wird die Beschaffenheit oft in sog. „Pflichtenheften“ vereinbart; bei

Grundstückskäufen mit Bauverpflichtung ist die „Baubeschreibung“ wichtig.

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Der weitere Text von § 434 leistet Hilfestellungen für den Fall, dass die Parteien

nicht ausdrücklich eine bestimmte Beschaffenheit vereinbart haben. Sofern keine

Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, richtet sich die Mangelhaftigkeit danach, ob die

Kaufsache sich für die vom Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet (§ 434 Abs.

1 S. 2 Nr. 1 BGB).

Ist weder die Beschaffenheit vertraglich vereinbart noch der Verwendungszweck

bezeichnet, kommt es auf die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung nach der

Erwartung eines Durchschnittskäufers und die Beschaffenheit, die bei Sachen der

gleichen Art üblich sind, an (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Zu der Beschaffenheit

nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB gehören auch Eigenschaften, die nach öffentlichen

Äußerungen des Verkäufers, Herstellers oder seines Gehilfen erwartet werden

dürfen, § 434 Abs. 1 S. 3 BGB.

Montagefehler und fehlerhafte Montageanleitungen gelten als Sachmangel, wenn

durch die Montage eine Sache fehlerhaft geworden ist (§ 434 Abs. 2 S. 1 BGB) oder

wegen einer fehlerhaften Montageanleitung mangelhaft montiert (§ 434 Abs. 2 S. 2

BGB) und die Sache beschädigt wird.

Einem Sachmangel gleichgestellt sind auch Falsch- oder Zuweniglieferungen (§ 434

Abs. 3 BGB). Wird zu wenig geliefert, darf es sich jedoch nicht um eine Teilleistung

zur Erfüllung der Pflicht handeln.

b) Rechtsmangel

Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn gegen den Käufer Rechte Dritter bestehen, die er

nicht ausdrücklich oder konkludent (aus dem Sachzusammenhang heraus) im

Kaufvertrag mit übernommen hat. Rechte Dritter im Sinne des § 435 BGB sind:

- dingliche Rechte (Pfandrechte, Dienstbarkeiten),

- obligatorische Rechte (Miete, Pacht),

- nicht: öffentliche Lasten von Grundstücken (Grundsteuer,

Erschließungsbeiträge),

- aber: öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen (Sozialbindung

einer Wohnung, Verkaufsbeschränkung verdorbener Lebensmittel)

Wenn der Käufer überhaupt nicht Eigentümer der verkauften Sache

wird, stellt dies keinen Rechtsmangel dar. Vielmehr hat der Verkäufer

seine Hauptpflicht aus dem Kaufvertrag nicht erfüllt. Es gelten dann

die einschlägigen Regelungen des allgemeinen Schuldrechts (§§ 275,

311 a, 283 oder §§ 281, 286, 323), nicht das

Mängelgewährleistungsrecht.

c) Gefahrübergang

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Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist in den §§ 446, 447 BGB

normiert (Vgl. Kurz und Bündig zu § 22). Der Mangel muss bei

Gefahrübergang, das heißt grundsätzlich bei Übergabe der Kaufsache

(§ 446) vorliegen, wird er vorher behoben, besteht für die

Mängelgewährleistung kein Bedürfnis.

d) Rechtsfolgen

§ 437 listet die Rechte des Käufers bei Mängeln auf. Die Vorschrift

enthält zahlreiche Verweisungen in das allgemeine Schuldrecht. Trotz

der Sonderregelungen gestaltet sich deshalb die Haftung des

Verkäufers wegen Mängel letztlich ähnlich wie die anderer Schuldner

nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht.

Zunächst hat der Käufer wegen eines Mangels nach §§ 434, 435 BGB

vorrangig einen Anspruch auf Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1,

439 Abs.1 BGB, deren Kosten der Verkäufer zu tragen hat (§ 439

Abs. 2 BGB).

Die Nacherfüllung kann durch Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung erfolgen.

Der Käufer wählt grundsätzlich die Form der Nacherfüllung, § 439 Abs. 1 BGB. Der

Verkäufer kann jedoch von der gewählten Form befreit werden, wenn die Art der

Nacherfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist, § 439 Abs. 3 S. 1

BGB. Ist Ersatzlieferung (Nacherfüllung) unmöglich, kommt nur Reparatur in Frage,

da eine unmögliche Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB nicht verlangt werden kann.

Der Käufer kann dem Verkäufer bis zur erfolgten Nacherfüllung die Einrede

entgegenhalten, dass der Vertrag noch nicht erfüllt ist, weil die mangelfreie Lieferung

Hauptleistungspflicht ist. Er braucht also noch nicht den Kaufpreis zu zahlen, §§ 320,

322 BGB. Durch erfolgreiche Nacherfüllung erlischt die Leistungspflicht des

Verkäufers nach §§ 362 Abs. 1, 437 Nr. 1, 439, 433 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei

Ersatzlieferung hat der Verkäufer nach § 439 Abs. 4 BGB einen Anspruch auf

Rückgabe der mangelhaften Sache.

Der Übergang zu anderen Rechten ist erst möglich, wenn deren Voraussetzungen

gegeben sind. Da § 437 auf das allgemeine Schuldrecht verweist, stehen dem Käufer

vor allem die bereits bekannten Rechtsbehelfe des allgemeinen Schuldrechts zu: Der

Rücktritt (§ 437, 2 i.V.m. §§ 323, 326 Abs. 5) und der Anspruch auf Schadensersatz

§ 437 Nr. 3 i.V.m. den §§ 280, 281, 283 und 311 BGB. Nach allgemeinem

Schuldrecht können diese Rechtsbehelfe grundsätzlich nur geltend gemacht werden,

wenn eine vom Käufer (als Gläubiger des Nacherfüllungsanspruchs aus § 439)

gesetzte Nachfrist abgelaufen ist oder wenn die Behebung des Mangels im Sinne von

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§ 275 BGB unmöglich ist. § 440 bestimmt zusätzlich, dass die genannten

Rechtsbehelfe – ohne Setzung einer Nachfrist – geltend gemacht werden können,

wenn die Nacherfüllung fehlschlägt.

Im Einzelnen:

Eine Rechtsfolge bildet der Schadensersatz neben der Leistung. Voraussetzung

dafür ist das Vertretenmüssen oder eine Haftung aus Garantieübernahme durch

Garantieerklärung (siehe unter 3.), §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 276 Abs. 1 BGB.

Der Schadensersatz neben der Leistung kann verschiedene Schadensarten umfassen.

Der Schaden durch mangelhafte Lieferung ist unabhängig vom Verzug aus §

280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Der Schaden durch verzögerte Nacherfüllung

(Verzögerungsschaden) kompensiert Schäden, die dadurch entstehen, dass sich

die Nacherfüllung verzögert. Voraussetzung ist, dass der Verkäufer sich mit der

Nachbesserung in Verzug befindet (gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs.1, 2, 286 BGB).

Mangelfolgeschäden sind Schäden, der an anderen Rechtsgütern des Käufers

eintreten. Dieser Schaden ist auch dann zu ersetzen, wenn er während der

Nacherfüllungsfrist verursacht wird (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB).

Für Fälle der Endgültigen Nichterfüllung ergeben sich aus § 437 Nr. 2, 3 BGB

Rechte des Käufers auf:

- Rücktritt, §§ 440, 323, 326 Abs. 5, 346 BGB (aa),

- Minderung, § 441 BGB (bb),

- Schadensersatz statt der Leistung, §§ 281, 282, 283 BGB (cc) und

- Aufwendungsersatz, § 284 BGB (dd).

Gemeinsame Voraussetzung dieser Mangelansprüche ist, dass der Käufer dem

Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt (§§ 437 Nr.

2, 3, 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 S. 1 BGB) hat. Angemessen ist die Frist, wenn sie so

bemessen ist, dass der Verkäufer die Nacherfüllung bewirken kann. Die Fristsetzung

ist hingegen entbehrlich, wenn:

- beide Formen der Nacherfüllung unmöglich sind (§ 275 Abs. 1-3

BGB) oder die Nacherfüllung nach § 439 Abs. 3 BGB unverhältnismäßig

ist,

- der Verkäufer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert

(§§ 323 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 2 BGB),

- ein Fixgeschäft (§ 323 Abs. 2 Nr. 2) oder sonstige besondere

Umstände vorliegen (§§ 323 Abs.2 Nr. 3, 281 Abs. 2 BGB),

- die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist (grundsätzlich nach zwei

erfolglosen Versuchen (§ 440 BGB) oder

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- die Nacherfüllung dem Käufer unzumutbar ist (§ 440 S. 1 BGB).

aa) Rücktritt

Der Rücktritt ist nur zulässig, wenn der Mangel erheblich ist (§§ 437

Nr. 2, 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Der Rücktritt ist ein einseitiges

Gestaltungsrecht, das sobald es gegenüber dem Verkäufer erklärt ist

(§ 349 BGB) nicht widerrufen werden kann, und das Schuldverhältnis

in ein Rückabwicklungsverhältnis (§ 346 Abs. 1 BGB) umwandelt. Der

Verkäufer muss den Kaufpreis zurückgewähren und der Käufer die

Sache zurückübereignen und etwaige Nutzungen herausgeben oder

Wertersatz leisten (§ 347 Abs. 1 S. 1 BGB).

bb) Minderung

Liegen die für den Rücktritt erforderlichen Voraussetzungen vor, kann

der Käufer die mangelhafte Sache behalten und den Kaufpreis mindern

(§§ 437 Nr. 2, 441 Abs. 1 S. 1 BGB). Jedoch ist die Minderung auch

bei einem unerheblichen Mangel zulässig (§§ 441 Abs. 1 S. 2, 323 Abs.

5 S. 2 BGB).

Die Minderung wird nach folgender Formel verhältnismäßig berechnet

(§ 441 Abs. 3 BGB):

Geminderter Kaufpreis = vertraglicher Kaufpreis x Wert der

mangelhaften Sache / tatsächlichen (Markt-) Wert der mangelfreien

Sache.

Fall: Ein Neuwagen hat 10.000 Euro gekostet und hat einen tatsächlichen Marktwert von 9.000 Euro. K stellt fest, dass an der Karosserie ein paar Lackschäden sind, die schon beim Kauf dort gewesen sein müssen. Ein Neuwagen mit solchen Lackschäden ist jedoch nur 8.000 Euro wert. Da V auch nach zweimaliger Fristsetzung nicht nacherfüllt, will K ein Schnäppchen machen und erklärt dem V die Minderung des Kaufpreises. Wie billig wird sein Schnäppchen wirklich? Lösung: 10.000 x 8.000 / 9.000 = Schnäppchen (8888,89).

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cc) Schadensersatz statt der Leistung

Voraussetzung für den Schadensersatz statt der Leistung ist das Vertretenmüssen

des Verkäufers nach § 276 Abs. 1 BGB. Besonderheit: Im Gegensatz zur Regelung

nach dem alten Schuldrecht ist der Schadensersatz statt der Leistung nicht durch

den Rücktritt nach § 325 BGB ausgeschlossen. Der „Große Schadensersatz“ wird nur

bei erheblichen Mängeln gewährt, §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 S. 3, 283, 311a Abs.

2 BGB. Er umfasst den Ersatz des gesamten Nichterfüllungsschadens, wie z.B.

Ersatzbeschaffungskosten und entgangener Gewinn. Die Kaufsache muss an den

Verkäufer herausgegeben werden.

Bei nicht erheblichen Mängeln bleibt dem Käufer der Anspruch auf den „Kleinen

Schadensersatz“, §§ 437 Nr. 2, 281 Abs. 1 S. 3., 283, 311 a Abs. 2 BGB. Bei

dieser Schadensberechnung erfolgt keine Rückgabe der Sache, sondern der Käufer

hat Anspruch auf Ersatz des Mangelschadens. Dies ist der Minderwert wegen des

Mangels, Ersatz der Reparaturkosten und entgangener Gewinn.

dd) Aufwendungsersatz

Anstelle des Schadensersatzes kann der Käufer Ersatz der

vergeblichen Aufwendungen gem. §§ 437 Nr. 3, 284 BGB verlangen.

Fall:

Im Vertrauen auf die Lieferung eines überaus kostbaren Gemäldes lässt K eine

aufwendige Klimatechnik in seine Villa einbauen, um eine sachgerechte

Aufbewahrung und Konservierung des kostbaren Stückes zu gewährleisten. Es

stellt sich nach Lieferung heraus, dass es sich jedoch um eine gut gemachte

Fälschung handelt.

3. Garantieansprüche

Man unterscheidet zwischen selbständigen und unselbständigen Garantieverträgen.

a) Selbständige Garantieverträge

Solche Garantieverträge sind nicht gesetzlich geregelt, jedoch nach

dem Grundsatz der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig.

Vertragszweck solcher Vereinbarungen ist die Übernahme eines noch

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nicht eingetretenen Schadens, sowie anderer bestimmter Risiken, die

nicht nur die Mangelfreiheit des Kaufgegenstandes betreffen.

b) Unselbständige Garantieverträge

Vertragszweck dieser Verträge ist das Einstehen des Garantiegebers

für die Mangelfreiheit der Kaufsache. Die Garantie kann sich entweder

beziehen auf die Beschaffenheit oder die Haltbarkeit der Sache

(§ 443 BGB).

aa) Beschaffenheitsgarantie

Die Beschaffenheitsgarantie ist eine Zusicherung des Garantiegebers,

dass für die Folgen des Fehlens einer Eigenschaft auch ohne

Verschulden eingestanden wird. Beschränkungen der Garantie sind

hinsichtlich der Höhe möglich und können von bestimmten

Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

Aber: Kein Ausschluss oder Einschränkung gesetzlicher Rechte

möglich, da diese zwingendes Recht sind.

bb) Haltbarkeitsgarantie

Sachmängelansprüche sollen auch bei Auftreten nach Gefahrübergang

bestehen. Es gilt die Vermutung, dass während der Garantiezeit

auftretende Mängel die Rechte aus der Garantie begründen.

Einschränkungen dieser Garantie können sich beziehen auf eine

bestimmte Mangelart, bezüglich der Dauer und der Art der

Mangelbeseitigung. Die Haltbarkeitsgarantie führt zu einer Umkehr der

Beweislast, § 443 Abs. 2 BGB.

Ein Garantievertrag kommt in der Regel durch ein Vertragsangebot des

Verkäufers; in der Praxis meist durch beiliegenden Garantieschein und

einer stillschweigende Annahme durch den Käufer zustande.

4. Verjährung

Im Kaufrecht gelten für die Verjährung der Mängelansprüche die

besonderen Regelungen des § 438 BGB. Für die Verjährung der

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Käuferrechte gelten der Normalfall und bestimmte

Ausnahmeregelungen für dingliche Herausgabeansprüche,

Bauwerke und –material und Fälle arglistigen Verschweigens.

Im „Normalfall“ beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist zwei Jahre, §

438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Fristbeginn ist die Ablieferung (für Sachen) oder

Übergabe (für Grundstücke). Da diese Frist unabhängig von der

Kenntnis des Käufers vom Mangel ist, spricht man von einer objektiven

Verjährungsfrist.

Bei bestimmten Rechtsmängeln, wegen derer die Herausgabe einer

Sache aus dinglichen Ansprüchen verlangt werden kann, gilt die

Verjährungsfrist von 30 Jahren, § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

Die Haftung für Sachmängel soll für fertig gestellte Bauwerke nicht

anders sein als bei zu erstellenden Bauwerken. Daher gilt hier

entsprechend § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB für den Werkvertrag auch für

den Kauf nach § 438 Abs. 1 Nr. 2 a) BGB die fünfjährige Frist. Bei

Bauwerken, für die der Ersteller fünf Jahre lang haftet, soll dieser bei

fehlerhaftem Baumaterial auch genauso lange auf den Lieferanten

Rückgriff nehmen können und daher dieser auch nach § 438 Abs. 1

Nr. 2 b) BGB fünf Jahre lang haften.

Verschweigt der Käufer wider besseres Wissen (Arglist) einen Mangel,

so gelten nach § 438 Abs. 3 BGB die allgemeinen Verjährungsfristen

aus §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Damit gilt eine Frist von drei Jahren, ab

Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Käufer Kenntnis erlangt hat

(subjektive Frist).

5. Haftungsbegrenzung

Aus § 444 BGB ergibt sich, dass Mangelansprüche des Käufers durch

vertragliche Vereinbarungen modifiziert werden können. Dies gilt

jedoch nicht für Mängel, die arglistig verschwiegen worden sind bzw.

für Fälle in denen der Verkäufer eine Beschaffenheitsgarantie

übernommen hat. Sollte die Haftungsbeschränkung formularvertraglich

erfolgen, sind die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen

zu beachten.

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Die Mängelansprüche sind gem. § 442 BGB gesetzlich ausgeschlossen,

wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss positiv kannte bzw.

infolge von grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die grobe Fahrlässigkeit

schadet dem Käufer jedoch nicht, wenn der Verkäufer den Mangel

arglistig verschwiegen bzw. eine Beschaffenheitsgarantie übernommen

hat. Ebenfalls ausgeschlossen sind die Mangelansprüche für Fälle des

Pfandverkaufs durch öffentliche Versteigerung, § 445 BGB.

6. Konkurrenzen

Das Gewährleistungsrecht der §§ 437 ff. BGB gilt ab dem Zeitpunkt,

an dem die Gefahr des Untergangs der Sache auf den Käufer

übergegangen ist (Gefahrübergang). Als Spezialregelung schließen sie

eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB aus. Dies ergibt sich auch

daraus, dass durch die Anfechtung das Gewährleistungsrecht

umgangen werden könnte, da die Anfechtung den Vertrag rückwirkend

vernichtet, also eine Anwendung des Kaufrechts regelmäßig durch die

Anfechtung ausgeschlossen würde.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB bleibt

jedoch möglich, weil der getäuschte Käufer besonders schutzwürdig

ist. Es gilt die Regelverjährung nach § 195 BGB (drei Jahre).

Bei Verletzung einer Schutzpflicht oder Verschulden bei

Vertragsschluss muss differenziert werden, ob der Schaden durch die

Lieferung der mangelhaften Sache entstanden ist

(Mangelfolgeschaden) oder unabhängig vom Mangel der Sache ist.

Bei Mangelfolgeschäden findet das Schadensersatzrecht über §§ 437

Nr. 3, 280 ff. BGB Anwendung (Verjährung daher nach § 438 BGB!),

während beim mangelunabhängigen Schaden die §§ 280 ff. BGB direkt

angewendet werden.

Fall:

Student S kauft von Fachhändler F einen PC, um seine Hausarbeiten bequem

zuhause erledigen zu können und ab und zu auch das Internet zu benutzen.

Wenige Wochen, nachdem S den PC bei sich zuhause aufgestellt hat, muss er

feststellen, dass der Lüfter, der das Gehäuse des PCs kühlt, nach längerem

Betrieb des Rechners laute Geräusche produziert und zeitweise stehen bleibt. Der

Defekt war für F auch bei gründlicher Überprüfung nicht erkennbar, er hat auch

keine eigene Werkstatt und möchte deshalb den Rechner auch nicht reparieren.

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Eine Reparatur bei einem befreundetem Computerbastler würde ihn etwa 50 €

kosten.

Welche Rechte kann S gegen F geltend machen? Prüfen Sie alle in Betracht

kommenden Anspruchsgrundlagen!

Lösung:

1) S könnte einen Anspruch auf Nacherfüllung haben, §§ 437 Nr.1, 439 BGB.

Ein Kaufvertrag liegt vor. Ferner müsste der PC einen Sachmangel nach §

434 BGB haben.

a) Nach § 434 Abs.1 S. 2 Nr.2 BGB ist eine Sache mangelhaft, wenn

sie sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und nicht die übliche

Beschaffenheit aufweist, die der Käufer erwarten darf. Die übliche

Verwendung eines PCs liegt nicht nur in kurzzeitigem, sondern auch im

längeren Betrieb und Verwendung. Ein nicht funktionsfähiger Lüfter

beeinträchtigt die Verwendung, da nicht auszuschließen ist, dass dadurch

die Funktionsweise des gesamten Systems beeinträchtigt wird. Daher liegt

ein Sachmangel nach § 434 Abs.1 S. 2 Nr.2 BGB vor.

b) Damit steht S ein Nacherfüllungsanspruch gemäß §§ 439, 437 Nr.1,

434 Abs.1 S. 2 Nr.2 BGB zu. § 439 Abs.1 BGB gibt dem S ein Wahlrecht

zwischen Ersatzlieferung und Nacherfüllung, weshalb S von F einen

gleichartigen neuen Rechner oder Reparatur des gelieferten PC verlangen.

c) Nach § 439 Abs. 3 S. 1 BGB ist jedoch die Art Nacherfüllung für den

S nicht wählbar, wenn F diese Form nur mit unverhältnismäßigen Kosten

möglich ist. Ob F dies hier einwenden kann, weil er keine eigene Werkstatt

hat und deshalb die Nachbesserung anderweitig beauftragen muss ist

fraglich. Die Kosten in Höhe von 50 € bewegen sich jedoch im Rahmen des

verhältnismäßigen, weshalb diese Einrede nicht geltend machen kann.

(Alternativ ist auch eine Anerkennung der Einrede vertretbar.)

2) Ein Rücktrittsrecht gemäß §§ 437, 323 Nr. 2 1.Alt BGB, könnte dem S

zustehen, wenn ein Mangel vorliegt und F eine gesetzte Nacherfüllungsfrist

nach § 323 Abs.1 BGB hat verstreichen lassen.

a) Der PC hat einen Mangel, wie oben festgestellt.

b) S müsste den F dazu aufgefordert haben, die Nacherfüllung

vorzunehmen. Wenn dazu eine angemessene Frist verstrichen ist, kann S

vom Kaufvertrag zurücktreten und das Geld gegen Rückgabe des PC

herausverlangen.

3) S kann den Kaufpreis auch mindern, anstatt zurücktreten, wenn er mit

dem kaputten Lüfter leben kann und er zuvor wie beim Rücktritt eine

Nachfrist gesetzt hat, §§ 441, 323, 437 Nr. 2, 2. Alt. BGB. Dies hat er hier

jedoch nicht getan.

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82

4) Schadensersatzansprüche kann S aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen,

wenn F eine Pflicht verletzt hat. Da der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 2

BGB zur Lieferung einer mangelfreien Sache verpflichtet ist, besteht in der

Lieferung des defekten PC eine Pflichtverletzung. Diese muss F aber auch

zu vertreten haben, § 280 Abs. 1 Satz 2. Da der Defekt von F auch bei

sorgfältiger Prüfung nicht erkennbar war, trifft ihn kein Verschulden. Da es

hieran fehlt, kann S keinen Schadensersatz von F verlangen.

7. Sonderformen des Kaufs

a) Verbrauchsgüterkauf

Für den Sonderfall des Verbrauchsgüterkaufs gelten die besonderen

Regeln der §§ 474 ff. BGB. Dieser liegt vor, wenn ein Verbraucher (§

13 BGB) von einem Unternehmer (§ 14 BGB) eine bewegliche Sache

kauft. Wichtige Besonderheit des Verbrauchsgüterkaufs ist, dass gem.

§ 474 Abs. 2 BGB die §§ 445 und 447 BGB keine Anwendung finden.

Daher hat der Verbraucher bei Versteigerung ungebrauchter Sachen

die normalen Käuferrechte. Der Verbraucher trägt nicht die Preisgefahr

beim Versendungskauf. Preisgefahr ist die Gefahr, dass der

Zahlungsanspruch bestehen bleibt, auch wenn die Sache untergeht.

Hier soll der Verkäufer, der Unternehmer im Sinne des § 14 BGB ist,

die Gefahr tragen, weil er in der Lage ist, für den Verlust durch

Versicherungen Vorsorge zu treffen. Zudem halten typische

Versandhändler gar keine Geschäftsräume für den Kundenverkehr

bereit und entscheiden sich bewusst für den Versendungskauf,

weshalb das hiermit verbundene Risiko nicht dem Verbraucher

auferlegt werden soll. Diese Sonderregelung wurde auch durch die EU-

Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erforderlich.

Fall:

Hausmann H bestellt beim Onlinehändler a.de ein dreibändiges Lexikon. Seine

Bestellung wird versandt, kommt jedoch nie bei ihm an, weil dem Zusteller ein Teil

seiner Ladung abhanden gekommen war. Muss H die Rechnung des a.de bezahlen?

Die allgemeinen Vorschriften der Mängelhaftung sind bis auf zwei

Ausnahmen nicht zum Nachteil des Verbrauchers abdingbar, § 475

Abs. 1 BGB (einseitig zwingend). Die Verjährungsfrist für

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83

Mängelansprüche kann nur auf nicht weniger als zwei Jahre bei neuen

und ein Jahr bei gebrauchten Sachen geändert werden. Für den

Verkäufer belastende Schadensersatzansprüche können gem. § 475

Abs. 3 BGB, vorbehaltlich der §§ 307-309 BGB, beschränkt und

ausgeschlossen werden.

Nach § 476 BGB gilt für Verbrauchsgüterkäufe eine

Beweislastumkehr für das Vorliegen eines Mangels bei

Gefahrübergang, solange ein Sachmangel innerhalb von sechs

Monaten auftritt. Es wird vermutet, dass der Mangel also schon bei

Gefahrübergang vorlag, wenn der Unternehmer nicht etwas anderes

beweist.

§ 477 BGB enthält verschärfte Anforderungen an

Garantieerklärungen. Da ein Verstoß gegen § 477 BGB jedoch die

Wirksamkeit der Garantie nicht berührt bzw. die Garantie die

gesetzlichen Regelungen nicht beeinträchtigt, ist dies von geringer

Bedeutung.

§§ 478 f. sollen den Verkäufer in einem Verbrauchsgüterkauf

schützen. Nach § 475 BGB kann ein solcher Verkäufer sich der Haftung

für Mängel der von ihm verkauften Waren nicht durch die

Vereinbarung von Einschränkungen der gesetzlichen

Gewährleistungsvorschriften entziehen. In vielen Fällen ist der

Verkäufer freilich letztlich für den Mangel nicht verantwortlich, sondern

hat die Ware vielmehr schon im mangelhaften Zustand von seinem

Lieferanten erhalten. In diesem Fall ist der Verkäufer zugleich ein

Käufer mangelhafter Sachen. Mit der Hilfe der ihm im Verhältnis zum

Lieferanten zustehenden Gewährleistungsansprüche kann er sich dafür

schadlos halten, dass er seinerseits vom Verbraucher-Letztkäufer in

Anspruch genommen wird. Gem. § 478 Abs. 1 BGB gilt für den

Unternehmer das Fristsetzungserfordernis zur Geltendmachung seiner

Rechte nicht. Folgende Voraussetzungen müssen für den

Rückgriffsanspruch erfüllt sein: ein Verbrauchsgüterkauf mit dem

Letztverkäufer über eine neu hergestellte Sache, derselbe Sachmangel

wie zwischen Unternehmer und Verbraucher, Vorliegen des Mangels

bereits bei Gefahrübergang und der Verkäufer musste die Sache

wegen Mangel zurücknehmen oder Minderung hinnehmen, also nicht

aus Kulanz. Die Beweislastumkehr gilt auch gegenüber dem Lieferant,

jedoch ist der Fristbeginn der Gefahrübergang auf den Verbraucher, §

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478 Abs. 3 BGB. Die Verjährung der Rückgriffsansprüche wird nach §

479 Abs. 2 BGB um zwei Monate ab dem Zeitpunkt gehemmt, in dem

der Unternehmer die Mängelansprüche des Verbrauchers erfüllt hat.

Nach § 478 Abs. 6 BGB wird die Möglichkeit des Rückgriffs auf

verdeckte Mängel beschränkt, da offensichtliche Mängel weiterhin nach

§ 377 HGB zu rügen sind und andernfalls Gewährleistungsansprüche

ausschließen.

b) Handelskauf, §§ 373 ff. HGB

Sind beide Geschäftspartner Kaufleute im Sinne des HGB, so muss ein

Mangel an der Kaufsache unverzüglich gerügt werden, da ansonsten

die Mängelhaftung nach § 377 Abs. 2 HGB kraft Gesetzes

ausgeschlossen wird. Eine Ausnahme gilt gem. § 377 Abs. 2, 3 HGB

für versteckte Mängel, die auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen

Kaufmannes (§ 347 HGB) nicht zu erkennen sind. Wird ein versteckter

Mangel später bekannt, so muss die Anzeige unverzüglich

(Legaldefinition, § 121 Abs. 1 BGB) nach Entdeckung des Mangels

erfolgen und kann auch nur insoweit geltend gemacht werden, als ein

Anspruch nicht nach den Verjährungsfristen des § 438 BGB bereits

verjährt ist. Das HGB schränkt hier die Mängelhaftung ein, ersetzt

diese jedoch nicht.

c) „Just-in-time-Verträge“

Mit einem Just-in-time-Vertrag verpflichtet sich der Zulieferer,

bestimmte Teile bis zu einer jeweils bestimmten, prognostizierten,

jährlichen Gesamtmenge just-in-time an einen Hersteller zu liefern,

wobei die jeweilige Liefermenge und der Lieferpreis bei Abruf noch

einzeln ausgehandelt werden sollen. Daneben enthält ein solcher

Vertrag Qualitätssicherungsvereinbarungen, in der vor allem

technisch-organisatorische Maßnahmen, Verhaltensregeln, detaillierte

technische Standards für die Zuliefererprodukte sowie

Dokumentationspflichten festgelegt sind. Außerdem enthält eine solche

Vereinbarung regelmäßig eine Bestimmung, wonach der Zulieferer

zum Aufbau eines Qualitätsmanagements-Systems und zur Endprüfung

der Produkte bei Warenausgang verpflichtet ist. Die Just-in-time-

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Produktion hat für den Hersteller den Vorteil, dass die angelieferten

Teile zeitgenau und ohne kostenintensive Zwischenlagerung in den

Produktionsprozess einbezogen werden können.

Die Regeln der §§ 433 ff. sind auf diese Verträge anwendbar. Sie sind

nicht als eigene Vertragstypen im BGB geregelt. Es handelt sich

vielmehr um einen atypischen Vertrag besonderer Art („sui generis“)

nach § 311 Abs. 1 BGB. Ein Just-in-time-Vertrag enthält regelmäßig

sowohl gesellschaftsvertragliche bzw. dienstvertragliche Elemente als

auch Elemente eines Austauschvertrages. Soweit es um die Verletzung

von Pflichten aus dem Austauschverhältnis geht, entspricht die

Vereinbarung aber dem Regelungsstatut des Kaufrechts mit der Folge,

dass die §§ 433 ff. BGB insoweit entsprechend anwendbar sind.

d) UN-Kaufrecht oder CISG

Das „UN Kaufrecht“, auch CISG“ (United Nations Convention On

Contracts For The International Sale Of Goods) oder „Wiener

Kaufrecht“ genannt, ist ein völkerrechtlicher Vertrag vom 11. April

1980, der seit dem 1. Januar 1991 auch in Deutschland in Kraft

getreten ist. Das UN-Kaufrecht schafft vereinheitlichtes Sachrecht in

74 Staaten (Stand: 20.01.2010). Es regelt grenzüberschreitende

Kaufverträge über Warenlieferungen zwischen Kaufleuten. Deshalb

sind im CISG keine verbraucherschützenden Regelungen enthalten.

Beim UN Kaufrecht handelt es sich um Einheitsrecht, d.h. es geht

den Regelungen des Internationalen Privatrechts (IPR)1 vor. Eine

Anwendung des UN Kaufrechts kann sich jedoch auch aus der

Anwendung des IPR ergeben (Art. 1 Abs. 1 lit. b) CISG)2. Ausserhalb

des Einheitsrechts gilt das nach IPR zu bestimmende nationale Recht.

Die Anwendbarkeit des UN Kaufrechts kann gem. Art. 6 CISG

ausgeschlossen bzw. modifiziert werden. Soll das UN Kaufrecht zu

Gunsten eines nationalen Rechts eines Mitgliedsstaats ausgeschlossen

werden, so muss das UN Kaufrecht ausdrücklich ausgenommen

werden. Die Formulierungen der Parteien zum Ausschluß des UN-

1 Das Recht welchen Staates will auf den internationalen Sachverhalt angewendet werden. Dies ist eine Frage

einer nationalen Rechtsquelle, nämlich von Art. 3 EGBGB. 2 z.B. für Deutschland Art. 28 EGBGB.

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Kaufrechts sind häufig fehlerhaft, weshalb an dieser Stelle besondere

Sorgfalt angewendet werden sollte. Der Vorteil des UN Kaufrechts

besteht jedoch darin, dass keine der internationalen Parteien durch die

Anwendung des Heimatrechts bevorzugt wird. Ein Nachteil ist, dass es

an einer einheitlichen Auslegungsinstanz für das CISG fehlt.

Das Übereinkommen besteht aus 4 Abschnitten. Der erste Teil (Artt. 1-

13 CISG) enthält allgemeine Bestimmungen und definiert den

Anwendungsbereich des Übereinkommens. Der zweite Teil (Artt. 14-24

CISG) regelt den Abschluß des Vertrages, der dritte (Artt. 25-88 CISG)

die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, sowie die Behandlung

von Leistungsstörungen. Teil vier (Artt. 89-101) enthält

Schlußbestimmungen.

Die International Commercial Terms (Incoterms 2000) fassen die

international wichtigsten Handelsklauseln zusammen.

II. Tausch

Der Tausch wird in § 480 BGB nicht definiert. Die Norm verweist

lediglich auf die Vorschriften über den Kaufvertrag, z.B. über die

Mängelgewährleistung. Der Tausch ist ein gegenseitiger Vertrag, in

dem sich der Schuldner verpflichtet, einen Sachwert oder ein Recht

gegen einen anderen Sachwert bzw. Recht des Gläubigers an diesen

zu übertragen. Wesentlich ist das Fehlen eines Kaufpreises in Geld.

Wichtige moderne Formen sind Barter-Geschäfte und Countertrade.

III. Schenkung

Unter einer Schenkung versteht man gem. § 516 Abs. 1 BGB die

unentgeltliche Zuwendung des Schenkers, die zu einer Bereicherung

des Beschenkten führt. Wichtig ist die Haftungsmilderung in §521

BGB.

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B. Gebrauchsüberlassungsverträge

Die Gebrauchsüberlassungsverträge umfassen Leihe, Miete, Pacht, Leasing,

Franchising und Darlehen. Der Darlehensvertrag wird zu einem späteren Zeitpunkt

erläutert.

I. Leihe, Miete, Pacht

Die Leihe §§ 598 ff. BGB verpflichtet den Verleiher, eine Sache unentgeltlich an den

Entleiher zum Gebrauch zu überlassen. Im Unterschied zur Miete hat der Verleiher

nicht die Pflicht, die Sache für den vertragsgemäßen Gebrauch instand zu setzen

bzw. zu halten.

Miete ist die Gebrauchsüberlassung gegen Bezahlung. Da hier die Bezahlung die

Unkosten des Vermieters decken soll, soll dieser auch die Instandhaltung tragen, §

535 BGB. „Kauf bricht nicht Miete“, § 566 BGB.

Die Pacht ist wie die Miete entgeltliche Gebrauchsüberlassung. Bei der Pacht ist dem

Pächter der „Genuss der Früchte“ zu gewähren, die er durch die Nutzung der Sache

erzielt, § 581 BGB. Für die Pacht gelten gem. § 581 Abs. 2 BGB die besonderen

Vorschriften der §§ 535 ff. BGB entsprechend, sofern sich nicht aus den §§ 582 bis

584b BGB etwas anderes ergibt.

II. Leasing, Franchising

Das Leasing ist eine Sonderform der Miete mit Elementen aus dem

Kaufrecht. Dem Leasingnehmer wird eine Sache zum Gebrauch

überlassen; für den Untergang oder die Verschlechterung, sowie die

Instandhaltung haftet der Leasingnehmer ab Gefahrübergang.

Gesetzlich geregelt ist nur spezielle Form des Finanzierungsleasings, §

499 Abs. 2 BGB, bei dem der Leasinggeber die gewünschte Sache

kauft und dem Leasingnehmer überlässt.

Das Franchising ist hingegen eine spezielle Form der Pacht, die gesetzlich nicht

geregelt ist. Hier überlässt der Franchisegeber dem Franchisenehmer gegen Entgelt

die Nutzung von gewerblichen Schutzrechten wie Firma, Marke, Gebrauchsmuster,

Geschmacksmuster, sowie Know-how und Vertriebsform.

Je nach Franchisesystem variiert der rechtliche Status des

Franchisenehmers; entsprechend der Abhängigkeit vom

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Franchisegeber von der Stellung eines Vertriebspartners bis hin zum

abhängigen Angestellten.

C. Dienstleistungsverträge

I. Werkvertrag

Ein Werkvertrag hat nach § 631 Abs. 2 BGB die Herstellung oder

Veränderung einer Sache oder eines anderen Erfolges zum

Gegenstand. Sachwerke sind z.B.: Bauarbeiten und Reparaturen.

Andere Werke sind z.B. die Beförderung von Sachen und Personen. Für

den Werkvertrag gelten ebenso wie für den Kaufvertrag besondere

Regeln für die Mängelansprüche des Bestellers, die oftmals auch auf

das Kaufrecht verweisen. An dieser Stelle sei daher auf die

Ausführungen zum Kaufrecht verwiesen. Im Unterschied zum

Kaufrecht hat der Unternehmer das Recht zu bestimmen, welche Art

der Nacherfüllung er leisten will. § 635 Abs. 1 BGB. Des Weiteren hat

der Besteller gem. § 637 BGB ein Recht zur Selbstvornahme, nachdem

er dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung

bestimmt hat.

Durch die Vorschriften der §§ 407 ff. HGB werden die

werkvertraglichen Regelungen des BGB für das Frachtgeschäft ergänzt.

II. Dienstvertrag, Geschäftsbesorgung

1. Dienstvertrag

Gegenstand des Dienstvertrags ist die Erbringung einer

Tätigkeitsleistung (im Gegensatz zum Ereignis beim Werkvertrag)

gegen eine vereinbarte Leistungsvergütung. Der Arbeitsvertrag ist ein

spezieller Dienstvertrag, bei dem der Verpflichtete eine

fremdbestimmte, unselbständige und sozial abhängige Tätigkeit

ausübt. In der Regel ist dies der Fall im Verhältnis von Arbeitgeber und

Arbeitnehmer. Für das arbeitsvertragliche Verhältnis haben sich

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umfangreiche Sonderregelungen entwickelt, die nur zum kleinen Teil

im BGB, wie z.B. die Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang in §

613 a BGB und die Kündigungsvorschriften in §§ 621 ff. BGB geregelt

sind.

Durch die Vorschriften der §§ 84 ff. HGB werden die

dienstvertraglichen Regelungen des BGB für Handelsvertreter ergänzt.

2. Geschäftsbesorgung

Der Geschäftsbesorgungsvertrag ist nach § 675 Abs. 1 BGB ein

spezieller Dienst- oder Werkvertrag. Die Geschäftsbesorgung ist eine

entgeltliche, selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art, für die

ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu sorgen hatte, die ihm aber

durch einen anderen (den Geschäftsführer) abgenommen wird. Der

Geschäftsführer übt die Tätigkeit somit in fremdem Interesse aus.

Beispiele: Steuerberatung, Prozessvertretung, Verträge mit

Unternehmensberatern, Treuhandtätigkeit, Bankgeschäfte.

Durch die Vorschriften der §§ 383 ff. bzw. §§ 453 ff. HGB werden die

geschäftsbesorgungsvertraglichen Regelungen des BGB für das

Kommissionsgeschäft bzw. für das Speditionsgeschäft ergänzt.

III. Maklervertrag

Bei einem Maklervertrag verspricht der Kunde dem Makler für die Vermittlung eines

Vertrages bzw. für den Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages

einen Maklerlohn. Aufwendungen des Maklers sind in der Regel nicht zu ersetzen, es

sei denn, es wurde gem. § 652 Abs. 2 BGB von den Vertragsparteien vereinbart.

Durch die Vorschriften der §§ 93 ff. HGB werden die

maklervertraglichen Regelungen des BGB für Handelsmakler ergänzt.

IV. Auftragsvertrag

Die unentgeltliche Geschäftsbesorgung wird im BGB als Auftrag gem.

§§ 662 ff. BGB bezeichnet. Die einseitige Leistungspflicht ist gem.

§ 664 Abs. 1 BGB im Zweifel persönlich auszuführen.

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KURZ und BÜNDIG zu § 26

§ 26 Unerlaubte Handlungen: Verschuldenshaftung und

Gefährdungshaftung

D. Verschuldenshaftung

IV. Allgemeines

V. Der Grundtatbestand des § 823 Abs. 1 BGB

VI. Schutzgesetzverletzung § 823 Abs. 2 BGB

VII. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB

VIII. Drittgeschädigte

IX. Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen,

§ 831 BGB

E. Gefährdungshaftung

I. Exkurs 1: Das Produkthaftungsgesetz

II. Exkurs 2: Die Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1

BGB

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§ 26 Unerlaubte Handlungen: Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung

Literatur: Brox / Walker „Besonderes Schuldrecht“, Kapitel 8; Führich, §§ 26, 27; Meyer, § 11

A. Verschuldenshaftung

I. Allgemeines

1. Das deutsche Recht kennt keine Generalklausel, die in etwa lautet: „Wer

einem anderen schuldhaft einen Schaden zufügt, ist ihm zum Ersatz dieses

Schadens verpflichtet“. Stattdessen führt das Gesetz enumerativ Tatbestände

auf, die, wenn sie vorliegen, eine Schadensersatzpflicht auslösen. Diese

Schadensersatzansprüche sind nicht davon abhängig, daß zwischen den Parteien

im Zeitpunkt der Schädigung bereits ein Vertrag oder ein anderes

Schuldverhältnis besteht. Es geht also um Ansprüche im Jedermann-

Verhältnis.

2. Die §§ 823 ff. BGB verlangen die Rechtswidrigkeit des herbeigeführten

Erfolges. Diese entfällt, wenn ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund wie

z.B. Notwehr § 227 BGB, Notstand §§ 228, 904 BGB, Selbsthilfe § 229 BGB oder

eine Einwilligung des Geschädigten vorliegt. In der Fallbearbeitung muss man

also regelmäßig nur knapp erwähnen, dass die Handlung rechtswidrig ist.

3. Das BGB geht im Grundsatz von der Verschuldenshaftung aus (§§ 823 Abs. 1,

2, 824 - 826, 830, 839 BGB): Der rechtswidrige Erfolg muss vorsätzlich oder

fahrlässig herbeigeführt worden sein. Vorsätzlich handelt, wer die rechtswidrige

Rechtsgüterverletzung will; fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche

Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB) Die Fahrlässigkeit wird somit

objektiv bestimmt. Allerdings setzt das Verschulden voraus, dass der Handelnde

überhaupt verschuldensfähig ist (§§ 827, 828 BGB). Ausnahmsweise haftet

nach § 829 BGB auch der Verschuldensunfähige, wenn dies der Billigkeit

entspricht.

Wenn der Tatbestand einer unerlaubten Handlung vorliegt und gleichzeitig ein

Verschulden des Verletzten gegeben ist, bleibt es grundsätzlich beim Bestehen

eines Schadensersatzanspruches zu Gunsten des Verletzten. Dieser

Schadensersatzanspruch wird der Höhe nach jedoch entsprechend dem

Verschulden des Verletzten gekürzt (§ 254 BGB).

4. Diese Verschuldenshaftung wird im Übrigen bei einigen Delikten vermutet, was

heißt, dass der Schädiger sich hier vom Vorwurf des Verschuldens entlasten

kann (§§ 831-834, 836-838 BGB). Ausnahmsweise kennt das BGB – dazu später

- auch einen Tatbestand der Gefährdungshaftung, bei dem eine Haftung auch

ohne Verschulden eintritt (§ 833 S. 1 BGB).

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5. Ein deliktischer Anspruch setzt immer einem Schaden (dazu schon Kurz und

Bündig zu § 23) voraus. Im haftungsbegründenden Tatbestand deliktischer

Ansprüche sind jedoch noch mehr Voraussetzungen zu untersuchen. Grob

skizziert bietet sich folgende Prüfungsreihenfolge an:

(1) Menschliches Verhalten (von Bewusstsein gesteuertes Tun

oder Unterlassen)

(2) Verletzung absolut geschützter Rechte oder Rechtsgüter

(Vgl. die Aufzählung in § 823 Abs. 1 BGB)

(3) Verursachung (Kausalität) dieser Verletzung durch eine

Handlung des Schädigers [die nach Punkt (1)]

(4) Rechtswidrigkeit

(5) Verschulden

(6) Ein durch diese Rechtsgutsverletzung [die nach Punkt (2)]

verursachter Schaden

II. Der Grundtatbestand des § 823 Abs. 1 BGB

Voraussetzung für eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB ist, dass durch

eine Verletzungshandlung bestimmte Rechte oder Rechtsgüter rechtswidrig und

schuldhaft verletzt werden, was wiederum zu einem Schaden führt:

Die Verletzungshandlung kann sowohl in einem positiven Tun als auch einem

pflichtwidrigen Unterlassen bestehen. Das Gesetz zählt in § 823 Abs. 1 BGB

beispielhaft Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum als absolut

geschützte Rechtsgüter auf. Daneben sind auch „sonstige Rechte“ ausdrücklich

geschützt, wie insbesondere die dinglichen Rechte (=Sachenrechte – z.B.: das

Pfandrecht oder die Hypothek) sowie der Besitz, außerdem das Namensrecht und die

Ausschließlichkeitsrechte des Handels- und Urheberrechts: Firma, Marke, Patent,

Gebrauchs- und Geschmacksmuster und die Urheberrechte der Literatur,

Wissenschaft und Kunst. Als sonstige Rechte sind von der Rechtsprechung ferner

anerkannt: das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb: Das

Unternehmen ist als ganzes geschützt (inkl. Know-how, Kundenstamm,

Geschäftsbeziehungen, Image usw.), sofern sich der Eingriff gegen den Betrieb als

solchen richtet (Betriebsbezogenheit). Weiter ist das Allgemeine

Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht geschützt, wenn sich eine Haftung nicht

aus anderen Haftgründen ergibt. Also stets zuletzt prüfen (Subsidiarität). Die

wichtigsten Fallgruppen sind: (1) Schutz der eigenen Darstellung in der Öffentlichkeit

und (2) Schutz der Privat- und Intimsphäre.

Diese Rechtsgutverletzung muss, wie unter Punkt I ausgeführt, schuldhaft und

rechtswidrig erfolgt sowie durch ein bewusstes menschliches Verhalten (Tun oder

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Unterlassen) verursacht worden sein. Durch diese Rechtsgutverletzung muss

wiederum ein dem Verletzenden zurechenbarer Schaden verursacht worden sein.

III. Schutzgesetzverletzung § 823 Abs. 2 BGB

§ 823 Abs. 2 BGB sieht eine Schadensersatzpflicht für denjenigen vor, der einen

anderen rechtswidrig und schuldhaft durch Verstoß gegen ein den Schutz eines

anderen bezweckenden Gesetzes schädigt. Wie auch bei § 823 Abs. 1 BGB, ist damit

eine Handlung (Tun oder Unterlassen) des Schädigers erforderlich. Ein Schutzgesetz

ist jede Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), die zumindest auch den Individualschutz und

nicht lediglich den Schutz allgemeiner öffentlicher Interessen bezweckt. Zu

den in der Praxis wichtigen Schutzgesetzen zählen die Vermögensdelikte wie Betrug

(§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB), weil die schuldhafte Schädigung des

Vermögens als solche von § 823 Abs. 1 BGB nicht erfasst wird. Im Gegensatz zu

§ 823 Abs. 1 BGB erfasst § 823 Abs. 2 BGB auch den Schutz des Vermögens. Der

Verstoß gegen ein Schutzgesetz ist immer rechtswidrig. Bezüglich der Anforderungen

an Verschulden und Kausalität sei auf die Ausführungen zu § 823 Abs. 1 BGB

verwiesen.

Beispiel.:

Nach einem Fußballspiel geht T grundlos auf den O zu und schlägt ihm mit

der Faust ins Gesicht. O muss sich in ärztliche Behandlung begeben, da

sein Nasenbein gebrochen ist.

In diesem Fall hat T eine vorsätzliche Körperverletzung gem. § 223 StGB

begangen. § 223 StGB ist ein zumindest auch den Individualinteressen

dienendes Gesetz. Die Handlung erfolgte auch rechtswidrig und schuldhaft.

Weiterhin hat O gegen T einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823

Abs. 1 BGB, da eine tatbestandliche Verletzung des Körpers vorliegt.

IV. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB

Dieser Deliktstatbestand ist erfüllt, wenn der Schädiger in einer gegen die guten

Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Der Begriff der

Sittenwidrigkeit wird dabei wie in § 138 Abs. 1 BGB ausgelegt. In der Rechtsprechung

haben sich dazu Fallgruppen gebildet, von denen einige hier beispielhaft aufgezählt

sind: Arglistige Täuschung, Missbrauch wirtschaftlicher Monopolstellungen, bewusst

unrichtige Auskünfte. Die eigenständige Prüfung der Rechtswidrigkeit ist nicht nötig,

da jede sittenwidrige Schadenszufügung rechtswidrig ist. Der Vorsatz muss bezüglich

der Schädigung vorhanden sein. Es reicht bedingter Vorsatz aus, d.h. die Schädigung

wird zwar als nicht sicher, aber als möglich vorausgesehen.

Beispiel:

K beabsichtigt, dem U ein Bild zu verkaufen. Da er keine Vorstellung über

den Wert des Bildes hat, beauftragt er den Sachverständigen S, das Bild zu

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schätzen. S erkennt sofort, dass es sich um ein wertvolles Original handelt.

Da er dem K jedoch das Geld nicht gönnt, bezeichnet er es in dem

Gutachten als billige Kopie. K verkauft das Bild daraufhin für € 200,00 an

U.

V. Drittgeschädigte

Drittgeschädigte werden grundsätzlich nicht geschützt. Ausnahmen kraft Gesetzes mit

kleinem Anwendungsbereich sind §§ 844, 845 BGB.

VI. Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB

Die deliktischen Anspruchsgrundlagen setzen eigenes Verschulden des Schädigers

voraus. Eine Norm wie § 278 BGB, nach der auch das schuldhafte Verhalten von

Hilfspersonen einen Anspruch auslöst, existiert im Deliktsrecht nicht. Wenn

Hilfspersonen also einen Anspruch auslösen, sind sie nur selbst einem Anspruch

ausgesetzt und nicht der Geschäftsherr. Hier schafft § 831 BGB eine gewisse Abhilfe:

Ein Geschäftsherr, der sich eines Verrichtungsgehilfen bedient, ist zum Ersatz des

Schadens verpflichtet, den der Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung

einem Dritten widerrechtlich zufügt. Als Verrichtungsgehilfe gilt, wer vom

Geschäftsherrn in dessen Interesse eine Tätigkeit übertragen bekommen hat und

weisungsgebunden diese Tätigkeit ausübt. In Ausübung der Verrichtung muss der

Verrichtungsgehilfe eine widerrechtliche, unerlaubte Handlung begehen, die allerdings

nicht schuldhaft erfolgen muss.

Das Verschulden des Geschäftsherrn wegen unzureichender Auswahl oder

Überwachung des Verrichtungsgehilfen wird vermutet, jedoch hat der Geschäftsherr

die Möglichkeit, sich zu exkulpieren, wenn er darlegen kann, dass ihn kein

Verschulden trifft oder der Schaden auch bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt

eingetreten wäre, § 831 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Exkulpation ist in der Praxis die Regel

und ist unternehmerfreundlich. Im Gegensatz zu § 278 BGB ist § 831 BGB keine

Haftung für das Verschulden eines Dritten, sondern die Haftung für eigenes

Verschulden des Geschäftsherrn. Der Geschäftsherr haftet dafür, dass er seinen

Verrichtungsgehilfen schuldhaft unsachgemäß ausgesucht oder schuldhaft

ungenügend überwacht hat.

Die Rechtsfolge des § 831 BGB ist Schadensersatz durch den Geschäftsherrn. Der

daneben bestehende Anspruch des Geschädigten gegen den Gehilfen bringt oft nicht

viel, wenn der Gehilfe kein nennenswertes Vermögen hat.

B. Gefährdungshaftung

In einigen Bereichen hat der Gesetzgeber eine verschuldensunabhängige Haftung bei

dem Betrieb gefährlicher Anlagen bzw. gefährlicher Tätigkeiten für typische

Betriebsrisiken geschaffen Die Anwendung des Verschuldensprinzips würde in

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diesen Fällen zu Lasten von möglichen Geschädigten gehen. Die Gefährdungshaftung

ist regelmäßig auf Höchstsummen begrenzt (z.B. § 10 Abs. 1 ProdHaftG Haftung bei

Personenschäden begrenzt auf € 85 Millionen). Inzwischen kann gemäß

§253 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch in allen Fällen der Gefährdungshaftung

Schmerzensgeld verlangt werden.

Vorschriften, die eine Gefährdungshaftung enthalten, finden sich in:

- § 833 S. 1 BGB (Haftung des Tierhalters für Luxustiere)

- § 1 HaftpflG (Haftung des Unternehmers von Schienen- und Schwebebahnen)

- § 2 HaftpflG (Haftung des Inhabers einer Energie- oder Versorgungsanlage)

- § 3 HaftpflG (Haftung des Inhabers eines Bergwerkes)

- § 7 StVG (Haftung des Kfz-Halters)

- §§ 33, 44, 43, 54 LuftVG (Haftung des Halters eines Luftfahrzeuges bzw. des

Luftfrachtführers)

- §§ 25, 26 AtomG (Haftung des Inhabers einer Atomanlage)

- § 22 WHG (Haftung für Gewässerverunreinigung)

- § 84 ArzneiMG (Haftung für Arzneimittelschäden)

- §§ 1, 2 UmweltHG (Haftung für Umweltschäden)

sowie

- § 1 Abs. 1 ProdHaftG (Produkthaftung)

I. Exkurs 1: Das Produkthaftungsgesetz

Voraussetzung für die Produkthaftung nach § 1 ProdHaftG (Haftung für

Produktfolgeschäden) ist ein Personenschaden oder ein Sachschaden an einer zum

privaten Ge- und Verbrauch bestimmten Sache (,der nicht am fehlerhaften Produkt

auftritt) durch ein fehlerhaftes Produkt. Produkte sind gem. Nach § 2 ProdHaftG ist

Produkt im Sinne des Gesetzes jede bewegliche Sache, auch wenn sie Teil einer

anderen Sache ist, sowie Elektrizität. Nach § 3 ProdHaftG liegt ein Fehler des

Produkts vor, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller

Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Im Gegensatz zur Haftung aus

§ 823 Abs. 1 BGB besteht bei der Produkthaftung keine Produktbeobachtungspflicht.

Hersteller im Sinne des Gesetzes sind nach § 4 ProdHaftG nicht nur der Hersteller des

Endprodukts, eines Teilprodukts oder eines Produktgrundstoffes, sondern unter den

besonderen Voraussetzungen unter Umständen auch Zulieferer und Unternehmen in

der Vertriebskette. Als Hersteller gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG auch

derjenige, der sich nur durch Anbringung seines Namens, seiner Marke oder seines

unterscheidungskräftigen Kennzeichens am Produkt als Hersteller ausgibt.

Beispiel:

Textilgroßhändler T kauft 50.000 T-Shirts in Taiwan. Aufgrund des

niedrigen Einkaufspreises kann T sehr günstige Verkaufspreise ansetzen.

Das T-Shirt wird der Renner der Saison, bis immer mehr Kunden zu ihm

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kommen und über merkwürdigen Ausschlag am Oberkörper während des

Tragens des T-Shirts berichten. Die Untersuchung des Gesundheitsamtes

ergibt, dass ein Farbstoff in den T-Shirts die Hautausschläge verursacht.

Das T-Shirt ist ein Produkt i.S.v. § 2 ProdHaftG welches mit einem Fehler

behaftet ist. Gem. § 4 Abs. 2 ProdHaftG ist T als Hersteller anzusehen, da

er die T-Shirts zum Zweck des Verkaufs nach Deutschland eingeführt hat.

II. Exkurs 2: Die Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB

In Abgrenzung zur Produkthaftung nach dem ProdHaftG ist die Produzentenhaftung

aus § 823 Abs. 1 BGB keine Gefährdungs-, sondern eine Verschuldenshaftung.

Deshalb gehört sie eigentlich unter Punkt A. Aus didaktischen Gründen wird sie

jedoch hier im Zusammenhang mit dem Produkthaftungsgesetz vorgestellt.

Für den Fall, dass ein Geschädigter nachweisen kann, dass eine Schutzgutverletzung

durch ein objektiv fehlerhaftes Produkt eingetreten ist, das aus dem Bereich des

Herstellers stammt, hat die Rechtsprechung bereits vor Einführung des

Produkthaftungsgesetzes eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Geschädigten

anerkannt. Der Hersteller muss somit beweisen, dass ihn kein Verschulden an dem

fehlerhaften Produkt trifft. Von der Produzentenhaftung werden im Unterschied zur

Produkthaftung sowohl private als auch betrieblich genutzte Sachen erfasst.

Dem Hersteller wird die Pflicht auferlegt, dafür zu sorgen, dass durch sein Produkt

während der Konstruktion und Fabrikation keine Rechtsgutsverletzungen entstehen.

Anschließend hat der Hersteller die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instruktion und nach

Inverkehrbringen des Produkts die Pflicht zur Produktbeobachtung. Der

Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB ist im Gegensatz zur Produkthaftung

nicht in der Höhe limitiert.