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Seit den 90er Jahren, nach dem Platzen der Wirtschaftsblase in Japan, haben viele kleine Städte in Japan mit ihrer Existenz zu kämpfen. Das Älter werden der Gesellschaft und Wegziehen der Jugend aus den ländlichen Gegenden sind einige Gründe, weshalb nördliche Gebiete wie Niigata oder aber auch Aomori, nach Möglichkeiten suchen die Städte attraktiver für den Tourismus und Menschen zu machen, mit dem Ziel diese langfristig an die Region zu binden. Ähnlich wie in vielen Städten im mitteleuropäischen Großraum gibt es in Japanischen Städten – abgesehen von Osaka und Tokio- gravierende Entwicklungsprobleme die sowohl auf fehlendem Wirtschaftswachstum als auch auf die rückläufige Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen sind. Diese Präfekturen sind hauptsächlich auf Landwirtschaft spezialisiert und hängen den großen Präfekturen wirtschaftlich weit hinterher und sind daher wenig attraktiv für junge Menschen. Diese Städte müssen, um bestehen zu können, sich umorientieren, um sowohl die junge Bevölkerung als auch Unternehmen anzuziehen. Dazu bedarf es oft neuer kreativer Strategien die einen neuen Weg einschlagen müssen. Im Fall der Präfektur Niigata wurde Kunst als ein Revitaliserungsmotor eingesetzt. Dies führte dazu, dass eine einzigartige Kunstveranstaltung geschaffen wurde.
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Einleitung
Seit den 90er Jahren, nach dem Platzen der Wirtschaftsblase in
Japan, haben viele kleine Städte in Japan mit ihrer Existenz zu
kämpfen. Das Älter werden der Gesellschaft und Wegziehen der
Jugend aus den ländlichen Gegenden sind einige Gründe, weshalb
nördliche Gebiete wie Niigata oder aber auch Aomori, nach
Möglichkeiten suchen die Städte attraktiver für den Tourismus
und Menschen zu machen, mit dem Ziel diese langfristig an die
Region zu binden. Ähnlich wie in vielen Städten im
mitteleuropäischen Großraum gibt es in Japanischen Städten –
abgesehen von Osaka und Tokio- gravierende
Entwicklungsprobleme die sowohl auf fehlendem
Wirtschaftswachstum als auch auf die rückläufige
Bevölkerungsentwicklung zurückzuführen sind. Diese
Präfekturen sind hauptsächlich auf Landwirtschaft spezialisiert
und hängen den großen Präfekturen wirtschaftlich weit hinterher
und sind daher wenig attraktiv für junge Menschen. Diese Städte
müssen, um bestehen zu können, sich umorientieren, um sowohl
die junge Bevölkerung als auch Unternehmen anzuziehen. Dazu
bedarf es oft neuer kreativer Strategien die einen neuen Weg
einschlagen müssen. Im Fall der Präfektur Niigata wurde Kunst
als ein Revitaliserungsmotor eingesetzt. Dies führte dazu, dass
eine einzigartige Kunstveranstaltung geschaffen wurde.
Die folgende Arbeit versucht die Wirksamkeit von Kultur auf die
Revitalisierung von urbanem Raum aufzuzeigen. Im engeren
Rahmen soll erfasst werden, in wie weit eine Kunstveranstaltung,
wie das Echigo Tsumari Triennale Art Festival (im folgenden
ETAT abgekürzt) in der Echigo Tsumari Gegend eine
revitalisierende Wirkung auf die Städte in der Umgebung haben
könnte.
1
Und falls dies der Fall sein sollte, welche Kriterien haben dafür
gesorgt, dass diese Veranstaltung ein Erfolg wurde. Somit könnte
man im nächsten Schritte solche oder ähnliche Maßnahmen auf
andere Städte oder Regionen anwenden.
Zur Forschung der Arbeit, wurde unter anderem mit den
Veröffentlichungen der Triennale gearbeitet, wie die
Abschlussberichte der einzelnen Veranstaltungen, aber auch
Berichte der einzelnen Städte oder der Präfektur Niigata. Es gibt
zwar auch Literatur in englischer Sprache, die widmet sich
hauptsächlich der Ausstellung an sich und geht kaum auf den
Aspekt der Stadtrevitalisierung ein.
Der Autor entschied sich für die ETAT, trotz anderer ähnlicher
Veranstaltungen mit ähnlichen Zielen, wie die Biennale in Hagen
Aber die Veranstaltung in Japan ist aufgrund ihrer Größe und
Organisation ein Unikum. Ein weiterer Grund war der Aufenthalt
des Autors in Niigata und der Besuch der ETAT.
Zuerst soll der Begriff Revitalisierung im Kontext des urbanen
Raums geklärt werden, mit dem in dieser Arbeit gearbeitet wird
und anschließend wird kurz die wirtschaftliche Entwicklung
Japan skizziert, die maßgebend dazu beigetragen hat, das
Arbeitskräfte in die Metropolen auswandern. Weiterhin wird die
Entstehung der ETAT aufgezeigt und welche Ziele diese verfolgt.
Schließlich werden die erreichten Ziele (auch in Hinblick der
urbanen Revitalisierung) dieser Veranstaltung aufgezeigt. Zur
Erläuterung der japanischen Begriffe wurde am Ende ein Glossar
hinzugefügt.
2
Begriffserklärung: Revitalisierung im urbanen Raum
Revitalisierung im urbanen Raum meint eine Wiedernutzung von
Land, Flächen oder Brachen, um sie für eine nachhaltige
Städteentwicklung zu nutzen. Insbesondere stillgelegte
Industriegeländer werden Revitalisierungsmaßnahmen
unterzogen, um damit Räume für soziale und kulturelle
Aktivitäten zu schaffen und somit soziale Milieus zu stabilisieren
(Kather 2010:7). Wie dies in Yokohama der Fall war. Hier wurde
der industrielle Kern, welcher zwar alte Gebäude hatte, die
weitgehend ungenutzt waren, durch kulturelle Aktivitäten
revitalisiert (Noda 2010:8). Es sollten die Stärken der Gebiete im
Vordergrund stehen und bei der Planung von Projekten bedacht
werden (Landry 1996: 17). Wichtig ist jedoch, dass der Staat
solche Maßnahmen fördern und initiieren kann, damit sie jedoch
nachhaltig sind, muss die Bevölkerung in den
Revitalisierungsprozess mit einbezogen werden (Nobuhiro 2008:
1), denn nur so können die notwendigen Räume und Utensilien
für Künstler und Projekte garantierte werden (Creative City
Canada 2005: 7)
Nachhaltige Stadtentwicklung und im Engeren Revitalisierung
bedeutet somit die Weiternutzung der vorhandenen Stadt als
Ressource in baulicher und kultureller Hinsicht.
Revitalisierungsmaßnahmen können verschieden gestaltet sein:
von der Konstruktion von Schulen, Theatern bis hin zu kulturellen
Veranstaltungen, wie das ETAT. Zusammenfassend ist Kultur
heutzutage eine wichtige Komponente um eine Stadt, Region usw.
wieder lebenswert zu machen (Urbact 2006: 20).
3
Japan während der Wirtschaftsblase 1990
Japan erlebte in den 80er Jahren einen wirtschaftlichen Boom, der
durch das Plaza Abkommen 1985 initiiert wurde. Durch das
Abkommen wurde der US Dollar abgewertet. Als Konsequenz
daraus stieg der Wert des Yens Mitte der 80er Jahre kontrolliert
um 100% und somit auch der Wert von Immobilien und
japansicher Produkte. Durch weitere Spekulationen wurde der
Yen weiterhin in die Höhe getrieben. Dadurch kauften
internationale Ökonomen aber auch die Japaner selbst alles was
seinen Wert in Yen hatte, um dadurch von der Wertsteigerung des
Yens zu profitieren. Darauf folgte eine Erhöhung der Preise der
Konsumgüter und der Immobilien. Es ging soweit, dass das
Grundstück auf dem der Kaiserpalast steht genauso viel wert war
wie ein Bundesstaat in den USA. Als die Banken auch noch
anfingen gegenfinanzierte Kredite zu vergeben eskalierte alles
und der Wert der Immobilien und der Aktien stürzte auf über ein
viertel ihres vorherigen Wertes ab. Die Situation spitzte sich
soweit zu, bis die Wirtschaftsblase 1992 platze. Durch die hohe
Verschuldung des Staates, mussten sich die Politiker mehr auf die
großen Städte wie Tokio und Osaka konzentrieren, welche die
internationalen und wirtschaftlichen Zentren Japans sind und
waren.
Aufgrund dessen wurden kleinere Städte weitgehend
vernachlässigt und es begann eine Abwanderung in die
Großstädte.
Ferner wurde 1999 (Lützler 2008: 14) die große Kommunale
Gebietsreform (heisei dai gappei) verabschiedet (auf diese wird
später detailierter eingegagngen), die darauf abzielte, Gemeinden
und Dörfer miteinander fusionieren zu lassen um somit
Verwaltungskosten zu sparen und auch den einzelnen Kommunen
mehr Autonomie zu gewährleisten. Dadurch verloren die
4
einzelnen Städte und Dörfer an Arbeitsplätze, was ebenso und zur
Abwanderung der jungen Bevölkerung in größere Städte führte.
Durch die Wirtschaftsblase, die immer älter werdende
Bevölkerung in diesen nördlichen Regionen Japans, die schwere
unbeliebte landwirtschaftliche Arbeit und die große
Gebietsreform ende 1990, wanderten immer mehr junge Leute in
die Metropolen des Landes um dort zu arbeiten und führen die
Betriebe ihrer Eltern nicht weiter.
Die Große Gebietsreform heisei dai gappei
Die große Gebietsreform, veranlasste 1999 bis 2006, dass viele
kleine Dörfer, Städte und Kommunen einfach in größere
Gebietskörperschaften inkorporiert wurden. Dies hatte zur Folge,
dass von über 3200 Kommunen im Jahre 1995 nur 1800 im Jahr
2006 blieben (Lützer 2008: 14).
Das Problem solcher Kommunen war und ist, nicht nur die
demographische Alterung der Region, sondern auch finanzielle
Faktoren, da diese Städte und Dörfer ökonomisch, durch
fehlendes wirtschaftliches Wachstum und auch fehlenden jungen
Arbeitskräfte, den Metropolen, wie Tokio und Osaka, unterlegen
sind (Lützer 2008: 4). Diese Kommunen wurden Jahrzehnte lang
nur durch ein System des Finanzausgleichs, ähnlich dem in
Deutschland, finanziert und konnten somit überleben (Osiander
2007: 159).
Um eine die Gebietsreform durchzusetzen, wurden im Vorfeld
verschiedene Dezentralierungsgesetze verabschiedet, bis
schließlich im April 2000 das Gesamtgesetz zur Dezentralisierung
in Kraft trat (chiho bunken ikkatsu-ho), damit die einzelnen
Kommunen sich stärker um ihre Finanzierung kümmern mussten.
5
Mit diesem Gesetz wurden unter anderem die Pflichten der
kommunalen Verwaltung umstrukturiert, Bürgermeister und
Präfektur – Gouverneure wurden per Gesetz gleichgestellt
(Foljanty - Joost 2006: 68). Ab dem Jahr 2002 wurde der
steuerliche Finanzausgleich reduziert und Subventionen gekürzt.
Somit waren die Kommunen gezwungen sich selbst um ihren
Haushalt zu kümmern und ihre Ausgaben zu reduzieren.
Die Idee der Zentralregierung war es natürlich mit dieser Reform
den Verwaltungsapparat der Kommunen zu vereinfachen aber
diese Reform gab den Gebietskörperschaften die Möglichkeit
Entwicklungsprogramme zur Revitalisierung lokaler Industrien
zu entwickeln, die besser an lokale Bedürfnisse angepasst waren,
da eine Zusammenarbeit mit den Anwohnern vereinfacht und
erwünscht war. Im Falle Niigata wurden die Regionen rund um
das ETAT erst spät, im Jahr 2004 fusioniert.1
Green Tourism
Grüner Tourismus ist ebenfalls ein wichtiger
Revitaliserungsfaktor in ruralen Gebieten Japans, von dem das
ETAT profitiert hat. Hier wird gezielt der Austausch zwischen den
Städten und Dörfern gefördert2. Diese Interaktion bzw. dieser
Austausch begann mit dem Handel von Waren, da sie allgemein
von besserer Qualität waren als importierte Lebensmittel. Im
Laufe der Zeit wechselten die Bedürfnisse der Städter, die immer
mehr die natürlichen Produkte der ländlichen Gegenden wollten,
aber auch der Wunsch sich körperlich zu betätigen, und die
Regierung erließ 1994 das Gesetz für die Förderung der 1 http://www.pref.niigata.jp/sougouseisaku/shichousongappei/gappei (Letzter Zugriff: 20.10. 2013)2 http://www.kouryu.or.jp/intl.gt/japanese/index.html (letzer Zugriff: 20.10.2013)
6
Verbesserung der Infrastruktur für Freizeitaktivitäten mit
Aufenthalten in ruralen Gemeinschaften (Ando 2002: 45 ). Mit
Hilfe dieses Gesetzes sollte der Tourimus in Dörfern usw. erhöht
werden, indem diese Regionen durch Subventionen motivierte
werden sollte, gezielt Projekte zu entwickeln, die den ruralen
Tourismus begünstigen (Ando 2002:5). Dies ist in so fern ein
neuer Ansatz der japanischischen Regierung, da sie sich nicht
direkt in die Präfektur oder Kommunen einmischt (Reimer 2008:
105), da ein solches Einmischen von der Bevölkerung als störend
angesehen werden kann (Reimer 2008: 36). Genau solch ein
Projekt ist die ETAT. Die Organisation arbeitet sehr eng mit der
Bevölkerung zusammen (Kitamura 2010) um einen Austausch
zwischen den Städten und den ruralen Gebieten in Niigata zu
initiieren (Takaki 2004: 7)
Echigo Tsumari Region
Die Region, in der das ETAT seit 2000 veranstaltet wird, befindet
sich im Norden der Präfektur Niigata. Die Präfektur Niigata ist ca.
300 km nördlich von Tokio entfernt. Das Gebiet, in dem das ETAT
stattfindet befindet sich im Zentrum der Präfektur und erstreckt
sich auf 760 km² (ETAT Report 2010: 4). Insgesamt befinden sich
über 5 Städte und mehrere kleine (selbst verlassene) Dörfer in
dieser Gegend. Der Hauptwirtschaftszweig hier, wie in fast ganz
Niigata, ist die Landwirtschaft. Besonders der Reisbau in den
traditionellen Terassenreisfeldern (Burmingham 2009: 11) wird
in Niigata noch praktiziert. Diese Art des Reisanbaus ist eine sehr
anstrengende und zeitintensive Arbeit, aber gerade deswegen
zählt der Reis aus Niigata zu einem der Besten Japans. Anfang der
90er Jahre begann auch in dieser Region Japans eine starke
Abwanderung der jungen Menschen, bedingt durch bessere
7
Arbeitsmöglichkeiten, in städtische Gebiete. Ebenfalls durch das
Dezentralisierungsgesetz der Regierung um 1990 und später auch
die Große Gebietsreform verschärfte sich die Situation in der
Präfektur, wie in anderen ruralen Gegenden (Yamashita 2008:
25). Arbeitsstellen wurden gekürzt und hauptsächlich die
unbeliebten Stellen in der Landwirtschaft blieben. Durch diese
Gründe leidet diese Gegend stark an einer demographischen
Alterung. Fast ein Viertel der Bevölkerung in dieser Gegend ist
über 65 Jahre alt (Tsuboike 2008: 3). Die Einwohnerzahl ist
rückläufig, wegen der Auswanderung und der niedrigen
Geburtenrate, bzw. der hohen Sterberate
Einwohnerzahl 2007
Einwohnerzahl 2010
Differenz 2007 - 2010
2007-2010 Bevölkerungsfluktuation(in %)
Niigata (Präfektur) 2431459 2374450 -57009 -2.344641633
Matsudai 3923 3573 -350 -8.921743564
Kawanishi 7756 7220 -536 -6.910778752
Nakasato 6187 5692 -495 -8.000646517
Tsunan 11719 10881 -838 -7.150780783Matsunoyama 2884 2542 -342 -11.85852982
Tabelle 1: Quelle: Japanisches Statistikamt. Übersetzung: Carlos Álvarez
Als 1996 Fram Kitagawa, der heutige Kurator und Organisator der
ETAT, nach Niigata kam um sein Kunstprojekt in seiner
Heimatpräfektur zu realisieren, sahen es einige weniger
konservative Politiker als eine Gelegenheit und Maßnahme diese
Gegend zu revitalisieren.
Geschichte und Hintergrund der Triennale
Als ein einzigartiges Kunstprojekt zählt die ETAT in Niigata als
eines der wichtigsten und innovativsten Kunstprojekte Japans
und wird als das größte Freiluft Museum der Welt angesehen.
8
Am 20. Juli 2000 bis zum 10. September wurde
zum ersten Mal das ETAT in Niigata, besser in
der Echigo Tsumari Gegend, veranstaltet. Es
war ein große Kunstausstellung, welche zwei
Monate lang verschiedene Kunstwerke in einer
760 km² großen Fläche präsentierte. Anders
als bei anderen Biennalen oder
Kunstaustellungen werden hier die
Kunstwerke auf Reisfeldern, in den Bergen, an
und in Flüssen oder aber auch in verlassenen
Gebäuden ausgestellt. Kurz: die Künstler
nutzen den kompletten Raum dieser 760 k m² großen Fläche. Die
Idee des Festivals ist es, dass Besucher des Festivals diese
ländliche Gegend mit Hilfe des Festivals neu entdecken. Ein
weiterer Zweck dieses Festivals war es, die Städte um Tokayama
Matsushiro und Tsunanmachi und das Dorf Nakazato zu
revitalisieren, da diese Gegend besonders stark von
Auswanderung in größere Städte und ebenfalls von einer alternde
Gesellschaft betroffen ist.
Figur 2: Quelle: http://www.echigo-tsumari.jp/eng/ (Letzer Zugriff: 20.10.2013)
Figur 1: Quelle: http://www.echigo-tsumari.jp/eng/ (Letzter Zugriff: 20.10.2013)
9
Somit sahen sich die regionalen Politiker, gezwungen eine
Alternative zur Landwirtschaft zu suchen, da sie mit den großen
Städten – wie Nagano oder auch Niigata selbst- , welche sich in
der Nähe befinden nicht konkurrieren konnten. Nicht mit
attraktiver Industrie oder aber mit Berufen in der Tourismus
Branche.
Eine Alternative sah man in der Kultur und Kunst. 1994 wurde
das Projekt New Niigata Discovery Plan vom Gouverneur der
Präfektur Niigata ins Leben gerufen mit dem Ziel die Gebiete rund
um 4 machi (Stadt), einer shi (Großstadt) und einer mura (Dorf)
zu revitalisieren und neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen
(ETAT Report 2010: 15). Zu Beginn jedoch sahen die
konservativen Politiker keinen Grund dieses Projekt zu
finanzieren, da man Kunst nicht als Werkzeug zur
Städterevitalisierung ansah. Trotz diverser Wiederstände gelang
es dem Gründer, Fram Kitagawa 1998 das Echigo Tsumura Art
Necklece Konzept durchzusetzen um die Planung eines Festivals
voranzubringen (Tsuboike 2009: 3). Ein weiterer Grund war auch
die 1994 verabschiedete Gesetzesänderung der japanischen
Regierung, welche vorsah das kleinere Städte mit finanzieller
Unterstützung zu revitalisieren (Reimer 2008: 35).
Fram Kitagawa, ein gebürtiger Einwohner der Präfektur Niigata,
der zum Generaldirektor und Kurator des neuen Konzeptes
ernannt wurde, gründete 1997 schließlich den daiichino
keijutsukai Aussschuss, welches die erste Triennale veranstaltete
und organisierte. Das Thema unter welchem die Triennale stand
und auch bis heute steht, lautet: Menschen – Zusammenleben mit
der Natur 3.
Da es geplant war, die Kunstobjekte längere Zeit auszustellen,
sollte auch die Bevölkerung im Entscheidungsprozess integriert
werden (Takaki 2005: 4). Anfänglich waren die älteren Bewohner
3 http://www.echigo-tsumari.jp (Letzter Zugriff: 20.10.2013)
10
ein wenig skeptisch, aber verschiedenen Sitzungen und
Besprechungen, konnten die Organisatoren mit der
Unterstützung der Bevölkerung rechnen (Burmingham 2009).
Somit wurde die Bevölkerung aktiv in das ETAT miteinbezogen
(später auch künstlerisch).
Triennale als revitalisierende Maßnahme
Das Festival, welches im Jahr 2000 zum ersten Mal statt fand,
verfolgte verschiedene Ziele. Diese Ziele sollten die Städte und
Dörfer der Echigo Tsumura Gegend revitalisieren4. Da die
Präfektur wie andere nördliche Präfekturen Japans mit einem
starken Bevölkerungsrückgang (siehe Tabelle 1) und mit einer
schnell alternden Gesellschaft zu kämpfen hat, wurde unter
anderem versucht neue Arbeitsplätze zu schaffen und alte wieder
zu reaktivieren (Supermärkte, Hotels, Heiße Quellen...). Auch
sollte die Gegend attraktiver für junge Leute gemacht werden
(kulturelle Events usw.). Folgende Ziele sollten laut den
Organisatoren erreicht werden (ETAT Report 2010: 4):
a) Zunahme der Bevölkerung
b) Bekannter machen der Region (Takaki 2004: 6)
c) Infrastrukturverbesserung (ETAT Report 2010: 22)
d) Zunahme der Anzahl der jungen Besucher
e) Attraktivität der Gegend (für junge und kreative Menschen)
sollte gesteigert werden
f) Schaffung neuer Arbeitsplätze bzw. alte Arbeitsplätze
reaktivieren
g) Integration der Einwohner am Projekt durch Workshops und
Events (ETAT Report 2010 : 3):
4http://www.cao.go.jp/en/minister/regional_revitalization.html (Letzter Zugriff:
23.10.2013)
11
1. Aufnahme von Besuchern in den Häusern der
Einheimischen und somit die Kommunikation zwischen
Städtern und Dörflern fördern
2. Teilnahme an Workshops
3. Volontäre (NPOs, usw.)
4. Unterstützung bei der Finanzierung
5. Für das Festival spezielle Lebensmittelherstellung
6. Instanthaltung der Kunstwerke
Um diese Intentionen zu erreichen, wurde gezielt geworben.
Verschiedene Kommunikationsmittel wurden genutzt; Von Radio
bis hin zu Fernsehsender wurden eingeschaltet (ETAT Report
2010: 21). Ebenfalls Reisebüros und Reisegesellschaften machten
auf das ETAT und insbesondere auf die Region aufmerksam, da
eine große Anzahl von Japanern mit Hilfe von Reisebüros usw.
ihre Urlaube planen und organisieren (ETAT Report 2010: 22).
Auch der Name des Organisators Fram Kitagawa war von großer
Bedeutung; als einer der bekanntesten Kuratoren und
Kunstkenner Japans konnte er viel Aufmerksamkeit auf das
Festival lenken. Auch wurde eine Internetseite geschaffen5 aber
auch ein Youtubekanal6 und mit Seiten sozialer Netzwerke wie
Facebook oder auch Mixi oder Gree7 wurde für das ETAT
geworben (ETAT Report 2010: 5). Verschiedene Organisationen
und in verschiedenen Universitäten in der Präfektur wurde nach
Volontären gesucht und auch für das Festival geworben
(Kitagawa 2007). Kitagawa selbst hielt verschiedene Reden an
Universitäten um über das Projekt als auch über dessen
erwartete Wirkung zu reden (siehe dazu YouTube Video). Durch
die mediale Präsenz Kitagawas und des ETAT selbst konnte im
ersten Jahr fast 160.000 Besucher, im Zeitraum von 2 Monaten
verzeichnet werden.
5 http://www.echigo-tsumari.jp (Letzter Zugriff: 20.10.2013) 6 http://www.youtube.com/user/echigotsumarievents?feature=watch (Letzter Zugriff: 20.10.2013)7 www.gree.jp und www.mixi.jp sind die japanischen Versionen von Facebook
12
2000 2003 2006 2009 20120
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
Jahr des Festivals
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Figur 3: Anzahl der Besucher. Quelle ETAT Report. Tabelle: Carlos Álvarez
Besonders erwähnenswert ist die enge Zusammenarbeit
zwischen der Bevölkerung, den Organisatoren und auch den
Studenten, welche während des Festivals, aber auch darüber
hinaus, unterstützen, da eine Veranstaltung in dieser Größe ohne
die Hilfe von Freiwilligen nicht zu stemmen gewesen wäre. Diese
Zusammenarbeit wurde in zwei Gruppen geteilt, welche
verschiedene Zielgruppen angesprochen wurden: oobebi und
kohebi. In der letzteren waren hauptsächlich Studenten und
Schüler tätig, die unentgeltlich vor dem Festival halfen, aber auch
nach dem Festival bei der Ernte. Die ooebi Gruppe besteht
meistens aus Anwohner der Gegend und nicht - Studenten, die
nach dem Festival die Ausstellungsstücke pflegen und auch
während des Festivals spezielle Lebensmittel herstellen oder
auch Homestay für die Helfer anbieten. Oder sogar mit den
Künstlern Projekte ausführen (Tsuboike 2008: 2).
Auch wurden die Verkehrsanbindungen in der Region verbessert,
indem Autobahnen ausgebessert oder sogar neugebaut wurden,
was notwendig war um die Touristen Zugang zu den
Ausstellungsorten zu erleichtern, aber auch um Unternehmen in
die Region zu locken. Auch die Möglichkeit vor Ort Verkehrsmittel
13
(Fahrradverleih, Motorradverleih usw.) zu mieten wurde durch
das Festival und durch die Organisatoren angeboten. Und da diese
Gegend im Winter durch starke Schneefälle und im Sommer in der
Regenzeit von starken Regenfällen befallen wird, mussten Berge
und Flüsse verstärkt werden, um Überschwemmungen zu
vermeiden (ETAT Report 2010: 21 ). Sowohl logistisch aber auch
durch ein intensives und aggressives Marketing konnte ein
breites Publikum erreicht werden.
Auch leerstehende Gebäude wurden für das Festival neu genutzt.
Schulen wurden als Ausstellungsräume, leere Häuser zu
Informationsständen. Es wurden so viele verschiedene Regionen
und Orte genutzt um die Varietät der Gegend zu zeigen
(Burmingham 2009: 4).
Fazit – Revitalisierung mit Kunst?
Das Hauptziel die Stadt zu revitalisieren wurde erfolgreich
erreicht. Es erfüllte die Erwartungen und wurde seit dem Jahr
2000 insgesamt fünf Mal veranstaltet mit wachsender (Figur 3)
Besucher- und Künstlerzahl. Auch konnten die Einnahmen der
lokalen Geschäfte und Hotels durch den Andrang der Besucher
erheblich erhöht werden (ETAT Report 2010: 24). Die Popularität
des Festival machte es möglich, weitere kulturelle Events zu
organisieren (Unterstützung bei der Reisernte durch Studenten
und Schülern oder aber auch die Förderung von Schulen, die
normalerweise geschlossen werden würden), welche die Städte,
die in dem Echigo Tsumari Gebiet sind, weitere Touristen bringen
(Tsuboike 2009: 4). Somit ist diese Gegend auch außerhalb der
Triennale Zeit, ein kulturell sehr aktives Gebiet geworden. Das
einzige Ziel, welches nicht erreicht werden konnte, war die Zahl
der Menschen die abwandern zu reduzieren. Die Anzahl der
14
Bevölkerung in dieser Gegend ist von 2000 bis 2005 weiterhin
geschrumpft. Auch ist 25% der Bevölkerung immer noch 65 Jahre
oder älter. Aber durch das Festival konnten neue Arbeitsplätze
geschaffen werden, die jedoch nicht zum landwirtschaftlichen
Sektor angehören und die direkt mit dem ETAT
zusammenhängen. Auch besonders beeindruckend ist, dass die
Besucherzahl im Jahr 2012 die Anzahl der Bewohner in dieser
Region um das 2- fache überboten hat. Somit kann man sagen,
dass die ETAT ein wirtschaftlicher Erfolg ist.
Auch der Austausch zwischen Städtern und Dörfern (also die
Kommunikation zwischen diesen) konnte durch das ETAT
gefördert werden, was man durchaus an den Besucherzahlen und
auch durch die große Anzahl freiwilliger Helfern sehen kann.
Weiterhin wurden Organisationen gegründet, die den älteren
Reisbauern bei der Ernte und beim Abbau helfen. Die Mitglieder
bzw. Freiwillige, sind meistens Studenten und Schüler, oder aber
auch Touristen die eine besondere Erfahrung in ihrem Urlaub
machen möchten (siehe Grüner Tourimus).
Die ETAT war und ist ein Erfolg einer gezielten Revitalisierung
einer ruralen Region im Nordwesten Japans. Das Interesse der
Städter wurde durch diese Veranstaltung geweckt und ein
Austausch, sowohl von Geld und Gütern, als auch von Wissen und
Menschen wurde initiiert. Natürlich bieten die gesetzlichen
Rahmenbedingungen, die Förderung des Grünen Tourismus und
das Dezentralisierungsgesetz und die somit eigenständige
Verwaltung der Kommunen eine einmalige Gelegenheit für die
Organisatoren. Aber was besonders den Erfolg ausgemacht hat,
war das genaue planen und das direkte Einbeziehen der
Bevölkerung, die genau weiß, wo die Probleme in der Region sind.
Somit konnte ein nachhaltiges Projekt geschaffen werden, was die
Menschen in Japan (auch außerhalb Japans, was die
15
Zusammenarbeit mit Australien oder aber auch mit den
ausländischen Künstlern erkenne kann) (Kitagawa 2007: 16) auf
diese Region aufmerksam gemacht haben und das ETAT zum
wichtigsten Revitalisierungsprojekt in Japan gemacht.
16
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Glossar
19
chihô-bunken
ikkatsu hô
(地方分権一括法) Dezentralisierungsgesetz,
welches 1999 verabschiedet
wurde
daichi no
geijitsusai
(大地の芸術祭実行
委員会)
Ausschuss des Erdfestivals
kohebi – tai (こへび隊) kleine Schlange – Gruppe.
Freiwillige Helfer
machi (町) Stadt (Verwaltungseinheit zwischen 10.000 und weniger als 50.000 Einwohnern)
mura (村) Dorf (Verwaltungseinheit
weniger als 10.000 Einwohner)
nyû niigata risô
puran
(ニューにいがた里
創プラン)
Organisation, die vom
Governeur von Niigata
gegründet wurde (New Niigata
Discovery Plan)
oohebi – tai (大蛇隊) große Schlange – Gruppe.
Freiwillige Helfer (Dörfler und
nicht Studenten)
shi (市) Stadt (Verwaltungseinheit
mehr als 50.000 Einwohner)
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