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Forschungsarbeit Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen Tobias Keller 1,2 *, Johannes Holtbrügge 1 , Alexander Niesbach 1 und Andrzej Górak 1 DOI: 10.1002/cite.201200086 Supporting Information available online Die Reaktivdestillation (RD) wird gegenwärtig vor allem zur Umsatzsteigerung in gleichgewichtslimitierten Reaktions- systemen verwendet, die häufig nur eine Hauptreaktion aufweisen. Diese Arbeit hingegen beschäftigt sich mit dem Ein- satz der RD in chemischen Systemen mit mehr als einer Hauptreaktion. In solchen Multi-Reaktionssystemen ist nicht nur der Umsatz der Edukte, sondern auch die Selektivität des Zielprodukts durch das chemische Gleichgewicht begrenzt. Ungeachtet, ob das Zielprodukt als Zwischenprodukt oder nach mehreren aufeinanderfolgenden Reaktionen gebildet wird, kann die RD zur Überwindung solcher Selektivitätslimitierungen beitragen. Dieses Potenzial wird am Beispiel der konsekutiven Umesterung von Dimethylcarbonat mit Ethanol untersucht. Die Ergebnisse umfassender experimenteller Studien in einer Technikumskolonne werden präsentiert, um den Einfluss entscheidender Betriebsparameter auf das Pro- zessverhalten zu untersuchen. Schlagwörter: Dimethylcarbonat, Experimente, Modellierung, Prozessintensivierung Eingegangen: 28. Mai 2012; revidiert: 17. November 2012; akzeptiert: 14. Januar 2013 Reactive Distillation for Multiple Reaction Systems Reactive distillation (RD) is currently used to increase the reactant conversion in chemical equilibrium limited reaction sys- tems that usually consist of a single main reaction. This work focuses on the application of RD to chemical systems that consist of more than a single main reaction. In such multiple reaction systems, not only the reactant conversion but also the selectivity of the target product is limited by chemical equilibrium. In this case, reactive distillation would allow over- coming such selectivity limitations, regardless of whether the target product is formed as an intermediate product or at the end of several consecutive reactions. Both cases are investigated on the example of the consecutive transesterification of dimethyl carbonate with ethanol. Comprehensive pilot-scale experiments were performed to study the effect of decisive operating parameters on the RD column’s behavior. Keywords: Dimethyl carbonate, Experiments, Modeling, Process intensification 1 Einleitung Prozessintensivierung wird weithin als einer der vielver- sprechendsten Entwicklungspfade in der (bio-)chemischen Industrie angesehen [1, 2]. Sie beinhaltet eine Reihe oft radi- kal innovativer Vorschläge für das Prozess- und Anlagen- design, was erhebliche Vorteile beispielsweise bezüglich Prozesseffizienz, Investitions- und Betriebskosten, Produkt- qualität und Prozesssicherheit mit sich bringen kann [3]. Eine bekannte Methode zur Implementierung von Prozess- intensivierung ist die Integration der gewöhnlich sequen- tiell durchgeführten Reaktions- und Trennstufen in einem einzigen Apparat. Ein wohlbekanntes Beispiel eines solchen integrierten Prozesses stellt die Reaktivdestillation (RD) dar, bei der die chemische Reaktion und die Destillation zum gleichen Zeitpunkt im selben Apparat stattfinden [4 – 6]. Im www.cit-journal.com © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 4, 550–563 1 Tobias Keller ([email protected]), Johannes Holt- brügge, Alexander Niesbach, Prof.Dr.-Ing. Andrzej Górak, Techni- sche Universität Dortmund, Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik, Emil-Figge-Straße 70, 44227 Dortmund, Deutschland; 2 Tobias Keller, Clarkson University, Department of Chemical and Biomolecular Engineering, Potsdam, NY 13699-5705, USA. 550 T. Keller et al.

Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

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Page 1: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

Forschungsarbeit

Einsatz der Reaktivdestillation inMulti-ReaktionssystemenTobias Keller1,2*, Johannes Holtbrügge1, Alexander Niesbach1 und Andrzej Górak1

DOI: 10.1002/cite.201200086

Supporting Informationavailable online

Die Reaktivdestillation (RD) wird gegenwärtig vor allem zur Umsatzsteigerung in gleichgewichtslimitierten Reaktions-

systemen verwendet, die häufig nur eine Hauptreaktion aufweisen. Diese Arbeit hingegen beschäftigt sich mit dem Ein-

satz der RD in chemischen Systemen mit mehr als einer Hauptreaktion. In solchen Multi-Reaktionssystemen ist nicht nur

der Umsatz der Edukte, sondern auch die Selektivität des Zielprodukts durch das chemische Gleichgewicht begrenzt.

Ungeachtet, ob das Zielprodukt als Zwischenprodukt oder nach mehreren aufeinanderfolgenden Reaktionen gebildet

wird, kann die RD zur Überwindung solcher Selektivitätslimitierungen beitragen. Dieses Potenzial wird am Beispiel der

konsekutiven Umesterung von Dimethylcarbonat mit Ethanol untersucht. Die Ergebnisse umfassender experimenteller

Studien in einer Technikumskolonne werden präsentiert, um den Einfluss entscheidender Betriebsparameter auf das Pro-

zessverhalten zu untersuchen.

Schlagwörter: Dimethylcarbonat, Experimente, Modellierung, Prozessintensivierung

Eingegangen: 28. Mai 2012; revidiert: 17. November 2012; akzeptiert: 14. Januar 2013

Reactive Distillation for Multiple Reaction Systems

Reactive distillation (RD) is currently used to increase the reactant conversion in chemical equilibrium limited reaction sys-

tems that usually consist of a single main reaction. This work focuses on the application of RD to chemical systems that

consist of more than a single main reaction. In such multiple reaction systems, not only the reactant conversion but also

the selectivity of the target product is limited by chemical equilibrium. In this case, reactive distillation would allow over-

coming such selectivity limitations, regardless of whether the target product is formed as an intermediate product or at the

end of several consecutive reactions. Both cases are investigated on the example of the consecutive transesterification of

dimethyl carbonate with ethanol. Comprehensive pilot-scale experiments were performed to study the effect of decisive

operating parameters on the RD column’s behavior.

Keywords: Dimethyl carbonate, Experiments, Modeling, Process intensification

1 Einleitung

Prozessintensivierung wird weithin als einer der vielver-sprechendsten Entwicklungspfade in der (bio-)chemischen

Industrie angesehen [1, 2]. Sie beinhaltet eine Reihe oft radi-kal innovativer Vorschläge für das Prozess- und Anlagen-design, was erhebliche Vorteile beispielsweise bezüglichProzesseffizienz, Investitions- und Betriebskosten, Produkt-qualität und Prozesssicherheit mit sich bringen kann [3].Eine bekannte Methode zur Implementierung von Prozess-intensivierung ist die Integration der gewöhnlich sequen-tiell durchgeführten Reaktions- und Trennstufen in einemeinzigen Apparat. Ein wohlbekanntes Beispiel eines solchenintegrierten Prozesses stellt die Reaktivdestillation (RD) dar,bei der die chemische Reaktion und die Destillation zumgleichen Zeitpunkt im selben Apparat stattfinden [4 – 6]. Im

www.cit-journal.com © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 4, 550–563

–1Tobias Keller ([email protected]), Johannes Holt-brügge, Alexander Niesbach, Prof. Dr.-Ing. Andrzej Górak, Techni-sche Universität Dortmund, Lehrstuhl für Fluidverfahrenstechnik,Emil-Figge-Straße 70, 44227 Dortmund, Deutschland; 2Tobias Keller,Clarkson University, Department of Chemical and BiomolecularEngineering, Potsdam, NY 13699-5705, USA.

550 T. Keller et al.

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Vergleich zu herkömmlichen Reaktor-Destillationskolonne-Sequenzen ermöglicht die RD höhere Umsätze und Selektivi-täten sowie Energieeinsparungen bei gleichzeitig geringerenInvestitions- und Betriebskosten. Den oben genannten Vor-teilen stehen mehrere Nachteile gegenüber, die denerfolgreichen Einsatz der RD beschränken, wie z. B. das kom-plexe Prozessdesign, ein schwieriges Scale-up und eine an-spruchsvolle Prozesssteuerung [5, 7]. Das Konzept der RDwird dennoch für bestimmte Arten von Reaktionssystemenbereits erfolgreich industriell eingesetzt. Zu nennen sind hiervor allem Veresterungen [8 – 10], Umesterungen [11] und Ver-etherungen [7, 12], bei denen der maximale Umsatz der Aus-gangsstoffe durch das chemische Gleichgewicht begrenzt ist.Unterschiedliche kommerzielle Anwendungen der RD wur-den von Hiwale et al. [13] und Sharma und Mahajani [14]vorgestellt. Die meisten wissenschaftlichen Publikationenüber die RD untersuchen vor allem chemische Systeme, dienur aus einer Hauptreaktion bestehen. Für solch relativ ein-fache Reaktionssysteme haben diese Publikationen bereitserfolgreich das Potenzial der RD nachgewiesen, die Um-sätze der Ausgangsstoffe zu verbessern, wobei die Selektivi-tät in diesen Untersuchungen nur eine Nebenrolle spielte.

Im Gegensatz dazu sind nur wenige Arbeiten veröffent-licht, die den Einsatz der RD in chemischen Systemen un-tersuchen, die aus mehr als einer Hauptreaktion bestehen

[15]. In solchen Multi-Reaktionssystemen ist nicht nur derUmsatz der Ausgangsstoffe, sondern auch die Selektivitätdes Zielproduktes durch das chemische Gleichgewichtlimitiert. Hier könnte die RD zur Überwindung solcherSelektivitätsbeschränkungen beitragen, ungeachtet, ob dasZielprodukt als Zwischenprodukt oder nach mehreren auf-einanderfolgenden Reaktionen gebildet wird. Der Einsatzder RD in Multi-Reaktionssystemen würde es den Prozess-ingenieuren ermöglichen, sowohl den Umsatz als auch dieSelektivität zu steigern.

In diesem Zusammenhang stellen Thotla et al. [16] undLuyben et al. [17] in ihren Arbeiten eine umfangreiche Listeinteressanter Multi-Reaktionssysteme bereit, bei denen dieReaktivdestillation eingesetzt werden könnte, um Selektivi-tätslimitierungen des Zielproduktes zu überwinden. EinigeBespiele aus dieser Liste sind in Tab. 1 aufgeführt. Auf-grund fehlender experimenteller und theoretischer Studienwurde dieses Potenzial der RD jedoch noch nicht vollstän-dig ausgeschöpft. Die wenigen Untersuchungen, in denender Einsatz der RD in Multi-Reaktionssystemen untersuchtwird, beschränken sich auf experimentelle Studien imLabormaßstab [18 – 22]. Unserer Meinung nach sollte dietechnische Machbarkeit der Anwendung von RD-Technolo-gie in Multi-Reaktionssystemen jedoch anhand zuverlässi-ger experimenteller Studien im Technikumsmaßstab nach-

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Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 4, 550–563 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

Tabelle 1. Industriell relevante Multi-Reaktionssysteme, bei denen die Reaktivdestillation eingesetzt werden könnte, um Selektivitätslimi-tierungen des Zielproduktes zu überwinden. Das Zielprodukt ist fett markiert.

A B C D E Ref.

A � B + C;C + D � E

Methyl-Bernsteinsäure Methanol Bernsteinsäureanhydrid Wasser Bernsteinsäure [38]

A + B � C;C + B � D

Ethylenglykol Isobuten Monoether Diether [39]

A + B → C;C + B → D

Wasser Ethylenoxid Ethylenglykol Diethylenglykol [40]

A + B � C;C + B � D + E

Ethylencarbonat Methanol 2-Hydroxymethylcarbonat Ethylenglykol Dimethylcarbonat [41]

A + B � C;C + D � A + E

Methanol Kohlenmonoxid Methylformiat Wasser Ameisensäure [42]

Kohlenstoffdioxid Propylenoxid Propylencarbonat Wasser Propandiol [43]

A + B � C + D;2C � A + E

Dimethylcarbonat Phenol Phenylmethylcarbonat Methanol Diphenylcarbonat [44]

A + B � C + D;B + C � D + E

Adipinsäure Methanol Monomethyladipat Wasser Dimethyladipat [45]

Glyoxylsäure n-Butanol Butylglyoxalat Wasser Dibutylglyoxalat [46]

Glyoxylsäure Isoamylalkohol Amylglyoxalat Wasser Diisoamylglyoxalat [46]

Glutarsäure Methanol Monomethylglutarat Wasser Dimethylglutarat [45]

Maleinsäure Ethanol Monoethylmaleat Wasser Diethylmaleat [47]

Dimethyloxalat Phenol Monomethylphenyloxalat Methanol Diphenyloxalat [48]

Cyclohexylacetat n-Butanol Cyclohexanol n-Butylacetat Butylcyclohexylether [49]

A + B → C + D;B + C → D + E

Ammoniak Methanol Monomethylamin Wasser Dimethylamin [50]

Prozessintensivierung 551

Page 3: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

gewiesen werden. Hieraus entstand die Motivation der vor-liegenden Studie, den Einsatz der RD in Multi-Reaktionssy-stemen experimentell im Technikumsmaßstab zu überprü-fen. Als Testsystem für diese Arbeit wurde die konsekutiveUmesterung von Dimethylcarbonat mit Ethanol ausge-wählt. Das Reaktionssystem besteht aus insgesamt zweigleichgewichtslimitierten Umesterungsreaktionen, wobeineben Methanol die beiden Wunschprodukte Ethylmethyl-carbonat und Diethylcarbonat entstehen (s. Abb. 1).

In dieser Arbeit soll experimentell nachgewiesen werden,dass die RD in der Lage ist, in einem Multi-Reaktionssystemdie Selektivitätslimitierungen des Zielproduktes zu über-winden, ungeachtet, ob es als Zwischenprodukt oder amEnde von aufeinanderfolgenden Reaktionen gebildet wird.Beide dieser Fälle werden behandelt: Ethylmethylcarbonatstellt das intermediäre Zielprodukt dar, während Diethylcar-bonat das Zielprodukt am Ende von aufeinanderfolgendenReaktionen ist.

2 Reaktionssystem

Das in dieser Arbeit untersuchte Reaktionssystem ist diekonsekutive Umesterung von Dimethylcarbonat (DMC) mitEthanol, wobei neben Methanol die beiden Carbonate Ethyl-methylcarbonat (EMC) und Diethylcarbonat (DEC) gebildetwerden (s. Abb. 1). Die Nomenklatur und Siedepunkte derreinen Komponenten bei Atmosphärendruck sind in Tab. 2aufgelistet.

In einer früheren Arbeit wurde Natriumethanolat alsgeeigneter homogener Katalysator für die Umesterung vonDMC mit Ethanol (EtOH) ausgewählt [23]. Das chemische

Gleichgewicht sowie die Reaktionskinetik wurden erfolg-reich im Temperaturbereich von 323 – 403 K vermessen. Imuntersuchten Temperaturbereich lag die aktivitätsbasiertechemische Gleichgewichtskonstante der ersten Reaktion(Umesterung von DMC zu EMC) bei 1,77 bis 2,10 und wiessomit höhere Werte auf als die der zweiten Umesterungs-reaktion (0,39 – 0,45, Umesterung von EMC zu DEC). Hier-aus wird ersichtlich, dass das chemische Gleichgewicht aufder Produktseite der ersten Umesterungsreaktion und aufder Eduktseite der zweiten Umesterungsreaktion liegt. DesWeiteren wurde nachgewiesen, dass unter Verwendung deshomogenen Katalysators Natriumethanolat die Bildung vonNebenprodukten ausgeschlossen werden kann [23].

Sowohl EMC als auch DEC sind industriell relevante Pro-dukte. Der asymmetrische Kohlensäureester EMC ist eingeeignetes Lösungsmittel für nichtwässrige Elektrolyte, umdie Leistung von wiederaufladbaren Lithium-Ionenbatterienin Form von höherer Energiedichte und Kapazität sowielangsamerer Entladung zu steigern [24 – 27]. EMC wirdzudem zur Methylierung von primären aromatischenAminen verwendet [28]. DEC stellt eine vielversprechendeAlternative dar, das giftige Phosgen als Ethylierungs- undCarbonylierungsreagenz bei der organischen Synthese zuersetzen [29] und kann als Ausgangsstoff zur Herstellungvon Polycarbonaten verwendet werden [30]. Ähnlich wieEMC kann DEC als Lösungsmittel in Lithium-Ionenbatte-rien eingesetzt werden [31]. DEC wird als eine der bestenAlternativen für Methyl-tert-butylether (MTBE) als sauerstoff-enthaltender Kraftstoffzusatz angesehen [29, 32, 33]. Esweist einen Sauerstoffgehalt von 40,6 % auf, der deutlichhöher ist als der von MTBE (18,2 %).

3 Experimentelle Durchführung

3.1 Prozessbeschreibung

Die Umesterung von DMC mit EtOH ist eine vielverspre-chende Reaktion, um die zwei industriell relevanten Pro-dukte EMC und DEC herzustellen. Da das Reaktionssystemaus zwei gleichgewichtslimitierten Umesterungsreaktionenbesteht, bietet es sich an, die RD zur Prozessintensivierungeinzusetzen, wie es in Abb. 2 dargestellt wird. Normalerwei-se wird die hochsiedende Komponente oberhalb der nied-rigsiedenden Komponente in die RD-Kolonne zugespeist,

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Abbildung 1. Reversible konsekutive Umesterung von Dimethyl-carbonat mit Ethanol.

Tabelle 2. Nomenklatur und Siedetemperatur Tb der reinen Komponenten bei Atmosphärendruck [51].

Komponente Name Formel CAS-Nummer Tb [K]

MeOH Methylalkohol CH4O 67-56-1 337,9

EtOH Ethylalkohol C2H6O 64-17-5 351,4

DMC Kohlensäuredimethylester C3H6O3 616-38-6 363,4

EMC Kohlensäureethylmethylester C4H8O3 623-53-0 380,8

DEC Kohlensäurediethylester C5H10O3 105-58-8 400,0

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Page 4: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

um durch den Gegenstrom für einen ausgiebigen Kontaktzwischen den Reaktanden in der reaktiven Zone zu sorgen.Der in dieser Arbeit eingesetzte homogene Katalysator Natri-umethanolat weist jedoch eine sehr niedrige Löslichkeit inDMC auf, weshalb der Katalysator zusammen mit dem nied-rigsiedenden EtOH in die RD-Kolonne zudosiert werdenmuss. Die homogen katalysierte Reaktion findet folglich imgesamten Kolonnenabschnitt unterhalb der Zugabestelle vonEtOH statt. Die Zugabe von DMC oberhalb von EtOH würdesomit zu keinen Vorteilen führen, da zwischen den Zugabe-stellen von DMC und EtOH keine Reaktion in der Kolonnestattfindet. Beide Reaktanden werden daher auf derselbenPackungshöhe in die RD-Kolonne zugegeben. Unter der An-nahme eines vollständigen Umsatzes der beiden Ausgangs-stoffe verlassen die beiden Zielprodukte EMC und DEC dieRD-Kolonne über den Sumpfstrom, während Methanol(MeOH) die Kolonne über den Destillatstrom verlässt.

An dieser Stelle ist er wichtig zu erwähnen, dass im Falleeiner industriellen Umsetzung eine Katalysatorabtrennungder Reaktivdestillationskolonne nachgeschaltet werdenmuss, um den homogenen Katalysator Natriumethanolataus dem Sumpfstrom zu entfernen. Eine interessante Mög-lichkeit hierfür stellt das Begasen mit Kohlenstoffdioxid dar,welches mit Natriumethanolat zu Natriumcarbonat undEthanol reagiert [34]. Das gebildete Natriumcarbonat kannaus dem Produktstrom anschließend abfiltriert werden.Um eine ausreichend hohe Reinheit des Zielprodukts sicher-zustellen, sind darüber hinaus noch weitere Destillations-schritte nötig.

3.2 Technikumskolonne

Um die homogen katalysierte Umesterung von DMC mitEtOH zu untersuchen, wurden Experimente in einer RD-Kolonne im Technikumsmaßstab durchgeführt. Die Kolonnebesitzt einen Durchmesser von 50 mm und besteht ins-gesamt aus sechs Packungsschüssen, die mit Sulzer BX™Packungselementen bestückt sind. Die gesamte Packungs-höhe beträgt 5,4 m. Es ist zu beachten, dass eigentlichBodenkolonnen aufgrund ihres größeren Flüssigkeitshold-ups für homogen katalysierte RD-Prozesse geeignet sind.Jedoch kann die durch Natriumethanolat katalysierte Um-esterung von DMC mit EtOH auch in einer Packungs-kolonne durchgeführt werden, da die untersuchte Reaktioneine ausreichend schnelle Reaktionsgeschwindigkeit auf-weist, um zufriedenstellende Umsätze in einer Packungs-kolonne zu erreichen. Beispielsweise wird durch den Ein-satz von Natriumethanolat das chemische Gleichgewichtfür die Umesterung von DMC mit EtOH bereits nach unge-fähr 2 min bei einer Temperatur von 373 K erreicht [23].

Um adiabatische Prozessbedingungen in der Kolonneaufrechtzuerhalten, wurde eine Isolierung mit zwei Schich-ten Mineralwolle verwendet. Zur Verdampfung ist ein Natur-umlaufverdampfer mit einem Flüssigkeitsholdup von 1,33 Lund einer maximalen elektrischen Leistung von 6,6 kW in-stalliert. Thermoöl-Wärmeübertrager wurden verwendet,um die Temperatur der beiden Feedströme und die Tem-peratur des Rücklaufstroms einzustellen. Am Kopf der RD-Kolonne wird der austretende Dampfstrom Destillat ineinem senkrechten, wassergekühlten Totalkondensator kon-densiert. Installierte PT100-Thermoelemente und vorhan-dene Probeentnahmestellen ermöglichen die Aufnahmevon Temperatur- und Konzentrationsprofilen entlang derKolonne.

Für eine exakte Bilanzierung der Anlage werden ein- undaustretende Massenströme über Massendurchflussmessererfasst. Bekanntlich führt die Bilanzierung einer Anlage aufBasis gemessener Werte zunächst jedoch zu nicht geschlos-senen Massenbilanzen. Um dennoch konsistente Daten-sätze zu erzeugen, wurde eine Prozessdatenvalidierungdurchgeführt, die aus den Messwerten den statistisch wahr-scheinlichsten Prozesszustand ermittelt. Im Folgenden wer-den daher stets die validierten experimentellen Messwerteverwendet. Eine kurze Beschreibung der eingesetzten Pro-zessdatenvalidierung ist im Anhang zu finden. Die relevan-ten Eigenschaften der RD-Kolonne sind in Tab. 3 aufgelis-tet. Abb. 3 zeigt aktuelle Bilder der Technikumskolonne.

3.3 Analytik und Chemikalien

Ein Gaschromatograph (Shimadzu GC-14B), ausgestattetmit einem Flammenionisationsdetektor (FID), wurde zurAnalyse der aus der Kolonne entnommenen Flüssigkeits-proben verwendet. Als Trägergas wurde Helium eingesetzt.Eine Innopeg FFAP Kapillarsäule mit einem Durchmesser

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Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 4, 550–563 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

Abbildung 2. Reaktivdestillationsprozess zur homogen kataly-sierten Umesterung von DMC mit EtOH.

Prozessintensivierung 553

Page 5: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

von 0,32 mm, einer Länge von 25 m und einer Filmdickevon 0,64 lm wurde verwendet. Jede Probe wurde dreimalanalysiert und der daraus ermittelte Mittelwert für weitereBerechnungen verwendet.

Zur Kalibrierung des Gaschromatographen wurden Che-mikalien mit einer garantierten Reinheit von ≥ 99,9 Gew.-%eingesetzt. MeOH und EtOH wurden von VWR Interna-tional LLC bereitgestellt und DMC, EMC, DEC sowie derinterne Standard Acetonitril wurden von Merck KGaA bezo-gen. Für die Experimente in der RD-Kolonne wurden EtOHvon Koester & Boemcke Ltd. und DMC von Novasol S.A. er-worben. Der homogene Katalysator Natriumethanolat wur-de als verdünnte Lösung (20 Gew.-%) in EtOH von MerckKGgaA bezogen. Im folgenden Text bezieht sich die Masseoder die Stoffmenge an Katalysator stets auf die pure Mengean Katalysator und nicht auf die verdünnte Lösung.

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Überblick der Experimente

Um die technische Machbarkeit der homogen katalysiertenUmesterung von DMC mit EtOH experimentell nachzuwei-sen, wurden 14 Experimente (E1 – E14) in einer RD-Ko-lonne im Technikumsmaßstab durchgeführt. Die Betriebs-bedingungen der Experimente wurden dabei variiert, umden Einfluss relevanter Betriebsparameter auf das Prozess-verhalten zu untersuchen. Im vorliegenden Prozess könnenvier Betriebsparameter variiert werden: das Rücklaufverhält-nis RR, das massenspezifische Destillat/Feed-VerhältnisDFmass, das molare Feedverhältnis vEtOH�DMC beider Aus-gangsstoffe DMC und EtOH sowie der Molanteil des Kataly-sators xF,Kat bezogen auf den Gesamtfeedstrom. Bei allenExperimenten wurden der EtOH- und DMC-Feed auf der-selben Packungshöhe von h = 2,0 m in die Kolonne einge-speist. Die beiden Feedströme wurden auf eine Temperaturvon TF = 333 K erwärmt; die Temperatur des Rückfluss-stroms betrug bei allen Experimenten TR = 325 K.

Da in der Literatur keine experimentellen Informationenbezüglich der homogenen katalysierten Umesterung vonDMC mit EtOH in einer RD-Kolonne verfügbar waren, wur-de ein faktorieller Versuchsplan [35] durchgeführt, um denEinfluss der vier ausgewählten Betriebsparameter RR,DFmass, vEtOH�DMC und xF,Kat auf das Prozessverhalten expe-rimentell zu untersuchen.

Die Ergebnisse werden im Abschn. 4.2 ausführlich vorge-stellt und diskutiert. Die faktoriellen Kombinationen kön-nen grafisch als die Eckpunkte eines Würfels dargestelltwerden, was für den in dieser Arbeit angewendeten fak-toriellen Versuchsplan in Abb. 4 gezeigt ist. Bei der Fest-legung der Untersuchungsbereiche wurde anhand durchge-führter Simulationsstudien zunächst vorab sichergestellt,dass ein erkennbarer Einfluss der einzelnen Betriebspara-meter auf das Prozessverhalten experimentell zu beobach-ten ist. Das Rücklaufverhältnis RR wurde zwischen 1,2 und1,8 variiert, das massenspezifische Destillat/Feed-VerhältnisDFmass zwischen 0,35 und 0,45. Das molare FeedverhältnisvEtOH�DMC wurde zwischen 1,0 und 4,0 verändert, währendder Molanteil an Katalysator xF,Kat entweder 1 · 10–3 oder

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Tabelle 3. Eigenschaften der Technikumskolonne.

Parameter Wert

Durchmesser 50 mm

Gesamtpackungshöhe 5,4 m (Sulzer BX™)

Gesamtfeedmenge 4 – 6 kg h–1

Höhe der Feedzugabe

DMC 2,0 m

EtOH 2,0 m

Katalysator 2,0 m

Kondensator Total

Verdampfer Naturumlaufverdampfer (max. 6,6 kW)

Prozessleitsystem Simatic™ PCS7

Abbildung 3. Links: RD-Kolonne im Technikumsmaßstab. Mitteoben: Glasschuss bestückt mit Sulzer BX™ Packungselementen.Rechts oben: erste Isolierungsschicht; unten: Flüssigkeitsverteilermit PT-100-Messaufnehmer.

554 T. Keller et al.

Page 6: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

2 · 10–3 betrug. Der Gesamtfeedstrom in jedem Experimentlag bei 4,0 kg h–1. Experiment E1 wies dieselben Betriebsbe-dingungen wie E6 auf, um die Reproduzierbarkeit des RD-Prozesses zu untersuchen (s. Abschn. 4.3). Es wurden zweiweitere Experimente, E13 und E14, durchgeführt, um expe-rimentell zu demonstrieren, dass sowohl EMC als auchDEC mit einer hohen Selektivität in einer RD-Kolonne her-gestellt werden können. Diese Ergebnisse werden inAbschn. 4.4 vorgestellt.

Eine Übersicht der untersuchten Betriebsbedingungenaller Experimente ist in Tab. 4 aufgeführt. Detaillierte Er-

gebnisse in Form von gemessenen Konzentrations- undTemperaturprofilen sind für alle Experimente in den Sup-porting Information aufgeführt. Es handelt sich dabei umdie validierten Messdaten.

4.2 Einfluss verschiedener Betriebsparameter aufdas Prozessverhalten

In diesem Abschnitt werden experimentell ermittelte Kon-zentrations- und Temperaturprofile der Kolonne abgebildet,wobei zur Veranschaulichung die gemessenen Punktedurch Linien miteinander verbunden sind. Durch dieLinien werden demnach keine durchgehend vermessenenKonzentrations- und Temperaturprofile dargestellt. DesWeiteren muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrundvon Hardwareaspekten eine Probenahme auf Höhe derFeedzugabe (h = 2,0 m) nicht möglich war. Nachfolgend wer-den die Einflüsse unterschiedlicher Betriebsparameter aufdas Prozessverhalten, insbesondere auf erzielte Umsätzeund Selektivitäten, untersucht.

4.2.1 Rücklaufverhältnis

Die Auswirkungen eines erhöhten Rücklaufverhältnissesauf das Prozessverhalten sind in Abb. 5 dargestellt, in derdie experimentell ermittelten Konzentrations- und Tempe-raturprofile für die Experimente E3 (durchgezogene Linie)und E10 (gestrichelte Linie) miteinander verglichen wer-den. Die Betriebsbedingungen beider Experimente sind inTab. 4 aufgeführt und unterscheiden sich nur im Rück-

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Abbildung 4. Faktorieller Versuchsplan eingesetzt zum Designder Kolonnenexperimente. Der folgende Betriebsbereichwurde untersucht: RR: 1,2 – 1,8; DFmass: 0,35 – 0,45; vEtOH�DMC:1,0 – 4,0 und xF,Kat: 1 · 10–3 – 2 · 10–3.

Tabelle 4. Betriebsbedingungen und Massenströme der durchgeführten Experimente (E1 – E14) in der RD-Technikumskolonne. Aufgeführtsind die validierten Messwerte.

DMC-Feed[kg h–1]

EtOH-Feed[kg h–1]

Molanteil Katalysator,xF,Kat [–]

Feedverhältnis,vEtOH�DMC [–]

Rücklauf-verhältnis, RR [–]

Destillat/Feed-Verhältnis, DFmass [–]

Destillatstrom[kg h–1]

Sumpfstrom[kg h–1]

E1 1,998 2,002 1 · 10–3 1,97 1,23 0,445 1,780 2,221

E2 1,999 2,000 1 · 10–3 1,96 1,20 0,355 1,420 2,580

E3 1,317 2,679 1 · 10–3 3,99 1,20 0,448 1,792 2,204

E4 2,648 1,353 1 · 10–3 1,00 1,20 0,354 1,417 2,585

E5 2,651 1,354 1 · 10–3 1,00 1,80 0,35 1,403 2,602

E6 1,998 2,005 1 · 10–3 1,97 1,20 0,447 1,788 2,214

E7 1,996 2,005 1 · 10–3 1,98 1,53 0,394 1,577 2,423

E8 1,998 2,000 1 · 10–3 1,97 1,81 0,452 1,809 2,189

E9 1,996 2,004 1 · 10–3 1,97 1,81 0,353 1,412 2,587

E10 1,309 2,681 1 · 10–3 4,02 1,79 0,451 1,800 2,190

E11 2,651 1,354 2 · 10–3 1,00 1,79 0,347 1,388 2,617

E12 2,010 2,010 2 · 10–3 1,96 1,52 0,397 1,596 2,424

E13 2,692 1,292 1 · 10–3 0,94 1,17 0,267 1,062 2,922

E14 1,700 2,298 2 · 10–3 2,64 2,00 0,479 1,914 2,083

Prozessintensivierung 555

Page 7: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

laufverhältnis RR, das von 1,2 bei E3 auf 1,8 für E10steigt.

Die Profile beider Experimente verhalten sich qualitativähnlich. Aufgrund des relativ hohen molaren Feedverhält-nisses von vEtOH�DMC= 4,0 ist bei beiden Experimenten dieKonzentration an EtOH folglich in der gesamten Kolonnehoch. Oberhalb der reaktiven Zone zeigt das variierendeRücklaufverhältnis nur geringe Auswirkungen auf das Kolon-nenprofil. Hier steigt die Konzentration der niedrigsieden-den Komponente MeOH etwas bei einem höheren Rück-laufverhältnis, da mehr kondensiertes Destillat recyceltwird. Im Gegensatz dazu zeigt das Rücklaufverhältnis star-ke Auswirkungen auf die Kolonnenprofile innerhalb derreaktiven Zone: bei einem höheren Rücklaufverhältnisnimmt die Konzentration von MeOH signifikant in derreaktiven Zone ab, wohingegen die von EtOH zunimmt.Die erreichte Selektivität von DEC ist folglich verbessertund steigt von SDEC,E3 = 68,3 % auf SDEC,E10 = 75,2 %. Diehöhere Konzentration von EtOH in der reaktiven Zonesollte ebenfalls einen höheren Umsatz an DMC hervorru-fen. Dies wurde jedoch nicht beobachtet, sondern der Um-satz an DMC fiel bei einem höheren Rücklaufverhältnis vonXDMC,E3 = 58,8 % auf XDMC,E10 = 54,7 %. Ursache dafür isteine Änderung der Konzentration des Katalysators inner-halb der reaktiven Zone: ein höheres Rücklaufverhältnisunter ansonsten identischen Betriebsbedingungen führt zuhöheren internen Flüssigkeitsströmen, wodurch der homo-gene Katalysator innerhalb der reaktiven Zone verdünntwird. Die beiden Experimente E3 und E10 wurden mit der-selben Katalysatorkonzentration bezogen auf die Gesamt-feedmenge durchgeführt. Daher wird bei einem höherenRücklaufverhältnis die Reaktionsrate aufgrund der niedrige-ren Katalysatorkonzentration innerhalb der Kolonne redu-

ziert, was die positiven Auswirkungen der höheren EtOH-Konzentration auf den DMC-Umsatz relativiert. NiedrigereDMC-Umsätze bei einem höheren Rücklaufverhältnis sinddie Folge. Im untersuchten Betriebsbereich von E3 undE10 zeigt der Umsatz an EtOH nur eine schwache Ab-hängigkeit vom Rücklaufverhältnis und nimmt vonXEtOH,E3 = 24,8 % auf XEtOH,E10 = 23,8 % ab. Aufgrund desrelativ hohen molaren Feedverhältnisses bei beiden Expe-rimente (vEtOH�DMC = 4,0) ist die Menge an umgesetztenDMC deutlich höher als die an EtOH.

Die obengenannten Auswirkungen eines höheren Rück-laufverhältnisses auf das Konzentrationsprofil sind eben-falls im Temperaturprofil ersichtlich. Bei einem höherenRücklaufverhältnis ist eine Zunahme der Temperatureninnerhalb der reaktiven Zone zu beobachten, da mit höhe-rem Rücklaufverhältnis die EtOH-Konzentration ansteigt,während die Konzentration an MeOH abnimmt.

Für den untersuchten Betriebsbereich lässt sich schluss-folgern, dass ein höheres Rücklaufverhältnis die DEC-Selek-tivität verbessert, der Umsatz an DMC etwas reduziert wirdund der Umsatz an EtOH konstant bleibt.

4.2.2 Destillat/Feed-Verhältnis

Bei den Experimenten wurde im Verdampfer Thermoöl alswärmeabgebendes Medium eingesetzt, das in einem exter-nen Wärmeübertrager erhitzt wurde. Da der Wirkungsgraddieses Wärmeübertragungssystems unbekannt ist, entsprichtdie vor Ort eingestellte Heizleistung des Verdampfers nichtder eingetragenen Heizleistung der RD-Kolonne. Demzu-folge wird in dieser Arbeit anstelle der Heizleistung dasmassenspezifische Destillat/Feed-Verhältnis zur Charakteri-sierung des Energieeintrags verwendet.

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Abbildung 5. Einfluss des Rücklaufverhältnisses RR auf die Kolonnenprofile. a) Molanteil in der Flüssigphase;b) Temperatur in der Gasphase. E3: durchgezogene Linien; RR = 1,2; E10: gestrichelte Linien, RR = 1,8.

556 T. Keller et al.

Page 8: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

In Abb. 6 sind die Auswirkungen eines variierenden De-stillat/Feed-Verhältnisses DFmass auf das Prozessverhaltenam Beispiel der Experimente E2 (DFmass = 0,35; durchgezo-gene Linien) und E1 (DFmass = 0,45; gestrichelte Linien) dar-gestellt. Die Betriebsbedingungen beider Experimente sindin Tab. 4 aufgelistet und unterscheiden sich voneinandernur im Destillat/Feed-Verhältnis. Oberhalb der reaktivenZone sind keine Auswirkungen des Destillat/Feed-Verhält-nisses auf das Kolonnenprofil zu sehen. Im Gegensatz dazuweist DFmass einen größeren Einfluss auf die Kolonnenpro-file innerhalb der reaktiven Zone auf. Bei einem höherenDestillat/Feed-Verhältnis wird mehr EtOH aus dem Ver-dampfer gestrippt, was daher zu höheren EtOH-Konzentra-tionen in der reaktiven Zone führt. Infolgedessen wird diezweite Reaktion, die Umesterung von EMC zu DEC, begün-stigt und die DEC-Selektivität dadurch von SDEC,E2 = 43,5 %auf SDEC,E1 = 51,1 % verbessert. Die höhere EtOH-Konzen-tration in der reaktiven Zone führt jedoch nicht zu einemhöheren Umsatz an DMC. Dieser Umstand wurde bereitsim letzten Abschnitt bei der Diskussion des Rücklaufver-hältnisses beschrieben: Aufgrund höherer interner Flüssig-keitsströme, hervorgerufen durch ein höheres Destillat/Feed-Verhältnis, wird der homogene Katalysator in der reak-tiven Zone verdünnt. Die Reaktionsrate wird daher redu-ziert und die positiven Auswirkungen einer höheren EtOH-Konzentration auf den DMC-Umsatz werden relativiert. DieUmsatz von EtOH zeigt ebenfalls im untersuchten Betriebs-bereich keine nennenswerte Abhängigkeit vom Destillat/Feed-Verhältnis: XEtOH,E2 = 46,2 % und XEtOH,E1 = 47,1 %.Wie bereits erwähnt wird EtOH bei einem höheren Destil-lat/Feed-Verhältnis aus dem Verdampfer der Kolonne ge-strippt. Demzufolge steigt die Reinheit der HochsiedersDEC im Sumpfstrom von xB,DEC = 16,6 % für E2 auf

xB,DEC = 23,5 % für E1. Dies führt ebenfalls zu höherenTemperaturen im Verdampfer.

Für den untersuchten Betriebsbereich kann die Schluss-folgerung gezogen werden, dass ein erhöhtes Destillat/Feed-Verhältnis die DEC-Selektivität verbessert, obgleich dieUmsätze von DMC und EtOH nahezu konstant bleiben.

4.2.3 Molares Feedverhältnis

In der Abb. 7 sind die Auswirkungen des molaren Feed-verhältnisses vEtOH�DMC auf das Prozessverhalten dar-gestellt. Experiment E5 (durchgezogene Linien) wurde miteinem molaren Feedverhältnis von vEtOH�DMC= 1,0 durch-geführt, während bei Experiment E9 (gestrichelte Linien)vEtOH�DMC = 2,0 eingestellt wurde. Da das Rücklaufverhält-nis sowie das Destillat/Feed-Verhältnis bei beiden Experi-menten identisch sind, akkumuliert EtOH in der gesamtenKolonne bei einem höheren molaren Feedverhältnis. Dahersteigt die EtOH-Konzentration in der reaktiven Zone an,wodurch die DEC-Selektivität von SDEC,E5 = 30,0 % aufSDEC,E9 = 49,4 % erhöht wird. Die höhere EtOH-Konzentra-tion in der reaktiven Zone hat dieses Mal ebenfalls einenhöheren DMC-Umsatz zur Folge, der von XDMC,E5 = 55,7 %auf XDMC,E9 = 63,8 % ansteigt. Durch ein unterschiedlichesmolares Feedverhältnis werden die internen Flüssigkeits-ströme nicht verändert. Der homogene Katalysator wird da-her nicht verdünnt, so dass höhere EtOH-Konzentrationen inder reaktiven Zone den Umsatz an DMC verbessern. Im Ge-gensatz dazu werden mit einem höheren molaren Feedver-hältnis niedrigere EtOH-Umsätze erhalten: XEtOH,E5 = 72,4 %und XEtOH,E9 = 48,2 %. Die Temperaturen in der Kolonnenehmen mit steigendem molaren Feedverhältnis zu, ausge-nommen im unteren Bereich der Kolonne. Hier ist die Tem-

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Abbildung 6. Einfluss des Destillat/Feed Verhältnisses DFmass auf die Kolonnenprofile. a) Molanteil in der Flüs-sigphase; b) Temperatur in der Gasphase. E2: durchgezogene Linien, DFmass = 0,35; E1: gestrichelte Linien,DFmass = 0,45.

Prozessintensivierung 557

Page 9: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

peratur für E9 niedriger als für E3, was auf eine niedrigereEMC-Konzentration für E9 zurückzuführen ist. Zusammen-gefasst führt ein höheres molares Feedverhältnis zu verbes-serten DEC-Selektivitäten sowie DMC-Umsätzen, wohinge-gen der EtOH-Umsatz verringert wird.

4.2.4 Konzentration an Katalysator

Die Auswirkungen eines höheren Katalysator-MolanteilsxF,Kat, bezogen auf die Gesamtfeedmenge, ist in Abb. 8 am

Beispiel der Experimente E7 (durchgezogene Linien) undE12 (gestrichelte Linien) dargestellt. Die Betriebsbedingun-gen beider Experimente sind in Tab. 4 aufgelistet und unter-scheiden sich nur im eingestellten Molanteil des Katalysa-tors. Der Katalysator-Molanteil steigt von xF,Kat = 1 · 10–3 fürE7 auf xF,Kat= 2 · 10–3 für E12 an. Da das Rücklaufverhältnisund das Destillat/Feed Verhältnis in beiden Experimentenkonstant gehalten werden, ist der Molanteil an homogenenKatalysator innerhalb der reaktiven Zone bei E12 höher.Dies führt zu höheren Umsätzen der Ausgangsstoffe:

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Abbildung 7. Einfluss des molaren Feedverhältnisses vEtOH�DMC auf die Kolonnenprofile. a) Molanteil in derFlüssigphase; b) Temperatur in der Gasphase. E5: durchgezogene Linien, vEtOH�DMC = 1,0; E9: gestrichelteLinien, vEtOH�DMC = 2,0.

Abbildung 8. Einfluss des Katalysatormolanteils xF,Kat auf die Kolonnenprofile. a) Molanteil in der Flüssigphase;b) Temperatur in der Gasphase. E7: durchgezogene Linien, xF,Kat = 1 · 10–3; E12: gestrichelte Linien, xF,Kat = 2 · 10–3.

558 T. Keller et al.

Page 10: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

XDMC,E7 = 60,6 % und XEtOH,E7 = 45,3 % bei E7 undXDMC,E12 = 67,4 % und XEtOH,E12 = 52,3 % bei E12. Darüberhinaus verbessert sich die DEC-Selektivität von SDEC,E7 =48,0 % auf SDEC,E12 = 52,0 %, da besonders die zweite Reak-tion (EMC zu DEC) von höheren Reaktionsraten profitiert.Das Temperaturprofil zeigt keine bedeutende Abhängigkeitvom Katalysator-Molanteil. Zusammenfassend lässt sichsagen, dass durch einen höheren Katalysator-Molanteil so-wohl die Umsätze der Ausgangsstoffe als auch die DEC-Selektivität verbessert werden.

4.3 Reproduzierbarkeit

Um die Reproduzierbarkeit des RD-Prozesses zu untersu-chen, wurden die beiden Experimente E1 und E6 unter identi-schen Betriebsbedingungen jedoch zu unterschiedlichenZeitpunkten in der RD-Kolonne durchgeführt. Die Konzen-trations- und Temperaturprofile der beiden Experimente sindin Abb. 9 gegenübergestellt. Die durchschnittliche absoluteAbweichung in den experimentell ermittelten Flüssigpha-sen-Zusammensetzungen beträgt 5,1 · 10–3 mol mol–1. DieTemperaturprofile weisen eine durchschnittliche absoluteAbweichung von 0,33 K auf. Die in E1 und E6 erhaltenenUmsätze an DMC und EtOH zeigen eine sehr gute Über-einstimmung mit einer absoluten Abweichung von 0,8 %.Die absolute Abweichung in den Selektivitäten beträgt0,7 %. Die Resultate belegen, dass die homogen kata-lysierte Umesterung von DMC mit EtOH in einer RD-Technikumskolonne reproduzierbar durchgeführt werdenkann.

4.4 Reaktivdestillation zum Selektivitäts-Engineering

In der vorliegenden Arbeit soll das Potenzial der RD unter-sucht werden, Selektivitätslimitierungen in Multi-Reak-tionssystemen zu überwinden, unabhängig davon, ob dasZielprodukt als Zwischenprodukt oder am Ende von aufein-anderfolgenden Reaktionen gebildet wird. Beide Fälle wur-den in den Experimenten E13 und E14 untersucht, derenErgebnisse im Folgenden vorgestellt werden.

Zunächst wurde der stationäre Betriebszustand von Expe-riment E13 eingestellt. Die Betriebsbedingungen von E13sind dabei derart gewählt worden, dass EMC mit einerhohen Selektivität von SEMC,E13 = 79,1 % hergestellt wurde.Anschließend wurden die Betriebsbedingungen so verän-dert, dass sich nach einem zwischenzeitlich instationärenBetriebszustand ein anderer Betriebspunkt (E14) mit einerhohen DEC-Selektivität von SDEC,E14 = 80,2 % einstellte. Füreine zeitliche Erfassung des Wechsels der Produktselektivi-täten wurden während des gesamten Experiments Feed-,Destillat- und Sumpfproben entnommen. Die daraus berech-neten Selektivitäten sind in Abb. 10 dargestellt. Die einge-stellten Betriebsparameter beider Experimente sind ebenfallsangegeben. Das Rücklaufverhältnis, das Destillat/Feed-Ver-hältnis, das molare Feedverhältnis sowie die Katalysatorkon-zentration sind in E14 erhöht worden, um eine hohe DEC-Selektivität zu erreichen. Wie bereits in Abschn. 4.2 disku-tiert, verbessern höhere Werte dieser Betriebsparameter dieSelektivität hinsichtlich DEC. Die Ergebnisse belegen dasPotenzial der RD, ein Zielprodukt in Multi-Reaktionssys-temen selektiv herzustellen, egal ob es als Zwischenproduktoder am Ende von aufeinanderfolgenden Reaktionen gebil-det wird.

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Abbildung 9. Reproduzierbarkeit der Kolonnenexperimente. a) Molanteile in der Flüssigphase; b) Temperatu-ren in der Gasphase. E1: gefüllte Symbole; E6: offene Symbole.

Prozessintensivierung 559

Page 11: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

Nennenswert ist, dass nur Betriebsparameter der Ko-lonne verändert wurden, um von der selektiven Herstellungvon EMC auf die selektive Herstellung von DEC zu wech-seln. Die RD-Kolonne kann daher als eine Art von Mehr-zweckreaktor angesehen werden, der die flexible Produktionvon unterschiedlichen Zielprodukten mit einer hohenSelektivität zulässt, nur durch Variation der Prozessbedin-gungen.

5 Zusammenfassung

In dieser Arbeit wurde zum ersten Mal die homogen kataly-sierte Umesterung von Dimethylcarbonat mit Ethanolerfolgreich in einer Reaktivdestillationskolonne im Techni-kumsmaßstab untersucht, um zwei verschiedene Zielpro-dukte, Ethylmethylcarbonat oder Diethylcarbonat, herzu-stellen. Insgesamt wurden 14 Experimente durchgeführt,bei denen der Einfluss folgender Betriebsparameter auf dasProzessverhalten analysiert wurde: das Rücklaufverhältnis,das Destillat/Feed-Verhältnis, das molare Feedverhältniszwischen Ethanol und Dimethylcarbonat sowie der Mol-anteil des Katalysators bezogen auf den Gesamtfeedstrom.

Die Ergebnisse der umfangreichen Reaktivdestillations-experimente bestätigten die technische Machbarkeit desuntersuchten Prozesses. Die Bildung von Nebenproduktenkonnte während den Experimenten nicht festgestellt wer-den. In der Kolonne wurde eine Selektivität hinsichtlichEthylmethylcarbonat von 79,2 % erreicht; nach Ändern derBetriebsbedingungen wurde ebenfalls eine Selektivität ge-genüber Diethylcarbonat von 80,2 % erzielt. Es wurdeerfolgreich nachgewiesen, dass die Reaktivdestillation inMulti-Reaktionssystemen zur Überwindung von Selektivi-

tätslimitierungen des Zielproduktes einge-setzt werden kann.

Anhang

ProzessdatenvalidierungIn dem vorliegenden Beitrag wurden Experi-mente in einer Technikumskolonne zur ho-mogen katalysierten Umesterung von Dime-thylcarbonat mit Ethanol durchgeführt. Füreine exakte Bilanzierung der Technikums-kolonne wurden ein- und austretende Mas-senströme über Massendurchflussmesser er-fasst und deren Zusammensetzungenmittels Gaschromatographie analysiert. Je-doch führt die Bilanzierung der Anlage aufBasis gemessener Werte zunächst zu nichtgeschlossenen Massenbilanzen. Um den-noch konsistente und widerspruchsfreieMesswertdatensätze zu erzeugen, wurdeeine Prozessdatenvalidierung durchgeführt,die im Folgenden näher erläutert wird.

Das Prinzip der Prozessdatenvalidierung besteht darin,die gemessenen Werte im Rahmen ihrer Messungenauig-keiten so zu verändern bis physikalische Nebenbedin-gungen wie beispielsweise die Gesamtmassenbilanz erfülltwerden. Durch diese Veränderungen werden aus den ge-messenen Werten die sogenannten validierten Werte erhal-ten. Die validierten Werte stellen den statistisch wahr-scheinlichsten Prozesszustand dar und erlauben einekonsistente sowie widerspruchsfreie Beschreibung des be-trachteten Systems [36, 37].

Im Allgemeinen lässt sich die Prozessdatenvalidierungals beschränktes Optimierungsproblem darstellen:

Z � min X� � � min�nM

i�1

zexpi � zval

i

szi

� �2� �(A.1)

Die Zielfunktion X besteht dabei aus der Quadratsummeder gewichteten Differenzen zwischen den gemessenen(zexp

i ) und validierten (zvali ) Werten. Die Gewichtung erfolgt

mit den zugehörigen Standardabweichungen szides jeweili-

gen gemessenen Wertes. Die Standardabweichung ent-spricht der Messungenauigkeit und muss experimentellermittelt oder mit einem sinnvollen Wert belegt werden.Letzteres erfolgte in dieser Arbeit und die angenommenenMessungenauigkeiten sind in Tab. A-1 zusammengefasst.

Die validierten Werte werden so bestimmt, dass die Ziel-funktion unter Berücksichtigung von Nebenbedingungenein Minimum annimmt. Die in dieser Arbeit berücksichtig-ten Nebenbedingungen werden im Folgenden vorgestellt.Befindet sich die Technikumskolonne im stationären Be-triebszustand, muss die Gesamtmassenbilanz durch dievalidierten Messwerte erfüllt werden:

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Abbildung 10. Zeitlicher Verlauf der Selektivitäten von EMC und DEC. Die Symbolezeigen experimentelle Werte, berechnet aus Feed-, Destillat- und Sumpfproben. DieBetriebsbedingungen im stationären Betriebszustand von Experiment E13 und E14sind in der Tabelle auf der rechten Seite gegeben.

560 T. Keller et al.

Page 12: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

∂mval

∂t� �mval

F�DMC � �mvalF�EtOH � �mval

D � �mvalB � 0 (A.2)

Die Umesterung von Dimethylcarbonat mit Ethanol wur-de mittels Natriumethanolat homogen katalysiert. Der Kata-lysator wurde bei den Kolonnenexperimenten zunächst inEthanol verdünnt und anschließend vor dem Eintreten indie Kolonne mit dem Ethanol-Feed zusammengeführt(s. Abb. 2). Der Massenstrom des Katalysator-Feeds betrugetwa 125 g h–1 und sollte demzufolge bei der oben formulier-ten Gesamtmassenbilanz berücksichtigt werden. Jedochbetrug der Massenstrom an reinem Katalysator Natrium-ethanolat lediglich ca. 5 g h–1. Dieser Massenstrom an Kata-lysator wurde deswegen in der Gesamtmassenbilanz nichtberücksichtigt, während die verbleibende Menge an Ethanolvon ca. 120 g h–1 dem Ethanol-Feed mF,EtOH hinzuaddiertund somit in der Gesamtmassenbilanz enthalten wurde.

Neben der Gesamtmassenbilanz müssen auch dieSchließbedingungen für alle ein- und austretenden Strömeerfüllt sein:

�nC

i�1

wvalF�DMC�i � 1�

�nC

i�1

wvalF�EtOH�i � 1�

�nC

i�1

wvalD�i � 1�

�nC

i�1

wvalB�i � 1

(A.3)

Da der Massenanteil an Katalysator Natriumethanolatim Durchschnitt ca. 10–3 g g–1 betrug, wurde dieser inden Schließbedingungen nicht berücksichtigt.

Gemäß der Reaktionsstöchiometrie (s. Abb. 1) müs-sen die Reaktionsraten von Ethanol und Methanol diegleichen absoluten Werte besitzen. Eine ähnliche Bedin-gung kann auch für die Reaktionsraten von Dimethyl-carbonat, Ethylmethylcarbonat und Diethylcarbonat auf-gestellt werden:

rvalEtOH

�� �� � rvalMEOH

�� ��� rvalDMC

�� �� � rvalEMC

�� ��� rvalDEC

�� �� (A.4)

Die entsprechenden Reaktionsraten rvali können über

die folgenden Stoffbilanzen ermittelt werden:

∂nval

∂t� �nval

F�DMC�i� �nvalF�EtOH�i� �nval

D�i� �nvalB�i� rval

i � 0�

i � 1� � � � � nC

(A.5)

Die physikalischen Nebenbedingungen sind nur unter derAnnahme gültig, dass keine Nebenprodukte in der Reaktiv-destillationskolonne gebildet werden. Diese Annahme wurdedurch eine detaillierte Analyse der ein- und austretendenMassenströme mittels Gaschromatographie bestätigt.

Das Gleichungssystem der Prozessdatenvalidierung wur-de in Microsoft Excel® implementiert und mithilfe desExcel® Solvers gelöst. Die Prozessdatenvalidierung wurdeals erfolgreich eingestuft, wenn die gemessenen Werte nurinnerhalb ihrer Messungenauigkeiten verändert wurden:

zexpi � zval

i

� �2≤ s2

zi� i � 1� � � � � nM (A.6)

Sind die Bedingungen in Gl. (A.6) nicht erfüllt worden,wurde der gesamte dazugehörige Messwertdatensatz ver-worfen und für weitere Auswertungen nicht weiter verwen-det.

Um die Ergebnisse der Prozessdatenvalidierung exempla-risch zu veranschaulichen, werden in Tab. A-2 die gemesse-nen Werte mit den aus der Prozessdatenvalidierung erhalte-nen validierten Werten für das Kolonnenexperiment E6

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Tabelle A-1. Angenommene Messungenauigkeiten für die durchgeführteProzessdatenvalidierung.

Gemessener Wert Messgerät und Messungenauigkeit

Massenanteile der Komponente i Shimadzu GC-14B

– wi ≤ 0,1 g g–1 ± 0,005 g g–1

– wi > 0,1 g g–1 ± 0,01 g g–1

Massenströme Sartorius MC1 Industriewaage

– EtOH-Feed, mF,EtOH ± 0,01 kg h–1

– DMC-Feed, mF,DMC ± 0,01 kg h–1

– Destillatstrom, mD ± 0,05 kg h–1

– Sumpfstrom, mB ± 0,05 kg h–1

Tabelle A-2. Experimentell gemessene und validierte Messwerte des Kolonnenexperiments E6.

DMC-Feed EtOH-Feed Destillatstrom Sumpfstrom

gemessen validiert gemessen validiert gemessen validiert gemessen validiert

m [kg h–1] 2,000 1,998 2,000 2,005 1,790 1,788 2,230 2,214

wMeOH [g g–1] 0,001 0,006 0 0 0,307 0,305 0,062 0,060

wEtOH [g g–1] 0 0 1,000 1,000 0,321 0,315 0,227 0,218

wDMC [g g–1] 0,999 0,994 0 0 0,345 0,351 0,054 0,055

wEMC [g g–1] 0 0 0 0 0,028 0,029 0,283 0,288

wDEC [g g–1] 0 0 0 0 0 0 0,376 0,379

Prozessintensivierung 561

Page 13: Einsatz der Reaktivdestillation in Multi-Reaktionssystemen

verglichen. Es ist zu erkennen, dass nur geringe Verände-rungen an den gemessenen Werten notwendig waren. Die-ses Ergebnis war für alle durchgeführten Kolonnenexperi-mente zu beobachten, was insgesamt die sehr gute Qualitätder in dieser Arbeit erhaltenen experimentellen Datensätzeverdeutlicht.

Formelzeichen

DFmass [–] massenspezifisches Destillat/Feed-Verhältnis

h [m] Höhe�m [kg h–1] Massenstrom�n [mol h–1] StoffstromnC [–] Anzahl an KomponentennM [–] Anzahl an Messwerter [mol h–1] ReaktionsrateRR [–] Rücklaufverhältnisszi

[–] Standardabweichung des Mess-wertes zi

Si [%] Selektivität hinsichtlich Kompo-nente i

T [K] TemperaturTb [K] Siedetemperaturwi [–] Massenanteil der Komponente i in

der Flüssigphasexi [–] Molanteil der Komponente i in der

FlüssigphaseXi [ %] Umsatz an Komponente iZ [–] Optimierungsproblemz [–] MesswertvEtOH�DMC [–] molares Feedverhältnis zwischen

EtOH und DMCX [–] Zielfunktion

Indizes/Superskript

B Sumpfstromexp experimenteller WertF FeedstromKat Katalysator NatriumethanolatR Rücklaufstromval validierter Wert

Abkürzungen

DEC DiethylcarbonatDMC DimethylcarbonatEMC EthylmethylcarbonatEtOH EthanolMeOH MethanolRD Reaktivdestillation

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