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Elektrische Antriebe 1 Wintersemester 2011/2012 Prof. Dr.-Ing. Heinrich Steinhart Hochschule Aalen Anton-Huber-Straße 25 73430 Aalen [email protected]

El Antriebe1

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Elektrische Antriebe 1 Wintersemester 2011/2012

Prof. Dr.-Ing. Heinrich Steinhart

Hochschule Aalen

Anton-Huber-Straße 25

73430 Aalen

[email protected]

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ........................................ ............................................ 1

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen ................. ................................. 2

1.1.1 Magnetischer Kreis 3

1.1.2 Induktionsgesetz 4

1.1.3 Drehmomentenbildung 7

2 Gleichstrommaschine (GM) .......................... ............................. 9

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine .................... ................................ 10

2.1.1 Wickelschema des Ankers 15

2.1.2 Wirkungsweise der Wendepolwicklung 18

2.1.3 Wirkungsweise der Kompensationswicklung 23

2.1.4 Berechnung des inneren Drehmoments einer kompensierten GM 27

2.1.5 Berechnung der inneren Spannung 29

2.1.6 Fremderregte kompensierte Gleichstrommaschine 30

2.1.7 Stationäres Betriebsverhalten der fremderregten kompensierten GM 33

2.1.8 Fremderregte Gleichstrommaschine mit Vorwiderstand 36

2.1.9 Vierquadrantenbetrieb der fremderregten kompensierten GM 40

2.1.10 Unkompensierte fremderregte GM 43

2.1.11 Einfache Methode der Drehrichtungsumkehr 45

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußmasch ine ......... 45

2.2.1 Feldschwächung bei der GM-Reihenschlußmaschine 48

2.2.2 Gleichstrom-Nebenschlußmaschine 50

2.2.3 Doppelschlußmaschine 50

2.3 Wirkungsgrad und Verluste ......................... ..................................... 52

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM .............. ........................... 57

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Inhaltsverzeichnis II

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

3 Asynchronmaschine (ASM) ........................... ........................... 65

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine ...................... ................................ 66

3.1.1 Entstehung eines Drehfeldes 69

3.1.2 Aufstellung der Systemgleichungen 79

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine ............ ........................... 81

3.2.1 Leistungsbilanz der ASM 82

3.2.2 Berechnung des inneren Drehmoments 85

3.3 ASM mit Schleifringläufer ......................... ........................................ 96

3.4 Stern- Dreieckanlauf .............................. .......................................... 100

3.5 Läufer mit Stromverdrängung ....................... ................................. 104

3.6 Drehzahlverstellmethode ........................... ..................................... 106

3.6.1 Spannungs-Frequenzsteuerung 116

3.6.2 Drehzahlregelung 117

3.6.3 Frequenzen während eines Reversiervorgangs 119

3.6.4 Hochlauf am starren Netz bzw. mit einem Umrichter 121

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparameter .. ........... 124

3.7.1 Leistungsmessung mit der Aronschaltung 126

3.7.1.1 Leerlaufversuch 128

3.7.1.2 Kurzschlussversuch 130

4 Synchronmaschine (SM) ............................. ........................... 135

4.1 Prinzipieller Aufbau der SM ....................... ..................................... 136

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine ................. 143

4.2.1 Leistungsbilanz und inneres Drehmoment 146

4.2.2 Zeigerdiagramme einer Vollpolmaschine 151

4.2.3 Vollständiges Ersatzschaltbild einer Vollpolsynchronmaschine 154

4.2.4 Schenkelpolmaschine 155

4.2.4.1 Zeigerdiagramm einer Schenkelpolmaschine 157

4.2.5 Leistungsbilanz, Wirkungsgrad 163

4.2.6 Synchronisation 164

Page 5: El Antriebe1

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen III

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4.2.6.1 Dunkelschaltung 164

4.2.6.2 Gemischte Schaltung 165

5 Schrittmotor ...................................... ...................................... 167

5.1 Unipolarer Schrittmotor ........................... ....................................... 168

5.2 Bipolarer Schrittmotor ............................ ......................................... 170

5.2.1 Vollschrittbetrieb 171

5.2.2 Halbschrittbetrieb 172

5.3 Start-Stopp-Rampe ................................. ......................................... 173

5.4 Stromregelung ..................................... ............................................ 174

5.4.1 Alternierenden Taktung 176

5.4.2 Gleichzeitigen Taktung 177

6 Einsatzbedingungen ................................ ............................... 181

6.1 Schutzklassen ..................................... ............................................. 181

6.2 Bauformen von elektrischen Maschinen .............. ......................... 184

7 Literaturverzeichnis .............................. .................................. 187

Page 6: El Antriebe1
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1 Einleitung

Eine elektrische Maschine ist ein Energiewandler. Dabei können zwei Betriebs-

arten unterschieden werden. Im sog. motorischen Betrieb nimmt die Maschine

über die Zuleitungen elektrische Energie auf und gibt über die Welle mecha-

nische Leistung ab. Beim generatorischen Betrieb nimmt die Maschine über die

Welle mechanische Energie auf und gibt elektrische Energie über die Anschluss-

klemmen ab. In diesem Betriebsfall wirkt die Maschine generatorisch. Die meisten

Maschinen können motorisch und generatorisch wirken.

Entsprechend dem Wirkungsprinzip unterscheidet man zwischen Gleichstrom-

und Drehfeldmaschinen (vergl. Bild 1.1).

Gleichstrom-maschinen

Fremd-erregte GM

selgst-erregte GM

Nebenschluss-maschine

Schenkelpol-läufer

Schritt-motoren

Kurzschluss-läufer

Schleifring-motoren

Synchron-maschine

Asynchron-maschine

Drehfeld-maschinen

Reihenschluss-maschine

ElektrischeMaschinen

Vollpol-läufer

Bild 1.1 Einteilung von elektrischen Maschinen

Gleichstrommaschinen werden durch eine Gleichspannungsquelle, deren Aus-

gangsspannung im allgemeinen Fall verstellbar ist, gespeist. Entsprechend der

Page 8: El Antriebe1

1 Einleitung 2

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Erregung der Maschine unterscheidet man zwischen fremd- und selbsterregten

Maschinen. Bei der fremderregten Maschine sorgt eine Erregerwicklung für die

Erregung. Die Erregerwicklung muss z. B. durch eine Spannungsquelle mit Ener-

gie versorgt werden. Bei kleinen Maschinen verzichtet man oft auf die Erreger-

wicklung und erregt die Maschine mit Permanentmagneten.

Drehfeldmaschinen werden in der Regel durch eine drei oder mehrphasige Dreh-

spannungsquelle versorgt. Dabei unterscheidet man zwischen Asynchron- und

Synchronmaschinen. Bei beiden Maschinentypen ist im Stator eine Drehspan-

nungswicklung untergebracht. Im Wesentlichen unterscheiden sich Asynchron-

und Synchronmaschine im Aufbau des Rotors. Bei der Synchronmaschine be-

steht ein fester Zusammenhang zwischen der Drehzahl der Maschine und der

Speisefrequenz des speisenden Netzes. Entsprechend dem Aufbau des Rotors,

der bei der Synchronmaschine meist als Läufer bezeichnet wird, untergliedert

man Synchronmaschinen in Schenkelpol- und Vollpolmaschinen. In der Fein-

werktechnik werden häufig Schrittmotoren eingesetzt. Im Grunde stellt ein

Schrittmotor eine Synchronmaschine dar, die durch ein leistungselektronisches

Stellglied gespeist wird.

Im Gegensatz zur Synchronmaschine ist die Drehzahl einer Asynchronmaschine

belastungsabhängig. Es besteht kein fester Zusammenhang zwischen der Dreh-

zahl der Maschine und der Winkelgeschwindigkeit des speisenden Netzes. Der

Läufer einer Asynchronmaschine kann als Kurzschlussläufer oder als Schleif-

ringläufer ausgeführt sein.

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen

Im nachfolgenden Abschnitt werden kurz die physikalischen Grundlagen, die für

das Verständnis und die Wirkungsweise von elektrischen Maschinen erforderlich

sind, kurz zusammengefasst.

Page 9: El Antriebe1

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen 3

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1.1.1 Magnetischer Kreis

Jede Maschine verfügt über mehrere magnetische Kreise. Das Bild 1.2 zeigt eine

Gegenüberstellung eines elektrischen und eines magnetischen Kreises.

elektrischer Kreis magnetischer Kreis

,m LR

,m FeR

N iΘ = ⋅

Φ

,m FeR

,m LR

iR

LRqU N iΘ = ⋅

Bild 1.2 Gegenüberstellung zwischen elektrischem und magnetischem Kreis

In der Tabelle 1.1 sind die wichtigsten elektrischen Größen den entsprechenden

magnetischen Größen gegenübergestellt.

Page 10: El Antriebe1

1 Einleitung 4

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Tabelle 1.1 Gegenüberstellung von elektrischen und magnetischen Größen Elektrische Größe Einheit Magnetische Größe Einheit

Spannung qU V Durchflutung (Erregung) N iΘ = ⋅ A

Stromdichte s

2/A m Mag. Induktion, mag. Flussdichte B

2/Vs m

Leiterquerschnitt A 2m Querschnitt A 2m

Strom = ∫∫

L

L

A

i s d A A mag. Fluss A

B d AΦ = ∫∫

Vs

el. Feldstärke E V

m

mag. Feldstärke H A

m

Widerstand κ

=⋅l

RA

Ω

Mag. Widerstand 0

mr

lR

Aµ µ=

⋅ ⋅

A

Vs

Spez. Leitfähigkeit κ 1

Mag. Feldkonstante 0µ Vs

Am

Permeabilitätszahl rµ

Für die Funktion von elektrischen Maschinen sind zwei physikalische Grund-

gesetze wichtig. Nach dem Induktionsgesetz wird in jedem Leiter, der sich mit

einer Geschwindigkeit v in einem magnetischen Feld bewegt, eine Spannung

induziert.

Zum Zweiten wirkt auf einen stromdurchflossenen Leiter, der sich in einem mag-

netischen Feld befindet, eine Kraft, die man als Lorenzkraft bezeichnet.

1.1.2 Induktionsgesetz

Nachfolgend wird das Induktionsgesetz anhand einer Leiterschleife mit N

Windungen erläutert.

Page 11: El Antriebe1

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen 5

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γ

iu

Ad

Al

B

B

Achse A

xF

Bild 1.3 Leiterschleife zur Erläuterung des Induktionsgesetzes

Die Spule kann sich um die Achse A drehen und schließt mit den Feldlinien des

magnetischen Felds den Winkel γ ein. Die Spule habe N Windungen, die Länge

Al und den Durchmesser Ad . Zur Vereinfachung sei das magnetische Feld

homogen, dass heißt die magnetische Induktion sei ortsunabhängig.

Unter diesen Voraussetzungen berechnet sich die induzierte Spannung zu

i

du N

dt

Φ= (1.1)

Dabei ist der Fluss Φ durch das Flächenintegral

A

B d AΦ = ⋅∫∫

(1.2)

definiert.

Page 12: El Antriebe1

1 Einleitung 6

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Dabei ist B

die magnetische Induktion und d A

das Flächenelement, dessen Flä-

che senkrecht von den magnetischen Feldlinien durchsetzt wird. Hiermit resultiert

der Fluss zu

( ) ( ) ( ) ( )sin sinA AB t A B t l dγ γΦ = ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ . (1.3)

Das heißt, der Fluss ist eine Funktion der mag. Induktion B und des Winkels γ .

Durch Einsetzen von Gl. (1.3) in Gl. (1.1) folgt

( ) ( )( )sini A A

du N l d B t

dtγ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . (1.4)

Die Differenziation nach der Produktregel führt zu

( ) ( ) ( ) ( )cos sini A A A A

d du N l d B t N l d B t B

dt dtγ γ γ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . (1.5)

Für den Fall, dass die magnetische Induktion zeitlich konstant ist 0dB

dt =

,

vereinfacht sich die obige Gleichung zu

( )cos γ γ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅i A A

du N l d B

dt , (1.6)

mit d

dtγ ω= zu

( )cosω γ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅i A Au N l d B . (1.7)

Dabei ist ω die mechanische Winkelgeschwindigkeit, mit der sich das Rähmchen

im mag. Feld dreht.

Page 13: El Antriebe1

1.1 Grundlagen elektrischer Maschinen 7

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1.1.3 Drehmomentenbildung

Auf einen stromdurchflossenen Leiter, der sich in einem magnetischen Feld be-

findet (vergl. Bild 1.3), wirkt die Lorenzkraft, die sich durch

( )AF i l B= ×

(1.8)

berechnen lässt. Dabei ist i die Stromstärke des Leiterstroms.

In horizontaler Richtung wirkt somit die Kraft xF

x AF i l B= ⋅ ⋅ (1.9)

auf den Leiter.

Damit resultiert das Drehmoment, das die Spule generiert, zu

( ) ( )2 cos cos2A

A A A

dM N B l i N d B l iγ γ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . (1.10)

Es ist dabei zu bedenken, dass jeder Hin- und jeder Rückleiter zur Drehmomen-

tenbildung beiträgt, mit anderen Worten es sind 2 N⋅ Leiter zu berücksichtigen.

Page 14: El Antriebe1
Page 15: El Antriebe1

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2 Gleichstrommaschine (GM)

Der Leistungsbereich von Gleichstrommaschinen erstreckt sich von 0,5W bei

Kleinantrieben bis 10MW bei Förderantriebe und Walzwerkantrieben. Aufgrund

des guten Regelverhaltens werden Gleichstrommaschinen häufig als Stell- und

Positionierantrieb eingesetzt. Der Kommutator einer GM muss in regelmäßigen

Abständen gewartet werden, da die Kohlenbürsten aufgrund der mechanischen

Reibung zwischen den Bürsten und den Kupferlamellen des Kommutators

verschleißen.

Aufgrund der Fortschritte in der Regelungstechnik und auf dem Gebiet der

Mikrorechnertechnik werden Gleichstromantriebe zunehmend durch

Drehfeldantriebe ersetzt. Die sog. feldorientierte Regelung ermöglicht eine

Entkoppelung von dem drehmomentenbildenden- und magnetisierenden Strom.

Dadurch erreicht man, dass eine Drehfeldmaschine die gleichen günstigen

Regeleigenschaften wie eine GM aufweist.

Die Tabelle 2.1 gibt eine Übersicht über den Einsatz und den Leistungsbereich

von verschiedenen Gleichstrommaschinen.

Tabelle 2.1 Einsatzgebiete und Leistungsbereiche von GM

Maschinentyp Einsatzgebiet Leistungsbereich

Permanent-erregte GM

Feinwerktechnik, Kfz-Elektronik, Servoantriebe, Spielzeug

0,1 10W kW−

Fremderregte GM

Hauptantriebe für Werkzeugmaschinen, Hebewerkzeuge, Prüfstände, Walzwerke

1 10kW MW−

Reihenschluss-GM

Anlasser für Verbrennungsmotoren, Fahrmotor für Bahnen, Straßenbahnen.

300 500W kW−

Page 16: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 10

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2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine

Jede elektrische Maschine besteht aus feststehenden und rotierenden Teilen. Die

feststehenden Teile bezeichnet man als Stator oder Ständer, die rotierenden

Maschinenteile heißen Rotor oder Läufer. Die Maschinenteile in denen eine

innere Spannung induziert wird bezeichnet man auch als Anker. Daher wird der

Rotor bei der GM meist als Anker bezeichnet.

Das Bild 2.1 zeigt eine vierpolige Gleichstrommaschine (Polpaarzahl 2p = ) mit

Erreger- und Wendepolwicklung. Die Wendepolwicklungen sind jeweils zwischen

den Hauptpolen angeordnet.

Ständer:

Der Ständer besteht aus einem hohlzylindrischen Joch, welches die die Haupt-

und Wendepole aufnimmt. Des Weiteren sind die mechanischen Lager zur

Lagerung der Ankers im Joch, der Montagefuß und der Anschlusskasten am

befestigt (vergl. Bild 2.1 und Bild 2.2). Das Joch ist meist aus Walzstahl gefertigt,

da das Joch in der Regel von einem magnetischen Gleichfeld durchsetzt wird.

Das Joch hat im Wesentlichen zwei Aufgaben. Es führt den Haupt- und

Wendepolfluss.

Page 17: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 11

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Lager

KommutatorErregerwicklung

Wendepolwicklung

HauptpolWendepol

Joch

Bild 2.1 GM mit Erreger- und Wendepolwicklung

Das Bild 2.2 zeigt das Joch , die Haupt- und Wendepole mit den Haupt und Er-

regerwicklungen einer vierpoligen GM.

Page 18: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 12

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Wendepol-wicklung

JochHauptpolErreger-wicklung

Wendepol Montage-fuß

Anschluss-kasten

Wendepol-wicklung

JochHauptpolErreger-wicklung

Wendepol Montage-fuß

Anschluss-kasten

JochHauptpolErreger-wicklung

Wendepol Montage-fuß

Anschluss-kasten

Bild 2.2 Joch, Wendepol, Hauptpol, Wendepolwicklung und Erregerwicklung einer vierpoligen GM

Anker:

Der Anker besteht aus einem rotationssymmetrischen Dynamoblechpaket mit

einer Stärke von 0,5 mm. Da sich der Anker im Ständerfeld dreht sind die

einzelnen Bleche mit Isolationslack gegeneinander Isoliert, um die

Wirbelstromverluste gering zu halten.

Im das Blechpaket sind entlang des Umfangs Nuten zur Aufnahme der

Ankerwicklung eingefräst. Die Ankerwicklung wird in die Nuten eingelegt und

danach mit einem Keil verschlossen. Das Bild 2.3 zeigt den Anker und

Kommutator einer vierpoligen GM.

Page 19: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 13

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Lüfter Bürste KommutatorNutWickelkopf

Bürste

Kommutator-lamelle

Isolations-steg

Bild 2.3 Anker und Kommutator einer vierpoligen GM

Das Bild 2.4 zeigt einen Schnitt durch eine Gleichstrommaschine (GM). Sowohl

der Hauptfluss Φ als auch der Wendepolfluss WΦ schließen sich über das Joch,

den Luftspalt und den Anker. Das aktive Eisen ist bei Maschinen mit einer Nenn-

leistung größer 1kW zur Vermeidung vom Wirbelstromverlusten geblecht. Die

Pole der Maschine und das Joch werden getrennt hergestellt und anschließend

mechanisch miteinander verbunden.

Page 20: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 14

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iM

ErregerwicklungAnkerwicklung

WendepolwicklungKompensationswicklung

Hauptpol HP

Wendepol WP

Anker

Kommutator

Joch

Φ

Bild 2.4 Schnitt durch eine zweipolige GM mit Erreger-, Wendepol- und Kom-pensationswicklung

Die beiden Hauptpole tragen einerseits die Erregerwicklung und haben anderer-

seits die Aufgabe, den Erregerfluss zu führen. Die Erregerwicklung besteht aus

zwei Teilwicklungen, wobei jede Teilwicklung um einen Hauptpol (HP) gewickelt

ist. Der Erregerfluss Φ schließt sich über die Hauptpole, den Luftspalt, den Anker

und das Joch. Das Joch hat im Wesentlichen zwei Aufgaben. Es führt den

Erreger- und den Wendepolfluss und nimmt mechanisch den Haupt- und

Wendepol auf. Des Weiteren befinden sich in den Stirnseiten des Jochs die

Ankerlager.

Zwischen je zwei Hauptpolen ist jeweils ein Wendepol untergebracht. Der

Wendepolfluss WΦ unterstützt die Stromwendung in den Teilankerwicklungen,

die sich unter einem Wendepol befinden. Die Wendepolwicklung besteht

Page 21: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 15

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ebenfalls aus zwei Teilwicklungen, wobei jede Teilwicklung um einen der beiden

Wendepole gewickelt ist.

Die Kompensationswicklung ist in Nuten, die in die Hauptpole eingefräst sind,

untergebracht.

Die Ankerwicklung besteht aus möglichst vielen Ankerspulen, die entlang des

Rotorumfangs gleichmäßig verteilt sind. Die Ankerspulen werden in der Regel in

Nuten, die in den Rotor gefräst werden, untergebracht. Jede Ankerspule hat die

Windungszahl AN . Die Wicklungsenden der Ankerspulen sind elektrisch mit den

Kommutatorlamellen verbunden. Der Kommutator besteht aus einzelnen

Kupferlamellen, die rotationssymmetrisch angeordnet sind. Zwischen je zwei

Kupferlamellen befindet sich ein Isolationssteg.

2.1.1 Wickelschema des Ankers

Das Bild 2.5 zeigt schematisch die Verschaltung der Ankerwicklungen. In den

Anker sind 6 Nuten eingefräst. Der Anker besteht aus 6 Wicklungen, dabei hat

jede Ankerwicklung die Windungszahl 1AN = . Die Stromzuführung erfolgt über

die Bürsten, welche die Kommutatorlamellen kontaktieren. Zur besseren

Darstellung kontaktieren im Bild 2.5 die Bürsten von innen nach außen die

Kommutatorlamellen. Jede Kommutatorlamelle ist mit zwei Stromzuführungen zu

einer Ankerwicklung verbunden. Vom Über die Bürsten existieren zwei parallele

Strompfade vom Plus- zum Minuspol der Ankerspannungsquelle. Der erste

Strompfad führt über die Anschlüsse 1 1′→ , 2 2′→ , 3 3′→ der zweite Strompfad

führt über die Anschlüsse 4 4′→ , 5 5′→ und 6 6′→ .

Page 22: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 16

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N

Zuordnungder Leiter

1 1'2 2 '3 3'4 4 '5 5'6 6 '

↔↔↔↔↔↔

AU

1 1' 2 2 ' 3 3'

4 4' 5 5' 6 6'

Bürste

Kommutator-lamelle

Ankerzweig 1

Ankerzweig 2

5

16

34

5'

2 '

6'1'

4 '3'

AU

2

SN

Hauptpol

Hauptpol

Wendepol

Wendepol

Bild 2.5 Verschaltung der Ankerwicklung

Während der Kommutierung des Ankerstroms in einer Ankerwicklung sind jeweils

zwei benachbarte Kommutatorlamellen durch ein Bürste kurzgeschlossen (vergl.

Bild 2.6). Hierdurch sind die beiden Wicklungen 1 1′→ und 6 6′→ ebenfalls

kurzgeschlossen. Durch das Wendepolfeld wird in den bewegten Ankerleitern, die

sich unter einem Wendepol befinden eine Spannung induziert, die die

Kommutierung des Ankerstroms gewährleistet.

Page 23: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 17

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

N

AU

1 1' 2 2 ' 3 3'

4 4 ' 5 5' 6 6'

Zuordnungder Leiter

1 1'2 2'3 3'4 4'5 5'6 6'

↔↔↔↔↔↔

Ankerzweig 1

Ankerzweig 2

5

1 6

34

5'

2 '

6 '1'

4 '

3'

AU

2

SN

Hauptpol

Hauptpol

Wendepol

Wendepol

Bild 2.6 Verschaltung der Ankerwicklung während der Kommutierung

Das Bild 2.7 zeigt die Verschaltung der Ankerwicklungen nach der

Kommutierung. Jede Bürste kontaktiert eine Kommutatorlamelle. Die zwei

Strompfade 2 2′→ , 3 3′→ , 6 6′ → und 1 1′ → , 4 4′ → und 5 5′→ führen vom

Plus- zum Minuspol der Ankerspannungsquelle.

Page 24: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 18

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Zuordnungder Leiter

1 1'2 2 '3 3'4 4 '5 5'6 6 '

↔↔↔↔↔↔

N

AU

2 2' 3 3' 6 ' 6

1' 1 4 4 '5 5'

25

16

3

4

5'2 '

6'1'

4 '

3'

AU

Ankerzweig 1

Ankerzweig 2

SN

Hauptpol

Hauptpol

Wendepol

Wendepol

Bild 2.7 Verschaltung der Ankerwicklung nach der Kommutierung

2.1.2 Wirkungsweise der Wendepolwicklung

Das Bild 2.8 zeigt den Leiterstrom Li einer Ankerspule als Funktion der Zeit. Da

sich der Ankerstrom AI in 2 a⋅ parallele Strompfade aufteilt, fließt in jedem

Leiter, der sich im Ankerstromkreis befindet, der Strom

Page 25: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 19

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

2A

L

Ii

a= ±

⋅ . (1.11)

Das Vorzeichen des Leiterstroms Li hängt davon ab, unter welchem Pol sich der

betreffende Ankerleiter befindet.

Li

,1 2A

L

Ii

a=

,1 2A

L

Ii

a= −

⋅KT

t

Bild 2.8 Idealisierter Verlauf des Leiterstroms einer Ankerspule

Jeweils zwischen zwei Hauptpolen muss der Leiterstrom Li gewendet werden.

Das heißt, der Leiterstrom Li muss sein Vorzeichen wechseln. Da jede

Ankerspule eine Eigeninduktivität besitzt, benötigt der Vorgang der

Stromwendung eine endliche Zeitdauer. Die Stromwendung auch Kommutierung

genannt, muss immer zwischen zwei Hauptpolen stattfinden.

Das Bild 2.9 zeigt exemplarisch die Verschaltung einer Ankerspule vor, während

und nach der Kommutierung. Der Übersichtlichkeit halber sind im Bild 2.9 die

Hauptpole, die sich jeweils zwischen den Wendepolen befinden nicht ein-

gezeichnet.

Page 26: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 20

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

16

AI

,1 2A

L

Ii

a=

2 16 216 2

,1 2A

L

Ii

a

−=⋅,1L ki i=

AIAI

Av

NS NSNS

Wendepole

Ib BbKv

Bild 2.9 Verschaltung einer Ankerspule vor, während und nach der Kommutierung

Während der Kommutierung ist die Ankerspule, in welcher der Leiterstrom Li sein

Vorzeichen wechselt, über die Bürsten und die Kommutatorlamellen, mit denen

die Ankerspule kontaktiert ist, kurzgeschlossen. Vor und nach der Kommutierung

ist jede Ankerspule mit weiteren Ankerspulen in Serie geschaltet.

Der Kommutator bewegt sich mit der Umfangsgeschwindigkeit Kv an den

stehenden Bürsten vorbei. Zwischen jeweils zwei benachbarten Lamellen

befindet sich jeweils ein Isolationssteg der Breite Ib , die Bürstenbreite sei Bb .

Nachfolgend soll die Wendespannung WU berechnet werden, die erforderlich ist,

damit der Leiterstrom Li einer Ankerspule gerade während der

Kommutierungsdauer KT sein Vorzeichen wechselt (vergl. Bild 2.8).

Vernachlässigt man den ohmschen Widerstand der Ankerspule und die

Spannungsabfälle an den Bürsten, dann gilt die folgende Differenzialgleichung

LW S

diU L

dt= ⋅ . (1.12)

Page 27: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 21

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Hierin ist SL die Eigeninduktivität der Ankerspule. Da der Leiterstrom Li gerade

während der Kommutierungsdauer KT sein Vorzeichen wechseln soll, kann

GL. (1.12) in

2 LW S

K

iU L

T

− ⋅= ⋅ (1.13)

bzw.

AW S

K

IU L

a T= − ⋅

⋅ (1.14)

umgeschrieben werden. Dabei ist a die Anzahl der parallelen Strompfadzweige

(in Bild 2.6 ist 1a = ).

Im Folgenden soll die Kommutierungsdauer KT durch die mechanische Winkel-

geschwindigkeit ω ausgedrückt werden. Subtrahiert man von der Bürstenbreite

Bb die Breite des Isolationsstegs Ib , so erhält man den Weg, den eine

Kommutatorlamelle zurücklegt, während die kommutierende Ankerspule

kurzgeschlossen ist. Damit gilt für die Umfangsgeschwindigkeit des Kommutators

B IK

K

b bv

T

−= (1.15)

bzw. für die Kommutierungsdauer

B IK

K

b bT

v

−= . (1.16)

Die Umfangsgeschwindigkeit des Ankers Kv kann mit der mechanischen

Winkelgeschwindigkeit ω und dem Kommutatordurchmesser Kd zu

Page 28: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 22

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1

2K Kv d ω= ⋅ ⋅ (1.17)

bestimmt werden. Durch Einsetzen von Gl. (1.17) in Gl. (1.16) und in Gl. (1.14)

resultiert für die Wendespannung

2 ( )K

W S AB I

dU L I

a b bω= − ⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅ − . (1.18)

Wie der Gl. (1.18) entnommen werden kann, ist die erforderliche

Wendespannung proportional zur Winkelgeschwindigkeit ω und zum Ankerstrom

AI . Dies ist auch unmittelbar einsichtig. Dreht sich die Maschine z. B. mit der

doppelten Winkelgeschwindigkeit ω , so halbiert sich die Kommutierungsdauer KT

damit muss die Wendespannung WU auf den doppelten Wert ansteigen, damit

der Leiterstrom Li während der halbierten Kommutierungsdauer KT sein

Vorzeichen wechselt. Andererseits bedeutet eine Verdopplung des Ankerstroms

AI eine Verdopplung der Stromänderung während der Kommutierungsdauer KT .

Dies erfordert ebenfalls eine Verdopplung der Wendespannung WU .

Während der Kommutierung befindet sich die kurzgeschlossene Spule unter dem

Wendepol. Somit wird in jedem Leiter die Spannung

,i L W A AU B l v= − ⋅ ⋅ (1.19)

induziert. In Gl. (1.19) ist WB die magnetische Induktion des Wendepolfelds, Al

die aktive Ankerlänge und Av die Umfangsgeschwindigkeit des Ankers. Jede

Ankerwicklung hat nun ihrerseits AN Windungen und besteht aus einem Hin- und

einem Rückleiter. Damit resultiert für die Induktionsspannung einer Ankerspule

unterhalb des Wendepols

Page 29: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 23

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, ,2 2= ⋅ ⋅ = − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅i W A i L A W A AU N U N B l v . (1.20)

In Gl. (1.20) kann nun ebenfalls die Ankergeschwindigkeit Av mit der

mechanischen Winkelgeschwindigkeit ω und dem Ankerdurchmesser Ad zu

1

2A Av d ω= ⋅ ⋅ (1.21)

ausgedrückt werden. Durch Einsetzen von Gl. (1.21) in Gl.(1.20) resultiert

, ω= − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅i W A W A AU N B l d (1.22)

für die Induktionsspannung. Die Induktionsspannung ,i WU ist proportional zur

Winkelgeschwindigkeit ω und zur Wendepolinduktion WB . Schaltet man nun die

Wendepolwicklung in Serie zur Ankerwicklung und setzt einen linearen

magnetischen Kreis voraus, dann ist die Induktionsspannung ,i WU auch

proportional zum Ankerstrom AI . Damit kann die Bedingung

,W i WU U= (1.23)

allgemein erfüllt werden.

Oder mit anderen Worten: Damit die Kommutierung gemäß dem Bild 2.8 abläuft,

muss die Induktionsspannung ,i WU gleich der Wendespannung WU sein.

2.1.3 Wirkungsweise der Kompensationswicklung

Das Bild 2.10 zeigt den Verlauf der mag. Induktion LEB im Leerlauf, das heißt für

0AI = entlang dem Umfang einer GM. fließt ein Ankerstrom, dann verursacht die

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2 Gleichstrommaschine (GM) 24

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Ankerdurchflutung die mag. Induktion AB . Die resultierende mag. Induktion erhält

man durch Addition von LEB und AB zu resB .

HB HB

x

B

AB

resBLEB

Hauptpol Hauptpol

x∆

Anker

Bild 2.10 Verzerrung der Ankerinduktionsverteilung unter den Hauptpolen als Folge der Ankerrückwirkungen

Die Verzerrung des Feldes unter den Hauptpolen kann mit der

Kompensationswicklung kompensiert werden. Hierzu werden Nuten in die

Hauptpole eingefräst. In die Nuten wird dann die Kompensationswicklung

eingelegt. Die Kompensationswicklung wird vom Ankerstrom durchflossen.

Allerdings fließt der Strom in der Kompensationswicklung in die entgegengesetzte

Page 31: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 25

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Richtung im vergleich zum Ankerstrom. Damit kann die Ankerstromabhängige

Wirkung der Feldverzerrung kompensiert werden (vergl. Bild 2.11).

Hauptpol Hauptpol

Anker

Kompensations-Wicklung

Kompensations-Wicklung

Bild 2.11 Aufbau und Wirkungsweise der Kompensationswicklung

Das Bild 2.12 zeigt den Schnitt durch eine vierpolige (Polpaarzahl 2p = ) und eine

zweipolige (Polpaarzahl 1p = ) Gleichstrommaschine. Bei der vierpoligen

Gleichstrommaschine bilden sich entlang des Umfangs zwei Nord- und zwei

Südpole aus. Die zweipolige Gleichstrommaschine verfügt über einen Nord- und

einen Südpol. Bei der vierpoligen GM wird der Ankerstrom AI jeweils über zwei

Bürsten zugeführt.

Die Polteilung Pτ erstreckt sich von der Mitte der neutralen Zone eines Pols bis

zur nächsten Mitte der neutralen Zone (vergl. Bild 2.12). Allgemein gilt mit den

Ankerdurchmesser Ad

2p Ap dτ π⋅ ⋅ = ⋅ . (1.24)

Die Polbreite wird mit pb bezeichnet. Der Quotient aus Polbreite pb und

Polteilung Pτ wird Polbedeckung genannt

Page 32: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 26

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p

P

τ= . (1.25)

Bei gängigen Maschinen beträgt die Polbedeckung ca. 0,7α = . Das heißt, 70 %

der Ankerleiter befinden sich unter einem Hauptpol.

iM

AI

AU

iM

N

S

N

S

N

SAI

AU

2AI

2AI

Kommutator

Kommutator

pb

Bild 2.12 Aufbau und Schnitt durch den aktiven Teil einer vierpoligen (Polpaarzahl 2p = )und einer zweipoligen (Polpaarzahl 1p = )GM

Page 33: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 27

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2.1.4 Berechnung des inneren Drehmoments einer komp ensierten GM

Auf jeden stromdurchflossenen Leiter, der sich unter einem Hauptpol befindet,

wirkt die Umfangskraft LF (wirkt in Richtung des Umfangs). Hierbei ist die

Umfangskraft LF direkt proportional zur aktiven Leiterlänge Al , zur magnetischen

Induktion LB und zum Leiterstrom. Der Ankerstrom AI teilt sich in 2 a⋅ parallele

Strompfade auf, so dass jeder Leiter vom Strom 2

AI

a⋅ durchflossen wird. Damit

wirkt auf jeden Leiter unter einem Hauptpol die Kraft

2A

L A L

IF l B

a= ⋅ ⋅

⋅ . (1.26)

Im Mittel befinden sich jedoch nur zα ⋅ der insgesamt z Ankerleiter unter einem

Hauptpol. Die gesamte Umfangskraft iF erhält man, indem man die

Umfangskräfte der zα ⋅ Ankerleiter zu

2A

i A L

IF z l B

aα= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

⋅ (1.27)

auf addiert.

Mit dem Ankerdurchmesser Ad errechnet sich das innere Drehmoment einer

fremderregten kompensierten GM zu

1

2i A iM d F= ⋅ ⋅ (1.28)

bzw.

4A

i A A L

IM d z l B

aα= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

⋅ . (1.29)

Page 34: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 28

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Wie dem Bild 2.12 zu entnehmen ist, kann der Ankerumfang Ad π⋅ mit der Pol-

teilung pτ und der Polpaarzahl p durch 2A pd pπ τ⋅ = ⋅ ⋅ ausgedrückt werden.

Setzt man den Ankerdurchmesser

2A P

pd τ

π⋅= ⋅ (1.30)

in Gl. (1.29) ein, so folgt

2i P A L A

z pM l B I

aα τ

π⋅= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅ . (1.31)

Betrachtet man Gl. (1.31) näher, so fällt auf, dass P A P Al b lα τ⋅ ⋅ = ⋅ die Fläche dar-

stellt, die von der magnetischen Induktion LB durchsetzt wird. Der Hauptfluss der

Maschine ist somit durch

P A Ll Bα τΦ = ⋅ ⋅ ⋅ . (1.32)

bestimmt. Zusammen mit der Maschinenkonstanten

2

p zc

aπ⋅=

⋅ ⋅ , (1.33)

die, sich aus der Polpaarzahl p , der Leiterzahl z und der Anzahl der parallelen

Leiterpaare a zusammensetzt, resultiert für das innere Drehmoment

i AM c I= ⋅Φ ⋅ (1.34)

Das heißt, das innere Drehmoment einer fremderregten kompensierten GM ist

direkt proportional zum Ankerstrom AI und drehzahlunabhängig. Die Richtung

des Drehmoments hängt von der Ankerstromrichtung ab. Hieraus resultiert die

Page 35: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 29

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einfache Steuer- und Regelbarkeit der fremderregten kompensierten GM. Durch

Stromeinprägung steht regelungstechnisch ein Stellglied zur Verfügung, das ein

Drehmoment einprägen kann.

2.1.5 Berechnung der inneren Spannung

In einem Leiter, der sich unter einem Hauptpol HP mit der Geschwindigkeit Av

bewegt, wird die Spannung

,i L L A AU B l v= ⋅ ⋅ (1.35)

induziert.

Die Geschwindigkeit Av kann durch die Winkelgeschwindigkeitω , mit der sich die

Welle dreht und den Ankerdurchmesser Ad zu

1

2A Av d ω= ⋅ ⋅ (1.36)

ausgedrückt werden. Durch Einsetzen von Gl. (1.30) in Gl. (1.36) und Gl. (1.36) in

Gl. (1.35) resultiert für die induzierte Spannung in einem Leiter

,P

i L L A

pU B l

τωπ⋅= ⋅ ⋅ ⋅ . (1.37)

Im Mittel befinden sich jedoch nur zα ⋅ der insgesamt z -Leiter unter einem

Hauptpol. Hierbei sind 2 a⋅ Leiter parallel geschaltet, so dass insgesamt 2

z

a

α ⋅ ⋅

in Reihe geschaltet sind.

Die innere Spannung iU der fremderregten kompensierten GM kann bestimmt

werden, indem man die in einem Leiter induzierte Spannung mit der Anzahl der in

Reihe geschalteten Leitern multipliziert.

Page 36: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 30

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Damit folgt

2i L A P

p zU B l

aα τ ω

π⋅= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅ (1.38)

Mit dem Hauptfluss Φ aus Gl. (1.32) und der Maschinenkonstanten aus

Gl. (1.33) lässt sich Gl. (1.38) zu

iU c ω= ⋅Φ ⋅ (1.39)

vereinfachen.

In jedem der 2 a⋅ parallelen Ankerzweige wird eine Spannung iU induziert, wobei

die Spannung vom Hauptfluss Φ , von der Maschinenkonstanten c und der me-

chanischen Winkelgeschwindigkeit ω abhängt.

2.1.6 Fremderregte kompensierte Gleichstrommaschine

Bei der fremderregten kompensierten GM sind die Anker- die Wendepol-, und die

Kompensationswicklung in Serie geschaltet. Die Erregerwicklung wird von einer

separaten Spannungsquelle, mit der Spannung EU gemäß Bild 2.13 versorgt.

Page 37: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 31

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F2

F1

EU

EI

Bild 2.13 Verschaltung der Erregerwicklung

Für die Erregerwicklung der GM gilt folgende Differentialgleichung

EE E E E

dIU R I L

dt= ⋅ + ⋅ . (1.40)

Dabei wird der ohmsche Widerstand der Erregerwicklung mit ER und die In-

duktivität der Erregerwicklung mit EL bezeichnet. Im stationären Zustand (die

zeitliche Ableitung des Erregerstroms 0EI =ɺ ist null) gilt für den Erregerstrom

EE

E

UI

R= . (1.41)

Der Ankerkreis wird mit der Spannung AU versorgt und besteht aus der Serien-

schaltung von Anker-, Wendepol- und Kompensationswicklung (vergl. Bild 2.14).

Page 38: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 32

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A1

A2

C1 C2B1 B2

AU

AI

Bild 2.14 Verschaltung des Ankerkreises einer fremderregten kompensierten GM

Hierbei hat die Wendepolwicklung die Bezeichnung B1-B2, die Kompensations-

wicklung die Bezeichnung C1-C2 und die Ankerwicklung die Bezeichnung A1-A2.

Fasst man die ohmschen Widerstände bzw. die Eigeninduktivitäten der Wende-

pol-, Kompensations- und der Ankerwicklung zu einem Ankerwiderstand AR bzw.

zu einer Ankerinduktivität AL zusammen, dann kann das folgende Ersatzschalt-

bild für den Ankerkreis abgeleitet werden.

iU c ω= ⋅Φ ⋅AU

AI AR AL

Bild 2.15: Ersatzschaltbild des Ankerkreises einer fremderregten kompen-sierten GM

Page 39: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 33

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Aus dem Ersatzschaltbild resultiert die Ankerspannungsgleichung

2AA A A A B

dIU R I L U c

dtω= ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅Φ ⋅ . (1.42)

In Gl. (1.42) wird die Übergangsspannung zwischen den Bürsten und dem Kom-

mutatorlamellen mit BU bezeichnet. Da sich immer zwei Bürsten im Ankerkreis

befinden, muss diese Spannung doppelt berücksichtigt werden. Die Bürstenspan-

nung BU hängt vom Ankerstrom AI , der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und

weiteren Parametern ab. In der Regel liegt die Bürstenspannung zwischen 0,5V

und 2V . Für den Fall, dass die Bürstenspannung sehr viel kleiner als die Anker-

spannung B AU U≪ ist, kann sie vernachlässigt werden.

2.1.7 Stationäres Betriebsverhalten der fremderregt en kompensierten GM

Im stationären oder quasi stationären Betrieb ist die zeitliche Ableitung des An-

kerstroms null ( 0AI =ɺ ). In den nachfolgenden Betrachtungen wird davon aus-

gegangen, dass die Bürstenspannung BU im Vergleich zur Ankerspannung AU

vernachlässigbar sei. Unter diesen Annahmen resultiert für den Ankerkreis:

A A AU R I c ω= ⋅ + ⋅Φ ⋅ . (1.43)

Durch Multiplikation von Gl. (1.43) mit dem Ankerstrom AI berechnet sich die

Leistungsbilanz des Ankerkreises zu

2 ω⋅ = ⋅ + ⋅Φ ⋅ ⋅A A A A AU I R I c I . (1.44)

Die GM nimmt über den Ankerkreis die elektrische Leistung A AU I⋅ auf. Für

0A AU I⋅ > entnimmt die Maschine dem Netz elektrische Leistung. Ist das Produkt

Page 40: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 34

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aus Ankerstrom und Ankerspannung negativ 0A AU I⋅ < , dann speist die Ma-

schine über den Ankerkreis Leistung in die Quelle ein. Der Term 2A AR I⋅ be-

schreibt die Stromwärmeverluste im Ankerkreis. Betrachtet man den letzten Term

ω⋅Φ ⋅ ⋅Ac I näher, dann fällt auf, dass ⋅Φ ⋅ Ac I gerade das innere Drehmoment

iM der GM darstellt. Damit beschreibt der letzte Ausdruck die innere

mechanische Leistung mechiP der GM:

mechi i AP M c Iω ω= ⋅ = ⋅Φ ⋅ ⋅ . (1.45)

Bei der obigen Herleitung wurden die Eisenverluste des Ankers vernachlässigt.

Wird die fremderregte kompensierte GM im Leerlauf d.h. 0AI = mit der Winkel-

geschwindigkeit ω angetrieben, dann berechnet sich aus Gl. (1.43) die Generator

Leerlaufspannung zu

0 0ω= ⋅Φ ⋅AU c . (1.46)

Bei einem verlustfreien Motor stellt sich die Leerlaufdrehzahl ( 0iM = ; 0AI = )

00ω =

⋅ΦAU

c (1.47)

ein, wenn die GM mit der Ankerspannung AU versorgt wird.

Nachfolgend soll eine Beziehung für die Winkelgeschwindigkeit ( )iMω als Funk-

tion des inneren Drehmomentes hergeleitet werden. Dazu wird Gl. (1.34) in

Gl. (1.43) eingesetzt und nach der Winkelgeschwindigkeit ω aufgelöst. Es re-

sultiert:

( )2A A

i

U RM

c cω = −

⋅Φ ⋅Φ . (1.48)

Page 41: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 35

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Um den Betriebszustand der Maschine eindeutig zu beschreiben, muss zusätzlich

zu den elektrischen Gleichungen noch die mechanische Gleichung hinzugezogen

werden. Die Gl. (1.48) stellt eine Geradengleichung mit dem Ordinatenabschnitt

⋅ΦAU

c und der Steigung

( )2⋅ΦAR

c dar. Wie dem Bild 2.16 entnommen werden kann,

nimmt die Winkelgeschwindigkeit ω mit zunehmender Belastung der Maschine

ab.

ω

iM

0ω =⋅ΦANU

c

0

121

2 ω⋅

⋅ =⋅Φ

ANU

c

Bild 2.16 Winkelgeschwindigkeit ω als Funktion des inneren Drehmoments für den stationären Betrieb

Die mechanische Gleichung beschreibt die Drehmomentenbilanz zu

i L

dM M J

dt

ω= + . (1.49)

Das Lastmoment, welches die mit der GM mechanisch verbundene Arbeits-

maschine aufnimmt, ist mit LM bezeichnet. J stellt das gesamte axiale Träg-

heitsmoment des Antriebs dar. Eventuell auftretende Verlustmomente (Lager-

Lüfterverluste) sind in Gl. (1.49) vernachlässigt.

Page 42: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 36

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Im stationären Betriebspunkt eines Antriebs muss das Lastmoment der Arbeits-

maschine ( )LM ω gleich dem inneren Drehmoment ( )iM ω der GM sein.

2.1.8 Fremderregte Gleichstrommaschine mit Vorwider stand

Steht keine Spannungsquelle mit variabler Ausgangsspannung zur Verfügung,

dann kann die GM mit Vorwiderständen betrieben werden. Durch Vorwider-

ständen kann zum einen der Anlassstrom begrenzt werden. Zum anderen kann

die Drehzahl eines GM-Antriebs mit geeigneten Vorwiderständen verstellt wer-

den. Diese Methode Drehzahlverstellung ist kostengünstig, da kein leistungs-

elektronisches Stellglied erforderlich ist, jedoch fallen im Vorwiderstand Strom-

wärmeverluste an. Beispielsweise wird bei Scheibenwischerantrieben die Dreh-

zahl durch einen Vorwiderstand verstellt. Das Bild 2.17 zeigt die grundsätzliche

Verschaltung.

F2

F1

EUiUAU

AI AR ALEI

1VR 2VR

1S 2S

1 2V V VR R R= +

Bild 2.17 Verschaltung einer fremderregten kompensierten GM mit Vorwider-stand VR

Betrachtet man die Betriebskennlinie der fremderregten kompensierten GM

( )iMω näher, dann wird deutlich, dass Gl. (1.48) eine Geradengleichung darstellt.

Der Ordinatenabschnitt

Page 43: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 37

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0AU

cω =

⋅Φ (1.50)

ist durch die Leerlaufwinkelgeschwindigkeit ( 0LM = ) 0ω bestimmt. Die Leerlauf-

winkelgeschwindigkeit 0ω ist ihrerseits eine Funktion der Ankerspannung AU und

des Erregerflusses Φ . Mit zunehmender Belastung fällt die Winkelgeschwindig-

keit der fremderregten kompensierten GM linear mit dem Lastmoment LM ab.

Dabei ist die Steigung der Geraden durch ( )2

AR

c−

⋅Φ bestimmt.

Schaltet man nun in den Ankerkreis einen Vorwiderstand in Serie, dann muss in

Gl. (1.48) der Ankerwiderstand AR durch die Summe aus Anker- und Vorwider-

stand A VR R+ ersetzt werden. Damit wird durch

( )2ω += −⋅Φ ⋅Φ

A A Vi

U R RM

c c . (1.51)

das stationäre Verhalten der fremderregten kompensierten GM mit Vorwiderstand

beschrieben. Durch Vergrößern des Vorwiderstandes VR wird die Steigung

( )2A VR R

c

+−⋅Φ

der Betriebskennlinie vergrößert. Da sich die stationäre Winkelge-

schwindigkeit aus dem Schnittpunkt zwischen der Kennlinie der Arbeitsmaschine

und der Betriebskennlinie der GM errechnet, kann mit einem Vorwiderstand VR

die Winkelgeschwindigkeit verstellt werden. Das Bild 2.18 zeigt die Betriebs-

kennlinie einer fremderregten kompensierten GM für verschiedene Vorwider-

stände VR . Dabei wurde das Lastmoment bezüglich der Winkelgeschwindigkeit

als konstant LM const= angenommen. Dies ist z.B. bei einem Aufzug- oder Kran-

antrieb der Fall.

Page 44: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 38

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ω

iM

LM

0VR =

7V AR R= ⋅

3V AR R= ⋅

0ω1ω

Bild 2.18 Drehzahlverstellung mit Vorwiderständen im Ankerkreis

Darüber hinaus kann der Anlaufstrom der fremderregten GM mit Vorwiderständen

begrenzt werden. Da die fremderregte GM im Stillstand noch keine innere Span-

nung iU entwickelt, kann der Ankerstrom AI während des Hochlaufs unzulässig

hohe Werte annehmen. Dies kann zu Kommutatorschäden führen. In der Regel

ist der Kommutator so ausgelegt, dass er kurzzeitig den doppelten Anker-

nennstrom aufnehmen kann. Vernachlässigt man den Spannungsabfall an der

Ankerinduktivität so kann der Anlaufstrom mit dem Vorwiderstand VR im Stillstand

zu

AA

A V

UI

R R=

+ (1.52)

eingestellt werden.

Das Bild 2.19 zeigt exemplarisch einen Hochlauf mit drei verschiedenen Vor-

widerständen. Als erstes wird ein Vorwiderstand mit dem Widerstand 7V AR R= ⋅ in

den Ankerkreis geschaltet. Der erste Vorwiderstand wurde so dimensioniert, dass

Page 45: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 39

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die Maschine im Stillstand das doppelte Nennmoment entwickelt. Die fremd-

erregte kompensierte Maschine werde gerade mit Nennmoment belastet. Der

Antrieb beschleunigt bis zur Winkelgeschwindigkeit 1ω , die durch den Schnitt-

punkt zwischen der Belastungskennlinie der GM und der Lastkennlinie gegeben

ist. Würde man jetzt den Vorwiderstand kurzschließen, dann würde der Anker-

strom zu große Werte annehmen. Der Vorwiderstand wird nach Erreichen der

Winkelgeschwindigkeit 1ω auf 3V AR R= ⋅ verkleinert. Dadurch steigt der Anker-

strom AI und das innere Drehmoment iM der Maschine an. Der Antrieb be-

schleunigt bis er die Winkelgeschwindigkeit 2ω erreicht. Jetzt muss der Vorwider-

stand auf V AR R= verkleinert werden. Wenn der Antrieb die Winkelgeschwindig-

keit 3ω erreicht hat, kann der Vorwiderstand kurzgeschlossen werden. Da der

Antrieb mit dem Nennmoment belastet ist, beschleunigt er solange, bis der An-

trieb bei Nennspannung ANU und Nennfluss NΦ die Nennwinkelgeschwindigkeit

Nω erreicht.

Page 46: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 40

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ω

i A

iN AN

M I

M I=1 2

L iNM M=

0VR =

7V AR R= ⋅

3V AR R= ⋅

V AR R=

2ω3ωNω

Bild 2.19 Hochlaufvorgang einer fremderregten GM mit verschiedenen Vor-widerständen VR

2.1.9 Vierquadrantenbetrieb der fremderregten kompe nsierten GM

Steht zur Speisung der fremderregten kompensierten GM ein bezüglich Aus-

gangsstrom und Ausgangsspannung vierquadrantenfähiges Stellglied zur Ver-

fügung, dann kann die GM im Drehmoment-Winkelgeschwindigkeitdiagramm

(vergl. Bild 2.21) alle vier Quadranten anfahren.

Für die nachfolgenden Betrachtungen soll die Ausgangsspannung des Stell-

gliedes im Bereich zwischen der positiven und negativen Ankernennspannung

AN St ANU U U− ≤ ≤ kontinuierlich verstellt werden können. Der Strom, den das Stell-

glied StI bereitstellen kann, liegt zwischen dem negativen und positiven An-

kernennstrom AN St ANI I I− ≤ ≤ . Das Bild 2.18 zeigt die Verschaltung der Anker-

und Erregerwicklung.

Page 47: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 41

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F2

F1

St AU U=

AIEI

GMStell-

glied

StI

Stell-

glied

Bild 2.20 Speisung einer GM mit einen Stellglied, das bezüglich Strom und Spannung vierquadrantenfähig ist

Die Erregerwicklung ist ebenfalls mit einem Stellglied oder mit einem Vorwider-

stand, dessen Widerstandswert verändert werden kann, verbunden. Durch Ver-

stellung des Erregerstroms EI soll der Hauptfluss im Bereich zwischen dem hal-

ben Nennfluss und Nennfluss 0,5 N N⋅Φ ≤ Φ ≤ Φ variiert werden können. Das

Bild 2.21 zeigt das Winkelgeschwindigkeit-Drehmomentdiagramm. Dabei sind

zwei Bertriebsmodi zu unterscheiden. Im so genannten Grunddrehzahlbereich ist

die Maschine mit Nennfluss erregt NΦ = Φ . Bei gegebener Belastung der Ma-

schine wird die Winkelgeschwindigkeit ω mit der Ankerspannung AU eingestellt.

Mit der Ankerspannung AU wird der Ordinatenabschnitt in Gl. (1.51) festgelegt.

Dies hat unmittelbaren Einfluss auf die Winkelgeschwindigkeit ω . Da die Anker-

spannung AU nicht über die Ankernennspannung A ANU U= erhöht werden kann,

muss zur weiteren Steigerung der Winkelgeschwindigkeit der Hauptfluss Φ ver-

mindert werden. Die GM wird im Feldschwächbereich betrieben. Das maximale

innere Drehmoment ist durch den maximalen Ausgangsstrom des Stellglieds

,maxStI und den Hauptfluss Φ limitiert. Im Grunddrehzahlbereich ist der Hauptfluss

Φ konstant. Somit ist auch das maximale innere Drehmoment ,maxiM konstant. Im

Feldschwächbereich nimmt der Hauptfluss Φ umgekehrt proportional zur Winkel-

Page 48: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 42

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geschwindigkeit ab (vergl. Gl. (1.51)). Damit ist im Feldschwächbereich das

maximale innere Drehmoment ,maxiM durch eine Hyperbel begrenzt.

0N

ωω

i

iN

M

M

1

1

2

A ANI I=

0,5 ;N A ANU UΦ = ⋅Φ =

;

;A AN

N

U U=Φ = Φ

A ANI I=

;

;A AN

N

U U= −Φ = Φ

0,5 ;N A ANU UΦ = ⋅Φ = −

A ANI I= −

A ANI I= −

;NΦ = Φ

;NΦ = Φ

;N

A ANU U

Φ < Φ=

;N

A ANU U

Φ < Φ= −

0;

;A

N

U =Φ = Φ

0

1−

2−

motorischer

Betrieb Rechtslauf

generatorischer

Betrieb Rechtslauf

motorischer

Betrieb Linkslauf generatorischer

Betrieb Linkslauf

Bild 2.21 Vierquadrantenbetrieb einer fremderregten kompensierten GM

Page 49: El Antriebe1

2.1 Aufbau der Gleichstrommaschine 43

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2.1.10 Unkompensierte fremderregte GM

Bei der unkompensierten GM wird der Hauptfluss Φ infolge der Ankerrück-

wirkungen mit zunehmendem Ankerstrom AI geschwächt. In der Literatur wird

der ankerstromabhängige Hauptfluss Φ meist durch eine quadratische Gleichung

der Form

2

0( ) 1 AA

AN

II x

I

Φ = Φ ⋅ − ⋅

(1.53)

approximiert. Dabei ist 0Φ der Hauptfluss im Leerlauf ( 0AI = ), x ist ein

maschinenabhängiger Faktor. In der Regel liegt x zwischen 0,03 0,07x≤ ≤ .

Gl. (1.53) muss beim Berechnen der inneren Spannung iU (Gl. (1.39)) bzw. des

inneren Drehmoments iM (Gl. (1.34)) berücksichtigt werden. Der belastungsab-

hängige Hauptfluss Φ kann auch mit

2

0( ) 1 ii

N

MM x

M

Φ = Φ ⋅ − ⋅

(1.54)

sinnvoll angenähert werden. Das ist insbesondere dann sinnvoll, wenn Gl. (1.51)

ausgewertet werden muss. Das Bild 2.23 zeigt die Winkelgeschwindigkeit ω und

den Ankerstrom AI einer fremderregten GM, für die beiden Fälle, dass die

Maschine kompensiert bzw. unkompensiert ist. Die Maschine wurde mit der

Ankerspannung A ANU U= versorgt. Die Ankerrückwirkungen wurden mit

2

0( ) 1 0,06 ii

N

MM

M

Φ = Φ ⋅ − ⋅

belastungsabhänging berücksichtigt.

Maschinendaten: Nennspannung 220ANU V= , Ankerwiderstand 0,3AR = Ω ,

Leerlaufdrehzahl 10 1500 minn −= .

Page 50: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 44

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0 0.25 0.5 0.75 10

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

i

iN

M

M

A

AN

I

I

fremderregte kompensierte GM

fremderregte unkompensierte GM

0.9

0.95

1

1.05

1.1

0N

ωω

fremderregte kompensierte GM

fremderregte unkompensierte GM

Bild 2.22 Winkelgeschwindigkeit und Ankerstrom als Funktion der Belastung

iM für eine kompensierte und eine unkompensierte GM

Im Bild 2.22 ist der Ankerstrom AI jeweils auf den Ankernennstrom ANI der kom-

pensierten GM bezogen. Da mit zunehmendem Ankerstrom AI der Hauptfluss Φ

der unkompensierten Maschine abnimmt, muss im Vergleich zur kompensierten

GM verminderte Hauptfluss Φ durch einen größeren Ankerstrom kompensiert

werden. Die Winkelgeschwindigkeit ω der unkompensierten GM nimmt ab einer

bestimmten Belastung zu. Die Ursache hierfür ist ebenfalls der im Vergleich zur

kompensierten GM der verminderte Hauptfluss Φ . Hierdurch wird die Maschine

Page 51: El Antriebe1

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußmaschine 45

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mit zunehmender Belastung im Feldschwächbereich betrieben, somit steigt die

Winkelgeschwindigkeit ω an.

2.1.11 Einfache Methode der Drehrichtungsumkehr

Da das innere Drehmoment iM der fremderregten GM proportional zum Produkt

aus dem Ankerstrom AI und dem Hauptfluss Φ ist, kann die Drehrichtung bei

passiver Belastung durch Umkehr des Hauptflusses Φ oder durch Umkehr des

Ankerstroms AI erreicht werden. Beide Methoden werden in der Praxis an-

gewendet.

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußm aschine

Das Bild 2.23 zeigt die Verschaltung einer Gleichstrom-Reihenschlußmaschine.

Bei der Gleichstrom-Reihenschlußmaschine sind im allgemeinen Fall die Wende-

pol-, die Kompensations-, die Erreger- und die Ankerwicklung in Serie geschaltet.

Dies bedeutet, dass die Erregerwicklung so dimensioniert sein muss, dass sie

den Ankerstrom AI führen kann, was bei der fremderregten GM im Allgemeinen

nicht der Fall ist.

Page 52: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 46

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A1

A2

C1 C2B1 B2

AU

AI

D2 D1

Bild 2.23 Verschaltung der Wicklungen einer Gleichstrom-Reihenschluß-maschine mit A1-A2: Ankerwicklung; C1-C2: Kompensations-wicklung; B1-B2: Wendepolwicklung; D1-D2: Erregerwicklung

Setzt man einen linearen magnetischen Kreis voraus, so ist der Hauptfluss Φ

zum Erregerstrom EI proportional. Da die Erregerwicklung in Serie zur Anker-

wicklung geschaltet ist, ist der Hauptfluss Φ zum Ankerstrom AI proportional.

Das heißt, in der Ankerspannungsgleichung (1.43) ist der Hauptfluss Φ eine

Funktion des Ankerstroms AI . Es resultiert:

( )A A A AU R I c I ω= ⋅ + ⋅Φ ⋅ . (1.55)

Hierbei sind die ohmschen Widerstände der Anker-, Erreger-, Kompensations-

und Wendepolwicklung zum Widerstand AR zusammengefasst.

Analog berechnet sich das innere Drehmoment zu

( )i A AM c I I= ⋅Φ ⋅ . (1.56)

Unter der obigen Annahme eines linearen magnetischen Kreises kann der

Hauptfluss

( ) AA N

AN

II

IΦ = Φ ⋅ (1.57)

Page 53: El Antriebe1

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußmaschine 47

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mit dem Nennfluss NΦ , den Ankernennstrom ANI und den Ankerstrom AI be-

rechnet werden. Mit der Abkürzung

N

AN

ck

I

⋅Φ= (1.58)

vereinfachen sich die Gln. (1.55)und (1.56) zu

A A A AU R I k I ω= ⋅ + ⋅ ⋅ (1.59)

bzw.

2i AM k I= ⋅ . (1.60)

Löst man nun Gl. (1.60) nach dem Ankerstrom AI auf und setzt sie in Gl. (1.59)

dann folgt

i iA A

M MU R k

k kω= ⋅ + ⋅ ⋅ . (1.61)

Durch Auflösen von Gl. (1.61) nach der Winkelgeschwindigkeit ω berechnet sich

die Betriebskennlinie für den stationären Betrieb zu

iA A

A A

i i

MU R

U Rkkk M k M

ω− ⋅

= = −⋅ ⋅

. (1.62)

Die Winkelgeschwindigkeit ω ist umgekehrt proportional zur Wurzel des inneren

Drehmoments iM . Im unbelasteten Fall 0LM = kann die Reihenschluß-Gleich-

strommaschine unzulässig hohe Winkelgeschwindigkeiten ω erreichen. Dies

kann zur mechanischen Zerstörung des Ankers führen.

Page 54: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 48

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Zum Anfahren der Reihenschlußmaschine aus dem Stillstand ist ein

Anlasswiderstand erforderlich, der den Anlassstrom AI auf zulässige Werte

begrenzt.

Das Anzugsmoment einer Reihenschlußmaschine mit Vorwiderstand VR be-

rechnet sich zu

2

( 0) Ai

A V

UM k

R Rω

= = ⋅ +

. (1.63)

Aufgrund der Drehmoment-Drehzahl-Charakteristik, großes Drehmoment bei

kleiner Winkelgeschwindigkeit, eignet sich die Reihenschlußmaschine als Fahr-

motor z.B. für Straßenbahnen oder als Anlasser für Verbrennungsmotoren be-

sonders gut.

2.2.1 Feldschwächung bei der GM-Reihenschlußmaschi ne

Im Teillastbetrieb der Maschine, kann die Winkelgeschwindigkeit ω durch Feld-

schwächung erhöht werden. Hierzu wird parallel zur Erregerwicklung ein Wider-

stand geschaltet, so dass die Erregerwicklung nicht mehr vom gesamten Anker-

strom AI durchflossen wird. Damit ist der Hauptfluss Φ eine Funktion des Er-

regerstroms EI , wobei der Erregerstrom EI immer kleiner oder gleich dem An-

kerstrom AI ist (vergl. Bild 2.24).

Page 55: El Antriebe1

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußmaschine 49

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A1

A2

C1 C2B1 B2

AU

AI

D2 D1DR

PR

EI

Bild 2.24 Feldschwächung bei der Reihenschlußmaschine

Hiermit folgt aus Gl. (1.57)

( ) EE N

AN

II

IΦ = Φ ⋅ (1.64)

für den Hauptfluss

Der ohmsche Widerstand der Erregerwicklung D1-D2 betrage DR , der Parallel-

widerstand habe den Wert PR . Aus der Parallelschaltung vom DR und PR

resultiert

PE A

P D

RI I

R R=

+ (1.65)

für den Erregerstrom EI . Durch Auswerten der Gln. (1.65), (1.64), (1.56) und

(1.58) folgt die Beziehung für das innere Drehmoment zu

Page 56: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 50

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2=+

Pi A

P D

RM k I

R R . (1.66)

2.2.2 Gleichstrom-Nebenschlußmaschine

Bei der Gleichstrom-Nebenschlußmaschine ist die Erregerwicklung parallel zur

Ankerwicklung geschaltet. Das heißt, der Hauptfluss Φ ist im stationären

Betriebszustand proportional zur Ankerspannung AU . Das Bild 2.25 zeigt die Ver-

schaltung

A1

A2

AU

AI

EIE1

E1

Bild 2.25 Verschaltung der Wicklungen einer Gleichstrom-Nebenschluß-maschine mit A1-A2: Ankerwicklung; E1-E2: Erregerwicklung

2.2.3 Doppelschlußmaschine

Bei der unkompensierten GM wird der Hauptfluss Φ infolge der ankerstrom-

abhängigen Ankerrückwirkungen geschwächt. Die Ankerrückwirkungen können

durch die Kompensationswicklung kompensiert werden. Allerdings ist die

Kompensationswicklung relativ teuer, da zusätzliche Nuten in den Hauptpol ein-

Page 57: El Antriebe1

2.2 Betriebsverhalten der Gleichstrom-Reihenschlußmaschine 51

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gefräst werden müssen, in die dann die Kompensationswicklung eingelegt wer-

den muss.

Wesentlich kostengünstiger ist es, zusätzlich zur Erregerwicklung eine so

genannte Kompoundwicklung, die wie die Erregerwicklung konzentrisch um den

Ankerpol gewickelt ist, einzulegen. Durch die Kompoundwicklung, die mit der An-

kerwicklung in Serie geschaltet ist, nimmt der Hauptfluss Φ mit zunehmendem

Ankerstrom AI zu. Hierdurch kann die Verzerrung des Hauptfeldes unter dem

Hauptpol zwar nicht wie bei der Kompensationswicklung vermieden werden. Je-

doch kann der resultierende Hauptfluss Φ näherungsweise belastungs-

unabhängig konstant gehalten werden. Das zeigt Bild 2.26 die Verschaltung der

Wicklungen einer Doppelschlußmaschine.

A1

A2

AU

AI B1 B2 D1 D2

F2

F1

EU

EI

Bild 2.26 Verschaltung der Wicklungen einer Doppelschlußmaschine mit A1-A2: Ankerwicklung; B1-B2: Wendepolwicklung; F1-F2: Erreger-wicklung und D1-D2: Kompoundwicklung

Page 58: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 52

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2.3 Wirkungsgrad und Verluste

Unter dem Wirkungsgrad η versteht man allgemein den Quotienten aus der ab-

gegebenen Leistung abP und der aufgenommenen Leistung aufP . Es gilt die De-

finitionsgleichung

ab i

auf el

P M

P P

ωη ⋅= =∑

. (1.55)

Dies gilt auch für elektrische Maschinen. Ein Motor nimmt elektrische Leistung auf

und gibt mechanische Leistung ab. Ein Generator nimmt hingegen mechanische

Leistung auf und gibt elektrische Leistung ab.

Die direkte Auswertung von Gl.(1.55) bringt zwei Probleme mit sich. Zunächst

kann die elektrische Leistungsaufnahme durch Strom- und Spannungsmessung

relativ einfach ermittelt werden. Um die mechanische Leistung zu bestimmen,

muss die Winkelgeschwindigkeit ω und das Drehmoment an der Welle M

gemessen werden. Hierbei stellt die exakte Messung des Drehmoments ein

Problem dar. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei Maschinen großer

Leistung der Wirkungsgrad sehr hoch ist. Dies bedeutet, dass die abgegebene

Leistung abP nur wenig kleiner als die aufgenommene Leistung aufP ist. Da die

Messung der abgegebenen und der aufgenommenen Leistung fehlerbehaftet ist,

kann die Bestimmung des Wirkungsgrads nach Gl. (1.55) leicht zu großen

Fehlern führen. Beispielsweise habe eine Maschine einen Wirkungsgrad von

98% die abgegebene Leistung und die aufgenommene Leistung werde jeweils

mit einer Messunsicherheit von 1,5% gemessen. Hiermit gilt für den errechneten

Wirkungsgrad

( )0,98 1,5%

1,5%auf

auf

P

⋅ ±=

± . (1.56)

Page 59: El Antriebe1

2.3 Wirkungsgrad und Verluste 53

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Das heißt, der errechnete Wirkungsgrad η liegt im Bereich

95,1 % 100,98 %η≤ ≤ . Wie leicht zu erkennen ist, ist der größere Wert für den

Wirkungsgrad physikalisch nicht möglich, da der Wirkungsgrad größer als 100 %

ist.

Die abgegebene Leistung abP einer Maschine kann jedoch auch aus der auf-

genommenen Leistung aufP und der gesamten Verlustleistung VP∑ der

Maschine zu

ab auf VP P P= −∑ (1.57)

berechnet werden. Hiermit resultiert für den Wirkungsgrad

auf V

auf

P P

−= ∑ . (1.58)

Zur Auswertung von Gl. (1.58) müssen zunächst die einzelnen Verluste der

Maschine analysiert werden. Die Verluste können in lastabhängige und

lastunabhängige Verluste untergliedert werden.

Das Bild 2.27 zeigt den Leistungsfluss einer GM.

Page 60: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 54

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aufP

ErrP

RbgP

AP

FeP

BP

ZP

abP

last

abhä

ngig

eVe

rlust

ela

stun

abhä

ngig

e

Verlu

ste

Erregerv.

Reibungsv.

Eisenv.

Ankerv.

Bürstenv.

Zusatzv.

Bild 2.27 Leistungsfluss einer Gleichstrommaschine

Die lastabhängigen Verluste setzen sich aus den Ankerverlusten AP den

Bürstenverlusten BP sowie den lastabhängigen Zusatzverlusten zusammen. Die

Ankerverluste berechnen sich mit dem Ankerwiderstand AR und dem Ankerstrom

AI zu

2A A AP R I= ⋅ . (1.59)

Page 61: El Antriebe1

2.3 Wirkungsgrad und Verluste 55

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Die Bürstenverluste resultieren zu

2B B AP U I= ⋅ ⋅ , (1.60)

dabei wird die Bürstenspannung mit BU und der Ankerstrom mit AI bezeichnet.

Darüber hinaus müssen die lastabhängigen Zusatzverluste mit

2

0,01 AZ N

AN

IP P

I

= ⋅ ⋅

(1.61)

berücksichtigt werden. Hierin sind alle zusätzlichen Verluste wie z.B. Kom-

mutierungsverluste und Verluste infolge von Oberfeldern zusammengefasst. Die

lastunabhängigen Verluste setzen sich aus den Eisen- FeP , den Reib- RbgP und

den Erregerverlusten ErrP zusammen. Die Erregerverluste ErrP errechnen sich aus

den Erregerwiderstand ER und dem Erregerstrom EI zu

2Err E E E EP U I R I= ⋅ = ⋅ . (1.62)

Die Reibungsverluste RbgP einer Maschine setzen sich aus der Lager- und

Bürstenreibung LaP und den Lüfterverlusten LüP zusammen. Es gilt:

Rbg La LüP P P= + . (1.63)

Hierbei können bei Maschinen größerer Leistung meist die Lagerverluste LaP

vernachlässigt werden. Die Lagerverluste steigen näherungsweise proportional

mit der Winkelgeschwindigkeit ω an. Hiermit resultiert

LaP ω∼ . (1.64)

Page 62: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 56

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Die Leistungsaufnahme eines Lüfters nimmt im Allgemeinen kubisch mit der

Winkelgeschwindigkeit ω zu. Damit folgt

3LüP ω∼ . (1.65)

Die Eisenverluste FeP setzen sich aus den Hysterese- HyP und den Wirbelstrom-

verlusten WbP zusammen. Es folgt

Fe Hy WbP P P= + . (1.66)

Um den magnetischen Zustand von Eisen zu ändern, muss Arbeit aufgewendet

werden, die im Eisenkern in Wärme umgesetzt wird. Diese Verlustarbeit muss bei

jeder Ummagnetisierung aufgebracht werden. Sie ist proportional zur Fläche, die

von der Hystereseschleife aufgespannt wird. Damit sind die Hystereseverluste

2HyP f B⋅∼ (1.67)

proportional zur Frequenz f und näherungsweise proportional zum Quadrat der

magnetischen Induktion B .

Das vom Wechselfluss durchsetzte Eisen stellt einen in sich geschlossenen

Strompfad dar, in dem durch eine Flussänderung eine Spannung induziert wird.

Hierbei ist die induzierte Spannung proportional zum Produkt aus Frequenz f

und der magnetischen Induktion B . Da ohmsche Verluste proportional zum

Quadrat der Spannung sind, folgt für die Wirbelstromverluste

2 2WbP f B⋅∼ . (1.68)

Page 63: El Antriebe1

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM 57

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM

Nachfolgend wird das dynamische Betriebsverhalten der kompensierten fremd-

erregten GM beschrieben. Hierzu muss in der Ankerspannungsgleichung die An-

kerinduktivität AL berücksichtigt werden. Vernachlässigt man die Spannungs-

abfälle an den Bürsten, so folgt

AA A A A

diu R i L c

dtω= ⋅ + ⋅ + ⋅Φ ⋅ . (1.69)

Das Bild 2.28 zeigt das Ersatzschaltbild des Ankerkreises einer GM.

iu c ω= ⋅ Φ ⋅Au

Ai AR AL

Bild 2.28 Ersatzschaltbild des Ankerkreises einer Gleichstrommaschine

Mit der Gleichung zur Berechnung des inneren Drehmoments

i Am c i= ⋅Φ ⋅ (1.70)

und der mechanischen Gleichung

i L

dm m J

dt

ω− = ⋅ (1.71)

Page 64: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 58

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ist das dynamische Betriebsverhalten des Antriebs komplett beschrieben. Das

Lastmoment wird mit Lm bezeichnet, J stellt das axiale Trägheitsmoment des

Antriebs bestehend aus Antriebs- und Arbeitsmaschine dar.

Im Folgenden wird zur Vereinfachung das dynamische Betriebsverhalten der un-

belasteten kompensierten GM betrachtet. In diesem Fall ist das Lastmoment null

( 0Lm = ).

Setzt man Gl. (1.71) mit Gl. (1.70) gleich, so folgt durch Integration

0

( ) ( ) ( 0)t

A

ct i d t

J τ

ω τ τ ω=

⋅ Φ= + =∫ . (1.72)

Für die weiteren Betrachtungen sei der Einfachheit halber die mechanische

Winkelgeschwindigkeit ω zum Zeitpunkt 0t = null ( ( 0) 0tω = = ). Dann folgt durch

Einsetzen von Gl. (1.72) in Gl. (1.69)

( )2

0

( )t

AA A A A A

cdiu R i L i d

dt J τ

τ τ=

⋅Φ= ⋅ + ⋅ + ∫ . (1.73)

Die Ankerspannungsgleichung (1.73) ist eine Integralgleichung und entspricht der

Spannungsgleichung eines R, L, C-Reihenschwingkreises. In Analogie lässt sich

die mechanische Ersatzkapazität

( )2M

JC

c=

⋅Φ (1.74)

definieren. Die unbelastete fremderregte kompensierte GM stellt regelungs-

technisch ein Verzögerungsglied 2. Ordnung dar und verhält sich als Zweipol so

wie ein R, L, C-Reihenschwingkreis. Das lineare System verfügt über zwei

Energiespeicher. Die in der Ankerinduktivität AL gespeicherte magnetische

Energie berechnet sich zu

Page 65: El Antriebe1

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM 59

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

21

2m A AE L i= ⋅ . (1.75)

Mit dem axialen Trägheitsmoment J und der mech. Winkelgeschwindigkeit ω

errechnet sich die kinetische Energie zu

2 21 1

2 2ω= ⋅ = ⋅ ⋅kin M iE J C U . (1.76)

In Analogie zum Reihenschwingkreis werden die Ankerzeitkonstante

AA

A

L

Rτ = (1.77)

und die mechanische Zeitkonstante

( )2τ ⋅= ⋅ =⋅ΦA

M M A

R JC R

c (1.78)

definiert.

Unter Verwendung der Gln. (1.78) und (1.77) vereinfacht sich die Spannungs-

gleichung (1.73) zu

0

1( )

tA

A A A A AM

diu R i i d

dt τ

τ τ ττ =

= ⋅ + ⋅ +

∫ . (1.79)

Unterzieht man die obige Spannungsgleichung der Laplace-Transformation, so

folgt im Bildbereich

1( ) 1 ( )A A A A

M

U s R s I ss

ττ

= ⋅ + ⋅ + ⋅

(1.80)

Page 66: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 60

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bzw.

( ) 1 1

( ) 11

A

A AA

M

I s

U s Rs

τ

=

+ ⋅ + ⋅

. (1.81)

Die charakteristische Gleichung lautet

10 1 A

M

ss

ττ

= + ⋅ +⋅

(1.82)

bzw.

2 1 10

A M A

s sτ τ τ

= + ⋅ +⋅

(1.83)

und liefert folgende Lösungen

1,2 2

1 1 1

2 4A A M A

sτ τ τ τ

= − ± −⋅ ⋅ ⋅

. (1.84)

Ist die Diskriminante 2

1 10

4 A M Aτ τ τ

− < ⋅ ⋅ kleiner als Null, dann hat die

charakteristische Gleichung zwei konjugiert komplexe Lösungen. In diesem Fall

handelt es sich um ein schwingungsfähiges System, das auf eine sprungförmige

Änderung der Ankerspannungen mit einer gedämpften Schwingung des Anker-

stroms Ai und der Winkelgeschwindigkeit ω reagiert. Dies ist für

4 A Mτ τ⋅ > (1.85)

Page 67: El Antriebe1

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM 61

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

der Fall. Andernfalls können Ankerstrom Ai und Winkelgeschwindigkeit ω durch

e-Funktionen beschrieben werden.

Nachfolgend wird das dynamische Verhalten einer unbelasteten fremderregten

kompensierten GM mit den folgenden Daten: 50ANU V= , 4,4ANI A= ,

4 20,8 10J Kg m−= ⋅ ⋅ , 4,5AL mH= , 1,5AR = Ω und 0 200 /N sω = berechnet. Die

Ankerspannung AU ändert sich sprungartig zum Zeitpunkt 0t = von Null auf

0,1= ⋅A ANU U . Mit der Laplace-Transformierten für die Sprungantwort

0,1( )A ANU s U

s= (1.86)

folgt

2

( ) 1 0,1

( ) 1 1A

AN A A

A M A

I s

U s Rs s

ττ τ τ

=⋅

+ + ⋅

. (1.87)

Durch Rücktransformation in den Zeitbereich errechnet sich der Ankerstrom ( )Ai t

zu

( )41( ) sin 0,1

4M

M

tA e AN

A A

i t e t UR

δτω

τ τ− ⋅⋅

= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅⋅ −

(1.88)

mit

2

41 und

2 4M

M

Ae

A A

τ τδ ω

τ τ τ⋅ −

= =⋅ ⋅ ⋅

(1.89)

Durch Einsetzen von Gl. (1.88) in Gl. (1.72) resultiert für die Winkelgeschwindig-

keit

Page 68: El Antriebe1

2 Gleichstrommaschine (GM) 62

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( )0

41( ) 0,1 sin

4M

M

t

AN eA A

ct U e t d

J Rδ τ

τ

τω ω τ

τ τ− ⋅

=

⋅⋅Φ= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅⋅ − ∫ . (1.90)

Die Integration liefert mit der Anfangsbedingung ( 0) 0ω = =t

( )

2 2

41 1( )

4

sin( ) cos( ) 0,1

M

MA A e

te e e AN

ct

J R

e t t Uδ

τω

τ τ ω δ

ω δ δ ω ω− ⋅

⋅⋅ Φ −= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅⋅ − +

+ ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ . (1.91)

Das Bild 2.29 zeigt den zeitlichen Verlauf der Winkelgeschwindigkeit ω und des

Ankerstroms Ai nach einer sprungförmigen Änderung der Ankerspannung zum

Zeitpunkt 0t = von Null auf 0,1A ANU U= ⋅ .

Page 69: El Antriebe1

2.4 Dynamisches Betriebsverhalten der GM 63

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0N

ωω

/t ms

A

AN

i

I

-0.2

-0.1

0

0.1

0.2

0.3

0 10 20 30 400

0.05

0.1

0.15

0.4

Bild 2.29 Ankerstrom Ai und Winkelgeschwindigkeit ω nach einer sprungför-

migen Änderung der Ankerspannung von Null auf 0,1A ANU U= ⋅

Page 70: El Antriebe1
Page 71: El Antriebe1

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3 Asynchronmaschine (ASM)

Der Leistungsbereich der Asynchronmaschine erstreckt sich von 5W bis zu

50MW . Aufgrund ihrer Robustheit ist die ASM die am häufigsten eingesetzte

elektrische Maschine. Daher sind über 80% aller elektrischen Maschinen im

Leistungsbereich über 1kW Asynchronmaschinen. Da die ASM im Gegensatz zur

GM keinen Kommutator mit Kohlebürsten hat, ist sie nahezu wartungsfrei bei. Nur

die mechanischen Lager sind verschleißbehaftet. Ein weiterer Vorteil der ASM ist

der einfache mechanische Aufbau. Aufgrund des einfachen mechanischen

Aufbaus kann die Asynchronmaschine in großen Stückzahlen sehr kostengünstig

hergestellt werden. Asynchronmaschinen im Leistungsbereich bis ca. 1MW sind

üblicherweise für das 400V -Niederspannungsnetz konzipiert. Die Maschinen im

Leistungsbereich über 1MW sind für den Anschluss an das Mittelspannungsnetz

ausgelegt. Dabei erstreckt sich die Versorgungsspannung bis zu 10kV .

Speist man die Asynchronmaschinen mit einem Frequenzumrichter, der ein

Drehspannungssystem mit variabler Frequenz und variabler Spannung generiert,

so kann mit der ASM ein drehzahlvariabler Antrieb aufgebaut werden.

In Verbindungen mit moderner Signalverarbeitung und einer sogenannten

feldorientierten Regelung hat die ASM genauso gute regelungstechnische

Eigenschaften wie die GM. Daher hat die ASM in den letzten Jahren die GM als

Positionierantrieb praktisch völlig abgelöst.

Nachteilig wirkt sich bei der ASM der induktive Blindleistungsbedarf aus.

In Tabelle 3.1 sind die verschiedenen Bauformen, die Leistungsbereiche und die

Einsatzgebiete der gängigen Asynchronmaschinen zusammengestellt.

Page 72: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 66

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Tabelle 3.1 Leistungsbereich und Einsatzgebiete von Asynchronmaschinen

Typ Leistungsbereich Einsatzgebiete

Spaltpolmotor 5 150W W− Lüfter, Gebläse, Pumpen,

Haushaltsgeräte

Kondensatormotor −50 3W kW Lüfter, Gebläse, Pumpen,

Haushaltsgeräte, Werkzeug-

maschinen

Schleifringläufer 100 10−W MW Pumpen, Hebewerkzeuge, Ver-

dichter, Umformer

Käfigläufer 100 50−W MW Industrieantriebe, Pumpen, Gebläse,

Fahrmotoren für Schienenfahrzeuge,

Umformer, Werkzeugmaschinen-

antriebe

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine

Das Bild 3.1 zeigt den Aufbau einer ASM mit Kurzschlussläufer. Der Rotor der

Maschine ist mechanisch mit der Welle verbunden. Die Welle wird über Lager,

meist Kugel- oder Walzenlager, durch das Lagerschild aufgenommen. Zur

mechanischen Befestigung der Maschinen dient der Anschlussflansch. Für die

Kühlung der Maschine sorgt ein Lüfter, der ebenfalls mit der Welle verbunden ist.

Die Kühlrippen sorgen für die eigentliche Wärmeabfuhr.

Page 73: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 67

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Kurzschlussläufer LagerschildAnschlussflansch

LüfterAnschlusskastenKühlrippen

Lager Kurzschlussläufer LagerschildAnschlussflansch

LüfterAnschlusskastenKühlrippen

Lager

Bild 3.1 Baugruppen einer ASM mit Kurzschlussläufer

Das Bild 3.2 zeigt den Stator (links) und den Rotor (rechts) einer ASM. Zur

Aufnahme der Statorwicklung sind Nuten in den Stator eingefräst, in die dann die

Statorwicklungen eingelegt sind. Der Rotor besteht aus einem magnetisch

leitenden Blechpaket, in welchem die Rotorstäbe platziert sind. Im

Leistungsbereich bis ca 100kW sind die Rotorstäbe aus Aluminiumdruckguss

hergestellt. Auf diese Weise können die Rotoren in großer Stückzahl

kostengünstig hergestellt werden. Im Leistungsbereich über 100kW werden

Rotorstäbe aus Kupfer eingesetzt, da der elektrische Widerstand von Kupfer

kleiner als der Widerstand von Aluminium ist. Hierdurch verbessert sich der

Wirkungsgrad der Maschine.

Page 74: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 68

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

StatorwicklungKühlrippen Stator StatorwicklungKühlrippen Stator RotorstabRotorWelle RotorstabRotorWelle

Bild 3.2 Aufbau des Stators und des Rotors einer ASM mit Kurzschlussläufer

Auf beiden Seiten des Rotors sind die Rotorstäbe durch die so genannten

Kurzschlussringe elektrisch miteinander verbunden (siehe Bild 3.3).

KurzschlussringLager Welle KurzschlussringLager Welle Kurzschlussring

LäuferstabWelle

Kurzschlussring

LäuferstabWelle

Kurzschlussring

LäuferstabWelle

Bild 3.3 Aufbau des Rotors einer ASM

Page 75: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 69

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3.1.1 Entstehung eines Drehfeldes

Der Aufbau des Stators von Asynchron- und Synchronmaschinen ist weitgehend

identisch, daher wird nachfolgend auf die Gemeinsamkeiten eingegangen.

Die Statur einer Drehfeldmaschine besteht aus einem Blechpaket, in das Nuten

eingefräßt sind. In den Nuten befinden sich die dreisträngigen, symmetrischen

Statorwicklungen. Die drei Statorwicklungen sind räumlich jeweils um den Winkel

2 / 3π⋅ gegeneinander versetzt.

Ein dreisträngiges symmetrisches Wicklungssystem zeichnet sich dadurch aus,

dass alle Wicklungen den gleichen Wickelwiderstand, die gleiche

Eigeninduktivität, die gleiche Windungszahl und die gleiche mag. Kopplung

haben. Dem Bild 3.4 kann der prinzipielle Aufbau eines Stators entnommen

werden.

a

b

c

a

b

c

iSa

uSa

SbiSbu

Sci

Scu

α

βWicklung a

Wicklung a

Wick

lung

b

Wicklung bW

icklu

ng c

Wicklung c

Wicklung a

Wicklung b

Wick

lung

c

Bild 3.4 Einfaches Wickelschema des Stators einer ASM

Durch Bestromung der Wicklung a richtet sich ein mag. Feld in Richtung der

a -Achse aus. Bestromt man die Wicklung b bzw. c , dann richtet sich ein Feld in

Richtung der b - bzw. c - Achse aus.

Jede Statorwicklung hat die Eigeninduktivität SSL . Die Eigeninduktivität SSL kann

mit der Hauptinduktivität ShL und der Streuinduktivität SL σ mit

Page 76: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 70

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

SS Sh SL L L σ= + (3.1)

dargestellt werden. Für die Statorflüsse in den drei Achsen gilt

( )( )( )

σ σ

σ σ

σ σ

ψ ψ ψψ ψ ψψ ψ ψ

+ + ⋅= + = + ⋅

+ + ⋅

, , ,

, , ,

, , ,

SS a Sh a S a Sh S Sa

SS b Sh b S b Sh S Sb

SS c Sh c S c Sh S Sc

L L i

L L i

L L i

. (3.2)

Dabei setzen sich die Statorflüsse ψ ,SS y (mit = , ,y a b c ) aus den Hauptflüssen

ψ ,Sh y (mit = , ,y a b c ) und den Streuflüssen σψ ,S y (mit = , ,y a b c ) zusammen

( , , ,SS y Sh y S yσψ ψ ψ= + ). Den Quotienten aus dem Streufluss bzw. der

Streuinduktivität SL σ bezogen auf dem Hauptfluss bzw. der Hauptinduktivität ShL

bezeichnet man als Statorstreuziffer

σ σψσψ

= =S SS

Sh Sh

LL

. (3.3)

Bei den folgenden Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass die ASM durch

ein dreiphasiges, symmetrisches Drehspannungssystem der Form

( )ω ϕ

πω ϕ

πω ϕ

⋅ +

= ⋅ ⋅ ⋅ − +

⋅ − +

cos

22 cos

3

4cos

3

S

Sa

Sb S S

Sc

S

t

u

u U t

u

t

(3.4)

gespeist wird.

Der Effektivwert des Drehspannungssystems ist mit SU bezeichnet, ωS ist die

Winkelgeschwindigkeit des speisenden Drehspannungssystems.

Page 77: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 71

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Im stationären eingeschwungenen Zustand resultieren die Maschinenströme zu

( )ω

πω

πω

= ⋅ ⋅ −

⋅ −

cos

2ˆ cos3

4cos

3

S

Sa

Sb S S

Sc

S

t

i

i i t

i

t

. (3.5)

Dabei ist der Scheitelwert der Statorströme mit Si bezeichnet. Zwischen den

Statorströmen , ,Sa Sb ScI I I und den Statorspannungen , ,Sa Sb ScU U U stellt sich der

Phasenwinkel ϕ ein. Dabei ist zu beachten, dass zur einfacheren Darstellung der

Phasenwinkel ϕ dem Drehspannungssystem (Gl. (3.4)) zugeordnet wurde.

Multipliziert man die Statorströme aus Gl. (3.5) mit der Hauptinduktivität, so erhält

man die drei Hauptflüsse ψ ψ ψ, , ,, ,Sh a Sh b Sh c zu

( )ωψ

πψ ψ ωψ

πω

= ⋅ ⋅ −

⋅ −

,

,

,

cos

2ˆ cos

3

4cos

3

S

Sh a

Sh b Sh S

Sh c

S

t

t

t

. (3.6)

In der obigen Gleichung sind die Amplituden der Hauptflüsse ψ ψ ψ, , ,, ,Sh a Sh b Sh c mit

ψ Sh bezeichnet. Die Ausrichtung der drei Hauptflüsse kann dem Bild 3.4

entnommen werden.

Für die weiteren Betrachtungen werden die drei Hauptflüsse ψ ψ ψ, , ,, ,Sh a Sh b Sh c auf

einen orthogonales αβ -Koordinatensystem (vergl. Bild 3.4) projiziert.

Für den Hauptfluss αψ ,Sh in der α -Achse gilt

Page 78: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 72

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αψ ψ ψ ψ= − ⋅ − ⋅, , , ,

1 12 2Sh Sh a Sh b Sh c . (3.7)

Für den Hauptfluss βψ ,Sh in der β -Achse gilt

, , ,

3 32 2Sh Sh b Sh cβψ ψ ψ= ⋅ − ⋅ . (3.8)

Durch Einsetzen von Gl. (3.6) in Gl. (3.7) folgt für den Hauptfluss in der α -Achse

( )απ πψ ψ ω ω ω

= ⋅ ⋅ − ⋅ − + ⋅ −

,

1 2 4ˆ cos cos cos

2 3 3Sh Sh S S St t t . (3.9)

Mit

( ) ( ) ( ) ( ) ( )α β α β α β− = ⋅ + ⋅cos cos cos sinsin (3.10)

resultiert

( )(( ) ( )

( ) ( )

, ˆ cos1 2 2

cos cos sin sin2 3 3

4 4cos cos sin sin .

3 3

Sh Sh S

S S

S S

t

t t

t t

αψ ψ ωπ πω ω

π πω ω

= ⋅ − ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

+ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

(3.11)

Mit

π π = = −

2 4 1cos cos

3 3 2,

π =

2 3sin

3 2

und

Page 79: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 73

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π = −

4 3sin

3 2

resultiert nach kurzer Rechnung

( )αψ ψ ω= ⋅ ⋅ ⋅,

3ˆ cos

2Sh Sh S t . (3.12)

Durch Einsetzen von Gl. (3.6) in Gl. (3.8) folgt mit Gl. (3.8) für den Hauptfluss in

der β -Achse

( ) ( )

( ) ( )

,

3 2 2ˆ cos cos sin sin

2 3 3

4 4cos cos sin sin .

3 3

βπ πψ ψ ω ω

π πω ω

= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

− ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅

Sh Sh S S

S S

t t

t t

(3.13)

Mit

π π = = −

2 4 1cos cos

3 3 2,

π =

2 3sin

3 2

Und

π = −

4 3sin

3 2

resultiert

( )βψ ψ ω= ⋅ ⋅ ⋅,

3ˆ sin

2Sh Sh S t . (3.14)

Betrachtet man die Gl. (3.12) und Gl. (3.14) näher, so wird deutlich, dass die

Amplitude des Hauptflusses ψ Sh konstant ist. Der Hauptfluss ψ Sh dreht sich mit

der Winkelgeschwindigkeit ωS .

Page 80: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 74

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Dem Bild 3.5 kann die Ausrichtung des Hauptfluss ψ Sh als Funktion des Winkels

ω ⋅S t gemäß den Gl. (3.12) und Gl. (3.14) entnommen werden.

α

β

( )βψ ψ ω= ⋅ ⋅ ⋅,

3ˆ sin

2Sh Sh S t

( )αψ ψ ω= ⋅ ⋅ ⋅,

3ˆ cos

2Sh Sh S t

ψ Sh

ω ⋅S t

Bild 3.5 Ausrichtung des Hauptflusses ψ Sh als Funktion des Winkels ω ⋅S t

Das Bild 3.6 zeigt den Zeitverlauf der drei Hauptflüsse ψ ψ ψ, , ,, ,Sh a Sh b Sh c sowie die

Ausrichtung des Hauptflusses für die Winkel ω ⋅ = 0S t und ω π⋅ = ⋅1,5S t .

Page 81: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 75

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-1

-0,5

0

0,5

1

-0,5 0 0,5 π 1 π 1,5 πStω

ψ ,S h cψ ,S h a ψ ,S h b

ˆ S hψ

α

β

ψ ,Sh a ψ ,Sh b ψ ,Sh c

α

β

ψ ,Sh b

ψ ,Sh c

ω ⋅ = 0S t ω π⋅ = ⋅1,5S t

-1

-0,5

0

0,5

1

-0,5 0 0,5 π 1 π 1,5 πStω

ψ ,S h cψ ,S h a ψ ,S h b

ˆ S hψ

α

β

ψ ,Sh a ψ ,Sh b ψ ,Sh c

α

β

ψ ,Sh b

ψ ,Sh c

ω ⋅ = 0S t ω π⋅ = ⋅1,5S t

Bild 3.6 Ausrichtung des Hauptflusses ψ Sh für ω ⋅ = 0S t und ω π⋅ = ⋅1,5S t

Das Bild 3.7 zeigt die Ausrichtung des Hauptflusses einer zweipoligen

(Polpaarzahl = 1p ) und einer vierpoligen (Polpaarzahl = 2p ) Asynchron-

maschine. Bei der zweipoligen Maschine bilden sich entlang des Umfangs ein

Nord- und ein Südpol aus, während sich bei der vierpoligen Maschine zwei Nord-

und zwei Südpole ausbilden.

Page 82: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 76

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2γ π⋅≙

N

S

2γ π⋅≙

N

S

S

N

ω ⋅S t ω ⋅S t

Bild 3.7 Drehfeldbild des Stators einer zweipoligen ( = 1p ) und einer vierpoligen Asynchronmaschine ( = 2p )

Werden die drei Statorwicklungen an ein dreiphasiges symmetrisches

Drehspannungssystem angeschlossen, dann verursacht jede Statorwicklung

einen Statorfluss. Überlagert man die drei einzelnen Statorflüsse, so resultiert ein

magnetisches Drehfeld, das sich mit der Synchronwinkelgeschwindigkeit

ωω = ssyn p

. (3.15)

dreht. Dabei ist ωs die Winkelgeschwindigkeit des speisenden

Drehspannungssystems und p die Polpaarzahl der ASM.

Die sich drehenden Feldlinien des Statorfeldes schneiden die Rotorstäbe und

induzieren die Rotorspannung. Die Rotorspannung verursacht einen Rotorstrom,

der in Verbindung mit dem Statorfeld ein Drehmoment erzeugt.

Den bezogenen Unterschied zwischen der Drehfeldwinkelgeschwindigkeit des

Statorfelds ωsyn und der Winkelgeschwindigkeit, mit der sich die Welle der

Maschine dreht, bezeichnet man als Schlupf s . Der Schlupf ist mit

Page 83: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 77

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ω ωω

−= syn

syn

s . (3.16)

definiert.

Steht die Welle still ω = 0 , dann nimmt der Schlupf s den Wert = 1s an. Dreht

sich die Welle mit der Synchronwinkelgeschwindigkeit ω ω= syn , dann nimmt der

Schlupf s den Wert = 0s an.

Die Winkelgeschwindigkeit, mit der sich die Welle der ASM dreht, erhält man,

indem man Gl. (3.16) nach

( )ω ω= −1 syns . (3.17)

auflöst.

Die Winkelgeschwindigkeit der Rotorspannungen und der Rotorströme ωR hängt

von Differenz zwischen der Drehfeldwinkelgeschwindigkeit ωsyn und der Winkel-

geschwindigkeit der Welle ω ab.

• Wenn sich die Welle mit der Synchronwinkelgeschwindigkeit

ω ω= syn dreht, dann werden die Rotorleiter nicht von den Feldlinien

des Stators geschnitten. Damit ist die Frequenz der Rotorströme

bzw. der Rotorspannungen ωR Null (ω = 0R ) Die induzierte Rotor-

spannung ,q RU ist ebenfalls Null.

• Wenn die ASM still steht, dann gilt: ω = 0 und ω ω=R S .

Allgemein gilt:

ω ωω ω ω

ω−

= = ⋅synR s s

syn

s . (3.18)

Page 84: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 78

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Die induzierte Rotorspannung ,q RU , ist ebenfalls eine Funktion des Schlupfs s .

Die Rotorspannung kann mit

, , ,maxq R q RU U s= ⋅ . (3.19)

angegeben werden. Dabei ist , ,maxq RU die Rotorspannung im Stillstand ( = 1s ).

Das Bild 3.8 zeigt die Rotorspannung ,q RU und ωR als Funktion des Schlupfs s

bzw. als Funktion der Winkelgeschwindigkeit ω , mit der sich die Welle der

Maschine dreht.

,q RU

0s =1s =synω ω=0ω =

, ,maxq RU

untersynchronerBetrieb

übersynchronerBetrieb

gegensynchronerBetrieb

Bild 3.8 Rotorspannung RU und Winkelgeschwindigkeit der Rotorströme ωR als Funktion des Schlupfs s bzw. der Winkelgeschwindigkeit ω

Page 85: El Antriebe1

3.1 Aufbau der Asynchronmaschine 79

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Man unterscheidet drei Betriebszustände. Im so genannten untersynchronen Be-

triebszustand ( < <0 1s ) dreht sich das Drehfeld schneller als die Welle der

Maschine ω ω< syn . Im gegensynchronen Betriebszustand > 1s dreht sich die die

Welle in die entgegengesetzte Richtung des Drehfeldes. Im übersynchronen

Betriebszustand ist die Winkelgeschwindigkeit der Welle ω größer als die

Synchronwinkelgeschwindigkeit des Drehfelds ωsyn (ω ω> syn ).

3.1.2 Aufstellung der Systemgleichungen

Die Statorspannungsgleichung eines Strangs kann in Analogie zum

Transformator für den stationären Zustand wie folgt dargestellt werden

,S SS S S q SU R I j X I Uσ= ⋅ + ⋅ ⋅ + . (3.20)

Dabei stellt SR den Wickelwiderstand der Statorwicklung dar, der

Statorstreublindwiderstand ist mit σ σω= ⋅S S SX L bezeichnet. σSL ist die

Statorstreuinduktivität.

Analog gilt für die kurzgeschlossene Rotorwicklung

,0 R RR R q RR I j s X I Uσ= ⋅ + ⋅ ⋅ ⋅ + , (3.21)

mit dem Rotorwiderstand RR und dem Rotorstreublindwiderstand R S RX Lσ σω= ⋅ .

Mit Gl. (3.18) kann der Rotorstreublindwiderstand ebenfalls mit

R s R R Rs X s L Lσ σ σω ω⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ ausgedrückt werden.

Die Stator- und Rotorwicklung sind mit dem gemeinsamen Drehfeld verkettet. Die

zeitliche Änderung des Hauptflusses Shψ erzeugt die beiden Quellenspannungen

,q SU und ,q RU .

Für die folgenden Betrachtungen werden alle Rotorgrößen auf die

Statorwindungszahl bezogen.

Page 86: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 80

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Mit dem Übersetzungsverhältnis

S

R

N= , (3.22)

das sich aus dem Quotient aus der Statorwindungszahl SN und der

Rotorwindungszahl RN berechnet, werden die Rotorgrößen umgerechnet.

Die auf die Statorwindungszahl umgerechneten Rotorgrößen sind mit einem

hochgestellten Strich X ′ gekennzeichnet.

Es gilt

1′ =R RI Iü

, (3.23)

2′ =R RR ü R , (3.24)

2σ σ′ =R RX ü X (3.25)

und

, ,q R q RU ü U′ = ⋅ . (3.26)

Da in Gl. (3.26) die Spannung ,q RU ′ auf die Statorwindungszahl bezogen ist, gilt

, , ,q R q R q SU ü U s U′ = ⋅ = ⋅ . (3.27)

Somit resultiert die Rotorspannungsgleichung zu

,0 σ′ ′ ′ ′= ⋅ + ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅R RR R q SR I j s X I s U . (3.28)

Page 87: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 81

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Üblicherweise drückt man die innere Spannung ,q SU der ASM mit der

Hauptreaktanz ShX und dem Magnetisierungsstrom S RI I Iµ ′= + aus.

Es folgt für die Statorspannungsgleichung

S SS S S ShU R I j X I j X I µσ= ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ . (3.29)

Dividiert man Gl. (3.28) durch den Schlupf s , dann berechnet sich die

Rotorspannungsgleichung zu

10 µσ′ ′ ′ ′= ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅R RR R ShR I j X I j X I

s . (3.30)

Die Gln. (3.29) und (3.30) können unmittelbar in das so genannte T-Ersatzs-

chaltbild, das den stationären Bertiebszustand der ASM beschreibt, umgesetzt

werden. An den Statorklemmen der ASM (vergl. Bild 3.9) liegt die Statorspannung

SU an. Der Statorkreis schließt sich über den Statorwiderstand SR , den

Statorstreublindwiderstand SX σ und die Hauptreaktanz ShX . Der

kurzgeschlossene Rotorkreis schließt sich über den Rotorwiderstand RR′ , den

Rotorstreublindwiderstand RX σ′ und die Hauptreaktanz ShX .

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine

Das Bild 3.9 zeigt das einphasige Ersatzschaltbild einer ASM.

Page 88: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 82

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SU

SI SX σ SR RX σ′

ShX RRR R

s

sR

s

R ′−+′=′ 1

'RI

µI

Bild 3.9 Einphasiges Ersatzschaltbild der ASM mit Kurzschlussläufer

3.2.1 Leistungsbilanz der ASM

Nachfolgend wird die Leistungsbilanz einer dreisträngigen ASM erstellt. Dabei

werden die Eisen- und Reibverluste vernachlässigt. Aus der Leistungsbilanz kann

dann eine Beziehung zur Bestimmung des inneren Drehmoments iM der ASM

abgeleitet werden. Das Bild 3.10 veranschaulicht die Verhältnisse.

Page 89: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 83

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

ϕcos3 ⋅⋅⋅= SSS IUP

ω⋅= iimech MP ,

SVSD PPP ,−=

2, 3 SSSV IRP ⋅⋅=

2, 3 RRRV IRP ′⋅′⋅=

Luftspalt

Bild 3.10 Leistungsbilanz der ASM mit Kurzschlussläufer

Die Wirkleistung, die der Stator dem Netz entnimmt, berechnet sich für eine

dreisträngige ASM zu

3 cosS S SP U I= ⋅ ⋅ ϕ . (3.31)

Subtrahiert man von der Statorleistung SP die Statorverluste

2, 3V S S SP R I= ⋅ ⋅ (3.32)

so berechnet sich die Drehfeldleistung DP zu

Page 90: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 84

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23D S S SP P R I= − ⋅ . (3.33)

Die Drehfeldleistung DP ist die Leistung, die über den Luftspalt vom Stator auf

den Rotor übertragen wird.

Analog zur Gl. (3.32) können die Rotorverluste zu

2, 3V R R RP R I′ ′= ⋅ ⋅ (3.34)

bestimmt werden.

Aus der Leistungsbilanz kann die innere mechanische Leistung imechP , der

Maschine zu

, ,mech i i D V RP M P P= ⋅ω = − (3.35)

bestimmt werden.

Wie dem Bild 3.9 entnommen werden kann, muss ebenfalls für die Drehfeld-

leistung

,23′ ′= ⋅ ⋅ = V RR

D R

PRP I

s s . (3.36)

gelten. Im Ersatzschaltbild (Bild 3.9 ) wird die Drehfeldleistung DP am Widerstand

( )sRR′ umgesetzt.

Eine weitere Bestimmungsgleichung für die innere mechanische Leistung imechP ,

erhält man durch Einsetzen von Gl. (3.36) in Gl.(3.35)

, ,, , , (1 ) (1 )V R V R

mech i D V R V R D

P PP P P P s P s

s s= − = − = ⋅ − = ⋅ − . (3.37)

Page 91: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 85

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Die mechanische Winkelgeschwindigkeit ω in Gl. (3.35) kann auch mit Hilfe des

Schlupfs s und der synchronen Winkelgeschwindigkeit synω ausgedrückt werden

syn(1 s)ω = − ⋅ω .

Man erhält dann

, (1 )mech i i synP M s= ⋅ − ⋅ω . (3.38)

Setzt man Gl. (3.38) und Gl. (3.37) gleich, dann berechnet sich die Drehfeld-

leistung DP zu

D i synP M= ⋅ω . (3.39)

Wie der Gl. (3.39) entnommen werden kann, hängt die Drehfeldleistung DP nur

vom inneren Drehmoment iM und der synchronen Winkelgeschwindigkeit synω

der ASM ab.

3.2.2 Berechnung des inneren Drehmoments

Mit den Gln. (3.36), und (3.39) erhält man eine Bestimmungsgleichung für das

innere Drehmoment iM als Funktion des Rotorstroms. Es gilt

213 R

i Rsyn

RM I

s

′ ′= ⋅ ⋅ ⋅ω

. (3.40)

Nachfolgend wird der Rotorstrom RI ′ als Funktion der Statorspannung SU be-

rechnet und dann in Gl. (3.40) eingesetzt.

Die Spannungsgleichungen der ASM können aus Bild 3.9 abgeleitet werden. Die

Stator- und Rotorspannungsgleichungen lauten

Page 92: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 86

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S S S RS S S Sh ShU R I j X I j X I j X Iσ ′= ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ , (3.41)

und

0 RS R R RSh R Sh

Rj X I j X I j X I I

′′ ′ ′ ′= ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ . (3.42)

Die Gln. (3.41) und (3.42) lassen sich mit

S Sh SX X X σ= + (3.43)

und

R Sh RX X X σ′ ′= + (3.44)

zu

S S RS S S ShU R I j X I j X I ′= ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ (3.45)

und

0 RS R RSh R

Rj X I j X I I

s

′′ ′ ′= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ + ⋅ . (3.46)

vereinfachen.

Löst man Gl. (3.46) nach den Rotorstrom RI ′ auf und setzt sie in Gl. (3.45) ein,

dann errechnet sich der Statorstrom SI als Funktion der Statorspannung SU zu

( ) 2

′ ′+ ⋅ =

′ ′+ ⋅ ⋅ + ⋅ +

RR

S S

RR S S Sh

Rj X

sI U

Rj X R j X X

s

. (3.47)

Page 93: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 87

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Analog berechnet sich der Rotorstrom RI ′ als Funktion der Statorspannung SU

zu

2( )

− ⋅′ =′ ′+ ⋅ ⋅ + ⋅ +

ShR S

RR S S Sh

j XI U

Rj X R j X X

s

. (3.48)

Das Betragsquadrat vom Rotorstrom berechnet sich zu

22 2 2

2 22

′ ′= =′ ′ ′ ′+ − ⋅ + ⋅ +

ShR R S

R RS Sh S R S R S

XI I U

R RR X X X R X X

s s

. (3.49)

Durch Einsetzen von Gl. (3.48) in Gl. (3.40) kann das innere Drehmoment als

Funktion der Statorspannung SU für den stationären Betrieb berechnet werden.

Zur weiteren Vereinfachung werden die Statorstreuziffer Sσ , die Rotorstreuziffer

Rσ sowie die totale Streuziffer σ eingeführt. Die Definitionsgleichungen lauten:

SS

Sh

X

Xσσ = , (3.50)

RR

Sh

X

Xσσ

′= (3.51)

und

( ) ( )2 1

1 11 1

Sh

S R S R

X

X Xσ = − = −

′⋅ + σ ⋅ + σ . (3.52)

Die Stator- bzw. die Rotorstreuziffer sind ein Maß für die Flussverkettung zwi-

schen dem Stator- und dem Rotorfluss.

Page 94: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 88

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Nach einigen Umformungen folgt aus den Gln. (3.40), ((3.49) – (3.52)) die Be-

ziehung

( ) ( )2

2 2 2 2 2

3 1( )

2 (1 )

i Ssyn R S S S S R

SS R S R

M s UR R X s R X X

Rs X X X R

− σ=ω ′ ′⋅ + ⋅ + σ ⋅ ⋅

+ + ⋅ ⋅ − σ ′ ′⋅ ⋅ ⋅

(3.53)

zur Berechnung des inneren Drehmoments )(sM i als Funktion des Schlupfs s.

Differenziert man Gl. (3.53) nach dem Schlupf s und setzt die Ableitung gleich

Null, so erhält man den Kippschlupf Ks .

2 2

2 2 2S SR

KR S S

R XRs

X R X

′ += ±′ + σ ⋅

. (3.54)

Bei Kss ±= nimmt die Funktion (3.54) gerade ihre Extremwerte an. Das heißt, die

Maschine gibt im Motorbetrieb gerade das Maximalmoment, das als Kippmoment

KM bezeichnet wird, ab. Wenn das Lastmoment LM größer als das Kippmoment

KM ist, bleibt die Maschine stehen. Im generatorischen Betrieb nimmt die

Maschine bei Kss −= das maximale Drehmoment auf.

Setzt man den Kippschlupf Kss += in Gl. (3.53) ein, dann berechnet sich das

motorische Kippmoment KM zu

2

22 2 2

2

3 1

2(1 ) ( ) 1

SK

syn SS S S

S

UM

RR R X

X

⋅ − σ=⋅ω

⋅ − σ + + σ ⋅ ⋅ +

. (3.55)

Löst man Gl. (3.54) nach

2 2 2

2 2S SR

KR S S

R XRs

X R X

′ + σ ⋅=′ +

(3.56)

Page 95: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 89

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

auf und ersetzt RR XR ′′ in Gl. (3.53) durch Gl. (3.56), dann folgt für das innere

Drehmoment iM die Kloss´sche Formel

( )2

22 2 2

2

13

2 (1 ) ( ) 1

Si

syn S KS S S

S K

UM

R s sR R X

X s s

σω

σ σ

−⋅=

⋅ − + + ⋅ ⋅ + ⋅ +

. (3.57)

Vernachlässigt man in Gl. (3.57) den Term S2 R (1 )⋅ ⋅ − σ und in Gl. (3.55) den

Term SR (1 )⋅ − σ , so berechnet sich das innere Drehmoment iM bezogen auf das

Kippmoment KM zu

s

s

s

sM

M

K

K

K

i

+= 2

. (3.58)

Die Gl. (3.54) zur Berechnung des Kippschlupfs Ks kann ebenfalls noch etwas

vereinfacht werden. Dazu muss zunächst der Term SXσ⋅ näher betrachtet wer-

den. Da insbesondere bei Maschinen großer Leistung und Betrieb mit Netz-

frequenz die Hauptreaktanz ShX sehr viel größer als die Statorstreureaktanz σSX

bzw. die Rotorstreureaktanz σRX ′ ist gilt:

S Sh S R R ShX X X X X Xσ σ′ ′+ = ≈ = + . (3.59)

Unter Verwendung von Gl. (3.52) und Gl. (3.44) folgt mit ( )1Sh R RX X σ′= +

2

1

1

1

σ σσ σ

σσ σ σ

′ ′ ′ −σ⋅ = − = + − = + − − ′ ′ ′ ′ ′σ ⋅ = + = +′ + σ

Sh R R RS S S Sh Sh S Sh Sh

R R R

RS S Sh S R

R R

X X X XX X X X X X X X

X X XX

X X X X XX

. (3.60)

Page 96: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 90

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Da in der Regel die Rotorstreuziffer Rσ sehr viel kleiner als Eins ist, gilt in guter

Näherung

S S RX X X Xσ σ σ′σ ⋅ ≈ + = . (3.61)

Da beim Betrieb der ASM am 50 Hz Netz die Statorreaktanz SX viel größer als

der Statorwiderstand SR ist und Stator- und Rotorreaktanzen ungefähr gleich

groß RS XX ′= sind, kann Gl. (3.54) zu

22σXR

Rs

S

RK

+

′= . (3.62)

vereinfacht werden.

Darüber hinaus kann bei Maschinen großer Leistung im 50 Hz Betrieb der Rotor-

widerstand SR vernachlässigt werden, da in diesen Fall SR viel kleiner als σX ist.

Damit vereinfacht sich Gl. (3.62) zu

σX

Rs R

K

′= . (3.63)

Für Maschinen mit kleiner Streuziffer 1<<σ und σSS XR << lässt sich Gl. (3.55)

zu

( ) ( )2 2

2 2 2

3 1 3 1

2 21 σ

σω ωσ σ⋅ − ⋅= ≈ ⋅⋅ ⋅⋅ − + + ⋅

S SK

syn synS S S

U UM

XR R X (3.64)

vereinfachen.

Die Gl. (3.58) kann für zwei Betriebszustände approximiert werden. Wird die

Maschine in der Nähe des Synchronpunktes betrieben d.h. der Schlupf s ist viel

Page 97: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 91

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

kleiner als der Kippschlupf Kss << , dann kann die Kloss´sche Formel durch eine

Gerade der Form

22i

KK K

K

M ss sM s

s s

= ≈ ⋅+

. (3.65)

approximiert werden.

Ist der Betrag des Schlupfs s viel größer als der Kippschlupf Kss >> , dann lässt

sich Gl. (3.58) durch eine Hyperbel der Gestalt

22i K

KK

K

M ss sM s

s s

= ≈ ⋅+

. (3.66)

annähern.

Das Bild 3.9 zeigt den Drehmomentverlauf iM als Funktion des Schlupfs s für

eine ASM mit den folgenden Daten:

230 ; 2 50 ; 22 ;0,138 ; 0,216 ;0,471 ; 0,471 ; 16σ σ

ω π= ∆ = ⋅ ⋅ =′= Ω = Ω

′= Ω = Ω = Ω

S S N

S R

S R Sh

U V Hz P kWR RX X X

Page 98: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 92

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

s1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5

2

1.5

1

0.5

0

0.5

1

1.5

2

k

i

M

M

ks

2i

K K

M s

M s≈ ⋅

2i K

K

M s

M s≈ ⋅

s

s

s

sM

M

K

K

K

i

+= 2

%23=ks

( ) ( )2 2 2

22 2 2

2

1

2 (1 ) ( ) 1

σσ σ

σ σ

⋅ − + + ⋅=

⋅ − + + ⋅ ⋅ + ⋅ +

S Si

k S KS S S

S K

R R XM

M R s sR R X

X s s

Bild 3.11 Stationäre Betriebskennlinien der ASM

Das Bild 3.12 zeigt den auf den Nennstatorstrom S ,NI bezogenen Statorstrom SI

der ASM, mit den obigen Daten als Funktion des Schlupfs s. Der Nennschlupf Ns

der ASM beträgt ca. 0,04. Bei Asynchronmaschinen ist der Anlaufstrom ( 1s = ) je

nach Maschinenauslegung 4 bis 10 mal größer als der Nennstrom S ,NI . Dabei wird

ein quasi stationärer Hochlauf vorausgesetzt. Der Nennschlupf von

Asynchronmaschinen Ns mit Kurzschlussläufer ist ebenfalls Auslegungsabhängig

Page 99: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 93

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

im Allgemeinen gilt: 0,01 0,06Ns≤ ≤ . Das Kippmoment KM von Normmaschinen

ist um den Faktor 2 bis 3 mal größer als das Nennmoment iNM . Bei der

Maschine mit den obigen Daten ist der Anlaufstrom ca. 5,5 mal größer als der

Nennstrom ,S NI . Der Leerlaufstrom ,0SI ist ca. um den Faktor drei kleiner als der

Nennstrom ,S NI der Maschine.

0 0.25 0.5 0.75 10

1

2

3

4

5

6

s

S

S ,N

I

I

Bild 3.12 Auf den Nennstatorstrom S ,NI bezogenen Statorstrom SI als Funktion des Schlupfs s

Bei der Herleitung von Gl. (3.58) wurde der Statorwiderstand SR vernachlässigt

( 0SR = ). Unter dieser Annahme ist die Statorleistung SP gleich der Drehfeldl-

Page 100: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 94

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

eistung DP . Da, wie der Gl. (3.39) entnommen werden kann, die Drehfeldleistung

proportional zum inneren Drehmoment iM der ASM ist ( D i synP M= ⋅ω ), gilt

2iD

KDK K

K

MPs sP Ms s

= =+

. (3.67)

Dabei wird die Drehfeldkippleistung mit DKP bezeichnet. Die Drehfeldkippleistung

resultiert aus den Gln. (3.39) und (3.64) zu

23 1

2S

DK

UP

⋅≈ ⋅ . (3.68)

Beim Betrieb der ASM am starren Netz unterscheidet man drei Betriebsbereiche,

die im Bild 3.13 dargestellt sind.

• Im untersynchronen Betriebsbereich oder Motorbetrieb

0 1 bzw. 0 syns ω ω< < < < nimmt die ASM über den Stator elektrische Leistung

auf 0SP > und gibt an der Welle mechanische Leistung 0mechiP > ab.

• Im übersynchronen Betriebsbereich oder Generatorbetrieb

0 bzw. syns ω ω< > gibt die ASM über den Stator elektrische Leistung an das

Netz ab 0SP < und nimmt an der Welle mechanische Leistung 0mechiP < auf.

• Im gegensynchronen Betriebsbereich oder Gegenstrombremsbetrieb

1 bzw. 0s ω> < nimmt die ASM über den Stator elektrische Leistung 0SP >

und über die Welle mechanische Leistung 0mechiP < auf.

Page 101: El Antriebe1

3.2 Ersatzschaltbild der Asynchronmaschine 95

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Das Bild 3.13 zeigt für die drei Betriebsbereiche, die Drehfeldleistung DP , das in-

nere Drehmoment iM , die Rotorverluste VR

P und die innere mechanische

Leistung mechiP .

s

i

k

D

Dk

VR

Dk

mechi

Dk

M

M

P

P

P

P

P

P

1.5 1 0.5 0 0.5 1 1.5 21.5

1

0.5

0

0.5

1

1.5

mechi D VRP P P= −

VR D i synP s P s M ω= ⋅ = ⋅ ⋅s

s

s

sP

P

M

M

K

K

Dk

D

K

i

+== 2

übersynchroner BetriebGeneratorbetrieb

untersynchroner BetriebMotorbetrieb

gegensynchroner BetriebGegenstrombremsbetrieb

Bild 3.13 Stationäre Betriebskennlinien der ASM am starren Netz unter der Annahme eines vernachlässigbar kleinen Statorwiderstands ( 0SR = )

Page 102: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 96

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

3.3 ASM mit Schleifringläufer

Der Läufer des Schleifringläufers besteht aus einem Blechpaket, das mit Nuten

versehen ist. In den Läufernuten sind die Rotordrehstromwicklungen unter-

gebracht. Dabei wird jeweils ein Ende jeder Drehstromwicklung über Bürsten und

Schleifringe mit einem Klemmbrett verbunden. Die Klemmbrettanschlüsse sind in

der Regel mit K, L und M bezeichnet.

Damit können zusätzliche Widerstände in den Rotorkreis geschaltet werden.

Hierdurch kann zum einen der Anlassstrom der Maschine vermindert werden,

zum anderen kann die Drehzahl der Maschine verstellt werden. Diese Methode

der Drehzahlverstellung wird überwiegend bei Hebewerkzeugen (Aufzüge, Kräne)

angewendet. Nachteilig wirkt sich aus, das die Verstellmethode verlustbehaftet

ist, da der Rotorstrom 'RI in den Widerständen VR zusätzliche Verluste ver-

ursacht. Darüber hinaus verschleißen die Bürsten, so dass die ASM mit Schleif-

ringläufer einen größeren Wartungsaufwand im Vergleich zur Kurzschluss-

läufermaschine hat.

Das Bild 3.14 und Bild 3.15 zeigen den grundsätzlichen Aufbau eines

Schleifringläufers. Jede der drei Rotorwicklungen 1

'

RL ,

2

'

RL und

2

'

RL hat den auf

den Stator bezogenen Rotorwiderstand 'RR . Zusätzlich ist ein dreiphasiger

symmetrischer Vorwiderstand VR in den Läuferkreis geschaltet, dessen

Widerstandswert sich stufig oder stufenlos verändern lässt.

Page 103: El Antriebe1

3.3 ASM mit Schleifringläufer 97

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

WelleStatorwicklungLäuferLager Läuferwicklung Schleifringe WelleStatorwicklungLäuferLager Läuferwicklung Schleifringe

Bild 3.14 Prinzipieller Aufbau eines Schleifringläufers

Page 104: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 98

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

'RR

VR

Schleifring

Bürste

K L M

'1RL '

2RL '3RL

Bild 3.15 Prinzipieller Aufbau eines Schleifringläufers

Damit können unmittelbar die Systemgleichungen für die ASM mit Schleif-

ringläufer abgeleitet werden, indem man in den Gleichungen des Kurzschluss-

läufers den Rotorwiderstand 'RR durch die Serienschaltung aus Rotorwiderstand

und Vorwiderstand ersetzt 'R VR R+ . Es folgt aus Gl. (3.32) für den Kippschlupf

2 2

R VK

S

R Rs

R Xσ

′ +=+

. (3.69)

Wie Gl. (3.69) zu entnehmen ist, nimmt der Kippschlupf mit zunehmendem Vor-

widerstand größere Werte an. Aus Gl. (3.62) folgt, dass das Kippmoment unab-

Page 105: El Antriebe1

3.3 ASM mit Schleifringläufer 99

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

hängig vom Rotorwiderstand 'RR ist. Das heißt, durch einen zusätzlichen Vor-

widerstand VR im Läuferkreis ändert sich nicht das Kippmoment KM . Das

Bild 3.16 zeigt die stationären Betriebskennlinien einer ASM mit Schleifringläufer

für verschiedene Widerstandswerte der Vorwiderstände VR

0.5 0 0.5 1 1.5 21.5

1

0.5

0

0.5

1

1.5

s

k

i

M

M

V RR R′=0VR =

ks mit wachsendem Widerstand im Läuferkreis ('

R VR R )→

+

4V RR R′= ⋅ 10V RR R′= ⋅

LM

Bild 3.16 Stationäre Betriebskennlinien einer ASM mit Schleifringläufer für verschiedene Widerstandswerte des Vorwiderstands VR

Durch zusätzliche Vorwiderstände VR im Läuferkreis kann der Anlaufstrom be-

grenzt werden, da der Anlassstrom im Wesentlichen durch die Serienschaltung

Page 106: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 100

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

aus der Stator- SX σ und Rotorstreureaktanz 'RX σ sowie dem Stator- SR , Rotor- '

RR

und Vorwiderstand VR begrenzt wird.

Darüber hinaus steigt das Anlaufmoment mit zunehmendem Vorwiderstand VR

an.

Wie dem Bild 3.16 ebenfalls entnommen werden kann, nimmt der Schlupf s der

ASM mit Schleifringläufer mit zunehmenden Vorwiderständen VR im Läuferkreis

zu. Das bedeutet, dass die Drehzahl der Maschine z.B. bei einer drehzahlunab-

hängigen Belastung ( LM const= ), abnimmt. Damit kann durch Verstellung der

Vorwiderstände die Drehzahl verstellt werden.

Der mechanische Aufbau einer Schleifringläufermaschine ist wesentlich kom-

plexer als der einer Kurzschlussläufermaschine. Des Weiteren verursachen die

Bürstenkontakte mechanischen Abrieb und sind daher wartungsbedürftig. Auf-

grund dieser beiden Nachteile werden Schleifringläufermaschinen zunehmend

durch Kurzschlussläufermaschinen, die durch einen Frequenzumrichter gespeist

werden abgelöst. Hierbei generiert der Frequenzumrichter ein Drehspannungs-

system, dessen Frequenz und Amplitude verstellt werden kann.

3.4 Stern- Dreieckanlauf

Um den Anlaufstrom zu vermindern ist es Zweckmäßig den sog. Stern Dreieck-

anlauf zu verwenden. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Antriebs-

maschine kein allzu großes Losbrechmoment aus dem Stillstand benötigt. Das ist

z.B. bei Sägen, Pumpen und Lüfterantrieben der Fall.

Beim Stern- Dreieckanlauf werden die drei Statorwicklungen über einen drei-

stufigen Schalter mit den Schalterstellungen „Aus“ „Y “ und ∆ zunächst in Stern

„Y “ geschaltet. Hat der Antrieb den stationären Betriebspunkt erreicht, dann

werden die Statorwicklungen in Dreieck „ ∆ “ geschaltet. Dabei sind die Stator-

wicklungen für die Dreieckschaltung auszulegen. Das Bild 3.17 zeigt die Span-

nungs- und Stromverhältnisse bei der Stern- bzw. Dreieckschaltung.

Page 107: El Antriebe1

3.4 Stern- Dreieckanlauf 101

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

,S VU U∆ =

,,

3N

S

II ∆

∆ =

,NI ∆

VU

,

1

3S Y VU U= ⋅

,SY N YI I=

,N YI

VU

SZ SZ

Bild 3.17 Spannungen und Ströme bei der Stern- und Dreieckschaltung

Bei der Sternschaltung liegt an jeder Statorwicklung die Spannung 1

3S NU U= ⋅

an. Dabei wird die verkettete Spannung des speisenden Drehspannungssystem

mit NU bezeichnet. Die Strangspannung einer Statorwicklung ist mit SU bezeich-

net. Wie dem Bild 3.17 entnommen werden kann, ist der Strangstrom SI einer

Statorwicklung gleich dem Netzstrom NI .

Bei der Dreieckschaltung ist die Strangspannung SU jeder Statorwicklung

identisch mit der verketteten Spannung NU des speisenden Drehspannungs-

netzes.

Da bei der Dreieckschaltung die Strangspannung SU um den Faktor 3 größer

ist als bei der Sternschaltung ist, muss auch der Strangstrom SI der Stator-

wicklung bei der Dreieckschaltung um den Faktor 3 größer sein im Vergleich

zur Sternschaltung (vergl. Tabelle 3.2).

Page 108: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 102

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Tabelle 3.2 Strangspannungen und Ströme bei der Stern- bzw. Dreieck-schaltung.

Sternschaltung Dreieckschaltung

Netzspannung

VU

VU

Statorspannung ,

1

3S Y VU U= ⋅

,∆ =S VU U

Statorstrom

, ,S Y N YI I= , ,

1

3S NI I∆ ∆= ⋅

Netzstrom

,, 3

NN Y

II ∆=

, ,3N N YI I∆ = ⋅

Das Kippmoment einer ASM in Dreieckschaltung ,kM ∆ ist ebenfalls um den Faktor

3 größer im Vergleich zur Sternschaltung ,k YM , da das Kippmoment mit dem

Quadrat der Statorspannung SU zunimmt (vergl. Gl. (3.64)).

Das Bild 3.18 zeigt den Netzstrom NI und das innere Drehmoment iM einer ASM

bei einem Stern- Dreieckanlauf. Das innere Drehmoment ist auf das Kippmoment

,kM ∆ in Dreieckschaltung bezogen. Der Netzstrom NI ist auf den Netznennstrom

,NNI ∆ , in Dreieckschaltung bezogen. Des Weiteren wurde angenommen, dass das

Lastmoment LM quadratisch mit der Drehzahl n zunimmt. Als erstes wird die

Maschine in Stern geschaltet. Der Antrieb beschleunigt bis sich die Belastungs-

kennlinie LM mit der Drehmomentenkennlinie für die Sternschaltung ,i YM

schneiden. Dann erfolgt die Umschaltung von der Stern- in die Dreieckschaltung.

Da die ASM jetzt das dreifache innere Drehmoment entwickelt, beschleunigt der

Antrieb aufs Neue bis sich die Drehmomentenkennlinie ,iM ∆ mit der

Belastungskennlinie LM schneidet. Dabei wurden die transienten Vorgänge

während des Umschaltens vernachlässigt. Wie dem Bild 3.18 entnommen

Page 109: El Antriebe1

3.4 Stern- Dreieckanlauf 103

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

werden kann, nimmt der Netzstrom NI bei der Umschaltung von Stern- auf

Dreieckschaltung beachtliche Werte an.

N

N ,

I

I ∆

0 0.25 0.5 0.75 10

1

2

3

4

5

6

syn

ωω

0

0,5

1

i

k ,

M

M

,iM ∆

,N YI

,∆NI

,i YM

LM

N

N ,

I

I ∆

0 0.25 0.5 0.75 10

1

2

3

4

5

6

syn

ωω

0

0,5

1

i

k ,

M

M

,iM ∆

,N YI

,∆NI

,i YM

LM

Bild 3.18 Netzstrom NI und inneres Drehmoment iM während eines quasi stationären Hochlaufs einer ASM mit Kurzschlussläufer

Page 110: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 104

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

3.5 Läufer mit Stromverdrängung

Stromverdrängungsläufer werden eingesetzt, um das Anzugsmoment zu ver-

größern. Nachfolgend wird die Wirkungsweise der Stromverdrängung be-

schrieben. Jeder stromdurchflossene Leiterstab in einer Rotornut verursacht ein

Nutstreufeld NutH , das den Leiterstab durchdringt. Das Bild 3.19 a) zeigt die

Stromdichte s , für den Fall, dass der Leiterstab von einem Gleichstrom durch-

flossen wird. In diesen Fall ist der Nutstreufluss NutΦ zeitlich konstant.

NutΦ

x

0Nut NutB H≈ ⋅µ

s x

0Nut NutB H≈ ⋅µ

s

B, s B, s

Rotorstab

RI ′

Wbi

Wbi

a) b)

c)

x

Bild 3.19 Verlauf der mag. Feldstärke NutH , der mag. Induktion NutB und der Stromdichte s in der Nut eines Hochstabläufers

Page 111: El Antriebe1

3.5 Läufer mit Stromverdrängung 105

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Fließt jedoch im Leiterstab ein Wechselstrom, dann ist der Nutstreufluss NutΦ

ebenfalls eine Wechselgröße. Die zeitliche Änderung des Nutstreuflusses Nut

ddt

Φ

verursacht Wirbelströme. Das Integral der Wirbelströme über die gesamte

Leiterfläche ergibt Null. Die Wirbelströme verursachen jedoch wie dem

Bild 3.19 b) und c) entnommen werden kann, eine Ungleichverteilung der Strom-

dichte s entlang der x-Koordinate des Läuferstabs. Die Ungleichverteilung der

Stromdichte im Läuferstab ist abhängig von der Frequenz des Rotorstroms. Sie

wirkt sich wie eine rotorfrequenzabhängige Vergrößerung des Rotorwiderstands

RR′ und eine rotorfrequenzabhängige Verkleinerung der Rotorstreuinduktivität

RL σ′ aus. Die Stromverdrängung tritt umso stärker in Erscheinung, je größer die

Leiter Höhe ist. Hierdurch kann durch die geometrische Form des Leiterstabs

konstruktiv gezielt die Stromverdrängung beeinflusst werden. Bei Kupferleitern

und 50Hz Rotorfrequenz tritt die Stromverdrängung erst ab Leiterhöhen größer

1cm in Erscheinung. Da die Rotorfrequenz Rf

R Sf f p n= − ⋅ (3.70)

als Differenz zwischen der Statorfrequenz Sf und der Drehzahl n ausgedrückt

werden kann, nimmt die Rotorfrequenz Rf und damit die Stromverdrängung mit

zunehmender Drehzahl n ab.

Das Bild 3.20 zeigt das innere Drehmoment als Funktion der Drehzahl n für eine

ASM mit Stromverdrängungsläufer und für eine ASM mit Rundstabläufer, bei dem

keine nennenswerte Stromverdrängung auftritt.

Page 112: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 106

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

iM

n

Rundstab ohne Stromverdrängung

Hochstab mit Stromverdrängung

Bild 3.20 Inneres Drehmoment einer ASM mit einem Rundstab- bzw. mit Stromverdrängungsläufer (Hochstabläufer)

3.6 Drehzahlverstellmethode

Nachfolgend wird ein Steuergesetz für eine Asynchronmaschine mit Kurz-

schlussläufer, die durch einen Umrichter gespeist wird, abgeleitet. Das Ziel der

Steuerung besteht in einer kontinuierlichen Drehzahlverstellung. Die ASM wird

durch ein dreiphasiges leistungselektronisches Stellglied (Umrichter), dessen

Ausgangsspannung SU und Ausgangsfrequenz Sω kontinuierlich verstellt werden

können gespeist. Dabei erzeugt der Umrichter ein dreiphasiges symmetrisches

Drehspannungssystem, dessen Ausgangsspannung SU durch die Führungsgröße

,S wU eingestellt werden kann. Die Statorfrequenz lässt sich durch die

Führungsgröße ,S wω vorgeben.

Page 113: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 107

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

33

,S SU I,N NU I

,S wU ,ωS wN

etz

Umrichter ASM

Bild 3.21 Speisung einer ASM durch einen Umrichter mit einstellbarer Frequenz Sω und einstellbaren Ausgangsspannungen ,SU ν

(mit ν = 1, 2, 3 )

Die maximale Ausgangsspannung ,maxSU ist durch die Nennspannung der

Maschine limitiert, so dass gilt:

≤ = ,maxS SN SU U U . (3.71)

Der maximale Ausgangsstrom ,maxSI des Umrichters ist ebenfalls durch den

Nennstrom der Maschine

≤ = ,maxS SN SI I I (3.72)

begrenzt.

Ein einfaches Steuergesetz erhält man, indem die Statorspannung und die

Statorfrequenz so verstellt werden, dass das Kippmoment einen konstanten Wert

annimmt ( .kM const= ). Bei den folgenden Ableitungen des Steuergesetzes wird

der Einfluss des Statorwiderstand vernachlässigt ( 0SR = ). Aus Gl. (3.64) folgt

Page 114: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 108

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

( ) ( )2 2 2

2

3 1 3 1 3

2 2 2σ σ σ σ σω ω ω ω⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅= ⋅ = ⋅ =

′ ′⋅ ⋅ + ⋅ + ⋅S S S

Ksyn S S R S R S S

U p U p UM

X L L L L . (3.73)

Aus der Gl. (3.73) kann unmittelbar das Steuergesetz abgelesen werden. Das

Kippmoment ist genau dann konstant, wenn die Statorfrequenz Sω proportional

zur Statorspannung SU (mit 1,2,3ν = ) verstellt wird. Hiermit folgt aus Gl. (3.73)

2 2

SN S

SN S

U Uω ω

=

(3.74)

bzw.

SNS S

SN

UUω

ω

⋅ =

. (3.75)

Das Bild 3.22 zeigt den Zusammenhang zwischen der Frequenz des speisenden

Drehspannungssystems Sf , der Frequenz der Rotorströme Rf und der mecha-

nischen Drehzahl n . Die Polpaarzahl ist mit p bezeichnet.

Page 115: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 109

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

0 10 20 30 40 500

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

1.1

1.2

i

K

M

M

f

LM

iM

p n⋅

Sf

Rf

0 10 20 30 40 500

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

1.1

1.2

i

K

M

M

f

LM

iM

p n⋅

Sf

Rf

Bild 3.22 Zusammenhang zwischen der Statorfrequenz Sf , der Frequenz der

Rotorströme Rf und der Drehzahl n

Es gilt folgende Beziehung für die Frequenzen

S Rf f p n= + ⋅ , (3.76)

bzw. die Winkelgeschwindigkeiten

S R pω ω ω= + ⋅ . (3.77)

Page 116: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 110

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Die Winkelgeschwindigkeit der Rotorströme kann mit dem Schlupf s und der

Winkelgeschwindigkeit des Statorspannungssystem Sω durch

R Ssω ω= ⋅ (3.78)

ausgedrückt werden. Setzt man in Gl. (3.78) den Kippschlupf ks s= ein, dann

folgt die Rotorkippwinkelgeschwindigkeit zu

Rk k Ssω ω= ⋅ . (3.79)

Dabei ist die Rotorkippwinkelgeschwindigkeit Rkω die Winkelgeschwindigkeit der

Rotorströme, bei der die ASM das Kippmoment i kM M= über die Welle abgibt.

Im Folgenden wird gezeigt, dass die Rotorkippfrequenz Rkω eine Maschinen-

konstante ist. Mit Gl. (3.63) und Gl. (3.79) folgt

( )Rk R R

KS S S R

R Rs

X L Lσ σ σ

ωω ω

′ ′= = =

′⋅ + (3.80)

bzw.

RRk

S R

RL Lσ σ

ω ′=

′+ . (3.81)

Die Rotorkippwinkelgeschwindigkeit ωRk ist eine Maschinenkonstante. Löst man

die Gln. (3.78) und (3.79) nach dem Schlupf s bzw. nach dem Kippschlupf ks

auf, und setzt die beiden Gleichungen in Gl. (3.58) ein, dann resultiert die

folgende Beziehung

2 2 2i

K Rk S S R Rk RK

K S R Rk S R Rk

Ms sMs s

ω ω ω ω ω ωω ω ω ω ω ω

= = =⋅ ⋅+ + +⋅ ⋅

. (3.82)

Page 117: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 111

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

zwischen dem inneren Drehmoment iM und der Winkelgeschwindigkeit der

Rotorströme Rω . Wie bereits gezeigt wurde, sind das Kippmoment kM und die

Rotorkippwinkelgeschwindigkeit Rkω Maschinenkonstanten.

In Gl. (3.82) kann die Winkelgeschwindigkeit der Rotorströme mit Gl. (3.77)

(ω ω ω= − ⋅R S p ) zu

2i

Rk SK

S Rk

MpM

pω ω ω

ω ω ω

=− ⋅+

− ⋅

. (3.83)

ersetzt werden. In Gl. (3.83) können die Winkelgeschwindigkeiten 2S Sfω π= ⋅ ⋅ ,

2Rk Rkfω π= ⋅ ⋅ und 2 nω π= ⋅ ⋅ ersetzt werden. Hiermit resultiert

2 2i

Rk R Rk SK

R Rk S Rk

Mf f f f p nMf f f p n f

= =− ⋅+ +

− ⋅

. (3.84)

Das Bild 3.23 zeigt das innere Drehmoment iM für verschiedene Stator-

frequenzen Sf , wobei die Statorspannung SU proportional mit der Statorfrequenz

Sf verstellt wurde ( S SU f∼ ). Die Rotorkippfrequenz Rkf beträgt 10Hz . Der im

Bild 3.23 dargestellte Stellbereich wird als Grunddrehzahlbereich bezeichnet.

Bei Statornennfrequenz SNf muss das leistungselektronische Stellglied Nenn-

spannung SNU an die Statorklemmen anlegen. Dieser Arbeitspunkt wird als

Nennpunkt bezeichnet.

Page 118: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 112

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0 10 20 30 40 500

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

1.1

1.2

i

K

S

SN

M

M

U

U

Sf

10Sf Hz= 50Sf Hz=40Sf Hz=30Sf Hz=

iM

SU

20Sf Hz=

Sf

⋅p n Rf

Bild 3.23 Zusammenhang zwischen der Statorfrequenz Sf , der Frequenz der

Rotorströme Rf und der Drehzahl n für verschiedene Stator-frequenzen

Da im hier beschriebenen Fall die Ausgangsspannung des leistungs-

elektronischen Stellglieds durch die Statornennspannung SNU begrenzt ist, kann

ab dem Nennpunkt der Maschine nur noch die Statorfrequenz Sf erhöht werden,

um die Drehzahl der Maschine weiter zu steigern.

Mit .S SNU U const= = folgt für das Kippmoment gemäß Gl. (3.73)

( ) ( )2

2 2

3

2 2SN

K

R S S

p UM

L L fσ σ π⋅ ⋅=

′⋅ + ⋅ ⋅ ⋅ . (3.85)

Page 119: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 113

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Das heißt, für S SNf f> nimmt das Kippmoment umgekehrt proportional zum

Quadrat der Statorfrequenz 2

1∼K

S

Mf

ab. Diesen Bereich bezeichnet man als

Feldschwächbereich. Das Bild 3.24 zeigt verschiedene Drehmomentenkennlinien

für den Grunddrehzahlbereich und für den Feldschwächbereich. Im Grund-

drehzahlbereich wird die Statorspannung SU proportional mit der Statorfrequenz

verstellt. Damit ist das Kippmoment im Grunddrehzahlbereich konstant. Im Feld-

schwächbereich gilt 2

1∼K

S

Mf

.

Page 120: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 114

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

0 25 50 75 100 125 1500

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

i

K

S

SN

M

M

U

U

Sf

SU

=kM const

2

1∼k

S

Mf

Grunddrehzahlbereich Feldschwächbereich

Bild 3.24 Grund- und Feldschwächbereich einer ASM bei Speisung mit einem leistungselektronischen Stellglied

Das Bild 3.25 zeigt die stationären Kennlinien einer ASM, die mit Nennmoment

L iNM M= belastet wird. Im Grunddrehzahlbereich stellt sich dabei gerade die

Rotornennfrequenz RNf ein. Die ASM generiert ein konstantes inneres Dreh-

moment. Die mechanische Leistung berechnet sich aus dem Produkt aus dem

Drehmoment und der Winkelgeschwindigkeit. Das heißt im Grunddrehzahlbereich

nimmt die mechanische Leistung mechiP proportional mit der Drehzahl n zu.

Page 121: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 115

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SNUkNM

iNM

RNf

Rkf

SNf 2⋅ SNf 3⋅ SNf

2

1∼k

S

Mf

1= ∼i LM Mn

2

1= ∼i LM Mn

.= =S SNU U const

∼SU n

,mechi NP

1∼mechiP

n

.=mechiP const

Bild 3.25 Grund- und Feldschwächbereich

Der Feldschwächbereich kann wiederum in zwei Bereiche unterteilt werden. Im

ersten Bereich ( 2S S Sf f f≤ ≤ ⋅ ) kann die innere mechanische mechiP Leistung der

Maschine konstant gehalten werden. Die Maschine nimmt bei Nennspannung

S SNU U= Nennstrom S SNI I= auf. Da im ersten Feldschwächbereich das Kipp-

moment quadratisch mit der Drehzahl n abnimmt, das innere Drehmoment iM

aber nur proportional zur Drehzahl abnimmt, muss die Rotorfrequenz Rf zu-

nehmen.

Erreicht die Rotorfrequenz Rf die Rotorkippfrequenz Rkf , dann muss das Last-

moment proportional zum Quadrat der Drehzahl verringert werden, da sich sonst

kein stabiler Arbeitspunkt einstellen kann. Im zweiten Feldschwächbereich nimmt

der Spitzenwert der inneren Leistung umgekehrt proportional mit der Drehzahl n

ab.

Bei der Ableitung der Spannungs-Frequenz-Kennliniensteuerung wurde der

Spannungsabfall am Statorwiderstand SR vernachlässigt. Der Spannungsabfall

Page 122: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 116

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am Statorwiderstand SR kann dadurch kompensiert werden, indem die Span-

nungs-Frequenzkennlinie um einen Ordinatenabschnitt b (oft als Boost be-

zeichnet) abgehoben wird. Damit lautet das Steuergesetz

( ) SNS S S

SN

U bU f f b

f

−= ⋅ +

. (3.86)

Je nach Maschinentyp bewegt sich der Achsenabschnitt b zwischen

0,02 0,1SN SNSN

bU U

f⋅ ≤ ≤ ⋅ . Mit anderen Worten beträgt die Statorspannung bei der

Statorfrequenz 0Sf = zwischen 2 % und 10 % der Nennspannung.

3.6.1 Spannungs-Frequenzsteuerung

In vielen Fällen ist es gar nicht erforderlich, dass die Drehzahl der Arbeits-

maschine exakt eingeregelt wird. Beispiele hierfür sind z.B. Lüfter, Kompressoren

oder Pumpen. In diesen Fällen kann auf einen geschlossenen Drehzahlregelkreis

mit Drehzahlrückführung verzichtet werden. Vielmehr kann die Drehzahl des An-

triebs bei bekannter Belastungskennlinie durch Vorgabe der Statorfrequenz Sf

eingestellt werden. Für den Fall, dass die Rotorfrequenz Rf sehr klein im Ver-

gleich zur Statorfrequenz Sf ist, resultiert aus Gl. (3.76)

Sfnp

≈ . (3.87)

Page 123: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 117

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ASM

Umrichter,S wf

,S wU

3

3

, , ,( ) SNS w S w S w

SN

U bU f f b

f

−= ⋅ +

SU

Bild 3.26 Spannungs-Frequenzsteuerung einer Umrichter gespeisten ASM

3.6.2 Drehzahlregelung

Die Steuerungsstruktur gemäß dem Bild 3.26 lässt sich relativ leicht zu einer

geschlossenen Regelung ergänzen.

Page 124: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 118

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ASM

Umrichter

p

n

Rfwn

Drehzahl-regler

,i wM

3

3

, , ,( ) SNS w S w S w

SN

U bU f f b

f

−= ⋅ +

,S wf

,S wU

Tabelle

SU

Bild 3.27 Prinzipielle Struktur der Drehzahlregelung einer Umrichter ge-speisten ASM

Dazu muss die Drehzahl der Maschine n mit einem Drehzahlsensor (z. B. mit

Tachogenerator, Inkrementalgeber, Resolver..) erfasst werden. Die Regel-

differenz ( wn n− ) ist die Eingangsgröße des Drehzahlreglers, der in der Regel als

PI-Regler ausgeführt wird. Die Reglerausgangsgröße ist die Führungsgröße für

das innere Drehmoment ,i wM . Wie der Gl. (3.84) entnommen werden kann, ist

das innere Drehmoment ( )i RM f nur eine Funktion der Rotorfrequenz Rf .

Üblicherweise legt man Gl. (3.84) in Form einer Tabelle ab und bestimmt aus der

Führungsgröße für das innere Drehmoment ,i wM die zur Stellung des Dreh-

moments erforderliche Rotorfrequenz Rf . Mit der gemessenen Drehzahl n der

Maschine berechnet sich gemäß Gl.(3.76) die Statorfrequenz zu

S Rf f p n= + ⋅ . (3.88)

Die zugehörige Statorspannung SU berechnet sich durch Auswertung von

Gl. (3.86).

Page 125: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 119

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

3.6.3 Frequenzen während eines Reversiervorgangs

Das Bild 3.28 zeigt Rotor- und Statorfrequenz während eines Reversiervorgangs

einer unbelasteten ASM. Dabei ändert die ASM die Drehzahl von Sfnp

= −

(Linkslauf) auf Sfnp

= (Rechtslauf). Während des Reversiervorgangs regelt die

Steuerung gerade die Rotornennfrequenz R RNf f= ein. Die Statorspannung wird

gemäß Gl. (3.86) verstellt, so dass das Kippmoment der ASM während des

Reversiervorgangs konstante Werte annimmt. Damit stellt sich für R RNf f= gerade

das Nennmoment i iNM M= ein.

Page 126: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 120

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p n⋅

f

SNf

SNf−

RNf

Sf

Rf

SNfSNf−

untersynchroner Betriebübersynchroner Betrieb gege

nsyn

chro

ner B

etrie

b

S R

S R

f f p n

pω ω ω

= + ⋅

= + ⋅

Bild 3.28 Rotor- und Statorfrequenz während eines Reversiervorgangs einer

unbelasteten ASM von SNfn

p= − auf Sfn

p= mit konstantem innerem

Drehmoment i iNM M= bzw. mit konstanter Rotorfrequenz R RNf f=

Während des Reversiervorgangs durchläuft die Maschine drei Betriebszustände.

• Im übersynchronen Betrieb ist der Betrag der Statorfrequenz Sf kleiner

als das Produkt aus Drehzahl und Polpaarzahl p n⋅ . Dies bedeutet die

Page 127: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 121

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Maschine wirkt generatorisch und speist die Bewegungsenergie

212

J ω ⋅ ⋅

in das speisende Netz zurück.

• Im gegensynchronen Betrieb haben die Statorfrequenz Sf und die

Drehzahl n unterschiedliche Vorzeichen.

• Im untersynchronen Betrieb ist die Statorfrequenz Sf größer als das

Produkt aus der Polpaarzahl und der Drehzahl p n⋅ . Der Rotor der

Maschine wird beschleunigt. Dazu nimmt die ASM elektrische Leistung

über die Statorklemmen auf.

3.6.4 Hochlauf am starren Netz bzw. mit einem Umric hter

Nachfolgend soll die Energiebilanz für einen Hochlauf einer unbelasteten 0LM =

ASM erstellt werden. Im ersten Fall wird die Maschine durch Schließen eines

Schützes direkt mit dem Drehspannungsnetz verbunden. Die Energie, die die

ASM dem Drehspannungsnetz entnimmt, kann durch Integration der

Statorleistung ( )SP t zu

0

( )N S

t

W P t dt∞

=

= ∫ (3.89)

berechnet werden. Dabei wird das Schütz zum Zeitpunkt 0t = geschlossen.

Für die weiteren Berechnungen wird zur Vereinfachung der Statorwiderstand

vernachlässigt ( 0SR = ), so dass Stator- und Drehfeldleistung identisch sind vergl.

Bild (3.2). Mit ( ) ( )S DP t P t= folgt

Page 128: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 122

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0

( )N D

t

W P t dt∞

=

= ∫ (3.90)

Mit

D i synP M ω= ⋅ (3.91)

und ( 0LM = )

i

dM J

dtω= ⋅ (3.92)

folgt

2

00

synsyn

N syn syn synW J d J Jω

ω ω

ωω

ω ω ω ω ω=

==

= ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅∫ . (3.93)

Bei vernachlässigbaren Statorverlusten ( 0SR = ) gilt gemäß Bild 3.2 die folgende

Energiebilanz

,= +N kin V RW W W . (3.94)

Dabei ist

212kin synW J ω= ⋅ ⋅ (3.95)

die gespeicherte kinetische Energie. Hiermit resultiert die Verlustenergie, die im

Rotor in Wärme umgesetzt wird zu

2,

12V R synW J ω= ⋅ ⋅ . (3.96)

Page 129: El Antriebe1

3.6 Drehzahlverstellmethode 123

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Im zweiten Fall wird die ASM von einem Umrichter gespeist. Während des

Beschleunigungsvorgangs regelt der Umrichter eine konstante Rotorfrequenz

Rf const= ein.

Vernachlässigt man die Statorverluste so folgt

0

( )N D

t

W P t dt∞

=

= ∫ , (3.97)

mit

SD i syn iP M M

pωω= ⋅ = ⋅ (3.98)

und ( 0LM = )

i

dM J

dtω= ⋅ (3.99)

folgt

ω ω

ω ω

ω ω ω ω= =

⋅= = ⋅∫ ∫, ,

0 0

syn N syn N

SN S

J JW d d

p p . (3.100)

Dabei ist ω ,syn N die synchrone Winkelgeschwindigkeit der ASM bei Speisung mit

Statornennfrequenz ω ω=S SN .

Mit Gl. (3.77) resultiert Gl. (3.100) zu

( ), ,

2

00

12

syn N syn N

N R R

J JW p d p

p p

ω ω

ω

ω ω ω ω ω ω=

= ⋅ ⋅ + = ⋅ ⋅ + ⋅

∫ (3.101)

bzw.

Page 130: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 124

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

,

2, ,

12

kin V R

N syn N R syn N

W W

JW J

pω ω ω= ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

. (3.102)

Erfolgt der Hochlauf mit Nennmoment ( i iNM M= ) dann beträgt die Rotorfrequenz

R RNω ω= . Mit dem Nennschlupf RNN

SN

sωω

= und SNsyn p

ωω = folgt

2,V R N SN syn N Syn

JW s J s

pω ω ω= ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ . (3.103)

Für eine typische ASM mit einem Nennschlupf von 4%Ns = verringern sich die

Rotorverluste während eines Hochlaufs durch Umrichterspeisung auf 2

, 0,04V R SynW J ω= ⋅ ⋅ im Vergleich zu den Rotorverlusten 2, 0,5V R SynW J ω= ⋅ ⋅ bei

einem Hochlauf am starren Netz. Das heißt, ein „Umrichterhochlauf“ wirkt sich

günstig auf die thermische Belastung des Rotors aus.

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparamete r

Im Folgenden wird beschrieben, wie man die Maschinenparameter zum ein-

phasigen Ersatzschaltbild einer ASM ermitteln kann. Die Eisen- und Reib-

verlustleistungen wurden im Widerstand ,Fe RbR zusammengefasst

(vergl. Bild 3.29).

Page 131: El Antriebe1

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparameter 125

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

SU

SI SX σ SR RX σ′

ShX RRR R

s

sR

s

R ′−+′=′ 1

'RI

µI,Fe RbI

,Fe RbR

Bild 3.29 Einphasiges Ersatzschaltbild einer ASM mit Kurzschlussläufer

Die Maschinenparameter einer ASM

• Statorstreuimpedanz SX σ ,

• Rotorstreuimpedanz RX σ′ ,

• Hauptimpedanz ShX ,

• Statorwiderstand SR ,

• Rotorwiderstand RR′ und

• Fiktiver Verlustwiderstand ,Fe RbR

können durch zwei Messungen, dem sog. Leerlaufversuch und dem Kurzschluss-

versuch, ermittelt werden. Zur Auswertung der beiden Versuche ist es erforder-

Page 132: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 126

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

lich, die Wirkleistungsaufnahme und die Scheinleistungsaufnahme der Maschine

zu ermitteln.

In der Praxis verwendet man häufig die Aronschaltung zur Leistungsmessung.

3.7.1 Leistungsmessung mit der Aronschaltung

Mit der Aronschaltung kann man die Wirkleistungsaufnahme eines beliebigen

dreiphasigen Verbrauchers ermitteln. Da der Nullleiter nicht angeschlossen ist,

muss die Summe der drei Netzströme

1 2 3 0i i i+ + = (3.104)

zu jedem Zeitpunkt null sein.

1i

2i

3i

1L

2L

3L

NL

1u 2u 3u

Z1U

2U 3U

12U

23U

31U

1

2 3

Bild 3.30 Spannungen und Ströme eines Dreiphasensystems

Die komplexe Scheinleistungsaufnahme S des Verbrauchers nach dem Bild 3.30

ist durch

Page 133: El Antriebe1

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparameter 127

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

* * *1 2 31 2 3S P j Q U I U I U I= + ⋅ = ⋅ + ⋅ + ⋅ (3.105)

gegeben. Dabei sind die Leiterspannungen mit 1U , 2U , 3U und die konjugiert-

komplexen Leiterströme mit *1I , *

2I und *3I bezeichnet. Wie dem Zeigerdiagramm

(Bild 3.30) zu entnehmen ist, können die Leiterspannungen 1U und 3U durch

1 12 2U U U= + (3.106)

und mit 32 23U U= −

3 32 2U U U= + (3.107)

ausgedrückt werden.

Durch Einsetzen der Gln. (3.107) und (3.106) in (3.105) resultiert

( )

* * * * *1 1 2 3 312 2 2 32 2

* * * * *1 3 1 2 312 32 2

0

S U I U I U I U I U I

S U I U I U I I I

=

= ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅

= ⋅ + ⋅ + + +

. (3.108)

Der Realteil der Gl. (3.108) liefert die Wirkleistung, da die Summe der drei Leiter-

ströme null ist, kann die Wirkleistung mit zwei Leistungsmessern gemessen wer-

den. Die Wirkleistung folgt zu

12 1 12 32 3 32Re cos cosP S U I U Iϕ ϕ= = ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ . (3.109)

Um die Wirkleistung mit zwei Leistungsmessern zu erfassen, müssen mit dem

ersten Leistungsmesser die Spannung 12U und der Leiterstrom 1I und mit dem

zweiten Leistungsmesser die Spannung 32U und der Leiterstrom 3I gemessen

Page 134: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 128

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werden. Das Bild 3.31 zeigt die Verschaltung von zwei Leistungsmessern zur

Erfassung der Wirkleistung eines dreiphasigen Verbrauchers (Aronschaltung).

1i

3i

1L

2L

3L

Z

12u

32u

2i

Bild 3.31 Messung der Wirkleistung eines beliebig dreiphasigen Verbrauchers

3.7.1.1 Leerlaufversuch

Zur Durchführung des Leerlaufversuchs wird die Maschine ohne mechanische

Belastung an ein Drehspannungsnetz mit Nennspannung und Nennfrequenz an-

geschlossen. Dabei werden der Leerlaufstrom ,0SI , die Leerlaufstatorspannug

,0SU und mit einem Leistungsmesser die Wirkleistungsaufnahme ,0SP gemessen.

Bei allen drei Größen handelt es sich um Stranggrößen. Bei der Durchführung

des Leerlaufversuchs dreht sich die Maschine mit synchroner Winkelge-

schwindigkeit synω , d. h. der Rotorstrom RI′ ist in guter Näherung null.

Page 135: El Antriebe1

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparameter 129

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Darüber hinaus wird angenommen, dass der Statorwiderstand SR sehr viel

kleiner ist als der Widerstand ,Fe RbR , der die Eisen- und Reibverluste reprä-

sentiert. Des Weiteren sei die Hauptinduktivität ShL sehr groß gegenüber der

statorseitigen Streuinduktivität SL σ .

Der Statorwiderstand SR lässt sich z. B. mit einer Gleichstrommessung be-

stimmen.

Bei bekanntem Statorwiderstand lassen sich die Statorleerlaufverluste zu

2, ,0V S S SP R I= ⋅ (3.110)

bestimmen. Die Statorleerlaufleistung ,0SP wird in den beiden Widerständen SR

und ,Fe RbR in Wärme umgesetzt. Mit

, , ,0 ,V Fe Rb S V SP P P= − (3.111)

können die Stromwärmeverluste des Widerstands ,Fe RbR berechnet werden. Da

voraussetzungsgemäß ,S Fe RbR R≪ und S ShL Lσ ≪ gilt, kann der Spannungsabfall

am Statorwiderstand SR und an der statorseitigen Streuinduktivität SL σ vernach-

lässigt werden. Hiermit kann der Strom durch den fiktiven Widerstand ,Fe RbR zu

, ,,

,0

≈ V Fe RbFe Rb

S

PI

U (3.112)

bestimmt werden.

Der Widerstand ,Fe RbR , der die Eisen- und Reibverluste repräsentiert, resultiert zu

2,0

,, ,

SFe Rb

V Fe Rb

UR

P≈ . (3.113)

Page 136: El Antriebe1

3 Asynchronmaschine (ASM) 130

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Der Statorleerlaufstrom ,0SI setzt sich aus den beiden orthogonalen Strömen Iµ

und ,Fe RbI zusammen. Hiermit resultiert der Magnetisierungsstrom zu

2 2,0 ,S Fe RbI I Iµ = − . (3.114)

Näherungsweise gilt für die Hauptimpedanz

,0SS Sh Sh

UL X

ω ⋅ = ≈ . (3.115)

3.7.1.2 Kurzschlussversuch

Der sog. Kurzschlussversuch wird bei festgebremster Maschine durchgeführt.

Gemessen werden der Statorkurzschlussstrom ,S KI , die Statorspannung ,S KU und

die Wirkleistungsaufnahme während des Kurzschlussversuchs ,S KP . Bei der Ver-

suchsdurchführung wird die Statorspannung z.B. mit einem Verstelltransformator

so lange vergrößert, bis der Statorstrom seinen Nennwert erreicht , ,S K S NI I= . Da

der Magnetisierungsstrom Iµ sehr klein gegenüber dem Statorkurzschlussstrom

,S KI ist, kann der Magnetisierungsstrom vernachlässigt werden. Somit muss nur

das Ersatzschaltbild bestehend aus Stator-, Rotorwiderstand, Statorstreu-

induktivität und Rotorstreuinduktivität betrachtet werden.

Mit der Statorkurzschlussleistung ,S KP und dem Statorkurzschlussstrom ,S KI kann

die Serienschaltung aus ,S k S RR R R′= + zu

,, 2

,

S KS k S R

S K

PR R R

I′= + = (3.116)

Page 137: El Antriebe1

3.7 Messtechnische Bestimmung der Maschinenparameter 131

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berechnet werden. Bei bereits bestimmtem Statorwiderstand SR lässt sich der

auf den Stator bezogene Rotorwiderstand RR′ berechnen.

Mit der Statorkurzschlussspannung ,S KU und dem Statorkurzschlussstrom ,S KI

resultiert die Kurzschlussimpedanz zu

,,

,

S KS K

S K

UZ

I= . (3.117)

Damit kann die Summe der Stator- und Rotorstreuinduktivität zu

( ) 2 2, ,S S R S R S K S KL L X X X Z Rσ σ σ σ σω ′ ′⋅ + = = + = − (3.118)

berechnet werden.

Bei den meisten realen Maschinen sind aus Symmetriegründen die beiden

Streuinduktivitäten etwa gleich groß, so dass gilt:

S RL Lσ σ′≈ (3.119)

bzw.

S RX Xσ σ′≈ . (3.120)

Page 138: El Antriebe1
Page 139: El Antriebe1

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Page 140: El Antriebe1
Page 141: El Antriebe1

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

4 Synchronmaschine (SM)

In der Energieversorgung sowie in der Automatisierungstechnik ist die Synchron-

maschine weit verbreitet. Im Vergleich zur Asynchronmaschine weist die Syn-

chronmaschine zwei wesentliche Vorteile auf. Die Drehzahl der Maschine ist syn-

chron zur Frequenz Sf des speisenden Drehspannungssystems. Zum anderen

kann bei der fremderregten Synchronmaschine bei gegebener Wirkleistungsauf-

nahme die Blindleistungsaufnahme der Maschine über die Erregung verstellt

werden.

Die Entwicklung der Synchronmaschine ist eng mit dem Ausbau der elektrischen

Energieversorgung verbunden. Synchrongeneratoren werden im Leistungs-

bereich von 10 Wµ bis ca. 1,7GW gefertigt.

In den letzten Jahren hat die Synchronmaschine als Industrieantrieb mit verstell-

barer Drehzahl stark an Bedeutung gewonnen. Hierzu muss die SM z. B. mit ei-

nem leistungselektronischen Stellglied, das ein Drehspannungs- oder Dreh-

stromsystem mit verstellbarer Ausgangsspannung bzw. mit verstellbarem Aus-

gangsstrom und variabler Frequenz generiert, gespeist werden.

In der Feinwerktechnik werden Synchronmaschinen als Positionierantriebe z. B.

für Uhren, Drucker, Fotogeräte in großen Stückzahlen eingesetzt. Wenn es sich

um eine offene Regelkette handelt, spricht man von einem Schrittmotorantrieb.

Wird zur Kommutierung die Rotorposition herangezogen, dann spricht man von

einer elektronisch kommutierten Maschine (EC-Maschine). Die Tabelle 3.1 gibt

einen Überblick über die verschiedenen Einsatzgebiete und die

Leistungsbereiche der gängigen Synchronmaschinen.

Page 142: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 136

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Tabelle 4.1 Leistungsbereich und Einsatzgebiete von Synchronmaschinen

Typ Leistungsbereich Einsatzgebiete

Permanenter-regte Synchron-maschine

100 30−W kW Servoantriebe, Werkzeug-maschinen, Gruppenantriebe

Schenkelpol-maschine

5 1kW GW− Notstromgeneratoren, lang-samlaufende Industrieantriebe, Generatoren für Wasserkraftwerke

Vollpolmaschine 100 1,7kW GW− Generatoren in Kraftwerken, Verdichter, Mühlenantriebe

Schrittmotoren 10 500W Wµ − Quarzuhren, Positionierantriebe, Feinwerktechnik

4.1 Prinzipieller Aufbau der SM

Synchronmaschinen können entsprechend der Erregung in fremd- und selbst-

erregte Maschinen unterteilt werden. Die Erregung der SM ist in der Regel im

Läufer untergebracht. Bei der permanenterregten SM ist die Erregung durch

Dauermagnete, die z. B. auf den Läufer aufgeklebt sind realisiert. Nachteilig ist,

dass die Erregung nicht verstellt werden kann. Bei der fremderregten SM befindet

sich auf dem Läufer eine Erregerwicklung. Die Stromzufuhr erfolgt über

Schleifringe.

Der Läufer einer SM kann als Vollpol- oder Schenkelpolläufer ausgeführt sein.

Das Bild 4.1 zeigt die möglichen Bauformen von Synchronmaschinen.

Page 143: El Antriebe1

4.1 Prinzipieller Aufbau der SM 137

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Synchron-maschine

permanent-erregte

fremd-erregte

Vollpol-SM

Schenkelpol-SM

Vollpol-SM

Schenkelpol-SM

Bild 4.1 Bauformen von Synchronmaschinen

Der Luftspalt einer Vollpolmaschine ist bezüglich des Umfangs in guter Näherung

konstant. Höherpolige Maschinen werden in der Regel als Schenkelpolmaschinen

ausgeführt. Dabei sind auf den ausgeprägten Polen die Erregerwicklungen

untergebracht. Der Luftspalt ändert sich bedingt durch die mechanische

Konstruktion entlang des Umfangs der Maschine.

Das Bild 4.2 zeigt die Bestandteile einer permanenterregten Synchronmaschine

mit Rotorlagegeber.

Page 144: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 138

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

RotorLagerSchneckenrad Schneckenrad Lagerschild LagegeberRotorLagerSchneckenrad Schneckenrad Lagerschild Lagegeber

Bild 4.2 Baugruppen einer permanenterregten SM mit Rotorlagegeber

Das Bild 4.3 zeigt den Rotor einer Synchronmaschine mit eingebetteten

Permanentmagneten.

Page 145: El Antriebe1

4.1 Prinzipieller Aufbau der SM 139

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Eingebettete Permanentmagnete

Rotor

Blechpaket(mag. leitend)

Bild 4.3 Rotor einer Synchronmaschine mit eingebetteten Permanentmagneten

Das Bild 4.4 zeigt den Aufbau des Stators einer Synchronmaschine.

Page 146: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 140

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Statorwicklung

Statorpol

Bild 4.4 Stator einer Synchronmaschine

Page 147: El Antriebe1

4.1 Prinzipieller Aufbau der SM 141

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Sai

Sau

SbuSbi

ScuSci

S

N

Sai

Sau

SbuSbi

ScuSci

S

N

Bild 4.5 Prinzipieller Aufbau einer SM mit der Polpaarzahl 1p = links mit Vollpolläufer (oder Turborotor) rechts mit Schenkelpolläufer

Das Bild 4.5 zeigt den Aufbau einer SM mit der Polpaarzahl = 1p .

Der Läufer der SM dreht sich synchron mit der Winkelgeschwindigkeit des spei-

senden Drehspannungsnetz Sω . Mit der Polpaarzahl p resultiert für die

Winkelgeschwindigkeit der Welle

Ssyn p

ωω = , (4.1)

bzw.

2S S

syn

fn

p pωπ

= =⋅ ⋅

. (4.2)

Hierbei ist synn die Synchrondrehzahl der Maschine und Sf die Statorfrequenz. In

der Tabelle 4.2 sind die Synchrondrehzahlen einer SM bei Speisung mit der

Statorfrequenz 50Sf Hz= für verschiedene Polpaarzahlen p aufgelistet.

Page 148: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 142

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Tabelle 4.2 Synchrondrehzahl einer SM für 50Sf Hz= als Funktion der Polpaarzahl p

p 1 2 3 4

synn 13000min− 11500min− 11000min− 1750min−

Das Bild 4.6 zeigt exemplarisch eine Schenkelpolmaschine mit der Polpaarzahl

2p = . Entlang des mechanischen Umfangs des Läufers bilden sich zwei Nord-

und zwei Südpole aus. Im Ständer sind sechs Wicklungen untergebracht, von

denen jeweils die zwei um 180° versetzten Wicklungen in Serie oder parallel ge-

schaltet sind. Je nach Auslegung der Wicklungen und Netzspannung kann die

Maschine in Stern oder in Dreieck geschaltet werden.

Page 149: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 143

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

N

S

N

S

N

Sai

Sau

SbuSbi

Sbu

ScuSci

Sai

Sau

SbuSbi

Scu

Sci

Bild 4.6 Schenkelpolmaschine mit 2p =

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmasc hine

Nachfolgend wird das stationäre Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine abge-

leitet, wobei zunächst davon ausgegangen wird, dass der Statorwiderstand ver-

nachlässigt werden kann 0SR ≈ . Des Weiteren wird ein sinusförmiger Verlauf der

Luftspaltinduktion LB entlang des Umfangs (vergl. Bild 4.7) vorausgesetzt.

Page 150: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 144

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S

N

aW

cW

bW

aW

cWbW

γLB

LB

γ2 π⋅

π

bI

cI

aIfI

Bild 4.7 Vollpolsynchronmaschine mit sinusförmigem Verlauf der Luftspalt-induktion LB

Wenn sich der Läufer dreht, wird in den drei Wicklungen aW , bW und cW eine

Spannung induziert. Die innere Spannung kann mit der aktiven Leiterlänge l , der

Luftspaltinduktion LB der Windungszahl SN und der Tangentialgeschwindigkeit v

zu

ν = ⋅ ⋅ ⋅2 Lu B l v mit , ,a b cν = (4.3)

berechnet werden. Der Faktor 2 berücksichtigt, dass jeweils ein Hin- und ein

Rückleiter in Serie geschaltet sind und damit die beiden Teilspannungen addiert

werden müssen.

Die innere Spannung der SM wird in der Literatur als Polradspannung PU be-

zeichnet. Setzt man einen linearen magnetischen Kreis voraus, dann resultiert die

Polradspannung zu

P f synU k I ω= ⋅ ⋅ . (4.4)

Page 151: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 145

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Hierbei ist der Erregerstrom mit fI und die Winkelgeschwindigkeit mit der sich die

Welle dreht mit synω bezeichnet. In der Konstanten k sind alle Geometriefaktoren

der Maschine zusammengefasst.

Vernachlässigt man den SR Statorwiderstand sowie die Eisenverluste, dann kann

für den stationären Betrieb am Netz das folgende einphasige Ersatzschaltbild

abgeleitet werden.

SU

SI

PU

SS hj L Iω⋅ ⋅ ⋅

ω ⋅ =S h hL X

FU

FI

Bild 4.8 Ersatzschaltbild einer Vollpolsynchronmaschine

Die Statorspannung SU sowie die Polradspannung PU werden durch komplexe

Effektivwerte dargestellt. Der Winkel zwischen der Statorspannung SU und der

Polradspannung PU heißt Polradwinkel ϑ .

Ist die Polradspannung PU größer als die Ständerspannung SU , so spricht man

von einer übererregten Maschine. Ist die Polradspannung kleiner als die Ständer-

spannung, dann bezeichnet man die Maschine als untererregt.

Page 152: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 146

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

4.2.1 Leistungsbilanz und inneres Drehmoment

Ausgehend von der Definition der komplexen Scheinleistung werden nachfolgend

Beziehungen zur Berechnung der Wirk- und Blindleistungsaufnahme abgeleitet.

Bei vernachlässigbarem Ständerwiderstand SR lässt sich das innere Dreh-

moment der Maschine berechnen. Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtun-

gen ist die Definition der komplexen Scheinleistung

*3 SS SS U I= ⋅ ⋅ . (4.5)

Der Maschine wird über die Ständerklemmen die komplexe Ständerleistung SS ,

die sich aus der Ständerspannung SU und dem konjugiert komplexen Ständer-

strom *SI berechnet, zugeführt. Der Faktor 3 in Gl. (4.5) berücksichtigt die drei

Stränge der Maschine.

Für die weiteren Analysen wird zur Vereinfachung der Zeiger der Ständerspan-

nung SU in die reelle Achse gelegt, sodass die Ständerspannung zu einer reellen

Größe wird S SU U→ .

Aus den Bild 4.8 kann mit der obigen Vereinfachung unmittelbar die Spannungs-

gleichung

S PS S hU j L I Uω= ⋅ ⋅ + (4.6)

abgelesen werden.

Aufgrund der Spannungsdifferenz zwischen der Ständer- SU und der Polrad-

spannung PU stellt sich der Ständerstrom

PSS

S h

U UI

j Lω−=

⋅ (4.7)

ein.

Page 153: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 147

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Der konjugiert komplexe Ständerstrom resultiert zu

** PSS

S h

U UI

j Lω−=

− ⋅ . (4.8)

Da die Ständerspannung SU in die reelle Achse gelegt wurde, und die Polrad-

spannung mit der Ständerspannung den Polradwinkel ϑ einschließt, lässt sich

die Polradspannung durch

jP PU U e ϑ= ⋅ (4.9)

bzw. die konjugiert komplexe Polradspannung ist

* jP PU U e ϑ−= ⋅ (4.10)

darstellen.

Dabei ist PU gerade der Betrag der Polradspannung PPU U= .

Durch Einsetzen von Gl. (4.10) in Gl. (4.8) und Gl. (4.8) in (4.5) folgt

[ ]23 3 3

cos( ) sin( )j

S S P S S PS

S h S h S h

U U U e U U US j

j L j L j L

ϑ

ϑ ϑω ω ω

− ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ = = + ⋅ −− ⋅ − ⋅ ⋅

(4.11)

bzw.

3 3sin( ) cos( )S P S P S

S S SS h S h P

U U U U US P jQ j

L L Uϑ ϑ

ω ω ⋅ ⋅ ⋅ ⋅= + = − + − ⋅ ⋅

. (4.12)

Hiermit folgt die Wirk- und Blindleistungsaufnahme der Maschine zu

3sin( )S P

SS h

U UP

ω⋅ ⋅= −

⋅ , (4.13)

Page 154: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 148

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

bzw.

3cos( )S P S

SS h P

U U UQ

L Uϑ

ω ⋅ ⋅= − ⋅

. (4.14)

Wenn die Ständerverluste vernachlässigbar klein sind ( 0SR = ) muss die Wirk-

leistung SP , die die Maschine über den Ständer aufnimmt, gleich der inneren

mechanischen Leistung mechiP sein. Somit folgt

S mechi i synP P M ω= = ⋅ . (4.15)

Das innere Drehmoment iM resultiert mit Gl. (4.13) zu

3sin( )mechi S S P

isyn syn syn S h

P P U UM

ω ω ω ω⋅ ⋅= = = −

⋅ ⋅ . (4.16)

Der Gl. (4.16) kann entnommen werden, dass das innere Drehmoment für

Polradwinkel im Bereich 02π ϑ− ≤ < positive Werte annimmt. Das heißt, die

Maschine wirkt motorisch, sie nimmt über den Ständer elektrische Wirkleistung

auf und gibt mechanische Leistung über die Welle ab. Die Maschine entwickelt

bei dem Polradwinkel π ϑ− =2

(vergl. (4.16)) das maximale innere Drehmoment

,maxiM . Das Lastmoment LM der Arbeitsmaschine muss immer kleiner als das

maximale innere Drehmoment ,maxiM sein, da sich sonst kein stabiler Arbeitspunkt

einstellen kann. Wenn die Maschine motorisch überlastet wird fällt sie außer Tritt.

Sie generiert im Mittel kein Drehmoment mehr.

Wenn die SM über die Welle mechanische Leistung aufnimmt, was gleich-

bedeutend mit negativem inneren Drehmoment iM ist, dann stellt sich ein Polrad-

Page 155: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 149

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

winkel in Bereich 02πϑ< ≤ ein. Die mechanische Leistung, die die Maschine

über die Welle aufnimmt, wird als elektrische Leistung in das Versorgungsnetz

eingespeist, die SM wirkt generatorisch. Für den Polradwinkel 2πϑ = stellt sich

gerade das maximale innere Drehmoment, das z.B. eine Turbine an der Welle

einprägen kann, ein. Wird das Antriebsmoment weiter erhöht, dann fällt die

Maschine ebenfalls außer Tritt. In diesen Fall überdreht die Maschine.

iM

ϑ2π−

LM

,maxiM

Bild 4.9 Inneres Drehmoment iM in Abhängigkeit der Polradwinkels ϑ

Page 156: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 150

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Dem Bild 4.10 können die Wirk- und Blindleistungsverhältnisse einer SM für ver-

schiedene Polradspannungen und verschiedene Polradwinkel entnommen wer-

den.

ϑϑ

⋅⋅

hS

S

S

L

U

Q

ω

23

⋅⋅

hS

S

S

L

U

Q

ω

23

⋅⋅

hS

S

S

L

U

P

ω

23

⋅⋅

hS

S

S

L

U

P

ω

23

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

−π/2 −π/4 0 π/4 π/2

5,1=S

P

U

U

1=S

P

U

U

5,0=S

P

U

U

5,1=S

P

U

U

1=S

P

U

U5,0=

S

P

U

U

motorisch schgeneratori-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

.kap

.ind

Bild 4.10 Wirk- SP und Blindleistung SQ als Funktion des Polradwinkels ϑ für

1,5P

S

UU

= , 1P

S

UU

= und 0,5P

S

UU

=

Page 157: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 151

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

Positive Blindleistungsaufnahme SQ bedeutet die Maschine wirkt induktiv, nega-

tive Blindleistungsaufnahme bedeutet die Maschine wirkt kapazitiv. Über das in-

nere Drehmoment iM kann die Wirkleistung, die die Maschine mit dem Ver-

sorgungsnetz austauscht, beeinflusst werden.

Für 0iM = folgt unmittelbar aus Gl. (4.16) 0ϑ = und damit 0SP = . Für P SU U=

ist die Blindleistung SQ ebenfalls null. Für P SU U< und 0iM = wirkt die Maschine

induktiv. Für P SU U> und 0iM = wirkt die Maschine kapazitiv. Das heißt, durch

Verstellen der Polradspannung kann die Blindleistungsbilanz beeinflusst werden.

4.2.2 Zeigerdiagramme einer Vollpolmaschine

Meist werden zur Analyse des stationären Betriebsverhaltens einer SM Zeiger-

diagramme verwendet. Das Bild 4.11 zeigt exemplarisch vier Zeigerdiagramme

für ausgewählte Betriebsmodi.

Page 158: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 152

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

PUSU

SS Sj L Iω ⋅ ⋅

SI

PUSU

SS Sj L Iω ⋅ ⋅

SI

SU

SI

PU

SS Sj L Iω ⋅ ⋅

SU

SI

PU

SS Sj L Iω ⋅ ⋅

übererregt, kapazitiv

untererregt, induktiv übererregt, generatorisch

übererregt, motorisch

00

S

S

PQ

<=

00

S

S

PQ

>=

00

S

S

PQ

=<

00

S

S

PQ

=>

ϑ

ϑ

Bild 4.11 Zeigerdiagramme für 0SP = und 0SQ > bzw. 0SQ < sowie 0SQ =

und 0SP > und 0SP <

Das Bild 4.12 zeigt die Ortskurve der Polradspannung für konstante Ständer-

spannung .SU const= und konstantem Ständerstrom .SI const= Dabei wurde

die Ständerleistung SP und die Polradspannung PU variiert.

Page 159: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 153

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

SU

PU

S h Sj L Iω ⋅ ⋅

a

b

c

d

a

b

c

d

SI

ϕ

ϑ

untererregt

übererregt

motorischgeneratorisch

Bild 4.12 Zeigerdiagramm zu verschiedene Betriebszustände für .SI const= und SU const= . Der Phasenwinkel zwischen Statorstrom

und Statorspannung ϕ wird im Bereich π ϕ π− < < variiert a) motorischer Betrieb, übererregt b) Phasenschiebebetrieb, übererregt, kapazitiv c) generatorischer Betrieb, übererregt b) Phasenschiebebetrieb, untererregt, induktiv

Page 160: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 154

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

4.2.3 Vollständiges Ersatzschaltbild einer Vollpols ynchronmaschine

In den vorangegangenen Abschnitten wurde das stationäre Betriebsverhalten

eine Vollpolmaschine analysiert. Dabei wurde der Spannungsabfall am Ständer-

widerstand vernachlässigt d. h. 0SR = . Diese Vereinfachung ist insbesondere bei

kleinen Maschinen unzulässig. Das Bild 4.13 zeigt das vollständige Ersatz-

schaltbild einer Vollpolmaschine. Der Widerstand SR repräsentiert den

Wicklungswiderstand der Ständerwicklung. Die Hauptreaktanz hX wird durch den

Verkopplungsfluss gebildet. Die Ständerstreureaktanz ist mit SX σ bezeichnet.

SU

SI

PU

σSX

FU

FI

ShX SR

Bild 4.13 Vollständiges Ersatzschaltbild einer Vollpolsynchronmaschine

Im Zeigerdiagramm zum obigen Ersatzschaltbild sind die Spannungsabfälle an

dem Statorwiderstand SR , an der Hauptreaktanz hX und an der Ständerstreu-

reaktanz SX σ zu berücksichtigen. Das Bild 4.14 zeigt exemplarisch das Zeiger-

diagramm für 0SP < und 0SQ = . In diesem Fall ist die Maschine übererregt, sie

wirkt generatorisch.

Page 161: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 155

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

SU

SI

PU

( ) SSh Sj X X Iσ⋅ + ⋅

00

S

S

PQ

<=

ϑ

SSR I⋅

Bild 4.14 Zeigerdiagramm einer Vollpolmaschine. Die Maschine wirkt rein generatorisch und ist übererregt

4.2.4 Schenkelpolmaschine

Bei der Schenkelpolmaschine, ist aufgrund des unterschiedlichen Luftspalts

entlang des Umfangs, die Hauptreaktanz der SM eine Funktion der

Polradstellung. Das Bild 4.15 zeigt die Ständerreaktanz als Funktion des

Polradwinkels.

Page 162: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 156

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SX

ϑ0 π 32π⋅π

2

dX

qX

Bild 4.15 Ständerreaktanz als Funktion der Polradstellung

Entsprechend der Polradlage können gemäß dem Bild 4.16 die d- und q-Achse

eingeführt werden. Da in der d-Achse der Luftspalt minimal ist, nimmt die

Ständerinduktivität in der d-Achse das Maximum an. In der q-Achse nimmt der

Luftspalt den größten Wert an. Daher ist in der q-Achse die Ständerinduktivität

am kleinsten.

d-Achse

q-Achse

Bild 4.16 d- und q-Achse bei einer Schenkelpolmaschine

Die Ständerinduktivität der Synchronschenkelpolmaschine kann durch die zwei

Reaktanzen

Page 163: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 157

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d hd SX X X σ= + (4.17)

und

σ= +q hq SX X X (4.18)

beschrieben werden.

Dabei ist die Ständerstreureaktanz mit SX σ , die Hauptinduktivität in der d-Achse

mit hdX und die Hauptinduktivität in der q-Achse mit hqX bezeichnet. Hierbei gilt

hd hqX X> .

4.2.4.1 Zeigerdiagramm einer Schenkelpolmaschine

Das Bild 4.17 zeigt das Zeigerdiagramm einer Schenkelpolsynchronmaschine.

Dazu wurde der Statorstromzeiger SI bezüglich der Polradspannung in die zwei

orthogonalen Komponenten SdI und SqI zerlegt. Es gilt

S Sd SqI I I= + . (4.19)

Die Stromkomponente SdI verursacht in Verbindung mit der Reaktanz der

Maschine in der d -Achse den Spannungsabfall Sddj X I⋅ ⋅ in der d -Achse. Der

Spannungsabfall in der q -Achse berechnet sich zu Sqqj X I⋅ ⋅ .

Page 164: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 158

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PU

Sddj X I⋅ ⋅

Sqqj X I⋅ ⋅

SU

SI

SdI

SqI

ϑ

Bild 4.17 Zeigerdiagramm für eine Schenkelpolsynchronmaschine

In der d -Achse gilt die folgende Spannungsgleichung

cos( ) jSdS P dU e U j X Iϑϑ ⋅⋅ ⋅ = + ⋅ ⋅ , (4.20)

analog folgt die Spannungsgleichung für die q -Achse

Page 165: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 159

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

sin( ) jSqS qj U e j X Iϑϑ ⋅− ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ . (4.21)

Die Gl. (4.20) kann nach dem Strom SdI zu

cos( ) cos( )j jS P P S

Sdd d

U e U U U eI j

j X X

ϑ ϑϑ ϑ⋅ ⋅⋅ ⋅ − − ⋅ ⋅= = ⋅⋅

(4.22)

aufgelöst werden.

Aus der Gl. (4.21) folgt

sin( ) jS

Sqq

U eI

X

ϑϑ ⋅⋅ ⋅= − . (4.23)

Mit der eulerschen Beziehung

cos( ) sin( )je jϑ ϑ ϑ⋅ = + ⋅ (4.24)

folgt

[ ]sin( ) cos( ) sin( )SSq

q

UI j

Xϑ ϑ ϑ= − ⋅ + ⋅ , (4.25)

bzw.

[ ]cos( ) cos( ) sin( )P PSd

d d

U UI j j j

X Xϑ ϑ ϑ= ⋅ − ⋅ ⋅ + ⋅ . (4.26)

Wendet man die Additionstheoreme 1

sin( ) cos( ) sin(2 )2

ϑ ϑ ϑ⋅ = ⋅ ,

( )2 1sin ( ) 1 cos(2 )

2ϑ ϑ= − ⋅ und ( )2 1

cos ( ) cos(2 ) 12

ϑ ϑ= ⋅ − auf die beiden

Gln. (4.25) und (4.26) dann folgt

Page 166: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 160

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1 1sin(2 )

2

1 1 1 1cos(2 )

2

S Sd Sq

SS

q d

S P

d q q d d

I I I

UI

X X

U Uj j

X X X X X

ϑ

ϑ

= +

= − ⋅ − ⋅ ⋅

− + − − ⋅ ⋅ +

(4.27)

Als nächstes muss der Statorstromzeiger SI bezüglich der Statorspannung SU in

die Wirkkomponente ,S wI und die Blindkomponente ,S bI aufgeteilt werden.

Hierzu multipliziert man Gl. (4.27) mit je ϑ , dann liegt der Statorspannungszeiger

SU in Richtung der reellen Achse (vergl. Bild 4.17).

Es folgt

( )

1 1sin(2 )

2

1 1 1 1cos(2 ) cos( ) sin( ) .

2

SS

q d

S P

d q q d d

UI

X X

U Uj j j

X X X X X

ϑ

ϑ ϑ ϑ

= − ⋅ − ⋅ ⋅

− + − − ⋅ ⋅ + ⋅ + ⋅

(4.28)

Der Realteil von Re SI entspricht dann dem Wirkstrom ,S wI , während der Im SI

den Blindstrom ,S bI darstellt. Für den Wirkstrom gilt

,

1 1sin(2 ) sin( )

2S P

S wq d d

U UI

X X Xϑ ϑ

= − ⋅ − ⋅ ⋅ −

, (4.29)

der Blindstrom berechnet sich zu

,

1 1 1 1cos( ) cos(2 )

2SP

S bd d q q d

UUI

X X X X Xϑ ϑ

= ⋅ − + − − ⋅ ⋅

. (4.30)

Die SM nimmt über den Stator die Blindleistung

Page 167: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 161

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,3S S S bQ U I= ⋅ ⋅ (4.31)

und die Wirkleistung

,3S S S wP U I= ⋅ ⋅ (4.32)

auf.

Unter der Voraussetzung, dass die Statorverlustleistung ( 0SR = ) und die

Eisenverluste vernachlässigbar klein sind, entspricht die über den Stator

aufgenommene Wirkleistung der mechanischen Leistung, welche die Maschine

über die Welle abgibt. Mit der obigen Voraussetzung gilt

, ,3mech i S S S wP P U I= = ⋅ ⋅ . (4.33)

Das innere Drehmoment, das die Maschine generiert, berechnet sich zu

, ,3mech i S S wSi

syn syn syn

P U IPM

ω ω ω⋅ ⋅

= = = , (4.34)

bzw.

3 1 1sin(2 ) sin( )

2S S P

isyn q d d

U U UM

X X Xϑ ϑ

ω ⋅= − ⋅ − ⋅ ⋅ +

, (4.35)

2

synchrones Drehmoment reluktantes Drehmoment

3 3 1 1sin( ) sin(2 )

2

syn R

S P Si

syn d syn q d

M M

U U UM

X X Xϑ ϑ

ω ω ⋅ ⋅ ⋅= − − − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

. (4.36)

Das innere Drehmoment der Schenkelpolsynchronmaschine setzt sich aus zwei

Komponenten zusammen. Das synchrone Drehmoment SynM hängt von der

Page 168: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 162

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Polradspannung PU , der Statorspannung SU und dem Polradwinkel ϑ ab. Bei

der Berechnung des reluktanten Drehmoments RM geht der doppelte Polrad-

winkel ϑ und das Quadrat der Statorspannung SU ein.

−π −π/2 0 π/2 π-1.5

-1

0.5

0

0.5

1

1.5

ϑ

3i

S P

d syn

M

U UX ω

⋅ ⋅ ⋅

i Syn RM M M= +

( ) ( )ϑω

⋅⋅⋅⋅⋅−⋅⋅

−= 2sin2

3 2

synqd

qdSR XX

XXUM

ϑω

sin3 ⋅

⋅⋅⋅−=

synd

PSSyn X

UUM

−π −π/2 0 π/2 π-1.5

-1

0.5

0

0.5

1

1.5

ϑϑ

3i

S P

d syn

M

U UX ω

⋅ ⋅ ⋅

3i

S P

d syn

M

U UX ω

⋅ ⋅ ⋅

i Syn RM M M= +

( ) ( )ϑω

⋅⋅⋅⋅⋅−⋅⋅

−= 2sin2

3 2

synqd

qdSR XX

XXUM

ϑω

sin3 ⋅

⋅⋅⋅−=

synd

PSSyn X

UUM

Bild 4.18 Abhängigkeit des synchronen, reluktanten und inneren Drehmoments einer Synchronmaschine vom Polradwinkel

Page 169: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 163

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

4.2.5 Leistungsbilanz, Wirkungsgrad

In der Leistungsbilanz einer SM sind die Ständerverluste ,V SP und die Erreger-

verluste ,V ErrP zu berücksichtigen. Die dreisträngige Maschine nimmt über den

Ständer die elektrische Leistung

3 cos( )S S SP U I ϕ= ⋅ ⋅ ⋅ (4.37)

auf und gibt über die Welle die mechanische Leistung

,mech i i synP M ω= ⋅ (4.38)

ab.

Mit den Ständerverlusten

2, 3V S S SP R I= ⋅ ⋅ (4.39)

und den Erregerverlusten

2,V Err E FP R I= ⋅ (4.40)

resultiert der Wirkungsgrad zu

η−

= = =+ +

, ,

, ,

mech i S V Sab

auf S V Err S V Err

P P PPP P P P P

. (4.41)

Page 170: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 164

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4.2.6 Synchronisation

Eine Synchronmaschine kann nicht ohne weiteres mittels eines Schützes auf ein

Drehspannungsnetz mit konstanter Spannung und konstanter Frequenz aufge-

schaltet werden. Damit während des Einschaltvorgangs keine unzulässig großen

Ausgleichsströme fließen, muss die Polradspannung mit der Spannung des

Drehspannungsnetzes in Betrag, Frequenz und Phasenwinkel übereinstimmen.

Die Polradspannung kann über die Erregungen der Maschine beeinflusst werden.

Frequenz und Phasenwinkel der Polradspannung können über die Winkel-

geschwindigkeit der Maschinenwelle beeinflusst werden.

4.2.6.1 Dunkelschaltung

Bei der so genannten Dunkelschaltung (Bild 4.19) wird parallel zu jedem

Schütztkontakt eine Lampe angeschlossen. Sobald alle drei Lampen dunkel sind,

ist die Bedingung für die Synchronisierung erfüllt. In der Praxis wird man wie folgt

vorgehen. Als Erstes wird bei geöffnetem Schütz die Synchronmaschine auf

Synchronwinkelgeschwindigkeit gebracht. Dann wird die Erregerspannung

solange vergrößert, bis die Polradspannung den gleichen Wert wie die

Netzspannung annimmt. Die Übereinstimmung der Phasenlage wird durch

gezieltes ausprobieren gefunden. Hierzu wird die Winkelgeschwindigkeit der

Synchronmaschinen vergrößert, beziehungsweise verringert bis alle drei Lampen

erlöschen. Dann wird das Schütz zugeschaltet. Das Bild 4.19 zeigt die

Dunkelschaltung einschließlich des zugehörigen Zeigerdiagramms.

Page 171: El Antriebe1

4.2 Stationäres Betriebsverhalten einer Vollpolmaschine 165

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3NU

SM

Netz

1U∆

2NU 1NU3NU

2PU 1PU3PU

1NU

2NU

1U∆

1PU

2PU

3PU

2U∆

3U∆

ω∆3L 2L 1L

Bild 4.19 Synchronisation einer Synchronmaschine auf ein Dreispannungsnetz mittels der Dunkelschaltung einschließlich des zugehörigen Zeigerdiagramms

4.2.6.2 Gemischte Schaltung

Häufig wird der Dunkelschaltung die empfindlichere gemischte Schaltung

vorgezogen (Bild 4.20). Die Lampe 3L zeigt die Differenz zwischen der

Netzspannung 3NU und der Polradspannug 3PU an. Wenn der Betrag und die

Spannung der beiden Drehspannungssysteme übereinstimmen, erlischt Lampe

3L . Die Lampen 1L und 2L zeigen jeweils eine verkettete Spannung ( )−2 1N PU U

beziehungsweise ( )−1 2N PU U an. Die Synchronisationsbedingung ist genau dann

erfüllt, wenn die Lampe 3L erlischt und die beiden anderen Lampen ( 1L und 2L )

gleich hell aufleuchten.

Page 172: El Antriebe1

4 Synchronmaschine (SM) 166

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3NU

SM

Netz

3U∆

2NU 1NU3NU

2PU 1PU3PU

1NU

2NU

1PU

2PU

3PU

ω∆

3L2L 1L

3L 2L 1L

3U∆

Bild 4.20 Synchronisation einer Synchronmaschine auf ein Dreispannungsnetz mittels der gemischten Schaltung einschließlich des zugehörigen Zeigerdiagramms

Ordnet man die drei Lampen kreisförmig an, so kann an der Reihenfolge in der

die Lampen aufleuchten abgelesen werden, ob sich die Synchronmaschine zu

schnell oder zu langsam dreht.

Page 173: El Antriebe1

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5 Schrittmotor

Vom Aufbau und der Wirkungsweise her sind Schrittmotoren permanenterregte

Synchronmaschinen. Während sich bei der Synchronmaschine das Statorfeld

kontinuierlich dreht, wird beim Schrittmotor das Statorfeld getaktet, um einen

definierten Winkel weitergeschaltet.

Typische Einsatzgebiete des Schrittmotors sind Positionier-, Drucker-,

Uhrenantriebe und Anzeigensteuerungen. Er wird im Leistungsbereich zwischen

10 µW (Antrieb einer Quarzuhr) und 500 W verwendet. Bild 5.1 zeigt den Aufbau

eines Schrittmotorantriebs, bestehend aus dem eigentlichen Motor, einem

leistungselektronischen Stellglied und einer Signalverarbeitung. Dabei handelt es

sich um einen gesteuerten Antrieb (ohne Rückkopplung der Rotorposition).

Signal-verarbeitung

Leistungs-elektronischesStellglied

α2

4 Schritt-motor

sf

Energiequelle

/r l

Bild 5.1: Aufbau eines Schrittmotorantriebs

Die Signalverarbeitung wertet die Steuersignale /r l für Rechts- bzw Linkslauf

aus (Bild 5.2). Mit jedem Impuls auf der Sf -Leitung ( Sf , Schrittfrequenz) schaltet

die Signalverarbeitung den Winkel des Statorfeldes wα um den Schrittwinkel δ

weiter. Der Rotor schließt mit dem Stator den Winkel α ein. Da der Rotor eine

träge Masse besitzt, folgt der Rotor verzögert nach einer sprungförmigen

Änderung der Ausrichtung des Statorfeldes.

Page 174: El Antriebe1

5 Schrittmotor 168

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

/r l

sft

t

t

αwα Ausrichtung des StatorsαAusrichtung des Statorfeldeswα

Bild 5.2: Arbeitsweise der Signalverarbeitung

Bei Schrittmotoren unterscheidet man zwischen unipolaren und bipolaren

Schrittmotoren. Bild 5.3 zeigt den Aufbau eines unipolaren Schrittmotors.

5.1 Unipolarer Schrittmotor

Das Bild 5.3 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines uniploaren Schrittmotors.

Page 175: El Antriebe1

169 5.1 Unipolarer Schrittmotor

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1A

Saψ

Sbψ

2A

1B 2B

S

N

Bild 5.3: Aufbau eines unipolaren Schrittmotors

Der Vorteil des unipolaren Schrittmotors liegt im einfachen Aufbau des

leistungselektronischen Stellglieds. Ein Nachteil stellt die schlechte Ausnutzung

dar, da nur jeweils eine Hälfte der Statorwicklungen bestromt wird und die

nichtbestromten Wicklungen keinen Beitrag zur Drehmomentenbildung leisten.

Das leistungselektronische Stellglied zur Ansteuerung eines unipolaren

Schrittmotors ist in Bild 5.4 dargestellt.

Page 176: El Antriebe1

5 Schrittmotor 170

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

1AL

1SAR

2AL 1BL 2BL

2SBR1SBR2SAR

1T 2T 3T 4T

ZU

Bild 5.4: Leistungselektronisches Stellglied zur Ansteuerung eines unipolaren Schrittmotors

Die vier Statorwicklungen können durch Einschalten der zugeordneten

Leistungstransistoren bestromt werden. Die Entmagnetisierung erfolgt über den

Freilaufkreis, der jeweils aus einer in Serie geschalteten Z-Diode und einer Diode

besteht.

5.2 Bipolarer Schrittmotor

Eine bessere magnetische Ausnutzung im Vergleich zum unipolaren Schrittmotor

erreicht man mit dem bipolaren Schrittmotor. Allerdings ist zu bedenken, dass das

leistungselektronische Stellglied zur Bestromung des bipolaren Schrittmotors die

doppelte Anzahl an Leistungstransistoren benötigt. Die Ansteuerung der „oberen“

Transistoren ist aufwendiger, da das Potenzial des Emitters der „oberen“

Transistoren vom Schaltzustand des Brückenzweigpaares abhängt. Bild 5.5 zeigt

den Aufbau eines bipolaren Schrittmotors.

Page 177: El Antriebe1

171 5.2 Bipolarer Schrittmotor

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Saψ

Sbψ

SaI

SbI

A

B

S

N

Bild 5.5: Aufbau des bipolaren Schrittmotors

5.2.1 Vollschrittbetrieb

Bild 5.6 zeigt das Bestromungsmuster und die Ausrichtung des resultierenden

Statorflusses für den Vollschrittbetrieb. Dabei wird davon ausgegangen, dass in

die beiden Statorwicklungen die Ströme Sai bzw. Sbi eingeprägt werden. Unter

dieser Voraussetzung ändert sich die Ausrichtung des Statorflusses um jeweils

Page 178: El Antriebe1

5 Schrittmotor 172

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

90° . Der Rotor folgt wegen der trägen Masse verzögert und richtet sich im

unbelasteten Fall entlang der Richtung des Statorflusses aus.

SAi

SBi

t

t

2

6

1

5

43

7

1 32 4 5 6

ψ B

ψ A

Bild 5.6: Bestromungsmuster und Ausrichtung des Statorflusses für den Vollschrittbetrieb

5.2.2 Halbschrittbetrieb

Bild 5.7 zeigt das Bestromungsmuster und die Ausrichtung bei Verwendung des

Halbschrittbetriebs. Dabei werden abwechselnd beide Statorwicklungen bzw. nur

eine Statorwicklung bestromt. Hierdurch erreicht man eine feinere Auflösung im

Vergleich zum Vollschrittbetrieb, da sich die Ausrichtung des Statorflusses jeweils

Page 179: El Antriebe1

173 5.3 Start-Stopp-Rampe

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

nur um 45° ändert. Nachteilig beim Halbschrittbetrieb ist, dass der Statorfluss

nicht konstant ist.

SAi

SBi

t

t

2

7

1

54

3

6

1 32 4 5 6

8

7 8 9

ψ B

ψ A

9

Bild 5.7: Bestromungsmuster und Ausrichtung des Statorflusses für den Halbschrittbetrieb

5.3 Start-Stopp-Rampe

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei einem Schrittmotorantrieb um eine reine

Steuerung ohne Rückkopplung der Rotorposition. Das heißt, der Rotor muss

unmittelbar der Ausrichtung des Statorflusses folgen können. Ist dies nicht der

Fall, so fällt der Schrittmotor außer Tritt. Mit anderen Worten, er verliert Schritte.

Bild 5.8 zeigt einen typischen Bewegungsablauf. Der Schrittmotor beginnt die

Page 180: El Antriebe1

5 Schrittmotor 174

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

Bewegung mit der Startfrequenz. Bei Aufschalten der Startfrequenz kann der

Antrieb unmittelbar folgen. Dann wird der Antrieb entsprechend einer Rampe

beschleunigt und verfährt im Anschluss mit konstanter Schrittfrequenz Sf . Im

Anschluss verzögert der Antrieb entsprechend einer Rampenfunktion. Ab der

Stoppfrequenz kann die Schrittfrequenz Sf auf Null reduziert werden, ohne dass

der Rotor überschwingt.

t

Startfrequenz

Stoppfrequenz

Sf

Bild 5.8: Start-Stopp-Rampe zum Beschleunigen und Verzögern eines Schrittmotors

5.4 Stromregelung

Bild 5.9 zeigt die leistungselektronische Ansteuerung eines bipolaren Schritt-

motors.

Page 181: El Antriebe1

175 5.4 Stromregelung

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

1AT 2AT

3AT 4AT

SAU

SAR AL

1BT 2BT

3BT 4BT

SBU

SBR BLZU

Bild 5.9: Leistungselektronisches Stellglied zur Ansteuerung eines bipolaren Schrittmotors

Die Stromregelung kann mit der H-Brückenschaltung Bild 5.10 erfolgen.

Mono-flop −

+

3S 4S

2S1S

SAi

SLSAU

Messwiderstand

,maxSAi

ZU

1D

3D 4D

2D

Bild 5.10: H-Brückenschaltung zur Stromregelung

Page 182: El Antriebe1

5 Schrittmotor 176

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

5.4.1 Alternierenden Taktung

Die vier elektronischen Schalter S1 bis S4 können mit der alternierenden Taktung

angesteuert werden. Diese Art der Stromregelung ist in Bild 5.11 exemplarisch

dargestellt. Dabei soll ein positiver Statorstrom eingeprägt werden. Hier für

bleiben die elektronischen Schalter S2 und S3 ausgeschaltet, während zunächst

die beiden elektronischen Schalter S1 und S4 eingeschaltet werden. Der

Statorstrom SAi fließt über S1, die Statorwicklung S4 und den Messwiderstand

zum Minuspol. Wenn der Statorstrom SAi den vorgegebenen Maximalwert ,maxSAi

erreicht, dann schaltet das Monoflop einen der beiden elektronischen Schalter

(alternierend S1 oder S4 in Bild 5.11) für eine definierte Zeitdauer (z. B. 50 sµ )

aus und danach wieder ein. Während der Ausschaltzeit fließt der Statorstrom SAi

entweder über S1 und D2 oder über S4 und D3. Um einen negativen Statorstrom

einzuprägen, schaltet man stationär die beiden elektronischen Schalter S1 und

S4 aus, während mit den beiden elektronischen Schalter S2 und S3 der

Statorstrom eingeregelt wird.

Page 183: El Antriebe1

177 5.4 Stromregelung

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

,maxSAi

SAi

ZU

SAU

S1 = einS4 = ein

S1 = einS4 = aus

S1 = einS4 = ein

S1 = ausS4 = ein

t

t1t 2t 3t 4t

Bild 5.11: Regelung mit der alternierenden Taktung

5.4.2 Gleichzeitigen Taktung

Eine weitere Möglichkeit, die leistungselektronischen Schalter S1 bis S4

anzusteuern, besteht in der gleichzeitigen Taktung der elektronischen Schalter S1

bis S4. Bild 5.12 verdeutlicht die Arbeitsweise der gleichzeitigen Taktung, für den

Fall, dass ein positiver Statorstrom SAi eingeprägt werden soll. Zunächst werden

die beiden elektronischen Schalter S1 und S4 eingeschaltet. Erreicht der

Page 184: El Antriebe1

5 Schrittmotor 178

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

Statorstrom den Maximalwert, dann werden die beiden elektronischen Schalter

S1 und S4 durch ein Monoflop für eine festgelegte Zeitdauer ausgeschaltet. Der

Statorstrom kommutiert auf die beiden Freilaufdioden D2 und D3, an der

Statorwicklung liegt die Spannung ZU− an. Danach werden wieder die beiden

elektronischen Schalter S1 und S4 eingeschaltet.

Page 185: El Antriebe1

179 5.4 Stromregelung

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

,maxSAi

SAi

ZU

SAU

S1 = einS4 = ein

S1 = ausS4 = aus

S1 = einS4 = ein

S1 = ausS4 = aus

− ZU

t

t

1t 2t 3t 4t

Bild 5.12: Regelung mit der gleichzeitigen Taktung

Die gleichzeitige Taktung ist im Vergleich zur alternierenden Taktung einfacher zu

realisieren. Dies hat jedoch den Nachteil, dass die Welligkeit des Statorstroms

größer ist, da um den Statorstrom einzuregeln beide stromführenden Schalter

ausgeschaltet werden. Damit liegt an der Statorwicklung die Spannung ZU− an.

Page 186: El Antriebe1

5 Schrittmotor 180

09.10.2011 © Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart

Bei der alternierenden Taktung schaltet nur einer der beiden stromführenden

Schalter aus. In diesem Fall liegt an der Statorwicklung die Spannung Null an.

Page 187: El Antriebe1

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

6 Einsatzbedingungen

Elektrische Maschinen müssen an eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen. Zum

einen sind die Maschinen an die Umweltbedingungen anzupassen.

Zum Beispiel

• Umgebungstemperatur

• Aufstellungshöhe

• Berührungsschutz

• Schutz vor eindringendem Wasser

Darüber hinaus muss die Maschine an die Netzanforderungen angepasst werden.

Die Bauform der Maschine muss so ausgewählt werden, dass die Arbeits-

maschine mechanisch montiert und mit der Arbeitsmaschine verbunden werden

kann. Zum Dritten muss die Antriebsmaschine auf den Belastungszyklus der

Arbeitsmaschine abgestimmt werden.

6.1 Schutzklassen

Die Schutzart gibt die Eignung von elektrischen Betriebsmitteln (Beispielsweise,

Motoren, Generatoren, Steuergeräte und Installationsmaterial) für verschiedene

Umgebungsbedingungen an und macht eine Aussage über den Schutz be-

ziehungsweise die Gefährdung von Personen bei der Benützung.

Bei vielen Anwendungen müssen elektrische Geräte unter erschwerten Umwelt-

bedingungen über viele Jahre sicher arbeiten. Außerdem zulässigen

Temperaturbereich stellt die chemische Belastung, hierunter wird die Beständig-

keit gegen aggressive Medien in der Industrie wie Dämpfe, Säuren, Laugen, Öle

Page 188: El Antriebe1

6 Einsatzbedingungen 182

© Hochschule - Aalen Heinrich Steinhart 09.10.2011

oder Kunststoffe verstanden, eine Einsatzbeschränkung dar. Zudem muss das

Eindringen von Nässe und Fremdkörpern, wie beispielsweise Staub, für eine zu-

verlässige Funktion verhindert werden.

Bezüglich ihrer Eignung für verschiedene Umgebungsbedingungen werden die

Systeme in entsprechende Schutzarten, sogenannte IP-Codes eingeteilt. Die Ab-

kürzung IP steht laut DIN für „International Protection“, wird aber im Englischen

Sprachraum als Ingress Protection (dt.: Eindringschutz) verwendet. Diese sind in

der DIN EN 60529 mit dem Titel Schutzarten durch Gehäuse (IP-Code) fest-

gehalten.

Der Abkürzung „IP“ folgen zwei Ziffern. Die erste Ziffer steht für den Schutz

gegen das Eindringen fester Körper. Die zweite Ziffer beschreibt den Schutzgrad

gegen das Eindringen von Wasser. Die Angaben beziehen sich auf unbearbeitete

Gehäuse ohne Berücksichtigung von Einflüssen wie Alterung, Temperatur-

wechsel u. ä. In der Tabelle 6.1 sind die IP-Schutzarten zusammengefasst.

Tabelle 6.1 IP-Schutzklassen, Berührungs-, Fremdkörper- und Wasserschutz für elektrische Betriebsmittel

Erste Kenn-ziffer

Schutzumfang Zweite Kenn-ziffer

Schutzumfang

Page 189: El Antriebe1

6.1 Schutzklassen 183

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Schutz gegen

Berührung Schutz gegen

Wasser

0 Kein Schutz 0 Kein

Schutz

1 große

Fremd-körper

Schutz gegen zufälliges groß- flächiges Berühren aktiver und innerer bewegter Teile, z. B. mit der Hand, aber kein Schutz gegen absichtlichen Zugang zu diesen Teilen. Schutz gegen Eindringen von festen Fremd-körpern mit einem Durchmesser größer als 50 mm.

1

senkrecht fallendes

Tropf-wasser

Wassertropfen, die senkrecht fallen, dürfen keine schädliche Wirkung haben.

2

Mittel-große

Fremd-körper

Schutz gegen Berühren mit den Fingern aktiver oder innerer bewegter Teile. Schutz gegen Eindringen von festen Fremd-körpern mit einem Durchmesser größer als 12 mm.

2

schräg fallendes

Tropf-wasser

Wassertropfen, die in einem beliebigen Winkel bis 15° zur Senkrechten fallen, dürfen keine schädliche Wirkung haben.

3 kleine

Fremd-körper

Schutz gegen Berühren aktiver oder innerer bewegter Teile mit Werkzeugen, Drähten o.ä. mit einem Ø größer als 2,5 mm. Schutz gegen Eindringen von festen Fremdkörpern im Durch-messer größer als 2,5 mm.

3 Sprüh-wasser

Wasser, das in einem be-liebigen Winkel bis 60° zur Senkrechten fällt, darf keine schädliche Wirkung haben.

4

Korn-förmige Fremd-körper

Schutz gegen Berühren aktiver oder innerer bewegter Teile mit Werkzeugen, Drähten o.ä. mit einem Ø größer als 1 mm.

4 Spritz-wasser

Wasser, das aus allen Richtungen gegen das Be-triebsmittel spritzt, darf keine schädliche Wirkung haben.

5 Staub-

ablager-ung

Vollständiger Schutz gegen Berühren unter Spannung stehender oder innerer bewegter Teile. Schutz gegen schädliche Staubablagerungen. Das Ein-dringen von Staub ist nicht vollkommen verhindert, aber der Staub darf nicht in solchen Mengen eindringen, dass die Funktion beeinträchtigt wird.

5 Strahl-wasser

Ein Wasserstrahl aus einer Düse, der aus allen Richtungen gegen das Betriebsmittel ge-richtet wird, darf keine schäd-liche Wirkung haben.

6 Staub-eintritt

Vollständiger Schutz gegen Berühren unter Spannung stehender oder innerer bewegter Teile. Schutz gegen Eindringen von Staub.

6 Über-flutung

Wasser darf bei vorüber-gehender Überflutung, z.B. durch schwere Seen, nicht in schädlichem Maße eindringen.

7 Ein-

tauchen

Wasser darf nicht in schäd-licher Menge eindringen, wenn das Betriebsmittel unter den festgelegten Druck-/ Zeit-bedingungen von 0,15 - 1 m in Wasser eingetaucht wird.

8 Unter-

tauchen

Wasser darf nicht in schädlicher Menge eindringen, wenn das Betriebsmittel unter definierten Bedingungen in Wasser ge-taucht wird.

9K

Hoch-druck-/ Dampf-strahl-

reinigung

Wasser, das aus jeder Richtung unter stark erhöhtem Druck gegen das Gehäuse gerichtet ist, darf keine schädliche Wirkung haben.

Page 190: El Antriebe1

6 Einsatzbedingungen 184

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6.2 Bauformen von elektrischen Maschinen

Elektrische Maschinen werden in unterschiedlichen Bauformen angeboten. Die

Tabelle 6.2 zeigt auszugsweise eine Zusammenfassung der Bauformen nach

IEC 34-7 (International Electrotechnical Comission). Im Allgemeinen werden die

Bauformen IM B3, IM B5 und IM B14 listenmäßig angeboten. In der Regel ist die

Bauform der elektrischen Maschine durch die mechanische Konstruktion der

Arbeitsmaschine vorbestimmt.

Page 191: El Antriebe1

6.2 Bauformen von elektrischen Maschinen 185

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Tabelle 6.2 Bauformen von elektrischen Maschinen nach IEC 34-7

Code Bauform Beschreibung Anforderung, Befestigung

Ausführung, Wellenende

IM B3

Maschine mit Füßen

waagerecht 2 Schildlager 1 Wellenende frei

IM B5

Flanschmotor waagerecht 2 Schildlager 1 Wellenende frei

IM B6

Motor mit Füßen

waagerecht, Wand

2 Schildlager 1 Wellenende links frei

IM B8

Motor mit Füßen

waagerecht, Decke

2 Schildlager 1 Wellenende frei

IM V1

Flanschmotor vertikal nach unten

2 Schildlager 1 Wellenende nach unten frei

IM V2

Flanschmotor vertikal nach unten

2 Schildlager 1 Wellenende nach oben frei

IM V3

Flanschmotor vertikal nach oben

2 Schildlager 1 Wellenende nach oben frei

IM V4

Flanschmotor vertikal nach oben

2 Schildlager 1 Wellenende nach unten frei

Flansch Anschlusskasten Anschlussfuß

Page 192: El Antriebe1
Page 193: El Antriebe1

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7 Literaturverzeichnis

Rolf Fischer; Elektrische Maschinen; Carl Hanser Verlag, 2003

Eckhard Spring; Elektrische Maschinen; Springer Verlag, 1998

Werner Böhm; Elektrische Antriebe; Vogel Fachbuch 1996

Andreas Kremser Elektrische Maschinen und Antriebe; Teubner Verlag 2004

H.-U. Giersch Elektrische Maschinen; Teubner Verlag 2003 Hans Harthus Norbert Vogelsang

Klaus Fuest; Elektrische Maschinen und Antriebe; Vieweg Verlag 1989

Manfred Mayer; Elektrische Antriebstechnik, Band 1; Springer Verlag 1985

Helmut Späth; Elektrische Maschinen und Stromrichter; G. Braun Verlag 1984

Peter Brosch; Moderne Stromrichterantriebe; Vogel Fachbuch 1998

Detlef Roseburg; Elektrische Maschinen und Antriebe; Carl Hanser Verlag, 2003

Ekbert Hering Taschenbuch der Mechatronik, Fachbuchverlag