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Elektronarkose und Hirn~dem. Von Walter Jacobi und Georg Magnus. (Nach gemeinsamen experimentellen Arbeiten.) (Aus der Psychiatrischen und NervenkHnik [Direktor: Prof. Dr. Berger] und der Chirurgischen Klinik [Direktor: Prof. Dr. Guleke] der Universit~t Jena.) Mit 16 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. April 1925.) Vor etwa 20 Jahren zeigte Stephan Leduc 1) zun~chst in Experi- menten am Hunde, wie sich durch einen schnell und regelm~13ig unter- brochenen Gleichstrom bei sehr vorsichtigem Einschleichen des Stromes ein narkose~,hnlicher Zustand mit absoluter An~sthesie erzielen l~Bt. ,,La propri@t@ la plus int@ressante de courants intermittens de basse tension est certainement la production du sommeil et de ]'anaesthSsie g~n@rale." Das Vedahren hatte zun~chst den Nachteil, mit allgemeinen tonischen oder klonischen Kr~mpfen, Entleerung des Darmes, der Blase und momentaner Aufhebung der Atmung einherzugehen. Liel~ man jedoch die elektromotorische Kraft stetig und langsam ansteigen, so liel3en sich diese Nachteile vermeiden. Der sehlafahnliehe Zustand, der sich dann herbeiffihren liel~ und ~uI3erlich ganz der Narkose glich, liel3 sich bei Tieren stundenlang ohne irgendwelche augenscheinliche Sch~digung des Versuchstieres unterhalten. Vor wenig Jahren berichtete H. Boruttau in einem Aufsatz, in dem er an Hand des von ihm an- gegebenen rotierenden Chronaximeters Ausblicke ffir eine verbesserte elektro-diagnostische Methodik gibt2), nebenber, dab er die Versuche der sog. Elektronarkose oder elektrischen Anasthesie yon Leduc, ebenso wie Gildemeister und Roos, habe wiederholen und best~tigen k6nnen. Die Unterbrechungsfrequenz schwankte in den Versuchen Leducs bei kleinen Warmbliitern bei einer Spannung yon rund 5 .Volt zwischen 100 und 150 in der Sekunde. H6here Dosierung ffihrte zu Tetanus, Steigerung der Spannung zu Atem- resp. Herzstfllstand. Auch der Bericht fiber den Versuch, den Leduc bei sich selbst vornehmen liel~ 1) Leduc, Arch. d'~lectr, m~d. 1903, S. 521 u. 1904, S. 771; Zeitschr. f. Elektro- therapie 1903; ~ber elektrische Narkose, S. 374 u. 403. 2) Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 83, 284. 1923.

Elektronarkose und hirnödem

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Elektronarkose und Hirn~dem.

Von Walter Jacobi und Georg Magnus.

(Nach gemeinsamen experimentellen Arbeiten.)

(Aus der Psychiatrischen und NervenkHnik [Direktor: Prof. Dr. Berger] und der Chirurgischen Klinik [Direktor: Prof. Dr. Guleke] der Universit~t Jena.)

Mit 16 Textabbildungen.

(Eingegangen am 20. April 1925.)

Vor etwa 20 Jahren zeigte Stephan Leduc 1) zun~chst in Experi- menten am Hunde, wie sich durch einen schnell und regelm~13ig unter- brochenen Gleichstrom bei sehr vorsichtigem Einschleichen des Stromes ein narkose~,hnlicher Zustand mit absoluter An~sthesie erzielen l~Bt. ,,La propri@t@ la plus int@ressante de courants intermittens de basse tension est certainement la production du sommeil et de ]'anaesthSsie g~n@rale." Das Vedahren hatte zun~chst den Nachteil, mit allgemeinen tonischen oder klonischen Kr~mpfen, Entleerung des Darmes, der Blase und momentaner Aufhebung der Atmung einherzugehen. Liel~ man jedoch die elektromotorische Kraft stetig und langsam ansteigen, so liel3en sich diese Nachteile vermeiden. Der sehlafahnliehe Zustand, der sich dann herbeiffihren liel~ und ~uI3erlich ganz der Narkose glich, liel3 sich bei Tieren stundenlang ohne irgendwelche augenscheinliche Sch~digung des Versuchstieres unterhalten. Vor wenig Jahren berichtete H. Boruttau in einem Aufsatz, in dem er an Hand des von ihm an- gegebenen rotierenden Chronaximeters Ausblicke ffir eine verbesserte elektro-diagnostische Methodik gibt2), nebenber, dab er die Versuche der sog. Elektronarkose oder elektrischen Anasthesie yon Leduc, ebenso wie Gildemeister und Roos, habe wiederholen und best~tigen k6nnen. Die Unterbrechungsfrequenz schwankte in den Versuchen Leducs bei kleinen Warmbliitern bei einer Spannung yon rund 5 .Volt zwischen 100 und 150 in der Sekunde. H6here Dosierung ffihrte zu Tetanus, Steigerung der Spannung zu Atem- resp. Herzstfllstand. Auch der Bericht fiber den Versuch, den Leduc bei sich selbst vornehmen liel~

1) Leduc, Arch. d'~lectr, m~d. 1903, S. 521 u. 1904, S. 771; Zeitschr. f. Elektro- therapie 1903; ~ber elektrische Narkose, S. 374 u. 403.

2) Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 83, 284. 1923.

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(100--150 Unterbrechungen in der Sekunde bei 35 Volt Spannung und 4 Milli-Amp~re), und in dem doch nur die obere Grenze einer leichten Narkose innegehalten wurde, weiB schon so viel yon den oben n~her aufgefiihrten Nebenwirkungen andeutungsweise zu melden, daB wi re s verstehen, wenn die Elektronarkose sich nie praktisch eingebiirgert hat. Von den Gefahren derselben werden unsere eigenen Untersuchungen hinreichend berichtenl).

Wir wurden bei unseren Versuchen lediglich yon theoretischen Gesichtspunkten geleitet. Uns interessierte das Verhalten der pialen Gef~ge w~hrend der Narkose und die Frage des Odems der weichen Hirnh~ute, weft wit meinten, daB sich an Hand der gut sichtbaren und stetig verfolgbaren Gewebsvorg~nge mit aller Reserve Schlfisse auf die Zirkulation und das Odem des Gehirns ziehen liegen. An einer Erkl~rung des Ph~nomens selbst lag uns weniger, wir fiihlten uns dazu auch augerstande, besonders deshalb, weft wir meinen, dab es sich bei ihm um einen reeht verwiekelten Vorgang handelt. Leduc meinte seinerzeit, die Elektronarkose sei nur ein Spezialfall der elektrischen Hemmungswirkungen, nahm an, dab die h6heren nervOsen Zentra bei ihr ausgeschaltet, auger Funktion gesetzt wiirden; Boruttau und M a n n dagegen dachten eher ,,an eine so starke Erregung s~mtlieher nerv6ser Zentra, dab jede Assoziationserregung gegeniiber der exogenen Erregung unterschwellig" bliebe. Die Parallele zur BewuBtlosigkeit beim genuinen epileptischen Anfall lag auf der Hand. DaB der physika- lisehen Chemie in der Erklhrung des Ph~nomens noch groge Aufgaben harren, seheint uns bei der Entwicklung, die diese Disziplin in letzter Zeit genommen hat, selbstverst~ndlich. Nur andeutungsweise sei in diesem Zusammenhang auf die Nachwirkungen hingewiesen, die Gleich- gewichtsverschiebungen in der Konzentration yon Wasserstoff- und Hydroxylionen auf die fiir die Zellfunktion notwendigen Stoffwechsel- vorgi~nge und fiir die meisten fermentativen Prozesse in hohem Make ausiiben. Es sei welter, um die Beziehungen zu unserem Problem nur anzudeuten, auf die Untersuchungen Kroghs 2) hingewiesen, durch die bekannt ist, dab eine Zunahme der H-Konzentration die sensiblen Nervenleitungen der Frosehzunge beeinfluBt und augerdem direkt die glatten Muskelfasern der Arteriolen und in geringerem Grade auch die der Capillaren trifft.

In wenigen orientierenden Strichen soll zuniichst unsere Versuchs- anordnung kurz aufgezeichnet werden.

Wir bedienten uns bei unseren Versuchen des photographischen Okulars naeh Siedentopf (Phoku), das ja bekanntlieh gestattet, lebende,

1) H. Boruttau und L. Mann, Handbuch der gesamten medizinischen An- wendungen der Elektrizit/~t.

3) Anatomie und Physiologie der Capillaren. Julius Springer, Berlin 1924.

46*

710 W. Jacobi und G. Magnus:

in Bewegung befindliche Objekte in jedem geeigneten Moment der Beobaehtung bei einer VergrS~erung yon 4,7 auf Plat ten (41/2:6 em) festzuhalten. Die experimentelle Anordnung war allerdings im Vergleich zu der ersten unserer gemeinsamen Versuche erheblich vereinfaeht 1). Das unter Schonung der Mikrometersehraube durchbohrte und gefagte Stat iv befestigten wir am vereinfachten Zeissschen Stativ X B Nr. 25124. Die groben H6hen- und Seitenverstellungen liegen sich so leicht yon der Hand aus vornehmen, w~hrend die Einstellung beim Beobachten mit dem Triebe des Tubus erfolgte. Als Beteuehtungsquelle diente eine Lampe der Firma K6rting & Mathiesen, A.G. , Leutzsch-Leipzig, Modell E G M I, 4 - -5 Ampere, 55 Volt. Erfahrungsgem~B eignete sich am besten zum Beobachten und Photographieren LupenvergrSgerung (Achromatische Objektive A 2 und A 3 mit einem freien Objekt- abstand yon 29,5 resp. 19 mm und einer EinzelvergrSgerung yon 3 bzw. 5). Zur Hervorrufung der Elektronarkose - - Herrn Dr. Boening (Psychiatrisehe Universiti~tsklinik, Jena) schulden wir fiir seine Unterstiitzung bei diesen Versuchen unseren Dank -- benutzten wir das yon Boruttau angegebene Chronaximeter, das einen rotierenden Unterbrecher darstellt, der auf die Motorachse des Pantosta ten auf- gesteckt wird und in der Sekunde 100 rechtwinklig ablaufende Strom- stSBe liefert. Ihre Dauer ist von Nuli bis gegen 10 Sigma (Tausendstet Sekunde) verstellbar und an einer Skala direkt ablesbar. Auf der freien Seite der rotierenden Seheibe ist ein einfacher Zentrifugaltourenzi~hler angebraeht, der vermittelst des Anlassers Einstellung auf 400 in der Sekunde ~ 1500 in der Minute erlaubt2).

Wir machten es uns, wie bereits angedeutet, bei unserem Vorgehen zur Aufgabe, die Gei~l~- und Liquorverh~ltnisse an der trepanierten Sch~delstelle w~hrend der Elektronarkose einer direkten Besichtigung zu unterziehen. Hierbei suehten wir diese zun~chst schleichend und allm~hlich (Versuch D), dann aber mSgliehst brfisk und momentan (Versuch C) zu erzielen. In einem weiteren Versuch (E) wurde am schon narkotisierten Tier (Veronalmorphium) die Elektronarkose vorgenom- men, und zwar wurde mit sehr geringen Stromdosen gearbeitet, um die allmghliehe Liquorproduktion genau verfolgen zu k6nnen. Ein weiterer Versueh (M) wurde unternommen, um die Durehlgssigkeit der Gefgg- wgnde fiir die feinen Partikelchen von dialysierter Tusche genau stu- dieren zu kSnnen. Aueh hier lag das Tier sehon vor Einlassen des elektrisehen Stromes im Interesse einer guten und stetigen Beobaehtung

1) Jacobi-Magnus, Gefgl]- und Liquorstudien am Hirn des lebenden Hundes. Arch. f. Psychiatrie u. Nervenkrankh. 73, H. 1.

2} Vgl. Boruttau, l~eform der Elektrodiagnostik dureh das Chronaximeter. Berlin. Ges. f. Psyehiatrie u. Nervenkrankh., Sitzg. v. 12. VI. 1922; ierner H. Bo- ruttau, t}ber eine verbesserte elektrodiagnostisehe Methodik (Rotierendes Chronaxi- meter). Zeitsehr. I. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 83. 1923.

Elektronarkese und HirnSdem. 7 11

in Narkose . Nachfo lgende Protokol le , die im Auszug gegeben s ind,

u n t e r r i c h t e n des we i t e ren fiber Vorgehen u n d Ergebnisse .

Versuch D.

8 U h r 46Min. abends: Beginn der Elektronarkose mit 7Milliamp6re 8000 Unterbrechungen in der Minute, StoBli~nge 5.

8 Uhr 50 Min. : Der Hund ist wach, reagiert jedoch auffallend schwach auf starke Hautreize, Pupillenreaktion erfolgt prompt.

8 Uhr 52 Min. : Der Hund wird augenseheinlich miide. - - Bisher nichts yon tonischen oder klonischen Kr/~mpfen. Die Abwehrbewegungen gegen das Be- feuehten der Elektroden, die bisher lebhaft waren, lassen wesentlich nach. Der Lidschlag ist ungestSrt. Die Nase ist nicht anasthetisch, die Abwehrbewegung bei Stiehen jedoeh gering.

8 Uhr 56 Min. : Die Atmung ist ruhig, die Pupi]len reagieren. 8 Uhr 58 Min. : Verstarkung des Stromes auf 7,5 Milliampere, Riiekgang auf

Stol~li~nge 3 der Skala. Starke Abwehrbewegungen, dann ruhig. Zwangshaltung mit starker Kyphose. Der Lidschlag ist weiter ungestSrt.

9 Uhr 2 Min. : 7 Milliamp6re, gemessen bei konstantem Strom. (Von jetzt an ist das Milliamp6remeter eingeschaltet.) Pupillenreaktion wird trigger. Der Hund wird schliifrig. Leichter Facialiskrampf reehts.

9 Uhr 6 Min. : Stol~li~nge 3, Milliamp~remeter 4. Beim Einschalten yon 4 Milli- ampbre setzt st/~rkste Reaktion und Abwehr, dann ohne tonisches Stadium schlaf- ~hnlicher Zustand ein. Auf Stich in die Nase nur spurweise Reaktion. Beim Ab- nehmen der Elektroden ist der Hund sofort wach. Beim erneuten Aufsetzen ab und zu Zuckungen im Facialisgebiet, die wohl als peripher ausgelSst aufzufassen sind. Pupillenreaktion wird tr~ger.

9 Uhr 15 Min. : 4 Milliamp6re, Stromstol~ 3, 8000--10 000 Unterbrechungen (61/_~ am Motor). Starke Reaktion beim Vorziehen der Zunge.

9 Uhr 22 Min.: 5 Milliampbre bei gleichbleibender StromstoB- und Unter- brechungszahl. Der Hund wird laut.

9 Uhr 22 Min. : Muskulatur wird schlaff. 9 Uhr 25 Min. : Beginn der Operation (5 Milliamp6re, Stromstol~ 3, 8000 bis

10 000 Unterbrechungen in der Minute). Der Hund zuckt eben beim Hautschnitt , wird dann aber im Verlauf des weiteren Eingriffs unruhig. Unterbrechung der Operation.

9 Uhr 26 Min.: 15 Milliampere bei unveri~nderter Stromstol~- und Unter- brechungszahl. - - Erst tonische, dann klonische Kri~mpfe.

9 U h r 30Min.: 20Milliampere, am Motor auf 8 gestiegen. - - Tonische Kr/~mpfe, Pupillen lichtstarr.

9 Uhr 31 Min. : K5rper schlaff. 33 Min. : Bei 20 Milliampbre auf StromstoB 4, bei 8000--10000 Touren. 40 Min. : Steigen erst auf 30, dann auf 35--40 Milliampere. 41 Min.: 30 Milliamp6re (Motor 8). - - Operation immer noch nicht

9 Uhr 9 Uhr 9 Uhr

mSglich. 9 Uhr 9 Uhr 9 Uhr 9 Uhr

42 Min. : 40 Milliampere. Atmung ruckartig. 44 Min. : Fortsetzung der Operation. Der Hund reagiert nieht mehr. 45 Min. : Bei Motor 8. StromstoB 4, 8000 Touren tiefer Schlaf. 46 Min. : Au//allend starke Blutung aus den Knochen.

9 Uhr 48 Min. : Stromst~rke 10. Der Hund atmet sehr krampfhaft. Zuriick- gehen auf 10 Milliamp6re und Stromstol~ 3.

9 Uhr 49 Min. : Abbrechen der Narkose. Die Atmung wird sofort besser. Starke Blutung trotz Fortlassen8 der Narkose.

712 W. Jacobi und G. Magnus:

9 Uhr 52 Min. : Pupillen reagieren. 9 U h r 54Min.: Wiederbeginn der Narkose. Bei 10Milliampere wird der

Hund laut. Die Blutung nimmt zu. 9 Uhr 55 Min. : 15 Milliampere, StromstoB 3. Ruckartiges Hervorbrechen des

Hirns bei Exspiration. Bei 20 Milliampere tonischer Krampf. Zuriick auf 15 Milli- ampere.

9 Uhr 57 Min. : Chemosis der Conjunctiva. 9 Uhr 59 Min.: P16tzliches Heraufgehen auf 40 Milliampere. P15tzliches

Einziehen des IIirns und des Zwerchfells. 10 Uhr: Unterbrechung der Narkose. 10 Uhr 1 Min. : Er6ffnung der Dura. Starkes Ab/lieflen von Liquor. Die Arach-

noideavenen sind sehr stark ge/i'dlt. 10 Uhr 3 Min. : Exitus des Hundes.

Versuch C. Kleiner, brauner Hund. 8 Uhr 42 Min. abends: Beginn der Elektronarkose. Chronaximeter nach Boruttau, Skalenstellung 3, 2000 Touren, 30 Milliampere.

Sofortiges Einsetzen tonischer Kr~mpfe, die nach etwa 1 Min. aufh6ren. Die An~sthesie ist komplett, Reflexe erloschen, Pupillen maximal welt und nicht reagie- rend; die Atmung ist langsam und mitteltief.

8 Uhr 46 Min. : Der Hund wacht plStzlich auf. Nach Befeuchten der Elek- troden Fortsetzung des Versuchs. Narkose ist sofort wieder komplett unter gleichem Verlauf.

8 Uhr 48 Min. : Beginn der Trepanation links. Au//aUend starke Blutungeu aus der Haut, der Muskulatur und den Diploevenen. Die Dura w61bt sieh auf- fallend vor.

9 Uhr 2 Min. : Langsame und tiefe Atmung. Abbrueh der Narkose. Die Dura ist noeh uner6ffnet.

9 Uhr 3 Min. : Die Atmung ist sehnell und tier. Die gespannte Dura pulsiert sehr wenig, wird erSffnet. Die Pupillen sind mittelweit und reagieren prompt und ausgiebig. 2Vach ErS//nung der Dura Ab/lu[3 you au//allend viel Liquor. Ge- ]d[3e der weichen Hirnhaut, die

9 Uhr 6 Min. : bloflliegt, eben/all8 stark ge/i~llt. Je tz t auffallend starke Pul- sation des ttirns. Wi~hrend der Narkose Abgang yon Stuhl.

9 Uhr 10 Min. : Der l tund ist wach, aber v611ig an~sthetisch. Die Pupillen reagieren.

9 Uhr 17 Min. : Der l tund macht deutliche Abwehrbewegungen. 9 Uhr 2I Min. : Macht Anstalten, sich zu erheben. Wiederbeginn der Nar-

kose. Tonischer Krampf, Prolaps des Gehirns. 9 Uhr 22 Min. : Tonischer Krampf gelSst, Pupillen welt und lichtstarr. 9 Uhr 23 Nin. : Narkose abgebrochen. Atmung langsam und tier. Pupillen

bleiben weir und starr. Gehirnprolaps ist wesentlieh zuriickgegangen. 9 Uhr 24 Min. : Pupillen sind mittelweit und reagieren. 9 Uhr 25 Min. : Wiederbeginn der Narkose, starker ttirnprolaps. 9 Uhr 43 Min. : Der Hund ist vSllig waeh. 9 Uhr 44 Min. : Die Ge/g~fle sind durchweg au//allend welt. 9 Uhr 48 Min. : Beginn der Narkose. Der Liquor liiu# in dicken Trop/en i~ber

die Hirnober/liiche. 9 Uhr 54 Min. : Abbrechen der Narkose. 9 Uhr 56 Min. : Atmnng setzt vSllig aus, Pupillen lichtstarr. 9 Uhr 57 Min. : Kein Atemzug mehr, trotz kiinstlicher Atmung. 10 Uhr 2 Min.: Am Exitus ist nicht mehr zu zweifeln.

Elektronarkose und Hirn~idem. 713

10 Uhr 4 Min. : Aufnahme C s. 10 Uhr 34 Min. : Aufnahme C TM. 10 Uhr 37 Min. : Anfnahme C 11. 10 Uhr 51 Min. : Aufnahme C 12.

Versuch E.

Mittelgrol]er, brauner, ausgewaehsener I-Iund. Selbstregulierende Bogen- lampe, 60 mm Fokus. 7 Stunden vor der Operation 0,5 g Veronal, 3 Simnden vor- her 0,045 g Morphium.

8 Uhr 38 Min. : Trepanation fiber dem linken Him. An/isthesie ist komplett. Die Blutung ist au][allend gerin 9 im Gegensatz zur Operation in Elektronarkose.

8 Uhr 50 Min. : Beendigung der Operation. Die Atemsehwankung und die Pulsation sind deutlieh, aber gering. Das Hirn dr/ingt sich eben merklieh vor.

9 Uhr 26 Min.: Ausgangsau/nahme E 2. Einsehalten des Motors. Motor 8, StoBli~nge 1, 0,2 Milliampere.

9 Uhr 47 Min. : Anlegen der Elektroden. 0,5 Milliamp6re. Schmerz~uBerung. Streekung der Rfickenmuskulatur.

9 Uhr 48 Min. : 1 Milliamp6re. Entfernen der Elektroden. 9Uhr 50Min.: Um die Ge/d[3e herum sind kleine, /eine Liquorpi~nktche n

entstanden. Die Atmung ist unregelm~l~ig und stockend. 10 Uhr 14 Min, : Anlegen der Elektroden. Stoltl~nge 2, 0,5 Milliampere.

Keine Ver/inderung am Hund. 10 Uhr 16 Min. : 0,8 Milliampere. 10 Uhr 17 Min. : 1,5 Milliamp6re. Auf StoBl~nge 1 und 1 Milliampere zu-

riick. Schmerz~uIlerungen. 10 Uhr 18 Min. : Blutung aus dem Musculu.~ temporalis. Das Gehirn erscheint

#uchter. Schmerzi~uBerung. 10 Uhr 19 Min. : Krampfhafte Atmung, lebhafte Zungenbewegungen. Ge-

]~i[3e auch makroskopisch stdrker ge/~tllt. Mikroskopisch zeigt sich deutliche Liquor- z u ?lATt ~ me.

10 Uhr 20 Min. : Blutung aus dem M. temporalis h(tlt an. 10 Uhr 26 Min. : Hund wird unruhig. Milliampere auf 0,5 gesunken. 10 Uhr 27 Min. : Das Aufs~eigen auf 1 Milliamp6re 15st starke, 10 Uhr 33 Min. : das Heraufgehen auf ],3 aufterordentlich heftige Schmerz-

~ullerung aus. An der trepanierten Seite liegt die Anode. 10 Uhr 40 Min. : Motor ausgeschaltet. 10 Uhr 49 Min. : Au/nahme E x~. 10 Uhr 52 Min. : Motor eingeschaltet. 1 Milliamp6re, Motorst~rke 8, Strom-

stoi3 1. Weiter auf 1,5 Milliamp6re: Heftige Schmerz~uBerung. Weiter auf 2, 2,5 Milliampere.

10 Uhr 53 Min. : 3 Milliampere. Krampfhafte Atmung. 10Uhr 54 Min. : 3,5 Milliampere. - - Bei steigender Liquorzunahme ist im

Gesichtsfeld ein haarf6rmiges Gefi~fi sichtbar geworden, das farblos und stark lichtbrechend ist, also wohl als Lymphgef~i~ anzusprechen ist. Das Gef~l~ war vorher nicht sichtbar. Es beginnt mit kolbiger Zisterne in der N~he eines grol~en Lymphraumes und endet offenbar in der periadventitiellen Scheide eines Blut- gef/illes.

Versuch M.

Alter, schwarzer, mittelgrol3er Hund. 12 Uhr mittags 1,5 Veronal; 4 U h r naehmittags 0,03 Morphium.

9 Uhr abends: Trepanation links. Sehr harter Knochen. Mittlere Blutung. 9 Uhr 30 Min. : Linke Carotis wird freigelegt und angeschlungen.

_M13

714 W. Jacobi und G. Mag~ms:

l0 Uhr 18 Min. : Ausgangsau]nahme M 5. Elektronarkose bcginnend. l0 Uhr 28 Min. : Mit 1,5 Milliamp6re langsam steigend. 10 Uhr 57 Min. : Auf 20 Milliamp6re, die zu deutlicher Liquorzunahme fiihrt:

_4u/nahme M 6. l l Uhr 10 Min. : werden 5 ccm dialysierter Tusche in die linke Carotis injiziert. l l Uhr l l Min. : Die TuschekSrnchen passieren einzeln das Gesichtsfcld und

machen die Str6mung schr deutlich. l l Uhr 15 Min. : Nochmalige Injcktion von 6 ccm Tusche, die in dickcn Schwa-

den die Gefiil3e passieren. Auch auIterhalb der Blutgefiil3e werden die klcinen Partikelchen sichtbar. Klcine Embolicn stcllen sich tin, die ohne Zusammen- hang mit einer Blutsgule im Gesichtsfcld liegen.

l l Uhr 18 Min. : Au]nahme M 13. l l Uhr 20 Min. : Auch in den perivascidfiren Scheiden wird Tusche sichtbar. l l Uhr 22 Min. : Die capillaren Tuschcembolien liegen ganz isoliert im leeren,

also kontrahierten GefgB. Die Blutsiiulc beriihrt sie wedcr stromauf noch stromab. Es handelt sich also zweifclsohne um Gefgl3kontraktioncn.

l l Uhr 32 Min. : Ein Tuscheembolus gabelt sich, reitet auf eincr Teilung, liegt ganz isoliert im vSllig blutlecren Feld.

l l Uhr 35 Min. : Elektronarkose. 20 Milliamp6rc. Motor 10. Stol31~tnge 6. Die Blutgefi~Be haben wieder Anschlul3 an die Tuschcembolien bekommen. Die capillaren Kontraktionszustgnde haben also nachgelassen.

l l Uhr 52 Min. : Tusche liegt deutlich in der perivascul4ren Scheide. 11 Uhr 55 Min. : Bei starker Vergr6[3erung Sicherstellung des Be/undes. 12 Uhr 3 Min. : 3 ccm Adrenalin 1 : 10 000, um die Tuscheembolie zu mobili-

sieren. Kontraktion bis zum Vcrschwindcn der Gef~tfte. Gefg[3schciden allcin sichtbar. 12 Uhr 4 Min. : Das Blur schieBt wieder ein. Dilatation. 0dem. 12 Uhr 5 Min. : Hypcramie. Ein besondcrs markierter Embolus sitzt jedoch

lest. 12 Uhr 8 Min. : Dilatation der Gcfitl~e deutlich. 12 Uhr 22 Min. : I~l einem freien Lymphgefiil3 werden TuschekSrncr sichtbar.

Unsere Versuche best~t igen zuniichst die zur Geniige bekann te Erfahrung, dab es in der Ta t m5glich ist, durch einen rhy thmisch un te rbrochenen Gleich-

s trom beim Tier einen Zus tand hervor- zurufen, w~hrend dessen sich tiefgreifende

chirurgische Eingriffe, wie sic eine Tre-

pana t ion mi t breiter Frei legung der

Hemisph~ire darstellt , vo rnehmen lassen.

Dabei lassen wir ganz dahingestel l t , ob

dieser in Analogie zur Narkose mi t Be- Abb. ]. Die kleinen Tusche-Embolien sind gut sieb~bar. Es ist sehr iiber- wufttlosigkeit einhergeht oder das Tier zeugend, wie sie ohne einen Zusammen- n u r bewegungsunf~ihig macht. Unsere hang mit einer Bluts~iule im Gesichts-

feld liegen. Versuche demonstr ieren aber in eindring- richer Weise die Gefahren der Elektro-

narkose. Zwei unserer Versuchstiere gingen an Ateml~hmung zugrunde,

eine Tatsache, die allerdings zum groften Teil auf unser bewuBt forciertes Vorgehen zuriickzufiihren ist.

Elektronarkose und Hirn(idem. 715

Hermann Groll hat unlangst in Fortsetzung der yon Siegel begonne- nen Versuche bei Beobachtung der Blutzirkulation in der Schwimm- haut des leicht curarisierten Frosches unter dem Mikroskop festgestellt, dab bei Durchleitung eines Stromes von etwa 20--40 Milliampere ira Anodenbein, wo also die H-Ionen eintraten, fast sofort zahlreiche Stasen in den Capillaren auftraten, und nach ganz kurzer Zeit, meist nach 1--2 Min., spi~testens nach 5--10 Min., die Zirkulation auch in den groBen Gef~l~en fast vollsti~ndig stillstand. Injizierte man den FrSschen vorher Lichtgriin, das sich im Frosch entfi~rbt und bei p6-8 in Griin umschli~gt, so t ra t dieser Farbumschlag erst dann ein, wenn die Zirkulation li~ngst aufgehSrt hattel). Groll mcint, dab die H-Hyper- ionie erst die se]cunddre Folge einer Gewebsschadigung sei, die durch eine ZirkulationsstSrung hervorgerufen sei. Die H-Hyperionie diirfe daher nicht ohne weiteres als Ursache des 0dems und der beobachteten entztindlichen Erscheinungen angesehen werden, wenn sie selbst auch ihrerseits wieder sch~digend wirken kSnne. Auch wir konnten am Ort des trepanierten Hirnes beim Hunde schwere ZirkulationsstSrungen beobachten. Die starke Blutung bei ErSffnung des Sch~dels, die beim narkotisierten Tier, bei dem keine Elektronarkose angewendet wurde, nie in solcher Weise das Arbeiten wie bei diesem erschwerte, das Ab- tri~ufeln reichlicher Liquormengen bei Freilegung des Hirns zeigten das zur Geniige. Versuche am Meerschweinchen, die wir im voran- gehenden nicht protokollarisch aufgefiihrt haben, demonstrierten weiter, wie es bei noch unerOffneter Dura schon nach kurz befristeter Elektro- narkose zu einer reichlichen Absonderung lymphatischer Fliissigkeit in und auf der Hirnhaut kam. Z ~ zeigt diese vor Beginn, Z b nach 7 Min. langer elektronarkotischer Einwirkung und Z c eine beliebige andere Stelle, die wir aus rein ~uBerlichen Grfinden ohne Ausgangs- aufnahme vorlegen, nach weiteren 3 Min. Dieses Bild ist besonders wegen des Vorhandenseins eines haarnadelfSrmigen Lymphgefi~Bes, das sich erst w~hrend der Prozedur erSffnete, interessant (Abb. 2). Man gewinnt also den Eindruck, der noch durch andere Versuche, besonders an der weichen Hirnhaut verst~rkt wird, dab die gerade nicht hiiufig beob- achteten Lymphgef~Be sich erst erschlieBen, wenn der zunehmende LymphfluB auf BefSrderung und Ausgleichung im Gewebe dri~ngt. Analoges gilt auch fiir die ErSffnung der duralen Lymphspalten, die sich keineswegs immer in so groBer Zahl und Ausdehnung bei direkter Beobachtung vorfinden, wie sie sich im Magnusschen Verfahren nach dem Tode ktinstlich zur Darstellung bringen lassen. DaB es sich aber hierbei um pri~formierte und keineswegs kfinstlich geschaffene Gebilde,

1) Krankheitsforschung. Bd. I. H. 1. Jan. 1925. Verlag yon S. Hirze], Leipzig: Hermann Groll, Weitere Versuche tiber die Einwirkung yon Alkali und S~uren auf den lebenden Organismus.

716 W. Jacobi undG. Magnus:

wie man gemeint hat, handelt, ist uns an Hand unserer Versuchsreihen, die eine ganz anders geartete Methodik als beim Magnus schen Ver- fahrcn zur Grundlage haben, b~sonders durch Beobachtungen am ent- zfindlichen Gewebe immer klarer geworden. Dutch Bildfolge 3 kommen diese zur Darstellung. Die Bilder sind genommen yon der Au~enfl~che der Dura eines einige Tage zuvor trepanierten Hundes. Man sieht, wie die Blutgef~e teilweise umsponnen sind yon einem Plexus stark lichtbrechender Gebilde. Diese sind teilweise zu dichten Geflechten

Z a Zb

a) Ausgangsaufnahme.

Z c

b) Nach 7 Minuten Elektronarkose.

c) Nach 10 Minuten Elektronarkose.

Abb. 2a - -c . Dura des Meerschweinchen.

angeordnet, teilweise erscheinen sie als gut begrenzte KanMe yon unregelm~l~igem Kaliber, unregelmi~i~iger Oberfl~che und gewundenem Verlauf (Abb. 3).

E 13 zeigt, verglichen mit E 2, nach 8 Min. langer Einwirkung der Elektronarkose deutliches PiaSdem, Austritt yon Liquor in Tropfen- form in die gro]en Lymphri~ume.

Prinzipiell dieselben Vorg~nge werden durch die Bildfolge M S - - M ~, die fiber die Nachwirkung einer Elektronarkose von 14 Min. Dauer Zeugnis ablegen, dargetan.

Schon die makroskopische Beobachtung hatte gezeigt, dal~ es

Elektronarkose und Hirn(idem. 717

w~hrend der Einwirkung des Stromes, wir meinen vorwiegend infolge tonischer Anspannung exspiratorischer Muskelgruppen, zu einem aus- gesprochenen Prolaps des Gehirns, der sich heftig gegen den Sch~del- defekt preBte und infolgedessen zu Stauungserscheinungen kam. DaB diese bei Beurteilung der Entstehung des 0dems an erster Stelle stehen, dfirfte ftir uns auBer Zweifel sein. Zur Diskussion steht ftir uns ledig- lich die Frage, ob eine durch die Elektronarkose direkt gesetzte Ge- webssch~digung als konkurricrender Faktor mit in Betracht kommt.

a) b)

c) Abb. 3a - - c . Au~enfliiche der entzi indeten Dura.

Dies zu erw~gen fiihlten wir uns veranlal~t, weil die feinen punkt- fSrmigen Liquorreflexe, nicht nur am Hang der Gef~Be, von den peri- adventitiellen R~umen ausgehend, sondern auch im freien, gef~Blosen Gesichtsfelde unter unseren Augen auftauchten (Abb. 4). Ftir eine Ge- webssch~digung schienen uns auch die C~pillarstasen zu sprechen, die wit ebenso wie einen Stillstand der Bluts~ulen auch in grSl~eren Ge- f~l~en unter der Einwirkung der Elektronarkose antrafen. Jedenfalls gewinnt hierdurch die Entstehung des Odems welter an Verst~ndlich- keit. Wissen wir doch, dab das Vorhandensein von Stasen das sieherste Zeichen gesteigerter Durchl~ssigkeit der Capillarwand darstellt, ttier-

718 W. Jacobi und G. Magnus:

fiir spricht auch der Austritt dialysierter und filtrierter chinesischer Tusche, deren Teilchen submikroskopisch klein sind und cinen Durch- messer yon schgtzungsweise 200/q~ besitzen, sowohl in die Lymph- scheiden und Gef~13e wie in das freie Gewebe. Bei der yon uns ge- brauchten VergrSl~erung konnten diese natfirlich nur sichtb~r werden, wenn sie in kleinen Konglomer~ten sich zusammenballten. -- Die Frage der Tuschecapillarembolien wird in anderem Zusammenhang eingehend erweitert werden.

~ E l a

M ~

a) Ausgangsaufnahme. b) Nach 8 Minuten Elektronarkose.

M 6

c) Ausgangsaufnahme. d) ~ach 14 Minuten Elektronarkose.

Abb. 4a - -d . Hirnkonvexit~tt vom t tunde.

Aber eine Frage dtirfte noch yon theoretisehem Interesse sein. Wir haben nicht nur bei diesen unter bestimmten experimentellen Bedingungen stehenden Versuchstieren, sondern fiberhaupt nach Schi~deltrepanation den Eindruck gewonnen, dag zum mindesten ein gut Teil des arachnoidealen Liquors seinen Ausgang von den peri- adventitiellen Scheiden der Gefhl~e nimmt. Diese Beobachtung kommt in einer Reihe yon Bildern zum Ausdruck, die durch Blitzlichtaufnahmen beim lebenden Tier in der Absicht vorgenommen wurden, die wechseln- den vasoarchitektonischen Verhfiltnisse der Hirnoberfli~che auf ihre Ge- setzmiigigkeit zu studieren (Abb. 5). Auf alle Fiille konnten auch wir,

Elektronarkose und HirnSdem. 719

wie Spinal), Wohlgemuth und Szdcsi 2) und andere, beobachten, dab der Liquor unter bestimmten, experimentell gesetzten Bedingungen aus den Gefi~Ben in die periadventitiellen und archanoidealen Lymphri~ume fibertritt. DaB wir diesen Entstehungsmodus des Liquors nicht als den alleinigen ansprechen, geht aus der Beurteilung anderer, von uns ge- meinsam angestellter Experimente zur Geniige hervor. Im Prinzip stimmen wir Weigeldt durchaus zu, der meint, dab die fortschreitende Forschung die Anschauungen Quinckes nur best~tigt habe, der die Cerebrospinalflfissigkeit sich vorstellte als einen See, welcher ,,Zufliisse aus mehreren Quellen aufnimmt, die wahrscheinlich schon physiologisch

Abb. 5. Hirnkonvexit~it des Hundes nach Sch~deltrepanation. Entstehung des subarachnoidealen Liquors aus den periadventitiellen Raumen.

verschieden reichlich flieBen, von denen aber pathologisch sicherlich bald dieser, bald jener das Ubergewicht erlangen kann".

Wir konnten beobachten, wie feine, stark lichtbrechende Tr6pfchen, zun~chst innerhalb der Gef~Bscheiden gelegen, in L~nge und Breite an Ausdehnung gewinnen und sich schlieBlich fl~chenhaft in den sub- arachnoidealen Maschen verlieren. Die Entwicklung der Liquorlachen, wie sie z. B. im linken unteren Quadranten unseres Brides O zur Dar- stellung kommt, haben wir so deutlich im Entstehen beobachten kSn- hen. Natiirlich sind wir uns klar dariiber, dab auch diese Vorg~nge,

1) Spina, Experimentelle Untersuchungen fiber die Bildung des Liquor cere- brospinalis. Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 76, 204. 1899.

2) Wohlgemuth und Szdcsi, Zur Kenntnis yon der Entstehung und Zusammen- setzung der Cerebrospinalfliissigkeit. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 13, 455. 1912.

720 W. Jacobi und G. Magnus:

wenn sie auch keine so tiefgreifende experimentelle Grundlage, wie sie z .B. durch die Elektronarkose gesetzt ist, besitzen, doch unter anderen hydrodynamischen Verhi~ltnissen als beim Tier mit unver- letztem Sch~del zustande kommen. Aber da~ bei diesem bei der Liquor- bildung ganz andere Mechanismen im Spiele sind, erscheint uns doch noch des Beweises zu bediirfen.

l~ber Aussehen der Gefiii~e und des Liquors beim sterbenden (C s) und toten Tier (C 1~ 1~) nach Elektronarkose unterrichtet die letzte Bildreihe.

C 8 GlO

a) b)

C H CI- ~

c) d) Abb. 6a--d. GefRi3e und Liquor beim sterbenden und toten Hund nach Elektronarkose.

Das Verhalten der Nagelfalzcapillaren in der Agone ist unli~ngst, nachdem einer yon uns (Magnus) Ahnliches bereits beobachtet hatte, von Redisch 1) eingehend beschrieben worden. Ganz ~ihnliche Vorg~nge wie dort spielen sich beim sterbenden Tier an den Haargef~Ben der weichen Hirnh/iute ab. Tr~ge StrOmung, Stasen, Verklumpung der Erythrocyten, vor- und riickls Bewegungen derselben, Fraktio- nierung dcr Bluts~ulen usw. kommen zur Geltung, w~hrend der Liquor erstarrt innerhalb der Gefi~Bscheiden oder wie Windeis innerhalb der subarachnoidealen R~,ume sich vorfindet.

l) Klin. Wochenschr. 3, Nr. 49.

Elektronarkose und HirnSdem. 721

Vorgehen und Ergebnisse fassen wir wie folgt zusammen: 1. In der Absicht, die pathologisehe Physiologie des tIirnSdems zu

studieren, wurde an einer Reihe yon Hunden die Elektronarkose nach Leduc angewendet.

2. Als Instrumentarium diente das rotierende Chronaximeter nach Boruttau, das auf die Motorachse des Pantostaten aufmontiert wurde.

3. Die pialen GehirngefaBe wurden nach Trepanation des Sch~dels einer direkten Beobachtung zuganglich gemacht.

4. Die Verwendung des photographischen Okulars nach Siedentop] (Phoku) gestattete es, die Bilder im geeigneten Moment der Beob- achtung mikrophotographiseh festzuhalten.

5. Das 0dem der weichen Hirnh~ute, das unter der Elektronarkose stets zur Entwieklung kam, wird genetisch verstanden vorwiegend als StauungsSdem.

6. Hierffir sprieht die vorwiegende Entwicklung desselben aus den zirkumadventitiellen Scheiden, die unter Entstehung eines Hirnprolapses bei tonischer Anspannung exspiratorischer Muskelgruppen beobachtet wurde.

7. Da$ als konkurrierende Ursaehe eine unmittelbar durch die Elektronarkose gesetzte Gewebssch~digung in Betracht kommt, wird durch das Auftreten feiner, punktfSrmiger Liquorreflexe im freien, gef~$losen Gesichtsfeld nahegelegt. Hierffir sprechen welter Capillar- stasen und ein Stillstand der Bluts~ulen auch in grSl~eren Gef~Ben, die unter der Einwirkung der Elektronarkose in Erscheinung traten.

8. Auf der harten ttirnhaut schlossen sich zur BefOrderung der unter Einwirkung der Elektronarkose iiberproduzierten Lymphe Lymph- spalten und -Gef~l~e auf.

9. Die teilweise Entstehung des Hirnliquors aus den periadventitiellen Gefi~l~seheiden kam beim friseh trepanierten Tier, ohne da$ an diesem weiter experimentiert wurde, nebenher deutlich zur Geltung.

10. Beim sterbenden Tier zeigte sich nach stattgehabter Elektro- narkose triage StrSmung, Stasen, Verklumpung der Erythrocyten, vor- und riickli~ufige Bewegungen derselben, Fraktionierung der Blut- si~ulen, Austritt yon lymphatischer Fliissigkeit in die Gefi~$seheiden und ins freie Gewebe, kurz Vorgange, wie sie in analoger Weise bereits am Integument in der Agone des Menschen beobaehtet wurden.