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Elisabeth Feigl-Bogenreiter (Hg.)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIGSprachen lernen bis ins hohe Alter
VÖV-Edition Sprachen 6
Impressum:
Herausgeberin: Elisabeth Feigl-Bogenreiter
Redaktion: Elisabeth Feigl-Bogenreiter
Mitarbeit: Alexandra Edlinger und Catherine Vana
VÖV-Edition Sprachen 6
© Alle Rechte vorbehalten.
2013 Verband Österreichischer Volkshochschulen
1020 Weintraubengasse 13
Umschlaggestaltung: Qarante
Layout und Satz: Christine Rafetseder
ISBN 978-3-902022-34-9
Inhalt Seite
Einleitung ................................................................................................................................. 3
Fremdsprachenlernen im Alter ............................................................................................ 5
Lernen aus neurobiologischer Perspektive ..................................................................... 5
Die demographische Entwicklung und VHS-Kursteilnehmende .............................. 13
Lernen im Alter .................................................................................................................. 15
Umsetzung im Sprachunterricht ..................................................................................... 23
Schwerpunktthemen:
Zielgruppen ........................................................................................................................... 32
Emotionen .............................................................................................................................. 37
Lehrbücher ............................................................................................................................. 41
Intergenerationen ................................................................................................................. 45
eLearning im Alter ............................................................................................................... 50
Lernende – Lehrende ........................................................................................................... 54
Die Autorinnen ..................................................................................................................... 58
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
3
Einleitung
Alter und Sprachenlernen, ein unvereinbarer Widerspruch?
Mit zunehmendem Alter gestalten sich die persönlichen Motive eine (neue) Sprache zu lernen immer
unterschiedlicher. Bereits erworbene Wissensstrukturen stellen sich zunehmend individueller dar. Je
älter wir werden, desto mehr verfügen wir über Kenntnisse, Kompetenzen und Fertigkeiten an denen
sich das Lernen orientieren kann. Je nach bisheriger Lernbiographie, bildungsfernem oder wissensna-
hem Lebenshintergrund, lassen sich unterschiedliche Strategien beim Erlernen von Neuem erkennen.
Das gilt auch und ganz speziell für das Sprachenlernen.
Somit kann keineswegs generell behauptet werden, dass es mit zunehmendem Alter für alle Men-
schen gleichermaßen schwierig(er) wird, eine (neue) Sprache zu lernen. Sicher ist nur, dass die Un-
terschiede im Lernverhalten und in der Aufnahmebereitschaft mit zunehmendem Alter immer diver-
gierender werden. Lernungewohnten, die in ihrem bisherigen Leben keine Fremd- oder Zweitspra-
chen erworben haben, fällt das Lernen im fortgeschrittenen Alter ungleich schwerer. Lerngewohnte,
vielleicht sogar mehrsprachig sozialisierte Menschen verfügen über ausreichend Strategien beim Er-
werb neuer Vokabel und formaler Strukturen. Auf diese Weise entwickeln sie sogar Vorteile gegen-
über unstrukturierteren jüngeren Lernenden.
Unser Gehirn bewertet laufend, ob Informationen wichtig sind oder nicht. Wenn der Wunsch etwas zu
lernen, nur sehr vage oder zögerlich gegeben ist, plagen sich ältere (aber auch viele jüngere) Menschen
mit dem Erwerb einer (neuen) Sprache. Wenn ein konkreter Anlass gegeben ist, fällt alles leichter.
Und nicht zuletzt spielt, neben kognitiven und sozialen Bedingungen, die emotionale Einstellung eine
entscheidende Rolle beim erfolgreichen Lernen. Auch, oder insbesondere in diesem Punkt, bringen
Ältere ihr dickes „Erfahrungs-Bündel“ mit. Haben sie jahr(zehnt)elang erfahren, dass Lernen mit
Angst, Frustration und Versagen verbunden ist, wird sich das negativ auf ihr Verhalten im Sprachun-
terricht ausüben.
Bei der Tagung „Mehrsprachig statt Einsilbig – Sprachenlernen bis ins hohe Alter“, die am 17. No-
vember 2012, an der Volkshochschule Graz stattfand, wurde das oben skizzierte Thema einem inte-
ressierten Fachpublikum näher gebracht. Die eintägige Veranstaltung, die von rund 100 VHS-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
4
KursleiterInnen und Hauptberuflichen besucht wurde, konnte als Kooperationsprojekt des Verbandes
Österreichischer Volkshochschulen mit der AK Volkshochschule Steiermark, der Volkshochschule
Steiermark, der Urania Graz, den Kärntner Volkshochschulen sowie dem Sprachennetzwerk Graz
durchgeführt werden. Die Verlage Hueber, Klett und Cornelson beteiligten sich ebenfalls finanziell an
den Kosten.
In ihrer Keynote ermöglichte Marion Grein von der Universität Mainz einen umfassenden Einstieg ins
Thema und beleuchtete auch vor allem die neurobiologischen Veränderungen. In den darauf folgen-
den Themeninseln wurden Subthemen diskutiert: das Erschließen neuer Zielgruppen, der Umgang
mit Emotionen, ältere Lernende und Kursbücher, das Verhältnis zwischen den Generationen sowie
das zwischen älteren Lernenden und jüngeren Lehrenden.
In der Folge finden Sie eine Zusammenfassung der Beiträge sowie einige praktische Anregungen für
den Unterricht. Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen der Empfehlungen wünscht
Elisabeth Feigl
Sprachenreferentin / Verband Österreichischer Volkshochschulen
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
5
Marion Grein, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Fremdsprachenlernen im Alter1 „Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt,
mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen.
Jeder, der weiterlernt, ist jung,
mag er achtzig oder zwanzig Jahre zählen.“
(Henry Ford I. 1863-1947)
In einem ersten Kapitel werde ich sehr knapp die neurobiologischen Grundlagen des Lernens
skizzieren. Ausgehend von den allgemeinen Erkenntnissen bezüglich der Vorgänge des Lernens im
Gehirn wird dann, nach einem kurzen Exkurs zur Entwicklung der VHS-Kursbesuchenden, auf das
Lernen im fortgeschrittenen Alter eingegangen. Schließlich werden konkrete Tipps für die
altersgerechte Konzeption eines Sprachkurses gegeben, wobei an dieser Stelle schon darauf
hingewiesen werden muss, dass Faktoren wie Vorbildung, Input und Motivation einen größeren
Einfluss auf den Lernerfolg haben als das Alter.
1. Lernen aus neurobiologischer Perspektive
Zwei Faktoren spielen für das Lernen eine bedeutsame Rolle: einmal das Gehirn bzw. genauer der
Cortex (auch Kortex, Großhirnrinde, siehe Kapitel 1.1) und zum anderen die Neuronen (Kapitel 1.3).
Aus neurobiologischer Sicht bedeutet Lernen den Aufbau von Neuronenpopulationen im Cortex.
Jedes Neugeborene kommt mit ca. 100 Milliarden Neuronen auf die Welt, die jedoch nur minimalst
miteinander verknüpft sind. Im ersten Lebensjahr vergrößert das Baby seine Gehirnmasse von ca. 250
auf 750 Gramm, und das nur dadurch, dass das Baby „lernt“, d.h., dass feste Verbindungen zwischen
den Neuronen entstehen, es also zu Neuronenpopulationen kommt. Mit der Pubertät hat das Gehirn
sein durchschnittliches Endgewicht zwischen 1,3 und 1,4 kg erreicht. Bei Männern befinden sich ca. 23
Milliarden, bei Frauen ca. 19 Milliarden der insgesamt 100 Milliarden Neuronen im Cortex. Während
1 Teile sind Grein, Marion (i.V.) Neurodidaktik für Sprachkursleitende entnommen.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
6
es beim Kleinkind viele, aber schwache neuronale Verknüpfungen gibt, sind es beim Erwachsenen
weniger, aber sehr feste Verbindungen.2
Abb. 1 Neuronen im Cortex: Baby vs. Erwachsener
1.1 Der Cortex
Der Cortex ist in zwei Hemisphären unterteilt, die mehr oder weniger symmetrisch aufgebaut sind.
Die beiden Hemisphären sind durch Stränge von Nervenfaserbündeln (mehr als 300 Millionen Ner-
venfasern) verbunden. Die beiden Hälften kommunizieren über das Corpus callosum, den Balken,
miteinander. Insgesamt werden im Cortex vier unterschiedlich große Lappen unterschieden: der Fron-
tal- oder Stirnlappen, der Parietal- oder Scheitellappen, der Okzipital- oder Hinterhauptslappen und
der Temporal- oder Schläfenlappen.
2 Die Daten zu Gehirn und Neuronen entstammen vorwiegend Trepel (2008), Korte (2012) und Squire
& Kandel (2009), Bonhoeffer & Gruss (2011). Die Angaben finden sich wiederholt in allen neurobiolo-
gischen Quellen.
Abb. 2: Der Cortex (lateral)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
7
Abb. 3: Der Cortex (medial) mit Limbischem System
Für Sprache und so auch für das Sprachenlernen sind alle Bereiche des Cortex im Einsatz, der motori-
sche Cortex regelt neben dem Broca-Areal die Muskeln beim Sprechen. Das Broca-Areal (Sprechen)
selbst findet sich im Frontallappen. Es ist zuständig für die syntaktische Verarbeitung und die motori-
sche Koordination des Sprechens. Im Deutschen sind beim Sprechen über 100 Muskeln im Einsatz. Im
Stirnlappen beispielsweise findet die sprachpragmatische Verarbeitung statt, so z.B. bei Anspielungen
oder Metaphern. Der Parietallappen verarbeitet haptische Reize und enthält das Lesezentrum. Im
Temporallappen wird der emotionale Gehalt des Gesichtsausdrucks unseres Gegenübers bewertet
(siehe unten). Hier befindet sich auch das Sprachverarbeitungszentrum, das sog. Wernicke Areal
(Sprachverständnis). Der Okzipitallappen schließlich dient der visuellen Reizaufnahme. Im Alter
nimmt das Volumen einiger dieser Areale ab (siehe Kapitel 3). Eine zentrale Funktion, noch vor der
eigentlichen Sprachverarbeitung, hat das sog. Limbische System inne.
1.2 Das Limbische System
Das Limbische System (Limbus) befindet sich im Zentrum des Gehirns. Jedes neuronale Signal, also
jeder Reiz, passiert als erstes den Limbus. Das Limbische System bewertet die ankommenden Reize
nach den Kriterien bekannt vs. unbekannt, wichtig vs. unwichtig und angenehm vs. unangenehm. Der
Informationsinhalt wird also einerseits mit bereits vorhandenen Wissensbeständen verglichen, ande-
rerseits wird der Reiz emotional bewertet (im Hippocampus).
Sobald der Reiz als unwichtig empfunden wird, wird er gar nicht erst weiter geleitet. Nehmen wir als
Beispiel die Vokabel kutsu (japanisch Schuh): Wenn der Reiz kutsu auf Ihr Ohr trifft, ist davon
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
8
auszugehen, dass der Reiz, da wenig relevant, nicht an den subkortikalen Bereich (der Bereich unter-
halb des Cortexes, das Arbeitsgedächtnis) weitergeleitet wird und so nicht die Chance hat, jemals als
fester Wissensbestand (Neuronenpopulation) im Cortex zu landen. Wörter oder Inhalte, die den
Lernenden jedoch emotional ansprechen oder aber Wissensbestände, die den Lernenden sinnvoll er-
scheinen, werden weitergeleitet. Was für den einen Lernenden jedoch mit Sinnhaftigkeit verknüpft ist,
kann für einen anderen sinnfrei sein. Siebert (2006: 86) spricht – in Anlehnung an Spitzer – von einem
Relevanz- und einen Neuigkeitsdetektor. Hat ein Reiz (in Form des Lernstoffs) keine offensichtliche
Relevanz, so erreicht er den Arbeitsspeicher (subkortikalen Bereich) erst gar nicht. Die Situation ist
den meisten Lehrenden aus dem Unterricht bekannt: Die Lehrkraft erläutert ein sprachliches Phäno-
men und eine/r der Teilnehmenden fragt kurz danach, ob irgendwann genau dieses Phänomen ver-
mittelt wird.
Wie kann man das Limbische System aktivieren?
Da neue Informationen zunächst mit vorhandenen Wissensbeständen verglichen werden, ist es
sinnvoll den Unterrichtseinstieg bzw. den Einstieg in ein neues Thema derart zu gestalten, dass
vorhandene Wissensbestände wieder aktiviert werden, also z.B. über mindmaps, die zunächst in
Einzelarbeit erarbeitet und dann vielleicht in kleinen Gruppen diskutiert werden.
Hilfreich ist ferner, wenn man den Nutzen der Wissensbestände konkret thematisiert; man also
aufzeigt, welche wissenschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche, persönliche Relevanz das Thema hat.
Wie spreche ich die emotionale Seite an?
Das Limbische System möchte neugierig gemacht werden (vgl. Hermann 2009). Es schätzt eine
entspannte Atmosphäre. Roth (2009: 60)3 schreibt:
Dieses System entscheidet insofern grundlegend über den Lernerfolg, als es bei jeder
Lernsituation fragt: Was spricht dafür, dass Hinhören, Lernen, Üben usw. sich tatsächlich lohnen?
Dies geschieht überwiegend aufgrund der vergangenen, meist unbewusst wirkenden Erfahrung.
Kommt das System zu einem positiven Ergebnis, so werden über die genannten
neuromodulatorischen Systeme in der Großhirnrinde vorhandene Wissens-Netzwerke so
umgestaltet, dass neues Wissen entsteht.
Darüber hinaus schätzt das Limbische System motivierte und glaubhafte Lehrende. Je des-
interessierter der Lehrende erscheint, desto eher schließt das Limbische System, dass der
Wissensbestand ohne wirkliche Relevanz ist. Zu Beginn eines jeden Erstkontakts und auch bei jedem
weiteren Gesprächskontakt wird die Glaubwürdigkeit des Gegenübers unbewusst evaluiert. Dies
geschieht durch Analyse des Gesichtsausdrucks, prosodischer Merkmale (also der Stimme) und der
Körperhaltung. Beteiligt sind Amygdala, insulärer Cortex (sog. Insel, überdeckt von den Lappen)
sowie der rechte Temporal- und Partietallappen.
Erscheint der Lehrende motiviert, geht der Lernende unbewusst davon aus, dass das Wissen sinnvoll
oder auch emotional gewinnbringend ist. Wenn das Limbische System davon ausgeht, dass das
3 Der Artikel von Roth ist mehrfach in Publikationen zu finden.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Zuhören und aktive Mitarbeiten in der Folge zu einem Dopamin-Ausstoß (Neurotransmitter, der Vor-
freude und Glücksgefühle auslöst) führt, ist die Feuerung dementsprechend stärker.
Ferner ist eine positive Anstrengung, die die Neurotransmitter Noradrenalin (anregend in geringen
Dosen) und Acetylcholin (unterstützt die Speicherung4) ausschüttet, lernförderlich. Ohne jegliche
Anstrengung und „positiven Stress“ schaltet das Gehirn ebenfalls ab. Die Lernenden müssen also
gefordert werden. Das vom Limbischen System Gespeicherte wird allmählich an den Cortex
übertragen, und dies in der Regel während des Schlafens (vgl. Spitzer 2009: 123ff.).
Beim Lernen ändern sich vor allem die Verbindungen zwischen den Neuronen. Die Weitergabe von
Reizen erfolgt über die sog. Synapsen (vgl. Kapitel 1.3), sodass Lernen auch als Veränderung der
Synapsenstärke definiert werden kann (vgl. Giesinger 2009: 527). Die Synapsen wiederum übertragen
die bereits angesprochenen Neurotransmitter, von denen zurzeit (2012) über 100 verschiedene be-
kannt sind. Fürs Lernen von besonderer Bedeutung sind:
Acetylcholin: zentral für die Aufmerksamkeitssteuerung
Noradrenalin: Informationsverarbeitung, Angst und Emotionen (entsteht aus Dopamin)
Dopamin: Belohnungssystem5
GABA (Gamma-Amino-Buttersäure): dämpft Erregung und beruhigt
Serotonin: Wohlbefinden und
Glutamat: Sinneswahrnehmungen.
1.3 Neuronen und Synapsen
Bei jedem Input (bewusstem oder oft unbewusstem) entstehen sog. Ladungsprozesse zwischen den
beteiligten Neuronen. Gleicher Input (also z.B. Wiederholungen) spricht die gleiche
Neuronengruppen an. Die einzelnen beteiligten Neuronen gehen eine stabilere Verbindung ein.
4 Ein Mangel an Acetylcholin ist der Auslöser für die Alzheimer-Krankheit. 5 Ein zu wenig an Dopamin begünstigt Parkinson, ein Übermaß begünstigt Schizophrenie.
Das Neuron besteht aus dem Zellkörper, der
den Zellkern enthält, Dendriten und Axonen.
Der Reiz wird von den Dendriten aufge-
nommen und über das Axon an das nächste
Neuron weitergeleitet. Am Ende des Axons be-
finden sich und entstehen die Synapsen (vgl.
Trepel 2008: 3ff.)
Abb. 4: Neuron/Nervenzelle (Original)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Abb. 5 Neuron schematisch
Jedes Neuron wird durch seine Membran umschlossen. Der bereits angesprochene Ladungsprozess
entsteht durch die Aufnahme von Kalium in die Zelle und Abgabe von Natrium aus der Zelle. Derart
entsteht ein elektrischer Ladungsunterschied. Wird ein Neuron durch einen Reiz aktiviert, gibt es
seinen Ladungsunterschied in Form eines elektrischen Impulses ab. Die Übertragung von einem
Neuron zu einem nächsten Neuron erfolgt nun durch die Weitergabe der bereits angesprochenen
Neurotransmitter, also chemischer Stoffe, die von einer Synapse an die nächste Synapse
weitergegeben werden. Je stärker der Reiz (Signalstärke), desto mehr Neurotransmitter werden
freigesetzt bzw. weitergeleitet.
Abb. 6 Weitergabe von einem Neuron an das nächste Neuron
Dendrit
Zellkörper
Zellkern
Myelinscheide
-> Myelinhülle
Schwann-Zelle
Axon
Synapse
Zellkern
Zellkern
Zellkörper
Axon
Synapse
Vesikel synaptischer Spalt
Neurotransmitter
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Ein Neuron kann bis zu 10.000 (je nach Quelle auch bis zu 15.000) synaptische Verbindungen aufbauen,
bei 100 Milliarden Neuronen können das 1016 Synapsen sein. Lernen heißt also, um es noch einmal zu
wiederholen, dass zwischen bestimmten Neuronen – aufgrund von wiederholten Reizen – eine feste
Verbindung mithilfe der Synapsen aufgebaut wird (vgl. Trepel 2008: Kapitel 1). Von der Geburt bis zum
2. Lebensjahr entwickeln sich 1,8 Millionen Synapsen pro Sekunde (vgl. Korte 2012: 40).
Bei jedem Lernprozess kommt es zu einer Veränderung der betroffenen Neuronenpopulationen,
indem das neue Wissen an bereits vorhandenes andockt. Man spricht hier von synaptischer Plastizität
oder Synapsenplastizität. Lernen ist folglich ein Umstrukturierungsprozess vorheriger Wissens-
bestände im Cortex (vgl. Spitzer 2000: 11, 30). Man spricht auch von neuronaler Reorganisation.
Nehmen wir zur Verdeutlichung noch einmal kutsu (Schuh): Wenn Sie die neue Vokabel kutsu
speichern, so dockt das Wort entweder an ihr muttersprachliches oder eines Ihrer fremdsprachlichen
mentalen Lexika an (vgl. zu mentalen Lexika: Sunderman & Kroll 2006, Dijkstra & Van Heuven 2002,
Jared & Kroll 2001. Marian & Spivey, 2003). Damit hat sich die vorherige Neuronenpopulation
verändert. Bei festen Wissensbeständen bestehen tausende synaptischer Verbindungen zwischen den
beteiligten Neuronen. Vorausgesetzt, das Limbische System gewährt dem Reiz kutsu Zugang zum
subkortikalen Bereich (dem Bereich, in dem es zunächst kurz gespeichert wird, Arbeitsgedächtnis), so
vergleicht das Gehirn, wie bereits dargestellt, den neuen Reiz, also den neuen Input, mit bereits
vorhandenen Wissensstrukturen (oder Erfahrungen) im Cortex.
Der Reiz wird besser verarbeitet, wenn er auf bereits ähnliche Strukturen trifft (Mustererkennung).
Häufige Inputs (in Form von Wissensbeständen) werden dann auf einer insgesamt größeren Fläche
repräsentiert als seltene Inputs und solche, die nirgendwo andocken können (vgl. Spitzer 2000: 95ff).
kutsu dockt dabei also zunächst an der Erstsprache (oder einer anderen fest verankerten Sprache) an.
Je öfter es wiederholt wird, desto „selbstständiger“ wird der Wissensbestand; je positiver die Konno-
tationen, desto besser wiederum die Speicherung. Würde ich z.B. bei der Vermittlung der Vokabel
kutsu solchen Frauen, die einen Faible für Schuhe haben, ein paar Schuhe schenken, würde ich den
Speicherungsprozess unterstützen.
Die Axone (Nervenfortsätze, die den Reiz weiterleiten) werden von einer Myelinhülle (auch
Myelinschicht, Myelinscheide, Isolierhülle) umwickelt. Verantwortlich für die Produktion des Myelin
sind sog. Gliazellen (bezeichnet auch als Schwann-Zellen). Da viele Neuronen über mehr
Nervenfortsätze verfügen, wird die Anzahl von Gliazellen mit 100.000 Milliarden angegeben. Diese
Myelinhülle schützt dabei nicht nur die Nervenfortsätze (Axone), sondern sorgt auch dafür, dass die
elektrischen Impulse möglichst schnell weiter geleitet werden. Ein Neuron ohne Myelinhülle leitet
einen Impuls 10 Meter pro Sekunde, mit Myelinhülle 100 Meter pro Sekunde. Myelin ist eine fettige,
elektrisch gut isolierte Schicht, die zu 80% aus Fetten und zu 20% aus Proteinen besteht. Die Myelini-
sierung beginnt im 9. Monat noch im Mutterleib, steigt bis zum 20. Lebensjahr stetig an und entwi-
ckelt sich bis zum ca. 50. Lebensjahr weiter. Zwischen dem 12. und 20. Lebensjahr verdoppelt sich die
Myelinmenge im Gehirn. Myelin ist ein Schlüsselfaktor des Lernens im Alter, da die Myelinhülle
dünner wird. Sie wird in Kapitel 3 wieder aufgegriffen.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
12
Wie erreicht der Reiz nun den Cortex?
Im Allgemeinen werden unterschiedliche Sinne und damit Reize differenziert: der Sehsinn (optisch),
der Geruchssinn (olfaktorisch) und der akustische Sinn. Die analogen Signale (optisch, akustisch,
olfaktorisch) treffen auf einen adäquaten Rezeptor, es entsteht ein Rezeptorpotential, welches in den
nachgeschalteten Neuronen in für das Gehirn lesbare digitale Signale umgewandelt werden; es wird
ein Aktionspotential ausgelöst (vgl. Kandel et al. 2012).
Der Reiz kutsu trifft als akustischer Reiz auf Ihr Ohr, wird digital umgewandelt und trifft auf ein erstes
Neuron. Der Reiz wird in der Folge, wie dargestellt, von einem Neuron zum nächsten Neuron
weitergeleitet. Schreibe ich den Begriff kutsu an die Tafel, wird der analoge optische Reiz von den
Photorezeptoren in digitale Signale transformiert. Einen stärkeren Reiz kann ich vielleicht auslösen,
wenn kutsu mit einem Bild über den Beamer an die Wand projiziert wird. Die optischen Medien
unterscheiden sich folglich bezüglich ihrer Reizintensität. Die Reizübertragung von einem Neuron
zum nächsten erfolgt, wie bereits dargestellt, über die Synapse(n), die die chemischen Botenstoffe
weitergibt/geben. Und – wie ebenfalls bereits angesprochen – kann die Speicherung durch eine
positive Emotion gefestigt werden.
Abb. 7 Synapse schematisch
Die Synapse leitet (über die Axone) das ankommende Aktionspotential (das Wort kutsu) an das
nächste, also das postsynaptische, Neuron weiter. Die Neurotransmitter befinden sich zunächst in den
sog. Vesikeln (Bläschen) des präsynaptischen Neurons. Durch das ankommende Aktionspotential
werden sie freigesetzt. Die Neurotransmitter gelangen in den synaptischen Spalt und werden vom
postsynaptischen Neuron aufgenommen. Im präsynaptischen Neuron werden die Neurotransmitter
sofort wieder aufgebaut. Bei übermäßigem Stress kann dies verzögert werden, so dass die weitere
Reizweiterleitung blockiert ist (sog. „blackout“).
A präsynaptisches Neuron
B postsynaptisches Neuron
1. Mitochondrium (Energiebereitsteller)
2. Vesikel mit den Neurotransmittern
3. Autorezeptor
4. Synaptischer Spalt
5. Neurotransmitter Rezeptor
6. Kalziumkanal
7. verschmolzenes Vesikel gibt Neurotransmitter
frei
8. Neurotransmitter Pumpe (Rückführung der
nicht aufgenommenen Neurotransmitter)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
13
Erfolgt der gleiche Reiz häufiger, werden die gleichen Neuronen wieder aktiv. Es bilden sich weitere
Synapsen aus. Durch häufige Wiederholung werden die Wissensbestände im Cortex (Langzeitge-
dächtnis) gespeichert.
Gehirnscans zeigen, dass nach nur 20 Minuten Klavierspielen beispielsweise neue Neuronen-
populationen nachweisbar sind (vgl. auch Spitzer 2000: 86). Wird danach nicht weiter geübt, geht die
Neuronenpopulation verloren. Ähnliches passiert bei allen Lerngegenständen: Sowohl die
Konnektivität der Synapsen als auch die Population an sich bedürfen der Wiederholung gleicher oder
ähnlicher Signale.
Der Ablauf lässt sich schematisch wie folgt zusammenfassen:
Abb. 8: Lernvorgang
Deutlich wird, dass einerseits das Limbische System emotional angesprochen werden muss, damit der
Reiz überhaupt weitergeleitet wird und andererseits Wiederholungen notwendig sind, damit das
Wissen in den Cortex gelangt. Eine Vokabel muss beispielsweise auch bei lerngewohnten Lernenden
ungefähr 80mal wiederholt werden, ehe sie fest im Cortex verankert ist (vgl. Apeltauer 2010: 15).
Nach einem kurzen Exkurs zu den demographischen Entwicklungen (Kapitel 2) wird im 3. Kapitel auf
die durch neurobiologische Veränderungen hervorgerufenen Faktoren des Lernens im Alter einge-
gangen.
2. Die demographische Entwicklung und VHS-Kursteilnehmende
Die Darstellung der demographischen Entwicklung in Österreich zeigt anhand der Trendlinie deut-
lich, dass die Anzahl älterer Menschen (65+) in Österreich zunimmt (vgl. www.statistik.at).
Reiz subkortikaler
Bereich Limbisches System Wiederholungen Cortex
Relevanzprüfung
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
14
Abb. 9 Demographische Entwicklung in Österreich (Angabe in Millionen)
Von 1990 bis 2011 sieht man eine deutliche Zunahme älterer Kursteilnehmender an Volkshochschulen
(VHS): Waren es 1990/91 noch 25% der 20- bis 29-Jährigen, die die VHS besuchten, machte diese Ziel-
gruppe 2010/11 lediglich noch 13,5% aus. 1990/91 waren nur 7,2% der Teilnehmenden älter als 60 Jah-
re, 2010/2011 waren es bereits 17,1% der Teilnehmenden. Abb. 11 zeigt darüber hinaus die Staffelung
im höheren Alter und zeigt, dass als neue Zielgruppe die Lernenden 70plus dazugekommen sind.
Abb. 10 Teilnehmende an VHS-Kursen 1990/91 vs. 2010/11
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
15
Abb. 11: Ältere Teilnehmende an VHS-Kursen 1990/91 vs. 2010/11 (vgl. Statistik Österreich)
Die Entwicklungen lassen vermuten, dass ältere Menschen zunehmend an VHS-Kursen (und anderen
Weiterbildungen) teilnehmen werden. Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es sinnvoll ist, für
diese Zielgruppe eigene Kurse zu konzipieren. Je nach Lern- und Menschentyp werden sicherlich
einige Teilnehmende weiterhin intergenerationelle Kurse bevorzugen, andere jedoch fühlen sich in
altershomogeneren Gruppen sehr viel wohler, und diese positiven Emotionen unterstützen den
Lernprozess. Im folgenden Kapitel werden die neurobiologischen Veränderungen im Alter darge-
stellt.
3. Lernen im Alter
Zunächst stellt sich die Frage, was überhaupt unter Alter zu verstehen ist. Was sind ältere
Erwachsene? Im Bildungszusammenhang werden damit Lernende bezeichnet, die das 50. Lebensjahr
überschritten haben. Diese Festlegung ist jedoch insgesamt kritisch zu betrachten, wie bereits das
einleitende Zitat von Henry Ford deutlich machte. In Anlehnung an die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) ist man alt, wenn man das 65. Lebensjahr vollendet hat.
Betrachten wir zunächst die in der Literatur oder in Ankündigungen von Weiterbildungen
verwendeten Begrifflichkeiten für ältere Lernende:
• Senioren
• Best Agers
• 50+ (vgl. Uni Mainz: Studium 50+)
• Woopies (well-off older people)
• Generation Gold, Goldies
• Selpies (second-life-people)
• Grampies (Growing Retired Active Moneyed People)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
16
• Knowies
• Classicals
• Silber Generation
Bis heute hat man keinen Begriff gefunden, der allgemein von allen akzeptiert wird (vgl. Studie des
Instituts für Seniorenforschung, Frankfurt, http://www.seniorresearch.de).
Während noch vor ca. 50 Jahren das Alter als feste Variable zur Bestimmung des potentiellen
Lernerfolgs herangezogen werden konnte, da die Generation der damals „Älteren“ noch recht
homogen war, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen auch eines biologischen
Alters so groß, dass man sie kaum mehr bündeln kann. Heute haben die Menschen sehr viel divergen-
tere Biographien als früher; die Möglichkeiten und das Interesse an Weiterbildung haben
zugenommen und werden vielerorts als selbstverständlich angesehen. Die Gruppe der 60 oder 70-
jährigen ist mittlerweile so heterogen, dass man sie nicht als feste Kohorte betrachten kann (vgl. auch
Lindenberger 2008).
Auf die Frage: „Gibt es denn nun den Altersfaktor?“, antworte ich in meinen Seminaren meist mit der
Antwort „Jein“ und veranschauliche dies anhand der folgenden Abbildung, auf der alle vier Männer
gleichermaßen 60 Jahre alt sind:
Abb. 12: Alter und Lernbiographie
Der Alterungsprozess wirkt sich zwar auf Gehirn, Psyche und Körper aus, jedoch sind beim
Fremdsprachenlernen Faktoren wie Motivation, Form des Inputs, Bildungsstand und die Anzahl
bereits erworbener Fremdsprachen wichtiger als das Alter (vgl. Raz 2009: 411; Obler et al. 2010: 114).
Ein 80-Jähriger, der immer gelernt hat, kann besser Lernen als ein unmotivierter 30-Jähriger, der seit
dem 18. Lebensjahr nichts mehr getan hat!
Lerngewohnt, Bil-
dungsnah
Fremdsprachen
Lerngewohnt
Bildungsnah
keine Fremdsprache
Lernungewohnt
Bildungsfern
Fremdsprachen
Lernungewohnt
Bildungsfern
keine Fremdsprache
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
17
Wie kann man dann aber die Variable Alter weiter thematisieren?6
Ausgangspunkte der neurobiologischen Darstellung der Alterungsprozesse ist einerseits das sog.
Zwei-Komponenten-Modell für kognitive Fähigkeiten bzw. Intelligenz (nach Baltes 1990, Baltes et al.
1994, vgl. auch Raz 2009, Korte 2012: 23ff.) und zum anderen eine Einteilung des Gehirns in vier
„Lebensalter“.
Betrachten wir zunächst das zwei Komponenten-Modell: Hier unterscheidet man zwei Arten von
Intelligenz, die bis zum 25. Lebensjahr ca. parallel verlaufen:
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
0
Jahre
10
Jahre
20
Jahre
25
Jahre
30
Jahre
40
Jahre
50
Jahre
60
Jahre
70
Jahre
80
Jahre
fluide I.
kristalline
Poly. (fluide I.)
Log. (kristalline)
Abb. 13 Fluide und kristalline Intelligenz
Mit fortschreitendem Alter geht die fluide Intelligenz zurück, das heißt, dass die
Informationsaufnahme und -verarbeitung mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die kristalline Intelligenz
(so man das Gehirn fit hält) steigt jedoch stetig an und Vieles wird derart ausgeglichen bzw. birgt
sogar große Vorteile (vgl. auch Korte 2012: 25ff., Persson et al. 2004). Die folgende Tabelle fasst die
zentralen Erkenntnisse zusammen:
6 Im englischen Sprachraum sind in den letzten fünf Jahren große Mengen an Forschungsergebnissen
zu Alter und Gehirn publiziert worden. Eine Suche bei google scholar nach wissenschaftlichen Publi-
kationen führt den interessierten Lesenden zu einer Fülle an zusätzlichen Studien.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
18
Fluide Intelligenz
(nimmt ab)
Kristalline Intelligenz
(nimmt zu)
geistige Beweglichkeit individuelles Wissen & Verbindungen zu
vorhandenen Wissensbeständen
Fähigkeit, sich an neue Erfahrungen und
Lebensumstände kreativ anzupassen
Lösungsansätze für bekannte Aufgaben
(Mustererkennung besser ausgebaut)
rasche Auffassungsgabe Problemlösungstechniken und -strategien
Schnelligkeit des Kombinierens Zusammenhänge erkennen
Verbindung von Gelerntem mit Neuem Weitblick
Verarbeitung von Tönen und Bildern Logisches Denken
Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (sub-
kortikaler Bereich)
Urteilsvermögen
Speicherleistung (z.B. von Vokabeln) sprachliche Fähigkeiten
Multitasking emotionale Kontrolle & emotionale In-
telligenz
ExpertInnenwissen
Was heißt aber fortschreitendes Alter? In Anlehnung an Korte (2012: 78) kann man das Gehirn in vier
Lebensalter unterscheiden: Kindheit, Erwachsenenalter (bis 50 Jahre), mittleres Alter (50 bis 85 Jahre)
und hohes Alter (über 85 Jahre). Die einzelnen Übergänge sind fließend – und wie bereits mehrfach
dargelegt – individuell sehr unterschiedlich.
Erste Veränderungen sind im sog. mittleren Alter, mit einer zugegebenermaßen sehr langen Spanne,
zu verzeichnen. Ab ca. dem 55. Lebensjahr sterben Neuronen in allen Teilen des Gehirns ab, so im
Kleinhirn, in der Großhirnrinde und im Thalamus (vgl. Ross et al. 2005, Stemmer 2010, Grady 2006).
Bei Nicht-Aktiven sterben ferner Neuronen im Hippocampus und Mandelkern ab, was zu großen
Gedächtnisproblemen führen kann (vgl. auch Raz 2009: 413). Grund ist die schlechtere Durchblutung,
die zu einer verminderten Sauerstoffzufuhr führt.
Diesen Prozess kann man teilweise dadurch aufhalten, dass man das Gehirn aktiv hält oder wieder
aktiviert. Heute weiß man, dass neue Neuronen auch in hohem Alter neu entstehen können; man
spricht von der sogenannten adulten Neurogenese (vgl. Bischofberger & Schmidt-Hieber 2006).
Bewegung führt darüber hinaus zu einer verstärkten Sauerstoffzufuhr.
Wie bereits angedeutet, gibt es jedoch auch altersbedingte Veränderungen bei „aktiven Älteren“.
Aufgrund der abnehmenden Myelinhülle und der Abnahme der Gliazellen verlangsamen sich ca. ab
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
19
dem 60. Lebensjahr die Reaktionen und auch die kognitive Verarbeitung wird verzögert (vgl. Ross et
al. 2005: 9, 13f., Raz 2009: 411, Korte 2012: 42, Nicholas et al. 1998: 423). Dadurch wird das
Arbeitsgedächtnis zunehmend langsamer (vgl. Kemper & Anagnopoulus 1989: 38, Nicholas et al.
1998: 419, Lindenberger 2008: 77). Der Cortex wird insgesamt etwas kleiner (vgl. Hogstrom 2012).
Bereits ab dem 25. Lebensjahr nehmen die synaptischen Verbindungen ab und damit auch die
wichtigen Neurotransmitter wie Acetylcholin (unterstützt das Gedächtnis), Serotonin, Dopamin und
Noradrenalin. Das Stresshormon Cortisol hingegen wird verstärkt produziert.
Das Absterben von Neuronen beginnt im präfrontalen Cortex (siehe Abb. 14) und dem einge-
zeichneten Bereich. Der präfrontale Cortex des Frontallappens ist u.a. für die Verarbeitungs-
geschwindigkeit (vor allem beim Rechnen) zuständig. Ferner wird dort Dopamin produziert; das Ab-
sterben der Neuronen führt folglich zu einer verminderten Dopamin-Ausschüttung. Der Mangel an
Dopamin wiederum verringert die selektive Aufmerksamkeit: Man lässt sich leichter ablenken und
kann weniger Aktivitäten zeitgleich durchführen. Ferner ist Dopamin zentral für die Speicherung im
Cortex (also im Langzeitgedächtnis), sodass der Speicherprozess mehr Zeit in Anspruch nimmt (vgl.
Korte 2012: 91)
Abb. 14 Bereiche im Cortex, die schneller „altern“
Frontallappen
präfrontaler
Cortex
Teile des limbischen
Systems
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20
Abb. 15 Kognitive Leistung und Dopamin
Mit der geringeren Menge an Dopamin nimmt auch die Risikobereitschaft ab, d.h. gerade beim
Sprachenlernen, dass man sich zunehmend Sicherheit und keine „Experimente“ wünscht. Verliert
man diese Sicherheit, wird in verstärktem Maße das Stresshormon Cortisol produziert. Eine
Aufforderung im Sprachkurs „Nun erzählen Sie doch einfach mal, was Sie im Urlaub gemacht haben!
Fehler sind nicht wichtig, es geht nur ums Kommunizieren!“ fallen, natürlich abhängig auch vom
Lerntyp, zunehmend schwerer, da die Risikobereitschaft und damit auch die Ambiguitätstoleranz
(Akzeptieren, dass man Fehler macht) geringer ist. Der Lernende gerät in eine Stresssituation, die das
weitere Abrufen von Informationen aus dem Cortex verhindern, der Hippocampus stellt die Arbeit
ein. Ferner verhindert Stress die bereits angesprochene adulte Neurogenese, also das Entstehen neuer
Neuronen, die wiederum das Speichern im Cortex erleichtern.
Zentral für die Verhinderung des Lernprozesses im Alter ist also übermäßiger Stress (Positiver Stress
= Eustress ist jedoch notwendig). Größter Stressauslöser ist der Zeitfaktor. Da das ältere Gehirn länger
braucht, um etwas abzuspeichern, muss man grundsätzlich mehr Zeit einplanen. Ein schönes Beispiel
findet sich bei Korte (2012: 125f.): Mit 15 Jahren können manche Lernende - wenn Interesse und
Motivation vorhanden - ein kurzes Gedicht nach dreimaligem Lesen auswendig aufsagen (auch wenn
es dann sehr schnell wieder vergessen wird). Jenseits der 65. Jahre muss man es dreimal lesen, dreimal
aufschreiben und ca. zehnmal wiederholen.
Wie oben bereits geschrieben, lässt die selektive Aufmerksamkeit nach, d.h. es fällt mit zunehmendem
Alter schwerer, sich auf eine Sache zu konzentrieren; man wird leichter durch andere Reize abgelenkt.
Wenn das Arbeitsgedächtnis überlastet ist, wird zu viel Adrenalin und Cortisol freigesetzt. Dadurch
wird nicht nur die Speicherung von Wissen unterdrückt, und es kommt zu dem bekannten
„blackout“, sondern Cortisol erhöht auch die Anfälligkeit für Diabetes und schädigt dauerhaft die
Neuronen vor allem im Hippocampus.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
21
Was passiert im älteren Gehirn bei Sprachaufgaben?
Das ältere Gehirn zeigt bei Gehirnscans mehr Aktivität, d.h. es bezieht mehr Gehirnareale beim Lösen
einer Aufgabe mit ein als das junge Gehirn (vgl. Obler et al. 2010: 113, 120). Grundsätzlich ist jedoch
strittig, ob dies ein Zeichen von Schwäche oder von Stärke ist.
Die einen argumentieren, dass Ältere mit den für diese Aufgabe üblichen neuronalen Netzwerken
aufgrund des altersbedingten Abbaus im Gehirn (präfrontaler Cortex) nicht mehr auskommen und
daher auf weitere Areale zugreifen müssen (Wartenburger et al. 2003, 2010, Wartenburger 2006).
Andere sind der Auffassung, dass die vermehrte Hirnaktivität darauf zurückzuführen ist, dass Ältere
im Laufe ihres Lebens andere Strategien für das Lösen sprachlicher Aufgaben entwickelt haben (vgl.
Obler et al 2010: 113).
Möglich ist ferner, dass ältere Menschen mehr Gehirnaktivität bei der Sprachverarbeitung zeigen, weil
sie auf einen sehr viel größeren Fundus an eigenen Erfahrungen zurückgreifen (kristalline Intelligenz):
Die zusätzliche Gehirnaktivität wird dadurch hervorgerufen, dass Erinnerungen und Erfahrungen
aktiviert werden (vgl. Lyons et al. 2010).
Fassen wir die zentralen Faktoren zusammen (vgl. Berndt 2003):
(a) Informationsverarbeitung wird langsamer
Ab ca. dem 25. Lebensjahr nimmt die Leistungsfähigkeit der fluiden Intelligenz kontinuierlich ab
(besonders, wenn das Gehirn nicht aktiv neues Wissen speichert); hierzu gehören alle Operationen,
die große Ansprüche an Gedächtnis und kognitive Verarbeitung stellen. Die kristalline Intelligenz, zu
der Sprache, Welt- und Erfahrungswissen gehören, kann bis ins hohe Alter anwachsen (vgl. auch
Baltes 1995, Wartenburger et al. 2010). Dabei gilt es festzuhalten, dass ältere Menschen besonders
dann schlechter ‚abschneiden‘, wenn komplexere Aufgaben unter Zeitdruck gelöst werden müssen
(siehe vorne; vgl. auch Lehr 1991: 113ff.).
(b) Speicherungsprozess dauert länger
Mit der Informationsverarbeitung eng zusammen hängt das Gedächtnis (vgl. Fleischmann 1989,
Lindenberger 2008: 77). Das Arbeitsgedächtnis kann ab ca. 60 Jahren weniger Informationen
gleichzeitig verarbeiten (Gründe: Abnahme der Myerlinhülle und der Neurotransmitter).
(c) Hören lässt nach
Das Hörvermögen verändert sich im Laufe des Lebens. Audiometrische Tests zeigen, dass ein Mensch
im Alter von 60 Jahren noch ungefähr 80%, ein Mensch im Alter von 70 Jahren ungefähr noch 70% der
Hörfähigkeit hat, die er mit 20 Jahren besaß (vgl. auch Lotfi et al. 2009, Lindenberger 2008: 78).
Akustische Informationen, die zu leise sind, können nicht wahrgenommen werden. Hören korreliert
ferner mit der Aussprache. Alle Phoneme hören kann man nur bis zum Alter von ca. einem Jahr (vgl.
Rinker et al. 2010: 90).
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22
Mit zunehmendem Alter substituiert man „fremde“ Laute mit solchen aus der eigenen Erstsprache.
Längenunterschiede beispielsweise werden nicht mehr gehört (Hölle – Höhle, Pollen – Polen). Das,
was man nicht richtig hört, kann man durch reines Zuhören nicht adäquat artikulieren. Je älter der
Lernende ist, desto wahrscheinlicher erwirbt er keine zielsprachliche Aussprache mehr.
Das selektive Hören lässt nach: Älteren Menschen fällt es zunehmend schwer, bei Hinter-
grundgeräuschen akustischen Informationen zu folgen und relevante Geräusche von irrelevanten zu
unterscheiden.
(d) Sehfähigkeit wird schlechter
Die fast unvermeidbare Altersweitsichtigkeit mit dem Verlust des scharfen Sehens im Nahbereich
lässt sich in der Regel mit einer Brille ausgleichen. Allerdings lässt auch die Kontrastwahrnehmung
nach. Alte grüne Tafeln eignen sich hier weniger (vgl. Lindenberger 2008: 77). Die heute üblichen
Whiteboards sind hier schon ein großer Fortschritt. Zentral ist, dass sowohl im Unterricht als auch im
Lehrbuch Buchstaben so groß geschrieben werden, dass man sie problemlos lesen kann.
Eine Zusammenfassung der sich wandelnden Reizwahrnehmung (nach Saup 1993: 76) sieht wie folgt aus:
Lebensalter 20 30 40 50 60 70 80
Sehen
vermehrter Lichtbedarf 35
nachlassende Akkomodationsbreite 40
höhere Blendempfindlichkeit 40
schlechtere Anpassung an grelles Licht 40
verminderte Tiefenwahrnehmung 40
verminderte Sehschärfe 50
verzögerte Dunkelanpassung 55
Einengung des Gesichtsfelds 55
längere Dauer für scharfe Wahrnehmung eines Objekts 55
schlechtere Farbwahrnehmung 70
Hören
verminderte Hörfähigkeit bei Männern 32
verminderte Hörfähigkeit bei Frauen 37
Störanfälligkeit für Hintergrundgeräusche 45
Seitendifferenzierte auditive Verarbeitungs- und Wahr-
nehmungsstörungen
70
deutlicher Presbyakusis (Altersschwerhörigkeit) 70
gravierende Störung des Sprachverstehens 90
Tasten
Verminderung der Tastkörperchen 20
graduelle Abnahme der Hautsensibilität 30
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
23
(e) Verzicht auf bekannte Lehrmethoden fällt zunehmend schwerer (Sprachlernbiographie)
Die im modernen Fremdsprachenunterricht häufig eingesetzten Prinzipien sind vielen älteren
Lernenden fremd. Dazu gehören:
Aufgeklärte Einsprachigkeit
Verzicht auf Übersetzungen
Grammatikvermittlung durch Selbsterarbeitung
Autonomes Lernen
Handlungs- und Produktionsorientierung
Besonders Übersetzungen und grammatische Erklärungen sind bei älteren Lernenden oft erwünscht.
Eine Weigerung Wörter, Konstruktionen oder Sätze zu übersetzen und die Grammatik ausführlich zu
erklären, können zu Stress und Abwehrhaltung (Limbisches System) führen.
4. Umsetzung im Sprachunterricht
Grundsätzlich ist die erfolgreichste Art des Gedächtnis- und Gehirntrainings das Fremd-
sprachenlernen, da hier alle Bereiche des Cortexes in Anspruch genommen werden. Lesen,
Kreuzworträtsel, anspruchsvolle Fernsehdokumentationen usw. aktivieren meist weniger
Gehirnregionen. Gehirnjogging ist so lange gut für das Gehirn, so lange es nicht Gewohnheit
geworden ist. Ellen Byalistok und KollegInnen (Baycrest Research Centre for Aging and the Brain,
Toronto) haben darüber hinaus in groß angelegten Studien gezeigt, dass Bilingualität und Mehrspra-
chigkeit das Gehirn länger jung halten und Alzheimer nachweislich um ca. fünf Jahre verzögern (vgl.
Byalistok et al. 2009 und 2010). Auch das Lernen einer Sprache in höherem Alter verzögert Demenzen
und fungiert als sog. „kognitive Reserve“ (vgl. Byalistok 2009).
Zusammenfassend kann man also festhalten, dass (a) Sprachenlernen das beste „Gehirnjogging“
überhaupt darstellt und (b) dass man bis ins hohe Alter eine Fremdsprache lernen kann. Welche
Rückschlüsse kann man nun aus Kapitel 3 für den Unterricht ziehen? (vgl. Leitfaden für
Sprachkursleiterinnen und Sprachkursleiter für Sprachen lernen im Alter)7
Im Folgenden werde ich kurz auf das Lehrwerk, den Unterrichtsaufbau und zentrale Prinzipien ein-
gehen.
4.1 Lehrwerk
Motivierend ist ein ansprechendes Lehrwerk. Grundsätzlich bevorzugen die meisten Lernenden ein
Lehrwerk gegenüber einer Lose-Blatt-Sammlung. Sehr motivationsfördernd (Dopamin-Ausschüttung)
sind kurze überschaubare Lektionen mit einer gleichbleibenden Struktur und weiteren Hilfe-
stellungen oder Prinzipien (vgl. Kapitel 4.3).
7 Für eine allgemeine Darstellung vgl. Berndt 1997, 2001, 2003 sowie Grotjahn et al. 2010).
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
24
4.2 Der Unterrichtsaufbau
Prinzipiell bevorzugen ältere Lernende einen gut strukturierten, oft auch ritualisierten Unter-
richtsaufbau (Sicherheit, Verhinderung von Cortisol-Ausschüttung). Dieser kommt auch der Auf-
merksamkeitsspanne entgegen. Auch bei jungen Lernenden macht das Gehirn nach ca. 20 Minuten
eine kurze Verschnaufpause und nimmt kurzfristig keine Informationen auf. Jüngere Lernende finden
den Anschluss meist schnell wieder. Ältere Lernende sorgen sich mehr, dass sie eventuell etwas sehr
Wichtiges verpasst haben. Dann beginnt der Kreislauf: Stress – keine weitere Informationsaufnahme –
noch mehr Stress – das Gehirn schaltet ab. Nach ca. 20 Minuten sollte man also – sofern es sich ermög-
lichen lässt – eine kurze abwechslungsreiche Wiederholung einplanen (vgl. Medina 2009: 75-103). Die
Schwierigkeit, Relevantes von weniger Relevantem zu unterscheiden, kann man ausgleichen, indem
man konkret thematisiert, welche Inhalte besonders zentral und wichtig sind.
Aufgrund der Freiwilligkeit des Besuchs von Sprachkursen sind die Lernenden meist hoch motiviert,
trotzdem muss das Limbische System auch hier angesprochen werden. Dafür eignen sich gut gewähl-
te Unterrichtseinstiege, die entweder die Neugierde oder ganz allgemein das Interesse der Teilneh-
menden anspricht.
4.3 Prinzipien des Unterrichts
Im Folgenden werden einige zentrale Prinzipien genannt, die sowohl das Lehrwerk als auch den Un-
terricht an sich betreffen.
Wichtig ist es, an das vorhandene Wissen anzudocken, d.h. man sollte gezielt das Vorwissen der
Lernenden erfragen und daran anschließen. Oft hilft es hier, mit Wörtern oder Strukturen aus
bekannten Sprachen, inklusive der Erstsprache, zu vergleichen, Strukturen bewusst zu machen. Auch
die eingangs erwähnten mindmaps helfen: Das Wissen wird im Cortex abgerufen, und neues Wissen
kann „andocken“. Man kann gezielt auf das Erfahrungswissen (kristalline Intelligenz) der Lernenden
zurückgreifen. Das bietet den Lernenden Sicherheit und fördert derart den Lernerfolg.
Jeglicher Zeitdruck führt, wie bereits mehrfach erwähnt, zu einer zusätzlichen Ausschüttung von
Adrenalin und Cortisol. Man sollte also versuchen, Zeitdruck und Stress zu vermeiden. Zu viele
unterschiedliche Themen oder grammatische Aufgaben innerhalb einer Unterrichtseinheit sollten
vermieden werden (Reizüberflutung, die den Hippocampus ausschaltet).
Cortisol begünstigt die Angst vor Fehlern. Die meisten älteren Lernenden wünschen zwar eine
explizite Fehlerkorrektur, diese muss jedoch empathisch durchgeführt werden, d.h. den einzelnen
Lernenden angepasst.
Viele Teilnehmende suchen in Sprachkursen auch soziale Kontakte; soziale Kontakte und gemeinsame
Aktivitäten führen zu einer verstärkten Dopaminausschüttung, d.h. dass man durchaus auch
vermehrt Zeit für den sozialen Austausch einplanen sollte.
Die Wiederholung, mehrfach angesprochen in diesem Artikel, spielt bei älteren Lernenden eine be-
sonders große Rolle. Man sollte nach festen Regeln immer wieder Wiederholungseinheiten einschie-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
25
ben, z.B. nach jeder dritten Lektion und auch nach größeren Abständen erneut. Diese ritualisierte
Wiederholung bietet Sicherheit, die wiederum die Speicherleistung verbessert. Konkret kann man hier
auch die unterschiedlichen Eingangskanäle kombinieren (Sehen in Schrift und Bild, Hören, Handeln).
Wenn der Wunsch nach Wort-für-Wort-Übersetzungen besteht, sollte man gerade zu Beginn eines
Sprachkurses darauf eingehen. Zunehmend, wenn die Lernenden an Sicherheit gewonnen haben,
kann man durchaus auch stärker kommunikativ ausgerichtete Übungen einsetzen. Kommunikativ
ausgerichtete Methoden führen zunächst zu Unsicherheit, wenn die Lernenden mit der Grammatik-
Übersetzungs-Methode gelernt haben. Die Unsicherheit führt zu Stress und Unzufriedenheit (Cor-
tisol-Ausschüttung), diese wiederum verhindern das Lernen. Ein langsames Heranführen an Aktivitä-
ten ist jedoch durchaus sinnvoll, führt dies meist zu mehr Sauerstoffzufuhr, die wiederum das Spei-
chern begünstigt.
Dies betrifft auch das Lernen der Vokabeln: Viele ältere Lernenden haben mit Wortschatzlisten und
Vokabelheften gelernt. Für manche Lerntypen ist das auch heute noch sinnvoll. Bei den meisten Ler-
nenden ist das Karteikarten-System mit selbst erstellten Vokabelkarten (Bild, Synonym, Beispielsatz,
eventuell Übersetzung) jedoch speicherintensiver. Grundsätzlich sollte man Lernstrategien nicht vor-
schreiben, sondern erläutern und als Hilfestellung anbieten.
Die nachlassende Hör- und Sehfähigkeit können durch den adäquaten Raum ausgeglichen werden.
Der Raum sollte möglichst hell sein und gleichzeitig eine gute Akustik aufweisen. Bei Texten bevor-
zugen viele ältere Lernende den Einsatz eines Beamers mit großer Schrift, (z.B. Verdana, auf Kursiv-
schreibung verzichten). Bei Hörverstehensübungen sollten die Hörtexte zunächst ohne Nebengeräu-
sche dargeboten werden. Binnendifferenzierend kann man den Teilnehmenden die Texte auch schrift-
lich austeilen, so dass jede/r selbst entscheiden kann, ob er/sie beim ersten Hören mitlesen möchte.
Um Sicherheit zu bieten, sollten alle Hörtexte grundsätzlich auch schriftlich vorliegen. Auch die Lehr-
kraft selbst sollte laut und deutlich sprechen.
Der Einsatz von Bildern ist immer hilfreich. Man sollte jedoch lieber ein großes Bild statt Bildcollagen
mit vielen kleinen Bildern verwenden. Manche Bildcollagen führen zu einer Reizüberflutung.
Grundsätzlich muss die Sinnhaftigkeit des Lernstoffs betont werden. Dies kann auch über ein Lob
erfolgen: „Nun können Sie schon problemlos ein Café besuchen“. Motivationsfördernd ist es immer,
die Lernziele und die erreichten Lernetappen explizit zu benennen.
Eine wichtige Rolle spielt die Lehrkraft: Je motivierter sie den Unterricht durchführt, desto mehr spei-
chern die Lernenden. Ferner muss sie über sehr viel Empathie verfügen, um auf die einzelnen Bedürf-
nisse der individuell sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten eingehen zu können. Mit introvertierten
Lernenden muss sie anders umgehen als mit extrovertierten. Die Lehrkraft kann rasch erkennen, wo
die Stärken und Schwächen der Lernenden liegen und wie sie sie, den neuesten neurobiologischen
Erkenntnissen entsprechend, bestmöglich beim Lernen unterstützen kann.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
26
4.4 Kurzfazit
Die Erkenntnisse der Neurobiologie untermauern, warum gute Lehrkräfte ihre Kurse mit älteren Teil-
nehmenden auch schon vor dem Zeitalter der Neurobiologie gut strukturiert, mit flacherer Progressi-
on und vielen Wiederholungseinheiten aufgebaut haben.
Schließen wir analog zum Einstieg mit Zitaten berühmter Persönlichkeiten, die sehr deutlich machen,
dass die Themen Lernen, Handlungsorientierung und Alter keine neuen Themen sind:
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Ich lerne vom Leben.
Ich lerne solange ich lebe.
So lerne ich noch heute.
Otto von Bismarck (1815-1898)
Man bleibt jung, solange man noch lernen,
neue Gewohnheiten annehmen
und Widerspruch ertragen kann.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
Sobald jemand in einer Sache Meister
geworden ist,
sollte er in einer neuen Sache Schüler werden
Gerhart Hauptmann (1862-1946)
Lang ist der Weg durch Lehren,
kurz und wirksam durch Beispiele.
Marcus Lucius Annaeus Seneca
(1 v. Chr.-16 n. Chr.)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Bildnachweis
Alle Bilder unterliegen – wenn nicht selbst gezeichnet – der GNU-Lizenz für freie Dokumentation (Creative
Commons).
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30
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Schwerpunktthemen
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
32
Alexandra Edlinger
Zielgruppen Die Zielgruppe der älteren LernerInnen wird durch demografische Veränderungen in den nächsten
Jahren auch in Sprachkursen vermehrt vertreten sein.
Doch wer gehört alles zu dieser Zielgruppe und was zeichnet sie aus? Welche speziellen Formate
könnten diese Altersgruppe ansprechen und wie können Sprachkursangebote zielgruppengerecht ge-
staltet werden?
Ältere LernerInnen als Zielgruppe
Ältere sind keine homogene Zielgruppe mit einheitlichen Bedürfnissen und Biografien; im Gegenteil,
ältere LernerInnen sind durch große interindividuelle Unterschiede gekennzeichnet. Kade ((2007)
zitiert nach Siebert (2011)) unterscheidet vier Milieus im Alter:
„Pflichtbewusst-häusliche Alte“: sind ältere Personen, die familienorientiert und in Vereinen und
der Kirche aktiv sind.
„sicherheits- und gemeinschaftsorientierte Alte“: sind ältere Personen, die in eher bescheidenen
Verhältnissen leben, hart gearbeitet haben und ihren Ruhestand bevorzugt mit Gleichaltrigen ver-
bringen.
„neue Alte“: sind ältere Personen mit hohem Bildungsabschluss, die finanziell abgesichert, mobil
und aktiv sind.
„resignierte Alte“: sind ältere Personen, die aus der unteren Sozialschicht kommen, kaum Bil-
dungsinteressen haben und viel Zeit vor den Fernsehgeräten verbringen.
TeilnehmerInnen an Fremdsprachenkursen zählen vorwiegend zu den „neuen Alten“. Sie verfügen
über einen hohen Bildungsabschluss, haben oft eine akademische Laufbahn hinter sich und bereits
Erfahrungen beim Lernen von Fremdsprachen. Im Sinne einer Chancengleichheit bzw. eines Aus-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
33
gleichs der in früheren Jahren erlebten Ungleichheit der Möglichkeiten zur Teilnahme an Bildung, ist
es ein strategisches Ziel im Bereich des Lebenslangen Lernens, vermehrt Personen mit niedrigeren
Bildungsabschlüssen anzusprechen und ihnen Zugänge zu Bildungsangeboten zu verschaffen.
Mögliche Barrieren und Hemmschwellen
Erler und Fischer (2012) fanden in ihrer Neuauswertung des Adult Education Survey verschiedene
Barrieren, die einer Teilnahme an Weiterbildung im Weg stehen können, abhängig vom Alter der
TeilnehmerInnen:
„Jüngere Befragte beklagen vor allem zu geringe Unterstützung im Job, den Preis sowie die Unver-
einbarkeit mit den Arbeitszeiten. Die 30- und frühen 40-Jährigen nennen als Hindernisgrund oft-
mals familiäre Verpflichtungen (häufig die Familiengründungsphase). Die Gruppe der ab 50-
Jährigen sieht dagegen eher wenig Sinn in Weiterbildung, eine Unvereinbarkeit mit ihrem Alter
(nahende Pensionierung) und ihrer Gesundheit sowie ein Unbehagen damit „quasi noch einmal in
die Schule zu gehen“ (schulisch). Vor allem die jüngeren sind eher motivierte NichtteilnehmerIn-
nen, während die ab 50 Jährigen eher bei den nichtmotivierten TeilnehmerInnen zu finden sind.“
Erler und Fischer (2012:78)
Tippelt, Schmidt-Hertha und Kuwan (2008:134) haben folgende Barrieren für eine Weiterbildungsteil-
nahme gefunden:
Wichtigste Barriere Anteil der Befragten
„privat kein Bedarf an (Weiter-)Bildung“ 22%
„lohnt sich in meinem Alter nicht mehr“ 17%
„benötige keine Weiterbildung für Beruf“ 17%
„keine Zeit wegen familiärer Verpflichtungen“ 9%
„Gesundheit erlaubt es nicht“ 8%
andere 27%
Tabelle 1: Barrieren der Weiterbildungsteilnahme
Nach Heidecker und Sauter (2011:38) können die Hemmschwellen und Barrieren in vier Kategorien
klassifiziert werden:
„Hemmschwellen, die in der Person liegen“: Darunter fallen Aspekte, wie verschiedenste Ängste
in Zusammenhang mit der Lernsituation, persönliche Faktoren, z. B. ein Mangel an Selbstvertrau-
en, aber auch gesundheitliche Faktoren, wie die körperliche Verfassung, und Aspekte wie Alter,
Geschlecht, Ethnie etc.
„Hemmschwellen, die mit der Institution/Organisation zusammenhängen“: In dieser Kategorie
finden sich Faktoren, wie das Leitbild der Institution, Erreichbarkeit, Kosten, Informationen, Kurs-
zeiten etc.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
34
„situationsbezogene Barrieren“: Dies sind Hemmschwellen, die mit der Kurssituation, wie Einstel-
lungen der Lehrperson, aber auch familiäre Verpflichtungen der TeilnehmerInnen etc. in Zusam-
menhang stehen.
„Barrieren, die im sozialen und politischen Umfeld liegen“: Solche Hemmschwellen sind unter
anderem Altersstereotype, Sexismus, Rassismus etc.
Hemmschwellen, die in der Person liegen, treten in Fremdsprachenkursen vor allem in Form von
Geschlecht, Ethnie, Bildungsbiografie und Gesundheit auf.
Ältere Männer und ältere MigrantInnen sind in Sprachkursen nur sehr spärlich vertreten. Weiters
nehmen Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau seltener an Sprachkursen teil als Ältere mit einem
höheren Bildungsabschluss. Gleichzeitig zeigt sich, dass LernerInnen im Alter meist eine hohe Konti-
nuität an Lernerfahrungen im Lauf des Lebens aufweisen können. Mit anderen Worten, Ältere die
auch in früheren Jahren an Bildungsangeboten teilgenommen haben und so beim Lernen „in Übung“
sind, nehmen auch im Alter eher an Weiterbildung teil. Die eigene Gesundheit, aber auch die von
Angehörigen kann im Alter oft einer Kursteilnahme im Wege stehen.
Hemmschwellen, die mit der Institution/Organisation zusammenhängen, lassen sich bei Fremdspra-
chenkursen vor allem in Form von Kurskosten, Leitbild der Organisation und Kursformaten finden.
Volkshochschulkurse werden oft zu niedrigen Preisen angeboten und können älteren LernerInnen
vermitteln, dass diese nichts „wert“ sind. Im Gegensatz dazu können die Kurskosten MigrantInnen
von der Teilnahme an einem Kurs abhalten. Der Begriff VolkshochSCHULE kann bei TeilnehmerIn-
nen unangenehme Assoziationen zur eigenen Schulzeit entstehen lassen. Auch das Image der Volks-
hochschule könnte als verstaubt wahrgenommen werden. Ältere könnten fürchten, nur mit SeniorIn-
nen in einem Kurs zu sitzen und so wieder segregiert zu sein. Ebenso werden Kurse, die das Wort
„Senior“ oder Altersbezeichnungen im Titel tragen, von Älteren abgelehnt. Viele Ältere mögen auch
ihre Vorbehalte gegenüber intergenerativem Lernen haben, dennoch sträuben sie sich davor von
vornherein nur durch ihr Alter gekennzeichnet zu sein/werden.
Situationsbezogene Barrieren finden sich für Ältere in Sprachkursen oft in der Methode, mit der
Fremdsprachen unterrichtet werden. Viele ältere LernerInnen haben zu ihrer Schulzeit mit ganz ande-
ren Methoden Fremdsprachen gelernt. Die heute gängigen Methoden erscheinen ihnen oft fremd.
Aber auch Situationen außerhalb des Kurses können Barrieren für den (regelmäßigen) Sprachkursbe-
such darstellen. Berufliche Verpflichtungen haben die LernerInnen im Alter zwar kaum noch zu erfül-
len, aber familiäre Verantwortlichkeiten bestimmen oft den Alltag älterer SprachkursteilnehmerInnen,
wie etwa die Obsorge von Enkelkindern oder die Pflege von Angehörigen.
Barrieren, die im sozialen und politischen Umfeld liegen, finden sich beim Fremdsprachenlernen im
Alter vor allem in altersdiskriminierenden Diskursen der Gesellschaft, die Eingang in alle Lebensbe-
reiche finden. Vor allem das Vorurteil, dass Lernen im Alter - und Fremdsprachen Lernen im Alter im
Besonderen - von nur sehr geringen Erfolgsaussichten geprägt sei, hält viele Ältere von der Teilnahme
an Fremdsprachenkursen ab.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
35
Wie oben aufgezeigt, wird die Weiterbildungsbeteiligung Älterer von vielen verschiedenen Faktoren
bestimmt, unter anderem den Bildungs- und Berufserfahrungen im Lauf des Lebens, der aktuellen
Lebenssituation und dem altersdiskriminierenden Diskurs der Gesellschaft („Lernen lohnt sich in
meinem Alter nicht mehr“).
Kolland (2011:26f) thematisiert im Zusammenhang mit dem Dilemma der mit dem Alter rückläufigen
Bildungsbeteiligung die mangelnde Wirksamkeit von Zielgruppenorientierung:
„Die Wirksamkeit von zielgruppenorientierten Ansätzen ist umstritten. Es bestehen Zweifel, dass
spezifische Programme zu stärkerer sozialer Interaktion führen. Vielmehr können Aktivierungspro-
gramme Abhängigkeit und Marginalisierung erzeugen und verstärken, die aufzuheben sie begonnen
worden waren. Gegenüber der Zielgruppenarbeit wird eingewendet, dass sie nur die aktiven und in-
teressierten Mitglieder einer Gruppe erreiche und Perspektiven ausblende, welche nicht zur Ziel-
gruppe gehören. Allerdings zeigt die bestehende Bildungspraxis, dass ohne gezielte Maßnahmen,
d.h. ohne eine alterssensible Bildungsorientierung oder ein Mainstreaming Ageing ältere Menschen
in Bildungsprozessen deutlich unterrepräsentiert sind. Es braucht also weniger ein explizit senioren-
orientiertes Programm als vielmehr ein Programmangebot, welches von den verschiedenen Lebens-
welten älterer Frauen und Männer ausgeht und handlungsorientiert ausgerichtet ist.“
Sprachkursangebote für ältere LernerInnen
Wie im Artikel von Marion Grein skizziert, zeichnet sich diese Altersgruppe durch große interindivi-
duelle Unterschiede aus, und auf diese gilt es mit unterschiedlichsten Angeboten zu reagieren; dies
vor allem auch daher, da in Zukunft eine höhere Beteiligung der Älteren zu erwarten ist. Die demo-
grafischen Veränderungen in Richtung einer alternden Gesellschaft werden sich fortsetzen und es
wird zu einem höheren Gesamtbildungsniveau kommen.
Sprachkursangebote sollten nach Möglichkeit auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der LernerInnen
eingehen können und viel Raum für selbstbestimmtes und autonomes Lernen ermöglichen.
Solche Angebote könnten zum Beispiel Sprachlerncafés darstellen, in denen TeilnehmerInnen die
Möglichkeit haben in ungezwungener Weise in der Zielsprache zu kommunizieren und Raum für
soziale Begegnungen finden können.
Um der Angst vor dem Lernen, der Hemmschwelle, wieder in die Schule gehen zu müssen entgegen-
zuwirken, könnten Schnupperkurse angeboten werden, in denen Ältere sich im erneuten Lernen „er-
proben“ können.
Intergeneratives Lernen ist in unserer alterssegregierten Gesellschaft ein wichtiges Thema und sollte
durch intergenerative Lerntandems oder Lernpatenschaften Unterstützung finden. Um personenbe-
zogenen Barrieren der Gesundheit entgegen zu wirken, könnte aufsuchende Bildungsarbeit eingerich-
tet werden, die Älteren Unterricht zu Hause, in einer Betreuungsstätte etc. bietet.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
36
Aber auch Themen wie e-learning oder blended learning sollten vor älteren LernerInnen nicht Halt
machen und in den Sprachunterricht integriert werden und so einen Mehrwert darstellen. Es gilt also
ältere LernerInnen durch eine Vielfalt an innovativen Sprachkursangeboten anzusprechen, und nicht
durch Kurse, die nur für Ältere bestimmt sind. Ältere schätzen zwar Lernen in entspannter Atmo-
sphäre, aber auch sie haben beim Besuch eines Sprachkurses das Bedürfnis nach Wissenserwerb und
nicht nur jenes nach Freizeitbeschäftigung oder Sozialkontakten. Schließlich gilt es auch die Teilnah-
me durch altersgerechten und nicht altersdsikriminierenden Unterricht zu halten und so positive
Lernerfahrungen erlebbar zu machen, die sie zur Nutzung weiterer Bildungsangebote animiert.
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Kolland, F. (2011): Bildung und aktives Altern. Magazin Erwachsenenbildung.at, (13).
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halten in Deutschland. Band 2: Berichtskonzepte auf dem Prüfstand (pp. 125-140) Bertelsmann.
Empfehlungen für das Erreichen neuer Zielgruppen unter den „älteren“ Lernenden
Männer als Kursleiter (Würden sie die geringen KL-Honorare akzeptieren?)
Sprachencafé, lockere Konversationsatmosphäre
Schnupperkurse, um den Einstieg zu schaffen (6 UE)
Tandemlernen
Angebot für MigrantInnen nicht nur DaZ, sondern andere Sprachen
aufsuchende Bildungsarbeit (d.h. potentielle TeilnehmerInnen dort ansprechen und unter-
richten, wo sie sowieso sind: Park, Altersheim, „Lernen auf Rädern“, Kurse dezentral anbie-
ten etc.)
eLearning bzw. blended learning für gut Ausgebildete
Wie können wir ältere Lernende halten?
spezielle „Sprachwünsche“ werden erfüllt (bedarfsgerecht unterrichten)
Möglichkeiten für Zusammenkünfte außerhalb des Kurses schaffen
interkulturelle Komponente beachten
Weiterbildung der KursleiterInnen (Flexibilität bezüglich der Methoden)
Differenzierung im Kurs
Angebot an weiterführenden Kursen (auch mit wenigen TeilnehmerInnen)
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
37
Andrea Rainer und Silke Rinnerthaler
Emotionen Gefühle und Emotionen haben im Lernprozess eine große Bedeutung. Lehrende müssen Emotionen
wie Ängste und Unsicherheiten wahrnehmen und angemessen darauf reagieren können, um eine Ler-
natmosphäre zu schaffen, die sich an den individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen der Ler-
nenden orientiert. Im Folgenden wird dieser Themenkomplex im Hinblick auf ältere Lernende betrach-
tet. Manche können zum Beispiel schlechter hören oder sehen oder haben andere Bedürfnisse als jün-
gere Lernende. So legen sie etwa Wert auf häufigere Wiederholungen und ein etwas langsameres Lern-
tempo, arbeiten andererseits aber oft sehr strukturiert und verfügen über sehr viel Erfahrung.
Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten älterer TeilnehmerInnen
Gefühle und Emotionen spielen beim Lernen eine wesentliche Rolle. Beim Erwerb einer neuen Spra-
che ist es daher entscheidend, ob ich als Lernende/r das Gefühl habe, dieser Herausforderung gut
gewachsen zu sein oder, ob ich mich überfordert fühle. Die SprachkursleiterInnen der Erwachsenen-
bildung stehen vor der Aufgabe, Ängste und Unsicherheiten der TeilnehmerInnen zu erkennen und
die Lernenden bei ihrer Bewältigung zu unterstützen. Den Unterrichtenden sollte bewusst sein, dass
etwa Angst vor Fehlern, vor dem lauten Sprechen, vor der Aussprache, vor der Zusammenarbeit mit
anderen LernerInnen etc. den Sprachlernprozess erheblich einbremsen kann. Durch professionellen
Umgang mit Emotionen schaffen die KursleiterInnen eine entspannte, angstfreie Kursatmosphäre und
fördern das soziale Miteinander im Sprachkurs.
Eine große Herausforderung für die Lehrenden stellen zunehmend heterogene Gruppen dar. Das
bedeutet, dass Kurse zeitlich und inhaltlich immer flexibler gestaltet und Kursinhalte den jeweiligen
Bedürfnissen angepasst werden müssen. Heterogenität besteht nicht nur hinsichtlich unterschiedli-
cher Bildungshorizonte und Interessen, sondern auch in Bezug auf teils beträchtliche Altersunter-
schiede. In einem Sprachkurs der Erwachsenenbildung treffen oft mehrere Generationen mit ver-
schiedenen Zielen aufeinander: etwa eine Studentin, die für ihr Auslandsjahr die Sprachkenntnisse
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
38
vervollkommnen möchte, eine Hausfrau mittleren Alters, die sich im Urlaub verständigen möchte, ein
Anwalt kurz vor der Pension, der geistig fit bleiben möchte, oder ein Pensionist, der nun endlich Zeit
findet, die Sprache zu lernen, die er schon vor 30 Jahren sprechen wollte. Dazu kommen etwa ältere
Lernende die den Sprachkurs als eine Art Therapie empfinden, um der Einsamkeit zu entfliehen.
Aufgabe der TrainerInnen in der Erwachsenenbildung ist es nun, nicht nur Wissen zu vermitteln,
sondern diese unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnissen zu berücksichtigen und zu verbin-
den. Beispiele aus der Unterrichtspraxis der KursleiterInnen zeigen, dass ältere Lernende häufig nach
mehr Aufmerksamkeit verlangen und zeitweise emotional fordernder sind. (Vgl. auch Bernd: 191).
Es gilt, sehr differenziert zu arbeiten, um den Sprachunterricht erfolgreich zu gestalten. Ein „leichte-
res“ Buch oder „effizientere“ Musikanlagen können die oben skizzierten Herausforderungen nicht
lösen. KursleiterInnen benötigen vor allem soziale Intelligenz und eine profunde Ausbildung, um den
Ansprüchen der älteren Generationen zu genügen und diesen Markt erfolgreich zu bedienen. Tau-
schen sich KursleiterInnen untereinander über ihre Erfahrungen mit älteren Lernenden aus, ergibt
sich ein Bild vollkommen unterschiedlicher Sichtweisen und Erfahrungen. Vielen gelingt es, sich ohne
Schwierigkeiten auf die Besonderheiten älterer KursteilnehmerInnen einzulassen, andere können die
Hintergründe von gewissen Reaktionen nicht verstehen oder hinterfragen diese gar nicht. Oft haben
ältere Lernende mit einem negativen Stereotyp zu kämpfen, wobei offensichtlich wird, dass diese
Verallgemeinerungen häufig nicht zutreffen. Stimmt es, dass ältere Personen tatsächlich langsamer
lernen und dass sie ungeduldiger sind? Stellen ältere TeilnehmerInnen nicht vielmehr einen Gewinn
für die ganze Gruppe dar?
Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung
Wissenschaftlich lässt sich belegen, dass sich der Spracherwerb der älteren Lernenden von den Jünge-
ren, z.B. hinsichtlich Sprechtempo oder Häufigkeit des Wiederholens unterscheidet (vgl. auch Artikel
Grein). Durch Lern- und Lebenserfahrung und zeitlichen Mehraufwand werden diese „Defizite“ aber
ausgeglichen und die Ergebnisse können sich durchaus mit denen jüngerer Lernender messen.
KursleiterInnen könnten ältere TeilnehmerInnen motivieren, ihre Erfahrungen aus Beruf und Leben in
den Unterricht einzubringen und ihr Weltwissen mit der ganzen Gruppe zu teilen. So profitieren so-
wohl die einzelnen KursteilnehmerInnen als auch die KursleiterInnen davon. Ein Kreislauf beginnt,
der sich auf alle positiv auswirkt. Im Weiteren treten zwei positive Effekte ein, die auch die Älteren
beim Lernen unterstützen.
Erstens werden positive Emotionen durch das Anknüpfen an die Lebenswelt verstärkt. Positiv besetz-
te Inhalte werden leichter gelernt und besser im Gedächtnis behalten. Bei der Tagung „Mehrsprachig
statt einsilbig“ zeigten die Erfahrungsberichte der KollegInnen zum Thema „Emotionen“, dass im
Sprachunterricht positives Feedback und positive Emotionen den Lernerfolg steigern, während Kritik
und Fehlerkorrekturen zum falschen Zeitpunkt sowie negatives Feedback Angst und Versagen för-
dern. Diese Erfahrungen werden auch durch die neurobiologische Forschung wissenschaftlich belegt.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
39
Zweitens können durch die Benützung aller Ressourcen des gesammelten Weltwissens und der Le-
benserfahrung die negativen Stereotypen zu „älteren“ Lernenden überwunden werden, ein Wettbe-
werb mit Jüngeren verhindert und positive Vorstellungen von einander aufgebaut werden.
Das klingt alles sehr einfach, ist aber im Unterricht nicht so leicht umzusetzen. Um vorhandene Ängs-
te abzubauen und schlechten Vorerfahrungen entgegenzuwirken, ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Gegenseitige Wertschätzung und Toleranz, positive Bestärkung, positives Lernklima, Geduld, Unter-
richten auf Augenhöhe, Lachen, Humor, das Sichern von Lernerfolgen, das Schaffen positiver Motiva-
tion und die Thematisierung von Ängsten sind alles Begriffe, die im Unterricht mit älteren Teilnehme-
rInnen große Bedeutung haben und über den Erfolg oder Misserfolg eines Kurses entscheiden kön-
nen. Unter Berücksichtigung der oben genannten Schlagwörter sollte es den TrainerInnen leichter
fallen, Ängste und Lerndefizite abzubauen.
Wie zuvor bereits erwähnt, hängen positive Emotionen und Lernerfolge oft eng zusammen. So er-
leichtern autonome und soziale Lernmöglichkeiten Älteren das Lernen. Das bedeutet, dass sich ältere
TeilnehmerInnen Inhalte, die sie selbst erarbeiten und regelmäßig wiederholen, besser merken kön-
nen. Deshalb empfiehlt es sich, häufiger Gruppen- und Partnerarbeiten oder Projektarbeiten im Unter-
richt einzusetzen. Zudem wird so auch der Austausch zwischen den Generationen gefördert.
Des Weiteren sollten die Unterrichtenden darauf achten, dass während der Aktivitäten kein Zeitdruck
erzeugt wird. Ältere Lernende brauchen in der Regel mehr Zeit zum Lesen, Verstehen, Schreiben und
Verarbeiten von Informationen. Zeitdruck fördert das Gefühl der Unzulänglichkeit und weckt negati-
ve Emotionen wie „das schaffe ich nicht, ich bin zu alt, zu langsam“.
Herausforderungen
Ein sehr sensibles Thema im Unterricht sind körperliche Defizite wie Schwerhörigkeit, Fehlsichtigkeit
und verringerte Mobilität, die bei den Lernenden Emotionen wie Angst, Unzulänglichkeit und Unsi-
cherheit hervorrufen. Sensorischen Schwächen, wie dem Sehen, kann zum Beispiel entgegengewirkt
werden, indem Lernmaterialien übersichtlich gestaltet werden, ohne durch Zusatzinformationen vom
Wesentlichen abzulenken. Dabei sollte darauf geachtet werden, alles möglichst groß zu schreiben. Den
Lernmaterialien könnten anschauliche Bildbeispiele hinzugefügt werden.
Hohe Sensibilität im Umgang mit älteren Lernenden verlangt die Fertigkeit „Hören“. Ungeeignete
Hörbeispiele, die durch laute Hintergrundgeräusche und unverständlich gesprochene Dialoge verun-
sichern, können negative Emotionen hervorrufen. Ängste werden verstärkt und Lernblockaden auf-
gebaut. Wichtig ist es, den TeilnehmerInnen die Angst vor den Hörbeispielen zu nehmen. Durch Vor-
bereitung auf den Hörtext mit Aktivitäten wie „Wortigel“, „Assoziogramme“, Mindmapping, usw.
kann schon im Vorfeld viel Arbeit geleistet werden, um die TeilnehmerInnen emotional zu entlasten
und ihnen die Angst vor dem „Nichtverstehen“ zu nehmen.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Auch bei spielerischen Aktivitäten gilt es, die Emotionen der älteren Lernenden zu berücksichtigen
und sie nicht psychisch oder physisch zu überfordern, sondern Unsicherheiten zu thematisieren und
die Lernenden bei ihrer Bewältigung zu unterstützen.
Eine gute Gesprächsbasis, die nötige Geduld und ein entspanntes Lernklima sind demnach Grundla-
gen für einen gelungenen Kursablauf und dies bedarf etlicher Arbeit, nicht nur von Seiten des/der
KursleiterIn, sondern der ganzen Gruppe. Ein/e erfahrene/r KursleiterIn weiß, was die TeilnehmerIn-
nen gerne machen und was sie eher ablehnen und kann somit Probleme schon im Vorfeld vermeiden.
Abschließend möchten wir noch betonten, dass nicht allein die Vermittlung von Fachwissen guten
Unterricht prägt, sondern auch das Eingehen und die Reaktionen auf Emotionen. So werden Lerner-
folge ermöglicht und ein ausgewogenes Lernklima geschaffen.
Tipps zum Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten:
Wertschätzung und Bestärkung auf Augenhöhe
Positives Lernklima, Humor!
Lernerfolge schaffen (Motivation!)
Ängste thematisieren
viele Wiederholungsphasen
Gruppen- und Partnerarbeiten
Vorentlastungen vor dem Hören
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
41
Beatrice Baglioni Greilberger, Catherine Castellani, Isabella Wachter
Lehrbücher Immer mehr SprachkursteilnehmerInnen in der Erwachsenenbildung gehören der Altersgruppe 50+
an. Die Lehrbücher haben diesen Trend bisher noch nicht so aufgegriffen. In Folge werden Kursbücher
und andere Unterrichtsmaterialien dahingehend untersucht und besprochen wie und in welchen Kon-
texten ältere Lernende dargestellt werden. Weiters wird die Eignung von Lehrbüchern für diese Al-
tersgruppe in Bezug auf Layout und Fotos, Hörtexte, Grammatik und Wortschatz, sowie Themen
untersucht bzw. dargestellt, auf welche Kriterien zu achten ist. Abschließend werden Empfehlungen
für eine hinsichtlich dieser Zielgruppe adäquatere Gestaltung von Lehrbüchern gegeben.
Welches Bild von älteren Menschen wird in Lehrbüchern und anderen
Unterrichtsmaterialien vermittelt?
Was könnte anders gemacht werden?
Die ständig steigende Zahl von so genannten „SeniorInnen-TeilnehmerInnen (Altersgruppe 50+) an
Sprachkursen wirft unter anderem folgende Fragen auf: Wie gehen Spracheninstitute, Lehrende, aber
vor allem auch Verlage mit ihren Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien auf diese Entwicklung ein?
Wie behandeln die Verlage die Bedürfnisse und Wünsche älterer TeilnehmerInnen und wie berück-
sichtigen sie, welches Bild von älteren Menschen vermittelt wird?
In dieser Themeninsel wurde die oben skizzierte Fragestellung angesprochen, sowie ein entsprechen-
der Denkprozess eingeleitet und diskutiert. Hierbei war es nicht die Aufgabe der Diskutierenden, eine
Bewertung oder eine Benotung von Büchern vorzunehmen. Die Auseinandersetzung mit ver-
schiedensten Lehrwerken sollte dazu führen, dass das Bewusstsein von Lehrenden und vielleicht auch
von Verlagen auf die gegenständliche Problematik gelenkt und ein entsprechender Umdenkprozess
eingeleitet wird.
Um eine Sensibilisierung zu erreichen, wurden folgende Punkte angeschnitten:
Darstellung von älteren Menschen in Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien
Sind unsere Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien für die Altersgruppe 50+ passend?
Empfehlungen für den Unterricht
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
42
Darstellung von Älteren in Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien
Ausgehend von einer Umfrage unter den TeilnehmerInnen (KursleiterInnen, KursteilnehmerInnen,
VertreterInnen der Verlage und Erwachsenenbildungsinstitutionen) in unserer Themeninsel kamen
wir zu folgenden – nur auf unsere Gruppe begrenzten, repräsentativen – Ergebnissen:
Fragestellung:
Wie oft kommen Bilder von älteren bzw. Texte über ältere Menschen in Lehrwerken vor?
In welchem Kontext stehen diese Bilder und Texte?
Nach Durchsicht vieler Lehrwerke in verschiedenen Sprachen und von verschiedenen Verlagen kris-
tallisierten sich für uns folgende Themen heraus:
Ältere Menschen werden auffallend oft mit den Themenbereichen Familie, Essen und Trinken, Ur-
laubssituationen, Reisen, Geschichten aus der Vergangenheit, Erinnerungen und Kultur in Verbin-
dung gebracht.
Im Gegensatz dazu werden sie im „Umgang mit Medien“, „Sport“ und bei „hilfreichen Fragen“ kaum
erwähnt. Wir denken, dass dies möglicherweise auch die Einschätzung älterer Menschen in unserer
Gesellschaft widerspiegelt. Einerseits wird die 50+ Generation heute aktiver erlebt als früher, anderer-
seits wird ihr weniger zugetraut (z. B. im Umgang mit „neuen“ Medien).
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Entsprechen unsere Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien den Bedürfnissen der Altersgruppe 50+ ?
Wie könnten die Ansprüche älterer KursteilnehmerInnen besser berücksichtigt werden?
Layout und Fotos
Am wichtigsten ist ein klares und übersichtliches Layout. Unter dem Motto „weniger ist mehr“ sollte
eine größere Schriftgröße gewählt werden, dafür aber die Anzahl der Übungen auf einer Seite redu-
ziert werden. Insgesamt sollten in einem Buch weniger Lektionen aufgenommen werden, damit die
Motivation – „Wir haben schon so viel geschafft!“ - erhalten bleibt. Erwähnt wurde auch die Möglich-
keit, Zusatzhefte mit zusätzlichen vertiefenden Übungen anzubieten. Neuer Wortschatz könnte gra-
phisch hervorgehoben werden (Farbe, Fettdruck …).
Die Fotos sollten groß und in Farbe sein, aber nicht mit zu vielen Details verwirren, daher sind kleine
Collagen oder Schwarz-Weiß-Cartoons mit Sprechblasen für diese Zielgruppe nicht besonders geeignet.
Hörtexte
Für ältere TeilnehmerInnen wären eine langsamere und eine schnellere Version ohne Nebengeräusche
sinnvoll, um ihnen das Verstehen zu erleichtern. Eventuell könnte der/die KursleiterIn den Hörtext
vor dem Hören vorlesen. Hilfreich wäre auch, die Transkription im Buch oder als Kopiervorlage an-
zubieten.
Grammatik und Wortschatz
Eine klare und übersichtliche Grammatik im Zusammenhang mit kommunikativen Übungen ist ge-
nauso wie die regelmäßige Wiederholung neuer Satzstrukturen unerlässlich. Wünschenswert wären
auch Tabellen mit Verben und den dazugehörigen Präpositionen.
Der neue Wortschatz sollte in wechselnden, kreativen Kontexten schriftlich und mündlich wiederholt
und gefestigt werden.
Für alle Bereiche gilt, dass eine einfache und klare Aufgabenstellung zu bevorzugen ist.
Themen
Die Themenbereiche sollten so gewählt werden, dass sie auch für ältere TeilnehmerInnen von Interes-
se sind. Selbstverständlich dürfen aktuelle Trends wie Au-pair-Oma, Leih-Oma, Fernreisen, ehrenamt-
liche Tätigkeiten, Seniorenstudien etc. nicht fehlen.
Ideal wäre es, Sachlernen in das Fremdsprachenlernen zu integrieren. So können im Buch angebotene
Themen von den KursleiterInnen je nach Interesse der TeilnehmerInnen vertieft bzw. ausführlicher
behandelt werden.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
44
Ergänzend zu den bereits oben genannten können folgende Themen erwähnt werden: Kunstgeschich-
te, Architektur, Musik, Theaterbesuche, Kino, Biographien berühmter Persönlichkeiten, Gesundheit,
Hausmittel, Garten, körperliche und geistige Fitness, Anwendung von neuen Medien (Skype, Reise-
buchungen …), Landeskunde, kulturelle Unterschiede (Mimik, Gestik), Reiseberichte, aktuelle Nach-
richten.
Für ältere TeilnehmerInnen sensible Bereiche wie „Seniorenresidenzen“, Alterskrankheiten etc. stoßen
auf wenig Gegenliebe.
Empfehlungen für Lehrwerke zum Einsatz im Unterricht mit älteren TeilnehmerInnen:
Altersbilder, die sich im Lehrwerk finden, sollten nicht altersdiskriminierend sein und der Diversi-
tät dieser LernerInnengruppe gerecht werden. Neue Medien, Sport, neue Lebensformen und Be-
schäftigungen Älterer (Wohngemeinschaften, Ältere als Au-pairs oder Freiwillige) sollten auch in
Lehrwerke für ältere LernerInnen Eingang finden.
Feste Strukturen in einem Lehrwerk bieten Sicherheit und Orientierung, ein gleicher Aufbau der
Lektionen kann das strukturierte Lernen erleichtern.
Ein übersichtliches Layout, sowie große Bilder anstatt kleinerer Bildcollagen geben dem Lehrwerk
Struktur.
Lernziele, Lernetappen sollten explizit in jeder Lektion/in jedem Abschnitt benannt werden.
Assoziationen sollen genützt, vorhandenes Vorwissen aktiviert und auch Vergleiche mit anderen
Sprachen hergestellt werden.
Die Erstsprache sollte gezielt eingesetzt werden, etwa in Lerntipps, Grammatikerklärungen und
landeskundlichen Informationen.
Einzelne wichtige Wörter sollten direkt in der Lektion mit erstsprachlichen Übersetzungen ange-
geben werden.
Abschnitte mit Redewendungen für den täglichen Gebrauch geben einen Alltagsbezug und stellen
Lerneinheiten in einen transparenten Sinnzusammenhang.
Systematische Wiederholungen und Überprüfungen sollten in den Lehrbüchern eingeplant sein,
werden diese in einem Rätselcharakter angeboten, können sie motivationssteigernd wirken.
Lerntipps und -tricks unter Berücksichtigung der Neurodidaktik älterer LernerInnen und der Tat-
sache, dass viele ältere LernerInnen andere Lehrmethoden gewohnt sind, können helfen Lern-
hemmungen abzubauen.
Soziales Lernen sollte auch durch die Lehrwerke in Partner- oder Gruppenaktivitäten angeregt
werden.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
45
Alexandra Edlinger
Intergenerationen Der folgende Artikel beschäftigt sich mit intergenerativem, sozialem Lernen in altersheterogenen
Sprachkursen und der Frage, wie ein altersgerechter, generationenfreundlicher Sprachunterricht im
Gegensatz zu einem altersdiskriminierenden Unterricht gestaltet werden kann.
Ältere LernerInnen sind eine immer stärker wachsende Zielgruppe der Erwachsenenbildung. Und
auch Sprachkurse erfreuen sich mittlerweile bei dieser AdressatInnengruppe ständig steigender
Beliebtheit. Diskutiert werden didaktische Konzepte speziell für ältere LernerInnen. Es sollte aber
nicht außer Acht gelassen werden, dass Lernen meist in altersheterogenen Kontexten stattfindet und
dies an Lehrpersonen besondere Anforderungen stellt. Es bedarf daher genauer Überlegungen, wel-
che Faktoren beim Lernen in altersheterogenen Sprachkursen eine Rolle spielen und wie KursleiterIn-
nen im Unterricht unterstützt werden können.
Dieser Artikel beschäftigt sich daher mit Altersdiskursen im Fremdsprachenunterricht und stellt die
Frage wie eine generationenfreundliche Atmosphäre in altersheterogenen Sprachkursen geschaffen
werden kann.
Altersdiskriminierung
In unserer Gesellschaft kommen Personen verschiedener Generationen eher selten miteinander in
Kontakt. Mit verschiedenen kalendarischen Lebensaltern werden verschiedene Rollen, Werte, Nor-
men und Bilder in Verbindung gebracht. Dies führt zu einer Alterssegregation unserer Gesellschaft
und ist ein Nährboden für Altersstereotype und Vorurteile.
Der in westlichen Gesellschaften noch immer vorherrschende Defizitdiskurs sieht Altern als einen
Prozess des Abbaus, sowohl in physiologischer als auch in kognitiver Hinsicht. Dieser Defizitdiskurs
ist so sehr verinnerlicht, dass er Erwartungen und Erfahrungen älterer LernerInnen färben kann und
diese in Bezug auf Abbau beurteilt werden.
„Altersbilder sind nicht nur Bilder von der Wirklichkeit, sie sind selbst Wirklichkeit. Sie beeinflus-
sen unsere Wahrnehmung, prägen mit Nachdruck unser Handeln und senken ihre vielfältigen
Keime ins Altwerden jedes einzelnen Menschen selbst. Wer mit fünfzig Jahren glaubt, es sei zu
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
46
spät etwas Neues zu lernen, ist bereits einem typischen Altersbild aufgesessen, nämlich dem Vor-
urteil eines allgemeinen geistigen Verfalls." Amann (2004:15)
Der Defizitdiskurs geht einher mit einer Altersdiskriminierung, die im englischsprachigen Raum die
treffende und gängige Bezeichnung Ageism bekommen hat. Ein gleichwertiger Terminus fehlt im
Deutschen.
Ageism ist laut Bytheway (2005) vergleichbar mit Rassismus und Sexismus, da es seine Wurzeln in
der sozialen Identität des Individuums hat, durch die bürokratisch bestimmte Identität und das phy-
sische Erscheinungsbild des Körpers. Allerdings unterscheidet sich Ageism von Sexismus und Ras-
sismus, da es sich gegen eine Eigenschaft einer Person richtet, die jede Person einmal ereilen wird.
Ageism dient, wie Rassismus und Sexismus auch, der Abgrenzung des Individuums, allerdings ist
Alter im Unterschied zur Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe oder des Geschlechts etwas, das
uns alle betrifft und jedeR Einzelne erfahren wird. Die Abgrenzung des Individuums bezieht sich hier
auf die eigene zukünftige Identität.
Neben Ageism findet sich auch das Gegenstück der Altersdiskriminierung, nämlich Adultism. Adul-
tism ist der Terminus für Diskriminierung jüngerer Personen aufgrund der ihnen wegen ihres jungen
Alters zugeschriebenen, mangelnden Erfahrungen.
Im Sprachkurs können sich Ageism und Adultism in verschiedenen Formen finden. Wie erwähnt,
können ältere LernerInnen dem Defizitdiskurs aufsitzen und ihr eigenes Lernen in Zusammenhang
mit dem eigenen Alter negativ bewerten. Treffen im Kurs verschiedene Altersgruppen aufeinander,
können Zuschreibungen des Adultism und Ageism auftreten, zwischen LernerInnen verschiedener
Altersgruppen, aber auch KursleiterInnen und LernerInnen. So können sich Stereotype des Adultism
auch gegen eine jüngere Lehrperson richten, der durch mangelnde Lebenserfahrungen aufgrund ihres
jungen Alters auch weniger Kompetenz zugeschrieben wird.
Alter und Fremdsprachenunterricht
Eine Fremdsprache zu erlernen, involviert die eigene Identität und das eigene Selbst. Eine Sprache
funktioniert nie unabhängig von einem Individuum und das Beherrschen einer Fremdsprache stellt
neben Sachwissen auch den Schlüssel zur Interaktion mit dem Unbekannten dar, die den Blick auf das
eigene Selbst verändern kann. Eine Fremdsprache zu lernen ist immer ein kommunikativer Prozess, in
dem gesellschaftliche Themen, wie das Alter und damit verbundene Rollen und Zuschreibungen – im
wahrsten Sinne des Wortes – zur Sprache kommen.
Die soziale Konstruktion von Alter spielt eine bedeutende Rolle im Fremdsprachenunterricht, wurde
in bisherigen Forschungsarbeiten allerdings kaum beachtet und bleibt daher auch in Didaktik und
Methodik noch weitgehend unberücksichtigt.
Da SprachlernerInnen und -lehrerInnen in der Welt außerhalb des Sprachunterrichts leben, hat der in
der Gesellschaft vorherrschende Altersdiskurs auch Einflüsse auf die Konstruktion des Alters im Un-
terricht.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
47
Allerdings haben abhängig vom Alter Einstellungen über die Zusammenhänge zwischen Sprachlern-
aktivität und Alter Einfluss auf die persönlichen Sprachlernerfahrungen.
Die Konstruktion des Alters der SprachlernerInnen ist jedoch keineswegs starr und unveränderbar, sie
wird ständig neuen Erfahrungen angepasst und wird sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unter-
richts konstruiert.
Das Bewusstsein für die Einflüsse des gesellschaftlichen, meist vorurteilsbehafteten, Altersdiskurs auf
den Fremdsprachenunterricht zu schärfen, sollte einen fixen Platz in der Aus- und Fortbildung von
ErwachsenenbildnerInnen spielen. Stereotypisierungen sind in unserem Altersdiskurs vertreten und
finden sich auch unter erfahrenen Lehrpersonen. Eigene Vorurteile und Einstellungen müssen Unter-
richtende bewusst sein, um ein generationenfreundliches Klima in ihren Kursräumen schaffen zu
können.
Lernende sollen mit ihren Einstellungen, Erwartungen und Ängsten in Bezug auf Alter und Sprachen
Lernen im Unterricht genügend Raum finden. Vor allem im intergenerativen Kontext ist ein Eingehen
auf Stärken aller Altersgruppen wichtig und kann zu einem Klima des sozialen miteinander, überei-
nander und voneinander Lernens führen. Nur so können die negativen Einflüsse von Stereotypisie-
rungen, Selbststereotypisierungen und Stereotypbefürchtungen auf das Lernen gemindert werden.
Wozu intergeneratives Lernen?
Sprachunterricht führt zu linguistischen und nicht linguistischen Ergebnissen für Lernende jeden Al-
ters. Wird im Sprachunterricht nur auf Sprachkompetenzen fokussiert, verstreichen Möglichkeiten,
positive, bedeutungsvolle und lohnende Lernaktivitäten zu schaffen, ungenutzt.
„Intergeneratives Lernen ist in das Konzept des Lebenslangen Lernens integriert, wenn man da-
runter das Aufnehmen, Erschließen und Einordnen von Erfahrungen und Wissen in das je subjek-
tive Handlungsrepertoire über die gesamte Lebensspanne versteht.“ Schmidt/Tippelt(2009:85)
Schmidt und Tippelt (2009) sehen also im Konzept Lebenslanges Lernen intergeneratives Lernen ver-
wirklicht. Bildung ist immer auch eine Reflexion der eigenen Lebensspanne und kann so im Lauf des
Lebens Wissen mit Konzepten verschiedener Lebensphasen integrieren.
Intergeneratives Lernen wird aber meist als Lernen in altersheterogenen Gruppen verstanden. Der
Sprachunterricht ist eine Möglichkeit des gemeinsamen intergenerationellen Lernens. Beim Erarbeiten
von Sprachkompetenzen lernen alle miteinander; wodurch Generationen gleichzeitig über- und von-
einander lernen.
KursleiterInnen sind, wenn sie altersheterogenen Gruppen gegenüber stehen, besonders gefordert
und nicht alle sehen daher intergeneratives Lernen positiv. Eine Befragung der KursleiterInnen von
Kolland (2005) ergab, dass wenn KursleiterInnen ältere LernerInnen als langsame LernerInnen emp-
finden, sie eher altershomogene Gruppen bevorzugen. Die Einstellungen zum intergenerativen Ler-
nen von Seiten der KursleiterInnen hängen also maßgeblich von ihren bisherigen Erfahrungen ab.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
48
Außerdem befürwortet die Mehrheit der KursleiterInnen eine eigene Schulung für die Leitung von
Kursen mit hohem Anteil älterer LernerInnen.
Franz und Scheunpflug (2009) sehen Lernen im Alter zwischen Seniorität und Alterität. In intergene-
rativen Kursen regiert oft das Senioritätsprinzip. Den jüngeren LernerInnen scheinen ältere aufgrund
ihres Mehr an Wissen und Erfahrung überlegen und SeniorInnen erhalten oft eine Führungsrolle, die
offensichtlich auch gesellschaftlich vermittelt ist. SeniorInnen hingegen betonen oftmals durch den
Kontakt mit Jugendlichen in Schwung zu bleiben und schätzen den dadurch gewonnen Einblick in die
neue Lebenswelt. Für Franz und Scheunpflug (2009) bedeutet intergeneratives Lernen eine Bewegung
vom Senioritätsprinzip hin zum wechselseitigen Lernen, zur Alterität. Ob diese Bewegung jedoch
gelingen kann, ist abhängig davon, wie die LernerInnen verschiedener Generationen zusammenge-
führt werden und bedarf daher der Kompetenzen sensibilisierter ErwachsenenbildnerInnen. Wechsel-
seitiges Lernen kann am ehesten gelingen, so die AutorInnen, wenn sich die Generationen mit einem
für alle relevanten Thema beschäftigen oder gemeinsam etwas herstellen. Die Forderung, die sich also
an ErwachsenenbildnerInnen stellt, ist die Heterogenität und Alterität der Generationen, aber auch
die unterschiedlichen Persönlichkeiten einer Generation wahrzunehmen und sich an einer Anerken-
nung dieser Differenz zu orientieren. Eine Herausforderung der didaktischen Gestaltung in intergene-
rationellen Kursen ist es, die Rollenmuster, mit denen sich Generationen begegnen, aufzubrechen und
gegenseitiges Lernen zu ermöglichen. Es gilt den Lernprozess konkret und explizit zu gestalten und
auch bewusst Raum für den informellen Austausch einzuplanen. Professionalisierte Weiterbildung
der ErwachsenenbildnerInnen, um Lernarrangements in Hinblick auf die deutliche Heterogenität der
LernerInnen planen zu können, ist daher notwendig.
Altersheterogene Kurse stellen KursleiterInnen vor eine Herausforderung. Es gilt LernerInnen als
Individuen zu sehen, auf ihre spezifischen Bedürfnisse einzugehen und Altersstereotype im Kurs
sensibel wahrzunehmen, zu thematisieren und nach Möglichkeit abzubauen.
Tipps, wie es gelingen könnte, die verschiedenen Generationen einzubinden:
KursleiterInnen sollten über eigene Altersbilder reflektieren und Möglichkeiten bekommen, sich
mit KollegInnen darüber auszutauschen. Wir haben alle gesellschaftliche Diskurse verinnerlicht.
Eine Bewusstmachung dieser Diskurse, die schließlich unser Handeln leiten, kann helfen
Unterrichtssituationen generationenfreundlich zu gestalten.
Ein explizites Thematisieren des Altersdiskurses im Unterricht kann dabei helfen, sich der eigenen
Altersstereotype bewusst zu werden und die Neugier auf andere Altersgruppen wecken. Durch
das Ansprechen der Altersunterschiede und ein gleichzeitiges Aufzeigen der individuellen
Unterschiede in einer Altersgruppe, sowie der Gemeinsamkeiten über Altersgruppen hinweg (z.B.:
durch Partnerinterviews und Kursstatistiken), wird das Thema enttabuisiert und die
KursteilnehmerInnen könnten so ermuntert werden, die Generationenbarriere zu überschreiten.
Die Rolle des Kursleiters / der Kursleiterin ist in altersheterogenen Gruppen auch die eines
Moderators / einer Moderatorin und Mediators/Mediatorin. Es gilt die altersheterogenen Gruppen
zusammenzuführen, sie behutsam einander anzunähern und Barrieren abzubauen. Dazu bedarf es
moderatorischen und mediatorischen Geschicks.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
49
Wichtig erscheint zum Abbau von Barrieren das Zusammenarbeiten in altersheterogenen
Gruppen. Dabei soll in diesen Gruppen ein gemeinsames Ziel erarbeitet werden und dieses auch
immer explizit thematisiert werden.
Hierfür scheinen auch gruppendynamische Aktivitäten von großer Bedeutung zu sein. Übungen,
die das Gruppengefühl stärken und die gemeinsame Zielorientierung sichtbar machen, eignen sich
um Barrieren abzubauen.
Lernpartnerschaften im Kurs entstehen zu lassen und zu fördern, kann ebenfalls helfen Barrieren
und Vorurteile abzubauen. Solche altersheterogene Lerntandems helfen Beziehungen im Kurs zu
stärken und fördern soziales Lernen.
Die eigene Lernbiografie sollte immer auch thematisiert werden. So werden eigene Kompetenzen
bewusst gemacht und ein positives Selbstkonzept als FremdsprachenlernerIn gefördert.
Lernerfahrungen über die Lebensspanne werden zueinander in Bezug gesetzt, neue Lehrmethoden
können mit anderen verglichen werden und so eher angenommen werden, als wenn sie einfach
vorgegeben werden.
Literatur:
Amann, A. (2004): Die großen Alterslügen. Generationenkrieg - Pflegechaos - Fortschrittsbremse? Böhlau Verlag.
Bytheway, B. (2005): Ageism and age categorization. Journal of Social Issues, 61(2), 361-374.
Franz, J. & Scheunpflug, A. (2009): Zwischen Seniorität und Alterität. Eine empirische Rekonstruktion intergene-
rationellen Lernens. Zeitschrift Für Erziehungswissenschaft, (12), 437-455.
Kolland, F. (2005): Bildungschancen für ältere Menschen. Ansprüche an ein gelungenes Leben. Münster: Lit Verlag.
Schmidt, & Tippelt. (2009): Bildung älterer und intergeneratives Lernen. Zeitschrift Für Pädagogik, (55), 73-90.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
50
Ines Holme
eLearning im Alter Am Beispiel einer Grundtvig-Lernpartnerschaft
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Einsatz von eLearning-Möglichkeiten und Erfahrungen
älterer Sprachen-LernerInnen, v.a. hinsichtlich der zielgruppenadäquaten Themen, des Zugangs die-
ser Altersgruppe zur Technik und der notwendigen Unterstützung. Dies wird anhand des Beispiels
der Grundtvig-Lernpartnerschaft NELPAE erörtert und mit theoretischen Inputs ergänzt.
Das Projekt NELPALE
Die Kärntner Volkshochschulen arbeiten in einer Grundtvig-Lernpartnerschaft mit sieben Ländern an
der Entwicklung neuer Unterrichtskonzepte. Hauptziel des Projekts ist es, Erwachsenenbildung durch
die Anwendung elektronischer Lernmittel europaweit zu fördern. Verschiedene Erwachsenenbil-
dungseinrichtungen aus Rumänien, Polen, der Türkei, Kroatien, Italien, Portugal und Österreich ent-
wickeln somit gemeinsam eine eLearning Plattform, die lernenden Erwachsenen und MultiplikatorIn-
nen einen besseren Zugang zu Bildung, konkret zum Lernen von Fremdsprachen, ermöglichen soll.
Im Fokus stehen Lernende der Generation 50+, da einerseits die Kärntner Volkshochschulen mit dieser
Zielgruppe bereits Erfahrung haben, andererseits diese Personengruppe selten mit eLearning Pro-
grammen vertraut ist.
Konkret werden in Kärnten Englischkurse auf den Niveaus A1, A2 und B1 entwickelt. Durch dieses
Projekt wird versucht Personen zu erreichen, die aus verschiedenen Gründen keine Möglichkeit ha-
ben, Bildungsangebote anzunehmen, z.B. wegen der Entfernung zu Kursorten und/oder fehlender
Mobilität, körperlicher Behinderungen, etc.
Welche Themen passen zur Zielgruppe?
Die für Sprachkurse erhältlichen Kursbücher sind generell so konzipiert, dass sie jüngere Lernende
ansprechen. Die Kurse müssen daher altersgerechte Themen bieten. Zu diesem Zweck wurden Teil-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
51
nehmerInnen unserer Zielgruppe eingeladen, gemeinsam mit uns die Plattform zu testen und uns
durch ihren Input zu helfen, in den Kursen den von älteren Lernenden erwarteten und gewünschten
Inhalt zu bieten.
Ältere Lernende haben andere Bedürfnisse und Erwartungen als jüngere. Hinzu kommt auch, dass
ältere Lernende oft ängstlich sind, wenn es um das Lernen von Fremdsprachen geht und es ihnen
diesbezüglich an Selbstvertrauen mangelt. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass e-Learning mehr
von Frauen als von Männern angenommen wird. Daher stellt sich die Frage, ob bei der Wahl der
Themen größtenteils auf Fraueninteressen Rücksicht genommen werden sollte. Generell liegen die
Interessen der Zielgruppe 50+ im Bereich von Kultur, Literatur, Reisen, andere Länder/Land und Kul-
tur, Gesundheit, Familie, Freizeit, Umwelt, etc. Es besteht weniger Interesse für sport- oder berufsbe-
zogene Themen.
Ältere Lernende und die Technik: Welchen Zugang hat die Zielgruppe zur Technik? Was braucht sie,
um eine eLearning Plattform zu bedienen?
Bei eLearning kommt auch noch die Angst vor der Technik hinzu. Obwohl gewisse Computer-
Grundkenntnisse vorausgesetzt werden, ist eine gründliche Einschulung unumgänglich bevor Teil-
nehmerInnen mit den Kursen beginnen. Auch sollte ständige technische Unterstützung angeboten
werden, um TeilnehmerInnen ihre Angst zu nehmen. Schulungsworkshops für die eLearning Platt-
form erfolgen in speziell organisierten Treffen und via ooVoo Videokonferenz.
Welche Art von Unterstützung sollten die Institute zur Verfügung stellen?
Die Themeninsel behandelte auch die Frage der Motivation, insbesondere, da kein oder wenig
menschlicher Kontakt vorhanden ist. Besonders bei älteren Lernenden würde der Wunsch nach per-
sönlichem Kontakt aufkommen. Auch wurde eingewendet, dass eLearning nur das schriftliche Spra-
chenlernen fördert, da kein interaktiver Kontakt, wie er in einem herkömmlichen Sprachkurs besteht,
vorhanden ist. Dadurch würde ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Aspekt beim Erlernen ei-
ner Sprache wegfallen, was eventuell zu Frustration und Verlust jeglicher Motivation führen könnte.
In jedem Sprachkurs stellt Motivation die größte Herausforderung dar, und bei eLearning ist diese
Herausforderung doppelt so groß. Natürlich ist das auch bei älteren Lernenden unterschiedlich zu
sehen. Es gibt genügend ältere Lernende, die diese neue Form des Lernens mit Begeisterung aufneh-
men und sich furchtlos allen Anforderungen stellen. Aber natürlich gibt es auch solche, die dem Gan-
zen eher ängstlich gegenüber stehen und schon beim kleinsten Problem das Handtuch werfen möch-
ten. Diese benötigen umso mehr Unterstützung und Ermunterung seitens der TutorInnen und es
muss ihnen auf jeden Fall das Gefühl vermittelt werden, dass sie nicht alleine sind. Am sinnvollsten
wäre e-Learning sicherlich, wenn es ergänzend zu einem herkömmlichen Sprachkurs gemacht wird.
Die TeilnehmerInnen der Plattform-Kurse werden von den SprachtrainerInnen laufend begleitet. Zu
diesem Zweck stellt die Plattform ein Messaging System zur Verfügung, sowie einen Chatroom, der
es den Lernenden ermöglicht, mit den TutorInnen zu kommunizieren und sich mit den anderen Ler-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
52
nenden auszutauschen – da durch diese gemeinsame Plattform auch der kulturelle Austausch zwi-
schen den Ländern angestrebt wird, werden die TeilnehmerInnen ermutigt, sich auch mit den Ler-
nenden in den anderen Partnerländern auszutauschen. Ständige Kommunikation mit den Lernenden
besteht auch durch Assignments (Aufgaben) die zwischendurch auf die Plattform gestellt werden. Die
TeilnehmerInnen erhalten dann ein Feedback von den Tutoren. Wichtig ist dabei, dass Feedbacks
„positiv konstruktiv“ sind, d.h. sie sollten nicht „schulmeisterlich“ sein und auf Lob sollte auf keinen
Fall vergessen werden, um Lernende weiterhin zu motivieren. Kommentare wie z.B., „Great effort,
well done!“ „You’re getting better and better!“, etc. - auch wenn die Arbeit mit Korrekturen übersät ist
- wirken immer ermutigend. Zu Trainingszwecken und zum persönlichen Austausch werden zwi-
schendurch auch persönliche Treffen anberaumt.
Bewerbung der Plattform
Es wurde im Zuge der Diskussionen auch die Frage aufgeworfen, wie die Kurse der eLearning Platt-
form beworben werden. Die eLearning Plattform wird über mehrere Wege beworben: z.B. über das
Kursprogramm der Kärntner Volkshochschulen sowie unsere Homepage und Facebook. Des weiteren
werden SprachtrainerInnen gebeten, TeilnehmerInnen mittels Handouts auf die Plattform hinzuwei-
sen und zur Teilnahme zu ermutigen und TeilnehmerInnen von Sprach- und EDV-Kursen werden
auch direkt von uns angesprochen.
Kritik
Es wurde seitens einer Teilnehmerin der Themeninsel die Frage aufgeworfen, ob es nicht eine Res-
sourcenverschwendung des Projekts sei, für eine e-Learning Plattform die Zielgruppe 50+ zu wählen,
da viele ältere Personen wenig Erfahrung im Umgang mit Computern haben. Warum sollte man ältere
Personen zwingen, eine Sprache über eLearning zu erlernen, anstatt in einem herkömmlichen Kurs?
Die Argumente dagegen waren einheitlich: Es gibt immer mehr ältere Personen, die den Umgang mit
dem Computer lernen wollen und sich sehr für neue Technologien interessieren. Auch sollte man 50-
jährige nicht unbedingt als „ältere“ Personen sehen, da viele noch im Berufsleben stehen und sehr
wohl mit Computern arbeiten können. Die Plattform sollte auch nicht dazu dienen, ältere Menschen
dazu zu zwingen, auf diese Form des Lernens umzusteigen. Es sollte jedoch denjenigen, die Interesse
daran haben, die Möglichkeit dazu bieten – und dies auch noch kostenlos! Unsere Erfahrung zeigt
auch, dass immer mehr ältere Personen sich für den Umgang mit Computern interessieren. Das be-
weist schon alleine die steigende Zahl der älteren TeilnehmerInnen in den EDV-Kursen der VHS.
Besonders im Zeitalter des „active aging“ lohnt es sich unbedingt, dieser Zielgruppe die Ressourcen
zur Verfügung zu stellen.
Die Entwicklung dieser e-Learning Plattform ist auf jeden Fall eine große Herausforderung für alle
beteiligten Partnereinrichtungen und ist ein ständiger Lernprozess!
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Tipps zum Thema eLearning:
Technische Einschulung der TeilnehmerInnen vor Kursbeginn
Auswahl von Themen, die für Frauen über 50 von Interesse sind
Laufende Ermutigung und Unterstützung durch die TutorInnen
Einführung eines Messaging System, eines Forums und/oder eines Chatrooms für die Kommu-
nikation zwischendurch
Verstärkung der Kontakte der Lernenden untereinander durch gemeinsame Aufgabestellungen
zwischendurch
eLearning als weitere Option und keineswegs als Zwang!
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Birgit Simschitz
Lernende – Lehrende Während der Schulzeit haben wir alle die Erfahrung gemacht, dass Ältere Wissen und Erfahrung an
Jüngere weitergeben. In der Erwachsenenbildung treffen plötzlich ältere Lernende auf jüngere Unter-
richtende. Die Rollen kehren sich um. In der Auseinandersetzung mit diesem Thema erscheint es
wichtig zu reflektieren, warum das Rollenverhalten so entscheidend ist, welche Positionen sich ein-
nehmen lassen und was es gilt, im Kontext der Lehrrolle zu wissen, zu können oder zu entwickeln.
Warum ist das Rollenverhalten zu bedenken?
Die erste Frage bezieht sich zunächst auf einen rasch zu klärenden gesellschaftlichen Kausalnexus:
Dieser ist durch den demografischen Wandel bedingt und gestaltet durch die Förderung von und die
Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Er wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass in den
Sprachkursen der Österreichischen Volkshochschulen immer mehr ältere Lernende von jüngeren Leh-
renden unterrichtet werden. Die ungleich spannendere causa finalis der Antwort liegt jedoch in der
für den Lernerfolg so bedeutsamen, eben wiederentdeckten Persönlichkeit der Unterrichtenden, in die
historische Unterrichtstraditionen wie psychische Muster der persönlichen Entwicklung eingeschrie-
ben sind und einer Reflexion harren.
Ausgangspunkt für die Überlegungen sind dabei im Alltag nicht selten zu hörende Aussagen wie „ich
bin kein Lehrertyp“ oder auch „ich unterrichte auf Augenhöhe“. Die Distanz zur Rolle, die für andere
Berufsgruppen wenn nicht undenkbar, so doch wenig vertrauenserweckend wäre – stellen wir uns für
einen Moment Sätze wie „ich bin kein Anwaltstyp“ oder „ich erstelle Diagnose und Therapie auf Au-
genhöhe“ vor –, begründet sich in der Geschichte der Lehrprofession beziehungsweise genauer in
dem sozialen Status, den Unterrichtende in der Vergangenheit eingenommen haben, und stärker noch
in der allgemein noch diffus wahrgenommenen Macht zur Disziplinierung. Mit ihr wird auf verschie-
denen Ebenen Unangenehmes verbunden. Sei es nun, dass generell mit Michel Foucault der Prozess
der modernen Zivilisation als Maschinerie fortlaufender körperlicher Disziplinierung interpretiert,
dass mit Peter Sloterdijk das Menschsein über die geübte Disziplin, nämlich die Mühen des Exerziti-
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
55
ums definiert wird. Oder, dass Lernende und Lehrende, wie Theodor W. Adorno mit Hinweis auf die
Psychoanalyse bemerkt, in veränderter, doch wiederholender Form erneut in die Konflikte der Eltern-
Kind-Beziehung verwickelt werden.
Der Moment der außergewöhnlichen Spannung in der letztgenannten Erklärung liegt nun darin, dass
die Familienverhältnisse nicht einfach wie im regulären Schulbetrieb für Kinder und Jugendliche re-
petiert und variiert werden, sondern dass sie eine Umkehr erfahren: Unterrichtende stehen vor Ler-
nenden, die ihre Eltern respektive Großeltern sein könnten und nehmen die Position einer Über-Ich-
Figur mit allen zugeschriebenen und nicht zu erfüllenden Idealen ein. Im Unterschied zu vielen ande-
ren Kontakten, in denen Ältere einfach Anweisungen, Empfehlungen und Ratschläge von jüngeren
ExpertInnen annehmen, entfaltet sich das familiäre Spannungselement durch die Dauer des Kontakts
(beispielsweise sind an die fünfhundert Unterrichtsstunden notwendig, um Deutsch als Fremdsprache
auf dem Niveau B1 zu beherrschen). Selbst wenn es unüblich ist, den Spracherwerb vollständig an
eine Lehrkraft zu binden, haben doch die durchschnittlichen Unterrichtseinheiten im Semester das
Potential, Vor- oder auch Unbewusstes zu aktivieren.
Obgleich es keine Möglichkeit gibt, Übertragungen von Lernenden auszuschließen, ist es für Lehrende
wichtig, sich intensiv mit ihrer persönlichen Familiengeschichte auseinanderzusetzen, ohne dass man
je die Gewissheit erlangen könnte, vor Übertragungen von Mustern auf Lernende gefeit zu sein. Den
Überforderungen durch die Über-Ich-Ideale von Lernenden kann man kurzfristig mit der einfachen
Formulierung „Ich weiß das nicht, ich muss das nachschlagen und die Antwort gebe ich Ihnen in der
nächsten Woche “ begegnen.
Arnold Schönberg fordert von Lehrenden den Mut zur Blamage, denn für Lernende sind nicht Un-
fehlbare, sondern unermüdlich Suchende und auch Irrende essentiell für Bildung. Langfristig ist die
Begrenztheit des Wissens in Erinnerung zu halten und der Grenzverlauf zwischen Wissen und Nicht-
Wissen ist von Unterrichtenden immer wieder aufs Neue zu bestimmen. Ist Unberechtigtes aus fami-
liären und früheren schulischen Erfahrungen der Lernenden abgewiesen, bleibt Raum und Zeit für die
Rolle, der in ihrer Konvention – und darauf sollte nicht vergessen werden – eine Entlastungsfunktion
zukommt.
Zusammenfassend begründet sich das Nachdenken über die Rolle durch die bereits eingetretene Ver-
änderung der Altersdifferenz zwischen Lernenden und Lehrenden. Dies führt zu Modifikationen so-
wohl der historisch als auch der psychisch präfigurierten Rolle der Unterrichtenden. Daraus ergibt
sich die zweite Frage nach der Positionierung der Rolle im Kontext von Lehr- und Lernmodellen.
Welche Positionen lassen sich einnehmen?
Der Übersichtlichkeit wegen wird hier grob zwischen einer instruktionalen, einer konstruktivistischen
und einer integrativen Haltung zu Lehren und Lernen unterschieden.
Nach der instruktionalen Auffassung ist es die Aufgabe des Unterrichts, Sprache in ihrem Systemcha-
rakter zu vermitteln. Im Unterricht wird der Weg von der Erklärung, der Theorie zur Umsetzung, zur
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
56
Praxis gewählt. Lehrende geben die Erklärung vorab und sorgen für eine mechanistische Einübung
des neuen Phänomens.
Die konstruktivistische Haltung wird von Lehrenden in schwacher, gemäßigter oder auch starker
Ausprägung vertreten, gemein ist den Ansichten, dass Lernen als Prozess verstanden wird, der aktiv,
ausdifferenzierend und kumulativ ist. Der Unterricht beginnt mit einer komplexen Sprachhandlung
und wird durch Hypothesen auf einfache Elemente reduziert. Die Teilnehmenden erarbeiten die zu-
grundeliegenden Regeln selbst, die Rolle von Lehrenden besteht in der Bereitstellung entsprechenden
Materials und der Schaffung einer gegenstandsorientierten Lernumgebung (etwa mit Portfolios).
Weitere Lehrende setzen auf eine integrative Position und verbinden instruktionale und konstrukti-
vistische Sprachvermittlungselemente. Gestützt auf das besondere Interesse und die Motivation der
älteren Teilnehmenden regen sie Konstruktionen an, geben aber auch Anleitung, Orientierung und
Hilfe. Im Sprachunterricht streben sie so eine Ausgewogenheit von expliziter Instruktion und kon-
struktiver Aktivität von Lernenden an.
Welche Lehrrolle eingenommen wird, hängt vom Menschenbild und der Weltanschauung der Lehr-
person ab, kann jedoch auch eine Entscheidung sein, die im Hinblick auf die konkrete Gruppe, das
Zeitbudget oder das Unterrichtsziel getroffen wird. Das Alter der KursteilnehmerInnen wird dabei
kaum Kriterium sein.
Was gilt es im Kontext der Lehrrolle zu wissen, zu können oder zu
entwickeln?
Die Antwort auf die letzte Frage, was es im Kontext der Rolle zu wissen und zu entwickelt gibt, lässt
sich in dem Europäischen Portfolio für Sprachenlehrende von David Newby und anderen
(http://archive.ecml.at/mtp2/publications/C3_Epostl_D_internet.pdf) finden und zwar nicht in Form
eines fertigen Textproduktes, sondern als unterstützende, systematische Anleitung zur eigenverant-
wortlichen Klärung. Die Publikation des Europäischen Fremdsprachenzentrums trägt auch den schö-
nen passenden Untertitel „Ein Instrument zur Reflexion“. Wenn auch die Kann-Beschreibungen zur
Selbstbeurteilung auf Sprachlehrende in Ausbildung, ihre MentorInnen und den Schulunterricht aus-
gerichtet sind, sind die Kriterien zur Rolle, die in den Bereichen Kontext (Seite 17f.) und Durchführung
einer Unterrichtsstunde (Seite 43) zu finden sind, auf das Thema der veränderten Altersdifferenz zwi-
schen Lernenden und Lehrenden übertragbar. Die Kann-Bestimmungen nehmen Bezug auf die gesell-
schaftliche und die berufliche Rolle in Theorie und Praxis und unterstützen
Diese Sammlung von Anforderungen an die Rolle als jüngere/r Lehrende/r vor älteren Lernenden
fördert die Auseinandersetzung mit dem Thema. Persönliche, mehrmalige Aufzeichnungen über ein-
zelne Punkte über einen selbst gewählten Zeitraum ermöglichen es, die Lernfortschritte auf diesem
Gebiet zu verfolgen und selbst zu beurteilen. Ein/e gute/r Lehrende/r, zu bleiben und ein/e solche/r,
wird durch diesen Prozess nachhaltig unterstützt.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Literatur:
Adorno, Theodor W. (1969): Tabus über den Lehrberuf. In: Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit.
Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S.70 – 86.
Foucault, Michel (1977): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übersetzt von Walter Seitter.
Frankfurt am Main: Suhrkamp. (=suhrkamp taschenbuch wissenschaft184)
Hattie, John A.C. (2011): Visible Learning for Teachers. Maximizing Impact on Learning. London, New York:
Routledge.
Newby, David et al.: Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung. Ein Instrument zur Reflexion.
(2008). Europäisches Fremdsprachenzentrum. Online unter:
http://archive.ecml.at/mtp2/publications/C3_Epostl_D_internet.pdf
Schönberg, Arnold (1911): Vorwort. Harmonielehre. Wien: Universal Edition 2005, S. V – VII.
Tipp: Die Kann-Bestimmungen des Europäischen Portfolios für Spachenlernende:
Ich kann Kursteilnehmenden und anderen den Nutzen und die Vorteile des Sprachenlernens
im Alter deutlich machen.
Ich weiß den Mehrwert zu schätzen, den Lernende verschiedenen Alters in die Gruppe ein-
bringen, und kann daraus einen Nutzen ziehen.
Ich kann das Wissen, das ältere Sprachenlernende bereits besitzen, berücksichtigen und sie
beim Aufbau dieses Wissens beim Lernen weiterer Sprachen unterstützen.
Ich kann auf entsprechende Theorien bezüglich des Sprachenlernens im Alter und auf relevan-
te Forschungsergebnisse zurückgreifen, wenn ich meinen Unterricht gestalte.
Ich bin in der Lage, meinen Unterricht auf der Grundlage von Erfahrung, Feedback von den älteren
Lernenden und Lernergebnissen kritisch zu beurteilen und ihn entsprechend anzupassen.
Ich kann relevante Artikel, Zeitschriften und Forschungsergebnisse in Bezug auf das Lehren
und Lernen von Älteren finden.
Ich kann bestimmte pädagogische bzw. didaktische Themen in Bezug auf ältere Lernende oder
meinen Unterricht durch Aktionsforschung identifizieren und untersuchen.
Die Rolle der Lehrenden im Unterricht benötigt fünf weitere Fertigkeiten:
Ich kann die Aufmerksamkeit der älteren Lernenden während der Unterrichtsstunde aufrecht-
erhalten und maximieren.
Ich kann auf die Initiative und Interaktion von älteren Lernenden reagieren.
Ich kann zu jeder Zeit Anreize zur Teilnahme von älteren Lernenden setzen.
Ich kann eine Reihe von altersgerechten Lernstilen ansprechen.
Ich kann den älteren Lernenden geeignete Lernstrategien verdeutlichen und sie bei der Ent-
wicklung dieser Strategien unterstützen.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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Die Autorinnen Mag.a Beatrice Baglioni Greilberger ist langjährige Kursleiterin für Italienisch an der VHS Graz und
an der Urania Graz.
VHS-Dozentin Mag.a Catherine Castellani ist langjährige Kursleiterin für Französisch, Kustodin
für Französisch an der VHS-Steiermark.
Mag.a Alexandra Edlinger arbeitet an der Fertigstellung ihrer Dissertation zum Fremdsprachen
Lernen im Alter an der Karl-Franzens Universität Graz. Sie untersucht wie erfolgreiches Lernen im
Alter in den Dynamiken sozialer, linguistischer und psychologischer Faktoren stattfinden kann.
Marion Grein, Privatdozentin, ist habilitierte Leiterin des Masterstudiengangs Deutsch als
Fremdsprache an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit
sind die Sprachlehrforschung, Deutsch als Zweitsprache, Interkulturelle Kommunikation
sowie Multimedia und E-Learning. Sie ist 1. Vorsitzende des Kontaktstudiums Fremdspra-
chen für Erwachsene - Sprachandragogik. Aufgrund ihrer Sozialisation in Japan bietet sie
darüber hinaus zahlreiche Veranstaltungen im Bereich Japan und japanischer Kultur an.
Ines Holme ist seit 2007 an den Kärntner Volkshochschulen tätig, wo sie zuerst als Englisch-
Trainerin und Zweigstellenleiterin der VHS Paternion-Feistritz/Drau arbeitete. 2009 übernahm sie
die Koordination der Bezirksstelle Spittal/Drau mit 5 Zweigstellen. Sie ist außerdem Projektkoordina-
torin der Grundtvig Lernpartnerschaft “New E-Learning Platform for Adult Education” (NELPAE).
Sie lebte 25 Jahre in England und kehrte 2006 nach Österreich zurück.
Andrea Rainer studierte Italienisch/Deutsch Lehramt Uni Innsbruck, sie absolvierte Studienaufent-
halte in Rom und Fortbildungen des VÖV im Didaktikbereich. Seit 1989 ist sie Kursleiterin für Italie-
nisch an der VHS Innsbruck. Seit 2010 ist sie zertifizierte Trainerin in Fortbildungsseminaren der
Volkshochschule Innsbruck und im SAPA-Zertifikatslehrgang für SprachkursleiterInnen des Verban-
des Österreichischer Volkshochschulen.
Mag.a Silke Rinnerthaler studierte Italienisch und Geschichte Lehramt. Sie ist Trainerin für Italie-
nisch und Spanisch und seit 2010 Fachbereichsleiterin Sprachen an der Volkshochschule Salzburg.
Mag.a Birgit Simschitz unterrichtet nach Schulpraktikum und Lektorat in der Slowakei als Erwach-
senenbildnerin DaM (Deutsch als Muttersprache) und als Lehrbeauftragte DaF (Deutsch als Fremd-
sprache) bei treffpunkt sprachen an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Mag.a Isabella Wachter ist Universitätslektorin, langjährige Kursleiterin für Deutsch als Fremd-
sprache, Aus-und Weiterbildnerin für SprachkursleiterInnen in Graz.
MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter
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KooperationspartnerInnen...
… und TeilnehmerInnen Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und die aktive Beteiligung!