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Elisabeth Feigl-Bogenreiter (Hg.) MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG Sprachen lernen bis ins hohe Alter VÖV-Edition Sprachen 6

Elisabeth Feigl-Bogenreiter (Hg.) MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG · 2013-04-26 · Jeder, der weiterlernt, ist jung, mag er achtzig oder zwanzig Jahre zählen.“ (Henry Ford I. 1863-1947)

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Elisabeth Feigl-Bogenreiter (Hg.)

MEHRSPRACHIG statt EINSILBIGSprachen lernen bis ins hohe Alter

VÖV-Edition Sprachen 6

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Impressum:

Herausgeberin: Elisabeth Feigl-Bogenreiter

Redaktion: Elisabeth Feigl-Bogenreiter

Mitarbeit: Alexandra Edlinger und Catherine Vana

VÖV-Edition Sprachen 6

© Alle Rechte vorbehalten.

2013 Verband Österreichischer Volkshochschulen

1020 Weintraubengasse 13

Umschlaggestaltung: Qarante

Layout und Satz: Christine Rafetseder

ISBN 978-3-902022-34-9

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Inhalt Seite

Einleitung ................................................................................................................................. 3

Fremdsprachenlernen im Alter ............................................................................................ 5

Lernen aus neurobiologischer Perspektive ..................................................................... 5

Die demographische Entwicklung und VHS-Kursteilnehmende .............................. 13

Lernen im Alter .................................................................................................................. 15

Umsetzung im Sprachunterricht ..................................................................................... 23

Schwerpunktthemen:

Zielgruppen ........................................................................................................................... 32

Emotionen .............................................................................................................................. 37

Lehrbücher ............................................................................................................................. 41

Intergenerationen ................................................................................................................. 45

eLearning im Alter ............................................................................................................... 50

Lernende – Lehrende ........................................................................................................... 54

Die Autorinnen ..................................................................................................................... 58

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MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter

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Einleitung

Alter und Sprachenlernen, ein unvereinbarer Widerspruch?

Mit zunehmendem Alter gestalten sich die persönlichen Motive eine (neue) Sprache zu lernen immer

unterschiedlicher. Bereits erworbene Wissensstrukturen stellen sich zunehmend individueller dar. Je

älter wir werden, desto mehr verfügen wir über Kenntnisse, Kompetenzen und Fertigkeiten an denen

sich das Lernen orientieren kann. Je nach bisheriger Lernbiographie, bildungsfernem oder wissensna-

hem Lebenshintergrund, lassen sich unterschiedliche Strategien beim Erlernen von Neuem erkennen.

Das gilt auch und ganz speziell für das Sprachenlernen.

Somit kann keineswegs generell behauptet werden, dass es mit zunehmendem Alter für alle Men-

schen gleichermaßen schwierig(er) wird, eine (neue) Sprache zu lernen. Sicher ist nur, dass die Un-

terschiede im Lernverhalten und in der Aufnahmebereitschaft mit zunehmendem Alter immer diver-

gierender werden. Lernungewohnten, die in ihrem bisherigen Leben keine Fremd- oder Zweitspra-

chen erworben haben, fällt das Lernen im fortgeschrittenen Alter ungleich schwerer. Lerngewohnte,

vielleicht sogar mehrsprachig sozialisierte Menschen verfügen über ausreichend Strategien beim Er-

werb neuer Vokabel und formaler Strukturen. Auf diese Weise entwickeln sie sogar Vorteile gegen-

über unstrukturierteren jüngeren Lernenden.

Unser Gehirn bewertet laufend, ob Informationen wichtig sind oder nicht. Wenn der Wunsch etwas zu

lernen, nur sehr vage oder zögerlich gegeben ist, plagen sich ältere (aber auch viele jüngere) Menschen

mit dem Erwerb einer (neuen) Sprache. Wenn ein konkreter Anlass gegeben ist, fällt alles leichter.

Und nicht zuletzt spielt, neben kognitiven und sozialen Bedingungen, die emotionale Einstellung eine

entscheidende Rolle beim erfolgreichen Lernen. Auch, oder insbesondere in diesem Punkt, bringen

Ältere ihr dickes „Erfahrungs-Bündel“ mit. Haben sie jahr(zehnt)elang erfahren, dass Lernen mit

Angst, Frustration und Versagen verbunden ist, wird sich das negativ auf ihr Verhalten im Sprachun-

terricht ausüben.

Bei der Tagung „Mehrsprachig statt Einsilbig – Sprachenlernen bis ins hohe Alter“, die am 17. No-

vember 2012, an der Volkshochschule Graz stattfand, wurde das oben skizzierte Thema einem inte-

ressierten Fachpublikum näher gebracht. Die eintägige Veranstaltung, die von rund 100 VHS-

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KursleiterInnen und Hauptberuflichen besucht wurde, konnte als Kooperationsprojekt des Verbandes

Österreichischer Volkshochschulen mit der AK Volkshochschule Steiermark, der Volkshochschule

Steiermark, der Urania Graz, den Kärntner Volkshochschulen sowie dem Sprachennetzwerk Graz

durchgeführt werden. Die Verlage Hueber, Klett und Cornelson beteiligten sich ebenfalls finanziell an

den Kosten.

In ihrer Keynote ermöglichte Marion Grein von der Universität Mainz einen umfassenden Einstieg ins

Thema und beleuchtete auch vor allem die neurobiologischen Veränderungen. In den darauf folgen-

den Themeninseln wurden Subthemen diskutiert: das Erschließen neuer Zielgruppen, der Umgang

mit Emotionen, ältere Lernende und Kursbücher, das Verhältnis zwischen den Generationen sowie

das zwischen älteren Lernenden und jüngeren Lehrenden.

In der Folge finden Sie eine Zusammenfassung der Beiträge sowie einige praktische Anregungen für

den Unterricht. Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen der Empfehlungen wünscht

Elisabeth Feigl

Sprachenreferentin / Verband Österreichischer Volkshochschulen

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Marion Grein, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Fremdsprachenlernen im Alter1 „Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt,

mag er zwanzig oder achtzig Jahre zählen.

Jeder, der weiterlernt, ist jung,

mag er achtzig oder zwanzig Jahre zählen.“

(Henry Ford I. 1863-1947)

In einem ersten Kapitel werde ich sehr knapp die neurobiologischen Grundlagen des Lernens

skizzieren. Ausgehend von den allgemeinen Erkenntnissen bezüglich der Vorgänge des Lernens im

Gehirn wird dann, nach einem kurzen Exkurs zur Entwicklung der VHS-Kursbesuchenden, auf das

Lernen im fortgeschrittenen Alter eingegangen. Schließlich werden konkrete Tipps für die

altersgerechte Konzeption eines Sprachkurses gegeben, wobei an dieser Stelle schon darauf

hingewiesen werden muss, dass Faktoren wie Vorbildung, Input und Motivation einen größeren

Einfluss auf den Lernerfolg haben als das Alter.

1. Lernen aus neurobiologischer Perspektive

Zwei Faktoren spielen für das Lernen eine bedeutsame Rolle: einmal das Gehirn bzw. genauer der

Cortex (auch Kortex, Großhirnrinde, siehe Kapitel 1.1) und zum anderen die Neuronen (Kapitel 1.3).

Aus neurobiologischer Sicht bedeutet Lernen den Aufbau von Neuronenpopulationen im Cortex.

Jedes Neugeborene kommt mit ca. 100 Milliarden Neuronen auf die Welt, die jedoch nur minimalst

miteinander verknüpft sind. Im ersten Lebensjahr vergrößert das Baby seine Gehirnmasse von ca. 250

auf 750 Gramm, und das nur dadurch, dass das Baby „lernt“, d.h., dass feste Verbindungen zwischen

den Neuronen entstehen, es also zu Neuronenpopulationen kommt. Mit der Pubertät hat das Gehirn

sein durchschnittliches Endgewicht zwischen 1,3 und 1,4 kg erreicht. Bei Männern befinden sich ca. 23

Milliarden, bei Frauen ca. 19 Milliarden der insgesamt 100 Milliarden Neuronen im Cortex. Während

1 Teile sind Grein, Marion (i.V.) Neurodidaktik für Sprachkursleitende entnommen.

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es beim Kleinkind viele, aber schwache neuronale Verknüpfungen gibt, sind es beim Erwachsenen

weniger, aber sehr feste Verbindungen.2

Abb. 1 Neuronen im Cortex: Baby vs. Erwachsener

1.1 Der Cortex

Der Cortex ist in zwei Hemisphären unterteilt, die mehr oder weniger symmetrisch aufgebaut sind.

Die beiden Hemisphären sind durch Stränge von Nervenfaserbündeln (mehr als 300 Millionen Ner-

venfasern) verbunden. Die beiden Hälften kommunizieren über das Corpus callosum, den Balken,

miteinander. Insgesamt werden im Cortex vier unterschiedlich große Lappen unterschieden: der Fron-

tal- oder Stirnlappen, der Parietal- oder Scheitellappen, der Okzipital- oder Hinterhauptslappen und

der Temporal- oder Schläfenlappen.

2 Die Daten zu Gehirn und Neuronen entstammen vorwiegend Trepel (2008), Korte (2012) und Squire

& Kandel (2009), Bonhoeffer & Gruss (2011). Die Angaben finden sich wiederholt in allen neurobiolo-

gischen Quellen.

Abb. 2: Der Cortex (lateral)

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Abb. 3: Der Cortex (medial) mit Limbischem System

Für Sprache und so auch für das Sprachenlernen sind alle Bereiche des Cortex im Einsatz, der motori-

sche Cortex regelt neben dem Broca-Areal die Muskeln beim Sprechen. Das Broca-Areal (Sprechen)

selbst findet sich im Frontallappen. Es ist zuständig für die syntaktische Verarbeitung und die motori-

sche Koordination des Sprechens. Im Deutschen sind beim Sprechen über 100 Muskeln im Einsatz. Im

Stirnlappen beispielsweise findet die sprachpragmatische Verarbeitung statt, so z.B. bei Anspielungen

oder Metaphern. Der Parietallappen verarbeitet haptische Reize und enthält das Lesezentrum. Im

Temporallappen wird der emotionale Gehalt des Gesichtsausdrucks unseres Gegenübers bewertet

(siehe unten). Hier befindet sich auch das Sprachverarbeitungszentrum, das sog. Wernicke Areal

(Sprachverständnis). Der Okzipitallappen schließlich dient der visuellen Reizaufnahme. Im Alter

nimmt das Volumen einiger dieser Areale ab (siehe Kapitel 3). Eine zentrale Funktion, noch vor der

eigentlichen Sprachverarbeitung, hat das sog. Limbische System inne.

1.2 Das Limbische System

Das Limbische System (Limbus) befindet sich im Zentrum des Gehirns. Jedes neuronale Signal, also

jeder Reiz, passiert als erstes den Limbus. Das Limbische System bewertet die ankommenden Reize

nach den Kriterien bekannt vs. unbekannt, wichtig vs. unwichtig und angenehm vs. unangenehm. Der

Informationsinhalt wird also einerseits mit bereits vorhandenen Wissensbeständen verglichen, ande-

rerseits wird der Reiz emotional bewertet (im Hippocampus).

Sobald der Reiz als unwichtig empfunden wird, wird er gar nicht erst weiter geleitet. Nehmen wir als

Beispiel die Vokabel kutsu (japanisch Schuh): Wenn der Reiz kutsu auf Ihr Ohr trifft, ist davon

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auszugehen, dass der Reiz, da wenig relevant, nicht an den subkortikalen Bereich (der Bereich unter-

halb des Cortexes, das Arbeitsgedächtnis) weitergeleitet wird und so nicht die Chance hat, jemals als

fester Wissensbestand (Neuronenpopulation) im Cortex zu landen. Wörter oder Inhalte, die den

Lernenden jedoch emotional ansprechen oder aber Wissensbestände, die den Lernenden sinnvoll er-

scheinen, werden weitergeleitet. Was für den einen Lernenden jedoch mit Sinnhaftigkeit verknüpft ist,

kann für einen anderen sinnfrei sein. Siebert (2006: 86) spricht – in Anlehnung an Spitzer – von einem

Relevanz- und einen Neuigkeitsdetektor. Hat ein Reiz (in Form des Lernstoffs) keine offensichtliche

Relevanz, so erreicht er den Arbeitsspeicher (subkortikalen Bereich) erst gar nicht. Die Situation ist

den meisten Lehrenden aus dem Unterricht bekannt: Die Lehrkraft erläutert ein sprachliches Phäno-

men und eine/r der Teilnehmenden fragt kurz danach, ob irgendwann genau dieses Phänomen ver-

mittelt wird.

Wie kann man das Limbische System aktivieren?

Da neue Informationen zunächst mit vorhandenen Wissensbeständen verglichen werden, ist es

sinnvoll den Unterrichtseinstieg bzw. den Einstieg in ein neues Thema derart zu gestalten, dass

vorhandene Wissensbestände wieder aktiviert werden, also z.B. über mindmaps, die zunächst in

Einzelarbeit erarbeitet und dann vielleicht in kleinen Gruppen diskutiert werden.

Hilfreich ist ferner, wenn man den Nutzen der Wissensbestände konkret thematisiert; man also

aufzeigt, welche wissenschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche, persönliche Relevanz das Thema hat.

Wie spreche ich die emotionale Seite an?

Das Limbische System möchte neugierig gemacht werden (vgl. Hermann 2009). Es schätzt eine

entspannte Atmosphäre. Roth (2009: 60)3 schreibt:

Dieses System entscheidet insofern grundlegend über den Lernerfolg, als es bei jeder

Lernsituation fragt: Was spricht dafür, dass Hinhören, Lernen, Üben usw. sich tatsächlich lohnen?

Dies geschieht überwiegend aufgrund der vergangenen, meist unbewusst wirkenden Erfahrung.

Kommt das System zu einem positiven Ergebnis, so werden über die genannten

neuromodulatorischen Systeme in der Großhirnrinde vorhandene Wissens-Netzwerke so

umgestaltet, dass neues Wissen entsteht.

Darüber hinaus schätzt das Limbische System motivierte und glaubhafte Lehrende. Je des-

interessierter der Lehrende erscheint, desto eher schließt das Limbische System, dass der

Wissensbestand ohne wirkliche Relevanz ist. Zu Beginn eines jeden Erstkontakts und auch bei jedem

weiteren Gesprächskontakt wird die Glaubwürdigkeit des Gegenübers unbewusst evaluiert. Dies

geschieht durch Analyse des Gesichtsausdrucks, prosodischer Merkmale (also der Stimme) und der

Körperhaltung. Beteiligt sind Amygdala, insulärer Cortex (sog. Insel, überdeckt von den Lappen)

sowie der rechte Temporal- und Partietallappen.

Erscheint der Lehrende motiviert, geht der Lernende unbewusst davon aus, dass das Wissen sinnvoll

oder auch emotional gewinnbringend ist. Wenn das Limbische System davon ausgeht, dass das

3 Der Artikel von Roth ist mehrfach in Publikationen zu finden.

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Zuhören und aktive Mitarbeiten in der Folge zu einem Dopamin-Ausstoß (Neurotransmitter, der Vor-

freude und Glücksgefühle auslöst) führt, ist die Feuerung dementsprechend stärker.

Ferner ist eine positive Anstrengung, die die Neurotransmitter Noradrenalin (anregend in geringen

Dosen) und Acetylcholin (unterstützt die Speicherung4) ausschüttet, lernförderlich. Ohne jegliche

Anstrengung und „positiven Stress“ schaltet das Gehirn ebenfalls ab. Die Lernenden müssen also

gefordert werden. Das vom Limbischen System Gespeicherte wird allmählich an den Cortex

übertragen, und dies in der Regel während des Schlafens (vgl. Spitzer 2009: 123ff.).

Beim Lernen ändern sich vor allem die Verbindungen zwischen den Neuronen. Die Weitergabe von

Reizen erfolgt über die sog. Synapsen (vgl. Kapitel 1.3), sodass Lernen auch als Veränderung der

Synapsenstärke definiert werden kann (vgl. Giesinger 2009: 527). Die Synapsen wiederum übertragen

die bereits angesprochenen Neurotransmitter, von denen zurzeit (2012) über 100 verschiedene be-

kannt sind. Fürs Lernen von besonderer Bedeutung sind:

Acetylcholin: zentral für die Aufmerksamkeitssteuerung

Noradrenalin: Informationsverarbeitung, Angst und Emotionen (entsteht aus Dopamin)

Dopamin: Belohnungssystem5

GABA (Gamma-Amino-Buttersäure): dämpft Erregung und beruhigt

Serotonin: Wohlbefinden und

Glutamat: Sinneswahrnehmungen.

1.3 Neuronen und Synapsen

Bei jedem Input (bewusstem oder oft unbewusstem) entstehen sog. Ladungsprozesse zwischen den

beteiligten Neuronen. Gleicher Input (also z.B. Wiederholungen) spricht die gleiche

Neuronengruppen an. Die einzelnen beteiligten Neuronen gehen eine stabilere Verbindung ein.

4 Ein Mangel an Acetylcholin ist der Auslöser für die Alzheimer-Krankheit. 5 Ein zu wenig an Dopamin begünstigt Parkinson, ein Übermaß begünstigt Schizophrenie.

Das Neuron besteht aus dem Zellkörper, der

den Zellkern enthält, Dendriten und Axonen.

Der Reiz wird von den Dendriten aufge-

nommen und über das Axon an das nächste

Neuron weitergeleitet. Am Ende des Axons be-

finden sich und entstehen die Synapsen (vgl.

Trepel 2008: 3ff.)

Abb. 4: Neuron/Nervenzelle (Original)

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Abb. 5 Neuron schematisch

Jedes Neuron wird durch seine Membran umschlossen. Der bereits angesprochene Ladungsprozess

entsteht durch die Aufnahme von Kalium in die Zelle und Abgabe von Natrium aus der Zelle. Derart

entsteht ein elektrischer Ladungsunterschied. Wird ein Neuron durch einen Reiz aktiviert, gibt es

seinen Ladungsunterschied in Form eines elektrischen Impulses ab. Die Übertragung von einem

Neuron zu einem nächsten Neuron erfolgt nun durch die Weitergabe der bereits angesprochenen

Neurotransmitter, also chemischer Stoffe, die von einer Synapse an die nächste Synapse

weitergegeben werden. Je stärker der Reiz (Signalstärke), desto mehr Neurotransmitter werden

freigesetzt bzw. weitergeleitet.

Abb. 6 Weitergabe von einem Neuron an das nächste Neuron

Dendrit

Zellkörper

Zellkern

Myelinscheide

-> Myelinhülle

Schwann-Zelle

Axon

Synapse

Zellkern

Zellkern

Zellkörper

Axon

Synapse

Vesikel synaptischer Spalt

Neurotransmitter

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Ein Neuron kann bis zu 10.000 (je nach Quelle auch bis zu 15.000) synaptische Verbindungen aufbauen,

bei 100 Milliarden Neuronen können das 1016 Synapsen sein. Lernen heißt also, um es noch einmal zu

wiederholen, dass zwischen bestimmten Neuronen – aufgrund von wiederholten Reizen – eine feste

Verbindung mithilfe der Synapsen aufgebaut wird (vgl. Trepel 2008: Kapitel 1). Von der Geburt bis zum

2. Lebensjahr entwickeln sich 1,8 Millionen Synapsen pro Sekunde (vgl. Korte 2012: 40).

Bei jedem Lernprozess kommt es zu einer Veränderung der betroffenen Neuronenpopulationen,

indem das neue Wissen an bereits vorhandenes andockt. Man spricht hier von synaptischer Plastizität

oder Synapsenplastizität. Lernen ist folglich ein Umstrukturierungsprozess vorheriger Wissens-

bestände im Cortex (vgl. Spitzer 2000: 11, 30). Man spricht auch von neuronaler Reorganisation.

Nehmen wir zur Verdeutlichung noch einmal kutsu (Schuh): Wenn Sie die neue Vokabel kutsu

speichern, so dockt das Wort entweder an ihr muttersprachliches oder eines Ihrer fremdsprachlichen

mentalen Lexika an (vgl. zu mentalen Lexika: Sunderman & Kroll 2006, Dijkstra & Van Heuven 2002,

Jared & Kroll 2001. Marian & Spivey, 2003). Damit hat sich die vorherige Neuronenpopulation

verändert. Bei festen Wissensbeständen bestehen tausende synaptischer Verbindungen zwischen den

beteiligten Neuronen. Vorausgesetzt, das Limbische System gewährt dem Reiz kutsu Zugang zum

subkortikalen Bereich (dem Bereich, in dem es zunächst kurz gespeichert wird, Arbeitsgedächtnis), so

vergleicht das Gehirn, wie bereits dargestellt, den neuen Reiz, also den neuen Input, mit bereits

vorhandenen Wissensstrukturen (oder Erfahrungen) im Cortex.

Der Reiz wird besser verarbeitet, wenn er auf bereits ähnliche Strukturen trifft (Mustererkennung).

Häufige Inputs (in Form von Wissensbeständen) werden dann auf einer insgesamt größeren Fläche

repräsentiert als seltene Inputs und solche, die nirgendwo andocken können (vgl. Spitzer 2000: 95ff).

kutsu dockt dabei also zunächst an der Erstsprache (oder einer anderen fest verankerten Sprache) an.

Je öfter es wiederholt wird, desto „selbstständiger“ wird der Wissensbestand; je positiver die Konno-

tationen, desto besser wiederum die Speicherung. Würde ich z.B. bei der Vermittlung der Vokabel

kutsu solchen Frauen, die einen Faible für Schuhe haben, ein paar Schuhe schenken, würde ich den

Speicherungsprozess unterstützen.

Die Axone (Nervenfortsätze, die den Reiz weiterleiten) werden von einer Myelinhülle (auch

Myelinschicht, Myelinscheide, Isolierhülle) umwickelt. Verantwortlich für die Produktion des Myelin

sind sog. Gliazellen (bezeichnet auch als Schwann-Zellen). Da viele Neuronen über mehr

Nervenfortsätze verfügen, wird die Anzahl von Gliazellen mit 100.000 Milliarden angegeben. Diese

Myelinhülle schützt dabei nicht nur die Nervenfortsätze (Axone), sondern sorgt auch dafür, dass die

elektrischen Impulse möglichst schnell weiter geleitet werden. Ein Neuron ohne Myelinhülle leitet

einen Impuls 10 Meter pro Sekunde, mit Myelinhülle 100 Meter pro Sekunde. Myelin ist eine fettige,

elektrisch gut isolierte Schicht, die zu 80% aus Fetten und zu 20% aus Proteinen besteht. Die Myelini-

sierung beginnt im 9. Monat noch im Mutterleib, steigt bis zum 20. Lebensjahr stetig an und entwi-

ckelt sich bis zum ca. 50. Lebensjahr weiter. Zwischen dem 12. und 20. Lebensjahr verdoppelt sich die

Myelinmenge im Gehirn. Myelin ist ein Schlüsselfaktor des Lernens im Alter, da die Myelinhülle

dünner wird. Sie wird in Kapitel 3 wieder aufgegriffen.

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Wie erreicht der Reiz nun den Cortex?

Im Allgemeinen werden unterschiedliche Sinne und damit Reize differenziert: der Sehsinn (optisch),

der Geruchssinn (olfaktorisch) und der akustische Sinn. Die analogen Signale (optisch, akustisch,

olfaktorisch) treffen auf einen adäquaten Rezeptor, es entsteht ein Rezeptorpotential, welches in den

nachgeschalteten Neuronen in für das Gehirn lesbare digitale Signale umgewandelt werden; es wird

ein Aktionspotential ausgelöst (vgl. Kandel et al. 2012).

Der Reiz kutsu trifft als akustischer Reiz auf Ihr Ohr, wird digital umgewandelt und trifft auf ein erstes

Neuron. Der Reiz wird in der Folge, wie dargestellt, von einem Neuron zum nächsten Neuron

weitergeleitet. Schreibe ich den Begriff kutsu an die Tafel, wird der analoge optische Reiz von den

Photorezeptoren in digitale Signale transformiert. Einen stärkeren Reiz kann ich vielleicht auslösen,

wenn kutsu mit einem Bild über den Beamer an die Wand projiziert wird. Die optischen Medien

unterscheiden sich folglich bezüglich ihrer Reizintensität. Die Reizübertragung von einem Neuron

zum nächsten erfolgt, wie bereits dargestellt, über die Synapse(n), die die chemischen Botenstoffe

weitergibt/geben. Und – wie ebenfalls bereits angesprochen – kann die Speicherung durch eine

positive Emotion gefestigt werden.

Abb. 7 Synapse schematisch

Die Synapse leitet (über die Axone) das ankommende Aktionspotential (das Wort kutsu) an das

nächste, also das postsynaptische, Neuron weiter. Die Neurotransmitter befinden sich zunächst in den

sog. Vesikeln (Bläschen) des präsynaptischen Neurons. Durch das ankommende Aktionspotential

werden sie freigesetzt. Die Neurotransmitter gelangen in den synaptischen Spalt und werden vom

postsynaptischen Neuron aufgenommen. Im präsynaptischen Neuron werden die Neurotransmitter

sofort wieder aufgebaut. Bei übermäßigem Stress kann dies verzögert werden, so dass die weitere

Reizweiterleitung blockiert ist (sog. „blackout“).

A präsynaptisches Neuron

B postsynaptisches Neuron

1. Mitochondrium (Energiebereitsteller)

2. Vesikel mit den Neurotransmittern

3. Autorezeptor

4. Synaptischer Spalt

5. Neurotransmitter Rezeptor

6. Kalziumkanal

7. verschmolzenes Vesikel gibt Neurotransmitter

frei

8. Neurotransmitter Pumpe (Rückführung der

nicht aufgenommenen Neurotransmitter)

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Erfolgt der gleiche Reiz häufiger, werden die gleichen Neuronen wieder aktiv. Es bilden sich weitere

Synapsen aus. Durch häufige Wiederholung werden die Wissensbestände im Cortex (Langzeitge-

dächtnis) gespeichert.

Gehirnscans zeigen, dass nach nur 20 Minuten Klavierspielen beispielsweise neue Neuronen-

populationen nachweisbar sind (vgl. auch Spitzer 2000: 86). Wird danach nicht weiter geübt, geht die

Neuronenpopulation verloren. Ähnliches passiert bei allen Lerngegenständen: Sowohl die

Konnektivität der Synapsen als auch die Population an sich bedürfen der Wiederholung gleicher oder

ähnlicher Signale.

Der Ablauf lässt sich schematisch wie folgt zusammenfassen:

Abb. 8: Lernvorgang

Deutlich wird, dass einerseits das Limbische System emotional angesprochen werden muss, damit der

Reiz überhaupt weitergeleitet wird und andererseits Wiederholungen notwendig sind, damit das

Wissen in den Cortex gelangt. Eine Vokabel muss beispielsweise auch bei lerngewohnten Lernenden

ungefähr 80mal wiederholt werden, ehe sie fest im Cortex verankert ist (vgl. Apeltauer 2010: 15).

Nach einem kurzen Exkurs zu den demographischen Entwicklungen (Kapitel 2) wird im 3. Kapitel auf

die durch neurobiologische Veränderungen hervorgerufenen Faktoren des Lernens im Alter einge-

gangen.

2. Die demographische Entwicklung und VHS-Kursteilnehmende

Die Darstellung der demographischen Entwicklung in Österreich zeigt anhand der Trendlinie deut-

lich, dass die Anzahl älterer Menschen (65+) in Österreich zunimmt (vgl. www.statistik.at).

Reiz subkortikaler

Bereich Limbisches System Wiederholungen Cortex

Relevanzprüfung

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Abb. 9 Demographische Entwicklung in Österreich (Angabe in Millionen)

Von 1990 bis 2011 sieht man eine deutliche Zunahme älterer Kursteilnehmender an Volkshochschulen

(VHS): Waren es 1990/91 noch 25% der 20- bis 29-Jährigen, die die VHS besuchten, machte diese Ziel-

gruppe 2010/11 lediglich noch 13,5% aus. 1990/91 waren nur 7,2% der Teilnehmenden älter als 60 Jah-

re, 2010/2011 waren es bereits 17,1% der Teilnehmenden. Abb. 11 zeigt darüber hinaus die Staffelung

im höheren Alter und zeigt, dass als neue Zielgruppe die Lernenden 70plus dazugekommen sind.

Abb. 10 Teilnehmende an VHS-Kursen 1990/91 vs. 2010/11

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Abb. 11: Ältere Teilnehmende an VHS-Kursen 1990/91 vs. 2010/11 (vgl. Statistik Österreich)

Die Entwicklungen lassen vermuten, dass ältere Menschen zunehmend an VHS-Kursen (und anderen

Weiterbildungen) teilnehmen werden. Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es sinnvoll ist, für

diese Zielgruppe eigene Kurse zu konzipieren. Je nach Lern- und Menschentyp werden sicherlich

einige Teilnehmende weiterhin intergenerationelle Kurse bevorzugen, andere jedoch fühlen sich in

altershomogeneren Gruppen sehr viel wohler, und diese positiven Emotionen unterstützen den

Lernprozess. Im folgenden Kapitel werden die neurobiologischen Veränderungen im Alter darge-

stellt.

3. Lernen im Alter

Zunächst stellt sich die Frage, was überhaupt unter Alter zu verstehen ist. Was sind ältere

Erwachsene? Im Bildungszusammenhang werden damit Lernende bezeichnet, die das 50. Lebensjahr

überschritten haben. Diese Festlegung ist jedoch insgesamt kritisch zu betrachten, wie bereits das

einleitende Zitat von Henry Ford deutlich machte. In Anlehnung an die Weltgesundheitsorganisation

(WHO) ist man alt, wenn man das 65. Lebensjahr vollendet hat.

Betrachten wir zunächst die in der Literatur oder in Ankündigungen von Weiterbildungen

verwendeten Begrifflichkeiten für ältere Lernende:

• Senioren

• Best Agers

• 50+ (vgl. Uni Mainz: Studium 50+)

• Woopies (well-off older people)

• Generation Gold, Goldies

• Selpies (second-life-people)

• Grampies (Growing Retired Active Moneyed People)

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• Knowies

• Classicals

• Silber Generation

Bis heute hat man keinen Begriff gefunden, der allgemein von allen akzeptiert wird (vgl. Studie des

Instituts für Seniorenforschung, Frankfurt, http://www.seniorresearch.de).

Während noch vor ca. 50 Jahren das Alter als feste Variable zur Bestimmung des potentiellen

Lernerfolgs herangezogen werden konnte, da die Generation der damals „Älteren“ noch recht

homogen war, sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen auch eines biologischen

Alters so groß, dass man sie kaum mehr bündeln kann. Heute haben die Menschen sehr viel divergen-

tere Biographien als früher; die Möglichkeiten und das Interesse an Weiterbildung haben

zugenommen und werden vielerorts als selbstverständlich angesehen. Die Gruppe der 60 oder 70-

jährigen ist mittlerweile so heterogen, dass man sie nicht als feste Kohorte betrachten kann (vgl. auch

Lindenberger 2008).

Auf die Frage: „Gibt es denn nun den Altersfaktor?“, antworte ich in meinen Seminaren meist mit der

Antwort „Jein“ und veranschauliche dies anhand der folgenden Abbildung, auf der alle vier Männer

gleichermaßen 60 Jahre alt sind:

Abb. 12: Alter und Lernbiographie

Der Alterungsprozess wirkt sich zwar auf Gehirn, Psyche und Körper aus, jedoch sind beim

Fremdsprachenlernen Faktoren wie Motivation, Form des Inputs, Bildungsstand und die Anzahl

bereits erworbener Fremdsprachen wichtiger als das Alter (vgl. Raz 2009: 411; Obler et al. 2010: 114).

Ein 80-Jähriger, der immer gelernt hat, kann besser Lernen als ein unmotivierter 30-Jähriger, der seit

dem 18. Lebensjahr nichts mehr getan hat!

Lerngewohnt, Bil-

dungsnah

Fremdsprachen

Lerngewohnt

Bildungsnah

keine Fremdsprache

Lernungewohnt

Bildungsfern

Fremdsprachen

Lernungewohnt

Bildungsfern

keine Fremdsprache

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Wie kann man dann aber die Variable Alter weiter thematisieren?6

Ausgangspunkte der neurobiologischen Darstellung der Alterungsprozesse ist einerseits das sog.

Zwei-Komponenten-Modell für kognitive Fähigkeiten bzw. Intelligenz (nach Baltes 1990, Baltes et al.

1994, vgl. auch Raz 2009, Korte 2012: 23ff.) und zum anderen eine Einteilung des Gehirns in vier

„Lebensalter“.

Betrachten wir zunächst das zwei Komponenten-Modell: Hier unterscheidet man zwei Arten von

Intelligenz, die bis zum 25. Lebensjahr ca. parallel verlaufen:

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

0

Jahre

10

Jahre

20

Jahre

25

Jahre

30

Jahre

40

Jahre

50

Jahre

60

Jahre

70

Jahre

80

Jahre

fluide I.

kristalline

Poly. (fluide I.)

Log. (kristalline)

Abb. 13 Fluide und kristalline Intelligenz

Mit fortschreitendem Alter geht die fluide Intelligenz zurück, das heißt, dass die

Informationsaufnahme und -verarbeitung mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die kristalline Intelligenz

(so man das Gehirn fit hält) steigt jedoch stetig an und Vieles wird derart ausgeglichen bzw. birgt

sogar große Vorteile (vgl. auch Korte 2012: 25ff., Persson et al. 2004). Die folgende Tabelle fasst die

zentralen Erkenntnisse zusammen:

6 Im englischen Sprachraum sind in den letzten fünf Jahren große Mengen an Forschungsergebnissen

zu Alter und Gehirn publiziert worden. Eine Suche bei google scholar nach wissenschaftlichen Publi-

kationen führt den interessierten Lesenden zu einer Fülle an zusätzlichen Studien.

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Fluide Intelligenz

(nimmt ab)

Kristalline Intelligenz

(nimmt zu)

geistige Beweglichkeit individuelles Wissen & Verbindungen zu

vorhandenen Wissensbeständen

Fähigkeit, sich an neue Erfahrungen und

Lebensumstände kreativ anzupassen

Lösungsansätze für bekannte Aufgaben

(Mustererkennung besser ausgebaut)

rasche Auffassungsgabe Problemlösungstechniken und -strategien

Schnelligkeit des Kombinierens Zusammenhänge erkennen

Verbindung von Gelerntem mit Neuem Weitblick

Verarbeitung von Tönen und Bildern Logisches Denken

Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (sub-

kortikaler Bereich)

Urteilsvermögen

Speicherleistung (z.B. von Vokabeln) sprachliche Fähigkeiten

Multitasking emotionale Kontrolle & emotionale In-

telligenz

ExpertInnenwissen

Was heißt aber fortschreitendes Alter? In Anlehnung an Korte (2012: 78) kann man das Gehirn in vier

Lebensalter unterscheiden: Kindheit, Erwachsenenalter (bis 50 Jahre), mittleres Alter (50 bis 85 Jahre)

und hohes Alter (über 85 Jahre). Die einzelnen Übergänge sind fließend – und wie bereits mehrfach

dargelegt – individuell sehr unterschiedlich.

Erste Veränderungen sind im sog. mittleren Alter, mit einer zugegebenermaßen sehr langen Spanne,

zu verzeichnen. Ab ca. dem 55. Lebensjahr sterben Neuronen in allen Teilen des Gehirns ab, so im

Kleinhirn, in der Großhirnrinde und im Thalamus (vgl. Ross et al. 2005, Stemmer 2010, Grady 2006).

Bei Nicht-Aktiven sterben ferner Neuronen im Hippocampus und Mandelkern ab, was zu großen

Gedächtnisproblemen führen kann (vgl. auch Raz 2009: 413). Grund ist die schlechtere Durchblutung,

die zu einer verminderten Sauerstoffzufuhr führt.

Diesen Prozess kann man teilweise dadurch aufhalten, dass man das Gehirn aktiv hält oder wieder

aktiviert. Heute weiß man, dass neue Neuronen auch in hohem Alter neu entstehen können; man

spricht von der sogenannten adulten Neurogenese (vgl. Bischofberger & Schmidt-Hieber 2006).

Bewegung führt darüber hinaus zu einer verstärkten Sauerstoffzufuhr.

Wie bereits angedeutet, gibt es jedoch auch altersbedingte Veränderungen bei „aktiven Älteren“.

Aufgrund der abnehmenden Myelinhülle und der Abnahme der Gliazellen verlangsamen sich ca. ab

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dem 60. Lebensjahr die Reaktionen und auch die kognitive Verarbeitung wird verzögert (vgl. Ross et

al. 2005: 9, 13f., Raz 2009: 411, Korte 2012: 42, Nicholas et al. 1998: 423). Dadurch wird das

Arbeitsgedächtnis zunehmend langsamer (vgl. Kemper & Anagnopoulus 1989: 38, Nicholas et al.

1998: 419, Lindenberger 2008: 77). Der Cortex wird insgesamt etwas kleiner (vgl. Hogstrom 2012).

Bereits ab dem 25. Lebensjahr nehmen die synaptischen Verbindungen ab und damit auch die

wichtigen Neurotransmitter wie Acetylcholin (unterstützt das Gedächtnis), Serotonin, Dopamin und

Noradrenalin. Das Stresshormon Cortisol hingegen wird verstärkt produziert.

Das Absterben von Neuronen beginnt im präfrontalen Cortex (siehe Abb. 14) und dem einge-

zeichneten Bereich. Der präfrontale Cortex des Frontallappens ist u.a. für die Verarbeitungs-

geschwindigkeit (vor allem beim Rechnen) zuständig. Ferner wird dort Dopamin produziert; das Ab-

sterben der Neuronen führt folglich zu einer verminderten Dopamin-Ausschüttung. Der Mangel an

Dopamin wiederum verringert die selektive Aufmerksamkeit: Man lässt sich leichter ablenken und

kann weniger Aktivitäten zeitgleich durchführen. Ferner ist Dopamin zentral für die Speicherung im

Cortex (also im Langzeitgedächtnis), sodass der Speicherprozess mehr Zeit in Anspruch nimmt (vgl.

Korte 2012: 91)

Abb. 14 Bereiche im Cortex, die schneller „altern“

Frontallappen

präfrontaler

Cortex

Teile des limbischen

Systems

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Abb. 15 Kognitive Leistung und Dopamin

Mit der geringeren Menge an Dopamin nimmt auch die Risikobereitschaft ab, d.h. gerade beim

Sprachenlernen, dass man sich zunehmend Sicherheit und keine „Experimente“ wünscht. Verliert

man diese Sicherheit, wird in verstärktem Maße das Stresshormon Cortisol produziert. Eine

Aufforderung im Sprachkurs „Nun erzählen Sie doch einfach mal, was Sie im Urlaub gemacht haben!

Fehler sind nicht wichtig, es geht nur ums Kommunizieren!“ fallen, natürlich abhängig auch vom

Lerntyp, zunehmend schwerer, da die Risikobereitschaft und damit auch die Ambiguitätstoleranz

(Akzeptieren, dass man Fehler macht) geringer ist. Der Lernende gerät in eine Stresssituation, die das

weitere Abrufen von Informationen aus dem Cortex verhindern, der Hippocampus stellt die Arbeit

ein. Ferner verhindert Stress die bereits angesprochene adulte Neurogenese, also das Entstehen neuer

Neuronen, die wiederum das Speichern im Cortex erleichtern.

Zentral für die Verhinderung des Lernprozesses im Alter ist also übermäßiger Stress (Positiver Stress

= Eustress ist jedoch notwendig). Größter Stressauslöser ist der Zeitfaktor. Da das ältere Gehirn länger

braucht, um etwas abzuspeichern, muss man grundsätzlich mehr Zeit einplanen. Ein schönes Beispiel

findet sich bei Korte (2012: 125f.): Mit 15 Jahren können manche Lernende - wenn Interesse und

Motivation vorhanden - ein kurzes Gedicht nach dreimaligem Lesen auswendig aufsagen (auch wenn

es dann sehr schnell wieder vergessen wird). Jenseits der 65. Jahre muss man es dreimal lesen, dreimal

aufschreiben und ca. zehnmal wiederholen.

Wie oben bereits geschrieben, lässt die selektive Aufmerksamkeit nach, d.h. es fällt mit zunehmendem

Alter schwerer, sich auf eine Sache zu konzentrieren; man wird leichter durch andere Reize abgelenkt.

Wenn das Arbeitsgedächtnis überlastet ist, wird zu viel Adrenalin und Cortisol freigesetzt. Dadurch

wird nicht nur die Speicherung von Wissen unterdrückt, und es kommt zu dem bekannten

„blackout“, sondern Cortisol erhöht auch die Anfälligkeit für Diabetes und schädigt dauerhaft die

Neuronen vor allem im Hippocampus.

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Was passiert im älteren Gehirn bei Sprachaufgaben?

Das ältere Gehirn zeigt bei Gehirnscans mehr Aktivität, d.h. es bezieht mehr Gehirnareale beim Lösen

einer Aufgabe mit ein als das junge Gehirn (vgl. Obler et al. 2010: 113, 120). Grundsätzlich ist jedoch

strittig, ob dies ein Zeichen von Schwäche oder von Stärke ist.

Die einen argumentieren, dass Ältere mit den für diese Aufgabe üblichen neuronalen Netzwerken

aufgrund des altersbedingten Abbaus im Gehirn (präfrontaler Cortex) nicht mehr auskommen und

daher auf weitere Areale zugreifen müssen (Wartenburger et al. 2003, 2010, Wartenburger 2006).

Andere sind der Auffassung, dass die vermehrte Hirnaktivität darauf zurückzuführen ist, dass Ältere

im Laufe ihres Lebens andere Strategien für das Lösen sprachlicher Aufgaben entwickelt haben (vgl.

Obler et al 2010: 113).

Möglich ist ferner, dass ältere Menschen mehr Gehirnaktivität bei der Sprachverarbeitung zeigen, weil

sie auf einen sehr viel größeren Fundus an eigenen Erfahrungen zurückgreifen (kristalline Intelligenz):

Die zusätzliche Gehirnaktivität wird dadurch hervorgerufen, dass Erinnerungen und Erfahrungen

aktiviert werden (vgl. Lyons et al. 2010).

Fassen wir die zentralen Faktoren zusammen (vgl. Berndt 2003):

(a) Informationsverarbeitung wird langsamer

Ab ca. dem 25. Lebensjahr nimmt die Leistungsfähigkeit der fluiden Intelligenz kontinuierlich ab

(besonders, wenn das Gehirn nicht aktiv neues Wissen speichert); hierzu gehören alle Operationen,

die große Ansprüche an Gedächtnis und kognitive Verarbeitung stellen. Die kristalline Intelligenz, zu

der Sprache, Welt- und Erfahrungswissen gehören, kann bis ins hohe Alter anwachsen (vgl. auch

Baltes 1995, Wartenburger et al. 2010). Dabei gilt es festzuhalten, dass ältere Menschen besonders

dann schlechter ‚abschneiden‘, wenn komplexere Aufgaben unter Zeitdruck gelöst werden müssen

(siehe vorne; vgl. auch Lehr 1991: 113ff.).

(b) Speicherungsprozess dauert länger

Mit der Informationsverarbeitung eng zusammen hängt das Gedächtnis (vgl. Fleischmann 1989,

Lindenberger 2008: 77). Das Arbeitsgedächtnis kann ab ca. 60 Jahren weniger Informationen

gleichzeitig verarbeiten (Gründe: Abnahme der Myerlinhülle und der Neurotransmitter).

(c) Hören lässt nach

Das Hörvermögen verändert sich im Laufe des Lebens. Audiometrische Tests zeigen, dass ein Mensch

im Alter von 60 Jahren noch ungefähr 80%, ein Mensch im Alter von 70 Jahren ungefähr noch 70% der

Hörfähigkeit hat, die er mit 20 Jahren besaß (vgl. auch Lotfi et al. 2009, Lindenberger 2008: 78).

Akustische Informationen, die zu leise sind, können nicht wahrgenommen werden. Hören korreliert

ferner mit der Aussprache. Alle Phoneme hören kann man nur bis zum Alter von ca. einem Jahr (vgl.

Rinker et al. 2010: 90).

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Mit zunehmendem Alter substituiert man „fremde“ Laute mit solchen aus der eigenen Erstsprache.

Längenunterschiede beispielsweise werden nicht mehr gehört (Hölle – Höhle, Pollen – Polen). Das,

was man nicht richtig hört, kann man durch reines Zuhören nicht adäquat artikulieren. Je älter der

Lernende ist, desto wahrscheinlicher erwirbt er keine zielsprachliche Aussprache mehr.

Das selektive Hören lässt nach: Älteren Menschen fällt es zunehmend schwer, bei Hinter-

grundgeräuschen akustischen Informationen zu folgen und relevante Geräusche von irrelevanten zu

unterscheiden.

(d) Sehfähigkeit wird schlechter

Die fast unvermeidbare Altersweitsichtigkeit mit dem Verlust des scharfen Sehens im Nahbereich

lässt sich in der Regel mit einer Brille ausgleichen. Allerdings lässt auch die Kontrastwahrnehmung

nach. Alte grüne Tafeln eignen sich hier weniger (vgl. Lindenberger 2008: 77). Die heute üblichen

Whiteboards sind hier schon ein großer Fortschritt. Zentral ist, dass sowohl im Unterricht als auch im

Lehrbuch Buchstaben so groß geschrieben werden, dass man sie problemlos lesen kann.

Eine Zusammenfassung der sich wandelnden Reizwahrnehmung (nach Saup 1993: 76) sieht wie folgt aus:

Lebensalter 20 30 40 50 60 70 80

Sehen

vermehrter Lichtbedarf 35

nachlassende Akkomodationsbreite 40

höhere Blendempfindlichkeit 40

schlechtere Anpassung an grelles Licht 40

verminderte Tiefenwahrnehmung 40

verminderte Sehschärfe 50

verzögerte Dunkelanpassung 55

Einengung des Gesichtsfelds 55

längere Dauer für scharfe Wahrnehmung eines Objekts 55

schlechtere Farbwahrnehmung 70

Hören

verminderte Hörfähigkeit bei Männern 32

verminderte Hörfähigkeit bei Frauen 37

Störanfälligkeit für Hintergrundgeräusche 45

Seitendifferenzierte auditive Verarbeitungs- und Wahr-

nehmungsstörungen

70

deutlicher Presbyakusis (Altersschwerhörigkeit) 70

gravierende Störung des Sprachverstehens 90

Tasten

Verminderung der Tastkörperchen 20

graduelle Abnahme der Hautsensibilität 30

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(e) Verzicht auf bekannte Lehrmethoden fällt zunehmend schwerer (Sprachlernbiographie)

Die im modernen Fremdsprachenunterricht häufig eingesetzten Prinzipien sind vielen älteren

Lernenden fremd. Dazu gehören:

Aufgeklärte Einsprachigkeit

Verzicht auf Übersetzungen

Grammatikvermittlung durch Selbsterarbeitung

Autonomes Lernen

Handlungs- und Produktionsorientierung

Besonders Übersetzungen und grammatische Erklärungen sind bei älteren Lernenden oft erwünscht.

Eine Weigerung Wörter, Konstruktionen oder Sätze zu übersetzen und die Grammatik ausführlich zu

erklären, können zu Stress und Abwehrhaltung (Limbisches System) führen.

4. Umsetzung im Sprachunterricht

Grundsätzlich ist die erfolgreichste Art des Gedächtnis- und Gehirntrainings das Fremd-

sprachenlernen, da hier alle Bereiche des Cortexes in Anspruch genommen werden. Lesen,

Kreuzworträtsel, anspruchsvolle Fernsehdokumentationen usw. aktivieren meist weniger

Gehirnregionen. Gehirnjogging ist so lange gut für das Gehirn, so lange es nicht Gewohnheit

geworden ist. Ellen Byalistok und KollegInnen (Baycrest Research Centre for Aging and the Brain,

Toronto) haben darüber hinaus in groß angelegten Studien gezeigt, dass Bilingualität und Mehrspra-

chigkeit das Gehirn länger jung halten und Alzheimer nachweislich um ca. fünf Jahre verzögern (vgl.

Byalistok et al. 2009 und 2010). Auch das Lernen einer Sprache in höherem Alter verzögert Demenzen

und fungiert als sog. „kognitive Reserve“ (vgl. Byalistok 2009).

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass (a) Sprachenlernen das beste „Gehirnjogging“

überhaupt darstellt und (b) dass man bis ins hohe Alter eine Fremdsprache lernen kann. Welche

Rückschlüsse kann man nun aus Kapitel 3 für den Unterricht ziehen? (vgl. Leitfaden für

Sprachkursleiterinnen und Sprachkursleiter für Sprachen lernen im Alter)7

Im Folgenden werde ich kurz auf das Lehrwerk, den Unterrichtsaufbau und zentrale Prinzipien ein-

gehen.

4.1 Lehrwerk

Motivierend ist ein ansprechendes Lehrwerk. Grundsätzlich bevorzugen die meisten Lernenden ein

Lehrwerk gegenüber einer Lose-Blatt-Sammlung. Sehr motivationsfördernd (Dopamin-Ausschüttung)

sind kurze überschaubare Lektionen mit einer gleichbleibenden Struktur und weiteren Hilfe-

stellungen oder Prinzipien (vgl. Kapitel 4.3).

7 Für eine allgemeine Darstellung vgl. Berndt 1997, 2001, 2003 sowie Grotjahn et al. 2010).

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4.2 Der Unterrichtsaufbau

Prinzipiell bevorzugen ältere Lernende einen gut strukturierten, oft auch ritualisierten Unter-

richtsaufbau (Sicherheit, Verhinderung von Cortisol-Ausschüttung). Dieser kommt auch der Auf-

merksamkeitsspanne entgegen. Auch bei jungen Lernenden macht das Gehirn nach ca. 20 Minuten

eine kurze Verschnaufpause und nimmt kurzfristig keine Informationen auf. Jüngere Lernende finden

den Anschluss meist schnell wieder. Ältere Lernende sorgen sich mehr, dass sie eventuell etwas sehr

Wichtiges verpasst haben. Dann beginnt der Kreislauf: Stress – keine weitere Informationsaufnahme –

noch mehr Stress – das Gehirn schaltet ab. Nach ca. 20 Minuten sollte man also – sofern es sich ermög-

lichen lässt – eine kurze abwechslungsreiche Wiederholung einplanen (vgl. Medina 2009: 75-103). Die

Schwierigkeit, Relevantes von weniger Relevantem zu unterscheiden, kann man ausgleichen, indem

man konkret thematisiert, welche Inhalte besonders zentral und wichtig sind.

Aufgrund der Freiwilligkeit des Besuchs von Sprachkursen sind die Lernenden meist hoch motiviert,

trotzdem muss das Limbische System auch hier angesprochen werden. Dafür eignen sich gut gewähl-

te Unterrichtseinstiege, die entweder die Neugierde oder ganz allgemein das Interesse der Teilneh-

menden anspricht.

4.3 Prinzipien des Unterrichts

Im Folgenden werden einige zentrale Prinzipien genannt, die sowohl das Lehrwerk als auch den Un-

terricht an sich betreffen.

Wichtig ist es, an das vorhandene Wissen anzudocken, d.h. man sollte gezielt das Vorwissen der

Lernenden erfragen und daran anschließen. Oft hilft es hier, mit Wörtern oder Strukturen aus

bekannten Sprachen, inklusive der Erstsprache, zu vergleichen, Strukturen bewusst zu machen. Auch

die eingangs erwähnten mindmaps helfen: Das Wissen wird im Cortex abgerufen, und neues Wissen

kann „andocken“. Man kann gezielt auf das Erfahrungswissen (kristalline Intelligenz) der Lernenden

zurückgreifen. Das bietet den Lernenden Sicherheit und fördert derart den Lernerfolg.

Jeglicher Zeitdruck führt, wie bereits mehrfach erwähnt, zu einer zusätzlichen Ausschüttung von

Adrenalin und Cortisol. Man sollte also versuchen, Zeitdruck und Stress zu vermeiden. Zu viele

unterschiedliche Themen oder grammatische Aufgaben innerhalb einer Unterrichtseinheit sollten

vermieden werden (Reizüberflutung, die den Hippocampus ausschaltet).

Cortisol begünstigt die Angst vor Fehlern. Die meisten älteren Lernenden wünschen zwar eine

explizite Fehlerkorrektur, diese muss jedoch empathisch durchgeführt werden, d.h. den einzelnen

Lernenden angepasst.

Viele Teilnehmende suchen in Sprachkursen auch soziale Kontakte; soziale Kontakte und gemeinsame

Aktivitäten führen zu einer verstärkten Dopaminausschüttung, d.h. dass man durchaus auch

vermehrt Zeit für den sozialen Austausch einplanen sollte.

Die Wiederholung, mehrfach angesprochen in diesem Artikel, spielt bei älteren Lernenden eine be-

sonders große Rolle. Man sollte nach festen Regeln immer wieder Wiederholungseinheiten einschie-

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ben, z.B. nach jeder dritten Lektion und auch nach größeren Abständen erneut. Diese ritualisierte

Wiederholung bietet Sicherheit, die wiederum die Speicherleistung verbessert. Konkret kann man hier

auch die unterschiedlichen Eingangskanäle kombinieren (Sehen in Schrift und Bild, Hören, Handeln).

Wenn der Wunsch nach Wort-für-Wort-Übersetzungen besteht, sollte man gerade zu Beginn eines

Sprachkurses darauf eingehen. Zunehmend, wenn die Lernenden an Sicherheit gewonnen haben,

kann man durchaus auch stärker kommunikativ ausgerichtete Übungen einsetzen. Kommunikativ

ausgerichtete Methoden führen zunächst zu Unsicherheit, wenn die Lernenden mit der Grammatik-

Übersetzungs-Methode gelernt haben. Die Unsicherheit führt zu Stress und Unzufriedenheit (Cor-

tisol-Ausschüttung), diese wiederum verhindern das Lernen. Ein langsames Heranführen an Aktivitä-

ten ist jedoch durchaus sinnvoll, führt dies meist zu mehr Sauerstoffzufuhr, die wiederum das Spei-

chern begünstigt.

Dies betrifft auch das Lernen der Vokabeln: Viele ältere Lernenden haben mit Wortschatzlisten und

Vokabelheften gelernt. Für manche Lerntypen ist das auch heute noch sinnvoll. Bei den meisten Ler-

nenden ist das Karteikarten-System mit selbst erstellten Vokabelkarten (Bild, Synonym, Beispielsatz,

eventuell Übersetzung) jedoch speicherintensiver. Grundsätzlich sollte man Lernstrategien nicht vor-

schreiben, sondern erläutern und als Hilfestellung anbieten.

Die nachlassende Hör- und Sehfähigkeit können durch den adäquaten Raum ausgeglichen werden.

Der Raum sollte möglichst hell sein und gleichzeitig eine gute Akustik aufweisen. Bei Texten bevor-

zugen viele ältere Lernende den Einsatz eines Beamers mit großer Schrift, (z.B. Verdana, auf Kursiv-

schreibung verzichten). Bei Hörverstehensübungen sollten die Hörtexte zunächst ohne Nebengeräu-

sche dargeboten werden. Binnendifferenzierend kann man den Teilnehmenden die Texte auch schrift-

lich austeilen, so dass jede/r selbst entscheiden kann, ob er/sie beim ersten Hören mitlesen möchte.

Um Sicherheit zu bieten, sollten alle Hörtexte grundsätzlich auch schriftlich vorliegen. Auch die Lehr-

kraft selbst sollte laut und deutlich sprechen.

Der Einsatz von Bildern ist immer hilfreich. Man sollte jedoch lieber ein großes Bild statt Bildcollagen

mit vielen kleinen Bildern verwenden. Manche Bildcollagen führen zu einer Reizüberflutung.

Grundsätzlich muss die Sinnhaftigkeit des Lernstoffs betont werden. Dies kann auch über ein Lob

erfolgen: „Nun können Sie schon problemlos ein Café besuchen“. Motivationsfördernd ist es immer,

die Lernziele und die erreichten Lernetappen explizit zu benennen.

Eine wichtige Rolle spielt die Lehrkraft: Je motivierter sie den Unterricht durchführt, desto mehr spei-

chern die Lernenden. Ferner muss sie über sehr viel Empathie verfügen, um auf die einzelnen Bedürf-

nisse der individuell sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten eingehen zu können. Mit introvertierten

Lernenden muss sie anders umgehen als mit extrovertierten. Die Lehrkraft kann rasch erkennen, wo

die Stärken und Schwächen der Lernenden liegen und wie sie sie, den neuesten neurobiologischen

Erkenntnissen entsprechend, bestmöglich beim Lernen unterstützen kann.

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4.4 Kurzfazit

Die Erkenntnisse der Neurobiologie untermauern, warum gute Lehrkräfte ihre Kurse mit älteren Teil-

nehmenden auch schon vor dem Zeitalter der Neurobiologie gut strukturiert, mit flacherer Progressi-

on und vielen Wiederholungseinheiten aufgebaut haben.

Schließen wir analog zum Einstieg mit Zitaten berühmter Persönlichkeiten, die sehr deutlich machen,

dass die Themen Lernen, Handlungsorientierung und Alter keine neuen Themen sind:

Verwendete und zugrunde gelegte Literatur

Apeltauer, Ernst (2010): „Wortschatz- und Bedeutungsvermittlung durch Anbahnen von Literalität“. In: Flensbur-

ger Papiere, Heft 53, 1-32.

Backes, Gertrud M. & Clemens, Wolfgang (Hrsg.) (2000): Lebenslagen im Alter. Opladen, Lesbe + Budrich.

Baltes, Paul B. & Baltes, Margret M. (1994): Problem „Zukunft des Alters und gesellschaftliche Entwicklung“. In:

Baltes, Paul B., Mittelstraß, Jürgen, Staudinger, Ursula (Hrsg.) Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext zur

Gerontologie. 1-35.

Baltes, Paul B. (1990): „Entwicklungspsychologie der Lebensspanne: Theoretische Leitsätze“. In: Psychologische

Rundschau 41, 1-24.

Baltes, Paul B. (1995): Die zwei Gesichter der Intelligenz im Alter. In: Spektrum der Wissenschaft 10, 52-61.

Baltes, Paul B., Mittelstraß, Jürgen & Staudinger, Ursula (Hrsg.) (1994): Alter und Altern: Eine interdisziplinärer

Studientext zur Gerontologie. Berlin: Walter de Gruyter.

Berndt, Annette (1997): „Fremdsprachenlernen im höheren Erwachsenenalter. Ansätze zu einer Sprachgerago-

gik“. In: Info DaF 1 (24); 69-77.

Berndt, Annette (2001): „Fremdsprachengeragogik. Motivationen älterer Fremdsprachenlerner“. In: Info DaF 1 (28).

Berndt, Annette (2003): Sprachenlernen im Alter. Eine empirische Studie zur Fremdsprachengeragogik. München, iu-

dicium Verlag.

Bialystok E., Craik F.I. & Freedman, M. (2010): “Delaying the onset of Alzheimer disease: bilingualism as a form

of cognitive reserve”. In: Neurology, 75 (19), 1726-1729.

Bialystok, E., Craik, Fergus IM, Green, David W. & Gollan, Tamar H. (2009): “Bilingual minds”. In: Psychological

Science. Sage Publications. DOI: 10.1177/1529100610387084. 89-129.

Ich lerne vom Leben.

Ich lerne solange ich lebe.

So lerne ich noch heute.

Otto von Bismarck (1815-1898)

Man bleibt jung, solange man noch lernen,

neue Gewohnheiten annehmen

und Widerspruch ertragen kann.

Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)

Sobald jemand in einer Sache Meister

geworden ist,

sollte er in einer neuen Sache Schüler werden

Gerhart Hauptmann (1862-1946)

Lang ist der Weg durch Lehren,

kurz und wirksam durch Beispiele.

Marcus Lucius Annaeus Seneca

(1 v. Chr.-16 n. Chr.)

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Bildnachweis

Alle Bilder unterliegen – wenn nicht selbst gezeichnet – der GNU-Lizenz für freie Dokumentation (Creative

Commons).

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Schwerpunktthemen

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Alexandra Edlinger

Zielgruppen Die Zielgruppe der älteren LernerInnen wird durch demografische Veränderungen in den nächsten

Jahren auch in Sprachkursen vermehrt vertreten sein.

Doch wer gehört alles zu dieser Zielgruppe und was zeichnet sie aus? Welche speziellen Formate

könnten diese Altersgruppe ansprechen und wie können Sprachkursangebote zielgruppengerecht ge-

staltet werden?

Ältere LernerInnen als Zielgruppe

Ältere sind keine homogene Zielgruppe mit einheitlichen Bedürfnissen und Biografien; im Gegenteil,

ältere LernerInnen sind durch große interindividuelle Unterschiede gekennzeichnet. Kade ((2007)

zitiert nach Siebert (2011)) unterscheidet vier Milieus im Alter:

„Pflichtbewusst-häusliche Alte“: sind ältere Personen, die familienorientiert und in Vereinen und

der Kirche aktiv sind.

„sicherheits- und gemeinschaftsorientierte Alte“: sind ältere Personen, die in eher bescheidenen

Verhältnissen leben, hart gearbeitet haben und ihren Ruhestand bevorzugt mit Gleichaltrigen ver-

bringen.

„neue Alte“: sind ältere Personen mit hohem Bildungsabschluss, die finanziell abgesichert, mobil

und aktiv sind.

„resignierte Alte“: sind ältere Personen, die aus der unteren Sozialschicht kommen, kaum Bil-

dungsinteressen haben und viel Zeit vor den Fernsehgeräten verbringen.

TeilnehmerInnen an Fremdsprachenkursen zählen vorwiegend zu den „neuen Alten“. Sie verfügen

über einen hohen Bildungsabschluss, haben oft eine akademische Laufbahn hinter sich und bereits

Erfahrungen beim Lernen von Fremdsprachen. Im Sinne einer Chancengleichheit bzw. eines Aus-

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gleichs der in früheren Jahren erlebten Ungleichheit der Möglichkeiten zur Teilnahme an Bildung, ist

es ein strategisches Ziel im Bereich des Lebenslangen Lernens, vermehrt Personen mit niedrigeren

Bildungsabschlüssen anzusprechen und ihnen Zugänge zu Bildungsangeboten zu verschaffen.

Mögliche Barrieren und Hemmschwellen

Erler und Fischer (2012) fanden in ihrer Neuauswertung des Adult Education Survey verschiedene

Barrieren, die einer Teilnahme an Weiterbildung im Weg stehen können, abhängig vom Alter der

TeilnehmerInnen:

„Jüngere Befragte beklagen vor allem zu geringe Unterstützung im Job, den Preis sowie die Unver-

einbarkeit mit den Arbeitszeiten. Die 30- und frühen 40-Jährigen nennen als Hindernisgrund oft-

mals familiäre Verpflichtungen (häufig die Familiengründungsphase). Die Gruppe der ab 50-

Jährigen sieht dagegen eher wenig Sinn in Weiterbildung, eine Unvereinbarkeit mit ihrem Alter

(nahende Pensionierung) und ihrer Gesundheit sowie ein Unbehagen damit „quasi noch einmal in

die Schule zu gehen“ (schulisch). Vor allem die jüngeren sind eher motivierte NichtteilnehmerIn-

nen, während die ab 50 Jährigen eher bei den nichtmotivierten TeilnehmerInnen zu finden sind.“

Erler und Fischer (2012:78)

Tippelt, Schmidt-Hertha und Kuwan (2008:134) haben folgende Barrieren für eine Weiterbildungsteil-

nahme gefunden:

Wichtigste Barriere Anteil der Befragten

„privat kein Bedarf an (Weiter-)Bildung“ 22%

„lohnt sich in meinem Alter nicht mehr“ 17%

„benötige keine Weiterbildung für Beruf“ 17%

„keine Zeit wegen familiärer Verpflichtungen“ 9%

„Gesundheit erlaubt es nicht“ 8%

andere 27%

Tabelle 1: Barrieren der Weiterbildungsteilnahme

Nach Heidecker und Sauter (2011:38) können die Hemmschwellen und Barrieren in vier Kategorien

klassifiziert werden:

„Hemmschwellen, die in der Person liegen“: Darunter fallen Aspekte, wie verschiedenste Ängste

in Zusammenhang mit der Lernsituation, persönliche Faktoren, z. B. ein Mangel an Selbstvertrau-

en, aber auch gesundheitliche Faktoren, wie die körperliche Verfassung, und Aspekte wie Alter,

Geschlecht, Ethnie etc.

„Hemmschwellen, die mit der Institution/Organisation zusammenhängen“: In dieser Kategorie

finden sich Faktoren, wie das Leitbild der Institution, Erreichbarkeit, Kosten, Informationen, Kurs-

zeiten etc.

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„situationsbezogene Barrieren“: Dies sind Hemmschwellen, die mit der Kurssituation, wie Einstel-

lungen der Lehrperson, aber auch familiäre Verpflichtungen der TeilnehmerInnen etc. in Zusam-

menhang stehen.

„Barrieren, die im sozialen und politischen Umfeld liegen“: Solche Hemmschwellen sind unter

anderem Altersstereotype, Sexismus, Rassismus etc.

Hemmschwellen, die in der Person liegen, treten in Fremdsprachenkursen vor allem in Form von

Geschlecht, Ethnie, Bildungsbiografie und Gesundheit auf.

Ältere Männer und ältere MigrantInnen sind in Sprachkursen nur sehr spärlich vertreten. Weiters

nehmen Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau seltener an Sprachkursen teil als Ältere mit einem

höheren Bildungsabschluss. Gleichzeitig zeigt sich, dass LernerInnen im Alter meist eine hohe Konti-

nuität an Lernerfahrungen im Lauf des Lebens aufweisen können. Mit anderen Worten, Ältere die

auch in früheren Jahren an Bildungsangeboten teilgenommen haben und so beim Lernen „in Übung“

sind, nehmen auch im Alter eher an Weiterbildung teil. Die eigene Gesundheit, aber auch die von

Angehörigen kann im Alter oft einer Kursteilnahme im Wege stehen.

Hemmschwellen, die mit der Institution/Organisation zusammenhängen, lassen sich bei Fremdspra-

chenkursen vor allem in Form von Kurskosten, Leitbild der Organisation und Kursformaten finden.

Volkshochschulkurse werden oft zu niedrigen Preisen angeboten und können älteren LernerInnen

vermitteln, dass diese nichts „wert“ sind. Im Gegensatz dazu können die Kurskosten MigrantInnen

von der Teilnahme an einem Kurs abhalten. Der Begriff VolkshochSCHULE kann bei TeilnehmerIn-

nen unangenehme Assoziationen zur eigenen Schulzeit entstehen lassen. Auch das Image der Volks-

hochschule könnte als verstaubt wahrgenommen werden. Ältere könnten fürchten, nur mit SeniorIn-

nen in einem Kurs zu sitzen und so wieder segregiert zu sein. Ebenso werden Kurse, die das Wort

„Senior“ oder Altersbezeichnungen im Titel tragen, von Älteren abgelehnt. Viele Ältere mögen auch

ihre Vorbehalte gegenüber intergenerativem Lernen haben, dennoch sträuben sie sich davor von

vornherein nur durch ihr Alter gekennzeichnet zu sein/werden.

Situationsbezogene Barrieren finden sich für Ältere in Sprachkursen oft in der Methode, mit der

Fremdsprachen unterrichtet werden. Viele ältere LernerInnen haben zu ihrer Schulzeit mit ganz ande-

ren Methoden Fremdsprachen gelernt. Die heute gängigen Methoden erscheinen ihnen oft fremd.

Aber auch Situationen außerhalb des Kurses können Barrieren für den (regelmäßigen) Sprachkursbe-

such darstellen. Berufliche Verpflichtungen haben die LernerInnen im Alter zwar kaum noch zu erfül-

len, aber familiäre Verantwortlichkeiten bestimmen oft den Alltag älterer SprachkursteilnehmerInnen,

wie etwa die Obsorge von Enkelkindern oder die Pflege von Angehörigen.

Barrieren, die im sozialen und politischen Umfeld liegen, finden sich beim Fremdsprachenlernen im

Alter vor allem in altersdiskriminierenden Diskursen der Gesellschaft, die Eingang in alle Lebensbe-

reiche finden. Vor allem das Vorurteil, dass Lernen im Alter - und Fremdsprachen Lernen im Alter im

Besonderen - von nur sehr geringen Erfolgsaussichten geprägt sei, hält viele Ältere von der Teilnahme

an Fremdsprachenkursen ab.

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Wie oben aufgezeigt, wird die Weiterbildungsbeteiligung Älterer von vielen verschiedenen Faktoren

bestimmt, unter anderem den Bildungs- und Berufserfahrungen im Lauf des Lebens, der aktuellen

Lebenssituation und dem altersdiskriminierenden Diskurs der Gesellschaft („Lernen lohnt sich in

meinem Alter nicht mehr“).

Kolland (2011:26f) thematisiert im Zusammenhang mit dem Dilemma der mit dem Alter rückläufigen

Bildungsbeteiligung die mangelnde Wirksamkeit von Zielgruppenorientierung:

„Die Wirksamkeit von zielgruppenorientierten Ansätzen ist umstritten. Es bestehen Zweifel, dass

spezifische Programme zu stärkerer sozialer Interaktion führen. Vielmehr können Aktivierungspro-

gramme Abhängigkeit und Marginalisierung erzeugen und verstärken, die aufzuheben sie begonnen

worden waren. Gegenüber der Zielgruppenarbeit wird eingewendet, dass sie nur die aktiven und in-

teressierten Mitglieder einer Gruppe erreiche und Perspektiven ausblende, welche nicht zur Ziel-

gruppe gehören. Allerdings zeigt die bestehende Bildungspraxis, dass ohne gezielte Maßnahmen,

d.h. ohne eine alterssensible Bildungsorientierung oder ein Mainstreaming Ageing ältere Menschen

in Bildungsprozessen deutlich unterrepräsentiert sind. Es braucht also weniger ein explizit senioren-

orientiertes Programm als vielmehr ein Programmangebot, welches von den verschiedenen Lebens-

welten älterer Frauen und Männer ausgeht und handlungsorientiert ausgerichtet ist.“

Sprachkursangebote für ältere LernerInnen

Wie im Artikel von Marion Grein skizziert, zeichnet sich diese Altersgruppe durch große interindivi-

duelle Unterschiede aus, und auf diese gilt es mit unterschiedlichsten Angeboten zu reagieren; dies

vor allem auch daher, da in Zukunft eine höhere Beteiligung der Älteren zu erwarten ist. Die demo-

grafischen Veränderungen in Richtung einer alternden Gesellschaft werden sich fortsetzen und es

wird zu einem höheren Gesamtbildungsniveau kommen.

Sprachkursangebote sollten nach Möglichkeit auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der LernerInnen

eingehen können und viel Raum für selbstbestimmtes und autonomes Lernen ermöglichen.

Solche Angebote könnten zum Beispiel Sprachlerncafés darstellen, in denen TeilnehmerInnen die

Möglichkeit haben in ungezwungener Weise in der Zielsprache zu kommunizieren und Raum für

soziale Begegnungen finden können.

Um der Angst vor dem Lernen, der Hemmschwelle, wieder in die Schule gehen zu müssen entgegen-

zuwirken, könnten Schnupperkurse angeboten werden, in denen Ältere sich im erneuten Lernen „er-

proben“ können.

Intergeneratives Lernen ist in unserer alterssegregierten Gesellschaft ein wichtiges Thema und sollte

durch intergenerative Lerntandems oder Lernpatenschaften Unterstützung finden. Um personenbe-

zogenen Barrieren der Gesundheit entgegen zu wirken, könnte aufsuchende Bildungsarbeit eingerich-

tet werden, die Älteren Unterricht zu Hause, in einer Betreuungsstätte etc. bietet.

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Aber auch Themen wie e-learning oder blended learning sollten vor älteren LernerInnen nicht Halt

machen und in den Sprachunterricht integriert werden und so einen Mehrwert darstellen. Es gilt also

ältere LernerInnen durch eine Vielfalt an innovativen Sprachkursangeboten anzusprechen, und nicht

durch Kurse, die nur für Ältere bestimmt sind. Ältere schätzen zwar Lernen in entspannter Atmo-

sphäre, aber auch sie haben beim Besuch eines Sprachkurses das Bedürfnis nach Wissenserwerb und

nicht nur jenes nach Freizeitbeschäftigung oder Sozialkontakten. Schließlich gilt es auch die Teilnah-

me durch altersgerechten und nicht altersdsikriminierenden Unterricht zu halten und so positive

Lernerfahrungen erlebbar zu machen, die sie zur Nutzung weiterer Bildungsangebote animiert.

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Empfehlungen für das Erreichen neuer Zielgruppen unter den „älteren“ Lernenden

Männer als Kursleiter (Würden sie die geringen KL-Honorare akzeptieren?)

Sprachencafé, lockere Konversationsatmosphäre

Schnupperkurse, um den Einstieg zu schaffen (6 UE)

Tandemlernen

Angebot für MigrantInnen nicht nur DaZ, sondern andere Sprachen

aufsuchende Bildungsarbeit (d.h. potentielle TeilnehmerInnen dort ansprechen und unter-

richten, wo sie sowieso sind: Park, Altersheim, „Lernen auf Rädern“, Kurse dezentral anbie-

ten etc.)

eLearning bzw. blended learning für gut Ausgebildete

Wie können wir ältere Lernende halten?

spezielle „Sprachwünsche“ werden erfüllt (bedarfsgerecht unterrichten)

Möglichkeiten für Zusammenkünfte außerhalb des Kurses schaffen

interkulturelle Komponente beachten

Weiterbildung der KursleiterInnen (Flexibilität bezüglich der Methoden)

Differenzierung im Kurs

Angebot an weiterführenden Kursen (auch mit wenigen TeilnehmerInnen)

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Andrea Rainer und Silke Rinnerthaler

Emotionen Gefühle und Emotionen haben im Lernprozess eine große Bedeutung. Lehrende müssen Emotionen

wie Ängste und Unsicherheiten wahrnehmen und angemessen darauf reagieren können, um eine Ler-

natmosphäre zu schaffen, die sich an den individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen der Ler-

nenden orientiert. Im Folgenden wird dieser Themenkomplex im Hinblick auf ältere Lernende betrach-

tet. Manche können zum Beispiel schlechter hören oder sehen oder haben andere Bedürfnisse als jün-

gere Lernende. So legen sie etwa Wert auf häufigere Wiederholungen und ein etwas langsameres Lern-

tempo, arbeiten andererseits aber oft sehr strukturiert und verfügen über sehr viel Erfahrung.

Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten älterer TeilnehmerInnen

Gefühle und Emotionen spielen beim Lernen eine wesentliche Rolle. Beim Erwerb einer neuen Spra-

che ist es daher entscheidend, ob ich als Lernende/r das Gefühl habe, dieser Herausforderung gut

gewachsen zu sein oder, ob ich mich überfordert fühle. Die SprachkursleiterInnen der Erwachsenen-

bildung stehen vor der Aufgabe, Ängste und Unsicherheiten der TeilnehmerInnen zu erkennen und

die Lernenden bei ihrer Bewältigung zu unterstützen. Den Unterrichtenden sollte bewusst sein, dass

etwa Angst vor Fehlern, vor dem lauten Sprechen, vor der Aussprache, vor der Zusammenarbeit mit

anderen LernerInnen etc. den Sprachlernprozess erheblich einbremsen kann. Durch professionellen

Umgang mit Emotionen schaffen die KursleiterInnen eine entspannte, angstfreie Kursatmosphäre und

fördern das soziale Miteinander im Sprachkurs.

Eine große Herausforderung für die Lehrenden stellen zunehmend heterogene Gruppen dar. Das

bedeutet, dass Kurse zeitlich und inhaltlich immer flexibler gestaltet und Kursinhalte den jeweiligen

Bedürfnissen angepasst werden müssen. Heterogenität besteht nicht nur hinsichtlich unterschiedli-

cher Bildungshorizonte und Interessen, sondern auch in Bezug auf teils beträchtliche Altersunter-

schiede. In einem Sprachkurs der Erwachsenenbildung treffen oft mehrere Generationen mit ver-

schiedenen Zielen aufeinander: etwa eine Studentin, die für ihr Auslandsjahr die Sprachkenntnisse

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vervollkommnen möchte, eine Hausfrau mittleren Alters, die sich im Urlaub verständigen möchte, ein

Anwalt kurz vor der Pension, der geistig fit bleiben möchte, oder ein Pensionist, der nun endlich Zeit

findet, die Sprache zu lernen, die er schon vor 30 Jahren sprechen wollte. Dazu kommen etwa ältere

Lernende die den Sprachkurs als eine Art Therapie empfinden, um der Einsamkeit zu entfliehen.

Aufgabe der TrainerInnen in der Erwachsenenbildung ist es nun, nicht nur Wissen zu vermitteln,

sondern diese unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnissen zu berücksichtigen und zu verbin-

den. Beispiele aus der Unterrichtspraxis der KursleiterInnen zeigen, dass ältere Lernende häufig nach

mehr Aufmerksamkeit verlangen und zeitweise emotional fordernder sind. (Vgl. auch Bernd: 191).

Es gilt, sehr differenziert zu arbeiten, um den Sprachunterricht erfolgreich zu gestalten. Ein „leichte-

res“ Buch oder „effizientere“ Musikanlagen können die oben skizzierten Herausforderungen nicht

lösen. KursleiterInnen benötigen vor allem soziale Intelligenz und eine profunde Ausbildung, um den

Ansprüchen der älteren Generationen zu genügen und diesen Markt erfolgreich zu bedienen. Tau-

schen sich KursleiterInnen untereinander über ihre Erfahrungen mit älteren Lernenden aus, ergibt

sich ein Bild vollkommen unterschiedlicher Sichtweisen und Erfahrungen. Vielen gelingt es, sich ohne

Schwierigkeiten auf die Besonderheiten älterer KursteilnehmerInnen einzulassen, andere können die

Hintergründe von gewissen Reaktionen nicht verstehen oder hinterfragen diese gar nicht. Oft haben

ältere Lernende mit einem negativen Stereotyp zu kämpfen, wobei offensichtlich wird, dass diese

Verallgemeinerungen häufig nicht zutreffen. Stimmt es, dass ältere Personen tatsächlich langsamer

lernen und dass sie ungeduldiger sind? Stellen ältere TeilnehmerInnen nicht vielmehr einen Gewinn

für die ganze Gruppe dar?

Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung

Wissenschaftlich lässt sich belegen, dass sich der Spracherwerb der älteren Lernenden von den Jünge-

ren, z.B. hinsichtlich Sprechtempo oder Häufigkeit des Wiederholens unterscheidet (vgl. auch Artikel

Grein). Durch Lern- und Lebenserfahrung und zeitlichen Mehraufwand werden diese „Defizite“ aber

ausgeglichen und die Ergebnisse können sich durchaus mit denen jüngerer Lernender messen.

KursleiterInnen könnten ältere TeilnehmerInnen motivieren, ihre Erfahrungen aus Beruf und Leben in

den Unterricht einzubringen und ihr Weltwissen mit der ganzen Gruppe zu teilen. So profitieren so-

wohl die einzelnen KursteilnehmerInnen als auch die KursleiterInnen davon. Ein Kreislauf beginnt,

der sich auf alle positiv auswirkt. Im Weiteren treten zwei positive Effekte ein, die auch die Älteren

beim Lernen unterstützen.

Erstens werden positive Emotionen durch das Anknüpfen an die Lebenswelt verstärkt. Positiv besetz-

te Inhalte werden leichter gelernt und besser im Gedächtnis behalten. Bei der Tagung „Mehrsprachig

statt einsilbig“ zeigten die Erfahrungsberichte der KollegInnen zum Thema „Emotionen“, dass im

Sprachunterricht positives Feedback und positive Emotionen den Lernerfolg steigern, während Kritik

und Fehlerkorrekturen zum falschen Zeitpunkt sowie negatives Feedback Angst und Versagen för-

dern. Diese Erfahrungen werden auch durch die neurobiologische Forschung wissenschaftlich belegt.

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Zweitens können durch die Benützung aller Ressourcen des gesammelten Weltwissens und der Le-

benserfahrung die negativen Stereotypen zu „älteren“ Lernenden überwunden werden, ein Wettbe-

werb mit Jüngeren verhindert und positive Vorstellungen von einander aufgebaut werden.

Das klingt alles sehr einfach, ist aber im Unterricht nicht so leicht umzusetzen. Um vorhandene Ängs-

te abzubauen und schlechten Vorerfahrungen entgegenzuwirken, ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Gegenseitige Wertschätzung und Toleranz, positive Bestärkung, positives Lernklima, Geduld, Unter-

richten auf Augenhöhe, Lachen, Humor, das Sichern von Lernerfolgen, das Schaffen positiver Motiva-

tion und die Thematisierung von Ängsten sind alles Begriffe, die im Unterricht mit älteren Teilnehme-

rInnen große Bedeutung haben und über den Erfolg oder Misserfolg eines Kurses entscheiden kön-

nen. Unter Berücksichtigung der oben genannten Schlagwörter sollte es den TrainerInnen leichter

fallen, Ängste und Lerndefizite abzubauen.

Wie zuvor bereits erwähnt, hängen positive Emotionen und Lernerfolge oft eng zusammen. So er-

leichtern autonome und soziale Lernmöglichkeiten Älteren das Lernen. Das bedeutet, dass sich ältere

TeilnehmerInnen Inhalte, die sie selbst erarbeiten und regelmäßig wiederholen, besser merken kön-

nen. Deshalb empfiehlt es sich, häufiger Gruppen- und Partnerarbeiten oder Projektarbeiten im Unter-

richt einzusetzen. Zudem wird so auch der Austausch zwischen den Generationen gefördert.

Des Weiteren sollten die Unterrichtenden darauf achten, dass während der Aktivitäten kein Zeitdruck

erzeugt wird. Ältere Lernende brauchen in der Regel mehr Zeit zum Lesen, Verstehen, Schreiben und

Verarbeiten von Informationen. Zeitdruck fördert das Gefühl der Unzulänglichkeit und weckt negati-

ve Emotionen wie „das schaffe ich nicht, ich bin zu alt, zu langsam“.

Herausforderungen

Ein sehr sensibles Thema im Unterricht sind körperliche Defizite wie Schwerhörigkeit, Fehlsichtigkeit

und verringerte Mobilität, die bei den Lernenden Emotionen wie Angst, Unzulänglichkeit und Unsi-

cherheit hervorrufen. Sensorischen Schwächen, wie dem Sehen, kann zum Beispiel entgegengewirkt

werden, indem Lernmaterialien übersichtlich gestaltet werden, ohne durch Zusatzinformationen vom

Wesentlichen abzulenken. Dabei sollte darauf geachtet werden, alles möglichst groß zu schreiben. Den

Lernmaterialien könnten anschauliche Bildbeispiele hinzugefügt werden.

Hohe Sensibilität im Umgang mit älteren Lernenden verlangt die Fertigkeit „Hören“. Ungeeignete

Hörbeispiele, die durch laute Hintergrundgeräusche und unverständlich gesprochene Dialoge verun-

sichern, können negative Emotionen hervorrufen. Ängste werden verstärkt und Lernblockaden auf-

gebaut. Wichtig ist es, den TeilnehmerInnen die Angst vor den Hörbeispielen zu nehmen. Durch Vor-

bereitung auf den Hörtext mit Aktivitäten wie „Wortigel“, „Assoziogramme“, Mindmapping, usw.

kann schon im Vorfeld viel Arbeit geleistet werden, um die TeilnehmerInnen emotional zu entlasten

und ihnen die Angst vor dem „Nichtverstehen“ zu nehmen.

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Auch bei spielerischen Aktivitäten gilt es, die Emotionen der älteren Lernenden zu berücksichtigen

und sie nicht psychisch oder physisch zu überfordern, sondern Unsicherheiten zu thematisieren und

die Lernenden bei ihrer Bewältigung zu unterstützen.

Eine gute Gesprächsbasis, die nötige Geduld und ein entspanntes Lernklima sind demnach Grundla-

gen für einen gelungenen Kursablauf und dies bedarf etlicher Arbeit, nicht nur von Seiten des/der

KursleiterIn, sondern der ganzen Gruppe. Ein/e erfahrene/r KursleiterIn weiß, was die TeilnehmerIn-

nen gerne machen und was sie eher ablehnen und kann somit Probleme schon im Vorfeld vermeiden.

Abschließend möchten wir noch betonten, dass nicht allein die Vermittlung von Fachwissen guten

Unterricht prägt, sondern auch das Eingehen und die Reaktionen auf Emotionen. So werden Lerner-

folge ermöglicht und ein ausgewogenes Lernklima geschaffen.

Tipps zum Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten:

Wertschätzung und Bestärkung auf Augenhöhe

Positives Lernklima, Humor!

Lernerfolge schaffen (Motivation!)

Ängste thematisieren

viele Wiederholungsphasen

Gruppen- und Partnerarbeiten

Vorentlastungen vor dem Hören

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Beatrice Baglioni Greilberger, Catherine Castellani, Isabella Wachter

Lehrbücher Immer mehr SprachkursteilnehmerInnen in der Erwachsenenbildung gehören der Altersgruppe 50+

an. Die Lehrbücher haben diesen Trend bisher noch nicht so aufgegriffen. In Folge werden Kursbücher

und andere Unterrichtsmaterialien dahingehend untersucht und besprochen wie und in welchen Kon-

texten ältere Lernende dargestellt werden. Weiters wird die Eignung von Lehrbüchern für diese Al-

tersgruppe in Bezug auf Layout und Fotos, Hörtexte, Grammatik und Wortschatz, sowie Themen

untersucht bzw. dargestellt, auf welche Kriterien zu achten ist. Abschließend werden Empfehlungen

für eine hinsichtlich dieser Zielgruppe adäquatere Gestaltung von Lehrbüchern gegeben.

Welches Bild von älteren Menschen wird in Lehrbüchern und anderen

Unterrichtsmaterialien vermittelt?

Was könnte anders gemacht werden?

Die ständig steigende Zahl von so genannten „SeniorInnen-TeilnehmerInnen (Altersgruppe 50+) an

Sprachkursen wirft unter anderem folgende Fragen auf: Wie gehen Spracheninstitute, Lehrende, aber

vor allem auch Verlage mit ihren Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien auf diese Entwicklung ein?

Wie behandeln die Verlage die Bedürfnisse und Wünsche älterer TeilnehmerInnen und wie berück-

sichtigen sie, welches Bild von älteren Menschen vermittelt wird?

In dieser Themeninsel wurde die oben skizzierte Fragestellung angesprochen, sowie ein entsprechen-

der Denkprozess eingeleitet und diskutiert. Hierbei war es nicht die Aufgabe der Diskutierenden, eine

Bewertung oder eine Benotung von Büchern vorzunehmen. Die Auseinandersetzung mit ver-

schiedensten Lehrwerken sollte dazu führen, dass das Bewusstsein von Lehrenden und vielleicht auch

von Verlagen auf die gegenständliche Problematik gelenkt und ein entsprechender Umdenkprozess

eingeleitet wird.

Um eine Sensibilisierung zu erreichen, wurden folgende Punkte angeschnitten:

Darstellung von älteren Menschen in Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien

Sind unsere Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien für die Altersgruppe 50+ passend?

Empfehlungen für den Unterricht

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Darstellung von Älteren in Lehrbüchern und Unterrichtsmaterialien

Ausgehend von einer Umfrage unter den TeilnehmerInnen (KursleiterInnen, KursteilnehmerInnen,

VertreterInnen der Verlage und Erwachsenenbildungsinstitutionen) in unserer Themeninsel kamen

wir zu folgenden – nur auf unsere Gruppe begrenzten, repräsentativen – Ergebnissen:

Fragestellung:

Wie oft kommen Bilder von älteren bzw. Texte über ältere Menschen in Lehrwerken vor?

In welchem Kontext stehen diese Bilder und Texte?

Nach Durchsicht vieler Lehrwerke in verschiedenen Sprachen und von verschiedenen Verlagen kris-

tallisierten sich für uns folgende Themen heraus:

Ältere Menschen werden auffallend oft mit den Themenbereichen Familie, Essen und Trinken, Ur-

laubssituationen, Reisen, Geschichten aus der Vergangenheit, Erinnerungen und Kultur in Verbin-

dung gebracht.

Im Gegensatz dazu werden sie im „Umgang mit Medien“, „Sport“ und bei „hilfreichen Fragen“ kaum

erwähnt. Wir denken, dass dies möglicherweise auch die Einschätzung älterer Menschen in unserer

Gesellschaft widerspiegelt. Einerseits wird die 50+ Generation heute aktiver erlebt als früher, anderer-

seits wird ihr weniger zugetraut (z. B. im Umgang mit „neuen“ Medien).

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Entsprechen unsere Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien den Bedürfnissen der Altersgruppe 50+ ?

Wie könnten die Ansprüche älterer KursteilnehmerInnen besser berücksichtigt werden?

Layout und Fotos

Am wichtigsten ist ein klares und übersichtliches Layout. Unter dem Motto „weniger ist mehr“ sollte

eine größere Schriftgröße gewählt werden, dafür aber die Anzahl der Übungen auf einer Seite redu-

ziert werden. Insgesamt sollten in einem Buch weniger Lektionen aufgenommen werden, damit die

Motivation – „Wir haben schon so viel geschafft!“ - erhalten bleibt. Erwähnt wurde auch die Möglich-

keit, Zusatzhefte mit zusätzlichen vertiefenden Übungen anzubieten. Neuer Wortschatz könnte gra-

phisch hervorgehoben werden (Farbe, Fettdruck …).

Die Fotos sollten groß und in Farbe sein, aber nicht mit zu vielen Details verwirren, daher sind kleine

Collagen oder Schwarz-Weiß-Cartoons mit Sprechblasen für diese Zielgruppe nicht besonders geeignet.

Hörtexte

Für ältere TeilnehmerInnen wären eine langsamere und eine schnellere Version ohne Nebengeräusche

sinnvoll, um ihnen das Verstehen zu erleichtern. Eventuell könnte der/die KursleiterIn den Hörtext

vor dem Hören vorlesen. Hilfreich wäre auch, die Transkription im Buch oder als Kopiervorlage an-

zubieten.

Grammatik und Wortschatz

Eine klare und übersichtliche Grammatik im Zusammenhang mit kommunikativen Übungen ist ge-

nauso wie die regelmäßige Wiederholung neuer Satzstrukturen unerlässlich. Wünschenswert wären

auch Tabellen mit Verben und den dazugehörigen Präpositionen.

Der neue Wortschatz sollte in wechselnden, kreativen Kontexten schriftlich und mündlich wiederholt

und gefestigt werden.

Für alle Bereiche gilt, dass eine einfache und klare Aufgabenstellung zu bevorzugen ist.

Themen

Die Themenbereiche sollten so gewählt werden, dass sie auch für ältere TeilnehmerInnen von Interes-

se sind. Selbstverständlich dürfen aktuelle Trends wie Au-pair-Oma, Leih-Oma, Fernreisen, ehrenamt-

liche Tätigkeiten, Seniorenstudien etc. nicht fehlen.

Ideal wäre es, Sachlernen in das Fremdsprachenlernen zu integrieren. So können im Buch angebotene

Themen von den KursleiterInnen je nach Interesse der TeilnehmerInnen vertieft bzw. ausführlicher

behandelt werden.

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Ergänzend zu den bereits oben genannten können folgende Themen erwähnt werden: Kunstgeschich-

te, Architektur, Musik, Theaterbesuche, Kino, Biographien berühmter Persönlichkeiten, Gesundheit,

Hausmittel, Garten, körperliche und geistige Fitness, Anwendung von neuen Medien (Skype, Reise-

buchungen …), Landeskunde, kulturelle Unterschiede (Mimik, Gestik), Reiseberichte, aktuelle Nach-

richten.

Für ältere TeilnehmerInnen sensible Bereiche wie „Seniorenresidenzen“, Alterskrankheiten etc. stoßen

auf wenig Gegenliebe.

Empfehlungen für Lehrwerke zum Einsatz im Unterricht mit älteren TeilnehmerInnen:

Altersbilder, die sich im Lehrwerk finden, sollten nicht altersdiskriminierend sein und der Diversi-

tät dieser LernerInnengruppe gerecht werden. Neue Medien, Sport, neue Lebensformen und Be-

schäftigungen Älterer (Wohngemeinschaften, Ältere als Au-pairs oder Freiwillige) sollten auch in

Lehrwerke für ältere LernerInnen Eingang finden.

Feste Strukturen in einem Lehrwerk bieten Sicherheit und Orientierung, ein gleicher Aufbau der

Lektionen kann das strukturierte Lernen erleichtern.

Ein übersichtliches Layout, sowie große Bilder anstatt kleinerer Bildcollagen geben dem Lehrwerk

Struktur.

Lernziele, Lernetappen sollten explizit in jeder Lektion/in jedem Abschnitt benannt werden.

Assoziationen sollen genützt, vorhandenes Vorwissen aktiviert und auch Vergleiche mit anderen

Sprachen hergestellt werden.

Die Erstsprache sollte gezielt eingesetzt werden, etwa in Lerntipps, Grammatikerklärungen und

landeskundlichen Informationen.

Einzelne wichtige Wörter sollten direkt in der Lektion mit erstsprachlichen Übersetzungen ange-

geben werden.

Abschnitte mit Redewendungen für den täglichen Gebrauch geben einen Alltagsbezug und stellen

Lerneinheiten in einen transparenten Sinnzusammenhang.

Systematische Wiederholungen und Überprüfungen sollten in den Lehrbüchern eingeplant sein,

werden diese in einem Rätselcharakter angeboten, können sie motivationssteigernd wirken.

Lerntipps und -tricks unter Berücksichtigung der Neurodidaktik älterer LernerInnen und der Tat-

sache, dass viele ältere LernerInnen andere Lehrmethoden gewohnt sind, können helfen Lern-

hemmungen abzubauen.

Soziales Lernen sollte auch durch die Lehrwerke in Partner- oder Gruppenaktivitäten angeregt

werden.

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Alexandra Edlinger

Intergenerationen Der folgende Artikel beschäftigt sich mit intergenerativem, sozialem Lernen in altersheterogenen

Sprachkursen und der Frage, wie ein altersgerechter, generationenfreundlicher Sprachunterricht im

Gegensatz zu einem altersdiskriminierenden Unterricht gestaltet werden kann.

Ältere LernerInnen sind eine immer stärker wachsende Zielgruppe der Erwachsenenbildung. Und

auch Sprachkurse erfreuen sich mittlerweile bei dieser AdressatInnengruppe ständig steigender

Beliebtheit. Diskutiert werden didaktische Konzepte speziell für ältere LernerInnen. Es sollte aber

nicht außer Acht gelassen werden, dass Lernen meist in altersheterogenen Kontexten stattfindet und

dies an Lehrpersonen besondere Anforderungen stellt. Es bedarf daher genauer Überlegungen, wel-

che Faktoren beim Lernen in altersheterogenen Sprachkursen eine Rolle spielen und wie KursleiterIn-

nen im Unterricht unterstützt werden können.

Dieser Artikel beschäftigt sich daher mit Altersdiskursen im Fremdsprachenunterricht und stellt die

Frage wie eine generationenfreundliche Atmosphäre in altersheterogenen Sprachkursen geschaffen

werden kann.

Altersdiskriminierung

In unserer Gesellschaft kommen Personen verschiedener Generationen eher selten miteinander in

Kontakt. Mit verschiedenen kalendarischen Lebensaltern werden verschiedene Rollen, Werte, Nor-

men und Bilder in Verbindung gebracht. Dies führt zu einer Alterssegregation unserer Gesellschaft

und ist ein Nährboden für Altersstereotype und Vorurteile.

Der in westlichen Gesellschaften noch immer vorherrschende Defizitdiskurs sieht Altern als einen

Prozess des Abbaus, sowohl in physiologischer als auch in kognitiver Hinsicht. Dieser Defizitdiskurs

ist so sehr verinnerlicht, dass er Erwartungen und Erfahrungen älterer LernerInnen färben kann und

diese in Bezug auf Abbau beurteilt werden.

„Altersbilder sind nicht nur Bilder von der Wirklichkeit, sie sind selbst Wirklichkeit. Sie beeinflus-

sen unsere Wahrnehmung, prägen mit Nachdruck unser Handeln und senken ihre vielfältigen

Keime ins Altwerden jedes einzelnen Menschen selbst. Wer mit fünfzig Jahren glaubt, es sei zu

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spät etwas Neues zu lernen, ist bereits einem typischen Altersbild aufgesessen, nämlich dem Vor-

urteil eines allgemeinen geistigen Verfalls." Amann (2004:15)

Der Defizitdiskurs geht einher mit einer Altersdiskriminierung, die im englischsprachigen Raum die

treffende und gängige Bezeichnung Ageism bekommen hat. Ein gleichwertiger Terminus fehlt im

Deutschen.

Ageism ist laut Bytheway (2005) vergleichbar mit Rassismus und Sexismus, da es seine Wurzeln in

der sozialen Identität des Individuums hat, durch die bürokratisch bestimmte Identität und das phy-

sische Erscheinungsbild des Körpers. Allerdings unterscheidet sich Ageism von Sexismus und Ras-

sismus, da es sich gegen eine Eigenschaft einer Person richtet, die jede Person einmal ereilen wird.

Ageism dient, wie Rassismus und Sexismus auch, der Abgrenzung des Individuums, allerdings ist

Alter im Unterschied zur Diskriminierung auf Grund der Hautfarbe oder des Geschlechts etwas, das

uns alle betrifft und jedeR Einzelne erfahren wird. Die Abgrenzung des Individuums bezieht sich hier

auf die eigene zukünftige Identität.

Neben Ageism findet sich auch das Gegenstück der Altersdiskriminierung, nämlich Adultism. Adul-

tism ist der Terminus für Diskriminierung jüngerer Personen aufgrund der ihnen wegen ihres jungen

Alters zugeschriebenen, mangelnden Erfahrungen.

Im Sprachkurs können sich Ageism und Adultism in verschiedenen Formen finden. Wie erwähnt,

können ältere LernerInnen dem Defizitdiskurs aufsitzen und ihr eigenes Lernen in Zusammenhang

mit dem eigenen Alter negativ bewerten. Treffen im Kurs verschiedene Altersgruppen aufeinander,

können Zuschreibungen des Adultism und Ageism auftreten, zwischen LernerInnen verschiedener

Altersgruppen, aber auch KursleiterInnen und LernerInnen. So können sich Stereotype des Adultism

auch gegen eine jüngere Lehrperson richten, der durch mangelnde Lebenserfahrungen aufgrund ihres

jungen Alters auch weniger Kompetenz zugeschrieben wird.

Alter und Fremdsprachenunterricht

Eine Fremdsprache zu erlernen, involviert die eigene Identität und das eigene Selbst. Eine Sprache

funktioniert nie unabhängig von einem Individuum und das Beherrschen einer Fremdsprache stellt

neben Sachwissen auch den Schlüssel zur Interaktion mit dem Unbekannten dar, die den Blick auf das

eigene Selbst verändern kann. Eine Fremdsprache zu lernen ist immer ein kommunikativer Prozess, in

dem gesellschaftliche Themen, wie das Alter und damit verbundene Rollen und Zuschreibungen – im

wahrsten Sinne des Wortes – zur Sprache kommen.

Die soziale Konstruktion von Alter spielt eine bedeutende Rolle im Fremdsprachenunterricht, wurde

in bisherigen Forschungsarbeiten allerdings kaum beachtet und bleibt daher auch in Didaktik und

Methodik noch weitgehend unberücksichtigt.

Da SprachlernerInnen und -lehrerInnen in der Welt außerhalb des Sprachunterrichts leben, hat der in

der Gesellschaft vorherrschende Altersdiskurs auch Einflüsse auf die Konstruktion des Alters im Un-

terricht.

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Allerdings haben abhängig vom Alter Einstellungen über die Zusammenhänge zwischen Sprachlern-

aktivität und Alter Einfluss auf die persönlichen Sprachlernerfahrungen.

Die Konstruktion des Alters der SprachlernerInnen ist jedoch keineswegs starr und unveränderbar, sie

wird ständig neuen Erfahrungen angepasst und wird sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unter-

richts konstruiert.

Das Bewusstsein für die Einflüsse des gesellschaftlichen, meist vorurteilsbehafteten, Altersdiskurs auf

den Fremdsprachenunterricht zu schärfen, sollte einen fixen Platz in der Aus- und Fortbildung von

ErwachsenenbildnerInnen spielen. Stereotypisierungen sind in unserem Altersdiskurs vertreten und

finden sich auch unter erfahrenen Lehrpersonen. Eigene Vorurteile und Einstellungen müssen Unter-

richtende bewusst sein, um ein generationenfreundliches Klima in ihren Kursräumen schaffen zu

können.

Lernende sollen mit ihren Einstellungen, Erwartungen und Ängsten in Bezug auf Alter und Sprachen

Lernen im Unterricht genügend Raum finden. Vor allem im intergenerativen Kontext ist ein Eingehen

auf Stärken aller Altersgruppen wichtig und kann zu einem Klima des sozialen miteinander, überei-

nander und voneinander Lernens führen. Nur so können die negativen Einflüsse von Stereotypisie-

rungen, Selbststereotypisierungen und Stereotypbefürchtungen auf das Lernen gemindert werden.

Wozu intergeneratives Lernen?

Sprachunterricht führt zu linguistischen und nicht linguistischen Ergebnissen für Lernende jeden Al-

ters. Wird im Sprachunterricht nur auf Sprachkompetenzen fokussiert, verstreichen Möglichkeiten,

positive, bedeutungsvolle und lohnende Lernaktivitäten zu schaffen, ungenutzt.

„Intergeneratives Lernen ist in das Konzept des Lebenslangen Lernens integriert, wenn man da-

runter das Aufnehmen, Erschließen und Einordnen von Erfahrungen und Wissen in das je subjek-

tive Handlungsrepertoire über die gesamte Lebensspanne versteht.“ Schmidt/Tippelt(2009:85)

Schmidt und Tippelt (2009) sehen also im Konzept Lebenslanges Lernen intergeneratives Lernen ver-

wirklicht. Bildung ist immer auch eine Reflexion der eigenen Lebensspanne und kann so im Lauf des

Lebens Wissen mit Konzepten verschiedener Lebensphasen integrieren.

Intergeneratives Lernen wird aber meist als Lernen in altersheterogenen Gruppen verstanden. Der

Sprachunterricht ist eine Möglichkeit des gemeinsamen intergenerationellen Lernens. Beim Erarbeiten

von Sprachkompetenzen lernen alle miteinander; wodurch Generationen gleichzeitig über- und von-

einander lernen.

KursleiterInnen sind, wenn sie altersheterogenen Gruppen gegenüber stehen, besonders gefordert

und nicht alle sehen daher intergeneratives Lernen positiv. Eine Befragung der KursleiterInnen von

Kolland (2005) ergab, dass wenn KursleiterInnen ältere LernerInnen als langsame LernerInnen emp-

finden, sie eher altershomogene Gruppen bevorzugen. Die Einstellungen zum intergenerativen Ler-

nen von Seiten der KursleiterInnen hängen also maßgeblich von ihren bisherigen Erfahrungen ab.

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Außerdem befürwortet die Mehrheit der KursleiterInnen eine eigene Schulung für die Leitung von

Kursen mit hohem Anteil älterer LernerInnen.

Franz und Scheunpflug (2009) sehen Lernen im Alter zwischen Seniorität und Alterität. In intergene-

rativen Kursen regiert oft das Senioritätsprinzip. Den jüngeren LernerInnen scheinen ältere aufgrund

ihres Mehr an Wissen und Erfahrung überlegen und SeniorInnen erhalten oft eine Führungsrolle, die

offensichtlich auch gesellschaftlich vermittelt ist. SeniorInnen hingegen betonen oftmals durch den

Kontakt mit Jugendlichen in Schwung zu bleiben und schätzen den dadurch gewonnen Einblick in die

neue Lebenswelt. Für Franz und Scheunpflug (2009) bedeutet intergeneratives Lernen eine Bewegung

vom Senioritätsprinzip hin zum wechselseitigen Lernen, zur Alterität. Ob diese Bewegung jedoch

gelingen kann, ist abhängig davon, wie die LernerInnen verschiedener Generationen zusammenge-

führt werden und bedarf daher der Kompetenzen sensibilisierter ErwachsenenbildnerInnen. Wechsel-

seitiges Lernen kann am ehesten gelingen, so die AutorInnen, wenn sich die Generationen mit einem

für alle relevanten Thema beschäftigen oder gemeinsam etwas herstellen. Die Forderung, die sich also

an ErwachsenenbildnerInnen stellt, ist die Heterogenität und Alterität der Generationen, aber auch

die unterschiedlichen Persönlichkeiten einer Generation wahrzunehmen und sich an einer Anerken-

nung dieser Differenz zu orientieren. Eine Herausforderung der didaktischen Gestaltung in intergene-

rationellen Kursen ist es, die Rollenmuster, mit denen sich Generationen begegnen, aufzubrechen und

gegenseitiges Lernen zu ermöglichen. Es gilt den Lernprozess konkret und explizit zu gestalten und

auch bewusst Raum für den informellen Austausch einzuplanen. Professionalisierte Weiterbildung

der ErwachsenenbildnerInnen, um Lernarrangements in Hinblick auf die deutliche Heterogenität der

LernerInnen planen zu können, ist daher notwendig.

Altersheterogene Kurse stellen KursleiterInnen vor eine Herausforderung. Es gilt LernerInnen als

Individuen zu sehen, auf ihre spezifischen Bedürfnisse einzugehen und Altersstereotype im Kurs

sensibel wahrzunehmen, zu thematisieren und nach Möglichkeit abzubauen.

Tipps, wie es gelingen könnte, die verschiedenen Generationen einzubinden:

KursleiterInnen sollten über eigene Altersbilder reflektieren und Möglichkeiten bekommen, sich

mit KollegInnen darüber auszutauschen. Wir haben alle gesellschaftliche Diskurse verinnerlicht.

Eine Bewusstmachung dieser Diskurse, die schließlich unser Handeln leiten, kann helfen

Unterrichtssituationen generationenfreundlich zu gestalten.

Ein explizites Thematisieren des Altersdiskurses im Unterricht kann dabei helfen, sich der eigenen

Altersstereotype bewusst zu werden und die Neugier auf andere Altersgruppen wecken. Durch

das Ansprechen der Altersunterschiede und ein gleichzeitiges Aufzeigen der individuellen

Unterschiede in einer Altersgruppe, sowie der Gemeinsamkeiten über Altersgruppen hinweg (z.B.:

durch Partnerinterviews und Kursstatistiken), wird das Thema enttabuisiert und die

KursteilnehmerInnen könnten so ermuntert werden, die Generationenbarriere zu überschreiten.

Die Rolle des Kursleiters / der Kursleiterin ist in altersheterogenen Gruppen auch die eines

Moderators / einer Moderatorin und Mediators/Mediatorin. Es gilt die altersheterogenen Gruppen

zusammenzuführen, sie behutsam einander anzunähern und Barrieren abzubauen. Dazu bedarf es

moderatorischen und mediatorischen Geschicks.

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Wichtig erscheint zum Abbau von Barrieren das Zusammenarbeiten in altersheterogenen

Gruppen. Dabei soll in diesen Gruppen ein gemeinsames Ziel erarbeitet werden und dieses auch

immer explizit thematisiert werden.

Hierfür scheinen auch gruppendynamische Aktivitäten von großer Bedeutung zu sein. Übungen,

die das Gruppengefühl stärken und die gemeinsame Zielorientierung sichtbar machen, eignen sich

um Barrieren abzubauen.

Lernpartnerschaften im Kurs entstehen zu lassen und zu fördern, kann ebenfalls helfen Barrieren

und Vorurteile abzubauen. Solche altersheterogene Lerntandems helfen Beziehungen im Kurs zu

stärken und fördern soziales Lernen.

Die eigene Lernbiografie sollte immer auch thematisiert werden. So werden eigene Kompetenzen

bewusst gemacht und ein positives Selbstkonzept als FremdsprachenlernerIn gefördert.

Lernerfahrungen über die Lebensspanne werden zueinander in Bezug gesetzt, neue Lehrmethoden

können mit anderen verglichen werden und so eher angenommen werden, als wenn sie einfach

vorgegeben werden.

Literatur:

Amann, A. (2004): Die großen Alterslügen. Generationenkrieg - Pflegechaos - Fortschrittsbremse? Böhlau Verlag.

Bytheway, B. (2005): Ageism and age categorization. Journal of Social Issues, 61(2), 361-374.

Franz, J. & Scheunpflug, A. (2009): Zwischen Seniorität und Alterität. Eine empirische Rekonstruktion intergene-

rationellen Lernens. Zeitschrift Für Erziehungswissenschaft, (12), 437-455.

Kolland, F. (2005): Bildungschancen für ältere Menschen. Ansprüche an ein gelungenes Leben. Münster: Lit Verlag.

Schmidt, & Tippelt. (2009): Bildung älterer und intergeneratives Lernen. Zeitschrift Für Pädagogik, (55), 73-90.

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MEHRSPRACHIG statt EINSILBIG: Sprachen lernen bis ins hohe Alter

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Ines Holme

eLearning im Alter Am Beispiel einer Grundtvig-Lernpartnerschaft

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit dem Einsatz von eLearning-Möglichkeiten und Erfahrungen

älterer Sprachen-LernerInnen, v.a. hinsichtlich der zielgruppenadäquaten Themen, des Zugangs die-

ser Altersgruppe zur Technik und der notwendigen Unterstützung. Dies wird anhand des Beispiels

der Grundtvig-Lernpartnerschaft NELPAE erörtert und mit theoretischen Inputs ergänzt.

Das Projekt NELPALE

Die Kärntner Volkshochschulen arbeiten in einer Grundtvig-Lernpartnerschaft mit sieben Ländern an

der Entwicklung neuer Unterrichtskonzepte. Hauptziel des Projekts ist es, Erwachsenenbildung durch

die Anwendung elektronischer Lernmittel europaweit zu fördern. Verschiedene Erwachsenenbil-

dungseinrichtungen aus Rumänien, Polen, der Türkei, Kroatien, Italien, Portugal und Österreich ent-

wickeln somit gemeinsam eine eLearning Plattform, die lernenden Erwachsenen und MultiplikatorIn-

nen einen besseren Zugang zu Bildung, konkret zum Lernen von Fremdsprachen, ermöglichen soll.

Im Fokus stehen Lernende der Generation 50+, da einerseits die Kärntner Volkshochschulen mit dieser

Zielgruppe bereits Erfahrung haben, andererseits diese Personengruppe selten mit eLearning Pro-

grammen vertraut ist.

Konkret werden in Kärnten Englischkurse auf den Niveaus A1, A2 und B1 entwickelt. Durch dieses

Projekt wird versucht Personen zu erreichen, die aus verschiedenen Gründen keine Möglichkeit ha-

ben, Bildungsangebote anzunehmen, z.B. wegen der Entfernung zu Kursorten und/oder fehlender

Mobilität, körperlicher Behinderungen, etc.

Welche Themen passen zur Zielgruppe?

Die für Sprachkurse erhältlichen Kursbücher sind generell so konzipiert, dass sie jüngere Lernende

ansprechen. Die Kurse müssen daher altersgerechte Themen bieten. Zu diesem Zweck wurden Teil-

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nehmerInnen unserer Zielgruppe eingeladen, gemeinsam mit uns die Plattform zu testen und uns

durch ihren Input zu helfen, in den Kursen den von älteren Lernenden erwarteten und gewünschten

Inhalt zu bieten.

Ältere Lernende haben andere Bedürfnisse und Erwartungen als jüngere. Hinzu kommt auch, dass

ältere Lernende oft ängstlich sind, wenn es um das Lernen von Fremdsprachen geht und es ihnen

diesbezüglich an Selbstvertrauen mangelt. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass e-Learning mehr

von Frauen als von Männern angenommen wird. Daher stellt sich die Frage, ob bei der Wahl der

Themen größtenteils auf Fraueninteressen Rücksicht genommen werden sollte. Generell liegen die

Interessen der Zielgruppe 50+ im Bereich von Kultur, Literatur, Reisen, andere Länder/Land und Kul-

tur, Gesundheit, Familie, Freizeit, Umwelt, etc. Es besteht weniger Interesse für sport- oder berufsbe-

zogene Themen.

Ältere Lernende und die Technik: Welchen Zugang hat die Zielgruppe zur Technik? Was braucht sie,

um eine eLearning Plattform zu bedienen?

Bei eLearning kommt auch noch die Angst vor der Technik hinzu. Obwohl gewisse Computer-

Grundkenntnisse vorausgesetzt werden, ist eine gründliche Einschulung unumgänglich bevor Teil-

nehmerInnen mit den Kursen beginnen. Auch sollte ständige technische Unterstützung angeboten

werden, um TeilnehmerInnen ihre Angst zu nehmen. Schulungsworkshops für die eLearning Platt-

form erfolgen in speziell organisierten Treffen und via ooVoo Videokonferenz.

Welche Art von Unterstützung sollten die Institute zur Verfügung stellen?

Die Themeninsel behandelte auch die Frage der Motivation, insbesondere, da kein oder wenig

menschlicher Kontakt vorhanden ist. Besonders bei älteren Lernenden würde der Wunsch nach per-

sönlichem Kontakt aufkommen. Auch wurde eingewendet, dass eLearning nur das schriftliche Spra-

chenlernen fördert, da kein interaktiver Kontakt, wie er in einem herkömmlichen Sprachkurs besteht,

vorhanden ist. Dadurch würde ein wichtiger – wenn nicht der wichtigste – Aspekt beim Erlernen ei-

ner Sprache wegfallen, was eventuell zu Frustration und Verlust jeglicher Motivation führen könnte.

In jedem Sprachkurs stellt Motivation die größte Herausforderung dar, und bei eLearning ist diese

Herausforderung doppelt so groß. Natürlich ist das auch bei älteren Lernenden unterschiedlich zu

sehen. Es gibt genügend ältere Lernende, die diese neue Form des Lernens mit Begeisterung aufneh-

men und sich furchtlos allen Anforderungen stellen. Aber natürlich gibt es auch solche, die dem Gan-

zen eher ängstlich gegenüber stehen und schon beim kleinsten Problem das Handtuch werfen möch-

ten. Diese benötigen umso mehr Unterstützung und Ermunterung seitens der TutorInnen und es

muss ihnen auf jeden Fall das Gefühl vermittelt werden, dass sie nicht alleine sind. Am sinnvollsten

wäre e-Learning sicherlich, wenn es ergänzend zu einem herkömmlichen Sprachkurs gemacht wird.

Die TeilnehmerInnen der Plattform-Kurse werden von den SprachtrainerInnen laufend begleitet. Zu

diesem Zweck stellt die Plattform ein Messaging System zur Verfügung, sowie einen Chatroom, der

es den Lernenden ermöglicht, mit den TutorInnen zu kommunizieren und sich mit den anderen Ler-

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nenden auszutauschen – da durch diese gemeinsame Plattform auch der kulturelle Austausch zwi-

schen den Ländern angestrebt wird, werden die TeilnehmerInnen ermutigt, sich auch mit den Ler-

nenden in den anderen Partnerländern auszutauschen. Ständige Kommunikation mit den Lernenden

besteht auch durch Assignments (Aufgaben) die zwischendurch auf die Plattform gestellt werden. Die

TeilnehmerInnen erhalten dann ein Feedback von den Tutoren. Wichtig ist dabei, dass Feedbacks

„positiv konstruktiv“ sind, d.h. sie sollten nicht „schulmeisterlich“ sein und auf Lob sollte auf keinen

Fall vergessen werden, um Lernende weiterhin zu motivieren. Kommentare wie z.B., „Great effort,

well done!“ „You’re getting better and better!“, etc. - auch wenn die Arbeit mit Korrekturen übersät ist

- wirken immer ermutigend. Zu Trainingszwecken und zum persönlichen Austausch werden zwi-

schendurch auch persönliche Treffen anberaumt.

Bewerbung der Plattform

Es wurde im Zuge der Diskussionen auch die Frage aufgeworfen, wie die Kurse der eLearning Platt-

form beworben werden. Die eLearning Plattform wird über mehrere Wege beworben: z.B. über das

Kursprogramm der Kärntner Volkshochschulen sowie unsere Homepage und Facebook. Des weiteren

werden SprachtrainerInnen gebeten, TeilnehmerInnen mittels Handouts auf die Plattform hinzuwei-

sen und zur Teilnahme zu ermutigen und TeilnehmerInnen von Sprach- und EDV-Kursen werden

auch direkt von uns angesprochen.

Kritik

Es wurde seitens einer Teilnehmerin der Themeninsel die Frage aufgeworfen, ob es nicht eine Res-

sourcenverschwendung des Projekts sei, für eine e-Learning Plattform die Zielgruppe 50+ zu wählen,

da viele ältere Personen wenig Erfahrung im Umgang mit Computern haben. Warum sollte man ältere

Personen zwingen, eine Sprache über eLearning zu erlernen, anstatt in einem herkömmlichen Kurs?

Die Argumente dagegen waren einheitlich: Es gibt immer mehr ältere Personen, die den Umgang mit

dem Computer lernen wollen und sich sehr für neue Technologien interessieren. Auch sollte man 50-

jährige nicht unbedingt als „ältere“ Personen sehen, da viele noch im Berufsleben stehen und sehr

wohl mit Computern arbeiten können. Die Plattform sollte auch nicht dazu dienen, ältere Menschen

dazu zu zwingen, auf diese Form des Lernens umzusteigen. Es sollte jedoch denjenigen, die Interesse

daran haben, die Möglichkeit dazu bieten – und dies auch noch kostenlos! Unsere Erfahrung zeigt

auch, dass immer mehr ältere Personen sich für den Umgang mit Computern interessieren. Das be-

weist schon alleine die steigende Zahl der älteren TeilnehmerInnen in den EDV-Kursen der VHS.

Besonders im Zeitalter des „active aging“ lohnt es sich unbedingt, dieser Zielgruppe die Ressourcen

zur Verfügung zu stellen.

Die Entwicklung dieser e-Learning Plattform ist auf jeden Fall eine große Herausforderung für alle

beteiligten Partnereinrichtungen und ist ein ständiger Lernprozess!

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Tipps zum Thema eLearning:

Technische Einschulung der TeilnehmerInnen vor Kursbeginn

Auswahl von Themen, die für Frauen über 50 von Interesse sind

Laufende Ermutigung und Unterstützung durch die TutorInnen

Einführung eines Messaging System, eines Forums und/oder eines Chatrooms für die Kommu-

nikation zwischendurch

Verstärkung der Kontakte der Lernenden untereinander durch gemeinsame Aufgabestellungen

zwischendurch

eLearning als weitere Option und keineswegs als Zwang!

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Birgit Simschitz

Lernende – Lehrende Während der Schulzeit haben wir alle die Erfahrung gemacht, dass Ältere Wissen und Erfahrung an

Jüngere weitergeben. In der Erwachsenenbildung treffen plötzlich ältere Lernende auf jüngere Unter-

richtende. Die Rollen kehren sich um. In der Auseinandersetzung mit diesem Thema erscheint es

wichtig zu reflektieren, warum das Rollenverhalten so entscheidend ist, welche Positionen sich ein-

nehmen lassen und was es gilt, im Kontext der Lehrrolle zu wissen, zu können oder zu entwickeln.

Warum ist das Rollenverhalten zu bedenken?

Die erste Frage bezieht sich zunächst auf einen rasch zu klärenden gesellschaftlichen Kausalnexus:

Dieser ist durch den demografischen Wandel bedingt und gestaltet durch die Förderung von und die

Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Er wird in den kommenden Jahren dazu führen, dass in den

Sprachkursen der Österreichischen Volkshochschulen immer mehr ältere Lernende von jüngeren Leh-

renden unterrichtet werden. Die ungleich spannendere causa finalis der Antwort liegt jedoch in der

für den Lernerfolg so bedeutsamen, eben wiederentdeckten Persönlichkeit der Unterrichtenden, in die

historische Unterrichtstraditionen wie psychische Muster der persönlichen Entwicklung eingeschrie-

ben sind und einer Reflexion harren.

Ausgangspunkt für die Überlegungen sind dabei im Alltag nicht selten zu hörende Aussagen wie „ich

bin kein Lehrertyp“ oder auch „ich unterrichte auf Augenhöhe“. Die Distanz zur Rolle, die für andere

Berufsgruppen wenn nicht undenkbar, so doch wenig vertrauenserweckend wäre – stellen wir uns für

einen Moment Sätze wie „ich bin kein Anwaltstyp“ oder „ich erstelle Diagnose und Therapie auf Au-

genhöhe“ vor –, begründet sich in der Geschichte der Lehrprofession beziehungsweise genauer in

dem sozialen Status, den Unterrichtende in der Vergangenheit eingenommen haben, und stärker noch

in der allgemein noch diffus wahrgenommenen Macht zur Disziplinierung. Mit ihr wird auf verschie-

denen Ebenen Unangenehmes verbunden. Sei es nun, dass generell mit Michel Foucault der Prozess

der modernen Zivilisation als Maschinerie fortlaufender körperlicher Disziplinierung interpretiert,

dass mit Peter Sloterdijk das Menschsein über die geübte Disziplin, nämlich die Mühen des Exerziti-

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ums definiert wird. Oder, dass Lernende und Lehrende, wie Theodor W. Adorno mit Hinweis auf die

Psychoanalyse bemerkt, in veränderter, doch wiederholender Form erneut in die Konflikte der Eltern-

Kind-Beziehung verwickelt werden.

Der Moment der außergewöhnlichen Spannung in der letztgenannten Erklärung liegt nun darin, dass

die Familienverhältnisse nicht einfach wie im regulären Schulbetrieb für Kinder und Jugendliche re-

petiert und variiert werden, sondern dass sie eine Umkehr erfahren: Unterrichtende stehen vor Ler-

nenden, die ihre Eltern respektive Großeltern sein könnten und nehmen die Position einer Über-Ich-

Figur mit allen zugeschriebenen und nicht zu erfüllenden Idealen ein. Im Unterschied zu vielen ande-

ren Kontakten, in denen Ältere einfach Anweisungen, Empfehlungen und Ratschläge von jüngeren

ExpertInnen annehmen, entfaltet sich das familiäre Spannungselement durch die Dauer des Kontakts

(beispielsweise sind an die fünfhundert Unterrichtsstunden notwendig, um Deutsch als Fremdsprache

auf dem Niveau B1 zu beherrschen). Selbst wenn es unüblich ist, den Spracherwerb vollständig an

eine Lehrkraft zu binden, haben doch die durchschnittlichen Unterrichtseinheiten im Semester das

Potential, Vor- oder auch Unbewusstes zu aktivieren.

Obgleich es keine Möglichkeit gibt, Übertragungen von Lernenden auszuschließen, ist es für Lehrende

wichtig, sich intensiv mit ihrer persönlichen Familiengeschichte auseinanderzusetzen, ohne dass man

je die Gewissheit erlangen könnte, vor Übertragungen von Mustern auf Lernende gefeit zu sein. Den

Überforderungen durch die Über-Ich-Ideale von Lernenden kann man kurzfristig mit der einfachen

Formulierung „Ich weiß das nicht, ich muss das nachschlagen und die Antwort gebe ich Ihnen in der

nächsten Woche “ begegnen.

Arnold Schönberg fordert von Lehrenden den Mut zur Blamage, denn für Lernende sind nicht Un-

fehlbare, sondern unermüdlich Suchende und auch Irrende essentiell für Bildung. Langfristig ist die

Begrenztheit des Wissens in Erinnerung zu halten und der Grenzverlauf zwischen Wissen und Nicht-

Wissen ist von Unterrichtenden immer wieder aufs Neue zu bestimmen. Ist Unberechtigtes aus fami-

liären und früheren schulischen Erfahrungen der Lernenden abgewiesen, bleibt Raum und Zeit für die

Rolle, der in ihrer Konvention – und darauf sollte nicht vergessen werden – eine Entlastungsfunktion

zukommt.

Zusammenfassend begründet sich das Nachdenken über die Rolle durch die bereits eingetretene Ver-

änderung der Altersdifferenz zwischen Lernenden und Lehrenden. Dies führt zu Modifikationen so-

wohl der historisch als auch der psychisch präfigurierten Rolle der Unterrichtenden. Daraus ergibt

sich die zweite Frage nach der Positionierung der Rolle im Kontext von Lehr- und Lernmodellen.

Welche Positionen lassen sich einnehmen?

Der Übersichtlichkeit wegen wird hier grob zwischen einer instruktionalen, einer konstruktivistischen

und einer integrativen Haltung zu Lehren und Lernen unterschieden.

Nach der instruktionalen Auffassung ist es die Aufgabe des Unterrichts, Sprache in ihrem Systemcha-

rakter zu vermitteln. Im Unterricht wird der Weg von der Erklärung, der Theorie zur Umsetzung, zur

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Praxis gewählt. Lehrende geben die Erklärung vorab und sorgen für eine mechanistische Einübung

des neuen Phänomens.

Die konstruktivistische Haltung wird von Lehrenden in schwacher, gemäßigter oder auch starker

Ausprägung vertreten, gemein ist den Ansichten, dass Lernen als Prozess verstanden wird, der aktiv,

ausdifferenzierend und kumulativ ist. Der Unterricht beginnt mit einer komplexen Sprachhandlung

und wird durch Hypothesen auf einfache Elemente reduziert. Die Teilnehmenden erarbeiten die zu-

grundeliegenden Regeln selbst, die Rolle von Lehrenden besteht in der Bereitstellung entsprechenden

Materials und der Schaffung einer gegenstandsorientierten Lernumgebung (etwa mit Portfolios).

Weitere Lehrende setzen auf eine integrative Position und verbinden instruktionale und konstrukti-

vistische Sprachvermittlungselemente. Gestützt auf das besondere Interesse und die Motivation der

älteren Teilnehmenden regen sie Konstruktionen an, geben aber auch Anleitung, Orientierung und

Hilfe. Im Sprachunterricht streben sie so eine Ausgewogenheit von expliziter Instruktion und kon-

struktiver Aktivität von Lernenden an.

Welche Lehrrolle eingenommen wird, hängt vom Menschenbild und der Weltanschauung der Lehr-

person ab, kann jedoch auch eine Entscheidung sein, die im Hinblick auf die konkrete Gruppe, das

Zeitbudget oder das Unterrichtsziel getroffen wird. Das Alter der KursteilnehmerInnen wird dabei

kaum Kriterium sein.

Was gilt es im Kontext der Lehrrolle zu wissen, zu können oder zu

entwickeln?

Die Antwort auf die letzte Frage, was es im Kontext der Rolle zu wissen und zu entwickelt gibt, lässt

sich in dem Europäischen Portfolio für Sprachenlehrende von David Newby und anderen

(http://archive.ecml.at/mtp2/publications/C3_Epostl_D_internet.pdf) finden und zwar nicht in Form

eines fertigen Textproduktes, sondern als unterstützende, systematische Anleitung zur eigenverant-

wortlichen Klärung. Die Publikation des Europäischen Fremdsprachenzentrums trägt auch den schö-

nen passenden Untertitel „Ein Instrument zur Reflexion“. Wenn auch die Kann-Beschreibungen zur

Selbstbeurteilung auf Sprachlehrende in Ausbildung, ihre MentorInnen und den Schulunterricht aus-

gerichtet sind, sind die Kriterien zur Rolle, die in den Bereichen Kontext (Seite 17f.) und Durchführung

einer Unterrichtsstunde (Seite 43) zu finden sind, auf das Thema der veränderten Altersdifferenz zwi-

schen Lernenden und Lehrenden übertragbar. Die Kann-Bestimmungen nehmen Bezug auf die gesell-

schaftliche und die berufliche Rolle in Theorie und Praxis und unterstützen

Diese Sammlung von Anforderungen an die Rolle als jüngere/r Lehrende/r vor älteren Lernenden

fördert die Auseinandersetzung mit dem Thema. Persönliche, mehrmalige Aufzeichnungen über ein-

zelne Punkte über einen selbst gewählten Zeitraum ermöglichen es, die Lernfortschritte auf diesem

Gebiet zu verfolgen und selbst zu beurteilen. Ein/e gute/r Lehrende/r, zu bleiben und ein/e solche/r,

wird durch diesen Prozess nachhaltig unterstützt.

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Literatur:

Adorno, Theodor W. (1969): Tabus über den Lehrberuf. In: Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit.

Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S.70 – 86.

Foucault, Michel (1977): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übersetzt von Walter Seitter.

Frankfurt am Main: Suhrkamp. (=suhrkamp taschenbuch wissenschaft184)

Hattie, John A.C. (2011): Visible Learning for Teachers. Maximizing Impact on Learning. London, New York:

Routledge.

Newby, David et al.: Europäisches Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung. Ein Instrument zur Reflexion.

(2008). Europäisches Fremdsprachenzentrum. Online unter:

http://archive.ecml.at/mtp2/publications/C3_Epostl_D_internet.pdf

Schönberg, Arnold (1911): Vorwort. Harmonielehre. Wien: Universal Edition 2005, S. V – VII.

Tipp: Die Kann-Bestimmungen des Europäischen Portfolios für Spachenlernende:

Ich kann Kursteilnehmenden und anderen den Nutzen und die Vorteile des Sprachenlernens

im Alter deutlich machen.

Ich weiß den Mehrwert zu schätzen, den Lernende verschiedenen Alters in die Gruppe ein-

bringen, und kann daraus einen Nutzen ziehen.

Ich kann das Wissen, das ältere Sprachenlernende bereits besitzen, berücksichtigen und sie

beim Aufbau dieses Wissens beim Lernen weiterer Sprachen unterstützen.

Ich kann auf entsprechende Theorien bezüglich des Sprachenlernens im Alter und auf relevan-

te Forschungsergebnisse zurückgreifen, wenn ich meinen Unterricht gestalte.

Ich bin in der Lage, meinen Unterricht auf der Grundlage von Erfahrung, Feedback von den älteren

Lernenden und Lernergebnissen kritisch zu beurteilen und ihn entsprechend anzupassen.

Ich kann relevante Artikel, Zeitschriften und Forschungsergebnisse in Bezug auf das Lehren

und Lernen von Älteren finden.

Ich kann bestimmte pädagogische bzw. didaktische Themen in Bezug auf ältere Lernende oder

meinen Unterricht durch Aktionsforschung identifizieren und untersuchen.

Die Rolle der Lehrenden im Unterricht benötigt fünf weitere Fertigkeiten:

Ich kann die Aufmerksamkeit der älteren Lernenden während der Unterrichtsstunde aufrecht-

erhalten und maximieren.

Ich kann auf die Initiative und Interaktion von älteren Lernenden reagieren.

Ich kann zu jeder Zeit Anreize zur Teilnahme von älteren Lernenden setzen.

Ich kann eine Reihe von altersgerechten Lernstilen ansprechen.

Ich kann den älteren Lernenden geeignete Lernstrategien verdeutlichen und sie bei der Ent-

wicklung dieser Strategien unterstützen.

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Die Autorinnen Mag.a Beatrice Baglioni Greilberger ist langjährige Kursleiterin für Italienisch an der VHS Graz und

an der Urania Graz.

VHS-Dozentin Mag.a Catherine Castellani ist langjährige Kursleiterin für Französisch, Kustodin

für Französisch an der VHS-Steiermark.

Mag.a Alexandra Edlinger arbeitet an der Fertigstellung ihrer Dissertation zum Fremdsprachen

Lernen im Alter an der Karl-Franzens Universität Graz. Sie untersucht wie erfolgreiches Lernen im

Alter in den Dynamiken sozialer, linguistischer und psychologischer Faktoren stattfinden kann.

Marion Grein, Privatdozentin, ist habilitierte Leiterin des Masterstudiengangs Deutsch als

Fremdsprache an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit

sind die Sprachlehrforschung, Deutsch als Zweitsprache, Interkulturelle Kommunikation

sowie Multimedia und E-Learning. Sie ist 1. Vorsitzende des Kontaktstudiums Fremdspra-

chen für Erwachsene - Sprachandragogik. Aufgrund ihrer Sozialisation in Japan bietet sie

darüber hinaus zahlreiche Veranstaltungen im Bereich Japan und japanischer Kultur an.

Ines Holme ist seit 2007 an den Kärntner Volkshochschulen tätig, wo sie zuerst als Englisch-

Trainerin und Zweigstellenleiterin der VHS Paternion-Feistritz/Drau arbeitete. 2009 übernahm sie

die Koordination der Bezirksstelle Spittal/Drau mit 5 Zweigstellen. Sie ist außerdem Projektkoordina-

torin der Grundtvig Lernpartnerschaft “New E-Learning Platform for Adult Education” (NELPAE).

Sie lebte 25 Jahre in England und kehrte 2006 nach Österreich zurück.

Andrea Rainer studierte Italienisch/Deutsch Lehramt Uni Innsbruck, sie absolvierte Studienaufent-

halte in Rom und Fortbildungen des VÖV im Didaktikbereich. Seit 1989 ist sie Kursleiterin für Italie-

nisch an der VHS Innsbruck. Seit 2010 ist sie zertifizierte Trainerin in Fortbildungsseminaren der

Volkshochschule Innsbruck und im SAPA-Zertifikatslehrgang für SprachkursleiterInnen des Verban-

des Österreichischer Volkshochschulen.

Mag.a Silke Rinnerthaler studierte Italienisch und Geschichte Lehramt. Sie ist Trainerin für Italie-

nisch und Spanisch und seit 2010 Fachbereichsleiterin Sprachen an der Volkshochschule Salzburg.

Mag.a Birgit Simschitz unterrichtet nach Schulpraktikum und Lektorat in der Slowakei als Erwach-

senenbildnerin DaM (Deutsch als Muttersprache) und als Lehrbeauftragte DaF (Deutsch als Fremd-

sprache) bei treffpunkt sprachen an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Mag.a Isabella Wachter ist Universitätslektorin, langjährige Kursleiterin für Deutsch als Fremd-

sprache, Aus-und Weiterbildnerin für SprachkursleiterInnen in Graz.

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KooperationspartnerInnen...

… und TeilnehmerInnen Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit und die aktive Beteiligung!