Endokrine Gesichtspunkte der exophthalmischen Ophthalmopathie

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  • KLI NISCHE WOCHENSCHRIFT 36. JAHRGANG, HEFT 4 15. FEBUAR 1958

    UBERSICHTEN

    END 0 KR[NE GESICHTSPUNKTE DER EXOPHTHALMISCHEN OPHTHALM 0PATHIE Von

    EDWARD ROS]~ *, Philadelphia, Pa.

    Der Ausdi'uck ,,Ophthalmopathie ' soll im ~ahmen dieser Diskussion auf eine Gruppe yon Vergnderungen der Augen, ihrer Adnexe, der Lider sowie auf intraorbitale Vergnderungen hinweisen, die hgufig mit Sehilddriisendysfunktion einher- gehen. Diese Ver~inderungen umfassen ExophthMmus, 0dem, Retraktion nnd Pigmentierung der Lider, Prominenz der Trgnendriisen, sowie eine Anzahl anderer Abnormit~ten, die in versehiedener Zusammenwirkung und Ausdehnung die Bindehaut, die :Xetzhautgefgl3e, die Sehnerven, die ~nl3eren Augenmuskeln and andere Orbitalgewebe befallen. Man hat dieses Syndrom unter Bezeiehnnngen wie progressiver, ma- ligner, thyreotropiseher oder endokriner Exophthalmus, hyper- ophthalmopathisehe Basedowsehe Krankheit, ophtbalnlo- plegischer Exophthalmus and infiltrative Ophthalmopathie besehrieben. Wir werden die Pathologie, den klinischen Ver- lauf and seine Abweichungen, die Beziehungen zu Sehild- driisen- and anderen endokrinen StSrungen, die :~tiologie und Pathogenese, die Diagnose und die Behgndlung dieses Syn- droms bespreehen.

    Patholoqie Die pathologisch-anatomisehen Vergnderungen kSnnen

    sehr voneinander verschieden sein. Sie k6nnen von leiehtem Exophthal.m.us und geringer getr~ktion der Lider his zu extremem Odem und Infiltration der retrobulbaren Gewebe, der auBeren Augemnuskeln, der Bindehaut und der Lider reiehen, verbunden mit Protrusion des Augapfels und zur Blindheit ftihrenden intraocularen StSrungen. Als Ergebnis einer chronischen Obstruktion des venSsen und lymphatischen Abflusses oder einer Infiltration mit verdr~ngtem Orbitalfett sind die Lider oft pigmentiert und verdickt. Ihre Beweglichkeit kann geseh~digt sein und als ~olge davon die Hornhaut nicht mehr gesehiitzt werden. Dies wiederum kann zu Ulceration und Perforation der Hornhaut mit Infektion der Vorder- kammer und Panophthalmie fi~hren. Stauung und Chemosis der Bindehaut kSnnen bewirken, d~g die Oonjunctiva aus der Lidspalte hervorquill~. Die Trgnendriisen kSnnen vergr6$ert oder vorgedrgngt sein. Die ~nBeren Augenmnskeln kSnnen abnorm diinn and bandfSrmig sein, mit verschieden aus- gepr~gter Funktionsschw~che oder vollstgndiger Lfihmung. Das Anftreten soleher Veriinderungen ohne weitere Merkmale einer Ophthalmopaffnie, ausgenommen Lidretraktion nnd .E. xophthalmus, warde yon einigen Autoren als lokalisierte AuBerung einer thyreotoxisehen Myopathie angesehenL In anderen FMlen werden die guBeren Augenmuskeln 5dematSs und yon Rundzellen und von FetttrSpfchen enthaltenden Makrophagen infiltriert. Hyaline Degeneration nnd t~rag- mentation kSnnen auftreten, die Kontraktilitgt der Muskeln wird geseNidigt, sie kSnnen sieh enorm vergrSl~ern und so noeh mehr zur Verlegung des venSsen Abflusses beitragen.

    Die Yeriinderq.ngen in den retrobnlb~ren Geweben der Orbita k6nnen in Odem, Infiltration mit lgundzellen und mit FetttrSpfehen enthaltenden Makrophagen bestehen und paradoxerweise, eine Vermehrung des Fettgewebes mit sieh bringen ~. Fettablagerungen in den Lidern and den ~ugeren Augenmuskeln sind besehrieben worden und gelegentlieh kann Fett dureh 0ffnungen im Septum orbitale vorfallen und sieh unterhalb der Lider und der Conjunctivae ~nsbauchen. Es gibt Beweise dafiir, daI3 beim experimentellen Exophthalmus das 0dem ~uf Grnnd einer besonderen hydrophilen Eigen- sehaft des 0rbitalfetts entstehen kanna. Beim experimentellen Exophthalmns am Meerselaweinehen warden erhShte Nen- gen yon Protein-Mueopolysaeeharidkomplexen, einsehlieBlieh Hyalurons~ure, gefunden~; man nimmt an, dab sie yon proli- ferierenden Mastzellen sezerniert worden sind. Die Steigerung

    * Professor ftir Klinische Medizin an der ~JEedizinischen Fakultgt der Vniversit/it vml Pennsylvania und Chef der Endokrinen Abteilung der 5Iedizinisehen Klinik am ttospital der Universit~b yon Pennsylvania.

    Xlin. Wschr., 86. Jahrg.

    des intraorbit~len Druckes ist wahrscheinlish die Haupt- ursaehe des Exophthalmus beim Menschen, sie kann am Widerstand, der sich dem Zuriickdriieken des Augapfels ent- gegenstellt, demonstriert oder dutch Orbitonometrie annghernd gesch~tzt werden.

    Der Grad des Exophthalmus steht in keiner konstanten Beziehung zur Ausdehnung oder Schwere der Vergnderungen in den Lidern oder den Adnexen. AuBer PanophthMmie kSnnen an ernsten intraoeutaren St6rungen auch noch Glau- kom, NetzhautablSsung, Thrombose der Netzhautgef~ge, PapillenSdem und Sehnervenatrophie auftreten. ZentrM- skotome kSnnen gefundsn werden nnd das zentrale Seh- vermSgen kann ohne siehtbare Ver~nderungen im Sehnerven- kopf verschlechtert sein. Druck auf den Sehnerv, Spanmmg durch Dehnung oder intraneurale fibrillgre Ver~inderungen als Folgen eines 0dems kSnnen fiir solche Sehdefekte verant- wortlich sein. In seltenen F~llen kann der intraorbitMe Druek so groB werden, dM3 der Augapfel vollst~ndig aus der Orbita verdrgngt wird. Diesen oben besehriebenen Vergnderungen kSnnen nach einigen Monaten oder Jahren bleibende Fibrose, vermehrte :Bindegewebsbildung und starke oder granuloma- tSse Induration der retrobulbgren Gewebe (Pseudotumor), zusammen mit irreversiblem Exophthalmus und Funktions- stSrungen der guBeren Augenmuskdn folgen.

    t~linischer Verlau[ Der klinische Verlauf kann ziemlich mannigfaltig sein.

    Eine leichte Lidretraktion oder ein Exophthalmus k6nnen in diesem Stadium verbleiben and nieht mehr als ein kos- metisehes Problem darstellen. Andererseits k6nnen diese Ver~nderungen mehr oder weniger rasch bis zur schwersten infiltrativen Form fortschreiten, entweder spontan oder nach Thyreoidektomie auf Grund yon Thyreotoxikose. Das Vor- herrsehen soleher Symptome wie Tr/inenfluB, konjunktivale Reizerscheimmgen oder ein Gefiihl der ,,Spannung" in den Lidern oder im Augapfel lggt ~uf das Herannahen progressiver infiltrativer Vergnderungen schliegen. Diese Symptome ver- schlimmern sich gew5hnlieh durch Schlafen auf dem Bauch oder auf dem Rficken. Manchmal entwickelt sich die schwerste Form rasend schnell ohne Vorboten. Der Exophthalmus ist oft, manchmM sehr ausgeprggt, asymmetrisch und kann gelegentlich fiir !ange Zeit oder wghrend des ganzen Krank- heitsverlaufs einseitig bleiben. Die .Ophthalmopathie steht gleichfalls in keiner bestimmten Beziehung zur Schwere oder zum klinischen Verlauf der sie gewShnlieh begleitenden Thyreotoxikose. Im allgemeinen pflegen die sehwereren Formen der Ophthalmopathie nach pl6tzlicher Beseitigung des Hyperthyreoidismus dureh Thyreoidektomie oder medika- ment6se antithyreoide Behandlung aufzutreten oder re> schlimmert zu werden. In manchen F~tllen geht jedoch die Ophthalmopathie dem Beginn der Thyreotoxikose voraus oder tritt bei Patienten auf, die ausgesprochen euthyreoid er- scheinen. Wit haben einige Falle beobaehtet, bei denen der Hyperthyreoidismus die Ophthalmopathie yon Anf~ng an begleitete. Wenn die Thyreotoxikose mit den Augenver- gnderungen zusammen anftritt oder ihnen vorangeht, ist sie fi~r gcw6hnlich eher mit einer diffusen SehilddrSsenhyper- plasie als mit einer toxischen nodul~ren oder adenomatSsen Hyperplasie verbunden. Die eigentiimlichen lokMisier~en myx6demat6sen Ver~nderungen, die manchmal in den pra- tibialen Hant- und Subeut~ngeweben yon P~tienten mit beginnender, teilweise gemilderter oder leiehter chroniseher Thyreotoxikose zu beob~chten sind, gehen fiir gewShnlich mit OphthMmopathie einher. Es ist d~rauf hingewiesen worden, daft diese beiden Erscheinungsbilder eine gemeinsame Atiologie hubert kSnnen 5. Die Versehiedenheit zwischen der Ophthalmo- pathie einerseits and den anderen Manifestationen der Base- dowsehen Krankheit andererseits erinnert an die Definition

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  • 146 EDWAI~D t~OSE: Endokrine Gesichtspunkte der exophthMmisehen Ophthalmopathie XlinisChe Wochenschrif~

    yon Means. Er bezeiehnet die Basedowsche Krankheit als ,,eine konstitutionelle StSrung unbekannten Ursprungs, die in ihrer yell ausgebildeten, klassischen ~orm dureh Sehild- drfisenhyperpIasie, Hyperthyreoidismus oder Thyreotoxikose and dureh einen ganz besonderen Typ der OphthMmopathie, zusammen mit .~usgedehnten Ver~nderungen in anderen Systemen des KSrpers gekennzeichnet ist". I~laeh dieser Definition k6nnen wir uns das ]~estehen der ophthalmo- pathisehen Komponente ohne die thyreotoxisehe, und um- gekehrt, vorstellen. Exophthalmus leiehten oder m~igen Grades sieht man aueh gelegentlich beim Morbus Cushing und bei endokrinen Tumoren des tIypophysenvorderlappens.

    Die schwere infiltrative Form der Ophthalmopathie kann sieh ohne ersiehtliehen Grund verschlimmern, bessern oder wiederauftreten. Wir haben die allgemeine Tendenz beob- achtet, dal~ auf die infiltrative, kongestive oder ,,aktive" Phase eine station~re Phase folgt, in deren Verlauf bleibender ExophthMmus and eine dauernde Seh~digung der Muskel- funktion auf Grund der oben erw~hnten, irreversiblen Ver- ~nderungen in der Orbita und an den Adnexen entstehen. Jedoch k6nnen aueh in der, ,aktiven" Phase eine oder mehrere spontane Remissionen oder Versehlimmerungen auftreten und zur Beeintrachtigung der Sehkraft f[~hren, ehe die station~re Phase erreieht wird. Im Gegensatz zum a]lgemeinen Uber- wiegen des weiblichen Gesehleehts im ungefghren Verh~ltnis voa 4:1 bei der Basedowschen Krankheit tritt sehwere Ophthalmopathie mit relativ grSBerer H~nfigkeit bei M~nnern auf und wird meist naeh dem 40. Lebensjahr angetroffen. Bei leiehten F~tllen, die haupts~chlieh ExophthMmus and Lid- retraktion zeigen, kann eine Abnahme der Lidretraktion naeh Beseitigung der Thyreotoxikose den fMsehen Eindruek hervor- rufen, dM~ der ExophthMmus zuriiekgegangen sei. Jedoeh haben etliche sorgf~ltige Untersuehungen bewiesen, dab der ExophthMmus selten zuriiekgeht und tatsaehlieh nach Thy- reoidektomie~ oder naeh Anwendung antithyreoider Medi- kamente ~ sieh mehr oder weniger zu verschlimmern pflegt. Bei der sehweren infiltrativen Form der OphthMmopathie kann der Exophthalmus entweder spontan oder naeh Be- h~ndlung um 5 mm oder mehr zuriiekgehen, aber unsere Erfahrung lehrt uns, dab ein Exophthalmus dieser Art, einmM bestehend, selten vollst~tndig zuriickgeht. Gliicklicherweise haben wir weder vollst~ndige Dislokation des Augapfels noch Meningitis oder einen HirnabsceB gesehen, welehe als gelegent- liche Komplikationen besehrieben worden sind. Unser ein- ziger Fall yon totMer dauernder Erblindung ereignete sich naeh Infektion der Vorderkammer and PanophthMmie, welehe eine Enueleation erforderlich maehte.

    .~tiologie and Pathogenese Die Atiologie der endokrinen OphthMmopathien bleibt

    trotz einer betr~ehtlichen Anzahl experimenteller, anatomischer und pathologiseher Studien im I)unkeln. Die Deutung yon Tierexperimenten wurde dureh die Artversehiedenheiten und durch die Sehwierigkeit, v611ig gereinigte Hypophysenhormon- pr~parate zu erhMten, behindert. MULVA~E s sehlug vor, 2 versehiedene OphthMmopathie-Typen zu unterscheiden, die ,,thyreotoxisehe" and die ,,thyreotropische". Er nahm an, dM~ die erstere dureh die Wh'kung fiberm~Big abgesonderten Sehilddrfisenhormons auf das sympathisehe Nervensystem und die ~uBeren Augenmuskeln entsteht und sich in Lid- retraktion, Verdfinnung und Sehw~ehe der Muskehl sowie in ExophthMmus ohne 0dem oder infiltrative Ver~nderungen ~ul~ert. AuSer gelegentlichem Doppeltsehen sollten dabei keine Ver~nderungen des SehvermSgens auftreten. Die l~rognose wurde als gut angesehen, da eine Besserung der Symptome nach Beseitigung des Hyperthyreoidismus zu erwarten ist. Die sog. ,,thyreotropische" Ophthalmopathie sollte durch eine unbehinderte Wirkung thyreotropen t{ypophysenhormons auf die ~ul]eren Augenmuskeln und die OrbitMgewebe ent- stehen. Der Hyperthyreoidismus, wenn vorhanden, war leiehten Grades, seine therapeutisehe Beeinflussung ver- sehlimmerte oft die OphthMmopathie. (Sdeme und infiltrative Ver~nderungen waren hervorsteehend und progressiv, als Folge davon bestand die Gefahr einer Augenseh~digung. Obwohl diese Auffassung in bezug auf die klinisehe Einteilung gewisse Vorteile bietet und diese Terminologie noeh ziemlieh hgufig verwendet wird, treten die gegenw~rtigen Theorien fiber die Entstehungs~tiologie fiir einen einzigen pathogene- tischen Meehanismus ein, und Variationen im klinisehen Bild werden im Mlgemeinen mehr Ms quantitutiv, weniger als quMitativ angesehen. ~Nachdem es gelungen war, dutch Injektion yon tIypophysenextrakten einen experimentellen

    ExophthMmus zu erzeugen, ffihrte eine Reihe sp~terer Experi- mente zu dem SehluB, dM~ das Thyreotropin die verantwort- ]iehe Komponente sei. Die Gfiltigkeit dieser Untersuehungen wird jedoeh wegen der fragliehen l%einheit des thyreotropen Materials angezweifelt. Die MSgliehkeit einer Verunreinigung durch eine noeh nicht identifizierte, spezifiseh ophthalmo- pathisehe Substanz mul~ in Betraeht gezogen werden. Vor- handenes BeweismateriM l~iBt darauf sehliel~en, dM~ soleh ein veto Hypophysenvorderlappen sezerniertes, besonderes hor- monMes Prinzip (Exophthalmus produzierende Substanz oder EPS) in irgendeiner Weise ffir die infiltrativen Ver~nderungen und Odeme in den OrbitMgeweben and den au~eren Augen- muskeln, welehe dureh steigenden intraorbitMen Druek das I-Iervortreten des Augapfels bedingen, verantwortlieh sein kanng, 10 Daraus sieh ergebende Verlegung des venSsen und vielleicht aueh des lymphatisehen Abflusses, sowie die Ver- dr~ngung des Orbitalfetts in die 0berlider kSnnen aggra- vierende Faktoren sein. Beim thyreotoxisehen Mensehen ist es mSglieh, da[~ die excessive sympathetisehe Stimulation der glatten Muskelfasern im Oberlid (des Landstromsehen Muskels) bei der Entstehung der reversiblen Lidretraktion eine gering- fi~gige Rolle spielt, und dal~ Verdiinnung und myopathische Ver~nderungen in den ~uSeren Augenmuskeln gelegentlich zur StSrung des Augenmuskelgleichgewiehts beitragen kSnnen. Es bleibt ungewi~, ob die Schilddrfisenhormone, das Cortieo- tropin, die Nebennierer~rindensteroide und vielleicht eine !Jber- empfindliehkeit dureh Autoimmunisation mit OrbitMgewebe eine begi~nstigende l%olle spielen. Die hypothetisehe, einen ExophthMmus hervorrufende Substanz (EPS) ist noeh nicht identifiziert worden und ihre mSgliehen quantitativen oder quMitativen Beziehungen zu Thyreotropin entziehen sieh naeh wie vor unserer Kenntnis. Pri~fungen des Serumthyreotropin- gehMtes yon Patienten mit endokrinen OphthMmopathien haben schwankende Werte ergeben. Wir wissen ebenfalls nieht, ob EPS ein abnormes Sekretionsprodukt ist oder eine nor- male Absonderung des Hypophysenvorderlappens darstellt, die nach AnsfM1 eines hemmenden Faktors die Ver~nderungen der Ophthalmopathie hervorruft. Experimentelle Ergebnisse lassen annehmen, da~ Corticotropin und Nebennierenrinden- steroide nieht direkt zur Bildung eines Exophthalmus f~hig sind, obwohl sic sein Auftreten n~eh Injektion gewisser Hypo- physenvorderlappenextrakte begfinstigen kSnnen. Die Ver- zwiektheit dieses Problems wird veranschaulieht durch eine vet kurzem ersehienene Arbeit n fiber die experimentelle Erzeugung eines Exophthalmus mit Tri-jodothyronin und getroekneter Sehilddriisensubstanz an der gleichen Fisch~rt (Fundulus), bei der ein Exophtha]mus aueh dureh Hypo- physenvorderlappenextrakte and Sera yon Patienten mit endokriner Ophthalmopathie, welche aller Wahrseheinlichkeit nach die hypothetisehe, ExophthMmus produzierende Sub- stanz (EPS) enthalten, hervorgerufen wurde.

    Diagnose Diese Art der Ophthalmopathie wird in den meisten F~illen

    an den sie begleitenden Thyreotoxikoseerscheinungen leicht erkannt. Jedoeh kann bei Fehlen der Thyreotoxikose die Diagnose gelegentlich Schwierigkeiten bcreiten, besonders wenn der ExophthMmus deutlich asymmetrisch oder einseitig ist. Die Anzeiehen oder Symptome an den Augen werden manchmM irrtfimlieh fiir allergische Erscheinungen gehalte1~. In diesem Zusammenhang ist es wissenswert, dM~ viele Patienten mit endokriner Ophthalmopathie fiir Allergie oder lokale Kontaktiiberempfindliehkeit bezeiehnende Vor- gesehichten angeben. Lid- oder PeriorbitalSdeme kSnnen bei Nierenleiden, Triehinose oder chroniseher Arsenvergiftung vorkommen. Doppelseitiger ExophthMmus kann ein Begleit- symptom einiger Histiocytoseformen sein (Hand-Sehfiller- Christiansehe Erkrankung). Eine Vielzahl pathologiseher Vor- ggnge mul~ bei der Differentialdiagnose des einseitigen oder deutlieh asymmetrischen ExophthMmus beriicksichtigt wer- den, wie die Thrombose des Sinus cavernosus, der pseudo- inflammatorische Orbitaltumor und verschiedene andere raumverdrgngende Lgsionen der Orbita wie Neurofibrome, Hgmangiome, Osteochondrome, Aneurysmen usw. Rezi- divierender idiopathiseher, einseitiger ExophthMmus mit eyelisehen Versehlimmerungen ist besehrieben wordenlK Leiehter Exophthalmus kann bei einzelnen Patienten mit essentieller Hypertonie auftreten. Individue]le, familigre oder rassisehe Verschiedenheiten in der Prominenz der Augapfel kSnnen pathologischen Exophthalmus vortguschen. K~SEUL und Mitarbeiter 13 baben als Hilfsmitte] zur Differentialdiagnose Adrenocorticotropin und gro[~e Dosen Cortison empfohlen.

  • fig. 36, Heft 4 EDWARD l~oss: Endokrine Gesiehtspm~kte der exophthalmischen:Ophthalmopathie 147 15. Februar 1958

    Sie berichteten, daJ3 diese Agentien beim endokrinen Ex- ophthalmus, durchwegs ein vortibergehendes Zuriiekweiehen bewirkten, jedoeh beim durch Gewgchse der Orbita ver- ursachten Exophthalmus versagten. Die Niitzlichkeit eines solehen Tests scheint tinter anderem yon der Phase der Oph- thalmopathie (aktiv oder stationgr), in der er angewandt wird, abhgngig zu sein. Weitere, seinen Wert bestgtigende Mit- teilungen wgren erwiinscht.

    Behandlung Die zahlreichen angewandten Behandlungsmethoden grup-

    pieren sich in folgende, die den Zweck haben, a) die Aktivitgt dos Hypophysenvorderlappens oder des

    Hypothalamus, bzw. beider zugleieh, zn hemmen; b) Augapfel und Hornhaut, wenn gugeren Einfliissen aus-

    gesetzt, zu s chiitzen und das Augenmuskelgleichgewieht wieder- herzustellen;

    c) den intraorbitalen Druck durch 5rtliche, druckent- lastende Operationen, allgemeine Entwgsserung oder Be- riehtigung der K6rperhaltung zu beseitigen;

    d) 6rtiichen Vergnderungen des Orbitalgewebes entgegen- zuwirken.

    Alle therapeutischen MaBnahmen sind wegen der vorher erwghnten spontanen Schwankungen des Krankheitsbi]des wertmgl~ig sehr schwierig abzuschgtzeno Man sollte jeden Behandlungsversuch jedoeh vor dem Einsetzen der statischen Phase mit ihren hTeversiblen Vergnderungen unternehmen.

    a) Auf die Hypophyse und den Hypothalamus hin gerich- fete Mittel nnd Verfahren umfassen Bestrahlung dieser Ge- genden; stabiles Jod; groge Dosen Sehilddriisenhormons ein- sehlieBlich Tri-jodothyronin; Oestrogene; Androgene; Cortieo- tropin intraven6s; Cortison und in fortschreitenden Fgllen mit Gefahr der Erblindung Durehtrennung des Hypophysenstiels oder ZerstSrung des Hypophysenvorderlappens durch Kau- terisation oder Hypophysektomie.

    b) ~)rtliehe Sehutz- oder KorrekturmaBnahmen umfassen die Anwendung yon Uhrglasverbgnden, Eintropfen Niger L6sungen, Vernghen der Lider, Excision iiberflfissiger Binde- haut und verschiedene ko~Tigierende Operationen an den Augenmuskeln, wenn dureh Kontrakturen Doppeltsehen auf- getreten ist.

    e) Konservative Versuehe zur Senkung des intraorbitalen Drueks sind mit Diuretieis wie Ammoniumsalzen tmd Queck- silberverbindungen unternommen worden. Eine ErhThung -con Kopf und I~nmpf auf 450 wghrend des Sehlafs kann die ngchtliehe Flfissigkeitsansammlung teilweise verhfiten. Meh- rere chirurgische MaBn~hmen sind zur I)ruekentlastung der Orbita empfohlen worden. Sie umfassen die Entfernung yon Teilen des Orbitalbodens trod der lateralen knTehernen Wand sowie versehiedene Methoden zur teilweisen Entfernung des Orbitaldachs nnd der posterolateralen W~nde ~a.

    d) In der Hoffnung auf Milderung des 0dems nnd der Infiltration in Zell- und Bindegewebe,. Fettgewebe and Muskeln ist die Bestrahlung der Orbitae angewandt worden. In diese Kategorie kann aueh die Anwendung intraven6sen Cortieotropins und grol3er Dosen yon Nebennierensf.eroiden (Cortison) aufgenommen werden, die bei sehnell fortsehrei- tenden Fgllen manehmal dramatisehe, vorteilhafte Wirkungen auszufiben vermTgen. Die Injektion yon Hyaluronidase in die Orbita ist aueh versueht worden.

    Wir haben die Wirkungen aller obengenannten Behand- lungsweisen, ausgenomnmn die direkten Operationsmethoden an der Hypophyse und ihrem S~iel, die Orbitalbestrahlung und die Injektion yon Hyaluronidase in die Orbita, beobaehtet und finden es schwierig, ein Urteil abzugeben. Jeder Behand- lungsplan mug anpassungsfghig sein, um je nach Saehlage Abgnderungen in den Behandlungsvorschriften zu ermOglichen. Wir haben gefunden, dab Sehlafen in halb erh6hter Lage oft symptomatiseh niitzlieh ist. Uhrglasverbfinde, Eintropfen 61iger LTsungen sowie Vernghen der Lider kOnnen yon begrenztem Wert sein. Allgemeine Diuretica sind unwirksam. Bei den meisten unserer dureh Hypophysenbestrahlung behan- delten Patienten zeigte sich danach eine Besserung, welche jedoch nieht unbedingt in kausalem Zusammenhang dazu stehen muB. Wir haben es aufgegeben, Oestrogene und .4n- drogene zu verwenden. Wir verabreiehen weiterhin Sehi!d-

    drfisenhormone (z. Z. Tri-jodothyronin) in Dosen bis zur Toleranzgrenze. Unsere Erfahrung mit intraven6sem Cortieo- tropin und grogen Cortisondosen war nicht ermutigend, trotz einiger eindrucksvol]er Mitteilnngen 15. Bezfiglich des Wertes lind der richtigen SteRe einer druekentlastenden Operation an der Orbita bestehen betrgcht]iehe Meinungsverschieden- heiten, wir halten sic abet immer noeh ffir die letzte Zufluchts- mal?nahme nnd haben sie selten angewandt.

    Angesiehts einer sehweren oder einer drohenden infiltra- riven Ophthalmopathie sollten MaBnahmen, die eine rasehe Hemmung der begleitenden Thyreotoxikose bewirken, wie z. B. Thyreoidektomie odor groge Dosen antithyreoider Medi- kamente, vermieden werden. Es ist unwahrscheinlieh, dab naeh Anwendung radioaktiven Jods eine Versehlimmerung der Ophthalmopathie eintritt, vielMeht weil dessert Kin- wirkungen guf die Sehilddriisenfunktion ftir gew5hnlieh all- mghlich vor sich gehen. Wenn aus irgendeinem Grunde radioaktives Jod nieht angewandt werden kann, kann die Thyreotoxikose durch langfristige Verabreiehnng antithyreo- ider Verbindungen in Dosen behandelt werden, die ausreichen, um ein euthyreoides, aber nieht ein hypothyreoides Stadium zu schaffen. In Verbindung mit einer solehen Behandlung kSnnen Schilddrtisenhormone in Dosen bis zur Toleranz- grenze, zus~mmen mit intermittierender, kurzzeitiger Ver- abreiehung stabilen Jods, angewandt werden. Der Be- handlungspl~n muB, den Umstgnden gemgB, ffir jeden Pa- tienten individuell aufgestellt werden.

    Zusammen/assung. Die besonderen Augenver/inderungen, welehe gewThnlieh mit einer Schilddriisendysfunktion einher- gehen und die Auggpfel und ihre Adnexe, die Lider und die Strukturen der Orbit~ ergreifen, wurden nnter besonderer Berficksiehtigung ihrer endokrinen Gesiehtspunkte betraehtet. Die pathologisehen Vergnderungen und die klinisehen Be- ziehungen wurden besehrieben, die gegenwgrtigen Theorien fiber )~tiologie und P~thogenese besproehen, sowie Differential- diagnose und Therapie erlgutert. Das gegenwgrtige Beweis- material deutet an, dag eine spezifische, abet noeh nieht identffizierte, vom Hypophysenvorderlappen sezernierte, Ex- ophthalmns produzierende Substanz (EPS) in irgendeiner unbekannten Weise ffir die pathologischen Vergnderungen in den Lidern, den Adnexen und den Orbitalgeweben, welehe wiederum Exophthalmus, StTrung des Augenmuskelgleieh- gewichts und versehiedene Vergnderungen am Augapfel be- wirken, verantwortlieh sein kann. Diese pathologisehen Ver- gnderungen umfassen 0dem, Zellinfiltration, Zunahme der Fettablagerungen und wahrseheinlieh aueh die abnorme Ablagerung yon Protein-Mucopolysaeeharidkomplexen, die yon Mastzellen sezerniert wurden. Diese Vergnderungen pflegen spgter in irreversible Fibrose, Bindegewebszunahme, permanente Proptose und )/iyopathie der Augenmuskeln fiber- zugehen. Der Minische Verlauf der Ophthalmopathie ist sehr mannigfaltig und nicht vorauszusagen, mit spontanen Ver- schlimmerungen und Besserungen. Diese MannigfMtigkeit bereitet bei der Beurteilung der versehiedenen Arten der ~ngew~ndten Behandlung grol~e Sehwierigkeiten. Diese Be- handhmgs~rten wurden im Liehte unserer persSnliehen Er- fahrung betraehtet.

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