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Energieerzeugung durch Fusion von Simon Friederich Institut f ¨ ur Kernphysik Johannes Guttenberg Universit¨ at Betreuer: Dr. Harald Merkel 5. Dezember 2011

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Energieerzeugung durch Fusion

von Simon Friederich

Institut fur Kernphysik

Johannes Guttenberg Universitat

Betreuer: Dr. Harald Merkel

5. Dezember 2011

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1 Kernfusion

1.1 Energieerzeugung durch KernfusionDie Masse von Atomkernen ist stets kleiner als die Masse der Summe der einzelnen Nukleonen, d.h.die Summe aller Protonen und Neutronen, im Atom:

MAtomkern <∑

p, n ∈ Atom

(mp + mn) (1)

Die dadurch entstehende Massendifferenz ∆m kann uber Einsteins Relation E = m · c2 als Bindungs-energie interpretiert werden:

B =(Z · mp + (A − Z) · mn − M (A,Z)

)· c2 (2)

Hier ist Z die Kernladungszahl und A die Massenzahl des betrachteten Atoms der Masse M(A,Z).

Abbildung 1: Mittlere Bindungsenergie pro Nukleon uber Anzahl der NukleonenQuelle [1]

In Abbildung 1 ist die mittlere Bindungsenergie pro Nukleon uber die Anzahl der Nukleonen aufge-tragen. Man kann hier sehen, dass Energie durch Kernfusion leichter Kerne und durch Kernspaltungschwerer Kerne freigesetzt werden kann, solange die Bindungsenergiedifferenz positiv ist (z.B. beider Fusion von D + T, nicht aber von 4He + Li).

1.2 Deuterium-Tritium-ReaktionDie Deuterium-Tritium-Reaktion ist fur die Anwendung in Kernfusionskraftwerken am besten ge-eignet, da sie nicht nur eine große Energiemenge freisetzt, sondern vorallem auch den hochsten Wir-kungsquerschnitt aller vergleichbaren Reaktionen aufweist.

D + T −−→ 4He(3, 5 MeV) + n(14, 1 MeV) (3)

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Bei der Deuterium-Tritium-Reaktion fusionieren Deuterium (schwerer Wasser-stoff) und Tritium (uberschwerer Wasserstoff) zu einem 4He-Atom und einemNeutron. Die freiwerdende Energie von 17,6 MeV wird in Form kinetischerEnergie an die Fusionsprodukte abgegeben.Die Bedingungen fur eine Kernfusion sind nicht einfach zu erreichen, da dieCoulombabstoßung zwischen den Reaktionspartnern zuerst durch genugend

hohe Energien uberwunden werden muss. In diesem Energiebereich besitzten die Deuterium- undTritiumatome soviel Energie, dass Elektronen und Atomkerne voneinander getrennt existieren. Die-sen Zustand bezeichnet man auch als Plasma. Im Folgenden Abschnitt wird auf eine gewinnbringendeFusionsbedingung, das sogenannte Lawson-Kriterium, eingegangen.

1.3 Lawson-KriteriumDamit eine Kernfusion uberhaupt erst wirtschaftlich genutzt werden kann, muss die Bilanz zwischenbenotigter und gewonnener Energie stimmen. Das nach seinem Entdecker John Lawson benannte Kri-terium liefert eine Bedingung, bei der diese Bilanz gerade Null ist, d.h. die von außen aufgebrachteEnergie entspricht gerade der gewonnenen, man sagt auch ”der Fusionsprozess tragt sich selbst“.

Das Kriterium kann wie folgt hergeleitet werden (siehe [2]):Im quasineutralen Plasma sind die Dichten der Ionen des Deuteriums bzw. des Tritiums nd,t imortlichen Mittel gleich der Elektronendichte:

nd + nt = ne C n (4)

Abweichungen in Gleichung (4) fuhren zu elektrischen Feldern, die zum quasineutralen Zustand zu-ruckfuhren. Sei weiter v die Relativgeschwindigkeit der Teilchen im Plasma, σdt der Fusionswir-kungsquerschnitt und 〈vσdt〉 der Mittelwert des Produkts dieser beiden Großen, so gilt fur die Zahlder Fusionsreaktionen pro Sekunde, d.h. die Rate der Fusionsreaktion:

ZF = ndnt〈vσdt〉 =n2

4〈vσdt〉 (5)

Hierbei wurde angenommen, dass Deuterium und Tritium im Verhaltnis im Plasma vorhanden sind,d. h. nt = nd = n2/4.Als selbstandiger ”Heizmechanismus“ steht nur die Energie der α-Teilchen zur Verfugung, sodass furdie Fusionsleistungsdichte gilt:

PF = ZF · Eα =n2

4〈vσdt〉 · Eα (6)

Weiter wird angenommen, dass Elektronen und Ionen im Plasma dieselbe Temperatur T = Te = Ti

besitzten, so dass fur die Verlustleistungsdichte gilt:

PV = 3n ·kTτE

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Sie entspricht der aufzubringenden ”Heiz“-Leistungsdichte, die von außen zugefugt werden muss unddas Plasma aufheizt, dabei ist k die Boltzmann-Konstante und τE die Einschlusszeit, in der das Plasmafur den Fusionsprozess ”gefangen“ gehalten werden muss. Das Lawson-Kriterium ergibt sich nun ausder Annahme PF ≥ PV:

n · τE ≥12kT

〈v(√

T)σdt

(T 2)〉Eα

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Die Abhangigkeiten der rechten Seite von der Temperatur zeigen, dass der Quotient mit steigenderTemperatur sinkt. Es bietet sich daher an das sogenannte Tripelprodukt als das Produkt von n · τE · kTzu definieren. Somit gilt die Zundbedingung (mit σdt(T ′) = σmax fur kT ′ ≈ 10 keV = 100 Mio.◦C):

n · τE · kT ≥12kT ′⟨

v(√

T ′)σdt(T ′2)⟩

≈ 1021 keV · s ·m−3 (9)

Nun gilt es also, das Tripelprodukt mindestens auf diesen Wert zu bringen, damit sich die Verlust-und Gewinnleistungen gerade ausgleichen. Fur einen Fusionsreaktor, der einmal 500 MW Leistungproduzieren soll, muss das Tripelprodukt naturlich noch besser sein.

2 PlasmaeinschlussDie Temperatur ist durch das Maximum des Wirkungsquerschnitts auf mindestens 100 Mio.◦C fest-gelegt. Kein Material kann so eine Temperatur aushalten, ohne sofort zu verdampfen. Statt dessenversucht man in der Forschung mit zwei unterschiedliche Konzepten das Lawson-Kriterium (9) zuerreichen und zu ubertreffen.

2.1 TragheitsfusionBei der Tragheitsfusion wird ein Pellet, d. h. ein gefrorenes Kugelchen gefullt mit D-T-Gas, mit hoch-energetischen Laser- oder Schwerionenstrahlen beschossen. Dabei wird die Temperatur schlagartigerhoht, die Oberflache verdampft und es entsteht ein Druck, der das D-T-Gas komprimiert, so dassdessen Dichte spontan auf das 1000fache ansteigt und der Fusionsprozess einsetzt. Die Tragheit desGases sorgt fur eine ausreichend ”lange“ Einschlusszeit von etwa 10 ns bis 100 ns.

NIF Quelle [3]

Das aktuelle Forschungsprojekt, das sich mit diesem Konzept derKernfusion beschaftigt ist die National Ignition Facility (NIF) in Li-vermore, Kalifornien [3].Hier werden 192 Teillaserstrahlen verstarkt und gebundelt, sodassdas Pellet von etwa 8-10 Laserstrahlen mit einer Gesamtleistung von> 1 MJ beschossen wird. Die Rate liegt nach Angaben der NIF bei

”ein paar Schussen pro Tag“. Fur eine effiziente und wirtschaftlichenFusionsreaktor wird eine Schussrate von 10-20 pro Sekunde benotigt.

2.2 Fusion durch magnetischen EinschlussIm Gegensatz zur Tragheitsfusion, die auf eine hohe Dichte n setzt, wird bei der Fusion durch ma-gnetischen Einschluss versucht eine hohe Einschlusszeit τE bei geringer Dichte n zu erreichen.Die Grundidee ist dabei, dass das Plasma, d. h. die freien Elektronen und Ionen, der Lorentz-Kraft~FL = q(~E + ~v × ~B) unterliegen und sich schraubenformig um die Magnetfeldlinien bewegen.Verbindet man die Enden einer lange Zylinderspule zu einem Torus, so erhalt man ein Magnetfeld,dessen Linien im Inneren des Torus geschlossen verlaufen.Das toroidale Magnetfeld besitzt allerdings eine radiale Abhangigkeit |~B| ∝ 1

|~r| , weshalb es zu einemDrift der Teilchen kommt, die diese an die Wande des Reaktors (Blanket) kommen lassen.Die Losung dieses Problems ist ein zweites poloidales Magnetfeld, das durch einen in das Plasma in-duzierten Strom und durch ein zweites vertikales Spulenpaar erzeugt wird und diesen Drift ausgleicht.

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Das Tokamak Quelle [4]

Der Stellarator Quelle [4]

Das Tokamak, dessen Konzept im International Thermonuclear ExperimentalReactor (ITER) [5] zum Einsatz kommt, funktioniert auf die oben beschrie-bene Weise. Dabei dient der induzierte Strom auch als ein Mechanismus derPlasmaheizung. Der verwendete Transformator bedingt allerdings einen ge-pulsten Betrieb, da dieser nur in einer endlich langen Zeit hochgefahren wer-den kann. Sobald sich die Stromrichtung im Transformator andert, andertsich auch das induzierte B-Feld und der Plasmaeinschluss ist nicht mehrgewahrleistet.

Der Stellarator, aktuell das Projekt Wendelstein 7-X, entwickelt vom Max-Planck-Institut fur Plasmaphysik in Greifswald [4], funktioniert ahnlich, ver-wendet aber statt drei sich uberlagernder Magnetfelder eine einzige kompli-zierte Spulenform, die das fertige Magnetfeld erzeugt. Dieses Konzept besitztden Vorteil, dass es ohne den Transformator auskommt und theoretisch beliebiglange das Plasma einschließen kann.

3 Komponenten eines Fusions-ReaktorsEgal ob Tragheitsfusion oder Fusion durch magnetischen Einschluss, um eine optimale Zundbeding-ung zu erreichen ist eine Plasmatemperatur von 100 Mio.◦C erforderlich. Am Beispiel des Tokamaksoll kurz auf die Plasmaheizung eingegangen werden, die solch eine Temperatur erzeugt. Außerdemwird im Folgenden die Aufgaben und Probleme der Reaktorwande (Blanket) und der Abfuhrung vonVerunreinigungen im Plasma im sogenannten Divertor eingegangen.

3.1 PlasmaheizungDie Plasmaheizung ist eine der wichtisten Reaktorkomponenten und besteht aus drei Mechanismen.

Quelle [5]

3.1.1 Ohmsche Heizung

Sie ensteht durch den Widerstand im Plasma, an dem derinduzierte Strom Leistung dissipiert. Mit steigender Tem-peratur sinkt allerdings dieser Widerstand, sodass dieserMechanismus nur fur die Anfangsheizung brauchbar ist.

3.1.2 Einschuss von Neutralteilchen

Das Vorgehen hier ist wie folgt: Bereits ionisierte Atomeoder aus einer Quelle austretende geladene Ionen werdenelektrostatisch auf die benotigten kT ≈ 10 keV beschleunigt. Danach werden sie wieder neutralisiert,indem man sie durch ein Alkaligas fliegen lasst und anschließend in das Plasma eingeschossen. Ohnedie Neutralisation wurden die geladenen Ionen direkt durch das Magnetfeld abgelenkt. Ziel ist es, dieNeutralteilchen moglichst ins Zentrum des Plasmas zu schießen, wo sie dann sehr schnell ionisierenund ihre kinetische Energie durch Stoße an das Plasma abgeben. Vorzugsweise verwendet man Deu-terium-Atome, sodass nicht nur das Plasma geheizt, sondern auch Zundstoff nachgeliefert wird durchden Einschuss.

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3.1.3 Einschuss von Hochfrequenzwellen

In der dritten Stufe werden durch Einschuss von Hochfrequenzwellen zum einen die Deuterium-und Tritium- Ionen im Plasma direkt geheizt. Ein Generator erzeugt dazu Radiowellen zwischen44 − 50 MHz, die dann uber eine Antenne in das Plasma eingespeist werden. Zum anderen werdendie Elektronen im Plasma mit ihrer Zyklotronfrequenz von etwa 170 GHz ebenfalls angeregt, sodasssie ihre zusatzliche Energie in Form von Stoßen an die Ionen weiterleitet und somit indirekt heizt.

3.2 ReaktorwandeDie primare Aufgabe der Reaktorwande ist es die bei der Fusion freiwerdenden Neutronen abzufan-gen und deren Energie in Form von Warme abzutransportieren, sodass diese Warme genutzt werdenkann um Wasser zu erhitzen und uber eine Turbine einen Generator anzutreiben.Die großten Probleme sind hier zum einen die an den Randern des Plasmas immer noch herrschendenenormen Temperaturen, zum anderen konnen Zerstaubungen auftreten. Das sind Fremdatome, diedurch austretendes Plasma (Instabilitaten) oder durch Anregungen aus den Reaktorwanden austretenkonnen. Diese Fremdatome besitzten sehr viel großere Kernladungszahlen Z gegenuber Deuteriumund Tritium und werden uber Stoße im Plasma ionisiert. Dadurch kommt es zur ”Abkuhlung“ derElektronen und damit zu Bremsstahlungsverlusten, d. h. das Plasma wird abgekuhlt.Ein weiteres Problem ist die Kontaminierung, d. h. die Aktivierung des Reaktormaterials und derdamit enstehende radioaktive Abfall, der jedoch im Vergleich zur Kernspaltung in geringerem undschneller abgeklungenerem Maße auftreten wird. Man erhofft sich, dass nach 50 Jahren auch etwa50% des Abfalls wiederverwendet werden kann. Aus diesen Grunden ist das Blanket des Projek-tes ITER Modular aufgebaut, d. h. es besteht aus einzelnen Segmenten, die indiviuell ausgewechseltwerden konnen.

(a) Modulare Reaktorwande des ITER (b) Divertor-ModulQuelle [5]

3.3 DivertorDie oben erwahnten Verunreinigungen durch Zerstaubung, aber auch die 4He-Asche, die bei der Fu-sion als ”Abfall“ entsteht, mussen aus dem Plasma entfernt und abgefuhrt werden. Diese Aufgabeubernimmt der Divertor und verwendet dafur das Prinzip der Separatrix. Hier macht man sich dieAbhangigkeit der Ablenkung durch das Magnetfeld von dem Masse-zu-Ladungsverhaltnis r ∝ Z·e/m

und der wesentlich hoheren Kernladungszahl der Verunreinigungen im Plasma zu Nutze. Dadurchwerden diese namlich an den Rand des ”Plasma-Kafigs“ gedruckt und schlagen somit auf die Ober-flache des Diverors auf. Dadurch werden sie abgekuhlt, neutralisiert und anschließend uber Vakuum-pumpen abgepumpt.Genau wie die Reaktorwande unterliegt der Divertor einer enormen Materialbelastung, die Tempera-tur betragt hier immer noch > 3000 ◦C. Bei ITER wird mit kohlenfaserverstarktem Kohlenstoff sowieWolfram als Divertormaterial experimentiert werden.

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Literatur[1] Deutsche Physikalische Gesellschaft Fachverband Plasmaphysik. http://www.dpg-physik.de/dpg/gliederung/fv/p/info/index.html.

[2] W. Demtroder. Experimentalphysik 4: Kern-, Teilchen- Und Astrophysik. Springer-lehrbuch.Springer, 2009.

[3] National Ignition Facility (NIF). https://lasers.llnl.gov/.

[4] Max-Planck-Institut fur Plasmaphysik. http://www.ipp.mpg.de/.

[5] International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER). http://www.iter.org.

[6] K. Bethge, G. Walter, and B. Wiedemann. Kernphysik: Eine Einfuhrung. Springer-Lehrbuch.Springer, 2007.

[7] Weston M. Stacey. Fusion plasma analysis / Weston M. Stacey, Jr. Wiley, New York :, 1981.

[8] European Fusion Development Agreement (EFDA). http://www.efda.org/.

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