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Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) Seite 4.1 Leistungsarten Be/Do 27.01.0 WS 1999/2000 4. Leistungsarten 4.1 Konstante Leistung Die Elektroenergie ist als physikalische Meßgröße eindeutig und wird ermittelt nach (4.1) Bei zeitlich periodischen Strömen und Spannungen führen wir für P den Begriff der Wirkleistung als arithmetischen Mittelwert der momentanen Leistung über eine Periodendauer ein. Die Wirkleistung beschreibt die quantitative Seite des Elektroenergietransportprozesses, seine Wirkung. Aus Gleichung (4.1) geht hervor, daß einunddieselbe Energie durch unendlich viele Zuordnungen von Leistung und Zeit gebildet werden kann. Für zeitlich konstante Leistungen ist das im Bild 4.1 an drei verschiedenen Beispielen dargestellt. Wir haben einleitend festgestellt, daß elektrische Energie in technisch interessanten Größenordnungen nicht direkt speicherbar ist. Ein Energiespeicher dient der Entkopplung von Erzeugung und Abnahme. Beide können bei einem ausreichend großen Speicher völlig unabhängig voneinander nach ihren eigenen Erfordernissen gestaltet werden. Erzeugung, Transport und Verbrauch von elektrischer Energie werden dagegen durch das Bedürfnis des Abnehmers bestimmt und müssen praktisch zeitgleich erfolgen. Das bedeutet, daß die vom Abnehmer geforderte Leistung in dem Augenblick bereitgestellt werden muß, in dem sie benötigt wird. Ein elektrisches Energieversorgungssystem muß daher für die maximal von den Abnehmern geforderte Leistung bemessen werden. Diese Leistung legt den er- forderlichen Aufwand fest. So wird zum Beispiel die Größe eines Kraftwerkes und damit der für seine Errichtung notwendigen Materialaufwand und seine Investitionskosten durch seine Leistung bestimmt. Das gleiche gilt in ähnlicher Weise für alle Elemente der Übertragungs- und Verteilungsnetze. Wir erkennen am Bild 4.1, daß unter diesem Gesichtspunkt das Beispiel 1 offensichtlich der ungünstigste Fall ist. Die geforderte Leistung ist sehr hoch, sie wird aber nur kurze Zeit benötigt. Der hohe Aufwand wird schlecht genutzt. Das Beispiel 3 ist das günstigste, weil eine kleine Leistung über eine lange Zeit gefordert wird. Das für diese Leistung bemessene Elektroenergiesystem hat eine hohe Benutzungs- dauer. Wir stellen verallgemeinernd fest, daß der günstigste Betrieb eines Elektroenergiesystems ein kontinu- ierlicher bei konstanter Leistung ist. Praktisch ist dieser Betrieb nicht realisierbar. Unterschiede zwischen Tag und Nacht bzw. den Jahreszeiten oder den Tageszeiten und Forderungen des zu versorgenden technologischen Prozesses verursachen Belastungsschwankungen. Die Wirtschaftlichkeit der Elektroenergieversorgung hängt von der zeitlichen Veränderung der Belastung des Systems entscheidend ab. Der Idealfall ist Maßstab für die Bewertung realer Elektroenergiesysteme.

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Energiesysteme Teil: Elektrische Energieversorgungssysteme (S8804) Seite 4.1Leistungsarten

Be/Do 27.01.0 WS 1999/2000

4. Leistungsarten

4.1 Konstante Leistung

Die Elektroenergie ist als physikalische Meßgröße eindeutig und wird ermittelt nach

(4.1)

Bei zeitlich periodischen Strömen und Spannungen führen wir für P den Begriff der Wirkleistung alsarithmetischen Mittelwert der momentanen Leistung über eine Periodendauer ein.

Die Wirkleistung beschreibt die quantitative Seite des Elektroenergietransportprozesses, seineWirkung. Aus Gleichung (4.1) geht hervor, daß einunddieselbe Energie durch unendlich vieleZuordnungen von Leistung und Zeit gebildet werden kann. Für zeitlich konstante Leistungen ist das imBild 4.1 an drei verschiedenen Beispielen dargestellt.

Wir haben einleitend festgestellt, daß elektrische Energie in technisch interessanten Größenordnungennicht direkt speicherbar ist. Ein Energiespeicher dient der Entkopplung von Erzeugung und Abnahme.Beide können bei einem ausreichend großen Speicher völlig unabhängig voneinander nach ihreneigenen Erfordernissen gestaltet werden. Erzeugung, Transport und Verbrauch von elektrischer Energiewerden dagegen durch das Bedürfnis des Abnehmers bestimmt und müssen praktisch zeitgleicherfolgen. Das bedeutet, daß die vom Abnehmer geforderte Leistung in dem Augenblick bereitgestelltwerden muß, in dem sie benötigt wird. Ein elektrisches Energieversorgungssystem muß daher für diemaximal von den Abnehmern geforderte Leistung bemessen werden. Diese Leistung legt den er-forderlichen Aufwand fest. So wird zum Beispiel die Größe eines Kraftwerkes und damit der für seineErrichtung notwendigen Materialaufwand und seine Investitionskosten durch seine Leistung bestimmt.Das gleiche gilt in ähnlicher Weise für alle Elemente der Übertragungs- und Verteilungsnetze. Wirerkennen am Bild 4.1, daß unter diesem Gesichtspunkt das Beispiel 1 offensichtlich der ungünstigsteFall ist. Die geforderte Leistung ist sehr hoch, sie wird aber nur kurze Zeit benötigt. Der hohe Aufwandwird schlecht genutzt. Das Beispiel 3 ist das günstigste, weil eine kleine Leistung über eine lange Zeitgefordert wird. Das für diese Leistung bemessene Elektroenergiesystem hat eine hohe Benutzungs-dauer.

Wir stellen verallgemeinernd fest, daß der günstigste Betrieb eines Elektroenergiesystems ein kontinu-ierlicher bei konstanter Leistung ist. Praktisch ist dieser Betrieb nicht realisierbar. Unterschiedezwischen Tag und Nacht bzw. den Jahreszeiten oder den Tageszeiten und Forderungen des zuversorgenden technologischen Prozesses verursachen Belastungsschwankungen. Die Wirtschaftlichkeitder Elektroenergieversorgung hängt von der zeitlichen Veränderung der Belastung des Systemsentscheidend ab. Der Idealfall ist Maßstab für die Bewertung realer Elektroenergiesysteme.

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Bild 4.1: Bildung der Elektroenergie aus Leistung und Zeit

Den Wirkungsgrad der Elektroenergieübertragung können wir aus der eingespeisten und abgenomme-nen elektrischen Energie bzw. den Verlusten berechnen.

Unter Einführung der Spannung und des Stromes wird aus Gleichung (4.1)

(4.2)

Bild 4.1 könnte dreidimensional erweitert werden, um die Elektroenergie bei konstanter Spannung undkonstantem Strom als Volumen eines Quaders mit den Seiten U, I und t darzustellen. Wir könnenjedoch auch zweidimensional bleiben und die Leistung als das Produkt einer konstanten Spannung miteinem konstanten Strom analog zu Bild 4.1 darstellen. Der günstigste Fall für die Bildung einerLeistung aus einem konstanten Strom und einer konstanten Spannung kann nicht wie oben auseinfacher Anschauung abgeleitet werden, weil der Aufwand für die Realisierung einer bestimmtenSpannung und eines bestimmten Stromes hier nicht bekannt ist. Dazu brauchen wir noch weitereInformationen.

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(4.3)

Auf der Grundlage von Gleichung (4.3) kann der Wirkungsgrad für jedes einzelne elektrische Betriebs-mittel (Generator, Transformator, Freileitung, Kabel usw.) berechnet werden. Auf dieser Grundlageberuht auch die Verlustbewertung.

Verluste treten in elektrischen Energieversorgungsnetzen sowohl spannungsabhängig als auchstromabhängig auf. Spannungsabhängige Verluste sind z. B.:

• Ableitverluste durch/über die Isolation elektrischer Betriebsmittel und Anlagen• Koronaverluste von Freileitungen• dielektrische Verluste in der Isolation von Kabeln oder in Kondensatoren• Eisenverluste (Ummagnetisierungsverluste und Wirbelstromverluste im Eisenkreis) in Trans-

formatoren oder rotierenden elektrischen Maschinen.

Sie treten immer dann auf, wenn das entsprechende Betriebsmittel eingeschaltet ist, unabhängig davon,ob Nutzenergie übertragen wird oder nicht. Daher werden sie auch als lastunabhängige Verlustebezeichnet.

Stromabhängige Verluste sind dagegen lastabhängig, d. h., sie treten dann auf, wenn über ein Betriebs-mittel (z.B. eine Freileitung oder einen Transformator) Nutzenergie übertragen wird. StromabhängieVerluste entstehen in den ohmschen Widerständen der Leiter im Elektroenergiesystem. Sie beinhaltenaber auch Verluste, die in metallischen Kapselungen elektrischer Betriebsmittel und Anlagen durchWirbelströme verursacht werden.

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4.2 Stochastisch veränderliche Leistungen

4.2.1 Bestimmung elektrischer Belastungen

Die vorhergehenden Betrachtungen haben gezeigt, daß die Leistungsverhältnisse einen entscheidendenEinfluß auf den Betrieb eines elektrischen Energieversorgungsnetzes ausüben und auch die Gestaltung,Konstruktion und Bemessung jedes einzelnen elektrischen Betriebsmittels bestimmen. Die Kenntnisdes Abnehmerverhaltens ist daher von grundlegender Bedeutung für die wirtschaftliche Gestaltung derelektrischen Energieversorgung. Hochentwickelte Verfahren der Netzberechnung und der Lastfluß-optimierung bleiben wirkungslos, wenn die Belastungen des Netzes mit unzureichenden Methoden nurgrob geschätzt wurden. Deshalb hat man den Belastungen der Netze von Beginn der Entwicklung derelektrischen Energieversorgung an die ihnen gebührende Aufmerksamkeit geschenkt.

Bild 4.2: Analyse elektrischer Belastungen

Auf der Grundlage einer Vielzahl von Meßdaten sind vorwiegend empirische Verfahren nach dem imBild 4.2 dargestellten Ablauf entstanden. Sie müssen von Zeit zu Zeit an geänderte Bedingungenangepaßt werden. Die Analyse von Belastungsverhältnissen ist daher eine Daueraufgabe der elektri-schen Energieversorgung. Neben der Unterstützung des operativen Betriebes haben Belastungsermitt-lungen auch extrapolativen Charakter. Aus dem Verhalten von in Betrieb befindlichen Abnehmernwird auf das Verhalten künftiger Abnehmer ähnlicher oder gleicher Prozesse geschlossen. Belastungs-ermittlungen sind also auch ein wichtiges Instrument der Netzplanung. Voraussetzung für ihreAnwendbarkeit auf diesem Gebiet ist eine vergleichsweise langsame Änderung des Abnehmer-verhaltens.

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4.2.2 Gang- und Dauerlinie

Die Belastungen eines elektrischen Energieversorgungsnetzes entsprechen praktisch nie dem an-zustrebenden Idealfall der kontinuierlichen Energieübertragung mit zeitlich konstanter Leistung. In deröffentlichen Energieversorgung treten tageszeitliche Belastungsschwankungen auf, die durch denLebensrhythmus der zu versorgenden menschlichen Gesellschaft begründet sind. Den tageszeitlichenSchwankungen sind jahreszeitliche überlagert, die durch die jahreszeitlichen Änderungen des Klimasund der Länge von Tag und Nacht bedingt sind. Die industrielle elektrische Energieversorgung istausgeglichener bzw. kann ausgeglichener gestaltet werden. Aber auch hier sind Belastungsschwankun-gen durch den zu versorgenden technologischen Prozeß zu verzeichnen. Ebenso üben Schichtwechsel-zeiten, Arbeitspausen und Arbeitszeiten einen großen Einfluß auf die Belastungsverhältnisse aus.

Bild 4.3 zeigt die Entstehung einer Tages-Belastungskurve, einer Ganglinie, durch Überlagerung derLeistungsaufnahme einzelner Abnehmer. Im oberen linken Diagramm ist die Leistungsaufnahme desElektroherdes in einem Einfamilienhaus dargestellt. Sie ist sehr unausgeglichen, da der Herd nur vorden drei täglichen Hauptmahlzeiten in Anspruch genommen wird. Die Überlagerung des Herdes mitden anderen Abnehmern des Haushaltes führt zur Ganglinie rechts oben. Sie ist ausgeglichener als diedes Herdes allein, zeigt aber, daß drei der vier Leistungsspitzen noch vom Elektroherd bestimmtwerden. Die Überlagerung der Ganglinien von 500 Einfamilienhäusern führt zum unteren linkenDiagramm von Bild 4.3. Die Ganglinie ist deutlich ausgeglichener als die des einzelnen Haushaltes.Wir erkennen jedoch, daß die beiden Leistungsspitzen gegen 12 und gegen 18 Uhr ebenfalls noch vomBetrieb der Kochherde bestimmt werden. Das rechte untere Bild zeigt schließlich die Ganglinie einergrößeren Region, die durch unterschiedliche Verbrauchsgewohnheiten der einzelnen Haushalte unddurch andere Abnehmergruppen (Industrie, Gewerbe usw.) einen weiteren Ausgleich erfahren hat. DieLeistungsspitzen zur Mittagszeit und gegen Abend sind erhalten geblieben.

Bild 4.3 Entwicklung einer Tages-Belastungskurve in einer Region

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Bild 4.4 Ganglinien eines öffentlichen Energieversorgungsunternehmens

Bild 4.4 zeigt die Ganglinien eines großen öffentlichen Energieversorgungsunternehmens am heißestenSommer- und am kältesten Wintertag. Die Leistungen wurden auf die maximale Leistung am Winter-tag bezogen. Der Einfluß der Jahreszeit auf die Ganglinien wird in dieser Darstellung deutlich.

Zur weiteren Bearbeitung wird aus der Tagesbelastungskurve ein geordnetes Belastungsdiagramm, diesogenannte Tages-Dauerlinie, hergestellt. Das ist im Bild 4.5 schematisch dargestellt.

Bild 4.5: Konstruktion der Tages-Dauerlinie

Die maximalen und minimalen Leistungen der Ganglinie und der Dauerlinie sind ebenso wie die durchdie Flächen unter den Linien beschriebenen elektrischen Energiemengen gleich.

In der gleichen Weise können Dauerlinien für ganz unterschiedliche Zeitabschnitte (z.B. ein Monatoder ein Jahr) konstruiert werden. In der Praxis hat die Tages-Dauerlinie eine untergeordnete Bedeu-tung, da die tageszeitlichen Schwankungen der Leistung aus ihr nicht hervorgehen. Von größeremInteresse sind die Jahres-Dauerlinie und die Monats- Dauerlinie. Es kann nachgewiesen werden, daßdie Dauerlinien unabhängig vom Zeitabschnitt, für den sie gelten, gleichen Gesetzen gehorchen und

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durch die gleichen Kenngrößen beschrieben werden können. Wir können daher in den folgendenAusführungen für den Betrachtungszeitraum allgemeiner eine Nennbetriebsdauer einführen. Sie ist

(4.4)

Aus der Dauerlinie können nach Bild 4.6 wichtige Kenngrößen des Prozesses ermittelt werden. Dieübertragene elektrische Arbeit ist

(4.5)

Bild 4.6: Kenngrößen der Dauerlinie

Die Benutzungsdauer Tm (utilization period of maximum demand) ist die Zeit, in der mit gleich-bleibender Belastung in Höhe der Höchstlast Pmax die gleiche Energiemenge übertragen wird, wie imtatsächlichen Betrachtungszeitraum mit schwankender Belastung. Die Benutzungsdauer ist einewichtige Bewertungsgröße. Die Energieversorgung ist umso wirtschaftlicher, je höher die Benutzungs-dauer ist. Die in einem Elektroenergiesystem verfügbare Nennleistung Pn (die Summe der Nenn-leistungen der einspeisenden Generatoren) ist höher als die maximale Belastung. Die Ausnutzungs-dauer Ta (Vollaststunden) dieser Nennleistung (utilization period of nominal capacity) ist ebenfalls

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eine Bewertungs-Kenngröße des Systems. Eine weitere sehr wichtige Kenngröße der Dauerlinie ist derBelastungsgrad m (Belastungsfaktor, Wirkbelastungsfaktor, Benutzungsgrad, (load factor)). Er wirdbestimmt nach

(4.6)

Das Lastverhältnis m0 (Leistungsverhältnis, Ungleichförmigkeitsgrad, (load ratio)) ist das Verhältnisvon Minimal- zu Maximallast.

(4.7)

Auf der Grundlage dieser Kenngrößen ist die Dauerlinie in der Vergangenheit mit zahlreichenAnsätzen mathematisch beschrieben worden, um elektrizitätswirtschaftliche Fragestellungen rechne-risch untersuchen zu können. An dieser Stelle seien aufgeführt

(4.8)

(4.9)

Bild 4.7 zeigt die Tages-Dauerlinien für Bild 4.4. Außerdem ist die Jahres-Dauerlinie für das Energie-versorgungsunternehmen angegeben. Sie ist weniger ausgeglichen als die beiden Tages-Dauerlinien,da ihr Maximalwert durch die höchste Leistung am kältesten Wintertag und ihr Minimalwert durch dieminimale Leistung am heißesten Sommertag bestimmt werden.

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Bild 4.7: Tages-Dauerlinien eines öffentlichen Energieversorgungsunternehmens

Die Kenngrößen der in den Bildern 4.3, 4.4 und 4.7 dargestellten Gang- und Dauerlinien sind inTabelle 4.1 angegeben.

Tabelle 4.1: Kenngrößen der Gang- und Dauerlinien der Bilder 4.3, 4.4, 4.7

Die Belastungsgrade und Leistungsverhältnisse in Tabelle 4.1 zeigen den zunehmenden Ausgleich derGanglinien mit steigender Anzahl der Abnehmer. Wir erkennen auch hier, daß Tages-Gang- und -Dauerlinien ausgeglichener sind als Jahres-Dauerlinien, weil diese zusätzlich zu den tageszeitlichenauch die klimatisch bedingten Belastungsschwankungen enthalten.

In der Tabelle 4.2 sind die Benutzungsdauer der Höchstlast und der Belastungsgrad für typischeAbnehmergruppen zusammengestellt.

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Tabelle 4.2: Benutzungsdauern und Belastungsgrade von Abnehmergruppen

Industriezweige mit kontinuierlichen Produktionsprozessen weisen die höchsten Belastungsgrade undBenutzungsdauern auf. Landwirtschaftliche Betriebe bilden nach den privaten Haushalten dasSchlußlicht.

Die Leistungswerte in Gang- und Dauerlinien sind im allgemeinen Mittelwerte zweiter Ordnung derWirkleistung über eine Integrationsdauer von 15 Minuten.

Die Belastungsgrade nach Tabelle 4.2 werden zur Bearbeitung von Planungsaufgaben herangezogen.Sie beschreiben eine elektrische Belastung jedoch noch nicht vollständig. Dazu bedarf es weitererKenngrößen, von denen einige im folgenden besprochen werden sollen.

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4.2.3 Weitere Kenngrößen zur Beschreibung von Belastungen

Der Anschlußwert eines Abnehmers ist die an seinen Klemmen aufgenommene Wirkleistung. DieNennleistung eines Motors ist zum Beispiel die an der Welle unter Nennbedingungen zur Verfügunggestellte mechanische Leistung. Der Anschlußwert des Motors ist infolge seines Wirkungsgrades höherals seine Nennleistung.

(4.10)

Der Index r in Gleichung (4.10) bezeichnet die Nennbedingungen (rated). Die installierte Leistungeines Abnehmers ist gleich seinem Anschlußwert, die einer Abnehmergruppe ist die Summe derAnschlußwerte aller Abnehmer der Gruppe.

(4.11)

Die installierte Leistung ist mit der Leistung der eingeschalteten Abnehmer nicht gleichzusetzen. EinElektroenergiesystem wäre normalerweise völlig überlastet, wenn alle angeschlossenen Abnehmertatsächlich eingeschaltet wären. Der Bedarfskoeffizient kc, ist das Verhältnis der maximalen zurinstallierten Leistung.

(4.12)

Tabelle 4.3 gibt die aus statistischen Untersuchungen gewonnenen Bedarfskoeffizienten für einigetypische Abnehmer an.

Der Zusammenhang zwischen der Summe der Einzelhöchstleistungen der Abnehmer und der tatsäch-lichen maximalen Belastung wird durch den Gleichzeitigkeitsgrad kg (Gleichzeitigkeitsfaktor,(coincidence factor)) beschrieben.

(4.13)

Für den Gleichzeitigkeitsgrad liegen empirische Werte vor. Wie bei allen solchen Daten ist aber zubeachten, daß sie sich ändern können, wenn sich die Verbrauchsgewohnheiten ändern. Das ist möglich

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z.B. durch andere oder kürzere Arbeitszeiten, Änderung des Ausstattungsgrades mit Elektrogeräten,Änderung der Nutzungsgewohnheiten oder neue Technologien in der Industrie. Das führt zu Unsi-cherheiten in der Planung, die nur durch ständige Aktualisierung der Daten klein gehalten werdenkönnen. Trotzdem gilt die generelle Aussage, daß der Gleichzeitigkeitsgrad mit zunehmender Anzahlgleichartiger Abnehmer zunächst abnimmt und ab einer bestimmten Anzahl (Sättigungswert) praktischgleich bleibt.

Wenn der Gleichzeitigkeitsgrad kgQ für eine genügend große Zahl gleichartiger Abnehmer bekannt ist,dann gilt für eine endliche Zahl n dieser Abnehmer die empirisch gefundene Näherung

(4.14)

Tabelle 4.3: Bedarfskoeffizienten von Abnehmern

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Für die Ermittlung der durch Abnehmergruppen in der Industrie verursachten maximalen Belastungmacht man sich die Sättigung des Gleichzeitigkeitsgrades durch Anwendung der sogenannten Zweig-liederformel zunutze. Die Höchstlast einer Gruppe von n Abnehmern wird danach durch die x größtenAbnehmer dieser Gruppe dominierend beeinflußt, während alle weiteren praktisch nicht mehr zu ihrerVergrößerung beitragen.

(4.15)

Die erste Summe in der Zweigliederformel (4.15) ist die Summe der Anschlußwerte der x größtenAbnehmer, die zweite der Anschlußwert der gesamten Gruppe. Tabelle 4.4 enthält einige Werte für dieKoeffizienten a und b sowie die Anzahl der größten Abnehmer x.

In einigen Industriezweigen ist es auch üblich, von einer spezifischen Flächenbelastung auszugehenund daraus Belastungen zu ermitteln. Tabelle 4.5 enthält dazu einige Beispiele.

Tabelle 4.4: Parameter der Zweigliederformel

Tabelle 4.5: Spezifische elektrische Flächenbelastung in verschiedenen Industriezweigen

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Bei der Belastungsermittlung in der Grundstoffindustrie geht man vom spezifischen Energiebedarfzur Herstellung einer Mengeneinheit (z.B. einer Tonne) des Grundstoffes aus. Tabelle 4.6 zeigt dazueinige Beispiele.

Tabelle 4.6: Spezifischer elektrischer Energiebedarf in einigen Industriezweigen

Der spezifische Energiebedarf unterliegt einem ständigen Wandel. Die Energieintensität der Industrieist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Daher müssen solche Daten in der Planungständig aktualisiert werden.