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Entwicklung eines Thermo- gravimetrie-Reaktors zur reaktionstechnischen Untersuchung heterogen katalysierter Reaktionen Judith Krautwald* und Klaus Schnitzlein Als Ersatz für den Standardtiegel in konventionellen Thermowaagen wird ein zwangs- durchströmter Thermogravimetrie-Reaktor entwickelt, der kinetische Untersuchungen bei eindeutigen Strömungsverhältnissen erlaubt. Hierfür wird eine Kombination von numeri- scher Strömungssimulation und Experiment verwendet. Der Nachweis der Zwangsdurch- strömung erfolgt mittels einer modifizierten Naphthalin-Sublimationstechnik. 1 Motivation Die Thermogravimetrie (TG) eignet sich her- vorragend für kinetische Untersuchungen he- terogen katalysierter Reaktionen, deren Desak- tivierung mit einer Massenänderung des Katalysators einhergeht (z. B. Verkokung). Die Desaktivierungsgeschwindigkeit folgt in die- sem Fall direkt aus der zeitlichen Änderung der Katalysatormasse. Durch eine kontinu- ierliche Analyse der Gasphase wird simultan die Kinetik der Gasphasenreaktion zugänglich. In konventionellen Thermowaagen wird die Strömungsführung in erster Linie durch das Wägeprinzip (horizontal, vertikal) bestimmt, wobei es je nach Ausführung eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Probenfixierung gibt. In den meisten Fällen ruht die Probe jedoch in einem Tiegel, Korb oder Netz und wird vom Reaktivgas angeströmt (s. Abb. 1). Als Nachteil erweist sich hierbei der Umstand, dass – be- dingt durch die Art der Anströmung – die ei- gentlichen Strömungsverhältnisse an der Pro- be weder bekannt noch definiert einstellbar sind. Eine Stofftransportlimitierung ist daher nicht auszuschließen, wodurch die erhaltene Kinetik nicht oder nur bedingt auf andere An- ordnungen bzw. Reaktoren übertragbar ist. Neuere Modelle realisieren eine Zwangs- durchströmung. So befindet sich die Probe beispielsweise bei der TEOM-Thermowaage [1, 2] in einem mit seiner Eigenfrequenz schwin- genden Reaktor, der vom Reaktivgas durch- strömt wird. Die Gewichtsermittlung erfolgt indirekt über die Frequenzänderung der Schwingung. Der Vorteil der Zwangsdurch- strömung wird aber bisher mit hohen War- tungs- und Investitionskosten erkauft. Im Ver- gleich dazu sind die klassischen Modelle wesentlich kostengünstiger und weit verbrei- tet. Mit der Verfügbarkeit einer Zwangsdurch- strömung für konventionelle Thermowaagen stünde somit eine kostengünstige Alternative zur Verfügung, die das Anwendungsspektrum dieser Messtechnik für kinetische Untersu- chungen erheblich erweitern würde. Dies war der Anlass für die Entwicklung eines Thermogravimetrie-Reaktors, im Folgen- den als TGR bezeichnet, der den Standard- tiegel in konventionellen Thermowaagen er- setzt. Die Entwicklung wird am Beispiel der Thermowaage von Mettler Toledo (TGA/SDTA 851e) demonstriert, die auf einem horizon- talen Wägeprinzip beruht. 2 Strömungsverhältnisse in der Thermowaage Für die Entwicklung des TGR ist eine detail- lierte Kenntnis der Strömungsverhältnisse in- nerhalb der Thermowaage unverzichtbar. Eine direkte Messung des Strömungsfeldes ist aber Abbildung 1. Grundlegende Varianten der Probenfixierung (links) und Strömungs- führung (rechts) in konventionellen Thermowaagen. Die Thermogravi- metrie eignet sich hervorragend für kinetische Untersu- chungen heterogen katalysierter Reak- tionen, deren Des- aktivierung mit einer Massenände- rung des Katalysa- tors einhergeht. Heterogene Katalyse 111 Chemie Ingenieur Technik 2007, 79, No. 1-2 © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.de DOI: 10.1002/cite.200600109

Entwicklung eines Thermogravimetrie-Reaktors zur reaktionstechnischen Untersuchung heterogen katalysierter Reaktionen

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Entwicklung eines Thermo-gravimetrie-Reaktors zurreaktionstechnischen Untersuchungheterogen katalysierter ReaktionenJudith Krautwald* und Klaus Schnitzlein

Als Ersatz für den Standardtiegel in konventionellen Thermowaagen wird ein zwangs-

durchströmter Thermogravimetrie-Reaktor entwickelt, der kinetische Untersuchungen bei

eindeutigen Strömungsverhältnissen erlaubt. Hierfür wird eine Kombination von numeri-

scher Strömungssimulation und Experiment verwendet. Der Nachweis der Zwangsdurch-

strömung erfolgt mittels einer modifizierten Naphthalin-Sublimationstechnik.

1 Motivation

Die Thermogravimetrie (TG) eignet sich her-vorragend für kinetische Untersuchungen he-terogen katalysierter Reaktionen, deren Desak-tivierung mit einer Massenänderung desKatalysators einhergeht (z. B. Verkokung). DieDesaktivierungsgeschwindigkeit folgt in die-sem Fall direkt aus der zeitlichen Änderungder Katalysatormasse. Durch eine kontinu-ierliche Analyse der Gasphase wird simultandie Kinetik der Gasphasenreaktion zugänglich.

In konventionellen Thermowaagen wird dieStrömungsführung in erster Linie durch dasWägeprinzip (horizontal, vertikal) bestimmt,wobei es je nach Ausführung eine Vielzahl vonMöglichkeiten zur Probenfixierung gibt. Inden meisten Fällen ruht die Probe jedoch ineinem Tiegel, Korb oder Netz und wird vomReaktivgas angeströmt (s. Abb. 1). Als Nachteilerweist sich hierbei der Umstand, dass – be-dingt durch die Art der Anströmung – die ei-gentlichen Strömungsverhältnisse an der Pro-be weder bekannt noch definiert einstellbarsind. Eine Stofftransportlimitierung ist dahernicht auszuschließen, wodurch die erhalteneKinetik nicht oder nur bedingt auf andere An-ordnungen bzw. Reaktoren übertragbar ist.

Neuere Modelle realisieren eine Zwangs-durchströmung. So befindet sich die Probebeispielsweise bei der TEOM-Thermowaage [1,2] in einem mit seiner Eigenfrequenz schwin-genden Reaktor, der vom Reaktivgas durch-strömt wird. Die Gewichtsermittlung erfolgtindirekt über die Frequenzänderung derSchwingung. Der Vorteil der Zwangsdurch-strömung wird aber bisher mit hohen War-tungs- und Investitionskosten erkauft. Im Ver-gleich dazu sind die klassischen Modellewesentlich kostengünstiger und weit verbrei-

tet. Mit der Verfügbarkeit einer Zwangsdurch-strömung für konventionelle Thermowaagenstünde somit eine kostengünstige Alternativezur Verfügung, die das Anwendungsspektrumdieser Messtechnik für kinetische Untersu-chungen erheblich erweitern würde.

Dies war der Anlass für die Entwicklungeines Thermogravimetrie-Reaktors, im Folgen-den als TGR bezeichnet, der den Standard-tiegel in konventionellen Thermowaagen er-setzt. Die Entwicklung wird am Beispiel derThermowaage von Mettler Toledo (TGA/SDTA851e) demonstriert, die auf einem horizon-talen Wägeprinzip beruht.

2 Strömungsverhältnisse in derThermowaage

Für die Entwicklung des TGR ist eine detail-lierte Kenntnis der Strömungsverhältnisse in-nerhalb der Thermowaage unverzichtbar. Einedirekte Messung des Strömungsfeldes ist aber

Abbildung 1. Grundlegende Varianten der Probenfixierung (links) und Strömungs-führung (rechts) in konventionellen Thermowaagen.

Die Thermogravi-metrie eignet sichhervorragend fürkinetische Untersu-chungen heterogenkatalysierter Reak-tionen, deren Des-aktivierung miteiner Massenände-rung des Katalysa-tors einhergeht.

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aufgrund der geometrischen Verhältnisse imOfen der Thermowaage nicht realisierbar, so-dass auf die numerische Strömungssimulationzurückgegriffen wurde. Abb. 2 zeigt schema-tisch den Bilanzraum der Thermowaage ein-schließlich aller Einbauten. Das für die Strö-mungssimulationen verwendete hybridesymmetrische Gitter besteht aus bis zu 2,2

Millionen einzelnen Elementen. Diese Anzahlwurde im Rahmen einer Gitterverfeinerungs-studie optimiert. Gittergenerierung und Lö-sung der Modellgleichungen erfolgten mit derSoftware ANSYS CFX (Version 9.0/10.0).

In der Standardkonfiguration der Thermo-waage (s. Abb. 2) befindet sich die Probe ineinem Schmelztiegel (150 lL) auf einem ge-lochten Tiegelhalter, der über den Tiegelträgermit der Waage verbunden ist. Reflektoren ver-hindern die Wärmerückstrahlung zur Waage.Um die Waage vor aggressiven Gasen zuschützen, wird ein Waagenschutzgas dosiert,das den Tiegelträger im Eingangsbereich um-strömt.

Das Reaktivgas wird über eine gelochte Re-aktivgaskapillare dosiert und verlässt den Ofenzusammen mit dem Waagenschutzgas überden Ofenausgang. Der vordere Bereich der Ka-pillare ist i. Allg. verschlossen. Da sich dieLochorientierung aus der Art der Kapillarein-schraubung ergibt, wurden die Simulationenfür die beiden Extremfälle des Gasaustritts seit-lich bzw. nach oben/unten orientiert durch-geführt. In älteren Modellen wurde eine ein-fach geöffnete, ungelochte Reaktivgaskapillare

Abbildung 2. Numerisches Modell (3D) einer realen Thermowaage einschließlich derRandbedingungen für die Simulation.

Abbildung 3. Reaktivgasausbreitung (Stromlinien, Konzentra-tionsprofil) im Standardsystem der Thermowaage für die einfachungelochte Kapillarvariante.

Abbildung 4. Reaktivgasausbreitung (Stromlinien, Konzentra-tionsprofil) im Standardsystem der Thermowaage für die seitlichgelochte Kapillarvariante.

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verwendet, die aber später zur Verbesserungder Strömungsverhältnisse durch die gelochteVersion ersetzt wurde.

Die Strömungsverhältnisse sind für beideKapillarvarianten in den Abbn. 3 und 4 exem-plarisch für einen Reaktivgasstrom von 30 mL/min dargestellt (20 mL/min Waagenschutz-gas). Zu sehen ist jeweils die Reaktivgasaus-breitung in Form von Stromlinien und das da-raus resultierende Konzentrationsprofil. Dabeisind die Strömungsverhältnisse für die ein-fachste Gestaltungsvariante als Kapillarrohram ungünstigsten. Der Tiegel wird einfachüberströmt (s. Abb. 3). Die gelochte Modifika-tion der Kapillare verbessert die Situation nurunwesentlich. Das Gas wird an der Ofenwandbzw. dem Tiegelträger umgelenkt und über-bzw. umströmt den Probentiegel (s. Abb. 4).Die ungünstige Strömungsführung hat dieAusbildung von Konzentrationsgradienten imTiegelbereich zur Folge, wodurch in beidenFällen die Diffusion im Probenbereich domi-niert.

Das Waagenschutzgas besitzt einen ent-scheidenden Einfluss auf die Strömungsfüh-rung. Es umströmt im Eingangsbereich desOfens zunächst die Reflektoren und breitetsich dann laminar in Richtung Ofenausgangaus. Im Austrittsbereich der Kapillare ist es fürdie Umlenkung des Reaktivgases RichtungOfenausgang verantwortlich und verhindert sodessen Rückströmung zur Waage. Simulatio-nen haben gezeigt, dass dies selbst bei extremhohen Strömungsgeschwindigkeiten (100 –200 mL/min) erfüllt ist. Der Waagenschutzgas-strom von 20 mL/min sollte daher angesichtszusätzlicher Einflüsse auf das Wägesignal(Langzeitverhalten, Drift) nicht weiter erhöhtwerden.

3 Entwicklung eines Thermo-gravimetrie-Reaktors

Die Simulationsrechnungen zeigen deutlichdie Nachteile der Strömungsführung imStandardsystem. Durch eine Zwangsdurch-strömung des Tiegels sollen eindeutige Strö-mungsverhältnisse in der Thermowaagerealisiert werden. Dabei sind aufwendige Ver-änderungen an den Ofeneinbauten zu vermei-den. Weiterhin werden für die Entwicklungdes Reaktors zusätzliche Randbedingungendurch die Ofengeometrie und die Höchstlastder Waage vorgegeben.

Naheliegend war daher eine Modifizierungder Reaktivgaskapillare im Austrittsbereich(z. B. durch Verlängerung oder Biegung), dadiese leicht austauschbar ist. Eine vertikale,auf den Probentiegel gerichtete Strömung lässt

sich beispielsweise durch eine im Austritts-bereich gebogene Kapillare realisieren. Diedaraus resultierenden Auswirkungen auf dasWägesignal, z. B. in Form von Widerstands-kräften, sind im Rahmen der experimentellenValidierung zu verifizieren.

Der Einsatz des Standardtiegels scheitert, dadessen geschlossener Boden erhebliche Zirku-lations- bzw. Rückströmungen induzieren wür-de. Im Extremfall wäre ein Ausblasen der Pro-be zu befürchten. Der perforierte Tiegelhalterlässt hingegen eine Durchströmung zu, sodass im Reaktor der feste Boden durch eineperforierte Platte bzw. ein Gitter ersetzt wird.Diese Konstruktion verhindert allerdings nochnicht das Auftreten von Bypass-Strömungen.So besteht beispielsweise die Möglichkeit desAnsaugens von Gas aus dem Ofenraum oderder Rückströmung des Reaktivgases aufgrunddes Druckverlustes. Deshalb wird der Reaktormit einer Haube verschlossen, die aber keinenKraftschluss mit der Kapillare aufweisen darf(Beeinträchtigung des Wägesignals). Dadurchsind verfälschende Strömungen grundsätzlichimmer noch möglich, werden im Falle ihresAuftretens aber in deutlich reduziertem Um-fang erwartet.

Abbildung 5. Reaktivgasausbreitung (Stromlinien, Konzentrati-onsprofil) im vertikal durchströmten Thermogravimetrie-Reaktormit gebogener Kapillare.

Durch eine Zwangs-durchströmung desTiegels sollen ein-deutige Strömungs-verhältnisse in derThermowaage reali-siert werden. Dabeisind aufwendigeVeränderungen anden Ofeneinbautenzu vermeiden.

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Abb. 5 zeigt die Strömungsverhältnisse ineinem solch vertikal durchströmten Thermo-gravimetrie-Reaktor. Im Gegensatz zum Stan-dardtiegel wird dieser direkt vom Reaktivgasdurchströmt. Das wirkt sich positiv auf dasKonzentrationsprofil des Reaktivgases inner-halb des Reaktors aus, das nun eine homogeneVerteilung aufweist. Gleichzeitig ist aber auchein geringer Anteil des Reaktivgases zu erken-nen, der den Reaktor im oberen Bereich überdie Haube verlässt. Um die realen Strömungs-verhältnisse im TGR aufzuklären, muss dieserAnteil im Rahmen der experimentellen Vali-dierung quantifiziert werden.

4 Experimentelle Validierung

4.1 Wägesignal

Für die praktische Anwendung ist ein gleich-mäßiges, möglichst störungsfreies Wägesignaldes TGR von besonderem Interesse. Dafür istim Rahmen der Fertigung des TGR auf dieHerstellung einer optimalen Spaltweite imKontaktbereich zwischen Reaktor und Haubezu achten. Das wird einerseits von der Einsetz-prozedur gefordert, bei der die Haube zu-nächst auf der Kapillare platziert wird, um imAnschluss locker auf den eingesetzten Reaktorzu gleiten. Ein zu fester Sitz würde eine Be-schädigung des druckempfindlichen Tiegelhal-ters verursachen. Anderseits ist ein zu lockererSitz zu vermeiden, da es in diesem Fall zueiner Störung des Wägesignals kommen kann(z. B. durch Rückstoßeffekte des umlaufendenStrömungsanteils).

Das Wägesignal des TGR wurde in isother-men (30 °C) Versuchen unter einer stufen-weisen Erhöhung des Reaktivgasstromes (0 –70 mL/min Luft) untersucht. Zum Vergleich

wurden die Messungen im Standardsystemder Thermowaage (Standardtiegel mit geloch-ter Reaktivgaskapillare) wiederholt. Die Ergeb-nisse sind als Mittelwerte in Abb. 6 zusam-mengefasst. Danach besitzt der TGR einqualitativ hochwertiges Wägesignal mit einemgeringen Signal-Rausch-Verhältnis. Die kurz-zeitigen Impulse zwischen den Segmentensind auf die Veränderung des Gasvolumen-stroms zurückzuführen und als durchaus ty-pisch für das System anzusehen. Allerdingsbewirkt die im Vergleich zum Standardsystemveränderte Reaktivgasführung einen deutlichintensiveren Ausschlag beim TGR. Dieser stär-kere Einfluss der Strömungskräfte ist ebenfallsfür die signifikante Erhöhung des Wägesignalsverantwortlich, die mit zunehmendem Volu-menstrom beim TGR zu verzeichnen ist. Diesescheinbare Gewichtszunahme ist jedoch auf-grund ihrer Konstanz für einen definierten Vo-lumenstrom in späteren Experimenten alsBlindkurve in üblicher Weise verrechenbar.

Das Wägesignal des Standardtiegels kannzugleich als eine Bestätigung der Simulations-rechnungen angesehen werden. Der ver-gleichsweise geringe Strömungseinfluss weistauf ein mehr oder minder am Tiegel vorbeibzw. darüber hinweg strömendes Fluid hin.Dabei deutet die im Gegensatz zum TGR vor-handene scheinbare Gewichtsabnahme aufeinen leichten Unterdruck bzw. das Vorhan-densein von Auftriebseffekten hin.

4.2 Nachweis der Zwangsdurch-strömung

Zum Nachweis reproduzierbarer Strömungs-verhältnisse im TGR ist neben einem zuverläs-sigen Wägesignal der Volumenstrom durchden Reaktor experimentell zu quantifizieren.Eine direkte Messung in der Thermowaage istaber aufgrund der geometrischen Gegebenhei-ten nicht möglich. Daher erfolgt sie indirektüber eine Quantifizierung der volumenstrom-abhängigen Stofftransportrate mittels der Sub-limation von Naphthalin.

Die Naphthalin-Sublimation ist eine weitverbreitete Methode zur Bestimmung vonStoff- und Wärmetransportkoeffizienten inkonvektiven Strömungen [3, 4]. Dabei wird dasumströmte Objekt durch Naphthalin ersetztbzw. damit beschichtet und der Stofftransport-koeffizient aus der Sublimationsrate ermittelt.Letztere ist im Fall der Thermogravimetriedirekt aus der zeitlichen Änderung der Pro-benmasse erhältlich. Voraussetzung hierfür istaber die Verfügbarkeit von Naphtalinpartikelnhomogener Dichte und reproduzierbarer Grö-ße, die im Fall des TGR als Katalysatorersatz

Abbildung 6. Abhängigkeit des Wägesignals (Masse m) vom Reak-tivgasstrom: (A) TGR, (B) Standardtiegel (gelochte Kapillare).

Die Naphthalin-Sublimation isteine weit verbrei-tete Methode zurBestimmung vonStoff- und Wärme-transportkoeffizien-ten in konvektivenStrömungen.

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dienen. Durch die Entwicklung eines neuenVerfahrens [5] wurde die Herstellung homoge-ner Naphthalinpellets im gewünschten Korn-größenbereich bei Umgebungsdruck und mitgeringem apparatetechnischen Aufwandsichergestellt.

Da die Simulationsrechnungen auf verfäl-schende Bypässe durch die Haube hinweisen,ist der Volumenstrom im TGR nicht zwangs-läufig bekannt. Daher wurde für die Abhängig-keit der Sublimationsrate vom Volumenstromzunächst eine Kalibrierung in einem zwangs-durchströmten, geometrisch identischen Mo-dell des TGR ermittelt (s. Abb. 7). Dessen Auf-bau außerhalb der Thermowaage ermöglichteine feste Verbindung mit der Reaktivgaskapil-lare und verhindert so verfälschende Bypässedurch die Haube. Die gravimetrische Messungerfolgt intermittierend mit Hilfe einer Analy-senwaage. Für die isotherm (25 °C) durch-geführten Messungen wurden Partikel imKorngrößenbereich 1,8 – 2 mm verwendet. AlsReaktivgas wurde Luft (10 – 200 mL/min) ver-wendet.

Werden nun die Versuche unter sonstgleichen Bedingungen im TGR wiederholt, istmit Hilfe der Kalibrierung der tatsächliche Vo-lumenstrom aus der dort gemessenen Subli-mationsrate ableitbar. In Abb. 8 wird diesermit dem im zwangsdurchströmten Modell vor-handenen Volumenstrom verglichen. Wie zuerkennen ist, kann der TGR, abgesehen vomunteren Strömungsbereich, als zwangsdurch-strömt angesehen werden. Die Reprodu-zierbarkeit der Strömungsverhältnisse ist imRahmen der Messgenauigkeit gegeben. Verfäl-schende Strömungen sind aufgrund der Kali-brierung quantifizierbar. Folglich sind inKombination mit dem qualitativ hochwertigenWägesignal kinetische Experimente bei defi-nierten Strömungsverhältnissen in der kon-ventionellen Thermowaage möglich.

Zur Demonstration der Qualität der Simu-lationsrechnungen werden in Abb. 9 die ausExperiment und Simulation ermittelten Volu-menströme im TGR miteinander verglichen.Danach ergibt sich für den mittleren Strö-mungsbereich eine sehr gute Übereinstim-mung von Simulation und Experiment. Jeg-liche Weiterentwicklung des TGR kanndemzufolge auf Basis der numerischen Strö-mungssimulationen erfolgen.

Abbildung 7. Kalibrierung im zwangsdurchströmten Modell des TGR:Abhängigkeit der Naphthalin-Sublimationsrate Dm/Dt vom Eingangs-volumenstrom q0.

Abbildung 8. Paritätsdiagramm: Experimentell ermittel-ter Volumenstrom q im TGR (Thermowaage) und in des-sen zwangsdurchströmtem Modell (Toleranz = 10 %).

Abbildung 9. Paritätsdiagramm: Volumenstrom q imTGR aus Simulation und Experiment (Toleranz = 10 %).

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5 Zusammenfassung und Ausblick

Die Kombination von numerischer Strömungs-simulation und Experiment liefert eine opti-male Konstruktionsvariante für einen zwangs-durchströmten Thermogravimetrie-Reaktor,der sich zum Einsatz in konventionellen Ther-mowaagen eignet. Der experimentelle Nach-weis der Zwangsdurchströmung gelingt mitHilfe der Messung der Sublimationsrate vonNaphthalin, die einen Rückschluss auf die vor-handenen Strömungsverhältnisse erlaubt. DieKalibrierung der hierfür benötigten Volumen-stromabhängigkeit erfolgt in einem zwangs-durchströmten, geometrisch identischen Mo-dell.

Damit steht ein Thermogravimetrie-Reaktorzur Verfügung, der in Kombination mit einerintelligenten Gasdosierung [6] kinetische Un-tersuchungen heterogen katalysierter Reaktio-nen bei definierten Strömungsverhältnissen ineiner konventionellen Thermowaage erlaubt.Dies ist Gegenstand der aktuellen Forschungs-arbeiten.

Eingegangen am 14. September 2006

Formelzeichen

m [mg] Masseq [mL/min] Volumenstromq0 [mL/min] Eingangsvolumenstromt [min] Zeit

Dipl.-Ing. J. Krautwald([email protected]),Prof. Dr. Ing. K. Schnitzlein,Lehrstuhl Chemische ReaktionstechnikBTU Cottbus, Burger Chaussee 2,Haus 4/3, D-03046 Cottbus, Germany.

Literatur

[1] W. Zhu et al., Ind. Eng. Chem. Res. 1998, 37 (5),1934.

[2] D. Chen et al., Appl. Catal., A 1996, 137, L1.[3] R. J. Goldstein, H. H. Cho, Exp. Therm Fluid

Sci. 1995, 10 (4), 416.[4] P. S. Mendes, Exp. Therm Fluid Sci. 1991, 4 (5),

510.[5] J. Krautwald, K. Schnitzlein, K. Vorlop, Chem.

Ing. Tech., in Vorbereitung.[6] K. Schnitzlein, O. Otto, Chem. Ing. Tech. 2000,

72 (6), 631.

Die Kombinationvon numerischerStrömungssimula-tion und Experi-ment liefert eineoptimale Konstruk-tionsvariante füreinen zwangsdurch-strömten Thermo-gravimetrie-Reak-tor, der sich zumEinsatz in konven-tionellen Thermo-waagen eignet.

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