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M. Güthle · M.M. Dollinger Zentrum für Innere Medizin, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm, Ulm Epidemiologie und  Risikofaktoren des  hepatozellulären Karzinoms Das hepatozelluläre Karzinom stellt in der Gruppe von Patienten mit kom- pensierter Leberzirrhose die häufigs- te Todesursache dar. In den letzten Jahren wurde ein kontinuierlicher An- stieg der Inzidenz verzeichnet, der auf alkoholische Lebererkrankungen, das metabolische Syndrom sowie eine steigenden Prävalenz der Virus- hepatitis B und C zurückzuführen ist. In Europa ist das hepatozelluläre Kar- zinom für 6% aller Tumorerkrankun- gen verantwortlich und rückt zuneh- mend in den onkologischen Fokus. Epidemiologische Daten Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) stellt das fünfthäufigste Malignom bei Männern und das neunthäufigste Mali- gnom bei Frauen dar mit weltweit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzten 782.000 neuen Erkrankungs- fällen im Jahr 2012. Männer waren dabei in 554.000 Fällen betroffen, entsprechend 7,5% aller Tumorneuerkrankungen, Frau- en in 228.000 Fällen, entsprechend 3,4% aller Tumorneuerkrankungen (. Abb. 1; [12, 19]). Als Todesursache infolge einer Krebserkrankung rangiert das hepatozel- luläre Karzinom weltweit an zweiter Stel- le und wird für nahezu 746.000 Todesfäl- le im Jahr 2012 (9,1% aller Krebstodesfäl- le) verantwortlich gemacht [19]. Bei der Inzidenz des hepatozellulä- ren Karzinoms fallen sehr große geogra- phische Unterschiede auf. Über 80% der weltweiten Erkrankungsfälle fallen auf Ost- und Südostasien sowie Zentral- und Westafrika. Dies lässt sich mit der hohen Prävalenz der chronischen Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion in die- sen Ländern erklären. In Europa, in den USA und Kanada sowie in Japan ist die Inzidenz für das Auftreten eines hepato- zellulären Karzinoms deutlich geringer: In Deutschland lag die von der WHO ge- schätzte altersstandardisierte Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms im Jahre 2012 bei 7,2/100.000 Einwohner für Männer und bei 2,3/100.000 Einwohner für Frau- en. Deutschland lag somit in Europa im Mittelfeld (. Abb. 2 und 3; [6, 12, 19]). Auch in der altersabhängigen HCC-In- zidenz finden sich große regionale Unter- schiede. In Ländern mit niedriger Inzi- denz tritt bei einer altersabhängigen Be- rechnung der Gipfel erst im 7. Lebens- jahrzehnt auf, wohingegen in den Län- dern mit hoher Hepatitis-B- und -C-Prä- valenz und nachfolgend hoher Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms Erkran- kungsfälle schon ab dem 2. Lebensjahr- zehnt verzeichnet werden können [19]. In den letzten 20 Jahren hat die Inzi- denz des hepatozellulären Karzinoms auf- grund der steigenden Zahl der Patienten mit Leberzirrhose als Folge einer chroni- schen Virushepatitis B oder C kontinuier- lich zugenommen. Insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Europa wird dies auf die Hepatitis-C-Epi- Männer Frauen 20000 20000 15000 15000 10000 10000 5000 0 5000 Weltweite neue Fälle und Todesfälle durch Krebserkrankungen pro Jahr (X 100) Lunge Brust Colorektal Prostata Magen Leber Gebärmutterhals Ösophagus Blase Non-Hodgkin Lymphom Neue Fälle Todesfälle Abb. 1 8 Übersicht der 10 häufigsten Malignome bei Männer und Frauen weltweit (neue Fälle und Todesfälle); das hepatozelluläre Karzinom stellt das fünfthäufigste Malignom bei Männern und das neunthäufigste Malignom bei Frauen dar. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltgesund- heitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19]) Leitthema Radiologe 2014 DOI 10.1007/s00117-014-2650-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 1 Der Radiologe 2014|

Epidemiologie und Risikofaktoren des hepatozellulären Karzinoms; Epidemiology and risk factors of hepatocellular carcinoma;

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Page 1: Epidemiologie und Risikofaktoren des hepatozellulären Karzinoms; Epidemiology and risk factors of hepatocellular carcinoma;

M. Güthle · M.M. DollingerZentrum für Innere Medizin, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm, Ulm

Epidemiologie und Risikofaktoren des hepatozellulären Karzinoms

Das hepatozelluläre Karzinom stellt in der Gruppe von Patienten mit kom-pensierter Leberzirrhose die häufigs-te Todesursache dar. In den letzten Jahren wurde ein kontinuierlicher An-stieg der Inzidenz verzeichnet, der auf alkoholische Lebererkrankungen, das metabolische Syndrom sowie eine steigenden Prävalenz der Virus-hepatitis B und C zurückzuführen ist. In Europa ist das hepatozelluläre Kar-zinom für 6% aller Tumorerkrankun-gen verantwortlich und rückt zuneh-mend in den onkologischen Fokus.

Epidemiologische Daten

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) stellt das fünfthäufigste Malignom bei Männern und das neunthäufigste Mali-gnom bei Frauen dar mit weltweit durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geschätzten 782.000 neuen Erkrankungs-fällen im Jahr 2012. Männer waren dabei in 554.000 Fällen betroffen, entsprechend 7,5% aller Tumorneuerkrankungen, Frau-en in 228.000 Fällen, entsprechend 3,4% aller Tumorneuerkrankungen (. Abb. 1; [12, 19]).

Als Todesursache infolge einer Krebserkrankung rangiert das hepatozel-luläre Karzinom weltweit an zweiter Stel-le und wird für nahezu 746.000 Todesfäl-le im Jahr 2012 (9,1% aller Krebstodesfäl-le) verantwortlich gemacht [19].

Bei der Inzidenz des hepatozellulä-ren Karzinoms fallen sehr große geogra-phische Unterschiede auf. Über 80% der weltweiten Erkrankungsfälle fallen auf

Ost- und Südostasien sowie Zentral- und Westafrika. Dies lässt sich mit der hohen Prävalenz der chronischen Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Virusinfektion in die-sen Ländern erklären. In Europa, in den USA und Kanada sowie in Japan ist die Inzidenz für das Auftreten eines hepato-zellulären Karzinoms deutlich geringer: In Deutschland lag die von der WHO ge-schätzte altersstandardisierte Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms im Jahre 2012 bei 7,2/100.000 Einwohner für Männer und bei 2,3/100.000 Einwohner für Frau-en. Deutschland lag somit in Europa im Mittelfeld (. Abb. 2 und 3; [6, 12, 19]).

Auch in der altersabhängigen HCC-In-zidenz finden sich große regionale Unter-

schiede. In Ländern mit niedriger Inzi-denz tritt bei einer altersabhängigen Be-rechnung der Gipfel erst im 7. Lebens-jahrzehnt auf, wohingegen in den Län-dern mit hoher Hepatitis-B- und -C-Prä-valenz und nachfolgend hoher Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms Erkran-kungsfälle schon ab dem 2. Lebensjahr-zehnt verzeichnet werden können [19].

In den letzten 20 Jahren hat die Inzi-denz des hepatozellulären Karzinoms auf-grund der steigenden Zahl der Patienten mit Leberzirrhose als Folge einer chroni-schen Virushepatitis B oder C kontinuier-lich zugenommen. Insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Europa wird dies auf die Hepatitis-C-Epi-

Männer Frauen

20000 2000015000 1500010000 100005000 0 5000

Weltweite neue Fälle und Todesfälle durch Krebserkrankungen pro Jahr (X 100)

Lunge

Brust

Colorektal

Prostata

Magen

Leber

Gebärmutterhals

Ösophagus

Blase

Non-Hodgkin Lymphom

Neue FälleTodesfälle

Abb. 1 8 Übersicht der 10 häufigsten Malignome bei Männer und Frauen weltweit (neue Fälle und Todesfälle); das hepatozelluläre Karzinom stellt das fünfthäufigste Malignom bei Männern und das neunthäufigste Malignom bei Frauen dar. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltgesund-heitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19])

Leitthema

Radiologe 2014 DOI 10.1007/s00117-014-2650-6© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

1Der Radiologe 2014  | 

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demie in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zurückgeführt [5]. Pa-rallel nahm jedoch auch eine weitere Prä-kanzerose, die nichtalkoholische Fettle-bererkrankung („nonalcoholic fatty liver disease“, NAFLD) als Folge des metabo-lischen Syndroms, in der westlichen Welt zu und verstärkte diesen Trend [5, 16, 20]. Da sich gleichzeitig die Behandlungsmög-lichkeiten der Leberzirrhose und ihrer Folgeerkrankungen kontinuierlich ver-besserten (beispielsweise die Prophyla-

xe und Therapie gastrointestinaler Blu-tungen, der spontan-bakteriellen Perito-nitis oder des hepatorenalen Syndroms), erhöhte sich das Risiko der Patienten, an einem hepatozellulären Karzinom als ter-minale Komplikation der Leberzirrhose zu erkranken. Von der WHO wird daher ein weiterer Anstieg der Inzidenz hepato-zellulärer Karzinome prognostiziert, nach aktuellen Schätzungen soll es aufgrund demographischer Effekte im Jahr 2025 zu 1.075.850 und im Jahre 2030 zu 1.209.252

Neuerkrankungen weltweit kommen. Hierbei wurde bereits ein Rückgang der Inzidenz durch Zunahme strukturierter Hepatitis-B-Impfprogramme miteinbe-zogen, die bisher nur in wenigen Ländern wie beispielsweise Thailand oder Japan die Inzidenz der hepatozellulären Karzi-nome senken konnten [3].

Ein weiterer Rückgang wird durch die neuen Therapien der Virushepatitis C zu verzeichnen sein, der jedoch noch nicht in die Schätzung der WHO einbezogen wur-de (. Abb. 6; [19]). Wegen der noch im-mer sehr hohen Letalität des hepatozel-lulären Karzinoms entspricht die globale Verteilung der Mortalität nahezu der glo-balen Verteilung der Inzidenz [19].

Risikofaktoren für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms

Nahezu 90% aller hepatozellulären Kar-zinome in der westlichen Welt treten in einer zirrhotisch veränderten Leber auf (bei bis zu 4% der Zirrhosepatienten pro Jahr). Die Leberzirrhose zählt daher als Präkanzerose. Das kumulative Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln, ist abhängig von der Ätiologie der Leber-erkrankung und bei den Virushepatiti-den B und C am höchsten. Zudem zeigen sich geographische Unterschiede sowie Unterschiede je nach ethnischer Zugehö-

Abb. 2 8 Altersstandardisierte weltweite Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms pro 100.000 Personen beiden Geschlechts und aller Altersklassen. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltgesundheitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19])

Abb. 3 8 Altersstandardisierte Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms pro 100.000 Personen beiden Geschlechts und aller Altersklassen in Europa. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltge-sundheitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19])

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Leitthema

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rigkeit (das kumulative Risiko, innerhalb von 5 Jahren ein hepatozelluläres Karzi-nom zu entwickeln, liegt beispielsweise in den Vereinigten Staaten von Amerika bei etwa 17%, in Japan bei etwa 30%). Un-abhängig von allen anderen Faktoren ist das Vorliegen einer dekompensierten Le-berzirrhose mit dem höchsten Risiko ver-bunden [7].

Chronische Virushepatitis B

Das geschätzte Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Kar-zinoms bei chronisch HBsAg-positiven Patienten liegt bei 20–25%. Weitere Risi-kofaktoren sind männliches Geschlecht, erhöhte Transaminasen im Serum, Infek-tion mit dem Hepatitis-B-Genotyp C so-wie das Alter. Die Sinnhaftigkeit einer pri-märpräventiven Hepatitis-B-Impfung ist unumstritten [22]. Eine bestehende Koin-fektion mit dem Hepatitis-C-Virus erhöht das Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln, um das 15- bis 20-fache [7].

Chronische Virushepatitis C

Etwa ein Viertel der hepatozellulären Kar-zinome weltweit entsteht auf dem Boden einer chronischen Virushepatitis C [14]. In Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika sowie in Japan ist die Hepatitis C sogar die häufigste Grunderkrankung bei hepatozellulärem Karzinom, zurückzu-führen auf die Hepatitits-C-Epidemie in den 1970er und 1980er Jahren durch kon-taminierte Blutprodukte sowie den Ge-brauch kontaminierter Injektionsnadeln bei Drogenabusus [5, 7].

Alkoholische und nichtalkoholische Fettlebererkrankung

Ein weiterer bedeutender Risikofaktor für die Entwicklung eines hepatozellu-lären Karzinoms stellt der Alkoholmiss-brauch dar [3]. Schädlicher Alkoholkon-sum alleine ohne Vorliegen einer Leber-zirrhose scheint das Risiko, ein hepatozel-luläres Karzinom zu entwickeln, leicht zu erhöhen, eine direkte kanzerogene Wir-kung des Alkohols konnte jedoch noch nicht nachgewiesen werden [9]. Regel-mäßiger begleitender Alkoholkonsum spielt auch als Kofaktor bei Lebererkran-

kungen nicht äthyltoxischer Genese eine wichtige Rolle und erhöht das Risiko, ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln, drastisch. Daher sollte bei Vorliegen einer Leberkrankung grundsätzlich eine strik-te Alkoholkarenz eingehalten werden [11].

In der westlichen Welt wird die stei-gende Zahl der hepatozellulären Karzi-nome außerdem durch eine Zunahme von Diabetes mellitus und Adipositas im Sinne eines metabolischen Syndroms be-dingt. In Europa scheint die dadurch ent-stehende Fettlebererkrankung mit einer Prävalenz von nahezu 30% die häufigs-te Lebererkrankung zu werden [15]. Bei

Vorliegen einer Zirrhose auf dem Boden einer nichtalkoholischen Fettleberkran-kung liegt die jährliche Inzidenz hepa-tozellulärer Karzinome bei 2,6%, jedoch kann sich bei diesen Patienten ein Karzi-nom auch ohne Vorliegen einer Zirrhose entwickeln [1, 8]. Kürzlich konnte im Tier-modell gezeigt werden, dass Übergewicht bzw. eine nichtalkoholische Fettleberer-krankung die Darmflora verändern. Das erhöht anfallende bakterielle Abbaupro-dukt Desoxycholsäure führt anscheinend im Verlauf zur direkten Schädigung der zellulären Desoxyribonukleinsäure (DNS) und kann damit den proonkogenen „se-

Zusammenfassung · Abstract

Radiologe 2014 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00117-014-2650-6© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Güthle · M.M. Dollinger

Epidemiologie und Risikofaktoren des hepatozellulären Karzinoms

ZusammenfassungHintergrund. Die Inzidenz des hepatozellu-lären Karzinoms (HCC) ist in den letzten Jah-ren weiter gestiegen. Dies wird auf alkoholi-sche Lebererkrankungen, das metabolische Syndrom sowie die steigende Inzidenz der Vi-rushepatitis B und C zurückgeführt.Fragestellung. Auswertung der Epidemio-logie des hepatozellulären Karzinoms (HCC), Darstellung und Diskussion der Risikofakto-ren zur Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC).Material und Methoden. Literaturrecher-che, Auswertung der Statistiken der Weltge-sundheitsorganisation (WHO), Diskussion ak-tueller Grundlagenarbeiten und Experten-empfehlungen.Ergebnisse. Das HCC stellt bereits das fünft-häufigste Malignom bei Männern und das

neunthäufigste Malignom bei Frauen mit weiter steigender Inzidenz dar. Für das Auf-treten des hepatozellulären Karzinoms und bzgl. der Risikofaktoren zeigen sich große re-gionale Unterschiede, der bedeutendste Fak-tor ist die unterschiedliche Prävalenz der chronischen Virushepatitis B.Schlussfolgerung. Das HCC stellt ein be-deutendes medizinisches Problem dar. Pri-märpräventive Maßnahmen sowie geeigne-te Screeningalgorithmen gewinnen zuneh-mend an Bedeutung.

SchlüsselwörterInzidenz · Alkoholische Lebererkrankungen · Metabolisches Syndrom · Virushepatitis · Fettlebererkrankung

Epidemiology and risk factors of hepatocellular carcinoma

AbstractBackground. The incidence of hepatocellu-lar carcinoma (HCC) has increased over the past decades as a result of alcoholic liver dis-ease, the metabolic syndrome and the in-creasing incidence of viral hepatitis B and C.Objectives. An evaluation of the epidemi-ology of HCC, presentation and discussion of the risk factors for the development of HCC.Material and methods. This study was based on a literature review, analysis of the statistics of the World Health Organization (WHO), discussion of current basic research and expert recommendations.Results. The results show that HCC already represents the fifth most common malignan-

cy in men and the ninth most common ma-lignancy in women, and the incidence is still rising. The pronounced regional differences in prevalence and underlying risk factors are mainly, but not exclusively, due to the preva-lence of chronic viral hepatitis B.Conclusion. Hepatocellular carcinoma is a major medical problem. Primary prevention measures and suitable screening algorithms are gaining more and more importance.

KeywordsIncidence · Alcoholic liver diseases · Metabolic syndrome · Viral hepatitis · Fatty liver disease

3Der Radiologe 2014  | 

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neszenzassoziierten sekretorischen Phä-notyp“ (SASP) in Sternzellen induzieren, was wiederum die Entwicklung eines he-patozellulären Karzinoms begünstigt [21].

Weitere Risikofaktoren

Vor allem in Nordeuropa stellt die here-ditäre Hämochromatose als genetisch de-terminierte Eisenstoffwechselstörung mit Entwicklung einer Leberzirrhose einen weiteren Risikofaktor für hepatozelluläre Karzinome dar und erhöht das entspre-chende Risiko auf das 200-fache [3]. An-dere Lebererkrankungen wie die Autoim-

munhepatitis, die primär biliäre Zirrho-se (PBC), und die Kupferstoffwechselstö-rung Morbus Wilson können ebenfalls zu einer Leberzirrhose führen, begünstigen aber seltener die Entwicklung eines Kar-zinoms.

Die primär biliäre Zirrhose (PBC) be-trifft dabei hauptsächlich Frauen und ist bei diesen mit einem niedrigen malignen Entartungsrisiko behaftet. In einer natio-nalen Kohorte in Japan konnte jedoch ge-zeigt werden, dass Männer mit primär bi-liärer Zirrhose ein deutlich erhöhtes Er-krankungsrisiko bzgl. der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms haben

und auch wesentlich früher an diesem er-kranken, unabhängig vom histologischen Stadium der primär biliären Zirrhose [10].

Neben der Ursache für die Entstehung einer Leberzirrhose stellen daher in meh-reren Studien das männliche Geschlecht, das Lebensalter und ein Nikotinabusus weitere sekundäre Risikofaktoren für die Entwicklung maligner Lebertumoren dar [17].

Ohne assoziierte Leberzirrhose tre-ten hepatozelluläre Karzinome dagegen in westlichen Ländern nur selten auf. Nur für eine Subgruppe der zu den primär gut-artigen Lebertumoren gehörenden Ade-nome konnte ein hohes malignes Entar-tungsrisiko nachgewiesen werden. Diese β-Catenin-positiven Adenome treten ge-häuft bei Männern auf, eine bioptische Abklärung und ggf. chirurgische Entfer-nung ist unumgänglich [13].

In Teilen von Afrika und Asien spielen auch Umwelttoxine wie das Aflatoxin B1 des Pilzes Aspergillus flavus (wächst bei feuchtem Klima unter anderem auf Ge-treide und Nüssen) als Karzinogen eine Rolle und begünstigt durch Mutation des Tumorsuppressor-Gens p53 die Entwick-lung der Tumoren [2]. In China spielt bei endemisch auftretenden Häufungen eine Verunreinigung von Gewässern und des

Männer Frauen

8000 6000 60004000 40002000 20000

Geschätzte regionale HCC-Inzidenz und -5-Jahres-Prävalenz (x100)

5-Jahres-PrävalenzInzidenz

WeltWeniger entwickelte Regionen

OstasienBesser entwickelte Regionen

Südostasien

Südeuropa

SüdamerikaZentral-und Osteuropa

SüdzentralasienWesteuropa

Westafrika

Nordamerika

NordafrikaZentralamerika

OstafrikaWestasien

NordeuropaMittelafrika

KaribikAustralien / Neuseeland

SüdafrikaMelanesien

MikronesienPolynesien

Abb. 5 8 Fünfjahresprävalenz und Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms bei Männern und Frauen weltweit. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltgesundheitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19])

761985

313865

Männer

Frauen

0 100000 200000 300000 400000 500000 600000 700000 800000 900000

Inzidenz in 2012 Demographischer E�ekt

Abb. 6 8 Altersstandardisierte weltweite Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms (HCC) im Jahr 2012 sowie geschätzte altersstandardisierte weltweite HCC-Inzidenz im Jahre 2025 unter Berücksichtigung demographischer Effekte. (Mit freundl. Genehmigung adaptiert nach der Weltgesundheitsorganisa-tion, GLOBOCAN 2012 [19])

Männer Frauen

Neue FälleTodesfälle

20 15 1510 105 50

Neue HCC-Fälle und - Todesfälle in Europa pro Jahr (X 100.000)

MoldawienItalien

FrankreichLuxemburg

SpanienRumänienÖsterreich

SchweizMontenegro

SlowenienPortugalFinnlandKroatien

DeutschlandBosnien-Herzegovina

SerbienSlowakei

TschechienBulgarien

Mazedonien

Abb. 4 8 Neue Fälle und Todesfallen bei hepatozellulärem Karzinom pro Jahr bei Männern und Frauen in Europa. (Mit freundl. Genehmigung adap-tiert nach der Weltgesundheitsorganisation, GLOBOCAN 2012 [19])

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Leitthema

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Trinkwassers mit einer hepatotoxinbil-denden blau-grünen Alge eine Rolle [18].

Fazit für die Praxis

F  Die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms ist in den letzten Jahren gestiegen.

F  Ursache sind die alkoholische Leber-erkrankung, das metabolische Syn-drom sowie die in den letzten Deka-den gestiegene Inzidenz der Virushe-patitis B und C.

F  Primärpräventiv sollte eine Hepati-tis-B-Impfung flächendeckend einge-führt werden.

F  Ein Screening auf das Vorliegen eines hepatozellulären Karzinoms sollte jährlich v. a. bei Patienten mit Leber-zirrhose, chronischer Virushepatitis B und nichtalkoholischer Fettleberer-krankung durchgeführt werden.

Korrespondenzadresse

PD Dr. M.M. DollingerZentrum für Innere Medizin, Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm,Albert-Einstein-Allee 23, 89081 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M.M. Dollinger weist auf folgen-de Beziehungen hin: grant support by Bayer, Roche, Novartis. M. Güthle gibt an, dass kein Interessenskon-flikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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5Der Radiologe 2014  |