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Arch. Oto-Rhino-Laryng. 208, 49--59 (1974) by Springer-Verlag 1974 Epithelproliferation im vorderen Verdauungstrakt des Kaninchens* P. Strauss und E. Koburg Hals-Nasen-Ohrenklinikder Universit/~t Dfisseldorf (Dircktor Prof. Dr. A. Meyer zmn Gottesbergc) Eingegangen am 2. April 1974 Proliferation of Squamous Epithelia in the Anterior Digestive Tract of Rabbits Summary. For determining the duration of the different phases in the generative cycle of the anterior digestive tract squamous epithelia of rabbits by means of historadioautography tritium thymidine was used as a precursor in order to label the percentage of DNA-synthesising cells and the fate of these cells within a pop- ulation. The DNA synthetic time ~ and tho duration of mitosis M were found to be nearly constant with only little variation, while for G 1 (presynthetic gap) and the migration time T (migration between generative layer and area subjacent the zone of desquamation) considerable variations were observed. G 2 (postsynthetic or premitotic gap) appeared to have a sharply limited minimal duration and was considered to represent a pool of eells waiting for mitosis, if necessary. Every mitosis is supposed to be an equal division with respect to the developmental potency of the/1 cells. For the calculation of the cycle time C (duration of the generative cycle) the examination of the basal layer was found to be sufficient. With a given tritium index (percentage of tritium labelled cells) the renewal time of the total epithelial layer overlying the germinal layer can only be estimated regarding its order of magnitude. Zusammen]assung. Bei den Epithelien des vorderen Verdauungstraktes des Kaninchens wurden mittels der autoradiographischen Methodik die einzelnen Zeit- spannen des Zellebens bestimmt. Zur Markierung der teilungsbereiten Zellen wtu'de der spezifische DNS-Vorl~ufer Tritium-Thymidin verwendet. Die DNS-Synthese- dauer S und die Mitosedauer M sind innerhalb enger Grenzen konstant. Ffir die Ruhephase G 1 und die Wanderzeit T wurden auBerordentliche Sehwankungen beobachtet. Fiir G~ besteht eine scharf begrenzte Minimaldauer, G2 wird als ,,pool" teilungsbereiter Zellen angesehen. Ffir die einzelne Zellteilung wird ein ~qualer Teilungsmodus angenommen, bei dem zwei Tochterzellen mit gleicher Potenz entstehen. Fiir die Bestimmung der Generationsdauer C ist die Auswertung des Stratum basale ausreichend. Bei bekanntem H-3-Index des gesamten Epithels l~Bt sich die Erneuerungszeit des Epithels oberhalb des Stratum germinativum nur hinsichtlieh der Gr6Benordnung betimmen. * Mit Unterstiitzung durch )/iittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 4 Arch. Oto-l~hino-Laryng., Vol. 208

Epithelproliferation im vorderen Verdauungstrakt des Kaninchens

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Arch. Oto-Rhino-Laryng. 208, 49--59 (1974) �9 by Springer-Verlag 1974

Epithelproliferation im vorderen Verdauungstrakt des Kaninchens*

P. Strauss und E. Koburg

Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universit/~t Dfisseldorf (Dircktor Prof. Dr. A. Meyer zmn Gottesbergc)

Eingegangen am 2. April 1974

Proliferat ion of Squamous Epi thel ia in the Anter ior Digestive Tract of Rabbi t s

Summary. For determining the duration of the different phases in the generative cycle of the anterior digestive tract squamous epithelia of rabbits by means of historadioautography tritium thymidine was used as a precursor in order to label the percentage of DNA-synthesising cells and the fate of these cells within a pop- ulation. The DNA synthetic time ~ and tho duration of mitosis M were found to be nearly constant with only little variation, while for G 1 (presynthetic gap) and the migration time T (migration between generative layer and area subjacent the zone of desquamation) considerable variations were observed. G 2 (postsynthetic or premitotic gap) appeared to have a sharply limited minimal duration and was considered to represent a pool of eells waiting for mitosis, if necessary. Every mitosis is supposed to be an equal division with respect to the developmental potency of the/1 cells. For the calculation of the cycle time C (duration of the generative cycle) the examination of the basal layer was found to be sufficient. With a given tritium index (percentage of tritium labelled cells) the renewal time of the total epithelial layer overlying the germinal layer can only be estimated regarding its order of magnitude.

Zusammen]assung. Bei den Epithelien des vorderen Verdauungstraktes des Kaninchens wurden mittels der autoradiographischen Methodik die einzelnen Zeit- spannen des Zellebens bestimmt. Zur Markierung der teilungsbereiten Zellen wtu'de der spezifische DNS-Vorl~ufer Tritium-Thymidin verwendet. Die DNS-Synthese- dauer S und die Mitosedauer M sind innerhalb enger Grenzen konstant. Ffir die Ruhephase G 1 und die Wanderzeit T wurden auBerordentliche Sehwankungen beobachtet. Fiir G~ besteht eine scharf begrenzte Minimaldauer, G2 wird als ,,pool" teilungsbereiter Zellen angesehen. Ffir die einzelne Zellteilung wird ein ~qualer Teilungsmodus angenommen, bei dem zwei Tochterzellen mit gleicher Potenz entstehen.

Fiir die Bestimmung der Generationsdauer C ist die Auswertung des Stratum basale ausreichend. Bei bekanntem H-3-Index des gesamten Epithels l~Bt sich die Erneuerungszeit des Epithels oberhalb des Stratum germinativum nur hinsichtlieh der Gr6Benordnung betimmen.

* Mit Unterstiitzung durch )/iittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

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Problemstellung und Ergebnisse anderer Autoren

Seit Bizzozero [2] werden die Gewebe der Vertebraten in drei Grup- pen eingeteilt:

labile Elemente mit physiologischer Zellerneuerung, aueh Wechsel- gewebe genannt, wie Epithelien,

stabile Elemente mi t regenerativen Potenzen wie Leber und Niere und

permanente Elemente, die die F/ihigkeit zur Zellteilung verloren haben wie Ganglienzellen.

Bei Wechselgeweben erfolgt der Zellersatz yon Indifferenzzonen aus [u. a. 9]. ParenchymatSse Organe wie Leber und ~iere regenerieren durch Dedifferenzierung ihrer Funktionszellen, die so ihre Teilungs- f/~higkeit wieder gewinnen [22, 23, 30].

Die Anwendung eines radioaktiven D~qS-Vorl&ufers (bier Tritium- Thymidin) erlaubt in Verbindung mit der histoautoradiographisehen Methodik, neben Aussagen fiber die Gesamtheit eines Gewebes auch das Schicksal der einzelnen Zelle zu verfolgen und so tiefer in die Kennt- nis des Mechanismus der Zellteilung, Zelldifferenzierung und Zellwan- derung einzudringen [8,12,14--16,18,19,27,28].

Das dem Versuehstier injizierte mit Tritium markierte Thymidin wird w~hrend seiner Verffigbarkeitszeit im Organismus in das Material der Zellkerne eingebaut, die sich gerade in der DNS-Synthese befinden. Die so markierten teilungsbereiten Zellen lassen sieh durch ~berziehen des histologisehen Sehnittes mit einer Foto- sehieht in der Weise sichtbar machen, dab die bei dem radioaktiven Zerfall frei- werdende Strahlung die Fotoschicht fiber der Stelle der Inkorporation des Strahlers punktfSrmig sehw~irzt.

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Abb. 1. Phasen des Generationscyclus: Pr~synthetische Ruhephase G 1, DI~S-Syn- thesephase S, postsynthetische Ruhephase G2, Mitosephase M

Die einzelnen Phasen und die Bauer dieser Phasen des Zellebens werden mit Buchstaben bezeiehnet: M ~ Mitose, S ~ DNS-Synthese, G1 ~ postmitotiseh prisynthetisch, G2 = postsynthetisch pr imi to- tisch, C ---- Generationsdauer (Gi + S ~- G2 ~- M) [29]. Die Abb. 1 stellt die Phasen des Generationseyelus graphisch dar. I n asynchron waehsenden Zellpopulationen besteht eine direkte Beziehung zwischen der Dauer der Phase des Zellebens und der Zahl der Zellen, die sieh in dieser Phase befinden. Durch die Markierung der Zellen in der DNS-

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Synthesephase kann also die Generationsdauer der teilungsfghigen Zellen bestimmt werden, wenn die Dauer der DNS-Synthesephase S bekarmt ist. Es gilt die Proportion

markierte Zellen Dauer DNS-Synthese S Gesamtzahl teilungsfiih. Zellen --~ Generationsdauer G (1)

Das Verh~ltnis markierte Zellen zur Gesamtzahl der Zellen wird als H 3-Index bezeichnet.

Weehselgewebe wie die Epithelien sind im Fliel]gleiehgewicht: die Zahl der in den Indifferenzzonen (bei den Epithelien: Stratum germina- tivum) neugebildeten Zellen entsprieht der Zahl der Zellen, die verloren- gehen. Summariseh betraehtet sind die Zellteilungen also ini~qual. Die eine H/~lfte der Toehterzellen bleibt teilungsf~hig in den Indifferenz- zonen, die andere H~lfte wandert ab, differenziert sieh und verliert ihre Teilungsfs Von zahlreiehen Untersuchern wird ffir die Proli- ferationssteuerung der Epithelien ein bremsender Regulationsmeeha- nismus durch Riickkoppelung (feed back) angenommen: yon den sieh differenzierenden Zellen gebildete Hemmstoffe regulieren die Mitoserate [3--5,10,21--25].

Die Diskussion fiber gleiehe oder untersehiedliche genetisehe In- formation der Tochterzellen bei der Mitose ist noeh nicht abgeschlossen:

Einmal wird angenommen, dal] die beiden Toehterzellen einer Mitose yon unterschiedlicher prospektiver Potenz sind. Die eine Toehterzelle kann sieh welter teilen, die andere ist teilungsunfi~hig und differenziert [20,26]. Das setzt eine unterschiedliehe genetisehe Information der beiden Toehterzellen voraus. Eine weitere MSgliehkeit ist eine Mitose, die zwei gleiche, teilungsf/~hige Toehterzellen produziert. Das FlieB- gleiehgewieht wird dureh eine ebenso grebe Zahl Mitosen aufreehter- halten, die zwei gleiehe Toehterzellen ohne Teflungsf/~higkeit produ- zieren [6,7,26]. Hierbei sind die einzelnen Mitosen ~qual, es gibt nur zwei versehiedene Mitosearten, eine, die den generativen Cyelus speist, die andere, die nur Funktionszellen produziert.

Zum anderen wird die einzelne /~quale Teilung postuliert. Es ent- stehen nur teilungsf/~hige Toehterzellen mit gleicher genetischer In- formation. Die Gesetze des FlieBgleichgewiehtes werden eingehalten, da die eine tI~lfte der Toehterzellen dureh den Populationsdruek aus dem Stratum germina~ivum in statistischer Reihenfolge herausgedr~ngt wird. Die herausgedr~ngten Zellen differenzieren dureh Hemmstoff- einflfiBe und verlieren so ihre Teilungsf/~higkeit [13,16].

Die differenzierten Zellen fiben den Funktionsstoffweehsel, die Zellen in der Indifferenzzone den Teilungsstoffwechsel. Gleichzeitig ablaufender Funktionsstoffwechsel und Teilungsstoffwechsel sehlieBen sich allein

4"

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aus energetischen Griinden aus [1]. Unter Annahme einer i~qualen Tel- lung mit zwei gleichen, teilungsfi~higen Tochterzellen werden bei den Zellen, die zu Funktionszellen differenzieren, die fiir die Mitose not- wendigen Stoffweehselvorgi~nge durch Reprimierung der genetischen Information fiir die Teilungssynthese gehemmt [1]. Die Reprimierung, d.h. die Blockierung der genetischen Information f/Jr den Teilungs- stoffwechsel, leitet also zur Differenzierung urn. Die Reprimierung kann reversibel sein (parenchymatSse Organe) oder ab einer bestimmten Differenzierungsstufe irreversibel (Epithelien). Bei den Epithelien er- reichen die Zellen naeh der Kreatinbildung ein Stadium, das einen Tei- lungsstoffwechsel nicht mehr zuli~Bt. Jedoch im gesamten Stratum spinosum k6nnen durchaus bei z.B. entztindlichen Prozessen mit ge- steigerter Proliferation Mitosen stattfinden [17,24].

Die Gen-Reprimierung kSnnte durch die bisher isolierten Itemm- stoffe bedingt sein und den Angriffspunkt des feed-back-Mechnnismus erkl/iren.

Eigene Untersuchungen Methodik

Die hier vorgelegten Untersuehungen wurden an 15 Kaninehen durchgeffihrt. Das verwendete Tritium-Thymidin hatte eine spezifische Aktivit~t yon

3,0 mC/mMol und wurde intraven6s oder intraperitoneal appliziert. Die Tiere warden 30 rain bis 96 Std nach Versuchsbeginn get6tet, die untersuehten Gewebe sofort entnommen und in neutralem Formalin fixiert. 5 ~ dieke Paraffinsehnitte (Folgesehnitte) warden mit Kodak AI~ 10 (London) ,,stripping film" bedeekt und 3--40 Tage exponiert, l~aeh Entwicklung des Films erfolgte die F~rbung des Sehnit- tes durch die Fotoschicht mit Haematoxilin-Eosin.

Bei allen untersuehten Geweben (weicher Gaumen, Zungenoberseite, Zungen- unterseite, Oesophagus, Duodenum) warden G 2, M, S aus dem Anstieg des Prozent- satzes markierter Mitosen fiber der Zeir bestimmt [11,27]. Die Zellen des Stratum germinativum, die sich w~ihrend der Injektion der Tritium-Thymidin in der DNS- Synthese befunden haben, inkorporieren den radioaktiven DNS-Vorli~ufer und sind so markiert. Naeh einer Zeitspanne, die der pr~imitotisehen Ruhephase G 2 entspricht (s. Abb. 1,2) beginnen diese ersten raarkierten Zellen sich zu teilen:

% MARKIERFE MIFOSEN ,oot/ C .

Abb.2. Prozentsatz markierter Mitosen als Funktion der Zeit n~ch einmaliger Injektion yon Tritium-Thymidin

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Abb. 3.1--5. Prozentsatz markierter Mitosen und Prozentsatz derjenigen markier- ten Interphasen, die das stratum germinativum verlassen haben, als Funktion der

Zeit nach einmaliger Injektion yon Tritium-Thymidin

markierte Mitosebilder werden sichtbar. Vergr613crt man die Versuchsdauer um die Mitosedauer auf Gu q- M, so haben inzwischen alle unmarkierte Mitosen den Teilungsvorgang beendet, die nachriickenden Zellen sind aber alle markiert, da sic sieh bei Versuchsbeginn in der DNS-Syathesephase befunden haben: der Pro- zentsatz markierter Mitosen betr~gt 100. Bei weiterer VergrSBerung der Versuchs- dauer kommt der Zeitp~mkt, an dem wieder die ersten unmarkierten Mi~osebilder auftreten. Diese Zellen miissen sich bei Versuehsbeginn am Ende der pr~synthe- tisehen Ruhephase G1 kurz vor dem Beginn der DNS-Synthesephase S befunden haben. Von diesem Zeitpunkt an kommen nut noeh unmarkierte Zellen in die Mitose: der Prozentsatz markierter Mitose sinkt irmerhalb M auf null. Die ersten markierten Toehterzellen teilen sieh ihrerseits wieder nach G 1 -~ S-[-G~-4-M, vom Auftre~en der ersten markierten Mitose an gerechnet. So lgl~t sich aus dem erneuten Anstieg des Prozentsatzes markierter 1Yfitosen die Generationsdauer O bestimmen.

Aullerdem wurde der Prozengsatz der markierten Interphasen als Funktion der Zeit bestimmt, die das Stratum germinativum verl~ssen haben, um eine Aus- sage fiber den Popula/sionsclruel~, die Abwanderungsgesehwindigkeit tier markierten Toehterzellen aus dem Stratum germinativum und das Flieflgleichgewieht machen zu kSnnen. Die Abb. 3 1 - - 5 zeigen einmal den Prozentsatz markierter FIitosen der untersuchten Epithelien, zum anderen den Prozentsatz markierter Interphasen, die das Stratum germinativum gerade verlassen haben.

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Ergebnisse

Die Mitosedauer mit 1,5 Std und die DNS-Synthesedauer mit 8 Std (im Duodenum 7 Std) waren konstant. AuBerdem ist die Zeit eines G2-Minimum ftir alle untersuchten Gewebe schdrf auf 30 min begrenzt. Fiir all~ untersuehten Gewebe fund sich unerwartet nach 24 Std wieder ein Anstieg des Prozentsatzes markierter Mitosen [siehe auch 30 und 32]. Die Generationsdauer ]ieB sieh nicht aus dem Prozentsatz markierter Mitosen als Funktion der ZeR ablesen, da sich die zeitliehen Sehwankun- gen der einzelnen GrSBen des Zellebens zu einem Gesamtwert addierten, der keine seharf begrenzte Kurve zulieB.

Die Generationsdauer (C) wurde daher einmal aus dem tL3-Index der Basalzellreihe naeh Gleichung (2) bestimmt unter der Annahme, dab hier fast ausschlieBlieh sieh teilende Zellen vorliegen.

S U - Ha-Index (2)

Das Stratum germinativum war bei allen untersuchten Epithelieu zwei- bie dreireihig. Eine zweite Bestimmung erfolgte naeh derselben Gleiehung aus dem H-3-Index des gesamten Stratum germinativum, wobei die Wahrscheinlichkeit, eine markierte Toehterzelle mit auszu- zi~hlen, die abwander~ und sich nicht teilt, mit 0,5 angenommen wurde (G1. 3). Diese Annahme beruht auf folgender Vorstellung:

S C -- 1,5 Ha-Index (3)

nach Beendigung der Mitose bleibt die eine tt~lfte der Tochterzellen tei- lungsbereit im Stratum germinativum, die andere tt~lfte hat w~hrend der ganzen Generationszeit gleiehm~Big die MSgliehkeit, abzuwandern und zu differenzieren. Diese Zellen gehen also nieht in den Generationscyclus ein. Daher wurde das Ergebnis der Gleichung (2) durch 1,5 geteiR [16].

Beide Bestimmungsarten fiihrten zu gleiehen Generationsdauern. Die Tab. 1 zeigt die Ergebnisse dieser Untersuehungen.

Die Schwankungen der DNS-Syntheserate in Tag- und Nachtrhyth- mus wurden beriicksichtigt. Durch Wahl des TStungszeitpunktes wurde jewefls eine mittlere Generationszeit angegeben, die durch Bestimmung des Tag- und Naehtrhythmus kontrolliert wurde. (Diese Ergebnisse werden in einer weiteren Arbeit verSffentlicht.) AuBerdem wurde die Zeitdauer festgelegt, die die einzelnen markierten Zellen bis zum Er- reiehen des Epithelsaumes benStigten (Wanderzeit T in der Abb. 4).

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WEG in %

~176 t

6 12 24 48 72 965,td.

Abb.4. Zuriickgelegter Weg der markierten Epithelzellen yon der Epibhelbasis his zum Epithelsaum (1 Gaumen, 2 Zungenriieken, 3 Zungenunterseite,

4 Oesophagus, 5 Duodenum)

Die Epitheldicke der einzelnen Gewebe sehwankte bei ein und dem- selben Tier um 50--1000/0 . Die zuriickgelegte Strecke der einzelnen Zellen pro Zeiteinheit bei einem Tier schwankte ebenfalls betr/~ehtlieh, so daf~ kein homogenes Compartment oberhalb des Stratum spinosum angenommen werden kann. Die mittlere Zeitdauer, bis die markierten Zellen den Epithelsaum erreieht haben, 1/~Bt sieh reehnerisch kontrol- lieren: die Zeitdauer, in der alle Funktionszellen eines Epithelabsehnittes einmal ersetzt sind, h/~ngt ab yon der Zahl der generativen Zellen und der Dauer des Generationseyclus. Es gilt die Beziehung [31]

8 Hs-Index (oberhalb Stratum germ.) = ~ (4)

Die Versuehe ergaben, dal~ nicht immer die gemessene mittlere Wanderzeit mit der erreehneten tibereinstimmt. Das Schicksal der Zell- formation oberhalb des Stratum germinativum h/~ngt also nieht allein yore Zellnaehschub ab, sondern unterliegt weiteren Einfliissen.

Diskussion Bei der Auswertung der Ergebnisse ergibt sieh eine Schwierigkeit:

die Bestimmung des Prozentsatzes markierter Mitosen brachte bei alien untersuehten Epithelien eine gut ausgebildete erste Kurve (s. Abb.3 1--5), G2-Minimum und 2g sind konstant. In den Abfall des Kurven- sehenkels gehen die Variationen yon S ein [27]. Unerwartet wurde 24 Std naeh Versuehsbegiim ein neuer Kurvenanstieg beobaehtet. Entweder hat die Zellgruppe, die diesen neuen Anstieg hervorrief, eine wesentlieh verl/~ngerte S-Phase, wie St6eker [30] das far Leberparenehymzellen beobaehtete, oder es handelt sieh um Zellen, die in G~. naeh Beendigung der DNS-Synthese vor der Mitose liegen blieben. Die KontroUe des Faktors I-L3-Index/Mitose-Index bestgtigt diese zweite Annahme. Bei einem S yon 8 Std und einem M yon 1,5 Std betr/~gt der Quotient H-3- Index/Mitose-Index etwa 5,3. Die beobaehteten Sehwankungen reiehen yon 4,4 bis 13,7, d. h., es teilen sieh nieht alle Zellen, die die DNS-Syn-

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these beendet haben, sofort. Vielmehr seheint G2 der ,,pool" zu sein, aus dem die teilungsbereiten Zellen in die Mitose abgerufen werden [31]. Der Verlauf der Kurven des Prozentsatzes markierter Mitosen als Funk- tion der Zeit besagt nur, dab nach einem kurzen G2 Minimum die Mitose- dauer gleichmi~Big 1,5 Std betriigt. Der geradlinige Kurvenanstieg ent- steht dadurch, dab w/~hrend der Mitosedauer M alle nieht markierten Mitosen die Teilung durchlaufen und sich in zwei Tochterzellen geteilt haben, w~hrend nur markierte Zellen in die Mitose nachriicken. Es kann also sehr wohl eine Gruppe yon Zellen die DNS-Synthese durchlaufen haben und sparer (naeh einem Zeitraum, der grSBer als M -k S ist) in die Mitose eintreten, ohne dab der erste Anstieg und Abfall der Ver- laufskurve des Prozentsatzes markierter MRosen als Funktion der Zeit beeinfluBt wird.

Vergleicht man die Generationsdauern der untersuchten Gewebe (Tab. l ) mit der Kurve des Prozentsatzes der markierten Zellen, die naeh einer best immten Zeit das Stra tum germinativum verlassen haben, so erkennt man, dab etwa innerhalb der Spanne einer Generationsdauer die H/ilfte der markierten Toehterzellen das S t ra tum germinativum verlassen hat. Diese Zellen teilen sich nieht welter. Die Gesetze des FlieBgleiehgewiehtes sind damit eingehalten.

Die Ergebnisse dieser Untersuehung sowie die Angaben in der Litera- fur machen einen Zellteilungsmodus wahrseheinlieh, bei dem alle Tochter- zellen pr imer teilungsfi~hig sind. Das FlieBgleiehgewicht kSnnte dann durch eine reversible Reprimierung der genetischen Information fiir die Teilungssynthese bei etwa 50 s/0 der Tochterzellen hergestellt werden. Diese Toehterzellen werden so bei reinem Funktionsstoffweehsel in die Differenzierung umgeleitet. Ab einer best immten Stufe der Differen- zierung verlieren sie ihre Teilungsf~higkei~ endgiiltig (Keratinbildung im Epithel). Alle bisher bekannten Beobaehtungen fiigen sich zwang- los in dieses Bild.

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Dr. P. Strauss Universit~ts Hals-Nasen- Ohrenklinik 4O00~Diisseldoff MoorenstraBe 5 Bundesrepublik