6
Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012 Seite 1 von 6 8.9 Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Metalle, die unmittelbar mit Erdboden oder Wasser (Elektrolyten) in Verbindung stehen, können durch Streuströme, aggressiven Erdboden und Elementbil- dung korrodieren. Ein Korrosionsschutz durch lücken- lose Umhüllung, d. h. also eine Trennung der Metalle vom Erdboden, ist bei Erdern nicht möglich, da alle bisher üblichen Umhüllungen einen hohen elektri- schen Widerstand besitzen und dadurch die Erderwir- kung aufgehoben wird. Erder aus einem einheitlichen Werkstoff können durch aggressiven Erdboden und durch Bildung von Konzentrationselementen korrosi- onsgefährdet sein. Die Korrosions-gefährdung hängt vom Werkstoff und von der Art und Zusammenset- zung des Bodens ab. In steigendem Maße werden auch Korrosionsschäden durch galvanische Element- bildung beobachtet. Diese Elementbildung zwischen verschiedenen Metallen mit stark unterschiedlichen Metall/Elektrolyt-Potentialen ist schon seit vielen Jah- ren bekannt. Vielfach noch unbekannt ist jedoch die Erkenntnis, dass auch Bewehrungen von Betonfun- damenten zur Kathode eines Elementes werden und damit Korrosion an anderen erdverlegten Anlagen auslösen können. Mit der veränderten Bauweise – größere Stahlbeton- bauwerke und kleinere freie Metallflächen im Erdbo- den – wird das Oberflächenverhältnis Anode zu Katho- de immer ungünstiger, und die Korrosionsgefahr der unedleren Metalle oder der unedler wirkenden Metalle (Anode) nimmt zwangsläufig zu. Eine elektrische Tren- nung anodisch wirkender Anlagenteile zur Vermeidung dieser Elementbildung ist nur in Ausnahmefällen mög- lich. Heute wird, um einen Potentialausgleich und damit ein Höchstmaß an Sicherheit gegen zu hohe Berührungs- spannungen im Fehlerfall und bei Blitzeinwirkungen zu erreichen, der Zusammenschluss aller Erder und anderer mit der Erde in Verbindung stehenden metal- lenen Anlagen angestrebt. In Hochspannungsanlagen werden in immer größerem Umfang Hochspannungs- schutzerden mit Niederspannungsbetriebserdungen nach DIN VDE 0101 [1] verbunden. Ebenso wird nach DIN VDE 0100-410 [2] das Einbeziehen von Rohr- leitungen und anderen Anlagen in die Berührungs- Schutzmaßnahmen verlangt. Es bleibt demnach nur der Weg, Korrosionsgefährdungen für Erder und an- dere mit den Erdern in Verbindung stehende Anlagen durch die Wahl von geeigneten Erderwerkstoffen zu vermeiden oder wenigstens zu verringern. Erkenntnis- se zu Werkstoffen und Mindestmaßen von Erdern im Hinblick auf Korrosionsgefährdung sind nicht neu, den seit mehr als zwei Jahrzehnten liegt die DIN VDE 0151 „Werkstoffe und Mindestmaße von Erdern bezüglich der Korrosion“ bereits als Weißdruck vor. Jahrzehntelange Erfahrungen aus der Erdungstechnik und die Ergebnisse umfangreicher Untersuchungen zeigen, dass die Anforderungen aus DIN VDE 0151 [3] für Erder, auch solche von Blitzschutzanlagen, große Bedeutung hat. Im Folgenden werden grundlegenden Vorgänge beim Korrosionsgeschehen erläutert und aus diesem Ver- ständnis heraus dann praktische Korrosionsschutz- maßnahmen abgeleitet. Bildung galvanischer Elemente, Korrosion Die Korrosionsvorgänge lassen sich deutlich anhand eines galvanischen Elementes erklären. Wird z. B. ein Metallstab in einen Elektrolyten getaucht, dann treten positiv geladene Ionen in den Elektrolyten über und umgekehrt werden auch positive Ionen aus dem Elek- trolyten von dem Metallverband aufgenommen. In der Praxis werden die Potentiale der Metalle im Erd- boden mit Hilfe einer Kupfersulfat-Bezugselektrode gemessen. Sie besteht aus einem Kupferstab, der in eine gesättigte Kupfersulfatlösung taucht, oder aus ei- ner Kupfersulfat-Trockenelektrode. Das Bezugspoten- tial dieser Vergleichselektrode bleibt konstant. In dem Fall, dass zwei Stäbe aus verschiedenen Me- tallen in den selben Elektrolyten tauchen entsteht an jedem Stab im Elektrolyten eine Spannung. Mit einem Voltmeter kann die Spannung zwischen den Stäben (Elektroden) gemessen werden. Sie ist die Differenz zwischen den Potentialen der einzelnen Elektroden gegen den Elektrolyten. Wie kommt es nun zu einem Stromfluss im Elek- trolyten und damit zum Stofftransport, also zur Korrosion? Wird, wie in Bild 1 gezeigt, die Kupfer- und die Eisen- elektrode über ein Amperemeter außerhalb des Elek- trolyten verbunden, so fließ im äußeren Stromkreis der Strom i von + nach –, also von der „edleren“ Kupfer- elektrode zur Eisenelektrode.

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 1 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

Metalle, die unmittelbar mit Erdboden oder Wasser (Elektrolyten) in Verbindung stehen, können durch Streuströme, aggressiven Erdboden und Elementbil-dung korrodieren. Ein Korrosionsschutz durch lücken-lose Umhüllung, d. h. also eine Trennung der Metalle vom Erdboden, ist bei Erdern nicht möglich, da alle bisher üblichen Umhüllungen einen hohen elektri-schen Widerstand besitzen und dadurch die Erderwir-kung aufgehoben wird. Erder aus einem einheitlichen Werkstoff können durch aggressiven Erdboden und durch Bildung von Konzentrationselementen korrosi-onsgefährdet sein. Die Korrosions-gefährdung hängt vom Werkstoff und von der Art und Zusammenset-zung des Bodens ab. In steigendem Maße werden auch Korrosionsschäden durch galvanische Element-bildung beobachtet. Diese Elementbildung zwischen verschiedenen Metallen mit stark unterschiedlichen Metall/Elektrolyt-Potentialen ist schon seit vielen Jah-ren bekannt. Vielfach noch unbekannt ist jedoch die Erkenntnis, dass auch Bewehrungen von Betonfun-damenten zur Kathode eines Elementes werden und damit Korrosion an anderen erdverlegten Anlagen auslösen können.

Mit der veränderten Bauweise – größere Stahlbeton-bauwerke und kleinere freie Metallflächen im Erdbo-den – wird das Oberflächenverhältnis Anode zu Katho-de immer ungünstiger, und die Korrosionsgefahr der unedleren Metalle oder der unedler wirkenden Metalle (Anode) nimmt zwangsläufig zu. Eine elektrische Tren-nung anodisch wirkender Anlagenteile zur Vermeidung dieser Elementbildung ist nur in Ausnahmefällen mög-lich.

Heute wird, um einen Potentialausgleich und damit ein Höchstmaß an Sicherheit gegen zu hohe Berührungs-spannungen im Fehlerfall und bei Blitzeinwirkungen zu erreichen, der Zusammenschluss aller Erder und anderer mit der Erde in Verbindung stehenden metal-lenen Anlagen angestrebt. In Hochspannungsanlagen werden in immer größerem Umfang Hochspannungs-schutzerden mit Niederspannungsbetriebserdungen nach DIN VDE 0101 [1] verbunden. Ebenso wird nach DIN VDE 0100-410 [2] das Einbeziehen von Rohr-

leitungen und anderen Anlagen in die Berührungs-Schutzmaßnahmen verlangt. Es bleibt demnach nur der Weg, Korrosionsgefährdungen für Erder und an-dere mit den Erdern in Verbindung stehende Anlagen durch die Wahl von geeigneten Erderwerkstoffen zu vermeiden oder wenigstens zu verringern. Erkenntnis-se zu Werkstoffen und Mindestmaßen von Erdern im Hinblick auf Korrosionsgefährdung sind nicht neu, den seit mehr als zwei Jahrzehnten liegt die DIN VDE 0151 „Werkstoffe und Mindestmaße von Erdern bezüglich der Korrosion“ bereits als Weißdruck vor.

Jahrzehntelange Erfahrungen aus der Erdungstechnik und die Ergebnisse umfangreicher Untersuchungen zeigen, dass die Anforderungen aus DIN VDE 0151 [3] für Erder, auch solche von Blitzschutzanlagen, große Bedeutung hat.

Im Folgenden werden grundlegenden Vorgänge beim Korrosionsgeschehen erläutert und aus diesem Ver-ständnis heraus dann praktische Korrosionsschutz-maßnahmen abgeleitet.

Bildung galvanischer Elemente, Korrosion

Die Korrosionsvorgänge lassen sich deutlich anhand eines galvanischen Elementes erklären. Wird z. B. ein Metallstab in einen Elektrolyten getaucht, dann treten positiv geladene Ionen in den Elektrolyten über und umgekehrt werden auch positive Ionen aus dem Elek-trolyten von dem Metallverband aufgenommen. In der Praxis werden die Potentiale der Metalle im Erd-boden mit Hilfe einer Kupfersulfat-Bezugselektrode gemessen. Sie besteht aus einem Kupferstab, der in eine gesättigte Kupfersulfatlösung taucht, oder aus ei-ner Kupfersulfat-Trockenelektrode. Das Bezugspoten-tial dieser Vergleichselektrode bleibt konstant.In dem Fall, dass zwei Stäbe aus verschiedenen Me-tallen in den selben Elektrolyten tauchen entsteht an jedem Stab im Elektrolyten eine Spannung. Mit einem Voltmeter kann die Spannung zwischen den Stäben (Elektroden) gemessen werden. Sie ist die Differenz zwischen den Potentialen der einzelnen Elektroden gegen den Elektrolyten.

Wie kommt es nun zu einem Stromfluss im Elek-trolyten und damit zum Stofftransport, also zur Korrosion?

Wird, wie in Bild 1 gezeigt, die Kupfer- und die Eisen-elektrode über ein Amperemeter außerhalb des Elek-trolyten verbunden, so fließ im äußeren Stromkreis der Strom i von + nach –, also von der „edleren“ Kupfer-elektrode zur Eisenelektrode.

Page 2: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 2 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

Bild 1: Bild 2: Galvanisches Element: Konzentrationselement [4]Eisen/Kupfer [4] Im Elektrolyten hingegen muss der Strom i von der „ne-gativeren“ Eisenelektrode zur Kupferelektrode fließen, damit der Stromkreis geschlossen ist. Das bedeutet ganz allgemein, dass der negativere Pol positive Ionen an den Elektrolyten abgibt und damit zur Anode des galvanischen Elementes wird, d. h. er wird aufgelöst. Die Auflösung des Metalls findet an denjenigen Stellen statt, an denen der Strom in den Elektrolyten übertritt.Ein Korrosionsstrom kann auch durch ein Konzen-trationselement (Bild 2) entstehen. Hierbei tauchen zwei Elektroden des gleichen Metalls in verschiedene Elektrolyten. Die Elektrode im Elektrolyten II mit der größeren Metall-Ionen-Konzentration wird elektrisch positiver als die andere. Dieser Vorgang wird auch als Polarisation bezeichnet. Durch Verbindung der beiden Elektroden kommt es zum Stromfluss i, und die elek-trochemisch negativere Elektrode löst sich auf.Ein solches Konzentrationselement kann z. B. durch zwei Eisenelektroden, von denen die eine im eisen-bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3).

Bild 3: Konzentrationselement Eisen im Erdreich / Ei-sen im Beton [4]

Bei Verbindung dieser Elektroden wird das Eisen im Beton zur Kathode des Konzentrationselementes und das im Erdreich befindliche zur Anode, das letz-tere wird also durch Ionenabgabe zerstört. Allgemein gilt für die elektrochemische Korrosion, dass mit dem Stromfluss i ein umso größerer Metalltransport statt-findet, je größer die Ionen sind und je kleiner ihre La-dung ist (d. h. i ist proportional zur Atommasse des Metalls). In der Praxis rechnet man mit Stromstärken, die über einen bestimmten Zeitraum fließen, z. B. über ein Jahr. In Tabelle 1 sind Werte angegeben, welche die Wirkung des Korrosionsstromes (Stromdichte) durch die Menge des aufgelösten Metalls ausdrücken. Korrosionsstrommessungen machen es also möglich vorauszuberechnen, um wieviel Gramm ein Metall in einer bestimmten Zeit abgetragen wird. Für die Pra-

xis interessanter jedoch ist die Vorhersage, ob und in welcher Zeit in Erdern, Stahlbehältern, Rohren usw. Löcher oder Mulden durch Korrosion entstehen. Es ist also von Bedeutung, ob ein flächenmäßiger oder ein punktueller Angriff des Stromes zu erwarten ist. Für den Korrosionsangriff ist nicht die Größe des Korro-sionsstromes allein maßgebend, sondern besonders seine Dichte, also der Strom je Flächeneinheit der Austrittsfläche. Diese Stromdichte lässt sich oft nicht direkt bestimmen. Man behilft sich in diesen Fällen mit Potentialmessungen, an denen man die Höhe der vorhandenen „Polarisation“ ablesen kann. Es sei an dieser Stelle nur kurz auf das Polarisationsverhalten von Elektroden eingegangen.

Beim Fall, dass ein im Erdreich befindliches verzinktes Stahlband mit der (schwarzen) Stahlarmierung eines Betonfundamentes verbunden ist (Bild 4) können fol-gende Potentialdifferenzen (Werte bei eigenen Mes-sungen festgestellt) gegen die Kupfersulfat-Elektrode auftreten:

Stahl, (schwarz) im Beton: – 200 mV bis – 400 mVStahl, verzinkt, im Erdreich: – 800 mV bis – 900 mVStahl, verzinkt, neuwertig: ca. – 1000 mV

Zwischen diesen beiden ersten Metallen besteht also eine Potentialdifferenz von ca. 600 mV. Werden sie nun außerhalb des Erdreiches verbunden, so fließt ein Strom i im äußeren Kreis vom Betonstahl zum Stahl im Erdreich und von dort zum Bewehrungsstahl. Die Größe des Stromes i hängt nun von der Spannungsdif-ferenz, vom Leitwert des Erdreiches und von der Po-larisation der beiden Metalle ab. Allgemein ist festzu-stellen, dass der Strom i im Erdreich unter stofflichen Veränderungen erzeugt wird.

Eine stoffliche Veränderung bedeutet aber auch, dass sich die Spannung der einzelnen Metalle ge-gen das Erdreich verändert. Diese Potentialverschie-bung durch den Korrosionsstrom i heißt Polarisation. Die Stärke der Polarisation ist direkt proportional zur Stromdichte. Polarisationserscheinungen treten nun an der negativen und an der positiven Elektrode auf. Allerdings sind die Stromdichten an beiden Elektroden meistens sehr verschieden.

Beispiel: Eine gut isolierte Gasleitung aus Stahl im Erdreich ist mit Erdern aus Kupfer verbunden.Wenn die isolierte Leitung nur wenige kleine Fehlstel-len (kleine Fläche) aufweist, dann herrscht an diesen eine hohe Stromdichte und eine schnelle Korrosion des Stahls ist die Folge. Bei der weitaus größeren Stromeintrittsfläche der Kupfererder hingegen ist die Stromdichte nur gering. Demzufolge wird bei der nega-tiveren isolierten Stahlleitung eine größere Polarisati-on auftreten als bei den positiven Kupfererdern. Es fin-det eine Verschiebung des Potentials der Stahlleitung

Page 3: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 3 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

zu positiveren Werten statt. Damit nimmt dann auch die Potentialdifferenz zwischen den Elektroden ab. Die Größe des Korrosionsstromes hängt somit auch von den Polarisationseigenschaften der Elektroden ab. Die Stärke der Polarisation kann durch Messen der Elektrodenpotentiale bei aufgetrenntem Strom-kreis abgeschätzt werden. Man trennt den Kreis auf, um den Spannungsfall im Elektrolyten zu vermeiden. Meistens werden für derartige Messungen schreiben-de hochohmige Instrumente verwendet, da oft sofort nach der Unterbrechung des Korrosionsstromes eine rasche Depolarisation eintritt. Wird nun eine starke Polarisation an der Anode (der negativeren Elektrode) gemessen (liegt also eine deutliche Verschiebung zu positiveren Potentialen vor), so besteht eine hohe Kor-rosionsgefahr für die Anode.

Gegen eine weit entfernte Kupfersulfat-Elektrode kann, je nach Verhältnis der anodischen zur kathodi-schen Fläche und der Polarisierbarkeit der Elektroden, ein Potential des zusammengeschalteten Elementes zwischen – 200 mV und – 800 mV gemessen werden (Korrosionselement Stahl (schwarz) im Beton / Stahl verzinkt im Erdreich (Bild 4)). Ist z. B. die Fläche des armierten Betonfundamentes sehr groß gegen die Oberfläche des verzinkten Stahldrahtes oder Tiefen-erders, dann tritt am letzteren eine hohe anodische Stromdichte auf, so dass er bis nahe an das Beweh-rungsstahl-Potential polarisiert ist und in relativ kurzer Zeit zerstört wird.

Bild 3: Konzentrationselement Stahl verzinkt im Erd-reich / Stahl (schwarz) im Beton [4]

Eine hohe positive Polarisation deutet also immer auf eine erhöhte Korrosionsgefahr hin. Für die Praxis ist es nun natürlich sehr wichtig die Grenze zu kennen, ab welcher eine positive Potenti-alverschiebung einsetzt und somit eine akute Korro-sionsgefahr besteht. Leider lässt sich hierfür kein ein-deutiger Wert angeben, der in jedem Fall gilt. Dafür sind allein schon die Einflüsse durch die Bodenbe-schaffenheit zu groß. Potentialverschiebungsbereiche hingegen können für natürliche Böden festgelegt wer-den.

Zusammenfassung

Eine Polarisation unter + 20 mV ist im Allgemeinen ungefährlich. Potentialverschiebungen, die über + 100 mV hinausgehen, sind sicher gefährlich. Zwischen 20

mV und 100 mV wird es immer Fälle geben, bei de-nen die Polarisation deutliche Korrosionserscheinun-gen auslöst. Zusammenfassend kann also festgestellt werden: Voraussetzung für die Bildung von Korrosi-onselementen (galvanische Elemente) ist immer das Vorhandensein von metallen und elektrolytisch leitend verbundenen Anoden und Kathoden.

Anoden und Kathoden entstehen aus:

Werkstoffen: - Unterschiedliche Metalle oder unterschiedliche Ober-

flächenbeschaffenheit eines Metalls (Kontakt-korro-sion),

- unterschiedliche Gefügebestandteile (selektive oder interkristalline Korrosion),

Elektrolyten:- Unterschiedliche Konzentration (z.B. Salzgehalt, Be-

lüftung).

Bei den Korrosionselementen haben die anodischen Bereiche stets ein negativeres Metall/Elektrolyt-Poten-tial als die kathodischen Bereiche. Die Metall/Elektro-lyt-Potentiale werden mit einer gesättigten Kupfersul-fat-Elektrode gemessen, die in unmittelbarer Nähe des Metalls im oder auf dem Erdreich aufgesetzt wird. Die Potentialdifferenz bewirkt bei einer metallen leitenden Verbindung zwischen Anode und Kathode im Elektro-lyten einen Gleichstrom, der aus der Anode unter Me-tallauflösung in den Elektrolyten übertritt und dann in die Kathode wieder eintritt.

Zur Abschätzung der mittleren anodischen Stromdich-te IA wird oft die nachstehende Formel „Flächenregel“ angewendet:

JA = UK - UA • AK in Am² ______ __

φK AA

JA mittlere anodische StromdichteUA, UK Anoden- bzw. Kathoden-Potentiale in VφK spezifischer Polarisationswiderstand der Ka-

thode in Ωm²AA, AK Anoden- bzw. Kathoden-Oberflächen in m2

Der Polarisationswiderstand φ ist der Quotient aus der Polarisationsspannung und dem Summenstrom einer Mischelektrode (eine Elektrode, an der mehr als eine Elektrodenreaktion abläuft).In der Praxis können zwar zur Abschätzung der Korro-sionsgeschwindigkeit die treibende Elementspannung UK – UA und die Größe der Flächen AK und AA annähernd ermittelt werden, die Werte für φA (spezifischer Polari-sationswiderstand der Anode) und φK liegen aber nicht mit hinreichender Genauigkeit vor. Sie sind abhängig von den Elektrodenwerkstoffen, den Elektrolyten und den anodischen oder kathodischen Stromdichten. Aus

Page 4: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 4 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen kann geschlossen werden, dass φA viel kleiner als φ ist.

Für φK gilt:Stahl im Erdboden ca. 1 Ωm²Kupfer im Erdboden ca. 5 Ωm²Stahl im Beton ca. 30 Ωm²

Aus der Flächenregel ist jedoch deutlich zu erkennen, dass sowohl an umhüllten Stahlleitungen und Behäl-tern mit kleinen Fehlstellen in der Umhüllung in Verbin-dung mit Kupfererdern als auch an Erdungsleitungen aus verzinktem Stahl in Verbindung mit ausgedehnten Erdungsanlagen aus Kupfer oder sehr großen Stahl-betonfundamenten starke Korrosionserscheinungen auftreten. Durch die Wahl geeigneter Werkstoffe kön-nen Korrosionsgefährdungen für Erder verringert oder

sogar vermieden werden. Zur Erzielung einer ausrei-chenden Lebensdauer müssen Werkstoff-Mindestab-messungen eingehalten werden (Tabelle 1).

Auswahl der Erderwerkstoffe

Die Tabelle 1 zeigt heute übliche Erderwerkstoffe und deren Mindestabmessungen.

• Feuerverzinkter StahlFeuerverzinkter Stahl ist auch für die Einbettung in Be-ton geeignet. Fundamenterder, Erdungs- und Potenti-alausgleichsleitungen aus verzinktem Stahl in Beton dürfen und sollen mit Bewehrungseisen verbunden werden.

• Stahl mit Kupfer-mantelBei Stahl mit Kupfer-mantel gelten für den Mantelwerkstoff die Be-merkungen für blankes Kupfer. Eine Verletzung des Kupfermantels be-wirkt jedoch eine starke Korrosionsgefahr für den Stahlkern, deshalb muss immer eine lük-kenlose geschlossene Kupferschicht vorhan-den sein.

• Blankes KupferBlankes Kupfer ist aufgrund seiner Stel-lung in der elektrolyti-schen Spannungsreihe sehr beständig. Hinzu kommt, dass es beim Zusammenschluss mit Erdern oder anderen Anlagen im Erdboden aus „unedleren“ Werk-stoffen (z. B. Stahl) zu-sätzlich kathodisch ge-schützt wird, allerdings auf Kosten der „unedle-ren“ Metalle.

• N i c h t r o s t e n d e StähleBestimmte hochlegierte nicht rostende Stähle nach DIN 17440 [5] sind im Erdboden passiv und korrosionsbeständig. Das freie Korrosions-

Tabelle 1: Heute übliche Erderwerkstoffe und Mindestabmessungen [4]

Page 5: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 5 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

potential von hochlegierten nicht rostenden Stählen in üblich belüfteten Böden liegt in den meisten Fällen in der Nähe des Wertes von Kupfer.

Da Erderwerkstoffe aus nichtrostendem Stahl inner-halb weniger Wochen bei einem Mindestangebot von Sauerstoff an der Oberfläche passivieren, verhalten sich diese zu anderen (edleren und unedleren) Werk-stoffen neutral.

Edelstähle sollten mindestens 16 % Chrom, 5 % Nik-kel und 2 % Molybdän enthalten.

Aufgrund von umfangreichen Messungen hat sich er-geben, dass nur ein hochlegierter Edelstahl mit z. B. der Werkstoff-Nr. 1.4571 im Erdboden ausreichend korrosionsbeständig ist. Edelstähle ohne Molybdän sind als Erderwerkstoffe nicht geeignet und normativ nicht erlaubt.

Zusammenschluss von Erdern aus verschiedenen Werkstoffen

Die bei einem elektrisch leitenden Zusammenschluss von zwei verschiedenen erdverlegten Metallen auftre-tende Elementstromdichte führt zur Korrosion des als Anode wirkenden Metalls (Tabelle 2). Sie ist im We-sentlichen vom Verhältnis der Größe der kathodischen Fläche AK zu der Größe der anodischen Fläche AA abhängig.

In VDE 0151 [3] ist für die Auswahl der Erderwerkstof-fe besonders im Hinblick auf den Zusammenschluss verschiedener Werkstoffe noch folgendes Flächenver-hältnis angegeben:

Mit stärkerer Korrosion ist erst bei Flächenverhältnis-sen AK > 100

__

AA

zu rechnen.

Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass der Werkstoff mit dem positiveren Potential zur Kathode wird. Die Anode eines tatsächlich vorliegen-den Korrosionselementes kann daran erkannt werden, dass diese nach dem Auftrennen der metallenleiten-den Verbindung das negativere Potential aufweist. Bei Zusammenschluss mit erdverlegten Anlagen aus Stahl verhalten sich in (deckschichtbildenden) Böden folgende Erdermaterialien immer kathodisch:

– blankes Kupfer,– verzinntes Kupfer,– hochlegierter Edelstahl.

Stahlbewehrung von BetonfundamentenDie Stahlbewehrung von Betonfundamenten kann ein sehr positives Potential (ähnlich wie Kupfer) auf-weisen. Erder und Erdungsleitungen, die mit der Be-

wehrung von großen Stahlbetonfundamenten unmittelbar verbunden werden, müssen des-halb aus nichtrosten-dem Stahl oder Kupfer sein.Dies gilt vor allem auch für kurze Verbindungs-leitungen in unmittel-barer Nähe der Fun-damente oder Erdan-schlusspunkte.

Einbau von Trennfun-kenstreckenEs ist möglich, die lei-tende Verbindung zwi-schen erdverlegten Anlagen mit stark un-terschiedlichen Potenti-alen durch den Einbau von Trennfunkenstrek-ken zu unterbrechen. Dann kann im Normfall kein Korrosionsstrom mehr fließen. Beim Auf-treten einer Überspan-

Tabelle 2: Potentialwerte und Abtragsraten gebräuchlicher Metalle [4]

Page 6: Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion Erdungsanlage/8-9... · bewehrten Beton eingegossen ist und die andere im Erdreich liegt, gebildet werden (Bild 3)

Verfasser: Klaus-Peter Müller Stand 05/2012

Seite 6 von 6

8.9

Erdungsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Korrosion

nung spricht die Trennfunkenstrecke an und verbindet die Anlagen für die Dauer der Überspannung mitein-ander. Bei Schutz- und Betriebserdern dürfen jedoch keine Trennfunkenstrecken installiert werden, da diese Erder mit den Betriebsanlagen immer verbunden sein müssen.

Sonstige Korrosionsschutzmaßnahmen

• Verbindungsleitungen aus verzinktem Stahl von Fundamenterdern zu AbleitungenVerbindungsleitungen aus verzinktem Stahl von Fun-damenterdern zu Ableitungen sollen im Beton oder Mauerwerk bis oberhalb der Erdoberfläche geführt werden.Falls die Verbindungsleitungen durch das Erdreich geführt werden, sind Anschlussfahnen mit Kabel NYY, nicht rostendem Stahl oder Erdungsfestpunkte zu ver-wenden.Innerhalb des Mauerwerks können die Erdleitungen auch ohne Korrosionsschutz hochgeführt werden.

• Erdeinführungen Erdeinführungen aus verzinktem Stahl müssen von der Erdoberfläche aus sowohl 0,3 m nach oben als auch 0,3 m nach unten gegen Korrosion geschützt werden. Bitumen-Anstriche sind im Allgemeinen nicht ausreichend. Schutz bietet eine Umhüllung, z. B. Bu-tyl-Kautschuk-Band oder Schrumpfschlauch, die keine Feuchtigkeit aufnimmt. Die Verwendung von nicht ro-stendem Stahl ist heute die sinnvollste Lösung.

• Unterirdische Anschlüsse und VerbindungenSchnittflächen und Verbindungsstellen im Erdboden müssen so ausgeführt sein, dass sie in ihrer Korro-sionsbeständigkeit der Korrosionsschutzschicht des Erderwerkstoffes gleichwertig sind. Daher sind Ver-bindungsstellen im Erdreich mit einer geeigneten Be-schichtung zu versehen, z. B. mit einer Korrosions-schutzbinde zu umhüllen.

• Aggressive AbfälleBeim Verfüllen von Gräben und Gruben, in denen Er-der verlegt sind, dürfen Schlacke- und Kohleteile nicht unmittelbar mit dem Erderwerkstoff in Berührung kom-men. Gleiches gilt auch für Bauschutt.

Literatur:

[1] DIN VDE 0101-2: Dezember 2008: Erdung von Starkstromanlagen mit Nennwechselspannungen über 1 kV; Deutsche Fassung prEN 50522:2008 (E DIN EN 50522 (VDE 0101-2):2008-12), VDE Ver-lag Berlin

[2] DIN VDE 0100-410: Juni 2007 :Errichten von Nie-derspannungsanlagen Teil 4-41: Schutzmaßnah-men - Schutz gegen elektrischen Schlag; (IEC 60364-4-41:2005, modifiziert); Deutsche Übernah-me HD 60364-4-41:2007; VDE Verlag Berlin

[3] DIN VDE 0151: Juni 1986: Werkstoffe und Min-destmaße von Erdern bezüglich der Korrosion;

VDE Verlag, Berlin[4] BLITZPLANER®, 2. aktualisierte Auflage ISBN

978-3-00-021115-7, DEHN + SÖHNE, Neumarkt[5] DIN 17440: März 2001: Nichtrostende Stähle –

Technische Lieferbedingungen für gezogenen Draht; Beuth-Verlag GmbH, Berlin

[6] Müller, K.-P.; Wilhelm Werner: Korrosion von Er-dungsanlagen DEHN + SÖHNE, Neumarkt: Son-derdruck Nr. 23 aus Elektrizitätswirtschaft Heft 18/1991

[7] DEHN + SÖHNE, Neumarkt: Druckschrift DS 162/02.11 Fundamenterder