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DOI: 10.1002/stab.201420175 414 Stahlbau 83 (2014), Heft 6 Berichte Erfolgreicher Abschluss der Dresdner Stahlbaufachtagung 2014 Lars Werner Am 21. März 2014 fand im Hörsaal- zentrum der Technischen Universität Dresden die 8. Dresdner Stahlbau- fachtagung zu dem Thema „Neubau und Bauen im Bestand auf der Grund- lage der Europäischen Bemessungs- und Ausführungsnormen“ statt (Bil- der 1 und 2). Die etablierte Veranstal- tung mit über 270 Teilnehmern wurde, wie in den letzten Jahren, durch das Institut für Stahl- und Holzbau der Technischen Universität Dresden und die Bauakademie Sachsen mit Unter- stützung von bauforumstahl, der Inge- nieur- und der Architektenkammer Sachsen, dem Verband Beratender Ingenieure (VBI), dem Verlag Ernst & Sohn und der Baukammer Berlin or- ganisiert. Die Eurocodes für den Stahl- und Verbundbau und deren Nationalen Anhänge sind in den meisten Bundes- ländern seit dem 1. Juli 2012 und in den Ländern mit Übergangsregelung seit dem 31. Dezember 2013 verbind- lich anzuwenden. In der Praxis haben sich inzwischen eine Vielzahl von De- tailfragen zur Interpretation der Vor- schriften und der richtigen Anwen- dung ergeben. Parallel dazu erfolgt die Weiterentwicklung der Eurocodes und die Vorbereitung einer Neuauf- lage, bei der Fehler beseitigt, Rege- lungslücken geschlossen sowie neue Entwicklungen und Erkenntnisse ein- fließen werden. Um die Anwender des Normungswerkes zu unterstützen und sie über die Hintergründe und Weiter- entwicklungen zu informieren, wurde auch diesem Jahr ein anspruchsvolles Vortragsprogramm zur Europäischen Normung im Stahl- und Verbundbau sowie zum Bauen im Bestand zusam- mengestellt. Namhafte und in den Fachdisziplinen ausgewiesene Exper- ten referierten über die Themenge- biete Windeinwirkungen und deren dynamische Effekte, Querschnittstrag- fähigkeit unter Berücksichtigung von Teilplastizierungen, Stabilität von Trä- gern und Stützen und deren Ausstei- fung, Berechnung und Ausführung geschraubter und geschweißter Ver- bindungen, Beurteilung und Ertüchti- gung von Flussstahlkonstruktionen, Erneuerung und Instandsetzung von Korrosionsschutzsystemen sowie die Planung und Ausführung des Flug- zeughangars der Gesellschaften Ger- mania und Air-Berlin in Schönefeld. Die Eröffnung der Tagung und Begrüßung der Teilnehmer übernahm Professor Richard Stroetmann, Direk- tor des Instituts für Stahl- und Holz- bau der TU Dresden (Bild 3). Dr. Vol- ker Cornelius, Präsident des Verban- des Beratender Ingenieure, nutzte die Gelegenheit, in seinen Grußworten auch auf die Praxistauglichkeit und Anwenderfreundlichkeit der Euroco- des einzugehen (Bild 4). Dabei stellte er die Aktivitäten des Vereins Praxis- RegelnBau e. V. vor, der mit breiter Beteiligung der Verbände, Kammern und Vereinigungen der Ingenieure und der Bauindustrie gegründet wurde. Koordiniert von einem Len- kungsausschuss analysieren sechs Projektgruppen das umfangreiche Vorschriftenwerk, erarbeiten Vor- schläge zur Vereinfachung der techni- schen Regeln, bauen europäische Netzwerke auf und bringen sich in die Projektteams und Arbeitsausschüsse des CEN TC 250 sowie in den Spiegel- ausschüssen des DIN ein. Beispielhaft stellte Dr. Cornelius Vorschläge zur Vereinfachung der Beulnachweise nach Teil 1–5 des EC 3 „Plattenför- mige Bauteile“ vor. Anschließend übernahm Dr. Armin Franke, Vor- stand des bauforumstahl e. V. und Lei- ter der Niederlassung Josef Gartner Bild 2. Fachgespräche während der Pausen Bild 1. Gefülltes Auditorium im Hör- saalzentrum der TU Dresden Bild 3. Prof. Dr.-Ing. Richard Stroet- mann und Dr.-Ing. Armin Franke

Erfolgreicher Abschluss der Dresdner Stahlbaufachtagung 2014

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Page 1: Erfolgreicher Abschluss der Dresdner Stahlbaufachtagung 2014

DOI: 10.1002/stab.201420175

414 Stahlbau 83 (2014), Heft 6

Berichte

Erfolgreicher Abschluss der Dresdner Stahlbaufachtagung 2014

Lars Werner

Am 21. März 2014 fand im Hörsaal-zentrum der Technischen Universität Dresden die 8. Dresdner Stahlbau-fachtagung zu dem Thema „Neubau und Bauen im Bestand auf der Grund-lage der Europäischen Bemessungs- und Ausführungsnormen“ statt (Bil-der 1 und 2). Die etablierte Veranstal-tung mit über 270 Teilnehmern wurde, wie in den letzten Jahren, durch das Institut für Stahl- und Holzbau der Technischen Universität Dresden und die Bauakademie Sachsen mit Unter-stützung von bauforumstahl, der Inge-nieur- und der Architektenkammer Sachsen, dem Verband Beratender Ingenieure (VBI), dem Verlag Ernst & Sohn und der Baukammer Berlin or-ganisiert.

Die Eurocodes für den Stahl- und Verbundbau und deren Nationalen Anhänge sind in den meisten Bundes-ländern seit dem 1. Juli 2012 und in den Ländern mit Übergangsregelung seit dem 31. Dezember 2013 verbind-lich anzuwenden. In der Praxis haben sich inzwischen eine Vielzahl von De-tailfragen zur Interpretation der Vor-schriften und der richtigen Anwen-dung ergeben. Parallel dazu erfolgt die Weiterentwicklung der Eurocodes

und die Vorbereitung einer Neuauf-lage, bei der Fehler beseitigt, Rege-lungslücken geschlossen sowie neue Entwicklungen und Erkenntnisse ein-fließen werden. Um die Anwender des Normungswerkes zu unterstützen und sie über die Hintergründe und Weiter-entwicklungen zu informieren, wurde auch diesem Jahr ein anspruchsvolles Vortragsprogramm zur Europäischen Normung im Stahl- und Verbundbau sowie zum Bauen im Bestand zusam-mengestellt. Namhafte und in den Fachdisziplinen ausgewiesene Exper-ten referierten über die Themenge-biete Windeinwirkungen und deren dynamische Effekte, Querschnittstrag-fähigkeit unter Berücksichtigung von Teilplastizierungen, Stabilität von Trä-gern und Stützen und deren Ausstei-fung, Berechnung und Ausführung geschraubter und geschweißter Ver-bindungen, Beurteilung und Ertüchti-gung von Flussstahlkonstruktionen, Erneuerung und Instandsetzung von Korrosionsschutzsystemen sowie die Planung und Ausführung des Flug-zeughangars der Gesellschaften Ger-mania und Air-Berlin in Schönefeld.

Die Eröffnung der Tagung und Begrüßung der Teilnehmer übernahm

Professor Richard Stroetmann, Direk-tor des Instituts für Stahl- und Holz-bau der TU Dresden (Bild 3). Dr. Vol-ker Cornelius, Präsident des Verban-des Beratender Ingenieure, nutzte die Gelegenheit, in seinen Grußworten auch auf die Praxistauglichkeit und Anwenderfreundlichkeit der Euroco-des einzugehen (Bild 4). Dabei stellte er die Aktivitäten des Vereins Praxis-RegelnBau e. V. vor, der mit breiter Beteiligung der Verbände, Kammern und Vereinigungen der Ingenieure und der Bauindustrie gegründet wurde. Koordiniert von einem Len-kungsausschuss analysieren sechs Projektgruppen das umfangreiche Vorschriftenwerk, erarbeiten Vor-schläge zur Vereinfachung der techni-schen Regeln, bauen europäische Netzwerke auf und bringen sich in die Projektteams und Arbeitsausschüsse des CEN TC 250 sowie in den Spiegel-ausschüssen des DIN ein. Beispielhaft stellte Dr. Cornelius Vorschläge zur Vereinfachung der Beulnachweise nach Teil 1–5 des EC 3 „Plattenför-mige Bauteile“ vor. Anschließend übernahm Dr. Armin Franke, Vor-stand des bauforumstahl e. V. und Lei-ter der Niederlassung Josef Gartner

Bild 2. Fachgespräche während der Pausen

Bild 1. Gefülltes Auditorium im Hör-saalzentrum der TU Dresden

Bild 3. Prof. Dr.-Ing. Richard Stroet-mann und Dr.-Ing. Armin Franke

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Stahlbau 83 (2014), Heft 6

GmbH in Würzburg, nach einer kur-zen Begrüßung die Moderation der Tagung und führte sachkundig durch das Programm (s. Bild 3).

Die ersten drei Fachvorträge wid-meten sich Neuerungen und Erkennt-nissen, die in die Weiterentwicklung der Eurocodes einfließen. Professor Udo Peil, Emeritus der TU Braun-schweig, vertiefte in seinem Vortrag die Windlasten und ihre dynamische Wirkung (Bild 5). Dabei ging er auf wesentliche Hintergründe zur DIN EN 1991-1-4 ein und berichtete über neue Entwicklungen auf dem Gebiet des Windingenieurwesens. In seinem sehr anschaulichen und detailreichen Vortrag legte er zunächst dar „was passiert, wenn einem der Wind den Hut vom Kopf reißt“, bevor er die Windlasten auf schwingungsanfällige Gebäude, insbesondere die Themen böeninduzierte Schwingungen, wirbel-erregte Querschwingungen und aero-elastische Schwingungen, ausführlich beleuchtete.

Prof. Richard Stroetmann von der TU Dresden behandelte im zweiten Vortrag die Stabilisierung biegedrill-knick-gefährdeter Bauteile und die zu-gehörigen Nachweise. Dabei ging er ausführlich auf die Nutzung von Schubfeldern und die Drehbettung durch angrenzende Bauteile ein, ins-besondere auf die Berechnung der Schubfeldsteifigkeit unter Berücksich-tigung der Nachgiebigkeit von Verbin-dungen. Er stellte ein entwickeltes Näherungsverfahren für die Biegetor-sionstheorie II. Ordnung unter Einbe-ziehung von Stabilisierungseffekten vor und verdeutlichte den Einfluss der Querlasten und Momentenverläufe auf die Höhe und Verteilung von Schubfeld- und Stabilisierungskräften.

Das Themengebiet rundete Dr. An-dreas Taras von der TU Graz mit sei-nem Vortrag über neue Entwicklun-gen zur Querschnittsbemessung und den Stabilitätsnachweisen auf der Grundlage der EN 1993-1-1 ab (Bild 6). Der Vortrag griff drei wesent-liche Schritte zur Weiterentwicklung des EC3 Teil 1-1 auf. Dies betrifft zum einen die Schaffung eines kontinuierli-chen Übergangs zwischen der plasti-schen und elastischen Querschnitts-tragfähigkeit bei Klasse-3-Querschnit-ten. Zum anderen stellte Dr. Taras wirtschaftlichere und mechanisch konsistente Abminderungskurven für das Biegedrillknicken doppeltsymme-trischer Querschnitte sowie spezifische Bemessungsregeln für den Stabilitäts-nachweis von Stäben mit monosym-metrischem Querschnitt vor. Letztere sind bereits Gegenstand des öster-reichischen Nationalen Anhangs zur EN 1993-1-1.

Nach einer kurzen Kaffeepause wurden im zweiten Vortragsblock die Fachvorträge mit Erläuterungen zur Berechnung und Ausführung ge-schraubter Verbindungen fortgesetzt. Herr Dipl.-Ing. Stephan Schneider von der TU Dortmund referierte über momententragfähige Verbindungen nach DIN EN 1993-1-8 (Bild 7). Nach einführenden Erläuterungen zur wirt-schaftlichen Auslegung von Verbin-dungen ging er auf die Klassifizierung von Anschlüssen in der DIN EN 1993-1-8 nach Beanspruchbarkeit, Rotationssteifigkeit und -kapazität ein. Im weiteren Verlauf erläuterte Herr Schneider die Komponentenme-thode, bevor er seinen Vortrag mit ei-nem Ausblick auf die Erweiterung des T-Stummel-Modells auf 4-reihige An-schlüsse beendete. Er resümierte, dass

die Komponentenmethode in Verbin-dung mit dem Federmodell eine reali-tätsnahe Erfassung der Steifigkeit und Beanspruchbarkeit von Anschlüssen erlaubt. Dipl.-Ing. Jörg Korth von der IMO Leipzig GmbH rundete den Vor-mittag mit seinem Vortrag über die Ausführung geschraubter Verbindun-gen nach DIN EN 1090-2 und DIN EN 1993-1-8 (einschließlich NA) ab (Bild 8). Dabei ging er auf die Unter-schiede zu den bisherigen Regeln in der DIN 18800 ein und erläuterte die Neuerungen an zahlreichen prakti-schen Beispielen. Ein Schwerpunkt war das Vorspannen der verschiede-nen Kategorien von Schraubenverbin-dungen und die hierfür zugelassenen Verfahren.

Den Nachmittagsblock der Fach-tagung eröffnete Professor Michael Volz von der Hochschule Offenburg (Bild 9). Seine Ausführungen umfass-ten die Bemessung und Qualitätssi-cherung von Schweißverbindungen. Nach der Darstellung der Bemes-sungsregeln für Kehl- und Stumpf-nähte mit dem vereinfachten und dem richtungsbezogenen Bemessungsver-fahren ging Prof. Volz insbesondere auf die Ausführung und Qualitätssi-cherung der Schweißverbindungen ein. Themen waren die Ausführungs-klassen, die Qualifizierung der Be-triebe und Schweißer, Qualitätsanfor-derungen und Abnahmekriterien, die geeignete Kontrolle der Schweißver-bindungen und deren Dokumenta-tion. Herr Dipl.-Ing. Lars Sieber vom Institut für Stahl- und Holzbau der TU Dresden referierte im nachfolgen-den Vortrag über die Modernisierung und Instandsetzung von Stahltragwer-ken aus Flussstählen (Bild 10). Einlei-tend stellte er die in Deutschland

Bild 6. Dr.-techn. Andreas TarasBild 4. Dr.-Ing. Volker Cornelius Bild 5. Prof. Dr.-Ing. Udo Peil

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nenden Dachtragwerks, den großflä-chigen Wänden und der Toranlage. Interessant war auch die Lösung zur aktiven Brandbekämpfung mit Was-serkanonen, die von einer Druckrohr-leitung entlang der Rück- und Seiten-wände des Hangars gespeist werden.

Neben den Vorträgen bot die Ta-gung den Teilnehmern die Möglich-keit zu Fachgesprächen und dem per-sönlichen Austausch. Hersteller und Dienstleister präsentieren im Foyer des Hörsaalzentrums ihre Produkte und Leistungen. Die Resonanz der Teilnehmer und Referenten war durchweg sehr positiv. Dies motiviert die Veranstalter, auch im kommenden Jahr die Dresdner Stahlbaufachta-gung mit Themen zur Normung, Be-rechnung und Ausführung rund um den Stahlbau fortzusetzen.

Dipl.-Ing. Lars Werner (Bericht)Dipl.-Ing. Lars Sieber (Fotos)

Technische Universität DresdenInstitut für Stahl- und Holzbau

Beispiele zunächst dar, ab wann ein Schaden bzw. ein Mangel einer Sanie-rung bedarf. Im Instandsetzungsfall ist zwischen Ausbesserung, Teilerneue-rung und Vollerneuerung zu unter-scheiden. Er wies darauf hin, dass die Oberflächenvorbereitung entschei-dend für den Erfolg einer Instandset-zungsmaßnahme ist. Zudem muss bei einer Teilerneuerung des Korrosions-schutzes die Verträglichkeit zur Altbe-schichtung beachtet werden. Im ab-schließenden Fachvortrag referierte Dipl.-Ing. Frank Soppa von der GOLDBECK Ost GmbH über die Planung und Ausführung eines Flug-zeughangars beim Flughafen Berlin-Schönefeld (Bild 12). Er versprach gleich zu Beginn seines Vortrages am Schluss zu verraten, was man mit ei-nem Hangar macht, wenn der dazuge-hörige Flughafen nicht fertig werden will. Zuvor erläuterte er die besonde-ren Herausforderungen bei der Kon-struktion, Fertigung und Montage des imposanten, über 150 m weit span-

überwiegend verwendeten Sorten al-ter Flussstähle (Thomas- und Sie-mens-Martin-Stahl) vor und erläuterte dabei die herstellungsbedingten Ei-genschaften dieser Stähle. Darauf auf-bauend zeigte er geeignete Methoden zur Analyse dieser Materialien und eine sachgerechte Instandsetzung al-ter Stahlkonstruktionen. Neben der Sanierung von typischen Korrosions-schäden ging Herr Sieber auch mit zwei ausgeführten Beispielen auf die Schweißeignung alter Stähle ein.

Zwischen den Vortragsblöcken nutzten die Teilnehmer die Gelegen-heit, über die besprochenen Themen im kleineren Kreis zu diskutieren. Die Fachdiskussionen wurden dabei mit Kaffee, Kuchen und Getränken ab-gerundet. Dr. Andreas Schütz von der Corroconsult GmbH in Ham- burg sprach im anschließenden Vortrag über die Erneuerung und In-stand setzung des Korrosionsschutzes durch Beschichtungssysteme (Bild 11). Hierzu legte er anhand verschiedener

Bild 7. Dipl.-Ing. Stephan Schneider Bild 8. Dipl.-Ing. Jörg Korth Bild 9. Prof. Dr.-Ing. Michael Volz

Bild 10. Dipl.-Ing. Lars Sieber Bild 11. Dr. rer.-nat. Andreas Schütz Bild 12. Dipl.-Ing. Frank Soppa