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Erhard Schmidt 4 Von KURTSCHRODER in Berlin (Eingegangen am 30. 11. 1962) Am 6. Dezember 1959 verstarb in Berlin einer der Begriinder und der langjiihrige Herausgeber der .,Mathematkchen Nachrichten" , der bedew tende deutsche Mathematiker ERKARD SCHMIDT. Er wurde am 13. Januar 1876 als Sohn des Universitatsprofessors ALEXANDER SCHMIDT in Dorpat geboren. 1905 promovierte er nach einein Btudium der Mathematik in Dorpat, Berlin und Gottingen mit der Arbeit : . ,Entwicklung willkiirlicher Funktionen nach Systemen vorgeschriebener" in Gottingen. Diese Dissertation und eine Reihe anschliel3ender Arbeiten uber Integralgleichungen und lineare Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten machten ihn mit einem Schlage in der Mathematischen Welt beriihmt. Uber Zurich, Erlangen und Breslau kam ERHARD SCHMIDT 19 17 als Nachfolger von H. A. SCHWARZ nach Berlin. 1918 wurde er zum ordent- lichen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewahlt . Die von ihm in der Theorie der Integralgleichungen benutzten Methoden. die man heute als klassisch bezeichnen kann, bestechen bei direktem An- packen des Problems durch ihre Einfachheit und ihre mathematische Eleganz. Sie erweisen sich dariiber hinaus als auflerordentlich tragfahig und verallgemeinerungsfahig. Sie gehoren zu den Fundamenten der mo- dernen Funktionalanalysis. Neben den zuerst von ERHARD SCHMIDT betrachteten linearen Integral- gleichungen zog er spater weitblickend auch nichtlineare Integralgleichungen in den Kreis seiner Betrachtungen. Diese Arbeiten gewinnen heute, nach fast einem halben Jahrhundert, eine immer groBere Bedeutung. Viele wichtige Probleme der Anwendungen, etwa in der Hydromechanik oder der Elasti- stizitatstheorie, sind nichtlinear. Mit grol3em Erfolg wendet man bei solchen Problemen SCHMIDTsChe Arbeiten uber Verzweigungen in der Losungs- mannigfaltigkeit an. Das allgem3ine Kennzeichen der ersten S C H M I D T S C ~ ~ ~ Arbeiten : Auf- spuren tiefliegender Gesetzlichkeiten mit direkten, eleganten Methoden tinter Vermeidung uniibersichtlicher Kleinarbeit ist auch bei allen an- schlieoenden Arbeiten ERHARD SCHMIDTS zu erkennen. I n diesem Sinne haben seine Arbeiten zur Inhaltslehre, zur Potentialtheorie, zur Funktionen- theorie und zur Geometrie bleibenden Wert urid werden standig benutzt . 1 31'1th. Narhr. 1962, Ud. 25, H. 1

Erhard Schmidt †

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Erhard Schmidt 4

Von KURT SCHRODER in Berlin

(Eingegangen am 30. 11. 1962)

Am 6 . Dezember 1959 verstarb in Berlin einer der Begriinder und der langjiihrige Herausgeber der .,Mathematkchen Nachrichten" , der bedew tende deutsche Mathematiker ERKARD SCHMIDT.

Er wurde am 13. Januar 1876 als Sohn des Universitatsprofessors ALEXANDER SCHMIDT in Dorpat geboren. 1905 promovierte er nach einein Btudium der Mathematik in Dorpat, Berlin und Gottingen mit der Arbeit : . ,Entwicklung willkiirlicher Funktionen nach Systemen vorgeschriebener" in Gottingen. Diese Dissertation und eine Reihe anschliel3ender Arbeiten uber Integralgleichungen und lineare Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten machten ihn mit einem Schlage in der Mathematischen Welt beriihmt. Uber Zurich, Erlangen und Breslau kam ERHARD SCHMIDT 19 17 als Nachfolger von H. A. SCHWARZ nach Berlin. 1918 wurde er zum ordent- lichen Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften gewahlt .

Die von ihm in der Theorie der Integralgleichungen benutzten Methoden. die man heute als klassisch bezeichnen kann, bestechen bei direktem An- packen des Problems durch ihre Einfachheit und ihre mathematische Eleganz. Sie erweisen sich dariiber hinaus als auflerordentlich tragfahig und verallgemeinerungsfahig. Sie gehoren zu den Fundamenten der mo- dernen Funktionalanalysis.

Neben den zuerst von ERHARD SCHMIDT betrachteten linearen Integral- gleichungen zog er spater weitblickend auch nichtlineare Integralgleichungen in den Kreis seiner Betrachtungen. Diese Arbeiten gewinnen heute, nach fast einem halben Jahrhundert, eine immer groBere Bedeutung. Viele wichtige Probleme der Anwendungen, etwa in der Hydromechanik oder der Elasti- stizitatstheorie, sind nichtlinear. Mit grol3em Erfolg wendet man bei solchen Problemen SCHMIDTsChe Arbeiten uber Verzweigungen in der Losungs- mannigfaltigkeit an.

Das allgem3ine Kennzeichen der ersten S C H M I D T S C ~ ~ ~ Arbeiten : Auf- spuren tiefliegender Gesetzlichkeiten mit direkten, eleganten Methoden tinter Vermeidung uniibersichtlicher Kleinarbeit ist auch bei allen an- schlieoenden Arbeiten ERHARD SCHMIDTS zu erkennen. I n diesem Sinne haben seine Arbeiten zur Inhaltslehre, zur Potentialtheorie, zur Funktionen- theorie und zur Geometrie bleibenden Wert urid werden standig benutzt . 1 31'1th. Narhr. 1962, Ud. 25, H. 1

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d 9 Scliriider. Erhard Schmidt -1

Ab 1939 beginnt eine Kette von ,Irbeiten, die sich auf die isoperi- metrische Eigenschaft der Kugel bezieht unter allen Korpern niit gegeberiein Volumen die kleinst,e Oberflache zii besitzen. Den von ihm erstmalig gegebenen Beweis fur die isoperimetrische Ungleichung im n-dimensionalen euklidischen Rauni konnte er spiiter auf den mehrdimensionalen hyper- bolischen nnd spharischen Raum ausdehnen. SchlieBlich nah m er die Er- n-eiterung 1-01', daW er statt der gewohnlicheri Oberflachendefiriition die ,\ImKowsKIsche Definition heranzog und nun die entsprechende BRUNN- 3ImKowsKIsclie Ungleichung gleichzeitig fur die hyperbolische, die eukli- dische und die spharische Geometrie bewies.

GroW ist die Zahl der bedeutenden Mathematiker, die durch unniittel- baren personlichen Kontakt mit ihm bei ihren wissenschaftlicheii Be- strebungen wesentlich gefiirdert wurden. Hiervoii zeugen PuBnoten bei einer Reihe beruhmter Arbeiten. In seiner1 Vorlesungen hat ERHARD SCKMIDT eine groWe Zahl eigener Ideen verarbeitet . Sie wiarden dadurch Allgemeingut vieler Irlathematiker in allen Lhndern der Welt.

Die Deutsche Dernokratische Republik w urdigte seine Verdienste in Forschung und Leiire durch die Yerleihung des Nationalpreises I. Klasse. ERHARD SCHNIDT war korrespondierendes Mitglied der Bayerischen dka- demie der Jl'issenschaften zu Munchen und der Acaddmie Franpise im Institut de France. Die Mathematisch-Saturwissenschaftliche Fakultat cler Universitdt Tiibingen rerlieh ihm den Ehrendoktor.

Schrifteiiverzeiehnis

113 t'ber die Definition des Begriffs cter Liinge krummer Linien, Math. Ann. 53. IC,3--- 1i(i (1901).

121 {'her die =\nzahl der Primzahlen unter gegehener Grenzc, Math. Ann. 5 i , 195-204 (1903).

131 Entnicklung ~~illkiirlicher Funktionen nach Systemen vorgeschriebener, Diss. (ifit- tingen 1905.

ill Sur la puissance des tihmes orthogonaux de forictions cont,inues, C. K. lq3, 955-9.57 ( 1906).

i.51 Zur Theorir der linearen mid nichtlinearen 1nt~gra:gleichunReii. 1. Tcil: Entwicklung n.illkiirlicher Funktionen nach Systemen vorgrschriebener, Math. Ann. 63, 433--4i6 (1907).

1 t i ] Ziir Theorie der linearen und nichtlinearen Integralgleichungen. 11. Teil : iluflasung der allgemeinen linearen Integralgleichung, Math. Ann. 64, 1G1--174 (1907).

1 i ] Zur Theorie der linearen und nichtlinearen Integralgleichungen. 111. Teil: ifiber die zl\nfliisung der nichtlinearen Integr~lglrichung und die Verzw-eigung ihrer Losungen, Jlath. Ann. 6.5, 370-399 (1908).

181 t'ber die AufBsung linearer Gleichungen mit unendlich vielen Unbekannten, Palrrnio Rend. 25. 53-7T (1908).

191 Bemerkung zur Potentialthcorie, Jlath. Ann. 6S, 107-118 (1910). IOJ i'ber eine Klasse linearer funktionaler Differentialgleichungen, Math. Ann. 70, 499

11 1 1 Zum HILBERTschen Beweise des \f7aRrl;cschen Theorems, Nath. Ann. 74, 2il-274 bis 524 (1911).

(1913).

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Schroder, Erhard Schmidt 7- 3

[I21 Bemerkungen zur Potentialtheorie, Schwarz-Festschrift, 365-383, Berlin 1914. [13] Xntrittsrede, Sitzungsber. PreuB. Akad. Wiss. Berlin 1919, 564-566. [ 141 Uber die Darstellung der Lehre vom Inhalt in der Integralrechnung, Math. Zeitnchr. 1’1.

298--316 (1922). [15] Gedaichtnisrede auf Hermann Amandus Schwarz, Sitxungsber. PreuB. Akad. TViss.

Berlin 3923, LXXXV-LXXXVII. yl6] Uber den Jordanschen Kurvensatz, Sitzungsber. PreuB. Akad. Wiss. Berlin 19’2.3.

318-329. 1171 Zusammen mit C. CARATHEODORY: Uber die Hencky-Prandt,lschen Kurven. %. Anqen..

Math. Mechn. 3, 469-475 (1923): 11 81 Uber das Extremum der Bogenlange einer Raumkurve bei vorgeschriebenen Ein-

schrankungen ihrer Kriimmung, Sit.zungsber. PrcuB. Akad. Wiss. Berlin 1925, 485 his 490.

1191 Uber GewiWheit in der Mathematik. Berlin, Universitat, Rede zum Antritt des Kek- torats am 15. 10. 1929.

[20] Uber den Millouxschen Satz, Sitzungeber. PreuB. Akad. Wiss. Berlin 1932, 394-401. [21] Die asymptotische Bestimmung des Maximums des Integrals iiber das Quadrat der

Ableitung eines normierten Polynomes, dessen Grad ins Unendliche wlchst, Sitzungs- ber. PreuB. Akad. Wiss. Berlin 1932, 287.

[ 221 Uber die Charlier- Jordansche Entwicklung einer willkiirlichen Funktion nach der Poissonschen Funktion und ihren Ableitungen, Z. angew. Math. Mech. 13, 139--142 (1933).

1231 Bemerkung zum Pundamentalsatz der Theorie der Systeme linearer partieller Diffe- rentialgleichungen I. Ordnung, Monatsh. Math. Phys. 48, 4 2 6 4 3 2 (1939).

1241 Uber das isoperimetrische Problem im Raum von n Dimensionen, Math. Zeitschr. 44.

[%I Uber die Ungleichung, welche die Integrale iiber eine Potenz einer Funktion und iiber eine andere Potenz ihrer Ableitung verbindet, Math. Ann. 117, 301-326 (1940).

[a61 Uber die isoperimetrische Aufgabe im n-dimensionalen Raum konstanter negativer Kriimmung. I. Die isoperimetrischen Ungleichungen in der hyperbolischen Ebene und fur R,otationskorper im n-dimensionalen hyperbolischen Raum, Math. Zeitschr.

\ 2 i ] Die isoperimetrischen Ungleichungen auf der gewohnlichen Kugel und fur Rotatione- korper im n-dimensionalen spharischen Raum, Math. Zeitschr. 36, 743-794 (1940).

1281 Uber eine neue Methode zur Behandlung einer Klasse isoperimetrischer Aufgaben ini Groflen, Math. Zeitschr. 47, 489-642 (1942).

1291 Beweis der isoperimetrischen Eigenschaft der Kugel im hyperbolischen und sphii- rischen Raum jeder Dimensionszahl, Math. Zeitschr. 49, 1-109 (1943).

1301 Zusammen mit A. DINGHAS : Einfacher Beweis der isoperimetrischen Eigenschaft der. Kugel im n-dimensionalen Euklidischen Raum, Abh. PreuO. Akad. Wiss. Math.-Nat. K1. 1943, Nr. 7 (1944).

1311 Constantin Caratheodory zum 70. Geburtstag, Forsch. Fortschritte 19, 249-250 (1943.

1323 Uber die nebst ihren Ableitungen orthogonalen Polynomensysteme und das zugehorige Extremum, Math. Bnn. 119, 165-204 (1944).

1331 Die Hrunn-Minkowskische Ungleichung und ihr Spiegelbild sowie die isoperimetrische Eigcnschaft der Kugel in der euklidischen und nicht.enklidischen Geometrie. I, diese Nachr. 1, 81--167 (1948).

[34] Der Brunn-Minkowskische Satz und sein Spiegeltheorem sowie die isoperimetrische Eigenschaft der Kugel in der euklidischen und hyperbolischen Geometrie, Math. Ann. 120, 307-422 (1948).

[35] Die Brunn-Minkowskische Ungleichung und ihr Spiegelbild sowie die isoperimetrische Eigenschaft der Kugel in der eukiidischen und nichteuklidischen Geometrie. 11, diese Nachr. 2, 171-244 (1949).

689-788 (1939).

46, 204-230 (1940).