Upload
gerhardt-dubner
View
110
Download
3
Embed Size (px)
Citation preview
Erkennen
Übersicht
1. Wahrnehmen und Erkennen2. Erklärungsansätze der kognitiven
Psychologie3. Modell der Informationsverarbeitung4. Modelle der visuellen Wahrnehmung5. Aufmerksamkeit und Aktivierung6. Filtertheorien
• Frühe Selektion (Broadbent, 1958)• Abschwächungsmodell (Treismann, 1960)• Späte Selektion (Deutsch & Deutsch, 1963)
7. Theorie der multiplen Ressourcen8. Aufmerksamkeit und Bewusstsein
Wahrnehmen und Erkennen
Sinnesempfindung: Wie fühlt sich das an?
sensorisches Abbild von Umwelt-merkmalen
Erkennen: Was ist das?
Einordnung der Empfindung in einen Denkinhalt
Wahrnehmungszyklus
• Kognitive Schemata lenken die Aufmerksamkeit
• Informationen der Umwelt werden selegiert
• Schemata werden bestätigt oder verändert
Wahrnehmungszyklus Neisser, 1967
Historische Grundlagen der kognitiven Psychologie
• Empirismus – Nativismus
• Psychophysik
• Gestaltpsychologie
• Kognitive Wahrnehmungsforschung
Empirismus – Nativismus
Wissen stammt aus Erfahrung
George Berkeley(1685-1753)
John Locke(1632-1704)
David Hume(1711-1776)
Wissen ist bereits angeboren
René Descartes(1596-1650)
Immanuel Kant(1724-1804)
Anderson, 1995
Vor dem 19. Jahrhundert schien es undenkbar, die Funktionsweise des menschlichen Verstandes einer wissenschaftlichen Analyse zu unterwerfen. Demzufolge gibt es die Kognitionspsychologie als Wissenschaft kaum länger als 100 Jahre und ihr Entwicklungsstand liegt weit hinter dem vieler anderer Naturwissenschaften zurück. Ein Großteil dieser ersten 100 Jahre wurde für die Selbstbefreiung von den hinderlichen und irrigen Annahmen aufgewandt, die sich bei der Beschäftigung mit einem derart nach innen gerichteten Unternehmen - der wissenschaftlichen Untersuchung des menschlichen Denkens – ergeben können: Der menschliche Geist versucht, sich selbst zu erkennen (S. 6).
Psychophysik
Gustav Theodor Fechner1860
Elemente der PsychophysikExakte Lehre von der Beziehung zwischen Leib und Seele
Wilhelm Wundt1874
Grundzüge der physiologischen PsychologiePsychologie der Sinneswahrnehmung als Grundlage für die
Erscheinungen des Seelenlebens
Psychophysik
FragestellungenWie werden physische Reize empfunden?Wie sehen die Entsprechungen zwischen physischen Größen und dem menschlichen Empfinden aus?
z.B. Wie stark muss ein Reiz (Stärke des Drucks auf der Haut, Schwere des Gewichts, Höhe und Frequenz eines Tons) sein, um wahrgenommen zu werden bzw. wie groß der Unterschied, um ebenmerkliche Unterschiede zu spüren?
Psychophysik
Methode• Experiment: Bewusstseinshalte sind
prozesshaft, niemals konstant; experimentelle Bedingungen schaffen stationäre Zustände, deren Auswirkungen auf Reaktionen (interne und externe) dadurch untersuchbar werden
• Introspektion: subjektive Urteile über internes Geschehen (Erleben)
Psychophysik
Taxonomie psychischer Merkmale:
• Intensität
• Lebhaftigkeit
• Dauer
• Klarheit
• Räumliche Lokalisation
• Lautheit
Gestaltpsychologie
Unzufriedenheit mit Vernachlässigung von Wesensmerkmalen des Menschen:
• Fähigkeit zur Selbstbestimmung
• Fähigkeit zum intentionalen Verhalten
• Fähigkeit zur geistigen Produktivität
Ganzheitlichkeit Elementarismus
Ganzheitlichkeit
Gesamteindruck (Das Ganze) ist mehr als die Summe seiner Teile
Beispiel
Kanisza-Figuren zur subjektiven Konturenbildung
Was sehen Sie auf der folgenden Abbildung ?
Erklärungsansätze in der Geschichte der kognitiven
Psychologie
• Bewusstseinsprozesse
• Physiologische Prozesse
• Informationsverarbeitung
Bewusstseinsprozesse
Mechanismen, die für kognitive Leistungen zuständig sind, sind im Bewusstsein angesiedelt; durch Introspektion lassen sie sich erforschen
z.B.: interne Empfindungen, innerliches Memorieren, Sich-Erinnert-Fühlen
Problem: Es gibt kognitive Leistungen ohne erkennbare Beteiligung von Bewusstseins-prozessen; z.B. Briefumschlag öffnen, Farbe einer Rose im Dunkeln erkennen
Physiologische Prozesse
Gehirnfunktionen als Erklärung für kognitive Prozesse
Problem: Kenntnisse über Arbeitsweise des Gehirns sehr eingeschränkt; Erklärungswert noch sehr gering; z.B. Was ist Bewusstsein?
Informationsverarbeitung
Informationsverarbeitendes System, das nach bestimmten Regeln funktioniert
Regeln sind teils durch das informationsverar-beitende System festgelegt, teils durch die mit der jeweiligen Aufgabe verbundenen Instruktionen
Vorteile:Prozesse „dritter Art“, da weder psychologistisch
noch biologistischNüchterne, deskriptive Zugangsweise
Nachrichtentechnik - Informationstheorie
Anstoß für Weiterentwicklung der Denkpsychologie durch:– Entwicklung der Nachrichtentechnik– Informationstheorie als zugehörige
mathematische Theorie (Shannon & Weaver, 1949)
Modell der Informationsverarbeitung
Gegenstand:
Übermittlung von Informationen vom Sender zum Empfänger
Mittel:
Übertragungskanal mit begrenzter Kapazität
Kanalmodell der Nachrichtentechnik
Sternberg-Paradigma
Prototyp experimenteller Anordnungen psychologischer Versuche auf der Grund-lage der Informationsverarbeitung
Ziel der Untersuchungen:
Klärung von Struktur und Mechanismen des Zustandekommens kognitiver Leistungen
Bitte merken Sie sich die folgenden Ziffern:
3 9 6
Bitte entscheiden Sie nun, ob die folgende Ziffer zu den Ziffern dazu-gehört, die Sie gerade gesehen haben.
Bitte antworten Sie so schnell wie möglich.
9
Ergebnis der Untersuchungen
Annähernd lineare Beziehung zwischen Anzahl der Ziffern und Reaktionszeiten
Erklärung: Lediglich Anzahl der Vergleiche wächst mit der Anzahl der Ziffern; sowohl Kodierung als auch Urteilsbildung bleiben annähernd gleich
Anzahl der Vergleiche ist verantwortlich für längere Reaktionszeiten
Durchmusterung der Zahlen erfolgt „erschöpfend“
Sternberg-Modell (1966)
Kennzeichen der Analyse kognitiver Prozesse nach dem
Modell der Informationsverarbeitung
1. Informationsverarbeitung ohne Bezug zu Prozessen im Gehirn. Zunächst keine Beachtung neuronaler Vorgänge.
2. Das System verarbeitet die Informationen. Sie werden zu abstrakten Formen, den Symbolen.
Kennzeichen ... (Fortsetzung)
3. Informationsverarbeitung erfolgt sequentiell in einzelnen unterscheidbaren (diskreten) Schritten
4. Informationsverarbeitung wird als Durchlaufen eines Kalkulations-programms wie bei einem Rechner verstanden
Modelle der visuellen Wahrnehmung
1. Schablonenabgleich
2. Merkmalsanalyse
3. Kontextuelle Wahrnehmung
4. Konnektionistisches Netzwerk
Fragestellung
Wie werden visuelle Informationen so verarbeitet, dass ein zusammenhängendes Muster erkannt wird, das die Identifizierung einer Reizvorlage als Buchstaben ermöglicht?
Schablonenabgleich
Annahme:• Dem Gehirn wird ein getreues Netzhautbild
der Reizvorlage übermittelt. • Dieses Abbild wird mit bereits gespeicherten
Mustern verglichen.• Das Wahrnehmungssystem sucht das
passende Muster heraus. • Die Muster sind so etwas wie Schablonen,
denen bereits Bedeutung zugewiesen ist.• Der Reizvorlage wird die Bedeutung der
Schablone zugewiesen.
Nachteile
• Erkennen von den Schablonen nur ähnlichen Reizvorlagen ist nicht möglich.
Annahme starrer Schablonen ist unzureichend
Für jede Variation würde neue Schablone gebraucht; unökonomisch bei begrenzter Speicherkapazität.
Merkmalsanalyse
Annahmen:• Jeder Reiz besteht aus einer Kombination von
elementaren (markanten) Merkmalen und Regeln der Verknüpfung zwischen diesen Merkmalen
• Einzelne markante Merkmale und die Art der Verknüpfung werden hinsichtlich Überein-stimmung überprüft
Beispiel: „L“ längere horizontale und kürzere vertikale Linie, die rechtwinklig zueinander angeordnet sind
Vorteile
• Merkmale und Kombinationsregeln erfordern weniger Speicherkapazität als Vielzahl von Schablonen
• Anzahl zur Erkennung benötigter Merkmale ist geringer
• Da lediglich markante Merkmale verwendet werden ist Abgleich großzügiger gegenüber geringfügigen Abweichungen
Beispiel: Bei C und G mehr irrtümliche Zuord-nungen als bei C und O; mit Schablone würden C und O für ähnlicher gehalten werden
Kontextuelle Wahrnehmung
Kontexte werden genutzt, um Muster-erkennung zu steuern
Allgemeines Wissen einer „höheren Ebene“ beeinflusst, wie Wahrnehmungs-inhalte einer niedrigeren Ebene interpretiert werden (top-down)
Konnektionistisches Netzwerk(McClelland & Rumelhart, 1981)
Kombination von top-down und bottom-up Prozessen Kontextinformation wird zur Hypothesenbildung über Bedeutung verwendet, gleichzeitig werden Stimulus-informationen für eine detaillierte Analyse verwendet
Konnektionistisches Netzwerk
Aktivierungsausbreitung und -hemmung von Worten zu Buchstaben und von einzelnen Merkmalen zu Buchstaben
Beteiligung beider Prozesse gleichzeitig
Aufmerksamkeit und Aktivierung
Menschlicher Organismus ist System mit beschränkter Kapazität zur Aufnahme und Verarbeitung von Informationen
Fragen:• Wie viel Kapazität für welche Art der
Verarbeitung?• Welche Regeln gelten für die Verteilung
der Kapazität?
Aktivierung physiologisch
Aktivität der Nervenzellen Stoffwechsel Durchblutung
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) computererzeugte Bilder
Rot: starke DurchblutungGrün: mittlere DurchblutungBlau: geringe Durchblutung
Je kräftiger die Farbe, desto stärker die Abweichung vom Durchschnittswert.
Bild 1: Ruhezustand
Bild 2: Wahrnehmende Tätigkeit
Person verfolgt mit den Augen einen bewegten Gegenstand
aktiviert sind:
• Hinterhauptlappen
• frontales Augenfeld
• motorisches Feld im Stirnlappen
Bild 3: Wahrnehmende Tätigkeit
Person hört einfache Wörter
aktiviert ist:
• Hörfelder
• Wernickesches Zentrum (sensorisches Sprachzentrum)
Kognitive und emotionale Aktivierung und De-Aktivierung
Erwartung von WahrnehmungsreizenBeispiel: Berührung am FingerDe-Aktivierung sensorischer Regionen aller
anderen Körperteile(Wieder-) Erleben starker Angst Beispiel: Videomitschnitt eines selbsterlebten
Banküberfalls Lahmlegung des Brocaschen Zentrums („vor
Entsetzen sprachlos“)
Modell der späten Selektion(Deutsch & Deutsch, 1963)
1. Semantische Analyse für alle Informationen2. Auswahl nach unterschiedlichen Kriterien (Ort:
linkes Ohr, Bedeutung: Inhalt der Geschichte)3. Entscheidung der Aufmerksamkeitszuwendung
nach Einbeziehen der Reaktion (Instruktion) Aufmerksamkeitszuwendung im Dienste der
Reaktion Man erkennt nicht, um zu erkennen, sondern
um sich zu verhalten.
Aufmerksamkeit und Bewusstsein
Automatisierte Prozesse:
• Gut geübt, ohne bewusste Aufmerksamkeit, schwer zu unterbrechen
Kontrollierte Prozesse:
• Erkennen mit bewusster Aufmerksamkeit
Beispiel: Stroop-Test
Bitte nennen Sie die Farbe, in der das Wort geschrieben ist!
Bitte nennen Sie die Farbe, in der das Wort geschrieben ist!
Bitte nennen Sie die Farbe, in der das Wort geschrieben ist!
Bitte nennen Sie die Farbe, in der das Wort geschrieben ist!
Stroop-Effekt
Erkennen der Farbe schneller, bei LOB als bei ROT. Farben können gleichgut erkannt werden, wenn das Wort selbst keine Farbe benennt.
- ROT in grün geschrieben: Interferenz des Farb-erkennens durch automatisiertes Lesen.
- ROT in rot geschrieben: Unterstützung des Farberkennens durch Lesen.
- Bei LOB nur geringe Interferenz.
Angesichts von Buchstaben ist das Lesen automatisiert, daher ist das Farberkennen erschwert.
Literatur
Anderson, J.R. (1996). Kognitive Psychologie (2. Aufl.). Heidelberg: Spektrum Verlag.
Kluwe, R. & Haider, H. (1995). Erwerb kognitiver Fertigkeiten durch Übung. In D. Dörner & E. van der Meer (Eds.), Das Gedächtnis. Probleme – Trends – Perspektiven. (S. 253-291). Göttingen: Hogrefe.
Pospeschill, M. (2004). Konnektionismus und Kognition. Stuttgart: Kohlhammer.
Schönen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit !