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Einleitung Bei zunehmendem Funktionsanspruch der in Zukunft länger im Arbeitsprozess stehenden und einer auch im Alter noch sportlich aktiven Gesellschaft kommt der Rotatorenmanschettenläsion eine hohe sozioökonomische Bedeutung zu. Gerade die Altersjahrgänge über 60 wei- sen in etwa einem Drittel Manschetten- rupturen auf, zu deren Therapie eine dif- ferenzierte Entscheidung gefunden wer- den muss. War bis zum Ende der 1990er-Jahre die offene Rotatorenmanschettenchirurgie der golden standard, stehen uns heute moderne arthroskopische Verfahren zur Verfügung, die mit Ausnahme der Lap- penplastiken die offene Chirurgie ersetzt haben. Die jüngere Generation der or- thopädischen Chirurgen hat eine hohe Affinität zur minimalinvasiven Technik und die Patienten wünschen ein arthro- skopisches Verfahren. Dennoch ist die offene Chirurgie als Fundament zu be- trachten und deren Techniken ebenso zu beherrschen wie die arthroskopi- schen. Der Chirurg, der beide Verfahren kann, verfügt über ein breiteres Thera- piespektrum als der nur in einem Ver- fahren bewanderte. Die Grundlagen der Rotatorenmanschet- tenchirurgie sind jedoch untrennbar mit dem Bostoner Chirurgen Ernest Amory Codman (18691940) verbunden. Die Läsionsformen der Rotatorenmanschette wurden differenziert, die klinische Rele- vanz der Bursa subacromialis sowie Be- handlungsmöglichkeiten der Supraspi- natussehnen-Partialruptur beschrieben. In seinem Werk The shoulderbe- schreibt Codman die sog. Übergangs- zone, hypovaskularisierte Areale und das Spektrum der Rupturformen von artiku- lärseitigen Partialrupturen bis hin zu Massenrupturen. Die sportspezifische Relevanz der Rota- torenmanschettenfunktion sowie der Zusammenhang zwischen Rotatoren- manschettenläsionen und wiederholten Überkopfbeanspruchungen des Werfers wurden von Georg Eli Bennett (18851962) 1941 erstmals veröffentlicht. Die Begründer der modernen Schulter- chirurgie waren in Europa Didier Patte (Paris) und Norbert Gschwend (Zürich) und in New York Charles Neer . Auf Har- vey Ellman (Los Angeles) geht die arthro- skopische Akromioplastik Anfang der 80er-Jahre zurück. Er war es auch, der weltweit die ersten arthroskopischen Nähte an der Rotatorenmanschette durchführte. Ätiologie und Epidemiologie Die Prävalenz der Rotatorenmanschet- tenruptur in der Bevölkerung lässt sich durch autoptische Untersuchungen zwi- schen 5 und 39 % einordnen. Die Inzidenz bei Individuen älter als 60 Jahre mit völ- lig schmerzfreier, voll funktionstüchtiger Schulter liegt nach Kernspinunter- suchungen bei 2228%. Die Defektgröße steigt mit zunehmendem Lebensalter. Angaben über die Häufigkeit von Rota- torenmanschettenrupturen in Alters- dekaden unterteilt, weisen in der Viel- zahl der Veröffentlichungen eine hohe Schwankungsbreite auf. Wenn autopti- sche Studien auch eine Zunahme patho- logischer Veränderungen mit steigen- dem Alter finden, besteht hier keine Kor- relation zwischen diesen Befunden und der klinischen Symptomatik (Tab. 1). Rupturen bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen sind Folge eines Traumas durch Kompressions-, Scher- oder Zug- kräfte höheren Ausmaßes. Ab der mittleren Lebensdekade ereignen sich Rupturen der Supraspinatus- und Infraspinatussehne zum überwiegenden Teil auf dem Boden atraumatischer Pro- zesse. Programmierter Zelltod (Apopto- se) der fibroblastischen Zellen lässt sich in den Sehnen der Rotatorenmanschette Zusammenfassung Mit zunehmendem Alter und steigen- dem Aktivitätsgrad älterer Mitbürger nimmt die Bedeutung der Erkrankun- gen und Verletzungen der Rotatoren- manschette stetig zu. Zum einen tole- rieren die betroffenen Menschen im- mer seltener Einschränkungen in ihrer Leistungsfähigkeit, zum anderen steigt die Nachfrage nach konservativen und operativen Maßnahmen dieses Patien- tenkollektivs. Ziel dieses Artikels ist es, Ursachen, klinische Präsentation und Diagnostik zu erörtern. Ferner sollen die konservativen Maßnahmen, wie auch die Indikationen zu verschiede- nen OP-Techniken diskutiert und dar- gestellt werden. Pathology and Lesions of the Rotator Cuff With increasing age and the higher functional demands of the elderly pa- tient the importance of rotator cuff le- sions and their treatment also rises. On the one hand, patients are marked- ly less willing to tolerate functional impairment and so that, on the other hand, the demand for optimal treat- ment, no matter if conservative or sur- gical, grows as well. The purpose of this article is to illustrate the relevant causes, clinical presentation and diag- nostic measures. Furthermore, conser- vative treatment modalities and surgi- cal procedures as well as their respec- tive indications are discussed. Erkrankungen und Verletzungen der Rotatorenmanschetten & n Sven Lichtenberg, Petra Magosch, Peter Habermeyer OP-JOURNAL 2013; 29: 5470 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1328431 54 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Erkrankungen und Verletzungen der Rotatorenmanschetten€¦ · SSP-Sehne (Abduktion gegen Wider-stand beim um 90° in der Skapulaebene abduzierten Arm, auch „empty can test“ genannt)

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Zusammenhang zwischen Rotatoren-manschettenläsionen und wiederholtenÜberkopfbeanspruchungen des Werferswurden von Georg Eli Bennett (1885–1962) 1941 erstmals veröffentlicht.

Die Begründer der modernen Schulter-chirurgie waren in Europa Didier Patte(Paris) und Norbert Gschwend (Zürich)und in New York Charles Neer. Auf Har-vey Ellman (Los Angeles) geht die arthro-skopische Akromioplastik Anfang der80er-Jahre zurück. Er war es auch, derweltweit die ersten arthroskopischenNähte an der Rotatorenmanschettedurchführte.

Ätiologie und Epidemiologie

Die Prävalenz der Rotatorenmanschet-

Erkrankungen und Verletzungender Rotatorenmanschetten

&n Sven Lichtenberg, Petra Magosch, Peter Habermeyer

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Zusammenfassung

Mit zunehmendem Alter und steigen-dem Aktivitätsgrad älterer Mitbürgernimmt die Bedeutung der Erkrankun-gen und Verletzungen der Rotatoren-manschette stetig zu. Zum einen tole-rieren die betroffenen Menschen im-mer seltener Einschränkungen in ihrerLeistungsfähigkeit, zum anderen steigtdie Nachfrage nach konservativen undoperativenMaßnahmen dieses Patien-tenkollektivs. Ziel dieses Artikels ist es,Ursachen, klinische Präsentation undDiagnostik zu erörtern. Ferner sollendie konservativen Maßnahmen, wieauch die Indikationen zu verschiede-nen OP-Techniken diskutiert und dar-gestellt werden.

nleitung

i zunehmendem Funktionsanspruchr in Zukunft länger im Arbeitsprozessehenden und einer auch im Alter nochortlich aktiven Gesellschaft kommtr Rotatorenmanschettenläsion einehe sozioökonomische Bedeutung zu.erade die Altersjahrgänge über 60 wei-n in etwa einem Drittel Manschetten-pturen auf, zu deren Therapie eine dif-renzierte Entscheidung gefunden wer-n muss.

ar bis zum Ende der 1990er-Jahre diefene Rotatorenmanschettenchirurgier „golden standard“, stehen uns heuteoderne arthroskopische Verfahren zurrfügung, die mit Ausnahme der Lap-nplastiken die offene Chirurgie ersetztben. Die jüngere Generation der or-opädischen Chirurgen hat eine hoheffinität zur minimalinvasiven Technik

-JOURNAL 2013; 29: 54–70Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1328431

Pathology and Lesionsof the Rotator Cuff

With increasing age and the higherfunctional demands of the elderly pa-tient the importance of rotator cuff le-sions and their treatment also rises.On the one hand, patients are marked-ly less willing to tolerate functionalimpairment and so that, on the otherhand, the demand for optimal treat-ment, no matter if conservative or sur-gical, grows as well. The purpose ofthis article is to illustrate the relevantcauses, clinical presentation and diag-nostic measures. Furthermore, conser-vative treatment modalities and surgi-cal procedures as well as their respec-tive indications are discussed.

und die Patienten wünschen ein arthro-skopisches Verfahren. Dennoch ist dieoffene Chirurgie als Fundament zu be-trachten und deren Techniken ebensozu beherrschen wie die arthroskopi-schen. Der Chirurg, der beide Verfahrenkann, verfügt über ein breiteres Thera-piespektrum als der nur in einem Ver-fahren bewanderte.

Die Grundlagen der Rotatorenmanschet-tenchirurgie sind jedoch untrennbar mitdem Bostoner Chirurgen Ernest AmoryCodman (1869–1940) verbunden. DieLäsionsformen der Rotatorenmanschettewurden differenziert, die klinische Rele-vanz der Bursa subacromialis sowie Be-handlungsmöglichkeiten der Supraspi-natussehnen-Partialruptur beschrieben.In seinem Werk „The shoulder“ be-schreibt Codman die sog. Übergangs-zone, hypovaskularisierte Areale und dasSpektrum der Rupturformen von artiku-lärseitigen Partialrupturen bis hin zuMassenrupturen.

Die sportspezifische Relevanz der Rota-torenmanschettenfunktion sowie der

tenruptur in der Bevölkerung lässt sichdurch autoptische Untersuchungen zwi-schen 5 und 39% einordnen. Die Inzidenzbei Individuen älter als 60 Jahre mit völ-lig schmerzfreier, voll funktionstüchtigerSchulter liegt nach Kernspinunter-suchungen bei 22–28%. Die Defektgrößesteigt mit zunehmendem Lebensalter.Angaben über die Häufigkeit von Rota-torenmanschettenrupturen in Alters-dekaden unterteilt, weisen in der Viel-zahl der Veröffentlichungen eine hoheSchwankungsbreite auf. Wenn autopti-sche Studien auch eine Zunahme patho-logischer Veränderungen mit steigen-dem Alter finden, besteht hier keine Kor-relation zwischen diesen Befunden undder klinischen Symptomatik (Tab. 1).

Rupturen bei Jugendlichen und jüngerenErwachsenen sind Folge eines Traumasdurch Kompressions-, Scher- oder Zug-kräfte höheren Ausmaßes.

Ab der mittleren Lebensdekade ereignensich Rupturen der Supraspinatus- undInfraspinatussehne zum überwiegendenTeil auf dem Boden atraumatischer Pro-zesse. Programmierter Zelltod (Apopto-se) der fibroblastischen Zellen lässt sichin den Sehnen der Rotatorenmanschette

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nachweisen, niedrigerer Sauerstoff- undhöherer Stickstoffoxidgehalt findet sichin rupturiertem Sehnengewebe.

Häufig erleiden die Patienten bei dege-nerativer Schadensanlage ein akutesTrauma, das den vorliegenden Defektvergrößert und als klinisches Bild mani-fest werden lässt. Die pathogenetischeBeziehung zwischen Akromionspornund Rotatorenmanschettenruptur, wievon Neer postuliert, ist nur einer vonmehreren extrinsischen und intrinsi-schen Faktoren für Veränderungen derRotatorenmanschette und wird heutenoch deutlich von vielen überschätzt.Eine pathomechanische Bedeutungweist ein vermehrt nach lateral stehen-des Akromion auf. Biomechanischkommt es am gelenkseitigen Supraspi-natussehnenansatz unter Zugbelastungzur maximalen Belastung, was den Rup-turbeginn an der knöchernen Insertions-zone erklärt. Eine Partialruptur erzeugteinen erhöhten Belastungsstress an derartikulärseitigen Sehneninsertionsstelle.

Die bursalseitige Partialläsion entstehtdagegen tatsächlich am häufigsten durcheine mechanische Irritation am Akro-mion, entweder durch eine echte knö-cherne Enge durch Akromionsporn oderdurch ein sekundäres Impingement beigestörtem skapulothorakalem Rhyth-mus oder durch Schwäche der zentrie-renden Rotatorenmanschette.

Die Grundidee einer enthesiopathischenSehnenerkrankung am Insertionsort derSupraspinatussehne als intrinsischerFaktor des Gewebsuntergangs stammtvon Uhthoff.

Hingegen werden isolierte Läsionen derSubscapularissehne zu 70% durch ein al-leiniges adäquates Trauma ausgelöst.

Die Schulterluxation führt alters-abgestuft in 14–71% der Fälle zu einerRotatorenmanschettenruptur. Bei Pa-tienten über 50 Jahre werden 63–71%Rotatorenmanschettenrupturen nachLuxationsereignis berichtet.

Diagnostik

In der Anamnese ist nach einem mögli-chen Traum zu fragen, ferner sind Beginnder Symptome, deren Qualität undQuantität und explizit Nachtschmerzenzu erfragen.

Gerade ein Sturz auf den Ellenbogenoder die Handmit fortgeleitetem Trauma

des Schultergelenks sind ebenso wieeine Luxation in der Vorgeschichte ver-dächtig auf eine Rotatorenmanschetten-Läsion.

Untersuchung

Es gibt zur Überprüfung der Funktionder RM spezielle Tests, die gesondert dieeinzelnen Sehnen der RM abprüfen. Ne-ben dem nach Jobe benannten Test derSSP-Sehne (Abduktion gegen Wider-stand beim um 90° in der Skapulaebeneabduzierten Arm, auch „empty can test“genannt) stehen Tests zur Funktion desSubscapularis (SCP) und des Infraspina-tus (ISP) zur Verfügung. Als weiterfüh-rende Literatur sei auf das Themenheftder Oberen Extremität verwiesen [1].

Bildgebung

Als primäre Bildgebung bietet sich dieUltraschalluntersuchung an, die schnellund preiswert, allerdings auch sehr un-tersucherabhängig ist.

Zur Röntgenstandarddiagnostik gehö-ren:– „true“ a.–p. Aufnahme am stehenden

Patienten mit Neutralrotation des Ar-mes

– axiale Aufnahme– „outlet-view“– AC-Gelenk Zielaufnahme – Zanka

View – bei symptomatischem ACG-Be-fund

Kernspintomografien (MRT) – parakoro-nar, transversal und parasagittal – soll-ten erst dann erfolgen, wenn die Basis-diagnostik erfolgt ist und klare Fragenan den Radiologen gestellt werden kön-nen. Das MRT muss eine Aussage liefernüber:

– Rupturlokalisation und ‑größe– Sehnenretraktion– muskuläre fettige Atrophie– Begleitarthrosen (glenohumeral, AC-

Gelenk)– Markraumveränderung

Muskuläre Atrophien ohne Sehnenrup-tur müssen neurologisch mittels EMGund NLGweiteruntersucht werden.

Hinsichtlich der Schmerzentwicklungstellt sich die Frage, warum einige Pa-tienten mit Ruptur eine klinische Symp-tomatik entwickeln und andere nicht.Von S. Burkhart wurde die kinematischeinwandfreie und asymptomatischeFunktion des anatomisch defizienten,biomechanisch jedoch intakten Cuffs be-schrieben. Asymptomatische Patientenweisen eine höhere Muskelaktivität aufals symptomatische. Eine japanische Ar-beitsgruppe um Fukuda sieht im Gradder Bursainflammation einen ursächli-chen Faktor für die klinische Relevanzder Rotatorenmanschettenruptur. Häu-figste Schmerzursache ist nach unsererMeinung eine begleitende Pathologieder langen, intraartikulär verlaufendenBizepssehne, die durch das Auftreteneiner adhäsiven Kapsulitis als möglicherSchmerzfaktor verstärkt wird. Aber auchVeränderungen der glenohumeralenund skapulothorakalen Kinematik unddie Unfähigkeit zur muskulären Kom-pensation mit Kaudalisierung des Kopfeskommen hinzu.

Klassifikation

Die Einteilung der RM-Ruptur spielt imRahmen des präoperativen Stagings fürdie Planung des operativen Prozedereseine entscheidende Rolle: Um ein opti-males OP-Resultat zu erzielen, musspräoperativ eine pathologiekonformeTherapieplanung durchgeführt werden.Diese beinhaltet primär auch die anam-nestische Abklärung des Funktions-anspruchs des Patienten und seiner Mo-tivation auch im Hinblick auf die lang-wierige postoperative Physiotherapie.

Eine arthroskopische Einteilung derRotatorenmanschetten-Partialruptur er-folgte sowohl durch Snyder als auch vonEllman. Beide Klassifikationen weisenaber eine schlechte Intra- und Inter-observer-Genauigkeit bezüglich der arti-kularseitigen Defektausdehnung auf.

Eine neue Einteilung der Partialrupturenerfolgt nach Habermeyer [2] (Abb. 1).Hierbei wird die Supraspinatussehne

Tab. 1 Sonografische altersbezogenePrävalenz der Rotatorenmanschettenrup-tur [19].

Alter Häufigkeit

< 40 Jahre keine partielle/kompletteRuptur

< 50 Jahre 5% partielle/kompletteRupturen

< 60 Jahre 11% partielle/kompletteRupturen

> 70 Jahre 50% partielle/kompletteRupturen

> 80 Jahre 80% partielle/kompletteRupturen

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(SSP) in der parasagittalen Ebene in dieSektoren A, B und C unterteilt:– Zone A beschreibt die laterale Pulley-

Schlinge, die direkt medial distal indie SSP einmündet.

– Zone B beschreibt die sog. „crescentzone“, die den sehnigen Übergang zurInsertionszone darstellt.

– Zone C ist die Kombination aus Zone Aund B.

In der parakoronaren Ebene werden dieartikularseitigen Rupturen eingeteilt indie Typen I, II und III:– Typ I bezeichnet einen Partialdefekt,

der sich nur auf den chondralen Über-gang zur Insertionszone erstreckt.

– Typ II beschreibt die weitere Ausdeh-nung nach lateral bis zum Zentrumdes sog. „footprint“,

– Typ III die komplette Ausdehung biszum Tuberculum majus.

Die durchschnittliche Sehnenbreite inparasagittaler Richtung beträgt 25mmund 12mm in der koronaren Schicht.Liegt der Sehnenansatz artikularseitigetwa 6mm frei vom knöchernen Seh-nenlager, kann man von einer 50%igenTeilruptur ausgehen.

Eine Sonderform stellt hier die intraten-dinöse Ruptur zwischen den Sehnen-blättern dar: Sehnenunter- und ‑oberflä-

che sind hierbei intakt. Die Diagnose ge-lingt meist nur mithilfe des MRT. Hin-sichtlich der Inzidenz fand Fukuda in149 Schulterpräparaten 13% partielleintratendinöse Rotatorenmanschetten-rupturen.

Die Rupturgröße bei kompletten Läsio-nen wird hinsichtlich ihrer Größe nachBateman eingeteilt, wobei die größte De-fektbreite am Insertionsort humeralsei-tig bestimmt wird.

Grad I: < 1 cmGrad II: 1–3 cmGrad III: 3–5 cmGrad IV: > 5 cm

Die Klassifikation der Rupturformnimmt Bezug auf Form und Größe undbesitzt daher eine wichtige prognosti-sche Aussagekraft.– halbmondförmige (crescent-shape)

Ruptur: Ruptur des SSP mit leichterRetraktion, ähnlich dem Rotatoren-kabel

– U-förmige Ruptur: große Ruptur vonSSP und ISP mit einsprechend stärke-rer Retraktion vor allem nach antero-medial und posteromedial, sodass eingroßes U-förmiges Loch entsteht

– L-förmige oder umgedreht L-förmigeRuptur: Ruptur des SSP vom Footprintmit zusätzlicher longitudinaler Kom-

ponente zwischen SSP und RI oderSSP und ISP. Retraktion des Haupseh-nenanteils stets weg von der longitu-dinalen Komponente

– Massenruptur: Ruptur von 3 Sehnen

Hinsichtlich einer prognostischen Wer-tung bedeutsam ist die Einteilung derRotatorenmanschettenruptur nach ihrerAnamnesedauer.– akut: < 6 Wochen– subakut: 6 Wochen – 6 Monaten– chronisch: 6 Monate – 1 Jahr– alt: > 1 Jahr

Als weiterer prognostischer Faktor lässtsich präoperativ im MRT die Sehnenre-traktion sowie die Muskelatrophie un-tergliedern (Tab. 2).

Prognose

Defektgröße und Anamnesedauer beein-flussen das operative funktionelle Ergeb-nis.

Hinsichtlich der Größe der Rotatoren-manschettenruptur und der operativenPrognose besitzen bereits folgende kli-nische Zeichen eine negativ prädiktiveBedeutung:– Kraftverlust bei Abduktion, insbeson-

dere bei Außenrotation des horizontal

AB

21

32

1

3 21

3

A BA

B

a b c

fd e

Abb. 1 Klassifikation der SSP-Partialruptur nach Habermeyer. a–c Longitudinale Ausdehnung der artikularseitigen Supraspinatussehnenpartial-ruptur in der parakoronaren Ebene. a Typ-1-Ruptur: kleine Ruptur in der Übergangszone von Knorpel zu Knochen. b Typ-2-Ruptur: Ausdehnungder Ruptur bis zur Mitte des Footprints. c Typ-3-Ruptur: Ausdehnung der Ruptur bis zum Tuberculummajus. d–f Sagittale Ausdehnung der artiku-larseitigen Supraspinatussehnenpartialruptur in der transversalen Ebene (A: Typ A, B: Typ B). d Typ-1-Ruptur: Ruptur des lateralen Anteils des Lig.coracohumerale mit Ausdehnung in den medialen Supraspinatussehnenansatz. e Typ-2-Ruptur: isolierte Partialruptur der Suparspinatussehneinnerhalb der Crescent-Zone. f Typ-3-Ruptur: Ruptur, die sich vom lateralen Anteil des Lig. corachumerale über den medialen Supraspinatusseh-nenansatz hinweg bis in die Crescent-Zone fortsetzt (Mit freundlicher Genehmigung aus: Habermeyer, Lichtenberg, Magosch. Schulterchirurgie.© Elsevier GmbH).

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gestreckten Armes (Patte-Test ent-spricht „full can“-Test)

– Atrophie der Supra- und Infraspina-tusmuskulatur

– vordere Schultersubluxation bei Ab-duktion (Subscapularisbeteiligung)

– vorbestehende spontane Ruptur derlangen Bizepssehne als Zeichen fort-geschrittener degenerativer Verände-rungen

– Einschränkung der passiven Gelenk-beweglichkeit

Prognostische radiologische Zeichen fürdas OP-Ergebnis ist die Korrelation mitdem präoperativ gemessenen akromio-humeralen Abstand (AHA) auf der Rönt-gennativaufnahme („true a.–p.“-Aufnah-me beim stehenden Patienten, mit ange-legtem Oberarm bei 0°-Neutralstellung).Beträgt der Abstand 8mm und mehr,kann ein günstiges operatives Ergebniserwartet werden. Bei einem Abstandzwischen 5 und 7mm muss man einenschwierigen Verschluss der Ruptur er-warten (Abb. 2). Darunter ist kein kom-pletter Defektverschluss mehr möglich.Ein Os acromiale gilt nach unserer Mei-nung als Ursache für erhöhte Re-Ruptur-gefahr.

Der wichtigste Outcome-Faktor ist letzt-lich die Rupturgröße, mit welcher dasAlter des Patienten korreliert [3,4]. MitZunahme der Rupturgröße kommt eszum Rückgang der reparativen Vorgängeund zur vermehrten chondroiden Meta-plasie und Amyloideinlagerung [5]. Beiveralteten, großen Sehnenrupturen mitweiter Retraktion (Patte 3°, d.h. bis anden Glenoidrand) und manifester fetti-ger Infiltration und Atrophie Grad III°und IV° ist mit einer hohen Versagens-quote zu rechnen.

Hinsichtlich der Lokalisation hat die iso-lierte Supraspinatussehnenruptur diegünstigste Prognose, die Kombinationeiner Ruptur der Supraspinatussehnemit der Infraspinatussehne ist günstigerals die mit der Subscapularissehne. Amungünstigsten und auch operativ amschwierigsten zu verschließen ist dieRuptur aller 3 Sehnen, wobei die zusätz-liche Läsion der langen Bizepssehne eineweitere Verschlechterung der Prognosebedeutet.

Auftreten und Progression der fettigenMuskelatrophie korreliert mit der Zahlder gerissenen Sehnen und dem steigen-den Patientenalter. Rotatorenmanschet-ten entwickeln in unterschiedlicher Ge-schwindigkeit ihre fettige Atrophie inAbhängigkeit vom Beginn der Symp-tome, wobei der Subscapularis amschnellsten atrophiert.

Die fettige Infiltration und Atrophie spe-ziell der Infraspinatusmuskulatur bein-flussen das funktionelle Outcome. DurchVerkleinerung der Muskelquerschnitts-fläche reduziert sich die Zugkraft desMuskels (max. 200N). Selbst eine erfolg-reiche Naht führt zu keiner Verbes-serung des Verfettungsgrads und nur zueinem leichten Rückgang der Atrophie,hingegen eine Re-Ruptur zu deren Pro-gression.

Der Grad der Retraktion des Sehnen-stumpfs und der damit verbundenenVerkürzung des Muskels führt zu irre-versiblen Veränderung der Muskelstruk-tur mit Atrophie, Infiltration von Fettzel-len und Zunahme von interstitiellemBindegewebe mit Störung der physiolo-gischen Eigenschaften des Muskelgewe-bes. Der Zeitpunkt zur Operation mussvor Eintreten der muskulären Verän-

derungen, d.h. vor 6 Wochen liegen. Dieintraoperative Überprüfung der Ver-schiebbarkeit, d.h. Elastizität des Seh-nen- und Muskelgewebes, ist eine wich-tige prognostische Beurteilungsgröße.Lässt sich die fibröse Verkürzung derMuskulatur nicht mehr mobilisieren,macht es aus muskelphysiologischenGründen keinen Sinn mehr, durch Ver-schiebeplastiken einen Verschluss zu er-zwingen, weil die kontraktilen Muskel-elemente irreversibel geschädigt sind undnur ein Tenodese-Effekt erreicht wird.

Die Qualität des Sehnengewebes beein-flusst als mechanischer Faktor die Quali-tät des Einheilungsergebnisses.

Raucher weisen ein höheres Risiko fürRotatorenmanschettenrupturen auf, zu-dem sind die Operationsergebnisseschlechter. Nikotin verzögert experimen-tell die Sehneneinheilung. Diabetes mel-litus ist mit einer höheren Inzidenz anpostoperativen Infekten vergesellschaf-tet, zudem besteht eine höhere Gefahrfür das Auftreten einer postoperativenFrozen Shoulder. Rentenbegehren undBG-licheUnfällehabenerfahrungsgemäßzumindest subjektiv schlechte Resultate.

Konservative Behandlung derRotatorenmanschettenruptur

Prinzipiell ist abzuwägen zwischenmög-lichem konservativen Behandlungserfolgund der Gefahr einer Umwandlung eineseinfachen Sehnenrisses in eine irrepara-

Abb. 2 True a.–p. Röntgenbild mit vermin-dertem akromiohumeralen Abstand.

Tab. 2 Beurteilung der Muskelatrophie und Sehnenretraktion [20,21].

Sehnenretraktion n. Patte Atrophie im CT Atrophie im MRT

I: Stumpf zwischen Tuber-culum majus und Apex

I: normal I: normal oder leicht atro-phierter Muskel, Okkupations-verhältnis der Fossa supraspi-nata 0,66–1,0

II: Stumpf zwischen Apexund Glenoid

II: intramuskuläres Fett< Muskelvolumen

II: mäßige Atrophie, Okkupa-tionsverhältnis der Fossasupraspinata 0,4–0,6

III: Stumpf medial desGlenoids

III: intramuskuläres Fett= Muskelvolumen

III: deutliche oder schwereAtrophie, Okkupationsverhält-nis der Fossa supraspinata< 0,4

IV: intramuskuläres Fett> Muskelvolumen

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ble Situation durch die konservative Be-handlung. Hierbei spielen zum einen„weiche“ Kriterien wie Patientenalterund ‑anspruch sowie grundsätzlicherGesundheitszustand eine Rolle. Zum an-deren müssen aber auch Aktualität einerSchädigung und einer Funktionseinbußemit dem notwendigen Funktions-anspruch eines körperlich berufstätigenMenschen in den Entscheidungsprozessmiteinbezogen werden.

Der verständliche Wunsch des Patien-ten, sich einem operativen Eingriff zuentziehen, gepaart mit unkritischer ab-wartend konservativer Haltung des be-handelnden Arztes führt zu einer Ver-schlechterung der Ausgangssituationmit einem verspätet nicht mehr einfachrekonstruierbaren Defekt und dann wei-terreichendem operativen Verfahren.Mindestens 50% der zunächst asympto-matisch behandelten konservativen Fälleentwickeln nach einer epidemiologi-schen Studie und einer Längsschnitt-beobachtung zunehmende Beschwerdenund eine Größenzunahme des Defekts.

Das klinische Beschwerdebild ist diffe-rent. Kleinere Einrisse der Manschettekönnen asymptomatisch verlaufen undzu keiner relevanten Einschränkung imAlltag führen, wobei sie jedoch mit zu-nehmender Rupturgröße symptoma-tisch werden können. Dementgegenkonnten Matthews et al. [5] zeigen, dassPartialrupturen und kleine Totalruptu-ren mit einem nachweisbaren Regenera-tionsprozess einhergehen. Neben einervermehrten Gefäßeinsprossung fandendie Autoren eine erhöhte Zahl an Ent-zündungszellen und Fibroblasten.

Arbeiten beschreiben eine Verschlechte-rung im SF36 General Health Test imVerlauf der Beobachtungszeit. Patientenaus niedrigen sozialen Schichten zeigenein signifikant schlechteres Resultatnach konservativer Therapie. Welche kli-nischen Zeichen mit dem Endergebniskorrelieren untersuchte Itoi in einer Un-tersuchung bei 62 Patienten mit kom-pletter Ruptur. Dabei zeigten sich als In-dikatoren für das Langzeitergebnis derGrad und die Kraft bei der Abduktion. Jebesser und kraftvoller die Patienten beider Erstuntersuchung abduzieren konn-ten, desto besser das Endergebnis. Hin-sichtlich der Lokalisation hat die isolierteSupraspinatussehnenruptur die güns-tigste Prognose. Der Anteil des Supraspi-natus an der Abduktions- und Außenro-tationskraft beträgt in einer In-vivo-Un-tersuchung zwischen 20 und 30%. Insbe-

sondere Langzeitstudien machen deut-lich, dass es sich bei konservativer Thera-pie nicht um dauerhafte positive Resul-tate handelt. Zwar können konservativbehandelte Rotatorenmanschettenmas-senrupturen bis zu 4 Jahre klinisch kom-pensiert bleiben, radiologisch zeigt sichaber eine progressive degenerative Ge-lenkschädigung. Nach 4 Jahren wird auseinem rekonstruierbaren ein nicht wie-der herzustellender Defekt. Nach Aus-wertung der Literatur zeigt sich ins-gesamt, dass es nur in 50% zu einerzufriedenstellenden Schmerzbefreiungund zu keiner Kraftzunahme im Lang-zeitverlauf kommt. Im Vergleich dazu er-reichen operierte Patienten 85%Schmerzfreiheit und eine Verbesserungder Kraft.

Die Entscheidung hinsichtlich eines kon-servativen Vorgehens allein vom Patien-tenalter abhängig zu machen, wurde inden letzten Jahren mehr und mehr ver-lassen, da postoperative Ergebnisse vomPatientenalter weniger abhängig zu seinscheinen als bisher angenommen. Im Al-ter nimmt die Rupturgröße zu, welchewiederum das Operationsergebnis be-einflusst. Mit zunehmender Lebensdau-er und vor allem -aktivität sowie deut-lich steigendem Funktionsanspruchkann auch bei älteren Patienten über70 Jahre noch die Indikation zur Opera-tion bestehen. Hier erfordert die Rehabi-litation zwar mehr Zeit und die Rezidiv-rate ist etwas höher, aber das funktio-nelle Ergebnis und die Zufriedenheit derPatienten mit dem Ergebnis sind durch-aus vergleichbar mit der Rekonstruktionbei Jüngeren.

Eine begleitende adhäsive Kapsulitisstellt insofern eine Besonderheit dar, dasie unabhängig der Rupturgröße und de-ren Dekompensation primär ein konser-vatives Vorgehen bis zum Erreicheneines passiv nahezu freien Bewegungs-ausmaßes erfordert, da sie die Prognosedes operativen Therapieerfolgs sonstdeutlich verschlechtert.

Im Rahmen der diagnostischen Abklä-rung ist ein rationelles Vorgehen zuempfehlen:

Als Erstdiagnostik, die auch vom prakti-schen Arzt durchgeführt werden kann,erfolgen neben der klinischen Untersu-chung die Röntgendiagnostik (a.–p. undaxial) und, falls vorhanden, die Ultra-schalluntersuchung. Besteht die Ver-dachtsdiagnose einer Ruptur, erfolgt diesofortige Überweisung zum Facharzt.

Spätestens 6Wochen nach konservativerBehandlung mit – wenn auch rückläufi-ger – Beschwerdesymptomatik mussdurch Ultraschall und im Zweifel durchKernspintomografie die Diagnose derManschettenruptur erbracht werden.

Die konservative Behandlung von Rota-torenmanschettenrupturen muss eben-so wie die operative strengen Indika-tionskriterien unterliegen:

Als Kriterien für eine konservative Be-handlung können herangezogen wer-den:– geringe bis fehlende Schmerzen– langsamer Beginn– degenerative Genese– nicht dominante Seite– inaktiver, alter Patient– Non-Compliance– begleitende adhäsive Kapsulitis– Begleiterkrankungen wie Osteoporo-

se, Diabetes mellitus, rheumatoide Ar-thritis

– längere Cortisoneinnahme

Ein Abbruch der konservativen Therapieist zu fordern bei:– Schmerzpersistenz über 6 Wochen– Drop Arm Sign mit aktivem Abduk-

tionsverlust über 6 Wochen– funktionelle Verschlechterung nach

anfänglicher Funktionserholung

Kontraindikationen für konservativeTherapie sind

– akutes Trauma der Rotatorenman-schette mit fehlender Schadensanlage

– primäre Subscapularis- und Infraspi-natusbeteiligung (2 Sehnenrupturen)wegen hoher Retraktionsgefahr

– Ruptur bei traumatischer Schulterlu-xation

– aktiver Patient im Arbeitsleben bei ge-sicherter Compliance

– hoher Funktionsanspruch in Sportund Freizeit

– Hemiplegie der unteren Extremität(Rollstuhlfahrer) oder Paraplegie deskontralateralen Arms

Operative Therapie

Die Indikation zum operativen Vorgehenergibt sich aus den Kontraindikationenzum konservativen Vorgehen. Alle fri-schen, reparablen Läsionen der Rotato-renmanschette mit Funktionseinschrän-kung des aktiven Patienten sollten heuteeiner operativen Rekonstruktion zuge-führt werden, um ein möglichst optima-les Ergebnis für den Patienten erwarten

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zu lassen. Ferner müssen diejenigenRupturen, die den Patienten auch trotzkonservativer Therapie nach 3 Monatenweiterhin chronische, vor allem abernächtliche Schmerzen bescheren, eineroperativen Therapie zugeführt werden.

Absolute Indikationen

– alle traumatische Rupturen insbeson-ders Subscapularissehnenruptur

– Rotatorenmanschettenrupturen nachSchulterluxation

– degenerative 2-Sehnen-Rupturen(SSP + ISP oder SSP + SCP)

– degenerative Supraspinatussehnen-ruptur mit Schädigung der langen Bi-zepssehne bei Pulley-Läsion

– degenerative Suprasinatussehnenrup-tur mit begleitendem Os acromiale

Die alleinige subakromiale Dekompres-sion bei kompletten Rupturen kann inihren Langzeitresultaten nicht überzeu-gen.

Relative Indikationen

– Supraspinatussehnenpartialruptur> 50% (artikulär – bursalseitig)

– degenerative Supraspinatussehnen-ruptur ohne LBS-Schädigung

– Sonderfall: schmerzfreie, klinischfunktionell kompensierte Supraspina-tussehnenruptur

– ältere funktionell anspruchslose Pa-tientenmit Komorbidität werden kon-servativ behandelt.

– Jüngeren sportlichen Patienten emp-fehlen wir wegen der obligaten fetti-gen Muskelatrophie und der Progres-sion der Defektgröße die Rekonstruk-tion.

Patienten älter als 65 Jahre

– frische traumatische Sehnenrupturenbei bis dato intakter Rotatorenman-schette

– frische traumatische Rupturen derSubscapularis- oder Infraspinatusseh-ne bei bisher klinisch inapparenter,kompensierter Supraspinatussehnen-läsion („Zusatz-Ruptur“, bzw. akut-auf-chronisch)

– frische traumatische Sehnenrupturenohne Humeruskopfhochstand undMuskelatrophie

n Im MRT muss zwischen posttraumati-schem Ödem mit Flüssigkeitseinlage-rung in die Muskulatur und echter fetti-ger Muskelatrophie beim chronischenDefekt unterschieden werden.

Die Sehnenretraktion stellt sich beson-ders bei Beteiligung von 2 Sehnen inner-halb kürzester Zeit ein und kann nichtals Unterscheidungsmerkmal heran-gezogen werden. Ferner ist die Diskre-panz zwischen kernspintomografischvermuteter Retraktion (bedingt durchschräge Retraktion der Sehnenstruktu-ren) und wahrer Retraktion unterschie-den werden.

n Nur durch die Beurteilung der MRT-Auf-nahmen in 3 Ebenen und aufgrund derklinischen Erfahrung des Orthopädenkann hier sicher differenziert und einevoreilig als irreparabel eingeschätzteRuptur sicher beurteilt werden.

Kontraindikationen

Die operativen Rekonstruktionstech-niken unterliegen in ihren Indikationeneiner Reihe von Einschränkungen.

n Allgemein gilt, dass ab einer drittgradi-gen Sehnenretraktion nach Patte undbei einer fettigen Atrophie im StadiumGoutallier Grad III° und IV° eine chro-nisch-degenerative 2-Sehnen-Rupturnicht mehr erfolgreich rekonstruiertwerden kann!

Absolute Kontraindikationen

– florider Infekt– Parese des N. suprascapularis oder des

Armplexus– Algodystrophie der Schulter– Defektarthropathie der Schulter mit

AHA < 5mm

Relative Kontraindikationen

– schmerzhafte begleitende adhäsiveKapsulitis: erfordert eine kurzfristigesystemische Cortisontherapie mit be-gleitender manueller Therapie vor de-finitiver Operation

– Begleiterkrankungen mit Dispositionzur Re-Ruptur: chronische Cortison-einnahme, schwere Osteoporose

– mangelnde Compliance– Alkoholkrankheit, Nikotinabusus

OP-Zeitpunkt

Neben den schon erwähnten Prog-nosefaktoren spielt auch der Zeitpunktder OP eine wesentliche Rolle. So zeigensich bei der traumatischen Ruptur dieidealen Resultate nach einer Versorgunginnerhalb der ersten 6 Wochen, zumin-dest sollte die Anamnesedauer 4–6 Mo-nate nicht überschreiten. Besonders

Subscapularisrupturen sollten frühest-möglich operiert werden, da sich mit zu-nehmender Anamnesedauer die Resulta-te deutlich verschlechtern, was an dererheblichen Retraktion der Subscapula-rissehne liegt.

Diese Richtlinien sollten auch für trau-matische Abrisse des älteren Menschen(> 65) gelten. Deren funktionelles Ergeb-nis und die Zufriedenheit der Patientenmit dem Ergebnis sind durchaus ver-gleichbar mit der Rekonstruktion beiJüngeren.

Eine Conditio sine qua non für eine kom-plikationslose postoperative Ausheilungist die präoperativ freie passive Beweg-lichkeit. Diese muss durch hochdosierte,aber kurzfristige Gabe steroidaler Anti-phlogistika und manuelle Therapie prä-operativ hergestellt oder zumindestdeutlich verbessert werden. Ausnahmehierzu stellt die frische, akute traumati-sche Sehnenruptur dar. Diese kann auchbei akut, nach dem Trauma aufgetrete-ner Bewegungseinschränkung problem-los primär akut operiert werden.

Präoperative Patientenaufklärung

Die Rotatorenmanschettenrekonstruk-tion ist mit einer geringen Inzidenz anKomplikationen behaftet und im Rah-men der schulterchirurgischen Eingriffeein sicheres Verfahren.

Beim Aufklärungsgespräch ist dem Pa-tienten der Defektzustand sowie dasoperative Vorgehen anhand schema-tischer Zeichnungen oder Modelle zu er-klären und zu dokumentieren. Die Alter-native einer konservativen Behandlungmit der im Vergleich schlechterenSchmerzbefreiung und einer fehlendenKraftverbesserung müssen aufgezeigtwerden

Hinsichtlich möglicher Komplikationenunterscheiden wir zum einen die intra-und postoperativen Komplikationen so-wie zum anderen seltenere, oft schick-salhafte Verläufe von häufigeren und oft-mals vom Patienten beeinflussbarenKomplikationen. Auf das Managementder Komplikationen soll gesondert ein-gegangen werden.

Die wichtigsten intraoperativen Kompli-kationen sind:– Akromionfraktur bei fehlerhafter

Akromioplastik

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– zu ausgedehnte Resektion des Akro-mions mit resultierender Deltasch-wäche

– Übersehen eines instabilen Os acro-miale

– zu ausgedehnte Resektion der latera-len Clavicula mit Instabilität des AC-Gelenks

– Verletzungen des N. suprascapularisund N. axillaris

Zu den postoperativen Komplikationenzählen:– persistierendes subakromiales Im-

pingement– Re-Ruptur– Sehnenrandnekrose– Infektion– Nachblutung– adhäsive Kapsulitis und restriktive

subdeltoidale Adhäsionen [6]– Kraftdefizit– heterotope Ossifikationen [7]– Nahtinsuffizienz des M. deltoideus bei

offenen Verfahren

Die Möglichkeit einer Re-Ruptur stelltaber keine formale Kontraindikation füreine Sehnenrekonstruktion dar, wenneine funktionelle Wiederherstellung er-zielt werden soll. Selbst bei Eintritt einerRe-Ruptur liegen die Ergebnisse hochsig-nifikant über dem präoperativen Aus-gangsbefund, wie eigene Studien bewie-sen haben [8].

Insbesondere im Hinblick auf die ver-gleichsweise häufige Anzahl der adhäsi-ven Kapsulitiden ist besonderer Wertauf eine ausreichende Aufklärung derlangwierigen und intensiven Nach-behandlung zu legen.

Der Patient muss sich darüber im Klarensein, dass er und sein Physiotherapeuteinen nicht unerheblichen Anteil zumEndresultat beitragen.

Nur so kann er die zum Teil 6 Monatedauernde Zeit des Heilungsverlaufs er-folgreich bewältigen.

Infektionsprophylaxe undThromboseprophylaxe

Die gezielte präoperative Antibiotikapro-phylaxe vor arthroskopischen und offe-nen Rekonstruktionen wird allgemeinanerkannt. Die häufig gefundenen Keimesind Staphylococcus aureus, Coagulase-negativer Staphyloccocus und Propioni-bacter acnes species. Aufgrund der typi-schen Empfindlichkeit ist Cefazolin alsdas Cephalosporin der 1. Generation am

häufigsten in Anwendung. Weitere Ar-beiten legen nahe, dass ein Kombina-tionspräparat aus Amoxicillin und Sulb-catam (Unacid®) insbesondere gegendie kritischen Propioni-acnae-Bakterienwirksam ist.

Obgleich im angloamerikanischen undfranzösischen Sprachraum nicht üblich,empfehlen wir die subkutane Injektionvon niedermolekularem Heparin mitder Narkoseeinleitung. Auf Thrombose-prophylaxestrümpfe verzichten wir beider Rotatorenmanschettenrekonstruk-tion gänzlich.

Lagerung und Narkose

Wir empfehlen zur Versorgung der Rota-torenmanschette eine Intubationsnar-kose mit gleichzeitigen interskalenärenBlock zur postoperativen Schmerzbefrei-ung. Die im Hause bevorzugte Lagerungist die Beach-Chair-Lagerung (Abb. 3).

Der Anästhesist sollte versuchen, einensystolischen Maximalblutdruck von100mmHg zu halten, soweit dies mitder zerebralen Funktion des Patientenvereinbar ist. Die Seitenlage ist für die-sen Eingriff ebenfalls möglich, im eige-nen Vorgehen jedoch nicht präferiert.

Jeder Eingriff, auch bei geplantem Mus-kel-Sehnen-Transfer, beginnt zweifelsfreiund in jedem Fall mit der diagnostischenArthroskopie. Nur so lassen sich intra-artikulär Aussagen zur Partialruptur, Bi-zepssehnenpathologie, Rotatoreninter-vallläsionen, Labrumläsionen, Knorpel-schädigung und Kapsulitis stellen. Wirdsie nicht durchgeführt, so ist das einKunstfehler.

Mit der diagnostischen Gelenkspiege-lung wird zudem die OP-Indikationüberprüft und gegebenenfalls die ge-

plante OP-Technik umgestellt. Arthro-skopisch überprüft man:– die Sehnenqualität– die Sehnenretraktion– die Rupturform und Rupturgröße– die Mobilisierbarkeit

Es darf nicht sein, dass die Schulter eröff-net wird und man dann erst feststellt,dass der Defekt nicht mehr verschließbarist.

Subakromial beurteilt man das Ausmaßder Bursitis, des Akromionsporns undder AC-Gelenk-Arthrose und die Mobili-tät eines etwaigen Os acromiale.

n Heutzutage hat sich, ähnlich der Kreuz-bandchirurgie, die arthroskopische Re-konstruktion der Rotatorenmanschetteals Standardverfahren etabliert.

Es ist aber nicht als Kunstfehler zu be-trachten, wenn eine arthroskopischeRM-Rekonstruktion aufgrund tech-nischer Probleme in eine Mini-open-oder offene Vorgehensweise verändertwird. Die Ergebnisse des rein arthrosko-pischen und der verschiedenen offenenVerfahren zeigen keine signifikanten Un-terschiede im Outcome. Dies ist bis jetztauch nicht zwischen den Single-Row-und Double-Row-Rekonstruktionen zubeobachten.

n Zu einer zufriedenstellenden Versor-gung von Läsionen der Rotatorenman-chette gehört obligat – je nach Schädi-gungsschwere – die Versorgung der lan-gen Bizepssehne (LBS), des Subakromial-raums mit subakromialer Dekompres-sion und des Schultereckgelenks (latera-le Clavicularesektion). Die Indikationenzu diesen einzelnen additiven Eingriffenergeben sich aus der klinischen Sympto-matik und dem etwaigen Lokalanästhe-sie-Test.

Abb. 3 Lagerungdes Patienten in Be-ach-Chair-Positionauf einem Spezial-tisch mit heraus-nehmbarem Schul-terteil, sodass einfreier Zugang zumSchultergelenk mög-lich ist (Mit freundli-cher Genehmigungaus: Habermeyer,Lichtenberg, Ma-gosch. Schulterchi-rurgie. © ElsevierGmbH).

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Partialläsionen

Heute ist die Versorgung der artikulär-seitigen Partialläsionen eine Domäneder Arthroskopie. Die arthroskopischeRekonstruktion der Sehne zeitigt guteErgebnisse, wie dies von den Arbeits-gruppen um Yamaguchi und Castagnagezeigt wurde [9,10]. Bei hochgradigenPartialläsionen führte die Konversionder Läsion in eine komplette Ruptur mitanschließender Rekonstruktion zu einerkompletten Einheilungsrate von 88%.Die Autoren gaben vor allem das Alterals kritischen prognostischen Faktor an,da das Durchschnittsalter der Patientenmit persistierendem Defekt mit 63 Jah-ren signifikant höher war als das derermit intakter Sehne (52 Jahre). Castagnaet al. [9] berichten über gute Ergebnissein 98% von 54 Patienten mit einer trans-tendinösen Technik (s.u.). Eine größereRetraktion des artikulärseitigen Ruptur-blatts war ein prognostischer Faktor fürein schlechteres Ergebnis, wohingegenbessere Resultate bei einem größerenfreiliegendem Footprint-Areal, bei gerin-gerem Alter und bei traumatischer Ge-nese zu beobachten waren.

Technik der arthroskopischenRekonstruktion der artikulärseiteigenSupraspinatuspartialläsion

Bei der arthroskopischen Versorgung derartikulärseitigen Partialläsion des Supra-spinatus kann man entweder den Defektin situ rekonstruieren oder die Läsionkomplettieren und dann wie eine Kom-plettläsion versorgen. Hier wird zu-nächst die In-situ-Naht beschrieben.

Der Vorteil der In-situ-Naht besteht imBelassen des noch intakten Sehnenge-webes am lateralen Tuberculum majus.Hierdurch ist eine Art Schienung der re-konstruierten Anteile gewährleistet undes wird behauptet, dass gleichzeitig we-niger Zugbelastung auf das rekonstruier-te Gewebe eingeleitet wird.

Nach Überprüfung der Indikation erfolgtzunächst das weitere Vorgehen im Sub-akromialraum. Je nach intraoperativemBefund führt man die subakromiale De-kompression durch. Auf jeden Fall mussdie Sehnenoberfläche freigelegt werden,damit später die vorgelegten Fäden auchwiederum im Subakromialraum gefun-den werden können.

Nun erneutes Eingehen in das Glenohu-meralgelenk. Die SSP-Unterfläche wirddargestellt. Mit einer Spinalnadel wird

die Richtung der transtendinösen Inzi-sion bestimmt. Durch das anterolateralePortal wird mit einem Skalpell eine lon-gitudinale Stichinzision im Faserverlaufim Bereich der Partialschädigung vor-genommen. Die Inzision kann mit einerSchere oder einem Klemmchen leichtaufgedehnt werden, um so eine stets si-cheren Zugang zum Gelenk hat. Man de-bridiert die Sehne und frischt gleichzei-tig die knöcherne Insertion am Tubercu-lummajus an, sodass punktuelle Blutun-gen entstehen. Diese dienen der fibro-blastischen Einheilung der Sehne. Vonlateral wird ein doppelt armierter Faden-anker am osteochondralen Übergang insTuberculum majus eingedreht.

Ein Fadenende bringt man mit der Fa-denfasszange von lateral ins Gelenk undlegt ihn vor das anteroinferiore Portal.Mit einem SutureLasso (Fa. Arthrex,Karlsfeld) perforiert man nun die SSP-Sehne von lateral und durchsticht dieSehne kranial des retrahierten artikular-seitigen Sehnenanteils, den es gilt zu re-ponieren und zu refixieren. Von ante-roinferior wird dann der Lassofaden undder dort geparkte Faden nach außen ge-zogen, das Fadenende ins Lasso eingelegtund mit dem Lassogriff wieder zusam-men nach lateral herausgezogen. So istein Fadenende durch die Sehne vor-gelegt. Man wiederholt diesen Schritt2-mal, zunächst mit einem andersfar-bigen Faden und dann wieder mit demanderen Ende des 1. Fadens. Der 2. Stichsollt dabei etwas weiter medial liegen,sodass eine Mason-Allen-Konfigurationentsteht.

Das Arthroskop wechselt nun wieder inden Subakromialraum und man suchtdie Fäden auf und verknotet die Fäden,zuerst die vorgelegte horizontale Mat-ratzennaht und letztlich die vertikaleEinzelknopfnaht (Abb. 4).

Alternativ kann man auch alle 4 Faden-enden durch die Sehne vorlegen und so2 horizontale Matratzennähte kreieren.Die Fadenenden können dann im Sinneeiner Double Row mittels knotenfreierAnker am lateralen Kortex verankertwerden.

Entfernen des Instrumentariums, Haut-nähte, Kompressionsverband und Anla-ge einer Gilchrist-Bandage schließenden Eingriff ab.

Tipps und Tricks

Das anterolaterale Portal sollte nicht zutief angelegt werden, da sonst der An-griffswinkel zum Einbringen des Naht-ankers zu flach werden kann und derAnker sehr tangential mit der Gefahr derKnorpelperforation eingebracht wird.

Die Perforation der Sehne muss mög-lichst in kraniokaudaler Richtung vor-genommen werden, um nicht zu weitmedial im Gelenk herauszukommen.

Nach Castagna (persönliche Kommuni-kation) liegt das Limit dieser Technik beieiner Retraktion des intraartikulärenSehnenanteils von 8mm. Andernfalls isteine Reposition nicht möglich und esmuss doch eine Komplettierung des Seh-nenrisses erfolgen, damit die Sehne mo-bilisiert und reponiert werden kann.

Die bursalseitige Supraspinatuspartial-ruptur ist im Vergleich zur gelenkseiti-gen wesentlich schmerzhafter und be-trifft ein älteres Patientengut. Der akro-mialseitige Partialeinriss gehört in dieGruppe des Outlet-Impingements undist durch einen Akromionsporn mecha-nisch bedingt. Die bursalseitigen Einrisseführen oft durch eine Lappenbildung zuechten mechanischen Blockaden mitSchnapp-Phänomen. Die Einrisse kön-nen die ganze Sehnentiefe betreffen, wo-bei dann nur noch die superiore gleno-humerale Kapselmembran stehenbleibt,welche arthroskopisch an der Unterflä-che, d.h. artikularseitig eine intakte Su-praspinatussehne vortäuscht.

Für oberflächliche bursalseitige Ruptu-ren Grad I nach Ellman genügt die allei-nige subakromiale Dekompression undSehnenglättung. Für tiefere Defekte istdie arthroskopische oder Mini-Open-Sehnenrekonstruktion angezeigt. Es hatsich als sinnvoll erwiesen, eine bursalsei-tige Partialläsion zunächst in eine kleineKomplettruptur zu verwandeln unddann als solche zu rekonstruieren (Tech-nik s.u.).

Subscapularis

Die Läsionen des Subscapularis sind häu-fig klinisch okkult undwerden nur durchsubtile klinische Untersuchung oder garerst intraoperativ arthroskopisch ent-deckt. Da sie stets auch eine Mitbetei-ligung des Pulley-Systems aufweisen,führen sie durch die Affektion der langenBizepssehne zu entsprechenden Symp-tomen. Heute ist die Versorgung dieser

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Läsionen eher aggressiver, was bedeutet,dass diese Schädigungen rekonstruiertwerden sollten. Die als störendes Agensvorhandene Bizepssehne wird entwedertenotomiert oder mit einer Tenodeseversorgt.

Die Rekonstruktion der Subscapularis-sehnen erfolgt arthroskopisch.

Nach der diagnostischen Arthroskopie,die der Überprüfung der Indikationdient, beginnt man nach Anlage des an-teroinferioren Portals mit dem Anfri-schen des Ansatzgebiets. Morphologischstellt sich die Läsion so dar, dass der obe-re Anteil der Sehne mit oder ohne denhumeralen Ansatz des superioren gleno-humeralen Ligaments (SGHL) von derknöchernen Insertion abgelöst ist. Nachausreichendem Anfrischen des Kno-chens, bis punktuelle Blutungen entstan-den sind, wird ein doppelt armierterNahtanker eingebracht.

Subakromial muss zunächst ein ausrei-chendes Débridement stattfinden. Dannwird eine kleine Stichinzision in die Su-praspinatussehne vorgenommen. Nunwird von ventral durch das anteroinfe-riore Portal die Subscapularissehne miteinem SutureLasso perforiert und derLassofaden nach intraartikulär eingelei-tet. Von lateral Einführen einer Faden-fasszange, mit der gleichzeitig der Lasso-faden und ein Ankerfaden nach lateralherausgezogen wird. Der Faden wird insLasso eingelegt und nun nach ventral ge-zogen. Diese Schrittfolge wird insgesamt2-mal wiederholt, sodass eine modifi-zierte Mason-Allen-Naht durch die Sub-scapularissehne vorgelegt wurde. BeiMitbeteiligung des SGHL kann nun zu-sätzlich dieses perforiert werden und soauch dieses in die Naht integriert wer-den.

Man überprüft die Lage der Fäden undunter Probezug sollte sich die Sehne insSehnenlager reponieren. Dann verknotet

man zunächst den horizontalen Matrat-zenfaden und dann den vertikalen Faden(Abb. 5).

Bei Mitbeteiligung des medialen LBS-Pulleys und bereits eingetretener Schä-digung der langen Bizepssehne ist diesemit einer Tenodese zu versorgen.

Tipps und Tricks

Das Erreichen des oberen Anteils desTuberculum minus kann manchmalschwierig sein. Der OP-Assistent mussdann den Arm mehr flektieren und ver-schiedene Rotationsstellungen probie-ren, bis man optimale Sicht hat. Auchdas Einbringen des Ankers ist aus glei-chem Grund erschwert. Hier bietet essich an, das anteriore Portal etwas weiterlateral anzulegen, sodass man direktüber der Bizepssehne das Intervall in-zidiert. Dies erleichtert auch die Platzie-rung der Fäden zur Bizepssehnen-Teno-dese.

d e f

a b c

Abb. 4 Rekonstruktion der artikularseitigen Rotatorenmanschettenpartialruptur. a Artikularseitige Supraspinatussehnenpartialruptur mit mehrals 50% Ausriss der Sehne von ihrem Ansatz (Footprint). b Longitudinale Inzision der Supraspinatussehne im betroffenen Areal von subakromial.c Anfrischen des Footprints, bis einzelne Blutungen auftreten. d Perforation der Läsion mit einem Lasso und gleichzeitiges Herausziehen des Las-sofadens (blau) und des Ankerfadens (grün) nach anterior. Hier wird der Ankerfaden in das Lasso eingelegt und nach lateral gezogen. e Die Schrittevon Abbildung 4d werden 2-mal wiederholt, sodass 2 gleichfarbige Fäden und ein andersfarbiger Faden zwischen ihnen durch die Sehne vorgelegtsind. Ein Fadenende bleibt frei. Dies stellt eine modifizierte Mason-Allen-Naht dar. f Nach Verknotung der Fäden ist die Sehne wieder kräftig auf demFootprint-Areal refixiert (Mit freundlicher Genehmigung aus: Lichtenberg, Habermeyer, Magosch. Atlas Schulterarthroskopie. © Elsevier GmbH).

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Rekonstruktion von komplettenund kombinierten Sehenrupturen

Auch solche Verfahren sind heute alle-samt technisch arthroskopisch machbar.Die Indikationsstellung entscheidet überden Erfolg der OP. Das soll nicht bedeu-ten, dass man weniger Läsionen zur Re-konstruktion indiziert, sondern dassman eher vorsichtig ist und nicht jedemPatienten eine Sehnenrekonstruktion inAussicht stellt, obwohl objektiv keinereelle Rekonstruktionschance mehr be-steht.

n Die Differenzialindikation zwischen ir-reparabel, reparabel und teilreparabelmittels Muskeltransfer ist die schwierigs-te Aufgabe in der Chirurgie der Sehnen-läsionen der Schulter.

Die Grundprinzipien der Sehnenrekon-struktion bleiben auch beim arthrosko-pischen Vorgehen die gleichen:

– Reposition des Gewebes an den Inser-tionsbereich

– spannungsfreie Reposition– sichere Refixation– Lösung von Adhäsionen

Der Vorteil der arthroskopischen Tech-nik liegt in der besseren Visualisierungder Sehnen v.a. im antero- und postero-medialen Bereich bei retrahierten Seh-nenzuständen. Man kann die Mobilisa-tionsschritte viel gezielter vornehmen.Zu Beginn der Operation überprüft mandie Rissform und ‑konfiguration.

Durch die Arthroskopie ist man nichtmehr in seiner Betrachtung limitiertund kannwesentlich besser die Mobilitätder Sehnen erkunden. Hierdurch ist dasDogma der Rekonstruktion von medialnach lateral hinfällig und man kann dieRotatorenmanschette entsprechend ih-rer natürlichen Rupturformen und ihresRetraktionsverhaltens rekonstruieren.

Eine Sehne, die nur am knöchernen An-satz am Tuberculum majus reißt, retra-hiert von lateral nach medial, wobei jenach Ausdehnung der Läsion am Kno-chen sich die Sehne entzweit und großeU-förmige Rupturen entstehen lässt.

Eine Sehne, die aber eine zusätzliche lon-gitudinale Läsion entlang des Rotatoren-intervalls aufweist, zieht sich eher nachposterolateral zurück und umgekehrt re-trahiert die Sehne nach anteromedial,wenn eine zusätzliche dorsale longitudi-nale Läsion vorliegt.

M. subscapularis

Abgesehen von der isolierten traumati-schen Ruptur des Subscapularis beimjüngeren Patienten nach adäquatemTrauma tritt die Läsion des Subscapularisin Kombinationmit Supraspinatusruptu-ren auf.

Wenn nur der obere intraartikuläre An-teil der Sehne geschädigt ist, wird dieSehne schon bei der diagnostischen Ar-throskopie über das dorsale Portal sicht-bar. Bei Kombination mit einer großensuperioren Manschettenruptur kann dieSehne jedoch schon bis auf Glenoid-niveau oder auch medial davon retra-hiert sein. Dann kann die Sehne erst ge-sehen werden, nachdem man mit einerFasszange von lateral kommend das Ge-webekonglomerat fasst und nach lateralzieht. Es kommt dann die typische Ana-tomie von oberem Subscapularisrand,Rotatorenintervallkapsel und Resten dessuperioren glenohumeralen Bandes(SGHL) zum Vorschein. Dies ist das vonBurkhart beschriebene Comma Sign [11].Die Subscapularissehne ist also in Kon-tinuität mit dem Supraspinatus von derknöchernen Insertion ausgerissen undretrahiert. Es empfiehlt sich dann, einenHaltefaden sowohl in die Subscapularis-wie auch die Supraspinatussehne zurweiteren Mobilisation vorzulegen. Lässtsich die Sehne des Subscapularis mit derZange oder am Haltefaden gut nach late-ral ziehen, ist die Mobilisation nichtschwierig. Bei sehr steifer Sehne mussdann ein entsprechendes Release derKapsel und des SGHL-Ansatzes am Gle-noid auf der Rückseite der Sehne erfol-gen. Später schließt sich die subkorako-idale Mobilisation mit Durchtrennungdes CHL und Bridenlösung zum Korakoidhin an. Bei sehr steifen kontrakten Ver-hältnissen ist der anteriore Intervall-Slide durchzuführen.– arthroskopische Technik der isolierten

SSP-Rekonstruktion

a b

c d

Abb. 5 Arthroskopische Rekonstruktion der Subscapularissehnenpartialläsion. a Subscapula-rissehnenpartialläsion mit teilweisem Ausriss der Sehne aus dem oberen Bereich des Tuberculumminus. b Bei dieser Verletzung kommt es häufig zur Mitverletzung des medialen Pulley-Systemsmit konsekutiver Sub- oder Luxation der langen Bizepssehne. c Nach Anfrischen des Footprintsund Implantation eines Nahtankers erfolgt die Perforation der Sehne von anterior mit dem Lasso.Von lateral durch eine kleine Stichinzision im M. supraspinatus werden der Ankerfaden und derLassofaden herausgezogen. Dieser Schritt wird 2-mal wiederholt, bis eine modifizierte Mason-Al-len-Naht entstanden ist. d Rekonstruierte Subscapularissehne (Mit freundlicher Genehmigungaus: Lichtenberg, Habermeyer, Magosch. Atlas Schulterarthroskopie. © Elsevier GmbH).

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– Lagerung– Beach-Chair Lagerung– Portale (Abb. 6)– dorsales Standardportal– anterolaterales subakromiales Portal– posterolaterales subakromiales Portal– anterosuperiores subakromiales Por-

tal

OP-Technik

Ziel der Operation ist es, die komplettabgelöste Sehne wieder in ihrem Inserti-onsgebiet (Footprint) zu befestigen.

Während der diagnostischen Arthrosko-pie erfolgt die Größenbestimmung desRisses von intraartikulär wie auch vonsubakromial.

Alle Begleitverletzungen, wie z.B. Bi-zepssehnensubluxation oder ‑partial-schädigung, und Begleitveränderungenwie Impingement und/oder AC-Arthrosewerden zu Beginn der Operation behan-delt.

Ist dies geschehen, wirdmit dem Arthro-skop im lateralen subakromialen Portalund dem Shaver von posterior zunächstein ausführliches Débridement der SSP-Oberfläche durchgeführt. Die Sicht be-hindernden Anteile der Bursa werdenmit dem Shaver und einer Elektrosonde

entfernt, bis die gesamte SSP gut einge-sehen werden kann. Nun wird in Out-side-in-Technik ein posterolaterales Por-tal angelegt. Die Spinalnadel sollte unge-fähr in der Mitte zwischen anterolatera-lem und posteriorem Portal liegen undvon der Richtung so eingebracht werden,dass die Nadel in die Ruptur zeigt. DannUmstecken der Optik nach posterolate-ral. Mit dem Shaver entfernt man dieSehnenreste auf dem Tuberculum majus.Mit einer Gewebefasszange kann nuneine Probereposition erfolgen. Hierdurchkann die richtige Zug- und Rekonstruk-tionsrichtung bestimmt werden. Fernerlegt man so fest, wie weit und wo dieSehne mobilisiert werden muss. Dannkreiert man mit der Walzenfräse frischeBlutungen auf dem Tuberculum majuszur fibroblastischen Einheilung der Seh-ne.

Single-Row-Repair

Hierzu wird ein Nahtanker, der mit 2 Fä-den armiert ist, ins Tuberculum majusimplantiert. Dies erfolgt durch ein zu-sätzliches anterosuperiores Portal, dasso angebracht wird, dass man einen gu-ten Aktionswinkel auf das Tuberculumhat. Die Stelle sollte mittig zwischen os-teochondralem Übergang und lateralemRand liegen, mehr mit der Tendenz nachlateral. Je nach Rissbreite sind auch 2 An-ker notwendig. Pro 1 cm Rissbreite sollteein Anker verwendet werden.

Nahtzange

Nun wird ein Fadenende lateral herausgezogen und in die Nahtzange eingelegt.Die Nahtzange wird von lateral einge-führt. Die Brachen greifen tief in die Seh-ne bis zum Anschlag der Zange, dannwird durch Zusammenkneifen der Zangeder Faden durch die Sehne transportiertund über das anterosuperiore Portal miteiner Fasszange geborgen. Dieser Schrittwird so wiederholt, dass der 2. Stich me-dial und dorsal des 1. und der 3. dorsalund lateral des 2. liegt. Es resultiert einemodifizierte Mason-Allen-Konfiguration.Bei Verwendung von 2 Ankern werdendie Fäden des 1. Ankers mit einer Klem-me gesichert und der 2. Anker ca. 1 cmweiter dorsal platziert. Die Schritte fürdie Sehnenperforation werden analogwiederholt. Das Erreichen der dorsalenStrukturen erleichtert man sich, indemder Assistent den Arm entsprechend ab-duziert und innen rotiert.

Die Fäden werden dann sukzessiv vondorsal nach ventral verknotet, wobei zu-

nächst die horizontale, dann die vertika-le Naht verknotet wird.

Lasso-Naht (oder anderePerforationsinstrumente)

Gerade bei der isolierten Ruptur ist eswichtig, dass das kräftige gesunde Gewe-be der Sehne in das vorbereitete Sehnen-lager fixiert wird. Dies erkennt man ambesten von intraartikulär. Deshalb ver-sorgt man diese Ruptur bei Verwendungeines Perforationsinstruments mit derOptik im dorsalen intraartikulärem Por-tal.

Nach Einbringen des Nahtankers wirdmit dem SutureLasso (Fa. Arthrex, Karls-feld) über das anterosuperiore Portal dieSehne medial des Fasciculus obliquus(Rotatorenkabel) durchstochen. Nunnimmt man mit einer Fasszange von la-teral kommend den Lasso- und den ent-sprechenden Ankerfaden gleichzeitig aufund führt sie nach lateral heraus. Der Fa-den wird ins Lasso eingelegt und retro-grad nach anterosuperior zurückgezo-gen. Dieser Schritt wird analog zumoben erwähnten 2-mal wiederholt, biseine modifizierte Mason-Allen-Nahtentstanden ist. Ist ein 2. Anker notwen-dig, wird dieser wieder über das antero-superiore Portal platziert. Zur Versor-gung der Sehne ist nun aber die OptikimWeg, weshalb sie über das anterolate-rale Portal eingeführt wird. Man hat nuneinen schönen Überblick auch über dieposterioren Anteile der Ruptur. Mit demLasso wird nun die Sehne von dorsalkommend perforiert und der Lasso- undder Ankerfaden über das posterolateralePortal herausgezogen und versorgt. NachVorlegen der Mason-Allen-Naht liegendie 3 durch die Sehne geführten Fädenim dorsalen Portal. Von hier sollten sienach anterosuperior umgelagert wer-den. Dann Umstecken der Optik nachposterolateral und sukzessives Verkno-ten der vorgelegten Fäden von dorsalnach ventral. Abschließend erfolgt eineÜberprüfung der Rekonstruktion auchvon intraartikulär.

Double-Row-Rekonstruktion

Der Vorteil der doppelten Ankerreihe be-steht in einem flächigeren Kontakt derSehne in das Tuberculum majus.

Zunächst wird ein 1. Anker am osteo-chondralen Übergang eingebracht undmit der Optik im dorsalen intraartikulä-ren Portal mittels der Lasso-Technik dieSehne versorgt. Hierbei werden nun aber

Abb. 6 Portale für die arthroskopische Su-praspinatussehnenrekonstruktion. 1: dorsalesStandardportal; 2: anterolaterales subakro-miales Portal; 3: posterolaterales subakromia-les Portal; 4: anterosuperiores subakromialesPortal.

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2 horizontal Matratzennähte vorgelegt,da eine Mason-Allen-Naht das weitereLateralisieren der Sehne verhindernwürde. Bei Bedarf wird ein 2. Anker wei-ter dorsal am osteochondralen Übergangeingebracht und nach Umstecken derOptik ebenfalls 2 Matratzennähte vor-gelegt. Um nicht zu viele Perforations-stellen zu haben, können beim 2. Per-forieren 2 Fäden mit dem Lassofadendurch die Sehne gezogen werden. Hierist aber darauf zu achten, dass dies 2 un-terschiedliche Fadenenden sind. Nunsind insgesamt 4 horizontale Nähte vor-gelegt. Würdeman dies verknoten, kämees zu einem Verschluss der Sehne am os-teochondralen Übergang. Dies macht dieRekonstruktion primär wasserdicht, hin-terlässt jedoch einen lateralen Sehnen-anteil, der sich bei jeder Bewegung vomlateralen Footprint-Areal abheben wür-de. Hierzu werden nun auch lateral wei-tere Anker eingebracht.

Laterale Reihe mit weiteren Nahtankern

Je nach Breitenausdehnung kann 1 An-ker oder müssen 2 Anker eingebrachtwerden.

Wird nur 1 Anker verwendet, muss die-ser mittig zwischen den beiden media-len, aber möglichst lateral am Kortexeingebracht werden. Mit dem Suture-Lasso werden dann 2 vertikale Einzel-knopfnähte vorgelegt. Hierdurch wirdnun das laterale Sehnengewebe kräftigin das Tuberculummajus fixiert. Bei 2 la-teralen Ankern werden analog 4 vertika-le Einzelknopfnähte vorgelegt.

Prinzipiell ist es egal welche Nahtreiheman zuerst verknotet, aber es kann zuSchwierigkeiten folgender Art kommen:

Knotet man zunächst medial, kann esvorkommen, dass nun lateral nicht genü-gend Gewebe zum Decken des Foot-prints vorhanden ist, da die medialen Fä-den letztlich doch zu weit lateral durchdie Sehne vorgelegt wurden und nundas Gewebe nach medial gezogen wird.

Knotet man zunächst lateral, kann espassieren, dass nun medial Luftknotenentstehen und die medialen Sehnen-anteile nicht sicher am osteochondralenÜbergang am Knochen fixiert werden.Deshalb ist es wichtig, die Fäden perfektzu platzieren.

Manchmal muss man unter Probezug anden vorgelegten Fäden entscheiden, was

die bessere Alternative ist und wie sichdas Sehnengewebe verhält.

Nach ausführlicher Spülung erfolgen derHautverschluss und die Installation vonLokalanästhetikum. Anlage einer Gil-christ-Bandage.

Laterale Reihe mit knotenfreiem Anker(SutureBridge-Technik; transosseousequivalent-Technik)

Alternativ zu einem konventionellen An-ker kann auch ein knotenfreier Anker fürdie laterale Fixierung verwendet wer-den.

Hierzu verwendet man die zuvor gekno-teten Fäden der medialen Reihe. Bei Ver-wendung eines medialen Ankers existie-ren 2 mediale Knoten mit 4 Fadenenden.Die Fäden werden im anterosuperiorenPortal geparkt. Man zieht nun je 1 Faden-ende eines jeden Knotens über das ante-rolaterale Portal heraus. Ein Aufnahme-loch für einen knotenfreien Anker(PushLock, Fa. Arthrex, Karlsfeld) wirdamventralen Rand der Ruptur am latera-len Cortex humeri vorgekörnt. Die Fädenwerden in den PushLock-Applikator ein-gebracht und dieser durch die gleiche In-zision an den Pfriem herangebracht. Manmuss dieses Loch sicher wiederfinden,da sonst ein Einbringen des Ankers nichtgelingt. Ferner muss in der gleichenRichtung, wie der Pfriem eingetriebenwurde, auch der Applikator ausgerichtetsein, da sonst der Anker nicht ins Locheingebracht werden kann, bzw. das Öhrauf dem Applikator verrutscht und keinesuffiziente Verankerung der Fäden er-folgt. Die Industrie wartet hier mit einerModifikation des Ankers auf, nämlichbesteht das Öhr, in das die Fäden einge-legt werden, aus Titan und ist angespitzt,sodass der Schritt des Vorkörnens ent-fällt. Nachdem die Fäden mit dem Ankersicher fixiert sind, schneidet man dieüberstehenden Fadenreste ab. Dannzieht man die übrigen beiden Faden-enden nach lateral und versorgt diesemit einem zweiten PushLock-Anker. Die-ser wird ebenfalls am lateralen Cortexhumeri eingebracht und zwar am dorsa-len Rupturrand. Es resultiert eine ge-kreuzte Fadenkonfiguration, durch dieder laterale Sehnenanteil nun schön undkräftig im lateralen Insertionsgebiet amTuberculum majus fixiert wurde.

Hat man medial 2 Anker mit 4 Knotenplatziert, verwendetman für den ventra-len PushLock jeweils die Fäden der ven-tralen Knoten eines jeden Anker und für

den dorsalen PushLock jeweils die Fädender dorsalen Knoten eines jeden Ankers(Abb. 7).

Die Ergebnisse der arthroskopischen Ro-tatorenmanschettenrekonstruktion sindvergleichbar mit denen der offenenund „mini-open“-Verfahren. Heutzutagemuss sich die arthroskopische Techniknicht mehr hinter den offenen Verfahrenverstecken. Die Ergebnisse sind in denTab. 3–6 dargestellt.

Gewisse Faktoren können aus den Ergeb-nissen in der Literatur herausgearbeitetwerden.

Einflussfaktoren auf daspostoperative Ergebnis

Alter

Sowohl die Arbeit von Lichtenberg et al.[8] als auch die von Boileau et al. [12]zeigten eine höhere Re-Ruptur-Häufig-keit bei Patienten über 65 Jahren. Coleet al. [13] konnten bei über 70-jährigeneine Re-Ruptur-Rate von 62,5% ermit-teln.

Atrophie und fettige Infiltration

Die präoperative Atrophie und fettigeDegeneration der betroffenen Sehnenwaren negative Einflussfaktoren auf diepostoperative Sehnenintegrität. Zum ei-nen zeigte eine Arbeit von Liem et al.[14], dass bei einer Atrophie Stadium Iweniger Re-Rupturen auftraten als beiPatienten, die schon präoperativ eineAtrophie Stadium II besaßen. Dies wirdauch hinsichtlich der fettigen Atrophiebestätigt, insofern als bei fettiger Infiltra-tion Grad II präoperativ mehr Re-Ruptu-ren zu verzeichnen waren als bei Mus-keln ohne eine präoperative fettige Infil-tration.

Rissgröße

In unserer Arbeit [8] zeigte sich statis-tisch nur ein Trend zumehr Re-Rupturen,je größer der Riss intraoperativ gemes-sen wurde. Boileau et al. [12] sahen eineschlechtere Einheilungsquote, wenn dieRuptur zusätzlich eine Delamination inden Infraspinatus aufwies (Re-Ruptur-Rate 51%). Auch Cole bestätigt dies miteiner Re-Ruptur-Rate von 46% bei Mit-beteiligung des Infraspinatus. HöhereRe-Ruptur-Raten waren bei Bishop et al.sowohl in der mini-open als auch in derarthroskopisch operierten Gruppe zu be-obachten.

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Setzt man die Rissgröße in Relation zumklinischen Ergebnis, fällt in den Arbeitenvon Wilson et al. [15] und von Lee et al.[16] ein schlechteres Score-Ergebnis auf.Wilson zeigte auch, dass die Außenrota-tion bei Rissen über 3 cm Breite sowohlprä- wie auch postoperativ signifikantschlechter war. Einzig Burkhart [17]sieht keinen Einfluss der Rissgröße aufdas postoperative Ergebnis.

Faktor Re-Ruptur

In allen zitierten Arbeiten fällt eine klareTendenz auf, dass die Patientenmit einerRe-Ruptur schlechtere Score-Werte be-saßen. Dies ist v.a. der Tatsache geschul-det, dass bei den Scores die Kraftwerteeinen hohen Anteil am Gesamtergebnisausmachen. Insbesondere die Außen-rotationskraft ist bei Patienten mit Re-Ruptur in der Regel geringer, wenigerstark ist dieser Unterschied bei der ante-rioren Elevation ausgeprägt. Alle Patien-

ten haben aber unabhängig vom post-operativen Sehnenstatus signifikant ver-besserte Werte für Schmerz, Aktivitätendes täglichen Lebens und Bewegungs-umfänge. Die Patienten zeigen sichdurch alle Arbeiten hindurch mit dempostoperativen Ergebnis zufrieden.

Cole et al. [13] konnten auch zeigen, dasssich die Patienten auch noch zwischender 1-Jahres- und der 2-Jahres-Kontrolleverbessern, sofern die Sehnen intakt wa-ren. Galatz [18] dagegen untersuchte die

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Abb. 7 Arthroskopische Rotatorenmanschettenrekonstruktion in Double-Row-Technik. a Anfrischen des Sehnenlagers mit einer Fräse. Hier wirdbis zum Auftreten von Blutungen gefräst, ohne in den spongiösen Knochen zu geraten. Dies könnte zu einer Schwächung des Knochens mit derGefahr des Fadenankerausrisses führen. b Einbringen eines Nahtankers mit 2 Fäden. c Mit einem Perforationsinstrument werden alle 4 Faden-enden durch die Supraspinatussehne vorgelegt, sodass 2 horizontale Matratzennähte entstehen. d Die Fäden sind im Sinne von Matratzennähtenverknotet. Die Implantationsorte für die laterale Reihe sind rot markiert. e Die laterale Reihe an Ankern wird mit knotenfreien Ankern vorgenom-men. Jeweils ein Faden eines jeden Knotens wird in einen PushLock-Anker eingebracht und am lateralen Kortex fixiert. f Bei Verwendung der Speed-Bridge-Technik kommt der Operateur völlig ohne Knoten aus. Die beiden Fiber-Tape-Enden eines jeden Ankers werden durch die Supraspinatus-sehne perforiert und dann gekreuzt über 2 Anker am lateralen Kortex im Knochen versenkt. g Versorgung einer anterioren (reversen) L-förmigenRuptur. Zunächst Vorlegen von Seit-zu-Seit-Fäden mit Lasso und BirdBeak. h Anschließend Setzen der Nahtanker medial und Vorlegen mehrererMatratzennähte. i Abschließendes Verknoten und Einbringen der lateralen knotenfreien Anker (Mit freundlicher Genehmigung aus: Habermeyer,Lichtenberg, Magosch. Schulterchirurgie. © Elsevier GmbH).

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Patienten nach 2 Jahren erneut und stell-te eine Verschlechterung fest, was aberdaran lag, dass es sich um 17 Re-Ruptu-ren von 18 Patienten handelte.

Alternativverfahren beiirreparablen Rupturen

Zur funktionellen Rekonstruktion derRotatorenmanschette bieten sich prinzi-piell 2 Verfahren an.– Verlust der anterosuperioren RM =

Pectoralis-major-Transfer

– Verlust der posterosuperioren RM =Latissimus-dorsi- oder Teres-major-Transfer

Je nach Verlust der RM können oben ge-nannte Ersatzverfahren gewählt werden.Während der Ersatz für die posterosupe-riore RM mittels Latissimus-dorsi- oderTeres-major-Transfer vor allem funktio-nelle und schmerzpalliative Aspekte hat,besitzt der Pectoralis-major-Transfermeist nur eine schmerzlindernde Funk-tion.

Indikation zum posterioren Muskel-ersatz:– irreparable posterosuperiore RM-

Ruptur– aktive anteriore Elevation < 90°– aktive Abduktion < 90°– Außenrotations-Lag-Sign– intakter Subscapularis– intakter M. deltoideus

Tab. 3 Ergebnisse der arthroskopischen Rekonstruktion kleiner bis mittelgroßer Rotatorenmanschettenrupturen.

Autor Anzahl derPatienten

Nachuntersu-chungszeitraum

Rupturgröße präoperativ postoperativ

BennettArthroscopy 2003

37 2–4 Jahre klein-mittel 54 CS 73

Wilson et al.Arthoscopy 2002

3032

2–14 Jahre < 22–4

21 UCLA 33,532,2

Murray et al.JSES 2002

48 39 Monate(24–66)

2,4 cm(2–4)

17,2 UCLA42,2 ASES

33,794,9

Lee et al.JSES 2007

36 16,5 Monate(12–45)

< 3 cm 46 ASES59 CS

8982

Tab. 4 Ergebnisse der arthroskopischen Rekonstruktion großer und Massenrupturen der Rotatorenmanschette.

Autor Patientenanzahl Nachuntersu-chungszeitraum

Rupturgröße präoperativ postoperativ

BennettArthrocopy 2003

37 2–4 Jahre massiv 47 CS 74

Wilson et al.Arthroscopy 2002

3 2–14 Jahre > 4 cm ?UCLA 24,5

Lee et al.JSES 2007

1421

16,5 Monate(12–45)

> 3 cm> 5 cm

43 ASES50 CS41 ASES50CS

74746768

Burkhart et al.2007

22 39,3 Monate(24–60)

massiv 12,3 UCLA 29,588,5% CS

Tab. 5 Ergebnisse nach arthrokopischer Versorgung von Rotatorenmanschettenrupturen mit bildgebender Kontrolle.

Autor Patientenanzahl Bildgebung FU Monate Größe Re-Ruptur präoperativ post-operativ

Lichtenberg et al.KSSTA 2006

53 MRI 26,5 (min 24) SSP 25% 53 CS 83

Boileau et al.JBJS A 2005

51 MRI/CT 29 SSP ± Delami-nation ISP

28% 51,6 CS 83,8

Cole et al.JSES 2007

49 MRI 32 (24–45) klein – Mas-senruptur

22% 43 ASES49 CS

8576

Galatz et al.JBJS A 2004

18 US 1224

> 2 cm 17/18 48,3 ASES 84,6 179,9 2

Anderson et al.AJSM 2006

52 US 30 (min 24) 1–4 cm 17% 42 LʼInslata 93

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Tab. 6 Ergebnisse der arthroskopischen Double-Row-Rekonstruktion von Rotatorenmanschettenrupturen.

Autor Patienten-anzahl

Bildgebung Nachuntersu-chungszeit-raum (Monate)

Rupturgröße Re-Ruptur präoperativ post-operativ

Lafosse et al.JBJS A 2007

105DR

Arthro-MRI/CT

min. 24 klein – Mas-senruptur

11,4% 43,2 CS 80,1

Sugaya et al.JBJS A 2007

106DR

MRI 14 klein – Mas-senruptur

17%5 (klein)40 (mass)

42 ASES14,5 UCLA

9432,9

Huijsmans et al.JBJS A 2007

264DR

US min. 12 klein/med.großMassenruptur

12/7%22%53%

54,9 CS 80

Abb. 8 Latissimus-dorsi-Transfer in Single-Incision-Technik nach Habermeyer/Herzberg. a Hinterer Zugang entlang der Axillarfalte. b Abtren-nung der zuvor isolierten Latissimus-dorsi-Sehne am Humerus bei 90° Abduktion und maximaler Innenrotation des Armes unter Beachtung desVerlaufs des N. radialis. c Darstellung des Rotatorenmanschettendefekts bei außenrotiertem Arm in 90° Abduktion und abgelöster Latissimus-dor-si-Sehne. Zu beachten ist der N. axillaris, der unmittelbar unterhalb des M. teres minor verläuft. d Mittels dreier Nahtanker im Bereich des Infraspi-natussehnenansatzes am Tuberculummajus fixierte transferierte Latissimus-dorsi-Sehne (Mit freundlicher Genehmigung aus: Habermeyer, Lichten-berg, Magosch. Schulterchirurgie. © Elsevier GmbH).

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Technik (Abb. 8)

Bogenförmiger Zugang im Bereich derhinteren Axillarfalte, beginnend am pos-terioren Arbeitsportal bis in die Axillareichend auf einer Länge von etwa12 cm. Bilden eines subkutanen Hautlap-pens und Abpräparieren von den darun-ter liegendenMuskelgruppen desM. del-toideus pars spinalis und darunter desM. teres minor, des M. teres major undM. latissimus dorsi sowie des Caput lon-gum des M. trizeps.

Der M. latissimus dorsi wird vom M. te-res major durch stumpfes Eingehen zwi-schen der Sehne des Latissimus dorsiund dem Muskelbauch des Teres majorgetrennt. Der M. latissimus dorsi wirdauf eine Länge von etwa 10 cm von derseitlichen Thoraxwand abpräpariert.Hierzu Durchführung von tiefen Faszien-Entlastungsschnitten. Der proximaleMuskelbauch des Latissimus dorsi wirdnun zirkulär freipräpariert. Im Gegen-satz zur Gerber-Technik ist es nicht not-wendig, um einen besseren Schwenk-radius für den Muskeltransfer zu errei-chen, das Gefäßnervenbündel freizu-legen. A. und V. thoracodorsalis undN. thoracodorsalis bleiben in situ.

Unter Beachtung der Sicherheitsgrenzenfür den N. radialis, der unterhalb derSehne des M. latissimus dorsal um denHumerusschaft verläuft, wird der Latis-simus dorsi bei 90° Abduktion und beimaximaler Innenrotation am Humerus-schaft freipräpariert. Die Sehnenansätzevon Teres major und Latissimus dorsiwerden am Humerusschaft noch von ei-nander befreit. Dann kann der Latissi-mus mit seinem sehnigen Ansatz direktvom Humerusschaft scharf mit demSkalpell abpräpariert werden.

Im nächsten Schritt erfolgt die Präpara-tion des Sehnenstumpfes des M. latissi-mus dorsi. Mit einer atraumatischenNaht Stärke 3 × 0 wird nun das Sehnen-ende mit einem Haltefäden eingesäumt,um einen stabilen Sehnennahtrand zuerhalten.

Nun wird unterhalb der Pars spinalis desM. deltoideus und über demM. teres mi-nor in die Fossa infraspinata eingegan-gen.

n Beachte: Der N. axillaris findet sich un-terhalb des M. teres minor und medialdes Caput longumM. trizeps. Somit wirdder Latissimus dorsi lateral davon in dieFossa infraspinata eingeschwenkt.

Bei maximaler Außenrotation des Armesund bei 90° Flexion wird nun das Tuber-culum innominatum am Humeruskopfdargestellt. Von posterosuperior erreichtman sehr übersichtlich den Humerus-kopf und kann den Manschettendefektbis nach ventral darstellen. Die Bursasubdeltoidea und subacromialis wird ex-zidiert. Danach wird das Kapsel- und dasrestliche Sehnengewebe über dem Tu-berculum innominatum eröffnet. UnterRotation Überprüfen der Gelenkflächen.Darstellen der Transitionszone mit derdorsalen und kranialen Facette des Tu-berculum majus. Resektion von Restseh-nenstumpfgewebe.

Durchführung einer Tuberkuloplastik.Mit dem Luer wird die harte Oberkantedes Tuberculum majus abgetragen undabgerundet im Sinne einer umgekehrtenAkromioplastik. Auf eine klassischeAkromioplastik wird verzichtet, um denFornix humeri nicht zu schwächen. An-schließend wird eine flache Knochennutim Bereich des hinteren und oberen Tu-berculum majus in der Transitionszoneauf eine Länge von 3 cm und eine Breitevon 1 cm geschaffen. Sodann werden 3Titanankerschrauben in einem Abstandvon jeweils 1 cm zueinander in den Hu-meruskopf eingedreht und pro Schraubejeweils ein doppeltes Fadenpaar aus-geleitet. Mithilfe der vorgelegten Anker-nähte wird nun die Sehne des Latissimusdorsi gegen das Tuberculum innomina-tum genäht. Hierzu Verwenden einerMason/Allen-Nahttechnik. Alternativkann auch eine „double row“-Rekon-struktion durchgeführt werden. Die Hal-tefäden der Sehne vernäht man zusätz-lich.

Insgesamt ist nun die hintere Rotatoren-manschette wieder rekonstruiert undein Force Couple gegen den ventralenund noch stehenden Subscapularis ge-schaffen. Dies dient der dynamischenZentrierung und Kaudalisierung des Hu-meruskopfes.

Nach Achten auf Bluttrockenheit Ein-legen von 2 tiefen Redon-Drainagen,schichtweiser Wundverschluss, Carbos-tesin-Infiltration eines Lokalanästheti-kums subakromial und in die Wundrän-der, steriler Kompressionsverband. Anle-gen eines Orthosoft-Abduktionskissens.

Pectoralis major-Transfer

Indikation:– irreparable Subscapularisruptur– Schmerzen bei anteriorer Elevation

Die Ergebnisse sind am besten bei iso-lierten Subscapularisläsionen. In Kombi-nation mit einer SSP-Ruptur werden dieErgebnisse deutlich schlechter. Auch zurVerbesserung einer sekundären Subsca-pularisinsuffizienz nach Schulter-TEPkann der Pectoralis-major-transfer nureinen geringen Beitrag leisten.

Die Eliminierung eines positiven Lift-off-oder Belly-Press-Tests lässt sich mit demPectoralis-major-Transfer nicht realisie-ren.

Deltoideopektoraler Zugang beginnend3 cm oberhalb des mittleren Drittels derClavicula bis zum Ansatz des Deltamus-kels am Humerus. Subkutanes Freilegender anterioren Portion des M. deltoideusund der klavikulären sowie der oberensternalen Portion des M. pectoralis ma-jor.

In der Technik nach Rockwood undWirth werden beide – sternale und kla-vikuläre – Anteile des Pectoralis an derCrista humeri abgelöst und über die Con-joint Tendons am Processus coracoideusvorbei geleitet. Die Re-Insertion erfolgtentweder transossär oder mittels Naht-anker lateral des Sulcus bicipitalis.

In der Technik nach Resch nimmt manden sternalen Anteil zum Verschwenken.Die Trennung der beiden Anteile erfolgtansatznah an der Crista humeri. Mankann die Sehne entweder direkt amKno-chen oder mit einer Knochenschuppeablösen. Die beiden Anteile sind dannstumpf voneinander zu trennen, auchum das Gefäß-Nerven-Bündel zu scho-nen. Unterhalb der Coracoids wird danneine Passage präpariert, wobei auf denVerlauf des N. musculocutaneus geachtetwerden muss. Ferner muss die Passagebreit genug für den zu transferierendenMuskel sein, damit Stauungen und Kom-pressionen vermieden werden können.Die Re-Insertion erfolgt am Tuberculumminus mittels Nahtankern oder trans-ossär.

Postoperativ folgt eine Ruhigstellung inder Armschlinge für 4 Wochen mit reinpassiver Beübung der Abduktion, Flexionund Innenrotation.

Zusammenfassung

Die Behandlung der Rotatorenmanschet-tenläsionen nimmt heute eine wichtigesozioökonomische Rolle ein. Aus diesemGrund kann und muss die Diagnostikund Therapie dieser Läsionen sehr diffe-

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OP-JOURNAL 1/2013

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Page 17: Erkrankungen und Verletzungen der Rotatorenmanschetten€¦ · SSP-Sehne (Abduktion gegen Wider-stand beim um 90° in der Skapulaebene abduzierten Arm, auch „empty can test“ genannt)

renziert und individualisiert erfolgen,was einer Vielzahl diagnostischer undtherapeutisch operativer Optionen denWeg bereitet. Aus diesem Konzert derMöglichkeiten das optimale Konzept fürden Patientenmit seinen individualisier-ten Ansprüchen und Nöten herauszufil-tern, ist die Aufgabe des modernen, aufSchulterprobleme spezialisierten Ortho-päden.

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Dr. med. Sven LichtenbergOrthopädie und UnfallchirurgieSportmedizinSchulter- und EllenbogenchirurgieDr. med. Petra MagoschOrthopädie und UnfallchirurgieMediz. InformatikProf. Dr. med. Peter HabermeyerChirurg, UnfallchirurgOrthopädie und UnfallchirurgieSchulter- und Ellenbogenchirurgie

ATOS-Klinik HeidelbergBismarckstraße 9–1569115 Heidelberg

[email protected]

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