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93 Erster Weltkrieg - Westfront Bei Abschluss seines Medizinstudiums war Dr. Manfred Haas 27 Jahre alt. Wofür er all die Jahre gelernt hatte, das wollte er nun endlich einbringen: als Arzt anderen Menschen helfen, Qualen lindern, Krankheiten heilen. Der Verlauf der Weltgeschichte sollte ihm dazu in naher Zukunft mehr als reich- lich Gelegenheit geben, trieb man doch auf den ersten globalen militärischen Konflikt zu; und kaum jemand konnte und wollte sich 1914 der allgemeinen Kriegsbegeisterung entziehen. 28. Juni: Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo 23. Juli: Ultimatum von Österreich-Ungarn an Serbien 28. Juli: Österreichische Kriegserklärung an Serbien 29. Juli: Russland befiehlt Mobilmachung seiner Armee 31. Juli: Deutsches Ultimatum an Russland und Frankreich 1. August: Frankreich macht mobil, Deutschland erklärt Russland den Krieg 3. August: Deutsche Kriegserklärung an Frankreich 6. August: Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Russland, Kriegserklä- rung Serbiens an Deutschland 12. August: Kriegserklärung Englands an Österreich-Ungarn Dr. Manfred Haas stand zu Kriegsbeginn 1914 bereits im 30. Lebensjahr. Viele seiner Glaubensgenossen sahen den I. Weltkrieg als die Möglichkeit an, den allerletzten Beweis ihrer Vaterlandsliebe zu erbringen; die Jahrhun- derte alte Diskriminierung sollte vergessen gemacht und die nun schon ein- hundert Jahre andauernde Phase der Emanzipation abgeschlossen werden. Die christlich-jüdische Kameradschaft in den Schützengräben sollte der end- gültigen christlich-jüdischen Verbrüderung im deutschen Kaiserreich dienen. Krieg im Westen Kriegsziel: Schneller Erfolg im Westen durch umfassende Bewegung über Belgien nach Paris (Schlieffen-Plan), dann Konzentration der Kräfte im Osten gegen Russland. Kriegsverlauf: In der Marneschlacht anfangs September 1914 kam der deutsche Vormarsch zum Stehen. Die deutschen Armeen wurden daraufhin auf eine rückwärtige Linie zurückgezogen. Zu Beginn des Winters 1914/15 standen sich die alliierten und die deutschen Heere auf einer Frontlänge von 700 Kilometern von der belgischen Küste bis zur schweizerischen Grenze gegenüber, getrennt durch Kilometer lange Schützengräben und undurch- dringliche Stacheldrahtverhaue. Ab Frühjahr 1915 scheiterte jeder Versuch, vom Stellungskrieg wieder zum Bewegungskrieg zu gelangen. Auf beiden Seiten waren die Abwehrkräfte stets stärker als die Angreifer. Vom Frühjahr bis November 1916 dauerte die deutsche Großoffensive vor der Maas-Fes-

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Erster Weltkrieg - Westfront

Bei Abschluss seines Medizinstudiums war Dr. Manfred Haas 27 Jahre alt. Wofür er all die Jahre gelernt hatte, das wollte er nun endlich einbringen: als Arzt anderen Menschen helfen, Qualen lindern, Krankheiten heilen. Der Verlauf der Weltgeschichte sollte ihm dazu in naher Zukunft mehr als reich-lich Gelegenheit geben, trieb man doch auf den ersten globalen militärischen Konflikt zu; und kaum jemand konnte und wollte sich 1914 der allgemeinen Kriegsbegeisterung entziehen.

28. Juni: Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo

23. Juli: Ultimatum von Österreich-Ungarn an Serbien

28. Juli: Österreichische Kriegserklärung an Serbien

29. Juli: Russland befiehlt Mobilmachung seiner Armee

31. Juli: Deutsches Ultimatum an Russland und Frankreich

1. August: Frankreich macht mobil, Deutschland erklärt Russland den Krieg

3. August: Deutsche Kriegserklärung an Frankreich

6. August: Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Russland, Kriegserklä-rung Serbiens an Deutschland

12. August: Kriegserklärung Englands an Österreich-Ungarn Dr. Manfred Haas stand zu Kriegsbeginn 1914 bereits im 30. Lebensjahr.

Viele seiner Glaubensgenossen sahen den I. Weltkrieg als die Möglichkeit an, den allerletzten Beweis ihrer Vaterlandsliebe zu erbringen; die Jahrhun-derte alte Diskriminierung sollte vergessen gemacht und die nun schon ein-hundert Jahre andauernde Phase der Emanzipation abgeschlossen werden. Die christlich-jüdische Kameradschaft in den Schützengräben sollte der end-gültigen christlich-jüdischen Verbrüderung im deutschen Kaiserreich dienen.

Krieg im Westen

Kriegsziel: Schneller Erfolg im Westen durch umfassende Bewegung über Belgien nach Paris (Schlieffen-Plan), dann Konzentration der Kräfte im Osten gegen Russland.

Kriegsverlauf: In der Marneschlacht anfangs September 1914 kam der deutsche Vormarsch zum Stehen. Die deutschen Armeen wurden daraufhin auf eine rückwärtige Linie zurückgezogen. Zu Beginn des Winters 1914/15 standen sich die alliierten und die deutschen Heere auf einer Frontlänge von 700 Kilometern von der belgischen Küste bis zur schweizerischen Grenze gegenüber, getrennt durch Kilometer lange Schützengräben und undurch-dringliche Stacheldrahtverhaue. Ab Frühjahr 1915 scheiterte jeder Versuch, vom Stellungskrieg wieder zum Bewegungskrieg zu gelangen. Auf beiden Seiten waren die Abwehrkräfte stets stärker als die Angreifer. Vom Frühjahr bis November 1916 dauerte die deutsche Großoffensive vor der Maas-Fes-

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tung Verdun, 700.000 Soldaten verloren ihr Leben im Kampf um wenige Me-ter Boden. Auch der britische Durchbruchversuch von Juli bis November 1916 an der Somme blieb erfolglos. Auf deutscher Seite machten sich zu-nehmend die materielle Unterlegenheit und das Fehlen ausgebildeter Reser-ven bemerkbar. Das dritte Kriegsjahr 1917 forderte von den Soldaten an der gesamten Westfront von Flandern über Verdun bis zu den Vogesen das Äußerste an Opfern, Leiden und Entbehrungen, ohne dass sich die militäri-sche Lage entscheidend änderte. Erst mit der Frühjahrsoffensive 1918 ge-lang den deutschen Armeen auf breiter Front ein Durchbruch, mit dem der Stellungskrieg überwunden wurde. Mit dem alliierten Gegenangriff im Juli 1918 gingen die Geländegewinne jedoch sofort wieder verloren und durch die Zuführung amerikanischer Truppen drohte für Deutschland eine vernich-tende militärische Katastrophe. Die Generäle Hindenburg und Ludendorff er-kannten Ende September 1918, dass der Krieg verloren war und forderten von der Reichsregierung sofortige Waffenstillstandsverhandlungen. Am 11. November 1918 wurden in einem Salonwagen im Wald von Compiègne die von den Alliierten diktierten Waffenstillstandsbedingungen vom Zentrumspoli-tiker Matthias Erzberger unterschrieben. Am 7. Mai 1919 musste in Versailles die deutsche Delegation die harten Friedensbedingungen entgegennehmen, die später den Aufstieg Hitlers begünstigen sollten.

Kriegsstammrolle von Manfred Haas

Die Kriegsstammrolle war wesentlicher Bestandteil der Personalakte ei-nes jeden Soldaten im I. Weltkrieg. In ihr wurden zunächst die persönlichen Daten, anschließend sämtliche Dienstzeiten, Truppenteile (auch die vor Be-ginn des Krieges), Teilnahme an Schlachten, Beförderungen und Ordensver-leihungen, aber auch Disziplinarstrafen eingetragen.

Die Kriegsstammrolle des Unterarztes Manfred Haas, der in einem Er-satzbataillon zehn Jahre nach seinem Freiwilligenjahr am 12. August 1914 wieder in den aktiven Dienst eintrat, ist fast ein Spiegelbild des Kriegsverlau-fes im Westen.103

103 Nähbauer Hans F.: Die Chronik Bayerns, 1987: „Die bayerische Armee ist bei

Kriegsausbruch auf die geplante Stärke von 406.000 Unteroffizieren und Mann-schaften, 9.670 Offiziere, 1.296 Ärzte, 1.496 Beamte sowie 90.000 Pferde, die von 320 Veterenären versorgt werden, angewachsen. Bayern stellt drei feldmäßige Ar-meekorps ... sowie das I. Bayerische Reservekorps; daneben gibt es eine Kavalle-riedivision aus Schweren Reitern, Ulanen und Chevaulegers, drei Landwehrdivi-sionen und eine Ersatzdivision. Die vier Armeekorps bilden gemeinsam mit einer Landwehrdivision die 6. deutsche Armee an der Westfront unter dem Oberbefehl von Kronprinz Rupprecht von Bayern... Die bayerischen Truppen werden im Verlauf des Ersten Weltkrieges zunächst an der Westfront, u.a. in Lothringen und Belgisch-Flandern, eingesetzt; später stehen sie an allen Fronten des Krieges.

Während des Krieges, in dem 1,8 Mio Deutsche, 1,7 Mio Russen und 1,4 Mio Fran-zosen sterben, wächst die bayerische Armee von 10 auf 23 Divisionen an mit einer

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Kriegsstammrolle

Oberarzt der Reserve Manfred Haas , isr., Mühlhausen, Bezirksamt Höchstadt/Bayern,

3.1.1885, praktischer Arzt, Sanatorium am Hausstein/Niederbayern, ledig,

Eltern: Jakob Haas+ und Babette, geb. Metzger, Lehrer in Mühlhausen

1.4.-30.10.1904 9. IR, Einjährig-Freiwilliger [Infanterie-Regiment]

12.-27.8.1914 Ers.-Btl 9. IR, Unterarzt [Ersatz-Bataillon]

28.8.-1.12.1914 Ers.-Btl 8. Ldw IR [Landwehr Infanterie-Regiment]

2.12.14-14.1.15 Ers.-Laz. 6. Armee [Ersatz-Lazarett]

14.1.-17.4.15 Festungslazarett 5 Lille 104

27.3.15 Beförderung zum Assistenzarzt der Reserve 18.4.-9.7.15 Ldstm-Btl Mittelfranken Fort Sanghin [sic] kommandiert

Gesamtstärke von rund 910.000 Mann. 188.000 bayerische Soldaten fallen im Krieg, mehrere hunderttausend werden verwundet.“

104 Lille: Stadt in Nordfrankreich

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9.7.15-18.2.16 Festungslazarett 3 Lille

25.11.16 Beförderung zum Oberarzt der Reserve 19.2.-2.12.16 Feldlazarett 8 II. b.A.K. [II. bayerisches Armee-Korps]

19.2.-1.3.16 Stellungskämpfe in Artois 105

2.-18.3.16 Kämpfe am Hohen Zollernwerk [sic]

19.3.-10.5.16 Stellungskämpfe im Artois

11.5.-17.5.16 Kämpfe nordwestlich Hulluch [sic]

18.5.-23.6.16 Stellungskämpfe im Artois

24.6.-27.8.16 Erkundungs- und Demonstrationsgefechte der 6. Armee (in Zusammenhang mit der Schlacht an der Somme) 28.8.-17.9.16 Schlacht an der Somme 106

1.7.16 Verleihung des bayerischen Militär-Verdiens t-Or-dens

19.9.-9.4.17 Stellungskämpfe in Flandern

ab 3.12.16 bei der 1. Feldpionier-Komp. (Pi. Kp. 5)

10.12.-6.1.17 Vertretung des leitenden Arztes im Sanatorium Haus stein in Niederbayern

11.2.-5.4.17 Frühjahrsschlacht bei Arras107

28.4.-26.5.17 Stellungskämpfe im Wytschaetebogen 108

27.5.-11.6.17 Kämpfe in dem Wytschaetebogen u. Vorbereitungen für die Sommerschlacht 1917 in Flandern

4.-9.6.17 zur Heeresgasschule Berlin kommandiert

7.6.17 Schlacht bei Wytschaete und bei Messines 109

14.6.-14.7.17 Stellungskämpfe vor Verdun

16.7.-1.10.17 Stellungskämpfe in Lothringen

20.7.17 Verleihung des Preußischen EK 2 [Eisernen Kreuzes 2. Klasse]

August 1917 Verleihung des MVO 4. Klasse mit Schwe rtern [Militär-Verdienst-Orden]

10.-15.10.17 Stellungskämpfe in der Champagne

19.10.-26.10.17 Stellungskampf vor Reims 110

26.10.-2.11.17 Nachhutkämpfe südlich der Ailette 111

105 Artois: Landschaft in Nordfrankreich 106 Somme: Fluss in Nordfrankreich 107 Arras: Hauptstadt von Artois 108 Wytschaete: Stadt in Belgien südlich von Ypern 109 Messines: Ort in Belgien 110 Reims: Stadt in Frankreich 111 Ailette: Fluss in Frankreich

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2.11.-12.11.17 Stellungskämpfe nördlich der Ailette

15.10.-11.11.17 zur Vertretung des leitenden Arztes am Sanatorium Hausstein beurlaubt

12.11.17 Wegen katarrh... Lungenerscheinungen und starker ner- vöser Beschwerden im Res.-Laz. Straubing

9.12.17 zur Truppe zurück

10.12.17-20.3.18 Stellungskämpfe nördlich der Ailette

ab 15.12.17 zum 23. b.IR unter Beleihung mit der Btl.-Arztstelle ver- setzt

21.3.-6.4.18 Große Schlacht in Frankreich

25.3.-31.3.18 Verfolgungskämpfe bei Montdidier 112

7.4.-18.5.18 Kämpfe an der Avre u. bei Montdidier u. Noyon

22.4.18 erkrankt. Verstauchung der rechten Hand durch Sturz vom Pferde

19.5.-30.5.18 Ruhezeit hinter der 18. Armee

31.5.-8.6.18 Kämpfe an der Avre bei Montdidier und Noyon 113

9.6.-13.6.18 Schlacht bei Noyon

9.6.-7.8.18 Kämpfe an der Avre und an der Matz 114

31.7.-28.8.18 Stellvertretender Regimentsarzt 23. I.R.

8.8.-19.8.18 Abwehrschlacht zwischen Somme und Oise 115

20.8.-2.9.18 Schlacht auf den Höhen Alveville und Noyon

5.9.-2.10.18 Erholungsurlaub genehmigt

3.10.-11.11.18 Stellungskampf vor Verdun

22.11.18 Vom 23. IR zum Res.-Lazarett München versetzt

22.8.19 Beförderung zum Stabsarzt der Reserve 29.9.19 Entlassung aus dem Heeresdienst und zivilrechtliche Anstellung im Res.-Laz. München A

Frühjahr 1920 Endgültiges Ausscheiden aus dem Militärdienst

112 Montdidier: Stadt an der Avre 113 Noyon: Stadt an der Avre (Nebenfluss der Somme) 114 Matz: Nebenfluss der Oise 115 Oise: Nebenfluss der Seine

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Abb. 45: Kriegsstammrolle von Dr. Manfred Haas

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1914: Unterarzt in einem Ersatzbataillon

Über zehn Jahre war es her, als der damals 19-jährige Manfred Haas noch vor seinem Studienbeginn seinen halbjährigen Militärdienst als Einjäh-rig-Freiwilliger im 9. Infanterie-Regiment ableistete. Mit dem Mobilmachungs-tag Anfang August 1914 erhielt er seine Einberufung zu einem Ersatzbatail-lon seines ehemaligen Regimentes.

Bereits am 12. August 1914, am Tag, als die Kriegserklärung Englands an Österreich-Ungarn erfolgte, befand sich Manfred Haas als Unterarzt beim Er-satzbataillon des 9. Infanterie-Regiments, das der 4. bayerischen Infanterie-Division unter Führung von Generalleutnant Graf von Montgelas unterstellt war. Die folgenden 14 Tage dienten neben der Einkleidung vor allem dazu, die Reservisten auf ihre militärische Verwendungsfähigkeit hin zu untersu-chen und einem aktiven Truppenteil zuzuordnen.

Ab dem 28. August war Dr. Manfred Haas zum Ersatzbataillon des 8. Landwehr-Infanterie-Regiments versetzt. Kommandierender General der im pfälzischen Germersheim stationierten Landwehrdivision war Generalleut-nant Ritter von Fischer. In welchem Frontabschnitt diese Einheit zu Kriegsbe-ginn stand, ist nicht bekannt.

In einem späteren Dokument steht, dass Manfred Haas „seit 2.12.14 im Felde“ stand. An diesem Tag trat er seinen Dienst beim Ersatz-Lazarett der im Norden Frankreichs eingesetzten 6. Bayerischen Armee an. Am 14. Janu-ar 1915 kam er dann zum frontnahen Festungslazarett 5 nach Lille.

Frühjahr 1915: Beförderung zum Assistenzarzt

Bereits nach einem Monat stellte der Vorgesetzte von Dr. Manfred Haas den Antrag auf Beförderung zum Assistenzarzt. Neben den üblichen Perso-nalien war hierfür auch eine Beurteilung abzugeben:

Festungslazarett III, Lille, 18.II.1915 Chefarzt An den Herrn Gouvernementarzt Betr.: Bitte um Beförderung des Unterarztes Manfred Haas

Den Herrn Gouvernementarzt bitte ich, sich

höheren Orts dahin verwenden zu wollen, daß der Unterarzt Manfred Haas zum Assistenzarzt befördert wird.

Personalien: 1. Dienstgrad (Vor- u. Zuname): Manfred Haas, Unterarzt

2. Bezirkskommando: Bezirkskommando Würzburg als (Friedensstand) Sanitätsgefreiter der Reserve

3. Truppenteil: Festungslazarett III Lille

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Am 11. Mobilmachungstage trat H. als Unter-arzt ein, tat zunächst Dienst in Germersheim und Valenciennes und ist seit 14.I.15 beim Festungslazarett III Lille tätig.

4. Militärische Dienstleistung: H. diente vom 1. April 1904 bis 1. Okt. 1904 beim K.b. 9. Inf.Rgt. in Würzburg116

5. Geburtstag, Monat, Jahr: 3. Januar 1885

6. Approbation: Staatsexamen in Würzburg im Mai 1913

7. Promotion: ---

8a. Felddienstfähigkeit: dienstfähig, Felddienstfähig

8b. Bestrafungen: nicht bestraft

8c. Vermögensverhältnisse: geordnete Vermögensverhältnisse

8d. schwebende Ehrenhändel: ist nicht in schwebende Ehrenhändel verwi-ckelt.

Kurze Beurteilung: Die dienstlichen und wissenschaftlichen Leis-

tungen des H. sind zufriedenstellend, sein Be-nehmen gegen Vorgesetzte und Untergebene angemessen, gegen seine Patienten liebvoll.

Der Vorgeschlagene kann in jeder Beziehung zur Beförderung pflichtgemäß empfohlen wer-den.

Der Vorgeschlagene hat auf Befragen der Dienstpflicht erklärt, daß die Angaben unter Ziffer 4, 5, 6, 7, 8b, 8c, 8d der Wahrheit ent-sprechen.

Dieser Beförderungsantrag wurde dann vom Gouvernementarzt befür-

wortend weitergeleitet. Der spätere Vermerk auf der Beurteilung „Erledigt durch Allerhöchste Entschließung vom 27.3.15, München, den 10.5.1915“ war die Bestätigung der Beförderung von Dr. Manfred Haas zum Assistenz-arzt.

Die „kurze Beurteilung“ gibt naturgemäß nur wenig preis, war er doch erst „seit 2.12.14 im Felde“. Seine Vorgesetzten waren mit seinen Leistungen und mit seinem Benehmen zufrieden, seinen Patienten gegenüber verhielt er sich „liebvoll“.

116 Seine halbjährige Militärzeit trat Manfred Haas direkt nach Abschluss seines ers-

ten Wintersemesters 1903/04 beim Königlich-Bayerischen 9. Infanterie-Regiment in Würzburg an.

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Abb. 46: Beförderungsvorschlag vom Frühjahr 1915 (1. Seite)

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Abb. 47: Beförderungsvorschlag (2. Seite) Die Beförderungen von zahlreichen Militärärzten wurden am 8. April 1915

durch das Kriegsministerium bekannt gegeben, darunter auch die Ernennung von Manfred Haas zum Assistenzarzt:

Seine Majestät der König haben mit Allerhöchster Entschließung vom 27.3.1915 nachstehende Personalveränderungen Allergnädigst zu verfügen geruht: Zu befördern zu Oberstabsärzten unter Vorbehalt der späteren Regelung ihres Ranges den Stabsarzt ...., zu Stabsärzten ....., zu Assistenzärzten ... die Unterärzte Paul Peter (Erlangen), Dr. Joseph Dessauer (Nürnberg), Manfred Haas (Würzburg), Leonhard Krämer (Er-langen), Dr. Hans Vetter (Erlangen), Oswald Dietz (Erlangen) ...

Dr. von Seydel, Generalstabsarzt der Armee.

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