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Erwiderung aul die Bemerkungen yon F. P laut (Die Wasser- mannsche Reaktion bei der Paralyse Bd. 56, S. 2951f. dieser Zeitschr.) zu meiner Arbeit in Bd. 56, S. 260 ff. dieser Zeitschr. Voll V. Kafka. (Aus der ~erologischen Abteilung der Staatskrankenanstalt und psychiatrischen Universits Friedrichsberg in Hamburg.) (Eingegangen am 12, August 1920.) F. Plaut stellt an die Spitze seiner VerSffentlichung folgende Si~tze: ,,Die Lehre, dal~ bei den typischen Formen der Paralyse positive Wassermannreaktion im Blute mit grol~er Regelmiil~igkeit sich finder, wird yon Kafka bestritten. Nach Kafkas Erfahrungen, die er aus 124 ira Laufe yon 2 Jahren untersuchten F~llen ableitet, ist mit 20% yon Paralytikern zu rechnen, die bei stark ausgepr~gter positiver WaR. im Liquor seitens des Blutes glatt negativ reagieren." Ich habe in meiner Arbeit gesagt (S. 267): ,,Wir kSnnen also zusammenfassen, dab bei der typischen Paralyse in ungefiihr rund 20% der Fi~lle, die am gleichen Tage venae- und lumbalpunktiert wurden, die Wal~. eine negative oder fast negative war bei positiver Reaktion der l~iickenmarksfliissigkeit" 1). Daraus ergibt sich auf den ersten Blick, dal~ mich Plaut mil~verstanden hat. Ich habe nicht si~mtliche serologische untersuchte Paralysen der 2 Jahre herange- zogen, --d a wir i m J ahre u ngef~hr 500 Paral yse n u nters u chte n, so w~ren das 1000 gewesen --, sondern nur jene, die am gleichen Tage venae- und tumbalpunktiert und untersucht wordeu waren. Denn nur solche Fi~lle hielt ich fiir geniigend beweiskr~ftig, um daraus theoretische Folgerungen zu ziehen, gerade aber auch nur bei solchem Vorgehen war eine Gleichm~l~igkeit der geagenzien und der Versuchstechnik gew~hrleistet. Wenn man also die Fragestellung so ansetzt, wie Plaut sie mir zuschreibt: Wie h~ufig ist eine negative Blutreaktion bei der typischen Paralyse fiberhaupt ? da~n k~me man zu einem Prozentsatz, der wahrscheinlich niedriger w~re als der yon mir gefundene, obzwar mir das auf Grund ueuerer Erfahrungen als nicht ganz sicher erscheint. In me{nero oben 1) In) Original gesperrt gedruckt ! Z. f. d. g. ~N-eur. u. Psych, O. LIX, r

Erwiderung auf die Bemerkungen von F. Plaut (Die Wassermannsche Reaktion bei der Paralyse Bd. 56, S. 295ff. dieser Zeitschr.) zu meiner Arbeit in Bd. 56, S. 260 ff. dieser Zeitschr

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Erwiderung aul die Bemerkungen yon F. P laut (Die Wasser- mannsche Reaktion bei der Paralyse Bd. 56, S. 2951f. dieser Zeitschr.) zu meiner Arbeit in Bd. 56, S. 260 ff. dieser Zeitschr.

V o l l

V. Kafka.

(Aus der ~erologischen Abteilung der Staatskrankenanstalt und psychiatrischen Universits Friedrichsberg in Hamburg.)

(Eingegangen am 12, August 1920.)

F. P l a u t stellt an die Spitze seiner VerSffentlichung folgende Si~tze: ,,Die Lehre, dal~ bei den typischen Formen der Paralyse positive Wassermannreaktion im Blute mit grol~er Regelmiil~igkeit sich finder, wird yon K a f k a bestritten. Nach K a f k a s Erfahrungen, die er aus 124 ira Laufe yon 2 Jahren untersuchten F~llen ableitet, ist mit 20% yon Paralytikern zu rechnen, die bei stark ausgepr~gter positiver WaR. im Liquor seitens des Blutes glatt negativ reagieren." Ich habe in meiner Arbeit gesagt (S. 267): ,,Wir kSnnen also zusammenfassen, dab bei de r t y p i s c h e n P a r a l y s e in u n g e f i i h r r u n d 20% d e r Fi~lle, d ie a m g l e i c h e n T a g e v e n a e - u n d l u m b a l p u n k t i e r t w u r d e n , die Wal~. e i ne n e g a t i v e o d e r f a s t n e g a t i v e wa r be i p o s i t i v e r R e a k t i o n de r l ~ i i c k e n m a r k s f l i i s s i g k e i t " 1). Daraus ergibt sich auf den ersten Blick, dal~ mich P l a u t mil~verstanden hat. Ich habe nicht si~mtliche serologische untersuchte Paralysen der 2 Jahre herange- zogen, - - d a wi r i m J a h r e u n g e f ~ h r 500 P a r a l yse n u n t e r s u c h t e n, so w ~ r e n das 1000 g e w e s e n - - , sondern nur jene, die am g l e i c h e n Tage venae- und tumbalpunktiert und untersucht wordeu waren. D e n n n u r so l che Fi~lle h i e l t i ch f i i r g e n i i g e n d b e w e i s k r ~ f t i g , u m d a r a u s t h e o r e t i s c h e F o l g e r u n g e n zu z i e h e n , gerade aber auch nur bei solchem Vorgehen war eine G l e i c h m ~ l ~ i g k e i t d e r g e a g e n z i e n u n d de r V e r s u c h s t e c h n i k g e w ~ h r l e i s t e t . Wenn man also die Fragestellung so ansetzt, wie P l a u t sie mir zuschreibt: Wie h~ufig ist eine negative Blutreaktion bei der typischen Paralyse fiberhaupt ? da~n k~me man zu einem Prozentsatz, der wahrscheinlich niedriger w~re als der yon mir gefundene, obzwar mir das auf Grund ueuerer Erfahrungen als nicht ganz sicher erscheint. In me{nero oben

1) In) Original gesperrt gedruckt ! Z. f. d. g. ~N-eur. u. Psych, O. L I X , r

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354 V. Kafka: Erwiderung auf die Bemerkungen von F. Plaut

zitierten Satze ist ferner ausgedrtickt, daft die WaR. in solehen Fallen nicht immer ,,glatt negativ" sein muft. Tatsachlieh zeigen ja, wie doeh auch P l a u t aufgefallen sein muft, die Falle 16--24 der Tabelle I meiner Arbeit Spuren Hemmung mit dem alkoholischen Normalextrakt , die Falle 13, 14, 15, 18 mit dem syphilitischen Luesleberextrakt, die Falle 11, 12, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23, 24 mit dem Cholesterinextrakt, wobei in 7 Fallen sogar positive Resultate zu sehen sind; etwas _~hnliches gilt ftir Stern. Auch die Liquorbefunde miissen nicht unbedingt bei 0,2 + + + sein, wie mir P l a u t auf Seite 307 vindiziertl); das zeigen die Falle 3, 4, 5 und 8 meiner Tabelle I. Es hat sich mir ja vor allem um die Feststellung gehandelt, dab der reine Typus, wie ihn die Falle 1, 6, 10, 11 zeigen, bei der Paralyse iiberhaupt m5glich ist und daft yon ihm Abstufungen bis zum gew5hnlichen serologischen Normaltypus der Paralyse nachweisbar sind.

Die in Tabelle I meiner Arbeit verzeichneten Falle waren k l i n i s e h typische; einige bat ten Tabessymptome. Eine Reihe davon waren Militarfalle und sind uns entschwunden, andere sind nach anderen Anstalten verlegt. Nur einer ist histologisch untersucht und hat den typischen Befund der Paralyse ergeben.

Ich bestreite nicht, daft einzelne dieser Falle sich bei einer spateren anatomischen Untersuchung als histologisch nicht typiseh beweisen kSnnten, es ist ferner die MSglichkeit vorhanden - - und ieh habe das S. 267 ja aueh gesagt - - , daft fiir einzelne das Negativwerden der Blut- reaktion ein Stationarwerden des Krankheitsbildes anzeigen kann; ich habe ferner - - wie ich ebenfalls S. 267 und 289 sage - - die negative Blutreaktion als ,,das Endergebnis des Negativwerdens einer frfiher positiven WAR." angenommen und reich daher beztiglieh dieses Punktes nicht in Gegensatz zu dem gestellt, was P l a u t S. 313 sagt. Ob freilieh die Befunde yon E d e 1 und P i o t r o w s k i beztiglich des Auftretens einer positiven WaR. im Liquor als erstes serologisches Symptom bei Paralyse ganz aul3er acht zu lassen sind, ist die Frage2).

Es ist daher nur konsequent, wenn F. P l a u t bei der mil~verstand- lichen Auffassung meiner Ergebnisse den anscheinend klaffenden Unterschied zwischen meinen und den Resultaten anderer Autoren in meiner V e r s u c h s t e c h n i k sueht. P l a u t hat sich diesbeziiglich so geauftert, daft eine Verteidigung meinerseits fast unmSglich ist;

1) P lau t sagt da: ,,Der neue Typus, den K a f k a als flit 20% der typischen Paralytiker geltend aufstellt, hat im Serum negative WaR. bei 0,2 ccm, im Liquor positive WaR. bei 0,2cem."

~) Zu dieser Frage mul~ unbedingt ein grSi3eres Material beigebracht werden. FranzSsische Autoren sehen neuerdings (Annales des maladies v~n6riennes, Mai 1920) in den Liquorveri~nderungen die ersten Vorzeichen der Paralyse. H a u p t - mann (Dtsch. Zeitschr. f. ~N'ervenheilk. 55, 177) erwi~hnt 4 solche F/ille, bei denen nur Phase I im Liquor positiv, die WaR. im Blute 3 real 0, l real s ch w a e h + i s t.

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(Bd. 56, S. 295ff.) zu meiner Arbeit in Bd. 56, S 260ff. dieser Zeitschr. 355

er spricht yon ,,kleineren Handgriffen", ,Laboratoriumsusancen", koromt selbst zum Schlusse, dab sich solche Dinge in den Ergebnissen b e i d e r Flfissigkeiten aussprechen mfiBten und bei geringerer Empfind- lichkeit unserer Versuchstechnik lediglich eine Verschiebung der Befunde erkennbar w~re. F. P l a u t sagt schlieBlich: ,,Die Technik versagt hier in einseitiger Weise gegenfiber dem Blute", ohne eine Erkl~rung daffir zu finden.

Ieh mSchte nun annehmen, dab man mir bei einer mindestens l lj~hrigen Besch~ftigung mit dem Gegenstaude und bei meiner st~n- digen wissensehaftlichen T~tigkeit auf diesem Gebiete den Vorwurf einer unzul~nglichen Beherrschung der Technik nicht maehen kann. Ich mSehte auch auf die GrSBe des zu untersuehenden Materials unserer serologischen Abteilung hinweiseu (3000--4000 F~lle im Jahre), ferner daraufhin, dab in unserer Anstalt jetzt st~ndig groI~e Luesstationen untergebracht sind, wir also ununterbrochen ein groBes Material frischer Lues zur Vefftigung haben; bier hat sich unsere Technik stets bew~hrt. AuBerdem sind eine Reihe yon F~llen auch anderw'~rts ira Blute auf WaR. mit dem g l e i e h e n Ergebnis untersueht worden; ieh verweise naehdrfickliehst auf Beobachtung 1, S..266 meiner Arbeit, bei dem vor unserer Untersuehung die WaR. zweimal angestellt worden war und negativ war.

Lasse ich aber alles PersSnliehe beiseite, so w~Bte ich aueh nicht, welche teehnisehen Faktoren es sein kSnnten, die gerade bei der WaR. im B l u t e zur Vermeidung der Empfindliehkeit fiihren. Es kSnnte nur das Alter der Seren sein; unsere Blutfliissigkeiten wurden aber immer frisch untersucht. Man kSnnte uns im Gegenteil den Vorwurf zu starker Empfindlichkeit unserer Technik bei Seren maehen, da wir ja immer 0,5 ccm des Serums mit eingesetzt, mit Cholesterinextrakten gearbeitet und Stern ausgeft~hrt haben; alle diese Reaktionen, die P l a u t nicht anstellt, sind in der Tabelle enthalten. Es wird also auch P l a u t zugeben m~ssen, dab nicht unsere Technik die fiir ihn auffallenden Resultate gezeitigt hat, sondern eben die E i g e n a r t d e r F~l le .

F. P l a u t bedauert schlie$1ich die diagnostischen Nachteile, die sieh aus meinen Feststellungen ergeben kSnnten. Er erw~hnt die Auf- findung des ersten Falles von Alzheimerscher Erkrankung, der zuerst fiir eine Paralyse gehalten wurde, dessen negative WaR. im Blute aber zu weiteren Nachprtifungen AnlaB gab. P l a u t sagt: , ,Hhtte da- reals bei uns wie in Hamburg die Auffassung geherrscht, bei 20% der Paralysef~lle falle die WaR. negativ aus, so wfirde man sich vielleieht damit abgefunden h a b e n . . . "

Aus vielen Griinden kann ich daran nicht glauben. Gerade die Kriegs- fhlle haben uns gezeigt - - und Beobachtung 1 ist ein eklatanter Bewei~ daffir -- , wie n o t w e n d i g es in der Praxis i s t , zu w i s s e n , d a b a u c h

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356 V. Kafka : Erwideru~g auf die Bemerkungen yon F. Plaut usw.

P a r a l y s e n m i t n e g a t i v e r WaR. im B l u t e v o r k o m m e n k6nnen und dab in solehen F~llen erst die Lumbalpunktion Kl~rung bringt. Es ist doch wirklieh nicht anzunehmen, dab auf Grund meiner Fest- stellungen heute jeder kliniseh Paralyseverd~chtige, wenn er eine negative WaR. im Blute hat, einfaeh ohne jede weitere Untersuchung in den groBen Topf der Paralyse geworfen wird! Wit kSnnen P l a ut jedelffalls versichern, d ~ wir die im Blute negativen F~lle sehr genau klinisch analysieren, im Auge behalten und auch im Todesfalle sehr eingehend histologiseh untersuchen werden, und wirken auch naeh auBen in diesem Sinne.

Ich glaube nicht, dub es gerade bei dem heutigen Stande der Lues- forschung wertvoll ist, dem Dogma der 100~o positiver WaR. im Blute zuliebe den Tatsachen Gewalt anzutun. Ahnliche Erfahrungen, wie ich sie gemacht habe, werden mir yon vielen Seiten berichtet. Aueh die Syphilodologen sehen jetzt mehr negative WaR. im Blute als frische. Es w~re nicht ausgeschlossen, dub hier ein Zusammenhang mit der Salvarsanbehandlung besteht. Es darf nicht vergessen werden, dab die Jahre, die ich meiner Statistik zugrunde gelegt habe, 1918 und 1919 sind ; in frfiheren Jahren habe ieh eine negative WaR. im Blute bei Paralyse seltener gesehen. Vielleicht liegt bier aueh die MSgliehkeit einer weiteren Vers~ndigung mit P l a u t vor, da er ja s e i t 1907 fiber 1420 Paralysen verffig~, der grSBere Tell dieser F~lle also frtiheren Jahren angeh6ren dfirfte. Immerhin hut man auch frfiher Paralysen mit negativer WaR. im Blute gesehen, darfiber hat u. a. J a c o b s t h a l schon im Jahre 1912 im ~rztlichen Verein in Hamburg berichtetl).

P l a u t ist in seinen Bemerkungen auch auf meine theoretischen Folgerungen eingegangen. Die Diskussion fiber diesen Punkt sei einem sp~teren Zeitpunkt vorbehalten.

1) Im Jahre 1913 haben Jakob und Kafka auf der Jahresversammlung des Vereins norddeutscher Psychiater in Altona fiber ahnliehe F~lle beriehtet. In der Diskussion ~ul]erten sieh Brfiekner und Nonne zustimmend.