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Heike Diefenbach Ethnische Segmentation im deutschen Schulsystem – Eine Zustandsbeschreibung und einige Erklärungen für den Zustand 1. Einleitung Eine Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration von Migranten bzw. Ausländern ist ihre Integration in den Arbeitsmarkt, weil sie den Lebensunterhalt der Migranten si- chert und die öffentliche Hand (vor allem im sozialstaatlichen Bereich) entlastet und da- durch die Akzeptanz von Migranten in der übrigen Bevölkerung erhöht. Die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt hängt wiederum von ihrer Bildung ab, insbesondere vom Grad ihrer formalen Bildung, die durch Bildungszertifikate nachgewiesen wird. Wer meinte, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund würden mit der Zeit qua- si-automatisch aufgrund ihrer Sozialisation in Deutschland und insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sie sehr früh oder von Anfang an in die deutschen Bildungsinstitutio- nen eintreten, eine mit Deutschen vergleichbare Bildungsbeteiligung und entsprechende Bildungsabschlüsse erreichen, sieht sich getäuscht: Im Rahmen der PISA 2000-Studie zeigte sich, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer Lesekompetenz deutlich hinter deutschen Jugendlichen zurückbleiben, obwohl etwa 70% der Jugendli- chen mit Migrationshintergrund bis zum Messzeitpunkt ihren gesamten Bildungsweg in Deutschland durchlaufen hatten (Stanat, Artelt, Baumert u.a. 2002: 13). Es war jedoch nicht dieser Befund, der dazu führte, dass seit der Veröffentlichung der PISA 2000-Studie in Deutschland und dem von ihr ausgelösten „PISA-Schock“ die schulischen Probleme von Kindern aus Migrantenfamilien verstärkt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wur- den; vielmehr wurden sie probeweise als Erklärung für das schlechte Abschneiden Deutschlands im Vergleich zu den anderen teilnehmenden OECD-Staaten thematisiert, und zwar nicht nur von Politikern, die man gerne dem konservativen Lager zurechnet, wie dem sächsischen Kultusminister Matthias Rössler, der in der Leipziger Volkszeitung vom 03.12.2001 wie folgt zitiert wurde: „Die PISA-Studie hat gezeigt, dass vor allem Zuwan- dererkinder aus der Türkei, aus Ex-Jugoslawien, Polen und den GUS-Staaten wesentlich schwächer sind [als wer bleibt unausgesprochen; Anm. d. Verfasserin] und damit den Durchschnitt senken“. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin, meinte, die „defizitäre Lage“ der Migrantenkinder habe das schlechte Ab- schneiden Deutschlands bei der PISA 2000-Studie maßgeblich beeinflusst (isoplan 225 Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 21/22, 2003/04, S. 225–255 Ó Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation, Recklinghausen

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Heike Diefenbach

Ethnische Segmentation im deutschen Schulsystem –Eine Zustandsbeschreibung und einige Erklärungenfür den Zustand

1. Einleitung

Eine Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration von Migranten bzw. Ausländernist ihre Integration in den Arbeitsmarkt, weil sie den Lebensunterhalt der Migranten si-chert und die öffentliche Hand (vor allem im sozialstaatlichen Bereich) entlastet und da-durch die Akzeptanz von Migranten in der übrigen Bevölkerung erhöht. Die Integrationvon Migranten in den Arbeitsmarkt hängt wiederum von ihrer Bildung ab, insbesonderevom Grad ihrer formalen Bildung, die durch Bildungszertifikate nachgewiesen wird. Wermeinte, Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund würden mit der Zeit qua-si-automatisch aufgrund ihrer Sozialisation in Deutschland und insbesondere aufgrundder Tatsache, dass sie sehr früh oder von Anfang an in die deutschen Bildungsinstitutio-nen eintreten, eine mit Deutschen vergleichbare Bildungsbeteiligung und entsprechendeBildungsabschlüsse erreichen, sieht sich getäuscht: Im Rahmen der PISA 2000-Studiezeigte sich, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund hinsichtlich ihrer Lesekompetenzdeutlich hinter deutschen Jugendlichen zurückbleiben, obwohl etwa 70% der Jugendli-chen mit Migrationshintergrund bis zum Messzeitpunkt ihren gesamten Bildungsweg inDeutschland durchlaufen hatten (Stanat, Artelt, Baumert u.a. 2002: 13). Es war jedochnicht dieser Befund, der dazu führte, dass seit der Veröffentlichung der PISA 2000-Studiein Deutschland und dem von ihr ausgelösten „PISA-Schock“ die schulischen Problemevon Kindern aus Migrantenfamilien verstärkt in der Öffentlichkeit wahrgenommen wur-den; vielmehr wurden sie probeweise als Erklärung für das schlechte AbschneidenDeutschlands im Vergleich zu den anderen teilnehmenden OECD-Staaten thematisiert,und zwar nicht nur von Politikern, die man gerne dem konservativen Lager zurechnet, wiedem sächsischen Kultusminister Matthias Rössler, der in der Leipziger Volkszeitung vom03.12.2001 wie folgt zitiert wurde: „Die PISA-Studie hat gezeigt, dass vor allem Zuwan-dererkinder aus der Türkei, aus Ex-Jugoslawien, Polen und den GUS-Staaten wesentlichschwächer sind [als wer bleibt unausgesprochen; Anm. d. Verfasserin] und damit denDurchschnitt senken“. Auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland,Hakki Keskin, meinte, die „defizitäre Lage“ der Migrantenkinder habe das schlechte Ab-schneiden Deutschlands bei der PISA 2000-Studie maßgeblich beeinflusst (isoplan

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Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur, Bd. 21/22, 2003/04, S. 225–255� Forschungsinstitut Arbeit, Bildung, Partizipation, Recklinghausen

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2002). Inzwischen haben Analysen der Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts sowie ande-rer Wissenschaftler gezeigt, dass auch nach Ausschluss der Migrantenkinder nur ein ge-ringfügig besseres Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich festzustellenist (Baumert, Artelt, Klieme u.a. 2003: 52/53; Fertig 2003). Dessen ungeachtet bestehenjedoch große Unterschiede zwischen deutschen Kindern und Migrantenkindern hinsicht-lich ihrer Bildungskarrieren und ihrer Bildungserfolge, wie verschiedene Studien überein-stimmend gezeigt haben (Alba, Handl, Müller 1994; Hopf 1994; Nauck 1994).

Inwieweit diese Unterschiede in Anlehnung an die Theorie der ethnischen Segmentati-on des Arbeitsmarktes, wie sie während der 80er Jahre in den USA entwickelt worden ist(Piore 1983), als ethnische Segmentation des (schulischen) Bildungssystems bezeichnetwerden können, soll im Folgenden empirisch entschieden werden: Es wird zu zeigen sein,ob sich bei näherer Betrachtung der Bildungsbeteiligung und des Bildungserfolgs vondeutschen Kindern und Migrantenkindern zwei relativ autonome Sektoren im deutschenSchulsystem beobachten lassen, die nach ethnischer Zugehörigkeit oder Staatsangehörig-keit aufgeteilt und gegeneinander weitgehend abgeschottet sind. Der primäre Sektor wäreggf. derjenige, in dem die eigentlich qualifizierenden Schulabschlüsse vergeben werdenund der weitgehend deutschen Schülern vorbehalten bleibt, während dem sekundärenSektor, der eher niedrigerwertige Schulabschlüsse vergibt und in dem Schüler bis zumEnde der Schulpflicht verwaltet werden, Schüler anderer ethnischer Zugehörigkeit oderanderer Staatsangehörigkeit angehörten. Ob diese Beschreibung die Verhältnisse im deut-schen Schulsystem korrekt abbildet, ist eine empirische Frage, die im folgenden Abschnitt(Abschnitt 2) beantwortet werden soll.

Es stellt sich anschließend die Frage, wie es zu den beobachteten Unterschieden zwi-schen deutschen Kindern und Migrantenkindern hinsichtlich ihrer Bildungsbeteiligungund ihres Bildungserfolgs kommt. Die Ausführungen in Abschnitt 3 werden zeigen, dassder aktuelle Forschungsstand es bestenfalls näherungsweise erlaubt, diese Frage zu beant-worten. Jedoch sollen die bislang in der Literatur vorgebrachten und diskutierten Erklä-rungen vorgestellt und die hierzu ggf. vorliegenden Forschungsergebnisse berichtet wer-den.

2. Ist das deutsche Schulsystem ethnisch segmentiert?

Um diese Frage beantworten zu können, ist es nützlich, den Prozess des Erwerbs formalerBildung, den Kinder in verschiedenen Bildungsinstitutionen durchlaufen, als stufenwei-sen Selektionsprozess aufzufassen, bei dem jede Stufe als Filter wirkt, indem Schüler, dieden Anforderungen nicht gerecht werden, aussortiert werden. Diese Aussortierung kannunterschiedliche Formen haben: Ein Kind kann von der Einschulung zurückgestellt oderin den Schulkindergarten zurückverwiesen werden, es kann zur Wiederholung einer Klas-senstufe gezwungen werden, oder es kann durch seine Grundschulempfehlung auf Se-kundarschulkarrieren verwiesen werden, die zu höher- oder niedrigerwertigen Schulab-schlüssen führen. In Bezug auf die These von der ethnischen Segmentation des deutschenSchulsystems wäre zu zeigen, dass deutsche Schüler gegenüber Schülern anderer ethni-scher Zugehörigkeit oder ausländischen Schülern auf all diesen Stufen im Vorteil sind.

Leider liegen hierfür nur unzureichende bzw. nur teilweise miteinander vergleichbareDaten vor. Sie stammen entweder aus amtlichen Bildungsstatistiken oder aus der Bil-

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dungsforschung, in der meistens Individualdatensätze (bes. häufig das SozioökonomischePanel (SOEP)) analysiert werden. Weil amtliche Bildungsstatistiken Vollerhebungen fürGesamtdeutschland, einzelne Bundesländer oder Landkreise darstellen und darüber hin-aus für einen mehr oder weniger langen Zeitraum vorliegen, sind sie geeignet, das Ausmaßund die Entwicklung ethnischer Segmentation im Schulsystem abzubilden. Fragen derRepräsentativität stellen sich hier nicht. Nur anhand von amtlichen Bildungsstatistiken istauch eine Feststellung systematischer Variationen zwischen Staaten, Bundesländern oderLandkreisen möglich, die wiederum auf unterschiedliche strukturelle Bedingungen undmöglicherweise auf Mechanismen struktureller Diskriminierung verweisen können. Je-doch sind auch verschiedene Nachteile mit der Analyse amtlicher Bildungsstatistiken ver-bunden: Sie stellen gewöhnlich nur sehr wenige Indikatoren bereit und können eventuellbestehende Heterogenität (z.B. Unterschiede zwischen Schülern unterschiedlichernicht-deutscher Staatsangehörigkeiten) verdecken.

In diesem Zusammenhang sei beispielhaft auf eine grundlegende Einschränkung hin-gewiesen, die mit der Analyse amtlicher Bildungsstatistiken zur Feststellung ethnischerSegmentation im Bildungssystem verbunden ist, nämlich diejenige, dass amtliche Bil-dungsstatistiken lediglich deutsche und ausländische Schüler unterscheiden, weswegenman bei der Analyse dieser Daten keine Möglichkeit hat, Kinder oder Jugendliche aus Mi-grantenfamilien, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben, oder solche, die in Deutsch-land geboren und sozialisiert wurden und ihre gesamte Bildungslaufbahn in Deutschlandabsolviert haben, aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben (die sog. Bildungsin-länder), zu identifizieren. (Dies gilt übrigens auch für die Kinder von Aussiedlern: Weil siein der amtlichen Statistik Deutsche sind, sind sie als Gruppe nicht identifizierbar; vgl.Beer-Kern 2000.) Dies schränkt die Möglichkeiten, zuverlässige Aussagen über den Gradund die zeitliche Entwicklung sowie die Determinanten der Integration von verschiede-nen ethnischen Gruppen, insbesondere der Nachkommen der sog. Gastarbeiter, zu ma-chen, erheblich ein (zur Erläuterung der Problematik und zur Prüfung der These, dass ein-gebürgerte Zuwanderer eine günstigere sozioökonomische Platzierung aufweisen als Aus-länder derselben Herkunft, vgl. Salentin & Wilkening 2003).

Für die Analyse von Individualdaten, wie sie in der Bildungsforschung meist verwen-det werden, spricht, dass sie es ermöglichen, die Bildungskarrieren einzelner Schüler zuverfolgen und die Effekte individueller Merkmale oder familiärer Umstände auf die Bil-dungskarriere festzustellen. Sofern die entsprechenden Merkmale erhoben werden, lassensich auch zugewanderte Ausländer von eingebürgerten Zuwanderern oder von inDeutschland geborenen Ausländern unterscheiden, was für die Frage nach der Existenzbzw. dem Ausmaß ethnischer Segmentation im deutschen Bildungssystem sicherlich sehrwichtig ist. Allerdings sind entsprechende Erhebungen und Analysen bislang noch dieAusnahme. Der einzige mir bekannte Individualdatensatz, der sowohl die ethnische Ab-stammung von Personen als auch deren Staatsangehörigkeit(en) und ggf. ihre Wande-rungsbiographie erfaßt und daher geeignet ist zu prüfen, welche Effekte die ethnische Ab-stammung oder die Staatsangehörigkeit auf die schulische und berufliche Bildung haben,ist der Integrationssurvey des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) aus demJahr 2000, der derzeit noch ausgewertet wird. Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP), dasfür Analysen von Bildungskarrieren häufig genutzt wird, beinhaltet Stichproben der zumInitiierungszeitpunkt (1984) fünf größten ausländischen Minoritäten. Eingebürgerte las-

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sen sich zwar identifizieren, aber eingebürgerte Italiener, Griechen und Spanier sind in sogeringer Zahl im SOEP vertreten, dass vergleichende Analysen nicht möglich sind (vgl.Salentin & Wilkening 2003: 283, Fußnote 1). Die PISA 2000-E-Studie ermöglicht eineUnterscheidung von Schülern danach, ob sie selbst oder ihre Eltern in Deutschland gebo-ren sind, und danach, ob sie Zuhause die deutsche Sprache sprechen oder nicht. Es kön-nen also Schüler mit Migrationshintergrund identifiziert werden. Informationen zurStaatsangehörigkeit liegen jedoch nicht vor. Die Verweildauer von Schülern mit Migra-tionshintergrund kann ebenfalls festgestellt werden, so dass wichtige Abschnitte derSchulkarriere nachgezeichnet werden können. Als Schulleistungsstudie ist die PI-SA-E-Studie jedoch nicht dazu geeignet, die Effekte der ethnischen Zugehörigkeit undder Schulkarriere auf den tatsächlich von Schülern erreichten Schulabschluss zu klären,der als Bildungszertifikat (oder als institutionalisiertes kulturelles Kapital im Gegensatz zuinkorporiertem kulturellen Kapital im Sinne Bourdieus; vgl. hierzu Bourdieu 1983) letzt-lich für die weitere Bildungs- oder Erwerbskarriere entscheidend ist.

Wenn Individualdatensätze Ausländer berücksichtigen, dann sind dies Ausländer be-stimmter ausgewählter Nationalitäten. Damit sind Vergleiche zwischen Ausländern be-stimmter Nationalitäten möglich, über die ausländische Wohnbevölkerung Deutschlandslassen sich aber keine Aussagen machen. Außerdem sind Subgruppenanalysen in Indivi-dualdatensätzen aufgrund geringer Fallzahlen häufig enge Grenzen gesetzt, und es stelltsich die Frage nach der Verallgemeinerbarkeit der Befunde.

In diesem Abschnitt werden die vorliegenden Daten und Befunde aus Analysen von amt-lichen Statistiken und von Individualdatensätzen zusammengetragen, um – trotz allerSchwierigkeiten – zu einem möglichst umfassenden Bild vom Ausmaß der Unterschiedezwischen ausländischen Kindern bzw. Migrantenkindern und deutschen Kindern im Sys-tem schulischer Bildung in Deutschland zu kommen und damit die Frage nach der ethni-schen Segmentation im deutschen Schulsystem zu beantworten. Dabei sei daran erinnert,dass es sich ggf. um ein westdeutsches Phänomen handelt: Während nach Auskunft des Sta-tistischen Bundesamtes der Anteil ausländischer Schüler an allen Schülern im Jahr 2000 inWestdeutschland 11,25% betrug, lag er im selben Jahr in Ostdeutschland bei 0,91%.

2.1 Vorschulische institutionelle Betreuung, Einschulung und GrundschulbesuchDem Kindergartenbesuch (im Allgemeinen und dem letzten Kindergartenjahr im Beson-deren) wird häufig große Bedeutung als auf den Schulalltag vorbereitende und zur „Schul-fähigkeit“ führende Form institutioneller Betreuung beigemessen, insbesondere für Mi-grantenkinder, für die der Kindergarten eine Möglichkeit darstellen soll, Deutschkennt-nisse zu erwerben oder zu vertiefen. Jedoch ist über die vorschulische institutionelle Be-treuung und Einschulung von ausländischen Kindern oder Kindern aus Migrantenfami-lien relativ wenig bekannt. Eine Analyse des bereits erwähnten Sozioökonomischen Panelshat ergeben, dass im Alter von sechs Jahren 12,9% der deutschen, aber 31,9% der Migran-tenkinder (die im SOEP türkische, italienische, (ex-)jugoslawische, griechische oder spa-nische Kinder sind) ohne institutionelle Betreuung sind; im Kindergarten oder in einerKindertagesstätte sind 86,8% der deutschen und 67,6% der Migrantenkinder. Im Altervon sieben Jahren sind 5,8% der deutschen und 21,5% der Migrantenkinder ohne institu-tionelle Betreuung (Diefenbach 2002: 17). Sofern vorschulische institutionelle Betreuung

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tatsächlich eine Voraussetzung für einen guten Start der Schulkarriere ist, haben Migran-tenkinder gegenüber deutschen Kindern also deutliche Nachteile.

Gomolla & Radtke (2000: 331) haben anhand ihrer Studie über Bielefelder Schulenfestgestellt: „Vor allem ‘fehlende Kindergartenzeiten’ scheinen bei Migrantenkindernquasi automatisch dazu zu führen, dass zusätzlicher Förderbedarf vor dem Schuleintrittveranschlagt wird. Dies wird vor allem mit kulturellen Passungsproblemen zwischen Kin-dern und Familien und der deutschen Schule begründet“. Allerdings ist diesbezüglich si-cherlich mit regionalen Disparitäten zu rechnen. Es zeigt sich nämlich anhand der Datendes Sozioökonomischen Panels, dass in Gesamtdeutschland keine nennenswerten Unter-schiede zwischen Deutschen und Migranten beim Einschulungsalter bestehen (mit 8 Jah-ren sind 52,7% der deutschen Kinder und 49,4% der Migrantenkinder in der Grund-schule, und mit 9 Jahren sind es 97% der deutschen und 95% der Migrantenkinder), wäh-rend z.B. im Bericht zu „Gesundheit und Entwicklungsstand der Osnabrücker Schulan-fänger“ dargelegt wird, dass die Zurückstellungsrate von der Einschulung bei Migranten-kindern mehr als doppelt so hoch ist wie bei deutschen Kindern (Rohling 2002).

Hinsichtlich der Dauer der Grundschulbildung unterscheiden sich nach den Datendes Sozioökonomischen Panels deutsche und Migrantenkinder ebenfalls nur geringfügigvoneinander: Im Alter von 13 Jahren gehen noch 16,2% der deutschen Kinder und22,7% der ausländischen Kinder in die Grundschule, und im Alter von 14 Jahren beträgtdas Verhältnis 4,1% zu 5,9%.

2.2 Der Übertritt von der Grundschule in eine Sekundarschule und dieGrundschulempfehlung

Zum Übergang von der Grundschule auf eine Schule der Sekundarstufe liegen nur partiellamtliche Statistiken vor. Diefenbach (2002) hat in ihrer Analyse des SozioökonomischenPanels festgestellt, dass im Zeitraum von 1985 bis 1995 deutlich mehr Migrantenkinderals deutsche Kinder von der Grundschule auf die Hauptschule wechselten, dies allerdingsmit abnehmender Tendenz: Während 1985 noch 74,4% der Migrantenkinder und40,5% der deutschen Kinder von der Grundschule auf eine Hauptschule wechselten, wa-ren es 1995 nur noch 37,5% der Migrantenkinder und 24,8% der deutschen Kinder. Beiden Migrantenkindern entspricht dem nahezu kontinuierlichen Rückgang der Anteile de-rer, die von der Grundschule auf die Hauptschule wechseln, ein kontinuierlicher Anstiegder Anteile derer, die von der Grundschule auf eine Realschule wechseln: 1985 waren dies7,7% und 1995 34,8% der Migrantenkinder. Bei den deutschen Kindern waren es 198522,4% und 1995 27,8%, die von der Grundschule auf eine Realschule wechselten. DieAnteile der Migrantenkinder, die nach der Grundschule auf das Gymnasium gehen, ha-ben sich zwischen 1985 und 1995 jedoch kaum verändert: Zwar war dieser Anteil mit8,6% im Jahr 1985 am niedrigsten, aber zwischen 1986 und 1993 variierte er zwischen11,9% (im Jahr 1986) und 16,3% (im Jahr 1990) und ging seitdem wieder zurück. Beiden deutschen Kindern stieg der Anteil derer, die auf das Gymnasium wechselten, zwi-schen 1985 und 1992 kontinuierlich von 25% auf 37% an und betrug im Jahr 1995 36%.

Weiterhin lassen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Nationalitä-ten der Migrantenkinder hinsichtlich des Übergangs von der Grundschule auf eine Schuleder Sekundarstufe beobachten: Italienische Migrantenkinder weisen mit 70,8% den größ-ten Anteil an Übergängen auf die Hauptschule und gleichzeitig mit 8,2% den niedrigsten

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Anteil an Übergängen auf das Gymnasium auf, gefolgt von türkischen Migrantenkindern,von denen im Zeitraum zwischen 1985 und 1995 62,3% von der Grundschule auf dieHauptschule und 9,6% auf das Gymnasium wechselten. Griechische Kinder weisen mit42,5% von allen Kindern aus Migrantenfamilien den niedrigsten Anteil derer auf, die aufdie Hauptschule wechseln und gleichzeitig mit 26,2% den höchsten Anteil derer, die aufdas Gymnasium wechseln. (Ex-)Jugoslawische und spanische Kinder nehmen diesbezüg-lich die mittleren Positionen ein. (Ex-)Jugoslawische Migrantenkinder (23,4%) wechselnfast ebenso häufig von der Grundschule auf die Realschule wie deutsche Kinder (26,9%).Bei spanischen und griechischen Kindern sind es jeweils um die 20%, die von der Grund-schule auf die Realschule wechseln, bei italienischen und türkischen Kindern jeweils umdie 18% (Diefenbach 2002: 29, Abbildung 9).

Insgesamt gesehen läßt sich also eine Annäherung der ausländischen Kinder an diedeutschen Kinder über den betrachteten Zeitraum von 1985 bis 1995 hinweg lediglich inBezug auf den Übergang auf die Realschule feststellen. Nach wie vor wechseln weit größe-re Anteile deutscher als ausländischer Kinder auf das Gymnasium. Zwar haben ausländi-sche Kinder aller im SOEP berücksichtigten Nationalitäten hinsichtlich des Übergangsvon der Grundschule auf eine Schule der Sekundarstufe im Vergleich zu deutschen Kin-dern gleichermaßen Nachteile, aber der Vergleich dieser Nationalitäten untereinander er-gibt z.T. erhebliche Unterschiede, vor allem hinsichtlich des Wechsels von der Grund-schule auf das Gymnasium und auf die Hauptschule.

Kristen (2002: 539) stellte anhand ihrer Untersuchung von 3.354 Viertklässlern in151 Schulklassen an sechs Grundschulen in Baden-Württemberg über den Zeitraum von1984 bis 2000 hinweg fest, dass der tatsächliche Übergang auf eine Schule der Sekundar-stufe in 95% der Fälle der Grundschulempfehlung entspricht, so dass man davon ausge-hen muß, dass die Verteilungen deutscher und ausländischer Kinder nach Abschluss derGrundschule auf bestimmte Schulen der Sekundarstufe ein realistisches Abbild der ausge-sprochenen Empfehlungen ist.

2.3 Die Lesekompetenz von Schülern mit Migrationshintergrund –Befunde aus der PISA 2000-Studie

In der PISA 2000-Studie wurden Schüler danach gefragt, ob sie selbst und ob ihre Elternim jeweiligen Befragungsland geboren wurden. Entsprechend konnten die Schüler in vierGruppen unterteilt werden, nämlich in (1) einheimische Schüler (für die gilt, dass beideElternteile und sie selbst im Befragungsland geboren wurden), (2) Schüler mit einem imAusland geborenen Elternteil, (3) Schüler der sog. „1. Generation“, deren Eltern im Aus-land geboren wurden, während sie selbst im Befragungsland geboren wurden, und (4)Schüler, die selbst im Ausland geboren wurden und deren Eltern ebenfalls im Ausland ge-boren wurden. Zusammenfassend konnte festgestellt werden, dass in 10 der 14 Teilneh-merstaaten, in denen die Kategorie der Schüler der „1. Generation“ (Gruppe 3) minde-stens 3% der Länderstichprobe ausmachten, vergleichsweise starke und statistisch signifi-kante Unterschiede hinsichtlich der Lesekompetenz von Schülern der „1. Generation“und einheimischen Schülern (Gruppe 1) bestanden, und zwar zuungunsten der Schülerder „1. Generation“. Dies gilt auch für Deutschland, und zwar in stärkerem Maße als fürdie meisten anderen dieser Staaten (OECD 2001: 155 und Abbildung 6.5 auf S. 154).Schüler, die im Ausland geboren wurden und deren Eltern beide im Ausland geboren

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wurden (Gruppe 4), schneiden hinsichtlich ihrer Lesekompetenz noch schlechter ab. Fastdie Hälfte von ihnen kommt nicht über die elementare Kompetenzstufe I (von insgesamtfünf Kompetenzstufen) hinaus, und dies „obwohl über 70 Prozent von ihnen die gesamteSchullaufbahn in Deutschland absolviert haben“ (Stanat, Artelt, Baumert u.a. 2002: 13).In Deutschland ist der Abstand zwischen diesen Schülern und Schülern der „1. Generati-on“ vergleichsweise gering, was damit zusammenhängt, dass sich in Deutschland – wie ge-sagt – bereits die Schüler der „1. Generation“ stärker von den einheimischen Schülern un-terscheiden als in den meisten anderen Staaten. Insgesamt gesehen haben in DeutschlandSchüler mit Migrationshintergrund also eine deutlich geringere Lesekompetenz als einhei-mische Kinder. (Es wurde bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, dass dies am ins-gesamt schlechten Abschneiden Deutschlands in der PISA 2000-Studie nur wenig än-dert.)

Gleichzeitig sind in Deutschland erhebliche Unterschiede zwischen Bundesländernhinsichtlich der Leistungen zu beobachten, die von Schülern mit Migrationshintergrundin den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften erbracht werden: Wäh-rend in Bayern und Baden-Württemberg beide Schülergruppen im nationalen Vergleichder einbezogenen Länder relativ hohe Leistungen erzielen, liegen die Ergebnisse in Bre-men und Schleswig-Holstein konsistent auf vergleichsweise niedrigem Niveau“ (Baumert,Artelt, Klieme u.a. 2003: 52/53).

2.4 SekundarschulabschlüsseLetztlich ist es der Schulabschluss, mit dem ein Schüler die Sekundarstufe verlässt, der fürseine weitere Bildungs- oder für seine Berufskarriere und schließlich für sein erzielbaresErwerbseinkommen relevant ist. Für die Frage nach der Existenz bzw. dem Ausmaß ethni-scher Segmentation im deutschen Bildungssystem ist er somit der wichtigste Indikator.Glücklicherweise gibt die amtliche Bildungsstatistik über die Schulabschlüsse, die deut-sche und ausländische Absolventen von Sekundarschulen erreichen, einen recht gutenÜberblick, weswegen in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Daten zurückge-griffen werden soll. Die beiden folgenden Abbildungen (Abbildung 1 und 2) zeigen dieAbschlüsse, mit denen ausländische und deutsche Schüler in den Schuljahren 1990/91 bis2001/02 die Sekundarstufe verlassen haben.Abbildung 1 zeigt, dass der größte Teil, nämlich 40-45%, der ausländischen Schulabgän-ger während des Beobachtungszeitraums mit einem Hauptschulabschluss aus der Sekun-darstufe austrat. Im Schuljahr 1990/91 verließen 45,3% aller ausländischen Abgänger dieSekundarstufe mit einem Hauptschulabschluss. Bis 2000/01 sank ihr Anteil zwar konti-nuierlich, aber nur geringfügig auf 39,6% und stieg im Schuljahr 2001/02 wieder auf40,8% an. Der zweitgrößte Anteil, nämlich 25-29%, der ausländischen Abgänger von Se-kundarschulen erwarb einen Realschulabschluss oder die Mittlere Reife. Ihr Anteil stiegbis 1997/98 auf 28,9% kontinuierlich an, stagniert aber seitdem. Besorgniserregend istder hohe Anteil von etwa 20% der ausländischen Schulabgänger, die über den gesamtenBeobachtungszeitraum hinweg betrachtet die Sekundarstufe ohne einen Hauptschulab-schluss verließen. Zwar ging ihr Anteil leicht zurück von 21,8% im Schuljahr 1990/91 auf19,3% im Schuljahr 1998/99, er stieg aber in den beiden folgenden Schuljahren wieder an(auf 19,9% respektive 20,2%) und betrug im Schuljahr 2001/02 19,5%. Eine leichte Stei-gerung ist dagegen am anderen Ende der Skala zu beobachten: Der Anteil der ausländi-

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schen Abgänger von Sekundarschulen, die mit einer Fachhochschulreife oder einem Ab-itur abgingen, betrug im Schuljahr 1990/91 7,7% und im Schuljahr 2001/02 10,9%. Inden dazwischenliegenden Schuljahren stieg dieser Anteil nahezu kontinuierlich an; imSchuljahr 2000/01 wurde mit 11,4% ein vorläufiger Höchststand der ausländischen Ab-solventen mit Fachhochschulreife oder Abitur erreicht.

Betrachtet man die Sekundarschulabschlüsse, mit denen ausländische Schüler in denSchuljahren 1990/91 bis 2001/02 von Sekundarschulen abgingen, so läßt sich also fest-stellen, dass die Anteile derjenigen, die eine Fachhochschulreife oder ein Abitur oder dieMittlere Reife erreicht haben, angestiegen sind, wenn auch nur geringfügig, und dass dieseAnstiege vor allem auf Kosten der Anteile derer mit Hauptschulabschluss gehen. Der An-teil derjenigen ausländischen Abgänger von Sekundarschulen, die keinen Hauptschulab-schluss erreichen, ist im beobachteten Zeitraum dagegen stabil, und zwar auf einem hohenNiveau von 20%. Insgesamt gesehen kann für den betrachteten Zeitraum also bestenfallsvon einer leichten Verbesserung der Schulabschlüsse von ausländischen Schülern gespro-chen werden. Die Situation läßt sich treffender als stabil beschreiben.

Aussagekräftiger werden die berichteten Daten, wenn sie mit den entsprechenden Da-ten für deutsche Abgänger von Sekundarschulen verglichen werden. Diese Daten sind inAbbildung 2 zusammengestellt.

Heike Diefenbach

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Abb. 1: Ausländische Abgänger von Sekundarschulen in den Schuljahren 1990/91 bis 2001/02nach erreichten Schulabschlüssen (prozentuale Anteile)

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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Bei der Betrachtung von Abbildung 2 fällt zunächst auf, dass auch in Bezug auf deutscheAbgänger von Sekundarschulen das Bild über den Beobachtungszeitraum hinweg gesehenerstaunlich stabil ist. Der größte Teil der deutschen Abgänger von Sekundarschulen ent-fällt auf die Kategorie derer mit Mittlerer Reife oder Realschulabschluss: Während des ge-samten Beobachtungszeitraums beträgt ihr Anteil 41-42%. Etwas größere Anteile deut-scher Abgänger von Sekundarschulen entfallen auf die Kategorie Fachhochschulreife oderAbitur (26-27%) als auf die Kategorie Hauptschulabschluss (24-26%). Der Anteil derer,die ohne Hauptschulabschluss aus der Sekundarstufe austreten, lag im Schuljahr 1990/91bei 6,3%, stieg in den Folgejahren leicht an und stagnierte in der zweiten Hälfte der90er-Jahre um die 7,7%. Im Schuljahr 1998/99 wurden erstmals 8% erreicht. Seitdem istder Anteil nicht mehr unter 8,2% gesunken. Obwohl also ein leichter Anstieg des Anteilsder deutschen Abgänger von Sekundarschulen ohne Hauptschulabschluss im Beobach-tungszeitraum zu verzeichnen ist, liegt er dennoch in jedem Schuljahr deutlich unter dementsprechenden Anteil ausländischer Abgänger (von rund 20%). Während die Mehrheit(41-42%) der deutschen Abgänger die Mittlere Reife erreicht, erreicht eine fast ebensogroße Mehrheit (41-45%) der ausländischen Abgänger nur einen Hauptschulabschluss.Die Anteile derer, die die Sekundarstufe mit der Fachhochschulreife oder dem Abitur ver-lassen, sind unter Ausländern deutlich geringer als unter Deutschen (8-11% vs. 26-27%).

Die Nachteile der ausländischen Schulabgänger gegenüber den deutschen Schulabgän-gern sind also gemessen an den erreichten Schulabschlüssen erheblich, und zwar beson-ders an den beiden Polen der Skala, also hinsichtlich derer, die aus der Sekundarstufe ohneeinen Hauptschulabschluss oder mit einer Fachhochschulreife oder einem Abitur austre-ten. Außerdem sind die diesbezüglichen Verhältnisse im beobachteten Zeitraum sowohlfür ausländische als auch für deutsche Abgänger von Sekundarschulen erstaunlich stabil.

Ethnische Segmentation im deutschen Schulsystem

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Abb. 2: Deutsche Abgänger von Sekundarschulen in den Schuljahren 1990/91 bis 2001/02nach erreichten Schulabschlüssen (prozentuale Anteile)

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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Allerdings ist festzustellen, dass bezüglich der von ausländischen Schülern erreichten Se-kundarschulabschlüsse große Unterschiede zwischen den Bundesländern bestehen:

Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, liegt der durchschnittliche Anteil ausländischer Schüler,die die Sekundarstufe ohne einen Hauptschulabschluss verlassen, im Zeitraum 1990/91 bis2001/02 bei 20,9%. Acht der elf alten Bundesländer liegen über dem Bundesdurchschnitt,drei darunter. Bei Letzteren handelt es sich um Hamburg (18,3%), Bremen (17,6%) undNordrhein-Westfalen, das mit 13,8% einen „Ausreißer“ unter den Bundesländern darstellt.Die höchsten Anteile ausländischer Abgänger ohne Hauptschulabschluss haben Nieder-sachsen, Berlin und Bayern: Hier verlässt jeweils über ein Viertel der ausländischen Absol-venten die Sekundarstufe ohne einen Hauptschulabschluss. Die größten Anteile ausländi-scher Abgänger von Sekundarschulen mit Hauptschulabschluss finden sich mit gut 50% inBaden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern und Schleswig-Holstein. In keinem Bundes-land ist dieser Anteil niedriger als in Bremen; dort beträgt er 35%. Der Anteil der ausländi-schen Abgänger, die eine Mittlere Reife vorweisen können, ist in Nordrhein-Westfalen(35,5%), Niedersachsen (34,3%) und Bremen (33,5%) am höchsten. Die entsprechendenAnteile in Hamburg und Hessen liegen ebenfalls über dem Bundesdurchschnitt von 27,6%;alle anderen Bundesländer liegen darunter, und unter ihnen weist Bayern den geringstenAnteil mit 16,9% Abgängern mit Mittlerer Reife auf. Dieselben Bundesländer, die die ge-ringsten Anteile ausländischer Sekundarschulabgänger ohne Hauptschulabschluss haben,nämlich Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen, haben auch die höchsten Anteile anausländischen Schulabgängern mit (Fach-/)Hochschulreife (Hamburg: 14,7%; Bremen:13,8%; Nordrhein-Westfalen: 13,5%). Die Schlußlichter bezüglich dieser Größe bildenBayern (5,8%), Baden-Württemberg (5,3%) und Rheinland-Pfalz (5,1%).

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Abb. 3: Ausländische Sekundarschulabgänger in den alten Bundesländern nach erreichtenSchulabschlüssen (arithmetische Mittel über die Schuljahre 1990/91-2001/02)

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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In der Gesamtschau ergibt sich, dass Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburgvon den alten Bundesländern diejenigen sind, in denen die ausländische Absolventen dievorteilhaftesten Sekundarschulabschlüsse erzielen, nämlich häufiger höherwertige undseltener geringwertige als in anderen Bundesländern. Es sei in diesem Zusammenhang da-ran erinnert, dass dies nichts darüber aussagt, welche (inhaltlichen, fachspezifischen) Lei-stungen ausländische Sekundarschulabsolventen in den verschiedenen Bundesländerntatsächlich erzielen. Im Zusammenhang mit den Testwerten der 15jährigen, die im Rah-men der PISA 2000-Studie gemessen wurden, konnten Baumert, Artelt, Klieme u.a.(2003: 66) nachweisen, dass mit einer außerordentlich großen Variabilität der Leistungs-niveaus von Schulen derselben Schulform am Ende der Vollzeitschulpflicht zu rechnenist. Plausiblerweise darf man annehmen, dass auch zwischen nominell gleichen Schulfor-men in den verschiedenen Bundesländern solche Leistungsunterschiede bestehen. Auf dieindividuellen Lebenschancen der Absolventen haben die erreichten Sekundarschulab-schlüsse nichtsdestotrotz einen entscheidenden Einfluß, so dass in diesem Zusammen-hang – bei ausländischen wie bei deutschen Absolventen – Zweifel an der Verteilungsge-rechtigkeit des deutschen Bildungssystems angebracht sind.

Wie bei deutschen Sekundarschulabsolventen (vgl. hierzu Diefenbach & Klein 2002)bestehen auch bei ausländischen Sekundarschulabsolventen geschlechtsspezifische Unter-schiede: Über den Zeitraum von 1990/91 bis 2001/02 hinweg betrachtet haben im Durch-schnitt 23,7% der ausländischen Jungen und 16,1% der ausländischen Mädchen die Sekun-darstufe ohne einen Hauptschulabschluss verlassen. Etwa gleich viele ausländische Jungenund Mädchen (43% und 42%) haben sie mit einem Hauptschulabschluss verlassen. Bei denhöheren Abschlüssen, also der Mittleren Reife und der Fach-/Hochschulreife, sind die aus-ländischen Mädchen deutlich im Vorteil: 31% von ihnen gehen mit der Mittleren Reifeund 10,7% mit einer Fach-/ Hochschulreife ab, während die entsprechenden Anteile beiden ausländischen Jungen 25% bzw. 8,8% betragen (Diefenbach 2004).

2.5 Der Besuch von SonderschulenAn Sonderschulen sollen solche Schüler unterrichtet werden, die „sonderpädagogischenFörderbedarf“ haben. Die Kultusministerkonferenz der Länder in der BundesrepublikDeutschland hat hierzu in ihren „Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung inden Schulen in der Bundesrepublik Deutschland“ von 1994 folgendes festgestellt: „Son-derpädagogischer Förderbedarf ist bei Kindern und Jugendlichen anzunehmen, die in ih-ren Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten so beeinträchtigt sind, dass sie imUnterricht der allgemeinen Schule ohne sonderpädagogische Unterstützung nicht hinrei-chend gefördert werden können“ (Kultusministerkonferenz 1994: 5). Angesichts diesertautologischen Formulierung stellt sich die Frage, wie ein sonderpädagogischer Förderbe-darf festzustellen ist. Die Kultusministerkonferenz schreibt hierzu, es seien „Informatio-nen aus folgenden Bereichen wichtig: Erleben und Verhalten, Handlungskompetenzenund Aneignungsweisen, Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung, Entwicklung-und Leistungsstand, soziale Einbindung, Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit,individuelle Erziehung- und Lebensumstände, das schulische Umfeld und die Möglich-keiten seiner Veränderung, das berufliche Umfeld und die erforderlichen Fördermöglich-keiten“ (Kultusministerkonferenz 1994: 8). Wie diese Informationen gesammelt, bewer-tet und gewichtet werden sollen, bleibt jedoch offen, und diese Vagheit ist angesichts der

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Folgen, die es für einen Schüler hat, sonderpädagogischer Förderung unterworfen zu wer-den, bedauerlich. 90% der Schüler, denen sonderpädagogischer Förderbedarf attestiertwird, werden an Sonderschulen (und zwar allen Sonderschulen zusammen, d.h. Sonder-schulen für Lernbehinderte bzw. Sonderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen oder in-klusive solcher für Erziehungsschwierige und für Schüler mit körperlichen und geistigenBehinderungen) unterrichtet (Avenarius, Ditton, Döbert u.a. 2003: 57). Wer also sonder-pädagogischer Förderung anheim fällt, tritt in der Regel aus einer (statistisch) normalenBildungskarriere aus, was für die Betroffenen grundlegende Nachteile hinsichtlich ihrerChancen auf einen (höherwertigen) Bildungsabschluss und damit ihrer allgemeinen Le-benschancen bedeutet.

Die Überstellung an Sonderschulen für Lernbehinderte bzw. Sonderschulen mit demSchwerpunkt Lernen wird seit langem als wesentlicher Indikator für die Bildungsbeteili-gung und den Bildung(miss)erfolg von ausländischen Schülern betrachtet (u.a. von Reiser1981; Hopf 1987; Kornmann & Schnattinger 1989; Apitzsch 1990; 1994; Kronig 1996;Kornmann & Klingele 1996; Kornmann, Klingele & Iriogbe-Ganninger 1997; Korn-mann, Burgard & Eichling 1999; Kornmann & Neuhäusler 2001). Vergleicht man denAusländeranteil an allen Schulen mit dem Ausländeranteil an Sonderschulen mit demFörderschwerpunkt Lernen, dann ergibt die amtliche Bildungsstatistik das folgende Bildfür die Jahre 1991 bis 1999:

Wie Abbildung 4 zeigt, betrug der Anteil der ausländischen Schüler an allen Schülern imJahr 1991 8,8%, an Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen aber 15,8%.Während der Anteil der ausländischen Schüler an allen Schulen aber in den Folgejahrennur leicht gestiegen ist, nämlich auf 9,4% bis 1997, und danach gleich geblieben ist, ist der

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Abb. 4: Prozentualer Anteil ausländischer Schüler an allen Schülern und an Sonderschulenmit dem Förderschwerpunkt Lernen, 1991-1999

Quelle: Powell & Wagner 2001, Tabelle 1.1

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Anteil der ausländischen Schüler an Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernenstärker und kontinuierlich gestiegen, und zwar auf 17,7% im Jahr 1999.Ein Maß, das die Über- bzw. Unterrepräsentation von ausländischen Schülern an einembestimmten Schultyp in Bezug auf den Anteil der deutschen Schüler an demselben Schul-typ abbildet, ist der Relative Risiko-Index (RRI). Er wird gewonnen, indem man denQuotienten bildet aus den Anteilen der ausländischen Schüler, die deutsche Schulen bzw.Sonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen in einem Schuljahr besuchen, unddem Anteil der deutschen Schüler, die deutsche Schulen bzw. Sonderschulen mit demFörderschwerpunkt Lernen in demselben Schuljahr besuchen (vgl. hierzu Burgard 1998sowie Kornmann, Burgard & Eichling 1999).

Im Jahr 1984 gingen von allen deutschen Kindern 2,4%, von allen ausländischen Kin-dern aber 4,4% auf Sonderschulen für Lernbehinderte, was einem Relativen Risiko-Indexvon 1,83 entspricht (Kornmann & Schnattinger 1989: 196). Tabelle 1 zeigt, wie viele aus-ländische und deutsche Schüler in den Jahren 1991 bis 2000 deutsche Schulen besuchten,wie viele von ihnen jeweils Sonderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen besuchten undwie sich der Relative Risiko-Index entwickelt hat:

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Tabelle 1: Anzahl deutscher und ausländischer Schüler an allen Schulen und an Sonderschulenmit dem Förderschwerpunkt Lernen sowie Relativer Risiko-Index in den Jahren 1991-2000

Quelle: eigene Berechnungen auf der Basis der Angaben bei Powell & Wagner 2001, Tabelle 1.1, sowieKMK 2002a, Tabelle 4 (für das Jahr 2000)

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Tabelle 1 ist zu entnehmen, dass in allen berücksichtigten Jahren eine deutliche Überre-präsentation ausländischer Schüler gegenüber deutschen Schülern an Sonderschulen mitdem Förderschwerpunkt Lernen bestand: Ausländische Schüler besuchen etwa doppelt sohäufig eine Sonderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen wie deutsche Schüler unddurchlaufen dementsprechend nur halb so oft eine (statistisch) normale Bildungskarrierewie deutsche Schüler. Diesbezüglich bestehen allerdings große Unterschiede zwischen deneinzelnen Bundesländern und zwischen den verschiedenen Nationalitäten der ausländi-schen Schüler: Die größten Unterschiede zwischen ausländischen und deutschen Schü-lern hinsichtlich des Sonderschulbesuchs bestehen in Baden-Württemberg, Niedersach-sen und dem Saarland, und unter den verschiedenen Nationalitäten besuchen besondershäufig Kinder aus dem ehemaligen Jugoslawien, türkische sowie italienische Kinder Son-derschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (vgl. hierzu KMK 2002a, S. 42, Graphik21 sowie S. 43, Graphik 22).

Gomolla & Radtke (2000) haben festgestellt, dass ausländische Schüler häufig auf-grund mangelnder Deutschkenntnisse auf Sonderschulen überwiesen werden. „Jedochkann faktisch kein Beleg dafür gefunden werden, dass Sonderschulen besondere Kompe-tenzen in der Vermittlung von (Fremd-)Sprachen und der Anwendung von Didaktik be-sitzen, die zur Überwindung von Problemlagen nichtdeutscher Jugendlicher beitragen“(Powell & Wagner 2001: 19). Insofern verunmöglicht die Überweisung ausländischerKinder an Sonderschulen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse ihnen eine normaleBildungskarriere, ohne den mangelnden Deutschkenntnissen Abhilfe schaffen zu können.Wenn man sich außerdem vergegenwärtigt, dass in jedem Jahr seit 1991 insgesamt gut30% derjenigen, die in jedem Schuljahr die Sekundarstufe nach Beendigung der Vollzeit-schulpflicht ohne einen Hauptschulabschluss verlassen (vgl. KMK 2002b, S. 351, Tabel-len C I1.1 und C I 1.1.1) von Sonderschulklassen mit dem Förderschwerpunkt Lernenkommen, so ist hinreichend deutlich, inwiefern die Überstellung ausländischer Schüler anSonderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen aufgrund mangelnder Deutsch-kenntnisse eine klare Benachteiligung darstellt.

2.6 Fazit: Die ethnische Segmentation des deutschen Bildungssystemsals Resultat historischer Kontingenz

Die in den vorstehenden Abschnitten erfolgte Bestandsaufnahme über die Situation derSchüler aus Migrantenfamilien bzw. der ausländischen Schüler im deutschen Systemschulischer Bildung belegt eine Vielzahl von Nachteilen gegenüber deutschen Schülern,und zwar sowohl im Bereich vorschulischer institutioneller Betreuung als auch in den Be-reichen der Primar- und Sekundarschulbildung. Die wichtigsten diesbezüglichen Befundeseien nochmals stichwortartig zusammengestellt, wobei hier der Einfachheit halber vonMigrantenkindern die Rede sein soll, auch wenn es sich – je nach Datengrundlage – umausländische Kinder oder Kinder mit Migrationshintergrund handelt:• Migrantenkinder erfahren gegenüber deutschen Kindern weniger vorschulische Be-

treuung;• Migrantenkinder werden deutlich häufiger als deutsche Kinder von der Einschulung

zurückgestellt;

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• Migrantenkinder bekommen deutlich häufiger als deutsche Kinder eine Grundschul-empfehlung für die Hauptschule und deutlich seltener als deutsche Kinder eine Grund-schulempfehlung für die Realschule oder das Gymnasium;

• Migrantenkinder treten von der Grundschule deutlich häufiger als deutsche Kinder ineine Hauptschule über und deutlich seltener als deutsche Kinder in eine Realschuleoder ein Gymnasium;

• Migrantenkinder haben eine deutlich geringere Lesekompetenz als deutsche Kinder,auch wenn sie in Deutschland geboren wurden oder im Ausland geboren wurden, aberihre gesamte Schullaufbahn in Deutschland durchlaufen haben;

• Migrantenkinder bleiben deutlich häufiger als deutsche Kinder ohne einen Haupt-schulabschluss; der prozentuale Anteil von Migrantenkindern, die ohne Hauptschulab-schluss bleiben, entspricht dem prozentualen Anteil von deutschen Kindern, die einenHauptschulabschluss erwerben (nämlich 20%);

• Migrantenkinder erwerben deutlich häufiger als deutsche Kinder einen Hauptschulab-schluss und seltener einen Realschulabschluss oder eine Fach-/Hochschulreife;

• Im Zeitverlauf gesehen hat der Anteil der Migrantenkinder, die einen Hauptschulab-schluss erwerben, leicht abgenommen, während der Anteil der Migrantenkinder, die ei-nen höherwertigen Abschluss erreicht haben, leicht zugenommen hat. Aber der Anteilder Migrantenkinder, der ohne Hauptschulabschluss bleibt, liegt stabil bei 20%;

• Zwischen den Alten Bundesländern bestehen große Unterschiede hinsichtlich der Se-kundarschulabschlüsse, die Migrantenkinder erreichen (wobei Migrantenkinder inNRW, Bremen und Hamburg am häufigsten höherwertige Abschlüsse erzielen, am sel-tensten in Bayern, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Baden-Württemberg und inSchleswig-Holstein);

• Bei Migrantenkindern (ebenso wie bei deutschen Kindern) erwerben Mädchen häufi-ger höherwertige Schulabschlüsse als Jungen und bleiben seltener ohne Hauptschulab-schluss;

• Migrantenkinder besuchen doppelt so häufig Sonderschulen mit dem SchwerpunktLernen wie deutsche Kinder;

• Vergleiche zwischen verschiedenen Nationalitäten unter den Migranten oder Auslän-dern hinsichtlich verschiedener Indikatoren zeigen, dass türkische und italienische Kin-der im deutschen Schulsystem am schlechtesten gestellt sind, gefolgt von Kindern ausdem ehemaligen Jugoslawien.

Weil im stark hierarchisch gegliederten Schulsystem Deutschlands Nachteile zu einemfrüheren Zeitpunkt bzw. auf früheren Stufen der Bildungskarriere die Ausgangspositio-nen zu späteren Zeitpunkten bzw. an späteren Schwellen in der Bildungskarriere deutlichverschlechtern und Wechsel zwischen Schulformen nur eingeschränkt möglich, riskantund in vielerlei Hinsicht aufwendig sind, es sich hier also um eine historische Kontingenzhandelt, ist es nicht verwunderlich, dass sich Nachteile von Migrantenkindern gegenüberdeutschen Kindern gleichermaßen bei der vorschulischen institutionellen Betreuung, imPrimarschulbereich und im Bereich der Sekundarschulbildung feststellen lassen. Im Ver-lauf ihrer Bildungskarriere werden Migrantenkinder bzw. ausländische Schüler von deut-schen Schülern immer stärker getrennt, so dass im Ergebnis eine ethnische Differenzie-rung entsteht, und zwar insofern als ausländische und deutsche Schüler zumindest teilwei-

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se parallele Schülerschaften darstellen mit jeweils deutlich häufiger von den einen als vonden anderen erreichten Abschlüssen, besuchten Schultypen oder Typen von Klassen (z.B.Regel- oder Förderklassen) und dementsprechend mit jeweils mehr oder weniger binnen-ethnischen, zumindest aber nach dem Merkmal “Deutsch”-“Nicht-Deutsch” getrenntenMilieus. Insofern ist das deutsche Bildungssystem ethnisch segmentiert.

3. Wie ist die ethnische Segmentation des deutschen Bildungssystemszu erklären?

Aufbauend auf den ersten Befunden über die Nachteile ausländischer Schüler im deut-schen Bildungssystem (insbesondere bezüglich ihrer höheren Überstellungsrate an Son-derschulen für Lernbehinderte; vgl. Hopf 1981; Reimer 1981) aus den 70er Jahren wur-den probeweise Erklärungen formuliert, die vorrangig mit der „Fremdheit“ der ausländi-schen Familien argumentierten: Ihnen wurde nicht nur eine Unkenntnis der bundesdeut-schen institutionellen und gesellschaftlichen Verhältnisse konstatiert, sondern auch einkulturelles „Anders-Sein“, das mit den Werten der bundesrepublikanischen Gesellschaftals zumindest teilweise unvereinbar betrachtet wurde. Dieser Gedanke liegt der kultu-rell-defizitären Erklärung für die Nachteile der Migranten- bzw. ausländischen Kinder imdeutschen Bildungssystem zugrunde.

3.1 Die kulturell-defizitäre ErklärungIn Bezug auf den mangelnden Schulerfolg von Kindern oder Jugendlichen aus Migranten-familien in Deutschland wurde die Herkunft „der“ Migranten aus vormodernen Gesell-schaften als eine Ursache ausgemacht (vgl. hierzu z.B. Rosen & Stüwe 1985). So argumen-tieren Leenen, Grosch & Kreidt (1990: 760/761), türkische Migranten hätten eine tradi-tionelle Haltung dem Lernen und der Schule gegenüber, entsprechend derer das Auswen-diglernen und die absolute Autorität der Lehrer in allen Fragen des schulischen Betragensund Erfolges der Kinder selbstverständlich sei. Diese „traditionelle Haltung zum Wissenist autoritativ-sachgebunden, die moderne Haltung instrumentell und individualistisch“(Leenen, Grosch & Kreidt 1990: 762), so dass Migranteneltern „Skepsis und Mißtrauen“(Leenen, Grosch & Kreidt 1990: 760) der deutschen Schule gegenüber konstatiert wird.In einem solchen heimischen Klima würden die Kinder entweder die ablehnende Einstel-lung der Eltern zur Schule reproduzieren, oder sie müssten sich unter Austragung einesKultur- und Generationenkonfliktes selbst platzieren: „‘Selbstplatzierung‘ meint also, dassdiese Gruppe [der schulerfolgreichen Jugendlichen; H. D.] einen großen Bereich familiä-rer Platzierungsleistungen selbst übernehmen muß: die Vertretung ihrer Interessen gegen-über schulischen Instanzen, die Konkretisierung allgemeiner Berufs- und Bildungszieleund ihre Übersetzung in Entscheidungen hinsichtlich Schulformen und -laufbahnen“(vgl. Leenen, Grosch & Kreidt 1990: 762). Gemeint ist – trotz der von den Autoren ge-wählten Formulierung – sicher nicht, dass nur bildungserfolgreiche Migrantenkinder sichselbst platzieren müssten, sondern, dass nur die bildungserfolgreichen dies geschafft haben– sonst wären sie ja nicht erfolgreich gewesen!

Wenn die Mehrzahl der türkischen Migrantenkinder in der deutschen Schule nicht er-folgreich ist, dann liegt dies – dieser Argumentation folgend – also daran, dass sie auf-grund ihres kulturellen Erbes dort nicht erfolgreich sein können, außer, sie verfügen über

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ausreichende Selbstplatzierungsfähigkeiten, was ein gewisses Ausmaß an individuellerModernisierung, Individualisierung und damit Akkulturation voraussetzt. Nach Leenen,Grosch & Kreidt (1990: 765) ergibt sich hieraus ein Generationenkonflikt, denn: „Die‚bildungserfolgreichen‘ Jugendlichen entwickeln durch den längeren Verbleib im deut-schen Bildungssystem und durch die intensivere Auseinandersetzung mit modernen Per-sönlichkeitsidealen Grundorientierungen der Lebensgestaltung, die sich von den traditio-nellen Vorstellungen der Elterngeneration entfernen“. Um im deutschen Bildungssystemerfolgreich sein zu können, müssen Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien alsoihre kulturellen „Defizite“ gegen den Widerstand ihrer Eltern überwinden, sich also imZuge eines Akkulturationsprozesses „modernisieren“, und denjenigen, denen dies nichtgelingt, versucht(e) die sog. Ausländerpädagogik Hilfe zu leisten. Interessanterweisescheint die Möglichkeit, kulturelle Werte von Migranten könnten Bildungserfolg beför-dern statt ihn zu behindern, in der deutschsprachigen Literatur m.W. nicht formuliertworden zu sein, während dies in der U.S.-amerikanischen Literatur durchaus der Fall ist.Z.B. führen Sue & Okazaki (1990) den Erfolg asiatischer Migranten in den USA auf ent-sprechende kulturelle Werte zurück. Daran anknüpfend könnte man die Frage stellen, obder Erfolg griechischer Migranten in Deutschland ebenfalls auf spezifische kulturelle Wer-te zurückzuführen ist. Die Fixierung auf bildungsunerfolgreiche Migranten in Deutsch-land (vor allem auf türkische Migranten) hat jedoch bislang eine solche Fragestellung ver-unmöglicht.

Hier ist kein Raum die methodischen und argumentativen Mängel der Studie von Lee-nen, Grosch & Kreidt (1990) oder der Ausländerpädagogik zu erläutern. Eine detaillierteund überzeugende Kritik der kultur-defizitären Erklärungen für den mangelnden Schul-erfolg von Kindern aus Migrantenfamilien haben bereits Diehm & Radtke (1999) vorge-legt, und es mag an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass empirische Belege für verschie-dene Varianten der kultur-defizitären Erklärung ausstehen (Bender-Szymanski & Hesse1987). Insbesondere bleibt ungeklärt, warum es – neben türkischen Kindern – italienischeKinder sind, die im deutschen Bildungssystem so schlecht abschneiden: Im Fall italieni-scher Migrantenfamilien dürfte man wohl von einer insgesamt größeren kulturellen Nähezur deutschen Gesellschaft ausgehen als im Fall türkischer Migrantenfamilien, und es istsicher wenig plausibel, für Italiener eine traditionelle, nämlich autoritativ-sachgebundeneHaltung zum Wissen im Sinne von Leenen, Grosch & Kreidt (1990) zu vermuten.

Weiter wäre zu erwarten, dass Migrantenkinder oder -jugendliche erfolgreicher imdeutschen Schulsystem sind, wenn sie in Deutschland geboren oder sozialisiert wurdenund man daher annehmen darf, dass ihre kulturelle Basispersönlichkeit, die die kul-tur-defizitäre Erklärung unterstellt (vgl. hierzu Claessens 1972), in Deutschland gebildetwurde. Zwar ist empirisch belegt, dass Migrantenkinder um so bessere Chancen im Bil-dungssystem haben, je niedriger ihr Einreisealter bzw. das Alter ist, in dem sie in das deut-sche Bildungssystem eingetreten sind (Esser 1990; Nauck, Diefenbach & Petri 1998),und dass sog. Bildungsinländer (d.h. in Deutschland geborene oder vor ihrem siebten Le-bensjahr nach Deutschland gewanderte ausländische Schüler) höherwertige Sekundar-schulabschlüsse erreichen als Migranten im Allgemeinen, jedoch erreichen sie keine dendeutschen Schülern vergleichbaren Bildungsabschlüsse. Außerdem bleiben auch dann,wenn man nur Bildungsinländer betrachtet, statistisch signifikante Unterschiede zwi-schen verschiedenen Nationalitäten bestehen (Haug 2002: 127/128).

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Insgesamt gesehen muß man den verschiedenen Varianten der kultur-defizitären Erklä-rung daher den Status von Plausibilisierungen bescheinigen, die auf bestimmte in Deutsch-land verbreitete Bilder vom ‚typischen‘ Leben in einer muslimischen oder südeuropäischenGesellschaft oder Familie zurückgreifen, um Deutschen nachvollziehbar zu machen, warumIntegration für „die“ Migranten schwierig sei, und nebenbei die „ethnische Ordnung vonDominanz und Subordination“ (Diehm & Radtke 1999: 85) ebenso wie die „Bedeutungder eigenen Arbeit [von Sozialpädagogen] zu unterstreichen und einen immer unzureichen-den Ressourcenbedarf“ (Diehm & Radtke 1999: 90) zu legitimieren.

3.2 Die humankapitaltheoretische ErklärungEbenfalls auf Defizite der Migrantenkinder bzw. Defizite ihrer Herkunftsfamilien rekur-rieren humankapitaltheoretische Erklärungen für ihren im Vergleich zu deutschen Kin-dern deutlich geringeren Schul- und Berufserfolg. In der Bildungsökonomie bezeichnet„Humankapital“ alle Investitionen, die in einen Menschen im Verlauf seiner Erziehungund Ausbildung gemacht werden und die ihm monetäre oder nicht-monetäre Erträgebringen: „Schooling, a computer training course, expenditures on medical care, and lectu-res on the virtues of punctuality and honesty are capital too in the sense that they improvehealth, raise earnings, or add to a person’s appreciation of literature over much of his or herlifetime. Consequently, it is fully in keeping with the capital concept as traditionally defi-ned to say that expenditures on education, training, medical care, etc., are investments incapital. However, these produce human, not physical or financial, capital because youcannot separate a person from his or her knowledge, skills, health, or values the way it ispossible to move financial and physical assets while the owner stays put“ (Becker 1993a:15/16). Die familiäre Sozialisation wird als besonders bedeutsam für die Akkumulationvon Humankapital betrachtet, weil Eltern ihren Kindern grundlegende Wissensbestände,Werte und Gewohnheiten, die dem Erfolg in den Bildungsinstitutionen oder auf dem Ar-beitsmarkt zu- oder abträglich sind, vermitteln. Dies gelingt um so besser, je mehr Hum-ankapital die Eltern ihrerseits aufzuweisen haben. Als Indikatoren dieses Humankapitalsgelten vor allem die Bildungsabschlüsse der Eltern und ihr Einkommen bzw. das Haus-haltseinkommen (Krüsselberg, Auge & Hilzenbecher 1986: 115). Weil die familiärenRessourcen wie Zeit, Zuwendung und Geld auf mehrere „Köpfe“ verteilt werden müssen,wenn mehrere Kinder in der Familie leben, wird außerdem angenommen, dass sich Ge-schwister (bzw. eine höhere Anzahl von Geschwistern) negativ auf die Akkumulation vonHumankapital in einem Kind auswirken (Becker 1993a: 21-23; Leibowitz 1977).

Übertragen auf die Aggregatebene bedeutet dies, dass Bildung- oder Einkommensun-terschiede zwischen Gruppen von Personen auf differentielle Investitionen bzw. differen-tielle Akkumulation von Humankapital in diesen Gruppen von Personen zurückgeführtwerden (Leibowitz 1974). Für Einkommensunterschiede zwischen Angehörigen verschie-dener ethnischer Gruppen in den USA stellt Becker (1993a: 23) fest: „It should come asno surprise that children from the ethnic groups with small families and large investmentsin human capital typically rise faster and further in the United States’ income-occupationhierarchy than do children from other groups”. Entsprechend wäre der geringe Schuler-folg von Migrantenkindern im Vergleich zu deutschen Kindern ein Ergebnis systematischgeringerer familiärer Ressourcen in Migrantenfamilien als in deutschen Familien: WeilMigranteneltern eine geringere Bildung und ein geringeres Einkommen sowie mehr Kin-

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der haben als Eltern deutscher Kinder, stehen für die Akkumulation von Humankapitel inden Kindern von Migranteneltern weniger Ressourcen zur Verfügung, und dies wirkt sichim geringeren Bildungserfolg von Migrantenkindern aus, der sich wiederum in geringerenErfolg auf dem Arbeitsmarkt übersetzt.

Empirische Studien haben die Grundannahmen der Humankapitaltheorie nur teilweisebestätigt: Für die USA konnte z.B. Becker (1993a; 1993b) zeigen, dass die Bildung von Kin-dern tatsächlich positiv mit der Bildung ihrer Eltern korreliert, die Bildung von Eltern posi-tiv mit dem Haushaltseinkommen korreliert, Kinder aus einkommensschwachen Familienmehr Zeit brauchen, bis sie einen Bildungsabschluss erreichen, als Kinder aus Familien mithöherem Einkommen und dass mit der Anzahl der Kinder in einer Familie eine Reduktiondes Zeit- und Güterinputs je Kind einhergeht. Ein Test der humankapitaltheoretischenGrundannahmen für deutsche Kinder und Kinder aus Migrantenfamilien, den Nauck, Die-fenbach, Petri (1998) vornahmen, ergab jedoch eine deutlich bessere Bestätigung in Bezugauf die Wahrscheinlichkeit deutscher Kinder, einen bestimmten Schulabschluss zu errei-chen. Eine Ausnahme stellt in dieser Studie der erwartete Effekt der Anzahl der Kinder imHaushalt dar, der bei deutschen Familien nicht bestätigt werden konnte, während im Rah-men der PISA 2000-E-Studie festgestellt werden konnte, dass „für die individuellen Bil-dungschancen ... die Zahl der Geschwister somit keineswegs unbedeutend [ist]. Vielmehrgilt in 8 von 14 Ländern, dass mit steigender Geschwisterzahl die individuellen Chancen aufeine gymnasiale Bildungsbeteiligung sinken“ (Baumert, Artelt, Klieme u.a. 2003: 79).Nauck, Diefenbach, Petri (1998: 713) haben für Migrantenfamilien festgestellt: „Je höherdie Anzahl der Kinder im Haushalt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Jugendli-chen, einen weiterführenden Schulabschluss zu erreichen“. Abgesehen von diesem Zusam-menhang ergab sich für Migrantenfamilien, „dass der Bildungserfolg von Jugendlichen ausMigrantenfamilien – anders als bei deutschen Jugendlichen – in einem zwar signifikant po-sitiven, aber außerordentlich geringen Zusammenhang mit dem ökonomischen und kultu-rellen Kapital der Herkunftsfamilie steht“ (Nauck, Diefenbach, Petri 1998: 713). Weil alsobei deutschen Familien sowohl die Bildung der Eltern als auch das Einkommen die Wahr-scheinlichkeit eines Kindes, einen bestimmten Schulabschluss zu erreichen, beeinflussen,während dies bei Migrantenfamilien nicht der Fall ist, kann die Behauptung, nach der dermangelnde Schulerfolg von Kindern aus Migrantenfamilien ihrer Zugehörigkeit zu den un-teren sozialen Schichten (und nicht ihrer Migrationsbiographie bzw. ihrer Nationalität) ge-schuldet sei, zurückgewiesen werden.

Die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen der Elternund schulischer Platzierung bzw. Schulerfolg der Kinder bei Migrantenfamilien nurschwach ist, hängt vermutlich damit zusammen, dass Migrantenfamilien ihr in der Her-kunftsgesellschaft akkumuliertes Humankapital (z.B. einen bestimmten Bildungstitel) inder Aufnahmegesellschaft nicht zum Einsatz bringen können, weil es dort einfach nichtgefragt ist (wenn z.B. ein bestimmter im Herkunftsland erworbener Bildungstitel im Auf-nahmeland nicht anerkannt wird). Tatsächlich spielte die formale Bildung von Arbeitsmi-granten im Zuge der Anwerbung durch die Bundesregierung in den 60er Jahren – andersals z.B. in der Einwanderungspolitik Kanadas – keine Rolle. Für die soziale Platzierungvon Migranten und die Chancen ihrer Kinder im Schulsystem des Aufnahmelandes istalso nicht nur von Bedeutung, wieviel oder welche Art von Humankapital sie mitbringen;ebenso wichtig ist, ob es in der Aufnahmegesellschaft direkt einsetzbar ist oder in eine

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Form transferiert werden kann, die in der Aufnahmegesellschaft nutzbar gemacht werdenkann. In Abhängigkeit hiervon ergeben sich für Migrantenfamilien verschiedene Strate-gien der sozialen Platzierung, die gleichermaßen zum (finanziellen) Erfolg führen könnenund nicht notwendigerweise eine Bildungskarriere im Aufnahmeland involvieren (Die-fenbach & Nauck 1997). Damit verschiebt sich die Perspektive weg von den individuellenMerkmalen der Migranten(familien) und hin zu den gesellschaftlichen Bedingungen, diesie vorfinden und mit denen sie sich arrangieren müssen.

3.3 Die Erklärung durch Merkmale der Schule oder SchulklasseWenn es gilt, differentielle Bildungsbeteiligung oder differentiellen Bildungs(miß)erfolgzu erklären, müssen neben den individuellen Merkmalen der Schüler und ihrer Familienauch sog. Kontextmerkmale oder genauer: Merkmale des Kontextes, in dem sich die tägli-chen Lernprozesse tatsächlich abspielen, berücksichtigt werden. Zu ihnen gehören Merk-male des Unterrichts, den ein Kind bekommt, ebenso wie Merkmale der Schule und derKlasse(n), die ein Kind besucht, weil Letztere den Unterricht und seine Effizienz, beein-flussen (Baumert, Klieme, Neubrand u.a. o.J.: 12). Diesen Kontextmerkmalen kommtdeshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie im Rahmen bildungspolitischer Interven-tionen direkt beeinflußt werden können. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dasssie bei weitem nicht so gut erforscht sind wie man vermuten sollte und wie es wünschens-wert wäre, insbesondere im Hinblick auf die Bildungsbeteiligung und den Bildungserfolgvon ausländischen oder Migrantenkindern. (Einen Überblick über die empirische Schul-entwicklungsforschung in Deutschland geben Helmut Fend (1998) und Hartmut Ditton(2000)). Verschiedene Einzelbefunde hierzu seien im Folgenden zusammengestellt.

Aufgrund der hierarchischen Struktur des Schulsystems in Deutschland sind mit demBesuch eines bestimmten Schultyps Kontextbedingungen verbunden, die Schüler gegen-über anderen Schülern privilegieren. Z.B. besteht ein starker Zusammenhang zwischender besuchten Schulform und dem erreichbaren Schulabschluss (vgl. hierzu Avenarius,Ditton, Döbert u.a. 2003: 179/180). Wie in den Abschnitten 2.2 und 2.4 des vorliegen-den Beitrags gezeigt, besucht eine deutliche Mehrheit der ausländischen Schüler nach derGrundschule eine Hauptschule und erreicht auch einen entsprechenden Abschluss, wäh-rend eine ebenso deutliche Minderheit ein Gymnasium besucht und einen Fachhoch-schulabschluss oder ein Abitur erreicht. Weil Integrierte Gesamtschulen ihren Schülernalle Typen von Schulabschlüssen bieten, also alle Typen von Schulabschlüssen theoretischerreichbar sind, stellt sich bei ihnen mehr als bei anderen Schultypen die Frage nach denvon den Schülern tatsächlich erreichten Schulabschlüssen. Um die Frage zu klären, obSchüler im Hinblick auf ihren Sekundarschulabschluss vom Besuch einer Integrierten Ge-samtschule profitieren oder nicht, hat Diefenbach (2003) die Differenzen errechnet, diezwischen Schülern, die von Integrierten Gesamtschulen abgegangen sind, und Schülern,die von Sekundarschulen des dreigliedrigen Schulsystems zusammengenommen – beste-hend aus Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien – abgegangen sind, hinsichtlich desvon ihnen erreichten Schulabschlusses bestehen. Abbildung 5 zeigt die entsprechendenDifferenzen für ausländische Schulabgänger. Ein positiver Wert ergibt sich, wenn ein hö-herer prozentualer Anteil von ausländischen Absolventen der Sekundarstufe einen be-stimmten Abschluss an Integrierten Gesamtschulen als an den Schulen des dreigliedrigenSchulsystems erwirbt; ein negativer Wert ergibt sich im umgekehrten Fall.

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Wie man sieht, haben in jedem einzelnen Schuljahr innerhalb des Beobachtungszeitraumsvon 1990/91 bis 1999/2000 mehr ausländische Schüler, die von Integrierten Gesamt-schulen abgehen, als ausländische Schüler, die von Schulen des dreigliedrigen Schulsys-tems abgehen, die (Fach-/) Hochschulreife (nämlich 4,25% mehr im Durchschnitt überden Beobachtungszeitraum) oder den Realschulabschluss (11,05% mehr) erworben, wäh-rend es sich in Bezug auf den Hauptschulabschluss (10,3% weniger Absolventen von Inte-grierten Gesamtschulen als von Schulen des dreigliedrigen Schulsystems) und diejenigen,die die Sekundarstufe ohne Hauptschulabschluss verlassen (5% weniger), umgekehrt ver-hält.

Ausländische Schüler erreichen auf Integrierten Gesamtschulen also tatsächlich überden gesamten Beobachtungszeitraum hinweg konsistent höhere Bildungsabschlüsse alsauf Sekundarschulen mit einem Bildungsgang, und sie gehen von Integrierten Gesamt-schulen seltener ohne einen Hauptschulabschluss ab, so dass der Besuch einer IntegriertenGesamtschule für ausländische Schüler gegenüber dem Besuch einer Schule des dreiglied-rigen Systems vorteilhaft ist. (Allerdings ist auch erkennbar, dass diese Vorteile ausländi-scher Schüler, die von Integrierten Gesamtschulen abgegangen sind, seit dem Schuljahr1990/91 ingesamt gesehen geringer geworden sind.)

Ergänzend sei berichtet, dass eine geschlechtsspezifische Analyse nur geringfügige Un-terschiede zwischen ausländischen Jungen und ausländischen Mädchen ergeben hat: Bei-

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Abb. 5: Differenzen zwischen den prozentualen Anteilen ausländischer Absolventen von Inte-grierten Gesamtschulen einerseits und von Sekundarschulen des dreigliedrigen Schulsystems an-dererseits in den Schuljahren 1990/91 bis 1999/2000 nach erreichten Schulabschlüssen

Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

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de Geschlechter erreichen auf Integrierten Gesamtschulen eher höherwertige Abschlüsseals auf Schulen des dreigliedrigen Schulsystems (bei Deutschen ist dies übrigens umge-kehrt; vgl. Diefenbach 2003).

Merkens (1990) hat darauf hingewiesen, dass Integrierte Gesamtschulen eine Mög-lichkeit für Migrantenfamilien darstellen, den ggf. vorhandenen Konflikt zwischenGrundschulempfehlung und eigenen Bildungsaspirationen für das Kind zu lösen: „WennSchüler bzw. Eltern beim Übergang von der Primarschule zur Sekundarstufe I die Schul-form Gymnasium oder Realschule wünschen, die Grundschulempfehlung beim WunschGymnasium aber höchstens Realschule und bei der Realschule Hauptschule lautet, dannwird dieser Konflikt aufgelöst, indem die Gesamtschule gewählt wird...“ (Merkens 1990:243/244). Tatsächlich besuchen größere Anteile ausländischer Schüler als deutscherSchüler Integrierte Gesamtschulen: Im Durchschnitt der Jahre 1992 bis 2001 besuchten14% der ausländischen Schüler und 9,9% der deutschen Schüler Integrierte Gesamtschu-len. Es sei darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich Unterschiede zwischen den verschie-denen Bundesländern gibt: Zwar trifft es zu, dass in den meisten Bundesländern größereAnteile ausländischer als deutscher Schüler Integrierte Gesamtschulen besuchen, aber inBerlin, Bremen und Schleswig-Holstein sind die entsprechenden Anteile in etwa ausgegli-chen, und in Bremen besucht ein größerer Anteil deutscher Schüler als ausländischerSchüler eine Integrierte Gesamtschule (vgl. KMK 2002a: S. 37, Graphik 17).

Es ist zu vermuten, dass ein noch größerer Anteil von ausländischen Schülern auf Inte-grierte Gesamtschulen entfallen würde, hätten nicht viele städtische Integrierte Gesamt-schulen einen Nachfrageüberhang, der sie zu einer Aufnahmeselektion zwingt, bei der u.a.eine Ausländerquote zum Tragen kommt (z.B. in Bielefeld: Gomolla & Radtke 2002:249-251).

Damit ist ein weiteres Kontextmerkmal schulischen Lernens angesprochen, das in derForschung Beachtung gefunden hat, nämlich die Zusammensetzung der Schülerschaft ineiner Schule und in den Klassen, in denen unterrichtet wird. Im vorliegenden Beitrag istinsbesondere die ethnische Zusammensetzung von Schulklassen von Interesse, über derenEffekte auf den Schulerfolg in der Literatur einige Erwartungen formuliert worden sind.Die Grundidee, die diesen Zusammenhang plausibel machen soll, ist, dass die ethnischeZusammensetzung der Schülerschaft nicht direkt auf den Schulerfolg einzelner Schülerwirkt, sondern vermittelt über verschiedene Größen, wie z.B. die Entwicklung spezifi-scher Gruppennormen und Normalitätsstandards (Caldas & Bankston 1997) oder dieQualität des Unterrichtes (Rüesch 1998). Die wenigen deutschen Studien, die den Zu-sammenhang zwischen ethnischer Zusammensetzung von Schulklassen und dem Schuler-folg der Schüler in diesen Klassen untersucht haben, haben einen solchen tatsächlich bele-gen können, aber nicht in konsistenter Weise:• Im Rahmen der PISA 2000-E-Studie wurde festgestellt, dass in Schulen ab einem An-

teil von 20% Schülern mit Migrationshintergrund, deren Umgangssprache in der Fa-milie nicht Deutsch ist, schwächere Leistungen im Lesen erzielt wurden, mit einem hö-heren Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund aber keine weitere Verschlechte-rung der erzielten Leistungen einhergeht (Stanat 2003: 256). Auf der Ebene der einzel-nen Bundesländer läßt sich ebenfalls kein linearer Zusammenhang zwischen dem pro-zentualen Anteil von Schülern aus Zuwandererfamilien in den Schulen und dem imDurchschnitt erreichten Leistungsniveau ausmachen: „Für einige Länder scheint zwar

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ein solcher Trend zu erkennen zu sein, dieser wird jedoch wiederum durch die mittle-ren Leistungsergebnisse im Saarland und in Schleswig-Holstein durchbrochen, dietrotz des eher geringen Migrantenanteils in ihren Schulen vergleichsweise niedrig sind“(Stanat 2003: 258).“

• Kristen (2002) hat in ihrer bereits in Abschnitt 2.2 erwähnten Studie einen Effekt desAnteils ausländischer Kinder in der Schulklasse auf die Chance, nach der Grundschuleauf eine Realschule oder ein Gymnasium statt auf eine Hauptschule zu wechseln, fest-gestellt: Türkische und (besonders) italienische Kinder haben eine um so geringereChance, von der Grundschule auf eine Realschule oder ein Gymnasium zu wechseln, jemehr ausländische Kinder in ihrer Grundschulklasse sind (Kristen 2002: 548).

Abgesehen von diesen beiden Studien, die den Zusammenhang zwischen ethnischer Zu-sammensetzung der Schülerschaft in der Schule und den Leseleistungen bzw. zwischender Zusammensetzung der Schülerschaft der Grundschulklasse und dem besuchten Se-kundarschultyp prüfen, liegen verschiedene Studien vor, die zwar nicht den Zusammen-hang zwischen schulischen Leistungen und der ethnischen Zusammensetzung der Schü-lerschaft testen, sich also nicht direkt auf ein Merkmal des schulischen Umfeldes beziehen,aber die schulischen Leistungen von ausländischen Schülern mit der Häufigkeit ihresKontaktes zu deutschen Schülern oder mit der ethnischen Konzentration im Wohngebietin Zusammenhang bringen: Die Untersuchung von Esser (1990) zur Schulkarriere von463 türkischen und 431 jugoslawischen Kindern ergibt allerdings keinen statistisch signi-fikanten Effekt der ethnischen Konzentration im Wohnviertel auf die Schulkarriere desKindes (Esser 1990: 141/142). Dagegen konnten Röhr-Sendlmeier (1986) und Abele(1988) in ihren Studien zeigen, dass der häufige Kontakt ausländischer Schüler zu ihrendeutschen Mitschülern mit besseren schulischen Leistungen der ausländischen Schülerzusammenhängt.

Diese – wenigen – Befunde zeigen immerhin, dass der Zusammenhang zwischen derethnischen Zusammensetzung einer Schülerschaft oder allgemein der ethnischen Konzen-tration im Umfeld von ausländischen Schülern und ihrem Schulerfolg nicht ohne Weite-res als Kausalzusammenhang zu interpretieren ist. Es wäre notwendig, diejenigen Mecha-nismen zu ermitteln, die den Zusammenhang herstellen, weil mit der ethnischen Zusam-mensetzung einer Schülerschaft andere Aspekte der Zusammensetzung einer Schüler-schaft konfundiert sind, die das Leistungsniveau und mithin den Schulerfolg von Schü-lern in Schulen oder Klassen mit einem bestimmten Anteil von ausländischen Schülernoder Schülern mit Migrationshintergrund senken.

Angesichts des Wenigen, was die empirische Forschung zu den Effekten der ethni-schen Zusammensetzung der Schülerschaft auf den Schulerfolg von Schülern aussagt,scheint es – gelinde gesagt – voreilig, wenn Politiker eine Quote für ausländische Schüleran Schulen oder in Schulklassen fordern, wie dies z.B. die CSU-Fraktion Bayerns oderNiedersachsens Regierungschef früherer Sigmar Gabriel von der SPD getan haben.

3.4 Die Erklärung durch institutionelle DiskriminierungErst seit kurzer Zeit widmen sich Migrations- oder Bildungsforscher den Bildungsinstitutio-nen, ihren Erwartungen an die Schülerschaft und ihren Selektionsmechanismen, um denmanglenden Erfolg von Migrantenkindern im deutschen Bildungssystem zu erklären. Em-

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pirische Studien hierzu sind bislang selten und hinsichtlich ihres Geltungsbereiches auf-grund der (aus praktischen Gründen notwendigen) Beschränkung auf bestimmte Schulenin bestimmten Städten oder einem bestimmten geographischen Raum beschränkt: Gomolla& Radtke (2000; 2002) haben in Bielefeld auf der Grundlage von Interviews mit und Gut-achten von Lehrern, Schulleitern und Repräsentanten der Schulbehörden untersucht, wieDiskriminierung von Migrantenkindern als Ergebnis organisatorischen Handelns in Schu-len im Zusammenhang mit einwanderungs- und bildungspolitischen Rahmenbedingungenentsteht, und dabei besonders die Einschulung, die Überweisung auf eine Sonderschule fürLernbehinderte und den Übergang in die Sekundarstufe am Ende der Grundschulzeit be-trachtet. Sie kommen zu dem Resultat, dass tatsächlich „Schulerfolg oder -mißerfolg nichtnur von den eigenen Leistungen der SchülerInnen, sondern auch von Entscheidungsprakti-ken der Schulen abhängen, die in ihre institutionellen und organisatorischen Struktureneingelassen sind“ (Gomolla & Radtke 2002: 334).

Einen indirekten Hinweis auf institutionelle Diskriminierung gibt auch die bereitsmehrfach erwähnte Studie von Kristen (2002): Für den Übergang von der Grundschuleauf einen bestimmten Typ von Sekundarschule sind sowohl bei ausländischen Kindern alsauch bei deutschen Kindern die Noten in Mathematik und Deutsch entscheidend, undausländische Kinder haben deutlich schlechtere Deutschnoten als deutsche Kinder (unddeutlich schlechtere Deutschnoten als Mathematiknoten), so dass der deutlich häufigereWechsel von ausländischen Kindern als von deutschen Kindern auf die Hauptschuledurch ihre schlechteren Noten in Deutsch erklärt werden kann. Allerdings bleiben Unter-schiede zwischen ausländischen Kindern und deutschen Kindern sowie zwischen auslän-dischen Kindern verschiedener Nationalitäten bestehen, wenn die Schulnoten kontrol-liert werden: „Insgesamt kann ... geschlossen werden, dass die ethnische Herkunft für dieFrage, ob ein Kind auf die Hauptschule wechseln wird oder nicht, eine bedeutsame Rollespielt; wenn es allerdings um die Frage geht, ob ein Kind die Realschule oder das Gymna-sium besuchen wird, dann verliert die ethnische Zugehörigkeit an Gewicht” (Kristen2002: 545). Im Hinblick auf die Frage, warum die ethnische Herkunft eines Kindes nachKontrolle seiner Schulnoten einen Einfluss darauf haben sollte, ob es die Hauptschuleoder eine weiterführende Sekundarschule (also eine Realschule oder ein Gymnasium) be-sucht, „scheint der Verweis auf Diskriminierungen seitens der Schule nahe zu liegen”(Kristen 2002: 549). Die Autorin gibt allerdings zu bedenken, dass „auch andere, bislangnicht kontrollierte Faktoren, für den Fortbestand derartiger Unterschiede verantwortlichsein können” (Kristen 2002: 549). Auch diese Einschränkung der Autorin rechtfertigt je-doch nicht das Urteil, zu dem Esser (2001) in seiner Interpretation derselben Datenkommt: „Es gibt beim Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulenkeine unmittelbare ‘Diskriminierung’ der ausländischen Kinder. Der Übergang zu denweiterführenden Schulen folgt vielmehr strikt ... meritokratischen Gesichtspunkten. ...Aufgrund der schlechten Lernleistungen erhalten sie schlechte Noten und aufgrund dieserNoten weniger Empfehlungen für den Besuch einer weiterführenden Schule. Einen be-sonderen ‘Malus’ als Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen bekommen sie nicht.Die Schulen funktionieren ganz offenbar als ‘moderne’, strikt nach Leistung operierendeInstitution” (Esser 2001: 63). Dass Kristen angesichts derselben Daten und des „ganz Of-fenbaren” nicht zur selben uneingeschränkt positiven Einschätzung kommt, liegt viel-leicht (auch) daran, dass sie nicht induktiv von Resultaten für sechs Grundschulen in Ba-

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den-Württemberg auf Grundschulen oder „die Schulen” im Allgemeinen schließenmöchte. Dass dies unangebracht ist, belegen die oben berichteten Ergebnisse von Gomol-la & Radtke (2000; 2002).

Selbst dann, wenn es so wäre, dass deutsche und Migrantenkinder gleichermaßen ent-sprechend ihrer Noten nach dem Abschluss der Grundschule auf die verschiedenen Typenvon Sekundarschulen verteilt würden, könnte man fragen, ob es sich nicht um eine insti-tutionelle Diskriminierung handelt, wenn die Deutschnote, die bei Migrantenkinderndeutlich schlechter ist als die Mathematiknote (Kristen 2002: 541 und Tabelle 2, S. 542),bei ihnen ebenso stark gewichtet wird wie bei deutschen Kindern und dementsprechendzu einer schlechteren Durchschnittsnote als bei deutschen Kindern führt, was wiederumdarin resultiert, dass Migrantenkinder mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit nach Ab-schluss der Grundschulzeit auf eine weiterführende Sekundarschule als die Hauptschulewechseln. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich zutreffend, wenn die Förderung derDeutschkenntnisse als dringlichste Aufgabe betrachtet wird, wenn es darum geht, die Bil-dungsbeteiligung und den Bildungserfolg von Kindern aus Migrantenfamilien zu fördern.Allerdings ist die koordinierte Förderung des Deutschen und der Muttersprache der Kin-der aus Migrantenfamilien entscheidend sowohl für die Sprachentwicklung im Allgemei-nen als auch für die Entwicklung der Deutschkenntnisse im Speziellen (Reich & Roth2002: 29-36 (Abschnitt 5)), so dass es nicht hinreicht, die Deutschkenntnisse der Kinderaus Migrantenfamilien – u.U. auf Kosten ihrer Kenntnisse der Muttersprache – durch zu-sätzliche Unterrichtsstunden verbessern zu wollen. Das Festhalten am „monolingualenHabitus der multilingualen Schule“ (Gogolin 1994) ist daher kontraproduktiv. Es ist da-rüber hinaus eine Form institutioneller Diskriminierung, weil es Sprachkenntnisse in legi-time und illegitime unterteilt, indem den Sprachen der Mehrzahl der Migranten inDeutschland bzw. der Familien mit Migrationshintergrund, allen voran dem Türkischen,jeder Bildungswert bestritten wird, weil sie z.B. nicht als Schulfremdsprachen anerkanntwerden oder indem die Förderung dieser Sprachen ohne Anschluss an den übrigen Unter-richt bleibt (vgl. hierzu Gogolin 2001). Neumann kommt dementsprechend in ihrer Be-trachtung der Bildungs- und Erziehungssituation türkischer Kinder in Hamburg undSchleswig-Holstein zu der folgenden Einschätzung: „Die Beherrschung der deutschenSprache gilt als Schlüssel zum Schulerfolg und zum gesellschaftlichen Aufstieg, währenddie mitgebrachten Sprachen der Einwanderer nicht als gesellschaftliche Ressource positivbewertet werden. Will man die Bildungssituation zweisprachiger Kinder in Deutschlandtatsächlich verbessern, wird dies ohne eine Neuorientierung in dieser Frage kaum möglichsein“ (Neumann 2001: 11).

4. Schlussfolgerungen

Die vorausgehenden Ausführungen haben zunächst gezeigt, dass man tatsächlich von ei-ner ethnischen Segmentierung des deutschen Bildungssystems sprechen kann: Ausländi-sche und deutsche Schüler sind zumindest teilweise parallele Schülerschaften, die im Ver-lauf der Schulkarriere in zunehmendem Ausmaß entmischt werden. Man kann diesbezüg-lich auch von einer ethnischen Entmischung sprechen, ähnlich wie Solga & Wagner(2000: 1) von der „sozialen Entmischung der Hauptschule“ sprechen, um den Prozess zu

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beschreiben, der darin resultiert, dass „vor allem Schüler mit deprivierten familiären Um-weltbedingungen in der Hauptschule zurückgelassen“ werden.

Für die ethnische Entmischung des deutschen Schulsystems gibt es verschiedene Erklä-rungen, für die sämtlich gilt, dass sie bei weitem nicht so gut durch empirische Forschunggeprüft sind, wie man angesichts der Brisanz von Bildungsfragen im Allgemeinen und derStellung von ausländischen Schülern oder Schülern mit Migrationshintergrund im deut-schen Schulsystem im Speziellen meinen sollte. Wie für andere Fragen von einiger gesell-schaftlicher Relevanz gilt auch hier, dass die politische Verarbeitung der Gewinnung vonErkenntnis vorauseilt. Eine – wenig spektakuläre, aber dennoch wichtige – Schlussfolge-rung aus dem Vorausgehenden ist also die Forderung nach mehr systematischer und un-abhängiger Forschung, die idealerweise interdisziplinär angelegt ist und sich nicht in demVersuch erschöpft, die liebgewonnene Theorie (einmal mehr) unter Nicht-Beachtungkonkurrierender Theorien zu belegen oder bestimmte ideologisch fundierte Vorurteile zulegitimieren.

Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnet sich in der empirischen Forschung von Sozialwis-senschaftlern unterschiedlicher Disziplinen ab, dass die Erklärungskraft von Erklärungen,die auf die individuellen Merkmale von Migranten und ihrer Familien, allem voran ihresozioökonomische Situation und die mangelhaften Deutschkenntnisse, rekurrieren, über-schätzt worden ist. Dies festzuhalten, ist besonders wichtig angesichts des aktuellen Zu-stands der fachöffentlichen und öffentlichen Diskussion um die Situation speziell der Mi-grantenkinder im deutschen Schulsystem und eventuell durchzuführender Reformen:Migrantenkinder wurden zwar zwischenzeitlich vom Vorwurf reingewaschen, dasschlechte Abschneiden Deutschlands in der PISA 2000-Studie verursacht zu haben, aberdie Beschäftigung mit ihren schulischen Problemen findet dennoch nur in der Beschrän-kung auf ihre mangelhaften Deutschkenntnisse statt, oder gar nicht, wenn nämlich dieProbleme der Migrantenkinder lediglich als Spezialfall der Probleme angesehen werden,die Kinder aus den unteren Bevölkerungsschichten im Schulsystem Deutschlands haben.Die starke oder gar alleinige Betonung des sozioökonomischen Status der Herkunftsfami-lie als erklärende Variable für die Schulkarriere oder den Schulerfolg eines Kindes ist schondeshalb unzureichend (und nachgerade naiv), weil die Beurteilung der Schulreife einesKindes durch Ärzte oder Psychologen ebenso wie die Einschätzung der Chancen einesKindes, einen höheren Schulabschluss zu erreichen, durch Lehrer unweigerlich durch dieKenntnis des sozioökonomischen Status der Herkunftsfamilie eines Kindes beeinflußt ist(vgl. hierzu die entsprechende Diskussion bei Jeynes 2002). D.h., dass es wichtig ist, ne-ben den verschiedenen Dimensionen des sozioökonomischen Status als solchen zu be-rücksichtigen, welche Alltagstheorien die Entscheidungsträger im schulischen Kontextdarüber haben, was mit dem sozioökonomischen Status verbunden und für die schulischeLaufbahn eines Kindes relevant ist.

Bildungspolitiker, die bislang meinten, die Bildungsbeteiligung und den Bildungser-folg von ausländischen Schülern bzw. Schülern mit Migrationshintergrund durch die Ein-richtung von Förderkursen verbessern zu können, in denen die „Defizite“ dieser Schülerausgeglichen oder wenigstens verwaltet werden, stehen damit vor einem Problem: Mit zu-sätzlichen Geldmitteln und dem Verweis auf andere in der Gesellschaft existierende sozia-le Schieflagen als der zwischen Deutschen und Ausländern ist es nämlich offensichtlichnicht getan. Vielmehr mehren sich die Hinweise, dass für die Bildungsbeteiligung und

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den Bildungserfolg von ausländischen Schülern oder Schülern mit Migrationshinter-grund Kontextmerkmale und die – intendierten oder nicht intendierten – Folgen institu-tioneller Handlungslogiken wichtig sind. Zwar ist es angesichts der wenigen hierzu vorlie-genden Forschungsergebnisse zu früh, Empfehlungen für die Bildungspolitik auszuspre-chen, aber klar scheint bereits jetzt zu sein, dass die Bildungspolitik sich mit diesen Folgeninstitutioneller Handlungslogiken als solchen wird beschäftigen müssen und insofern einereflexive Bildungspolitik wird sein müssen als sie sich fragen muss, inwieweit die institu-tionellen Logiken der politischen Willensbildung und des Verwaltungshandelns, insbe-sondere im Rahmen der Hilfsindustrie, der Sache selbst, nämlich der Beförderung der Bil-dungsbeteiligung und des Bildungserfolgs von Migranten oder Ausländern, im Wege ste-hen.

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