62
EW RK Zeitschrift des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V. e www.ewerk.nomos.de Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung – Rechtswissenschaftliche Studie zur Rechtsmäßigkeit der negativen Eigenkapitalverzinsung im Pachtmodell* Dr. Mirko Sauer, Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim, Hanno Jost Meyer** Teil 1: Heranführung an das Problem der negativen EK-Verzinsung ..... 1 A. Einordnung der Problematik in den Kontext der Entwicklung des Energiewirtschaftsrechts und Gegenstand der Studie ................. 2 I. Die gesetzliche Vorgabe der gesellschaftsrechtlichen des Verteilernetzbetriebs ........................................... 2 1. Die gesetzgeberische Entscheidung für eine Gestaltungsfrei- heit der EVU und eine Beseitigung möglicher folgen ........................................................... 3 2. Reaktion der Energiewirtschaft – Wahl der „schlanken Netz- gesellschaft“ .................................................... 9 II. Minderung der betriebswirtschaftlichen Praktikabilität des Pachtmodells durch die Regulierungsbehörden ................... 10 1. Regulierungsbehördliche Kürzungen der Kostenanerkennung 11 2. Reaktion der Energiewirtschaft – Betriebswirtschaftlicher Druck zur Wahl der „großen Netzgesellschaft“ ............... 12 III. Gegenstand der Studie ............................................. 16 B. Heranführung an das Problem und die praktische Tragweite der kal- kulatorischen Berechnung (negative EK-Verzinsung) ................. 17 I. Ausgangslage in der Kostenprüfung ............................... 19 II. Kernproblem: Sachgerechte Verortung des Abzugskapitals ....... 23 1. Möglicher Berechnungsweg: getrennte kalkulatorische Berechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümer .......... 29 2. Möglicher Berechnungsweg: kalkulatorische Zusammenle- gung (Referenzmaßstab - großen Netzgesellschaft) ........... 34 III. Tragweite der kalkulatorischen Berechnungsweise (Potential zur Steuerung der unternehmerischen Gestaltung des Netzbetriebs) . . 37 C. Grundzüge der Regulierungspraxis und rechtliche Begründungsan- sätze .................................................................... 43 I. Wahl der Berechnungsmethode .................................... 44 II. Konsequenzen für die Berechnung der einzelnen gesetzlich nierten Kostenpositionen .......................................... 46 1. „Fiktives Netzentgelt“ für den Netzeigentümer als aufwands- gleiche Kostenposition für den Netzbetreiber ................. 47 2. „Negative Eigenkapitalverzinsung“ als Abzugsposten bei der Ermittlung der Netzkosten ..................................... 50 III. Zusammenfassung: Begründungsansätze der Regulierungspraxis 56 IV. Ausblick für die rechtliche Bewertung ............................. 64 Teil 2: Rechtliche Bewertung .............................................. 69 A. Entgeltregulatorische Bewertung der negativen EK-Verzinsung ...... 69 I. Kritik der Regulierungspraxis und BGH-Rechtsprechung ........ 70 1. Die Kostenart der kalkulatorische EK-Verzinsung nach § 7 Strom-/GasNEV und die Möglichkeit des Ansatzes von Negativzinsen .................................................. 71 a. Allgemeine Konzeptbeschreibung ......................... 72 aa. Ziel der EK-Verzinsung ............................. 72 bb. Verzinsungshöhe .................................... 73 cc. Verzinsungsbasis (bnEK) ............................ 74 (1.) Berechnungsformel .................................. 75 * Die Studie wurde im Auftrag eines Verteilernetzbetreibers erstellt. ** Dr. Mirko Sauer ist Teil der wissenschaftlichen Leitung des EWeRK. Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski ist geschäftsführender Direktor und wissenschaftlicher Leiter des EWeRK; Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim ist Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Control- ling, Energiewirtschaft an der Hochschule Weserbergland (HSW); Hanno Jost Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am EWeRK. EWeRK 2/2020 49 2 | 2020 20. Jahrgang, Seiten 47–110 Herausgeber Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V., Humboldt-Universität zu Berlin Geschäftsführer Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski (V.i.S.d.P.) Wissenschaftlicher Beirat Prof. em. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, Humboldt-Universität zu Berlin | Prof. Dr. Hartmut Bauer, Universität Potsdam | Prof. Dr. Carsten Becker, Direktor beim Bundeskartellamt | Prof. Dr.-Ing. Peter Birkner, House of Energy e.V. | Prof. Dr. Edmund Brandt, Technische Uni- versität Braunschweig | Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Europa-Universität Viadrina | Ministerialdirigent Christian Dobler, Leiter der Unterabteilung Wettbewerbs- und Strukturpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie | Dr. Felix En Bundeskartellamt, Leiter der 2. Beschlussabteilung | Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim, Hochschule Weserbergland | Prof. Dr.-Ing. habil. nio Hurtado, Technische Universität Dresden | Prof. Dr. Lorenz Jarass, Hochschule RheinMain Wiesbaden | Prof. Dr. Siegfried Klaue, Freie Universität Berlin | Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M. (Berkeley), Universität zu Köln | Prof. Dr. Knut Werner Lange, Universität reuth | Wiegand Laubenstein, Vorsitzender Richter am OLG Düsseldorf | Prof. Dr. Christoph Moench, Sammler-Us ger Rechtsan- wälte Partnerschaft mbB, Berlin | Prof. Dr. Holger Müh kamp, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer | Prof. schule für nachhaltige Entwicklung Ebers de (FH) | Prof. Dr. Thomas Schomerus, Leuphana Universität Lüneburg | Prof. Dr. Andreas Redaktion Vicky Wagner (Schriftleitung) Dr. Mirko Sauer, Jost Hanno Meyer, Valeria Podmogilnij, Daniel Timmermann Redaktionsanschrift Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin Telefon: +49 (0) 30 -2093 – 40740 | Telefax: +49 (0) 30 - 2093 – 40731

Ewerk 2020 02 00 · 2020. 5. 18. · Dr. Mirko Sauer, Jost Hanno Meyer, Valeria Podmogilnij, Daniel Timmermann Redaktionsanschrift Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

EW R KZeitschrift des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V.

e www.ewerk.nomos.de

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung –Rechtswissenschaftliche Studie zur Rechtsmäßigkeit dernegativen Eigenkapitalverzinsung im Pachtmodell*Dr. Mirko Sauer, Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim, Hanno Jost Meyer**

Teil 1: Heranführung an das Problem der negativen EK-Verzinsung . . . . . 1

A. Einordnung der Problematik in den Kontext der Entwicklung desEnergiewirtschaftsrechts und Gegenstand der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

I. Die gesetzliche Vorgabe der gesellschaftsrechtlichen des Verteilernetzbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Die gesetzgeberische Entscheidung für eine Gestaltungsfrei-

heit der EVU und eine Beseitigung möglicher folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2. Reaktion der Energiewirtschaft – Wahl der „schlanken Netz-gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

II. Minderung der betriebswirtschaftlichen Praktikabilität desPachtmodells durch die Regulierungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101. Regulierungsbehördliche Kürzungen der Kostenanerkennung 112. Reaktion der Energiewirtschaft – Betriebswirtschaftlicher

Druck zur Wahl der „großen Netzgesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . 12III. Gegenstand der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

B. Heranführung an das Problem und die praktische Tragweite der kal-kulatorischen Berechnung (negative EK-Verzinsung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

I. Ausgangslage in der Kostenprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19II. Kernproblem: Sachgerechte Verortung des Abzugskapitals . . . . . . . 23

1. Möglicher Berechnungsweg: getrennte kalkulatorischeBerechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümer . . . . . . . . . . 29

2. Möglicher Berechnungsweg: kalkulatorische Zusammenle-gung (Referenzmaßstab - großen Netzgesellschaft) . . . . . . . . . . . 34

III. Tragweite der kalkulatorischen Berechnungsweise (Potential zurSteuerung der unternehmerischen Gestaltung des Netzbetriebs) . . 37

C. Grundzüge der Regulierungspraxis und rechtliche Begründungsan-sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

I. Wahl der Berechnungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

II. Konsequenzen für die Berechnung der einzelnen gesetzlich nierten Kostenpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461. „Fiktives Netzentgelt“ für den Netzeigentümer als aufwands-

gleiche Kostenposition für den Netzbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . 472. „Negative Eigenkapitalverzinsung“ als Abzugsposten bei der

Ermittlung der Netzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50III. Zusammenfassung: Begründungsansätze der Regulierungspraxis 56IV. Ausblick für die rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Teil 2: Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

A. Entgeltregulatorische Bewertung der negativen EK-Verzinsung . . . . . . 69I. Kritik der Regulierungspraxis und BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . 70

1. Die Kostenart der kalkulatorische EK-Verzinsung nach § 7Strom-/GasNEV und die Möglichkeit des Ansatzes vonNegativzinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71a. Allgemeine Konzeptbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

aa. Ziel der EK-Verzinsung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72bb. Verzinsungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73cc. Verzinsungsbasis (bnEK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74(1.) Berechnungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

* Die Studie wurde im Auftrag eines Verteilernetzbetreibers erstellt.** Dr. Mirko Sauer ist Teil der wissenschaftlichen Leitung des EWeRK.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski ist geschäftsführender Direktorund wissenschaftlicher Leiter des EWeRK; Prof. Dr. Jörg-RafaelHeim ist Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Control-ling, Energiewirtschaft an der Hochschule Weserbergland (HSW);Hanno Jost Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am EWeRK.

EWeRK 2/2020 49

2 | 202020. Jahrgang, Seiten 47–110

HerausgeberInstitut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der Kommunalen Wirtschaft e.V., Humboldt-Universität zu BerlinGeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski (V.i.S.d.P.)Wissenschaftlicher BeiratProf. em. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis, Humboldt-Universität zu Berlin | Prof. Dr. Hartmut Bauer, Universität Potsdam | Prof. Dr. CarstenBecker, Direktor beim Bundeskartellamt | Prof. Dr.-Ing. Peter Birkner, House of Energy e.V. | Prof. Dr. Edmund Brandt, Technische Uni-versität Braunschweig | Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, Europa-Universität Viadrina | Ministerialdirigent Christian Dobler, Leiterder Unterabteilung Wettbewerbs- und Strukturpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie | Dr. Felix EnBundeskartellamt, Leiter der 2. Beschlussabteilung | Prof. Dr. Jörg-Rafael Heim, Hochschule Weserbergland | Prof. Dr.-Ing. habil.

nio Hurtado, Technische Universität Dresden | Prof. Dr. Lorenz Jarass, Hochschule RheinMain Wiesbaden | Prof. Dr. SiegfriedKlaue, Freie Universität Berlin | Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M. (Berkeley), Universität zu Köln | Prof. Dr. Knut Werner Lange, Universität

reuth | Wiegand Laubenstein, Vorsitzender Richter am OLG Düsseldorf | Prof. Dr. Christoph Moench, Sammler-Us ger Rechtsan-wälte Partnerschaft mbB, Berlin | Prof. Dr. Holger Müh kamp, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer | Prof.

schule für nachhaltige Entwicklung Ebers de (FH) | Prof. Dr. Thomas Schomerus, Leuphana Universität Lüneburg | Prof. Dr. Andreas

RedaktionVicky Wagner (Schriftleitung)Dr. Mirko Sauer, Jost Hanno Meyer, Valeria Podmogilnij, Daniel TimmermannRedaktionsanschriftHumboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, D-10099 BerlinTelefon: +49 (0) 30 -2093 – 40740 | Telefax: +49 (0) 30 - 2093 – 40731

(2.) Funktion des Abzugskapitals i.R.d. § 7 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

(a.) Betriebswirtschaftliche Definition des Abzugskapi-tals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

(b.) Regelung des Abzugskapitals in § 7 Abs. 2 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

(c.) Einordnung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83(d.) Zwischenergebnis zur Bedeutung des Abzugskapi-

tals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88b. Kein Ansatz von Negativzinsen als eigenständige Kos-

tenkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89aa. Wortlautauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91bb. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96cc. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

c. Fazit: Grundkonzept des § 7 Strom-/GasNEV) . . . . . . . . . . . 1032. Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und die Möglich-

keit des Ansatzes von kalkulatorischen Negativzinsen imPachtmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104a. Die Sichtweise des BGH: Im Pachtmodell Wandelung

der kalkulatorischen EK-Verzinsung zum Abzugsposten 104aa. Die maßgeblichen Entscheidungen des BGH . . . . . . . 108(1.) SWU Netze (Beschl. v. 03.03.2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . 108(a.) Zur Begründung der negativen EK-Verzinsung -

„getrennte kalkulatorische Berechnung“ . . . . . . . . . . . 109(b.) Zum „Alternativweg“ (Pachtzinssenkung) . . . . . . . . . 112(2.) SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH (Beschl.

v. 25.04.2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117(a.) Zum „Alternativweg“ (Pachtzinssenkung) . . . . . . . . . 121(b.) Zur Begründung der negativen EK-Verzinsung . . . . . 124(3.) SW Kiel Netz GmbH (Beschl. v. 17.10.2017) . . . . . . 126(4.) Gewinnabführungsvertrag (Beschl. v. 29.01.2019) 127(5.) Dortmunder Netz GmbH (Beschl. v. 12.11.2019) . .127abb. Gesamtbild der BGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . 128(1.) Tatsächliche und rechtliche Annahmen des BGH . . 128(2.) Auswirkungen der Regulierungspraxis und BGH-

Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128(a.) Effekte der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1291. Effekt: Keine Erhöhung der EOG durch die Netzver-

pachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1322. Effekt: Besserstellung des reinen Infrastrukturinves-

tors gegenüber der großen Netzgesellschaft . . . . 1343. Effekt: Minderung der Kostenerstattung für den Netz-

betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1364. Effekt: Schlechterstellung des Netzpachtmodells

gegenüber der großen Netzgesellschaft(sog. Zinsimparität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

(3.) Gerichtliche Folgenabschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140b. Stellungnahme: Auch im Pachtmodell keine Wandelung

der kalkulatorischen EK-Verzinsung zum Abzugsposten 143aa. Zur tatsächlichen Annahme des BGH – Gefahr der

Netzentgelterhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145bb. Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . 149(1.) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149(a.) Bezugnahme auf die aufwandsgleiche Kostenposi-

tion des § 5 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150(b.) Konkrete Berechnungsvorgabe: Kalkulatorische

Zusammenlegung der Kosten- und Vermögenssitu-ationen von Netzbetreiber und Netzeigentümer(große Netzgesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

(c.) Zusammenfassung: Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157(2.) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158(3.) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160(a.) Keine höhere Kostenanerkennung durch Beschrän-

kung der Pachtzinsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161(b.) Zweckwidrige Friktionen in der Regulierungspra-

xis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163(aa.) Keine Notwendigkeit zur getrennten kalkulatori-

schen Berechnung von Netzbetreiber und Netzei-gentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

(bb.) Friktionen mit dem gesetzlichen Konzept der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung . . . . . 171

(aaa.) Zweckwidrige Besserstellung des reinen Infra-strukturinvestors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

(bbb.) Zweckwidrige Untergrabung der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit des Netzbetriebs (Verstoßgegen § 1 Abs. 2 EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

(aaaa.) Zweckwidrige Minderung der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit des Netzbetreibers(§ 4 Abs. 2 EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

(bbbb.)Zweckwidrige Steigerung der Abhängigkeit desNetzbetreibers (§ 7a Abs. 4 EnWG) . . . . . . . . . . . . . . . 191

(ccc.) Verminderte Gesamtkostenanerkennung imPachtmodell ohne Nachweis von Ineffizienzenoder anderen gesetzlichen Korrekturfaktoren . . . . 195

(cc.) Gesamtwürdigung: Systemimmanenz der Friktio-nen durch die Regulierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

(aaa.) Zweckwidrige Steuerungswirkung des Regulie-rungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

(bbb.) Rückwirkungen auf die Auslegung der §§ 4 ff.Strom-/GasNEV im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

(c.) Zwischenergebnis: Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . 207(4.) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209(5.) Zwischenergebnis: Auslegung des § 4 Abs. 5

Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210cc. Kein Regulierungsermessen zur Schaffung außerge-

setzlicher Abzugsposten im Pachtmodell . . . . . . . . . . . 2133. Fazit: Kritik der Regulierungspraxis und BGH-Rechtspre-

chung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216II. Der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch der Netzbetreiber

(Netzpächter) im Pachtmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2171. Erstattung der Pachtzinsen (OPEX) - Berechnung der auf-

wandsgleichen Kostenpositionen nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218a. Pachtgegenstandsbezogene kalkulatorische Abschreibun-

gen (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 6 Strom-/GasNEV) . . . . 219b. Pachtgegenstandsbezogene kalkulatorische EK-Verzin-

sung (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 7 Strom-/GasNEV) . . 221aa. Berechnung der EK-Verzinsungsbasis (bnEK) . . . . . . 226(1.) Betriebsnotwendiges Vermögen (bnV) . . . . . . . . . . . . . . 226(2.) Abzugsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227(a.) Kalkulatorisch zugeordnetes Abzugskapital . . . . . . . . 228(b.) Kalkulatorisch zugeordnetes verzinsliches Fremd-

kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230bb. Anwendung der festgelegten EK-Zinssätze . . . . . . . . . 231

c. Pachtbezogene kalkulatorische Gewerbesteuer (§ 5i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 8 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . 231

2. Verzinsung des vom Netzbetreiber eingesetzten Eigenkapitals(CAPEX) – Berechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsungnach § 7 Strom-/GasNEV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232a. Berechnung der EK-Verzinsungsbasis (bnEK) des Netz-

betreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233aa. Betriebsnotwendige Vermögen (bnV) des Netzbet-

reibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233bb. Abzugsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234(1.) Dem Netzbetreiber kalkulatorisch zugeordnetes

Abzugskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234(2.) Dem Netzbetreiber kalkulatorisch zugeordnetes

verzinsliches Fremdkapital des Netzbetreibers . . . . . 235b. Anwendung der festgelegten EK-Zinssätze . . . . . . . . . . . . . . . 235

3. Rechenbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236a. Vergleichspaar 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

aa. BNetzA-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237bb. Rechtskonforme Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

b. Vergleichspaar 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239aa. BNetzA-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239bb. Rechtskonforme Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

b. Vergleichspaar 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241aa. BNetzA-Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241bb. Rechtskonforme Berechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

B. Verfassungsrechtliche Bewertung der Regulierungspraxis . . . . . . . . . . . . 243I. Verletzung der Grundrechte privater Netzbetreiber

(Netzpächter) durch die Regulierungspraxis und Rechtspre-chung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2481. Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . 2492. Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) . . . . . . . 2573. Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) . . 264

II. Verletzung der Grundrechte privater vertikal integrierter EVUdurch die Regulierungspraxis und Rechtsprechung des BGH . . . . 2691. Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . . . . 2702. Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) . . . . . . . 2733. Verletzung des Gleichheitsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) . . . . . . . . . . 274

III. Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) . . . . . . . . 275C. Europarechtliche Bewertung der Regulierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 280D. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

50 EWeRK 2/2020

Heranführung an das Problem der negativenEK-Verzinsung

1 Mit der negativen EK-Verzinsung wird den Netzbetreibernim Pachtmodell bei der Ermittlung ihrer (aufwandsgleichenund kalkulatorischen) Netzkosten ohne Rechtsgrundlage einAbzugsposten in Rechnung gestellt. Dieser außergesetzlicheAbzugsposten (negative EK-Verzinsung) führt im Ergebnisdazu, dass den Netzbetreibern nicht mehr sämtliche Kostendes Netzbetriebes erstattet werden, auch wenn diese Kosteneffizient und wettbewerbsanalog sein mögen. Die Effekte, diediese Regulierungspraxis entfaltet, hat fundamentale Auswir-kungen auf die unternehmerische und unternehmensstruktu-relle Gestaltung von Netzbetriebsleistungen. Allerorts wirdüber die Frage nachgedacht, das praktizierte Pachtmodellzwischen Netzeigentümer und Netzbetreiber wegen der regu-latorischen Nachteile aufzugeben und den Netzbetrieb in einesog. große Netzgesellschaft zu überführen. Die Freiheit derEnergieversorgungsunternehmen und Kommunen, die Rolledes Netzbetreibers durch schlanke örtliche oder überörtlicheNetzgesellschaften zu erbringen oder erbringen zu lassen,gerät unter massiven ökonomischen Umgestaltungsdruck.Das Problem der negativen EK-Verzinsung impliziertzwangsläufig die Frage, ob diese (außergesetzliche) Steuerungder Regulierungsbehörden mit den Grundsätzen des Verfas-sungs- und Europarechts im Einklang steht. Diesen Fragengeht die vorliegende Studie nach.

Einordnung der Problematik in den Kontext derEntwicklung des Energiewirtschaftsrechts undGegenstand der StudieDie gesetzliche Vorgabe dergesellschaftsrechtlichen Entflechtung desVerteilernetzbetriebs

2 Mit der EnWG-Novelle von 20051 ist das im Zweiten EU-Binnenmarktpaket2 geforderte „Legal Unbundling“ auch inDeutschland eingeführt worden. Vertikal integrierte EVUwurden in die Pflicht genommen, bis spätestens zum 1. Juli20073 eine gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit des Vertei-lernetzbetriebs von den wettbewerblichen Tätigkeitsberei-chen der Energieversorgung sicherzustellen (§ 7 EnWG2005).4

Die gesetzgeberische Entscheidung für eineGestaltungsfreiheit der EVU und eine Beseitigungmöglicher Entflechtungsfolgen

3 Ein konkretes Modell zur Umsetzung wurde dabei nichtvorgegeben; weder vom EU-Richtliniengeber noch vom deut-schen Gesetz- und Verordnungsgeber. Es blieb vielmehrim Grundsatz den EVU und Netzeigentümern überlassen,(1) mit welcher konkreten unternehmensstrukturellen Gestal-tung sie innerhalb der Unternehmensgruppe die geforderteUnabhängigkeit des Netzbetriebs sicherstellen und (2) ob diebetreffenden Netzbetreiber auch mit dem Eigentum an denNetzanlagen und eigenem Netzpersonal ausgestattet werdensollten.

Teil 1:

A.

I.

1.

4 Als mögliche Umsetzungsvarianten wurden seinerzeit vorallem „Netz-Tochter-Modelle“ (ausgegründete Netztochter-gesellschaften) in Gestalt einer „großen Netzgesellschaft“oder einer „schlanken Netzgesellschaft“ etabliert.5 „GroßeNetzgesellschaften“ wurden mit dem Netzeigentum undeigenem Netzpersonal ausgestattet. Im Modell der „schlan-ken Netzgesellschaft“ verblieb das Netzeigentum typischer-weise bei der Konzernmutter, die das Verteilernetz an ihreNetztochter verpachtete (sog. Pachtmodell). Auch das Netz-personal verblieb häufig bei der Konzernmutter oder inanderen Gesellschaften der Unternehmensgruppe und wurdeder Netzgesellschaft im Wege von Dienstleistungsverträgenoder Arbeitnehmer-überlassungs- bzw. Personalüberleitungs-verträgen zur Verfügung gestellt.6

5 Der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber präferierteweder das eine noch das andere Modell7, sondernbeschränkte sich lediglich darauf, mittels Regelsetzungsicherzustellen, dass die konkrete Umsetzungsentscheidungder EVU sowohl für diese selbst als auch für die Netzkun-den ohne negative Auswirkungen blieben (und bleiben). Erregelte gewissermaßen Aspekte der „Entflechtungsfolgenbe-seitigung“. An diesem Zustand hat sich bis heute nichts geän-dert.

6 So gibt zum Beispiel § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV8 vor, dass dieaus einer Überlassung der Netzanlagen resultierenden Kosten(z.B. Pachtzinsen) im Rahmen der Netzentgeltbildung nurinsoweit angesetzt werden dürfen, wie sie anfielen, wenn derBetreiber des Netzes auch dessen Eigentümer wäre.9 Nachdem BGH, soll „damit … verhindert werden, dass insbeson-dere innerhalb eines Konzerns durch die Vereinbarung über-höhter Pachtzinsen für den Netznutzer höhere Netzentgelteentstehen.“10 Das heißt also, dass auch das Pachtmodell(„schlanke Netzgesellschaft“) – als zulässigerweise ergriffeneEntflechtungsmaßnahmen – für die betreffende Unterneh-mensgruppe insgesamt zu keiner Erhöhung der Einnahmenund für die Kunden spiegelbildlich zu keiner Erhöhung derNetzentgelte führen darf.

1 Energiewirtschaftsgesetz vom 07.07.2005 (BGBl. I S. 1970, 3621).2 Art. 15 Abs. 1 Richtlinie 2003/54/EG (i.F. EltRl 03) und Art. 13 Abs. 1

Richtlinie 2003/55/EG (i.F. GasRl 03).3 § 7 Abs. 3 EnWG 2005. Vgl. auch Art. 30 Abs. 2 EltRl 03 und Art. 33

Abs. 2 GasRl 03.4 Dies zumindest, soweit an deren Netze nicht weniger als 100.000

Kunden mittelbar oder unmittelbar angeschlossen sind. Vgl. § 7Abs. 2 EnWG 2005.

5 Koch/Spier, ET 11/2018, S. 56 ff.6 Natürlich finden sich mit Blick auf die Personalausstattung der

Netzgesellschaft auch Zwischenstufen.7 Vgl. auch Erwägungsgrund 8 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie

2003/54/EG bzw. Erwägungsgrund 10 der Erdgasbinnenmarktricht-linie 2003/55/EG: „Die rechtliche Trennung bedingt keine Ände-rung der Eigentümerschaft an den Vermögenswerten, … .“ Vgl.auch Art. 26 Abs. 1 Satz 2 EltRl 09/GasRl 09 sowie Art. 35 Abs. 1Satz 2 EltRl9: „Diese Bestimmungen begründen keine Verpflich-tung, das Eigentum an Vermögenswerten des Verteilernetzbetrei-bers von dem vertikal integrierten Unternehmen zu trennen.“

8 Dies schon in den Ursprungsfassungen der Strom-/GasNEV vom25.07.2005 (BGBl. I S. 2225 bzw. 2197).

9 BR-Drs. 245/05, S. 32.10 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 43.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 51

7 Eine ähnliche Funktion hat auch § 6 Abs. 7 Strom-/GasNEV.Die Norm stellt klar, dass eine Änderung der Eigentumsver-hältnisse an den Anlagegütern – ebenso wie übrigens dieBegründung von Schuldverhältnissen zur Nutzung derselben(z.B. Pacht) – für die Ermittlung der kalkulatorischenAbschreibungen irrelevant sind.11 Das heißt, dass es auch imFalle einer Übereignung oder Verpachtung der Netzanlagenan den rechtlich verselbständigten Netzbetreiber bei denbestehenden kalkulatorischen Abschreibungsreihen (kalkula-torischen Restwerten) bleibt. Das Abschreibungsobjekt(Anlagegüter) darf nur einmal und ohne Erhöhung der Kal-kulationsgrundlage abgeschrieben werden (§ 6 Abs. 7Strom-/GasNEV).12

8 Ein weiteres Beispiel für die „Entflechtungsfolgenbeseiti-gung“ liefert § 6 Abs. 2 EnWG. Zusammen mit der Einfüh-rung der Pflicht zum „Legal Unbundling“ wurde den EVUangeboten, das Netzeigentum steuerneutral auf den rechtlichverselbständigten Netzbetreiber zu übertragen (§ 6 Abs. 213

und 3 EnWG 200514). Der Weg zu einer „großen Netzgesell-schaft“ wurde und wird also steuerlich erleichtert; freilichsoweit es sich bei der Umgestaltung hin zu einer solchenNetzgesellschaft um einen einheitlichen Organisationsakthandelt.15

Reaktion der Energiewirtschaft – Wahl der „schlankenNetzgesellschaft“

9 Die vermutlich überwiegende Zahl16 der vertikal integriertenEVU mit über 100.000 Anschlusskunden entschied sich sei-nerzeit – in Entsprechung der gesetzlichen Ausgangslage – fürdie Variante der „schlanken Netzgesellschaft“ und mithin fürdas Pachtmodell. Die Gründe dafür waren vielschichtig.Gleichwohl handelte und handelt es sich um eine zulässigeGestaltungsvariante, die zu wählen der Gesetzgeber derunternehmerischen Freiheit der EVU überlassen hat und auchnoch heute überlässt.

Minderung der betriebswirtschaftlichenPraktikabilität des Pachtmodells durch dieRegulierungsbehörden

10 Parallel zur Verschärfung der Entflechtungsvorgaben wurdeein kontrollintensiveres System der Netzentgeltregulierung(Strom-/GasNEV 200517) geschaffen. Die BNetzA und dieLandesregulierungsbehörden nahmen ihre Arbeit auf.

Regulierungsbehördliche Kürzungen derKostenanerkennung

11 Im Zeitverlauf verschärften die Regulierungsbehörden dieBedingungen der Kosten-anerkennung im Modell der„schlanken Netzgesellschaft“. Es wurden und werden bisheute erhebliche Kostenkürzungen bei Netzbetreibern vorge-nommen, die über kein eigenes Netzeigentum und/oder überkein eigenes Netzpersonal verfügen. Von der Rechtsprechungwurde diese Regulierungspraxis bislang bestätigt. Zu nennensind v.a. folgende Themen:

– „Verzinsung negativen Eigenkapitals beim Netzpächter“(negative DSO-Scheibe)18

2.

II.

1.

– „doppelte Passivierung von Baukostenzuschüssen undNetzanschlusskostenbeiträgen“19

– Nichtanerkennung von „Personalzusatzkosten“ als dau-erhaft nicht beeinflussbare Kosten20

Praktisch führt dieses Regulierungshandeln zu einer erhebli-chen Minderung der Ertrags-möglichkeiten „schlanker Netz-gesellschaften“, deren wirtschaftliches Überleben v.a. in Fäl-len der negativen EK-Verzinsung nicht selten davon abhängt,dass ihre Verluste von einer Konzernobergesellschaft (Mut-tergesellschaft i.d.R. zugleich Netzeigentümerin) getragenwerden. Insofern lässt sich feststellen, dass durch die ange-sprochene verminderte Kostenanerkennung im Pachtmodellzwar die Netznutzer entlastet werden (niedrigere Netznut-zungsentgelte), dies allerdings zugleich eine Reduktion derEinnahmen des Fiskus aus Körperschaftsteuer sowie Gewer-besteuer bewirkt, da die regelmäßig bestehende ertragsteuer-liche Organschaft zu einer unmittelbar ergebnis- und steuer-senkenden Wirkung der Verluste der Netztochtergesellschaftbei der Ertragsbesteuerung der Muttergesellschaft führt.21

Im Vergleich zu den Ertragsmöglichkeiten im Entflech-tungskonzept der „großen Netzgesellschaft“ führen dieregulierungsbehördlichen Kostenkürzungen bei der „schlan-ken Netzgesellschaft“ zu einer deutlichen Minderung derbetriebswirtschaftlichen Rentabilität und Praktikabilität desNetzpachtmodells.

Reaktion der Energiewirtschaft –Betriebswirtschaftlicher Druck zur Wahl der „großenNetzgesellschaft“

12 Bei den betroffenen EVU bewirkt das Regulierungshandelneinen erheblichen betriebswirtschaftlichen Druck, das vor-

2.

11 BR-Drs. 245/05, S. 35.12 BGH, Beschl. v. 14.08.2008, Az.: KVR 35/07 („Stadtwerke Neustadt

a.d. Weinstraße“), Rn. 43 ff.13 § 6 Abs. 2 EnWG 2005 sollte sogar mit Wirkung vom 26.06.2003

anzuwenden sein (§ 118 Abs. 6 EnWG 2005).14 Nun im Wesentlichen inhaltsgleich: § 6 Abs. 2 EnWG in der gelten-

den Fassung vom 21.02.2013.15 Dazu Schreiben des BMF vom 08.05.2006 an BGW/VDEW/VKU – IV

B 2 – S 1909 – 11/06 (VersorgW 2006, S. 188 ff.).16 Dieser Schluss liegt mit Blick auf eine Untersuchung von 20% der

Netzbetreiber nahe. Davon sollen 50% der Stromnetz- und 56% derGasnetzgesellschaften kein eigenes Sachanlagevermögen bilanzie-ren. Nur 36% bzw. 33% der Netzgesellschaften sollen sowohl übereigenes Personal als auch über eigenes Sachanlagevermögen ver-fügen. Vgl. Koch/Spier, ET 11/2018, S. 56 ff.

17 Stromnetzentgeltverordnung vom 25. Juli 2005 (BGBl. I S. 2225) undGasnetzentgeltverordnung vom 25. Juli 2005 (BGBl. I S. 2197).

18 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – Stadtwerke Ulm, Rn. 43;BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH.

19 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.07.2018 – VI-3 Kart 82/15, Leitsatz 5sowie Rn. 149 ff.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 14.08.2008 – KVR 39/07 –Vattenfall, Rn. 44.

20 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.09.2018 – 3 Kart 210/15 (V); BGH,Beschl. v. 17.10.2017 - EnVR 23/16; BGH, Beschl. v. 18.10.2016 – EnVR27/15; BGH, Beschl. v. 30.04. 2013 – EnVR 22/12, Rn. 33. BNetzA, Leit-faden für Stromverteilernetzbetreiber „Große Netzgesellschaft“(Stand: 2011), Ziff. 4.1.

21 Zur maßgeblichen Rechtsfolge einer ausnahmsweisen Verlustver-rechnung zwischen verschiedenen Kapital-gesellschaften durch dieOrganschaft vgl. ausführlich Neumann in: Gosch, KStG, 3. Aufl.2015, § 14 Rdn. 33.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

52 EWeRK 2/2020

mals gewählte Entflechtungskonzept aufzugeben und denNetzbetrieb in eine „große Netzgesellschaft“ umzuwandeln.Konkreter formuliert erzeugt das Regulierungshandeln derBNetzA und der Landesregulierungsbehörden einen ökono-mischen Zwang zur Übertragung des Netzeigentums und zurÜberleitung des Netzpersonals auf die ausgegründete Netzge-sellschaft.

13 Der naheliegende Weg diesem ökonomischen Druck zu ent-sprechen, nämlich das Netzeigentum auf die Netzgesellschaftzu übertragen, ist allerdings vielerorts mit Blick auf die kom-plexen Zusammensetzungen der Beteiligungen an den Netzei-gentumsgesellschaften mit Konflikten behaftet.

14 Darüber hinaus gilt die vom Gesetzgeber geschaffene Steuer-neutralität der Anlagenübertragung auf einen neuen Rechts-träger (§ 6 Abs. 2 EnWG) nur insoweit als die entflechtungs-bedingte Umgestaltung zur einer solchen „großen Netzgesell-schaft“ in einem einheitlichen Organisationsakt vollzogenwird.22 Die den EVU für die abverlangten Entflechtungsmaß-nahmen gewährte Steuerneutralität erschöpft sich regelmäßigmit der Erstvornahme der Entflechtung. Ein Wechsel voneinem bereits entflechtungskonformen Pachtmodell hin zueinem ebenfalls entflechtungskonformen Übertragungsmo-dell („große Netzgesellschaft“) wird im Grundsatz nichtbegünstigt. In der Branche sind vor diesem Hintergrund ver-schiedene Modelle entwickelt worden23, von denen sich diebetroffenen EVU bei der Übertragung der Netzanlagen dieVermeidung steuerlicher Nachteile versprechen. Die Sachlageist kompliziert. Es herrscht Unsicherheit.

15 Es gibt aber auch Konstellationen, in denen zwischen demoperativen Netzbetreiber und dem Eigentümer der Netzanla-gen keine (unmittelbaren) Unternehmensverbindungen beste-hen. Diese Zustände sind nicht selten ein Ergebnis örtlicherKonzessionsvergaben. In diesen Fällen treffen die wirtschaft-lichen Folgen des beschriebenen Regulierungshandelns (z.B.die negative Eigenkapitalverzinsung) wirtschaftlich aus-schließlich und allein den Netzbetreiber. Eine Übertragungdes gesamten oder von Teilen des Netzeigentums liegt hiernicht im ökonomischen Interesse des Netzeigentümers, derdabei auf den im Vergleich zum Kapitalmarkt risikolosen undauskömmlichen Pachtzins verzichten müsste, im Gegenzugaber keine Gewinnbeteiligung von Netzbetreiber erhält odervon der Tragung seiner Verluste verschont bliebe. Die regulie-rungsbehördlich vorgenommene Kostenkürzung müssendiese Netzbetreiber anderweitig kompensieren, was mit Blickauf die inzwischen zehn Jahre andauernde Anreizregulierungund der damit verbundenen Ausschöpfung der vorhandenenKostensenkungspotentiale zunehmend schwieriger wird.

Gegenstand der Studie 16 In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob die Regulie-

rungspraxis der negativen Eigenkapitalverzinsung (negativeEK-Verzinsung) und ihre Bestätigung durch den BGH geset-zeskonform ist und insbesondere mit den Grundsätzen derdeutschen Verfassung und dem Europarecht im Einklangsteht. Ein Hauptaugenmerk soll dabei stets auf der Frage lie-gen, welche Steuerungswirkungen dieses Regulierungshan-

III.

deln auf die unternehmerische Gestaltung bei der Erbringungvon Netzbetreiberleistungen hat.

Heranführung an das Problem und die praktischeTragweite der kalkulatorischen Berechnung(negative EK-Verzinsung)

17 Das Netzpachtmodell ist für operative Netzbetreiber alsNetzpächter entgeltregulatorisch ungünstig. Dies deshalb,weil den Unternehmen die für die Erhebung von Netzentgel-ten zugestandene Erlösobergrenze (EOG) in beträchtlichemUmfang regulierungsbehördlich gekürzt wird; dies sogar mitder Folge, dass den Netzbetreibern im Ergebnis selbst effizi-ente Kosten nicht in vollem Umfang erstattet werden. DieKürzung der EOG ergibt sich aus den nachfolgendenUmständen.

18 Maßgeblicher Dreh- und Angelpunkt ist die Anwendungbzw. Auslegung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV. Darin heißtes: „Kosten oder Kostenbestandteile, die auf Grund einerÜberlassung betriebsnotwendiger Anlagegüter anfallen, kön-nen nur in der Höhe als Kosten anerkannt werden, wie sieanfielen, wenn der Betreiber Eigentümer der Anlagen wäre.[…].“ Der Verordnungsgeber hat damit verhindern wollen,dass durch die Netzverpachtung, eine höhere Kostenanerken-nung und damit auch eine Erhöhung der Netzentgelte ein-tritt.

Ausgangslage in der Kostenprüfung19 Netzentgelte sollen auf der Grundlage von Kosten gebildet

werden (sog. kostenorientierte Entgeltbildung24). Dieses Prin-zip hat der Verordnungsgeber konkretisiert und verschiedeneKostenarten aufgezählt, die auf die Netznutzer (Netzentgelte)grundsätzlich umgelegt werden können. Diese bilanziellenund kalkulatorische Kostenpositionen (§§ 4 ff. Strom-/GasNEV25), das heißt deren bewertungsrelevante Elementehängen aber zum Teil von der Vermögenssituation der Netz-betreiber ab. Das Problem besteht nun darin, dass durch dieNetzverpachtung eine Aufteilung dieser kalkulatorisch rele-vanten Kosten- und Vermögensbestandteile auf zwei Unter-nehmen und damit zwei Vermögenssphären entsteht. Das hatAuswirklungen auf die kalkulatorische Berechnung.

B.

I.

22 Schreiben des BMF v. 08.05.2006 an BGW/VDEW/VKU – IV B 2 – S1909 – 11/06 (VersorgW 2006, S. 188).

23 Z.B. „Teilbetriebsausgliederung zur Aufnahme auf die Netzgesell-schaft“ oder „Einbringung des Netzes nach Formwechsel der Netz-gesellschaft in eine Personengesellschaft“, etc.

24 In § 21 Abs. 2 EnWG heißt es: „Die Entgelte werden auf der Grund-lage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizientenund strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müs-sen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leis-tungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigenund risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebil-det, […]. Soweit die Entgelte kostenorientiert gebildet werden, dür-fen Kosten und Kostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nachim Wettbewerb nicht einstellen würden, nicht berücksichtigt wer-den.“

25 Durch Prüfung und Addition dieser Kosten wird das Ausgangsni-veau für die Bestimmung der Erlösobergrenze (EOG) ermittelt, dieschließlich in die konkreten Netzentgelte umzusetzen ist (§ 17Abs. 1 ARegV i.V.m. § 6 ARegV i.V.m. §§ 4 ff. Strom-/GasNEV).

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 53

20 Mit der Eigenkapitalverzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) ist einekalkulatorische Kostenposition26 geschaffen worden, mit derden Netzbetreibern eine Rendite für das eingesetzte Eigenka-pital gewährt werden soll, die neben der Kostenerstattungaus den anderen Kostenpositionen den eigentlich erzielbarenGewinn aus dem Netzbetriebsgeschäft ausmacht. Ist einNetzbetreiber nicht Eigentümer des Netzes und kann ihm dasSachanlagevermögen des Netzes nicht auf andere Weise27 kal-kulatorisch zugeordnet werden, kann er diese kalkulatorischeKostenposition nicht geltend machen. Genauer formuliertkann er als bloßer Netzpächter bezogen auf das fremdeSachanlagevermögen für sich keine eigene kalkulatorischeEigenkapitalverzinsung (CAPEX)28 beanspruchen. Er kannfür die fremden Anlagegüter auch keine eigenen kalkulatori-schen Abschreibungen (CAPEX)29 für sich verlangen. Damitist freilich nicht gesagt, dass es für das eigenkapitalfinanzierteSachanlagevermögen und die Wertminderung der Anlagegü-ter gar keine Verzinsung bzw. gar keinen Kostenersatz gibt.Durch die Vermögensaufteilung im Pachtmodell soll undmuss sich nur die Berechnungsweise ändern.

21 Der regulatorisch zugestandene Ausgleich für die Wertminde-rung der gepachteten Anlagegüter und die Ermöglichung derWieder- bzw. Ersatzbeschaffung dieser Anlagegüter sowieeine Verzinsung der Restwerte des eingesetzten Sachanlage-vermögens fließt nicht dem Netzbetreiber/Pächter, sondernvielmehr dem Netzeigentümer/Verpächter zu. Dies geschiehtdurch den Pachtzins, den der Netzbetreiber/Pächter an denNetzeigentümer/Verpächter zu zahlen hat. Dieser Pachtzinsgeht als aufwandsgleiche Kostenposition (OPEX) des Netz-betreibers gemäß § 5 Strom-/GasNEV in seine Erlösober-grenze (EOG) ein; wird aber – wie gesagt – an den Netzeigen-tümer abgeführt.

22 Bei der Prüfung, in welcher Höhe der besagte Pachtzins alsKostenposition in die EOG des Netzbetreibers eingestelltwerden darf, ist die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV zubeachten. Es ist zu verhindern, dass das Netzpachtmodell zuhöheren Netzentgelten (Erhöhung kalkulatorischer Kosten)führt. Genauer gesagt, soll sich bei einem Netzbetreiber, dernur Netzpächter ist, im Vergleich zu einem Netzbetreiber, derzugleich auch Netzeigentümer ist, kein höheres Netzentgeltergeben dürfen. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ordnet deshalban, dass Kosten oder Kostenbestandteile, die auf Grund einerÜberlassung betriebsnotwendiger Anlagegüter anfallen (hierder Pachtzins), nur in der Höhe als Kosten (hier als auf-wandsgleiche Kostenposition) anerkannt werden können,wie sie anfielen, wenn der Netzbetreiber Eigentümer derAnlagen wäre. Vereinfacht gesagt, entspricht damit die imRahmen der aufwandsgleichen Kostenposition kalkulato-risch anerkennungsfähige Höhe des Pachtzinses (OPEX) kon-zeptionell im Wesentlichen den kalkulatorischen Abschrei-bungen der Anlagegüter, der kalkulatorischen Verzinsung deseingesetzten Eigenkapitals (CAPEX) und der kalkulatori-schen Gewerbesteuer. Das ist in der Berechnung – wie bereitsangedeutet – mit einigen Schwierigkeiten verbunden, weildiese kalkulatorischen Kostenpositionen auf Vermögensbe-standteile und Vermögenszusammensetzungen rekurrieren,

die bei der Netzverpachtung auf unterschiedliche Unterneh-men aufgeteilt wurden.

Kernproblem: Sachgerechte Verortung desAbzugskapitals

23 Die Kostenposition der kalkulatorischen Eigenkapitalverzin-sung30 sieht nicht nur eine Verzinsung des (eigenkapitalfi-nanzierten) Sachanlagevermögens, sondern auch eine Verzin-sung des Umlaufvermögens des Netzbetreibers vor.31 DerVerordnungsgeber hat eine bestimmte Berechnungsformelfür die Bestimmung der Verzinsungsbasis vorgeschrieben.32

Die Verzinsungsbasis soll vereinfacht ausgedrückt aus dembetriebsnotwendigen Vermögen des Netzbetreibers bestehen,das sich nach dem Willen des Verordnungsgebers aus denkalkulatorischen Restwerten des Sachanlagevermögens unterHinzurechnung des betriebsnotwendigen Umlaufvermögensund der betriebsnotwendigen Finanzanlagen des Netzbetrei-bers zusammensetzt. Mit dieser Kostenposition (kalkulatori-sche EK-Verzinsung) soll aber nur das eigenkapitalfinanzierteVermögen zinsberechtigt sein und mithin EK-verzinst wer-den. Das betriebsnotwendige Vermögen des Netzbetreibersist deshalb um bestimmte Vermögensbestandteile zu berei-nigen. In conreto soll verzinsliches Fremdkapital und vonDritten zinslos zur Verfügung gestelltes Kapital (sog. Abzugs-kapital33) vom o.g. betriebsnotwendigen Vermögen in Abzuggebracht werden. Dieses wird nicht EK-verzinst. Das Ergeb-nis dieser Berechnungsformel ist das sog. betriebsnotwendigeEigenkapital, das die Verzinsungsbasis der EK-Verzinsungdarstellt.

24 Das Problem besteht nun – wie gesagt – darin, dass durchdie Netzverpachtung eine Aufteilung kostenrelevanter Ver-mögensbestandteile in unterschiedliche Vermögenssphärenerfolgt ist.

25 Ein Netzbetreiber, der als bloßer Pächter kein Sachanlagever-mögen besitzt, bekommt dafür auch keine EK-Verzinsung(s.o.). Genauer gesagt kann er in die Berechnung der EK-Ver-zinsungsbasis kein Sachanlagevermögen einsetzen. Er verfügtaber gleichwohl über Umlaufvermögen und selbstverständ-lich gehört auch Abzugskapital zu seinem Vermögen, welchesdurch den operativen Netzbetrieb zwangsläufig anfällt.

26 Demgegenüber verfügt der Netzeigentümer über eigenesSachanlagevermögen. Dieses Vermögen bekommt er zwar –formal gesehen – nicht direkt EK-verzinst. Er ist schließlichnicht Netzbetreiber, der Netzentgelte erhebt und dem hierfürvon der Regulierungsbehörde eine Erlösobergrenze amtlichzugestanden wird. Er ist nicht Adressat der Netzentgeltregu-lierung. Der Netzeigentümer vereinnahmt allerdings vom

II.

26 Die EK-Verzinsung wird gesetzlich als Kostenäquivalent behandelt.27 Z.B. abweichend vom formalen Eigentum im Rahmen einer wirt-

schaftlichen Betrachtungsweise, wie es § 39 AO und § 246 HGBnahelegen.

28 Kalkulatorische Kostenposition nach § 7 Strom-/GasNEV.29 Kalkulatorische Kostenposition nach § 6 Strom-/GasNEV.30 § 7 Strom-/GasNEV.31 Einzelheiten unter Rdn. 74 ff.32 § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Strom-/GasNEV.33 § 7 Abs. 2 Strom-/GasNEV.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

54 EWeRK 2/2020

Netzbetreiber einen Pachtzins, den der Netzbetreiber als kal-kulatorische Kostenposition (sog. aufwandsgleiche Kosten-position) in die Ermittlung der Netzkosten (seine Kostenprü-fung) einsetzen kann und die in seine Erlösobergrenze ein-fließt. Die anerkennungsfähige Höhe des Pachtzinsesbestimmt sich gemäß § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV danach,welche kalkulatorischen Kosten beansprucht werden könn-ten, wenn der Netzbetreiber Eigentümer der Anlagen wäre.Wäre der Netzbetreiber Eigentümer des Netzes würde er überSachanlagevermögen verfügen, für welches er eine kalkulato-rische EK-Verzinsung beanspruchen könnte.

27 Die Berechnung dieser EK-Verzinsung des Eigenkapitals, dasfür das verpachtete Netz eingesetzt wurde, findet also imRahmen der Pachtzinsanerkennung statt. Selbstverständlichwird auch dieses Sachanlagevermögen damit im Ergebnis EK-verzinst. Die Frage, wie und in welcher Höhe das zu gesche-hen hat, ist im Einzelnen allerdings – wegen der Aufteilungdes Vermögens in unterschiedliche Vermögenssphären – dis-kussionswürdig und zugleich die Quelle des Problems dernegativen EK-Verzinsung.

28 Im Großen und Ganzen sind zwei unterschiedliche Berech-nungswege denkbar. Diese werden im Folgenden in denGrundzügen dargestellt, ohne dass damit eine rechtlicheSchlussfolgerung verbunden sein soll. Die Frage, welche die-ser Berechnungsmethoden von Gesetzes wegen geboten ist,wird gesondert betrachtet. Für das Verständnis der rechtli-chen Analyse ist aber unerlässlich, beide Möglichkeiten imAuge zu behalten.

Möglicher Berechnungsweg: getrennte kalkulatorischeBerechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümer

29 Es ist denkbar die Berechnung der Anerkennungsfähigkeitdes Pachtzinses (OPEX des Netzbetreibers) allein auf derGrundlage der Kosten- und Vermögenssituation des Netzei-gentümers durchzuführen; hingegen die Berechnung der EK-Verzinsung des Netzbetreibers (CAPEX des Netzbetreibers)allein auf der Grundlage seiner Vermögens-situation vorzu-nehmen.

30 Wird bei der Berechnung der Pachtzinsanerkennung (OPEXdes Netzbetreibers) die darin versprochene kalkulatorischeEK-Verzinsung des eigenkapitalfinanzierten Sachanlage-ver-mögens auf der Basis des Vermögens des Netzeigentümersermittelt und wird zugleich die Berechnung der kalkulatori-schen EK-Verzinsung des übrigen Vermögens des Netzbetrei-bers („CAPEX“ des Netzbetreibers) auf der Basis seiner eige-nen Vermögenssphäre vorgenommen, kann insgesamt einerlösseitiger Überschussbetrag entstehen. Die EOG könntehöher liegen als bei einer „großen Netzgesellschaft“34, dieüber exakt dieselben relevanten Kosten- und Vermögensbe-standteile verfügt wie im Pachtmodell das Paar von Netzei-gentümer/-verpächter und Netzbetreiber/-pächter zusammen.Durch die Verpachtung würden sich dann die Netzentgelteerhöhen können, was durch § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV abergerade verhindert werden soll. Im Einzelnen ergäbe sich dieswie folgt:

1.

Zur Pachtzinsanerkennung (EK-Verzinsung auf Basis desVermögens des Netzeigentümers):

31 Der Netzeigentümer verfügt über eigenes Sachanlagevermö-gen. Weil er aber nicht mit dem operativen Netzbetriebbeschäftigt ist, häuft sich in seinem Vermögen kein (oderkaum) Abzugskapital an. Der Bestand seines betriebsnot-wendigen Eigenkapitals als Verzinsungsbasis der kalkulatori-schen EK-Verzinsung ist insoweit größer; das heißt insoweithöher als bei einem Netzeigentümer, der das Netz zugleichselbst betreibt und dementsprechend auch Abzugskapitalanhäuft.

Zur EK-Verzinsung auf Basis des Vermögens desNetzbetreibers:

32 Der Netzbetreiber verfügt als Pächter nur über ein gerin-ges betriebsnotwendiges Vermögen (kaum oder kein Sacha-nlagevermögen), gleichwohl aber über Abzugskapital, dasdas betriebsnotwendige Vermögen regelmäßig übersteigt. InSumme verfügt er über kein eigenes zinsberechtigtes betriebs-notwendiges Eigenkapital und erhält damit (für sich) keineRendite.

Problem und rechnerische Lösung33 Das Problem besteht nun darin, dass in der großen Netzge-

sellschaft35 das beim Netzbetreiber anfallende Abzugskapitaldie Verzinsungsbasis der kalkulatorischen EK-Verzinsung inseiner vollen Höhe schmälert; also dort in vollem Umfangin Abzug gebracht wird, was im Ergebnis einen EOG-senk-enden Effekt hat. Im Pachtmodell ist dies nach der hier dar-gestellten Berechnungsvariante nicht (ohne weiteres) gewähr-leistet. Im Vermögen des Netzeigentümers ist das gesamtenetzbetriebsinduzierte Abzugskapital bilanziell nicht vorhan-den. Beim Netzbetreiber hingegen genügt das betriebsnot-wendige Vermögen nicht, um das netzbetriebs-induzierteAbzugskapital zu decken. Bliebe es bei diesem rechnerischenZustand, würde im Ergebnis der EOG-senkende Effekt36 desAbzugskapitals zum Teil (in Höhe der Verzinsung des über-schießenden Abzugskapitals) ausbleiben. Die Netzverpach-tung würde im Vergleich zur großen Netzgesellschaft zu einerNetzentgelterhöhung führen können37.

Um in diesen Fällen eine Netzentgelterhöhung zu vermeiden,muss dem (überschießenden) Abzugskapital eine verzinsungs-senkende Wirkung eingeräumt werden.

Dies könnte dadurch geschehen, indem dieses überschie-ßende Abzugskapital bei der Berechnung der kalkulatori-schen EK-Verzinsung des Netzbetreibers voll verzinst wird.Die kalkulatorische Kostenposition des § 7 Strom-/GasNEVwürde sich auf diese Weise zu einem kostenmindernden Ele-ment in der Kostenprüfung wandeln. Das bei – gewisserma-ßen mechanischer – Anwendung der Berechnungsformel der

34 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

35 Fn. 37.36 Das heißt bei der Bestimmung der EK-Verzinsungsbasis37 Vgl. aber Rdn. 129 ff., 138.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 55

EK-Verzinsungsbasis eintretende negative Ergebnis38 (sog.negatives Eigenkapital) würde EK-verzinst werden. Es ent-steht eine negative EK-Verzinsung, die zumindest demGrundkonzept nach den im Rahmen der Pachtzinsanerken-nung (EK-Verzinsung des Netzeigentümers) unberücksichtigtgebliebenen und damit rechnerisch hinzugewonnenen Betragdes Abzugskapitals kompensiert.39 Weil das Abzugskapitaldurch die negative EK-Verzinsung voll berücksichtigt wird,bewirkt die Netzverpachtung (Aufteilung der Vermögens-sphären) keine Netzentgelterhöhung.

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, den das betriebs-notwendige Vermögen des Netzbetreibers überschießendenTeil des Abzugskapitals (negatives Eigenkapital) bei der kal-kulatorischen Berechnung der EK-Verzinsung des Netzeigen-tümers (Pachtzins-anerkennung) anzusetzen; was einenpachtzinssenkenden Effekt hätte. Auch bei dieser Berech-nungsvariante würde das Abzugskapital verzinsungssenkendwirken und hätte das Potential, eine Netzentgelterhöhung zuverhindern.

Möglicher Berechnungsweg: kalkulatorischeZusammenlegung (Referenzmaßstab - großenNetzgesellschaft)

34 Wie beschrieben ergeben sich die Herausforderung im Pacht-modell, die Kosten eines Netzbetreibers/Pächters kalkulato-risch richtig zu bewerten, daraus, dass mit der Verpachtungkostenrelevante Vermögensbestandteile auf zwei Unterneh-men und damit zwei Vermögenssphären aufgeteilt werden.Eine weitere Berechnungsvariante besteht nun darin, diesereale Vermögensaufteilung außer Acht zu lassen und rele-vante Vermögensbestandteile bei der Pachtzinsberechnungkalkulatorisch (hypothetisch) zusammenzulegen. Mithinwürde bei der Berechnung der Anerkennungsfähigkeit desPachtzinses (OPEX des Netzbetreibers) die Kosten- und Ver-mögenssituation des Netzeigentümers, sondern die auf diegepachteten Anlagen (den Pachtgegenstand) bezogene hypo-thetische große Netzgesellschaft40 zum Berechnungs- bzw.Referenzmaßstab des Pachtzinses herangezogen werden.

Zur Pachtzinsanerkennung (EK-Verzinsung auf Basis deskalkulatorischen (hypothetischen) Vermögens der großenNetzgesellschaft):

35 Die Berechnung der EK-Verzinsung im Rahmen der Pachtzin-sanerkennung würde auf Basis des kalkulatorischen (hypo-thetischen) Vermögens des Netzbetreibers in der konkretengroße Netzgesellschaft erfolgen. Der Netzbetreiber würde –wie es § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV wörtlich vorgibt – sobehandelt werden als wäre er Eigentümer der Anlagen. Wäreer Eigentümer der Anlagen, könnte er eine kalkulatorischeEK-Verzinsung des Sachanlagevermögens und andere Ele-mente des betriebsnotwendigen Eigenkapitals beanspruchen.Wäre der Netzbetreiber Eigentümer der Anlagen, würde sichdie Verzinsungsbasis seiner EK-Verzinsung auch durch denAbzug des Abzugskapitals vermindern. Auf diese Weise kämees zu einer vollständigen Berücksichtigung des Abzugskapi-tals, ohne das eine negative EK-Verzinsung angesetzt werdenmüsste.

2.

Zur EK-Verzinsung auf Basis des realen Vermögens desNetzbetreibers:

36 Eine eigene kalkulatorische EK-Verzinsung könnte der Netz-betreiber in dieser Berechnungs-variante für die gepachtetenAnlagen natürlich nicht beanspruchen. Die relevanten Ver-mögensbestandteile (auch das anteilige Abzugskapital) wur-den bereits im Rahmen der Pachtzinsanerkennung kalkulato-risch angesetzt.

Tragweite der kalkulatorischen Berechnungsweise(Potential zur Steuerung der unternehmerischenGestaltung des Netzbetriebs)

37 Durch die Netzverpachtung, genauer gesagt durch die Auftei-lung kalkulatorisch relevanter Vermögensbestandteile aufzwei unterschiedliche Unternehmen (Vermögenssphären),darf keine höhere Kostenanerkennung und damit keine Netz-entgelterhöhung eintreten (§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV).Davon ausgehend, ist es meist geboten41, dass auch das beimNetzbetrieb anfallende Abzugskapital vollständig verzin-sungssenkend bzw. verzinsungsbasissenkend wirken muss,sonst kann es durch die Netzverpachtung (Aufteilung derVermögensbestandteile) im Gesamtergebnis zu einer höherenKostenanerkennung und mithin zu einem höheren Netzent-gelt kommen; was nach dem Willen des Bundesverordnungs-gebers gerade verhindert werden soll.42

38 Die konkrete Berechnungsweise (erster oder zweiter Berech-nungsweg) hat ganz weitreichende Folgen für die unterneh-merische Gestaltung bei der Erbringung von Netzbetreiber-leistungen hat. Dies kann man zunächst einmal ganz unbe-fangen feststellen (dazu sogleich Rdn. 39 ff.). Die Frage, obund welchen konkreten Berechnungsweg der Gesetz- bzw.Verordnungsgeber für das Netzpachtmodell vorgegeben hat,wird im Nachgang behandelt.

39 Je nachdem, bei welcher Kostenposition das Abzugskapitaldes Netzbetreibers in der Kosten-prüfung43 abgezogen wird,ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen für Netzbetrei-ber/ Pächter einerseits und Netzeigentümer/Verpächter ande-rerseits. Je nachdem, wie das (überschießende) Abzugskapitalverzinst wird, stellen sich in der gesamtwirtschaftlichen Per-spektive unterschiedliche Konsequenzen für der betriebswirt-schaftliche Rentabilität des Netzpachtmodells im Vergleichzur „großen Netzgesellschaft“ ein. Die Berechnungsmethodehat ein erhebliches Steuerungspotential für die konkreteunternehmerisch-organisatorische Gestaltung des Verteiler-netzbetriebs.

III.

38 „Betriebsnotwendige Vermögen des Netzbetreibers < Abzugskapi-tal des Netzbetreibers“

39 Dafür kommt es natürlich auf das Zinssatz an, der bei der Verzin-sung des negativen Eigenkapitals zugrunde gelegt wird. Zum Prob-lem der Zinsimparität: vgl. Rdn. 138.

40 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

41 Vgl. aber Rdn. 145 ff.42 Vgl. oben Rdn. 18.43 § 6 ARegV i.V.m. §§ 4 ff. Strom-/GasNEV.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

56 EWeRK 2/2020

1. Berechnungsweg: getrennte kalkulatorische Berechnungvon Netzbetreiber und Netzeigentümer

40 Würde das netzbetriebsinduzierte Abzugskapital in einer vonder Berechnung der Pachtzins-anerkennung getrenntenBerechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsung auf Basisdes realen Vermögens des Netzbetreibers angesetzt werden(Folge: negative EK-Verzinsung), würde dies für den Netzbe-treiber zu einer Reduzierung der Erstattung der übrigen kal-kulatorischen (selbst effizienten) Kosten führen44 undzugunsten des Netzeigentümers in bestimmten Konstellatio-nen ein höherer Pachtzins45 anerkannt werden.

In der Folge würde die wirtschaftliche Überlebensfähigkeitdes Netzbetreibers von der Möglichkeit eines Verlustaus-gleich eines anderen Unternehmens (z.B. einer Muttergesell-schaft als Netzeigentümerin) abhängig sein können. Wird daserrechnete negative Eigenkapital dann noch höher verzinstals das Sachanlagevermögen im Rahmen der Pachtzinsaner-kennung (sog. Zinsimparität46), würde das Pachtmodellgesamtwirtschaftlich im Vergleich zur großen Netzgesell-schaft im Grundsatz betriebswirtschaftlich deutlich wenigerrentabel und praktikabel sein. Es käme im Vergleich zur gro-ßen Netzgesellschaft gesamt-wirtschaftlich zu einer geringe-ren Kostenanerkennung und damit zu einer Senkung derregulatorisch zugestandenen EOG/Netzentgelte im Pachtmo-dell.

Aus Sicht der EVU würde das Problem insgesamt abge-schwächt werden, wenn das überschießende Abzugskapital(negatives Eigenkapital) bei der Berechnung der Pachtzinsan-erkennung (EK-Verzinsung auf Basis des Vermögens desNetzeigentümers) angesetzt werden würde. Dann käme es zueiner Senkung der Anerkennungsfähigkeit des Pachtzinses fürden Netzeigentümer; genauer gesagt würde sich die Verzin-sung des vom Netzeigentümer eingesetzten Kapitals im Ver-gleich zum Investor in einer großen Netzgesellschaft anglei-chen. Demgegenüber müsste der Netzbetreiber selbst keineweitere Reduzierung seiner übrigen kalkulatorischen (effizi-enten) Kosten hinnehmen. Paradox wäre aber der Umstand,dass nach dieser Berechnungsweise der Netzbetreiber imFalle eigener eigenkapitalfinanzierter Investitionen (Anhäu-fung von eigenem Sachanlagevermögen), die Anerkennungs-fähigkeit des für das fremde Netz geschuldeten Pachtzins stei-gert.

2. Berechnungsweg: kalkulatorische Zuordnung relevantenVermögensbestandteile zum Netzbetreiber

41 Würde die Berechnung des Pachtzinsanerkennung auf Basisdes Vermögens des Netzbetreibers (einschließlich des enthal-tenen Abzugskapitals) unter kalkulatorischer Zurechnungder Vermögensbestandteile des Netzeigentümers (u.a. dessenSachanlagevermögens) erfolgen, würde die Anerkennungsfä-higkeit des Pachtzinses für den Netzeigentümer sinken undzugunsten des Netzbetreibers eine vollständige Erstattung sei-ner übrigen kalkulatorischen (effizienten) Kosten eintreten.

In der Folge würde der Netzbetreiber mit Blick auf diegepachteten Anlagen (mangels eigenem Sachanlagevermö-gens und EK-Verzinsung) zwar immer noch keine Renditeerwirtschaften. Er wäre aber konzeptionell und grundsätzlich

in der Lage, den Netzbetrieb ohne die Möglichkeit des Ver-lustausgleichs zu bewirtschaften. Mit der Senkung der Aner-kennungsfähigkeit des Pachtzinses würde sich die EK-Verzin-sung des vom Netzeigentümer eingesetzten Kapitals reduzie-ren und im Vergleich zum Investor in einer großen Netzge-sellschaft angleichen.

Jedenfalls konzeptionell würde nach diesem Berechnungswegdas virulente Abzugskapital zinssenkend wirken und inso-weit einer höheren Kostenerstattung (Netzentgelterhöhung)im Wege stehen. Es würde aber keine geringere Kostenan-erkennung und damit keine Senkung der regulatorisch zuge-standenen EOG/Netzentgelte im Pachtmodell eintreten.

Fazit42 Die kalkulatorische Berechnung im Pachtmodell (Aufteilung

der kalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile zwi-schen zwei Unternehmen) darf zu keiner Netzentgelterhö-hung führen. Wie gezeigt besitzt die Frage, welche (taugliche)Berechnungsmethode hierfür angewandt wird, eine erhebli-che Steuerungswirkung. Sie entscheidet über folgende Fra-gen:

– Sollen reine Infrastrukturinvestoren (Netzverpächter)durch die bloße Netzverpachtung in bestimmten Fälleneine ertragsreichere Verzinsung ihres eingesetzten Eigen-kapitals erhalten als ein Investor, der auch selbst das Netzbetreibt (große Netzgesellschaft); oder nicht?

– Soll „schlanken Netzgesellschaften“ im Pachtmodell ihreübrigen effizienten kalkulatorischen Kosten in vollemUmfang erstattet werden; oder nicht?

– Sollen „schlanke Netzgesellschaften“ im Pachtmodell fürsich selbst, das heißt auch ohne Konzernverbindungenund Verlusttragungsmöglichkeiten wirtschaftlich überle-bensfähig sein können; oder nicht?

– Soll bereits die Wahl des Pachtmodells insgesamt zu einergeringeren Kostenanerkennung und damit zu einer Netz-entgeltsenkung führen; oder nicht?

– Soll das entflechtungsrechtlich gestattete Pachtmodellaus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine geringerebetriebswirtschaftliche Rentabilität und Praktikabilitätbesitzen als das Modell der „großen Netzgesellschaft“;oder nicht?

44 Die kalkulatorische Kostenposition der EK-Verzinsung würde, wennsie einen negativen Wert annimmt (negative EK-Verzinsung) alsSubtrahend bzw. Abzugsposten bei der Ermittlung der Netzkosten(Addition der Netzkostenpositionen) wirken und damit im Ergebnisdazu führen, dass der Netzbetreiber andere (aufwandsgleiche oderkalkulatorische) Kosten – selbst wenn diese effiziente Kosten dar-stellen – nicht in voller Höhe in die EOG einstellen kann und damitnicht in voller Höhe erstattet bekommt. Von dem vergleichsweisehöher anerkannten Pachtzins hat der Netzbetreiber nichts, weil erden Pachtzins an den Netzeigentümer abführen muss.

45 Im Vergleich zur großen Netzgesellschaft erhält der Netzeigentü-mer im Pachtmodell eine höhere EK-Verzinsungsbasis, weil dasnetzbetriebsinduzierte Abzugskapital bilanziell nicht in seinemVermögen vorhanden ist und deshalb die Verzinsungsbasis derEK-Verzinsung nicht senken kann. Daraus kann sich im Ergebnisauch eine insgesamt höhere EK-Verzinsung ergeben. Vgl. aber Rdn.145.

46 Vgl. Rdn. 138.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 57

Grundzüge der Regulierungspraxis und rechtlicheBegründungsansätze

43 Um der nachfolgenden rechtlichen Bewertung eine passendeStruktur zu geben und die maßgeblichen juristischen Fragenzu identifizieren, ist es angezeigt, die Begründungsansätze dergegenwärtigen Regulierungspraxis und BGH-Rechtspre-chung in ihren Grundzügen zu erfassen.

Wahl der Berechnungsmethode 44 Die BNetzA begegnet der mit der Netzverpachtung einher-

gehenden Aufteilung der für die Entgeltbildung kalkulato-risch relevanten Vermögensbestandteile dadurch, indem siesowohl den Netzbetreiber (dessen reales Vermögen) als auchden Netzeigentümer (dessen reales Vermögen) getrennt von-einander kalkulatorisch berechnet. Der BGH hat die Recht-mäßigkeit dieses rechnerischen Vorgehens schon im Jahr2009 („SWU Netze“) bestätigt.47 Die Begründung hierfürblieb seinerzeit schlicht.48

45 Begründungsansätze dafür, weshalb die BNetzA den imWortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV49 angelegtenBerechnungsweg, die Pachtzinsanerkennung auf der Basis desVermögens des Netzbetreibers unter kalkulatorischerZurechnung der relevanten Vermögens-bestandteile desNetzeigentümers zu ermitteln (dazu Rdn. 34), außer Acht las-sen darf, lieferte der BGH erst in späteren Entscheidungen(2017).50 Die besagte Entscheidung „SW Kiel Netz GmbH“(2017) hatte die Frage zum Gegenstand, ob das Abzugskapi-tal des Netzbetreibers51 bei der Berechnung der Betriebsnot-wendigkeit des Umlaufvermögens des Netzeigentümers52

Berücksichtigung finden müsse. Der BGH hat dies mit demHinweis auf die Zielsetzung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVabgelehnt. Die Begründung ist grundsätzlicher Natur53:„Hieraus [Anm.: aus § 4 Abs. 5 Satz 1 GasNEV] ergibt sich […] ledig-lich, dass die Kosten, die anfielen, wenn der Betreiber zugleich Eigentü-mer wäre, eine Obergrenze für die Höhe der berücksichtigungsfähigenKosten bilden. Eine daraus resultierende Korrektur hat aber lediglichpunktuellen Charakter und ändert nichts daran, dass die Vermögens-sphären von Netzeigentümer und Netzbetreiber grundsätzlich getrenntzu betrachten sind (BGH, Beschluss vom 25. April 2017 - EnVR 57/15Rn. 45 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).„Entgegen der Auffassung der Betroffenen darf die nach § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV relevante Obergrenze deshalb nicht in der Weisebestimmt werden, dass die Vermögenssphären von Netzeigentümer undNetzbetreiber hypothetisch zusammengelegt werden. Bei den nach § 4Abs. 5 Satz 1 GasNEV relevanten Kosten, die anfielen, wenn der Netz-betreiber Eigentümer der Anlagen wäre, handelt es sich zwar notwendigum hypothetische Werte, weil Netzbetreiber und Netzeigentümer in denbetroffenen Fällen gerade nicht identisch sind. Hieraus kann aber nichtgefolgert werden, dass die Kostenbetrachtung vollständig losgelöst vonder tatsächlichen Kostensituation erfolgen darf. Soweit dies möglich ist,sind die hypothetischen Kosten, die dem Betreiber als Eigentümer ent-stehen würden, vielmehr anhand der tatsächlichen Kostensituation zuermitteln. Hierfür bilden die Kosten des Netzeigentümers einen geeigne-ten Maßstab. Eine weitergehende Abstraktion durch hypothetischeZusammenlegung der Vermögenssphären von Eigentümer und Betrei-ber würde demgegenüber darauf hinauslaufen, dass die tatsächlicheSituation in weitem Umfang unberücksichtigt bliebe und rein fiktiveWerte herangezogen würden. Dies ist mit der Zielsetzung von § 4Abs. 5 Satz 1 GasNEV nicht vereinbar.“

Konsequenzen für die Berechnung der einzelnengesetzlich definierten Kostenpositionen

46 Die Entscheidung der Regulierungsbehörden, bei der kalku-latorischen Berechnung nicht nur das Vermögen des Netzbet-

C.

I.

II.

reibers, sondern auch das Vermögen des Netzeigentümers(getrennt) zu betrachten, hat weitreichende Konsequenzenbei der Berechnung der einzelnen Kostenpositionen. Es ent-stehen juristische Folgefragen. In den Regelungen der im Ein-zelnen gesetzlich vorgegebenen Kostenpositionen §§ 5 ff.Strom-/GasNEV ist die Situation der Aufteilung der kalkula-tionsrelevanten Vermögensbestandteile nicht explizit nor-miert. Bei isolierter Betrachtung dieser Normen (v.a. Wort-laut, Sinn und Zweck) stellen sich deshalb Auslegungsergeb-nisse ein, die dem Ziel der regulierungsbehördlichen Berech-nungsweise – nämlich eine Netzentgelterhöhung zu verhin-dern und ggf. weitere Kostenkürzungen vorzunehmen –widersprechen. Die BGH entnimmt allerdings der Norm des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV über ihren Wortlaut hinaus54 einallgemeines Ziel/Prinzip, das die Auslegung und Anwendungsämtlicher Kostenpositionen beeinflussen und gewisserma-ßen überlagern soll. An der Rechtmäßigkeit der Regulie-rungspraxis hatte das Gericht deshalb keine Zweifel.55

„Fiktives Netzentgelt“ für den Netzeigentümer alsaufwandsgleiche Kostenposition für den Netzbetreiber

47 Der BGH bestätigte, dass die BNetzA zu Recht davon aus-geht, dass der vom Netzbetreiber gezahlte Pachtzins als auf-wandsgleiche Kostenposition gemäß § 5 Abs. 1 Strom-/GasNEV in Ermittlung seiner Netzkosten eingeht.

48 Für die Berechnung der Anerkennungsfähigkeit dieses Pacht-zinses ist die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV geschaf-fen worden. Aus den bereits genannten Gründen (Rdn. 45)nimmt die BNetzA hier aber nicht die im Wortlaut der Normangelegte Berechnung auf der Basis des (kalkulatorischzusammengelegten) Vermögens des Netzbetreibers als großeNetzgesellschaft56 vor. Vielmehr berechnet sie die Anerken-nungsfähigkeit des Pachtzinses auf der Basis der kalkulato-

1.

47 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 39 ff.;Fortführung: BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Vertei-lungsnetzgesellschaft mbH, Rn. 42; BGH, Beschl. v. 17.10.2017 –EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH, Rn. 35 ff.; BGH, Beschl. v.29.01.2019, EnVR 62/17, Rn. 16.

48 „Um in den Verpachtungsfällen die Festlegung überhöhter Netz-entgelte zu verhindern, hat eine kalkulatorische Berechnungsowohl beim Verpächter als auch beim Pächter stattzufinden.“,BGH, a.a.O., SWU Netze, Rn. 43.

49 In § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV heißt es wörtlich: „Kosten oder Kos-tenbestandteile, die auf Grund einer Überlassung betriebsnotwen-diger Anlagegüter anfallen, können nur in der Höhe als Kostenanerkannt werden, wie sie anfielen, wenn der Betreiber Eigentü-mer der Anlagen wäre. […].“

50 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH, Rn. 44; BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SWKiel Netz GmbH, Rn. 38.

51 Im Rahmen der Berechnung der EK-Verzinsung (CAPEX) des Netz-betreibers.

52 Im Rahmen der Berechnung der EK-Verzinsung des Netzeigentü-mers als Teil seines fiktiven Netzentgelts als anerkennungsfähigerPachtzins (OPEX) des Netzbetreibers.

53 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH, Rn. 35.54 Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nimmt nur auf die

Anerkennung der Kosten für die Überlassung des Netzes (z.B. denPachtzins) Bezug.

55 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 39 ff.;Die im Folgenden dem BGH zugeschriebenen Aussagen entstam-men dieser Entscheidung.

56 Dazu Rdn. 34.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

58 EWeRK 2/2020

risch relevanten Kosten- bzw. Vermögenssituation des Netz-eigentümers. Für den Netzeigentümer wird ein fiktives Netz-entgelt im Wege der sonst auch üblichen Entgeltberechnung(Kostenprüfung) ermittelt.57 Der BGH hat die Rechtmäßig-keit dieser Vorgehensweise mit dem Sinn und Zweck des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV (keine Netzentgelterhöhung durchVermögensaufteilung) begründet.

49 Das Abzugskapital des Netzbetreibers wird bei der auf-wandsgleichen Kostenposition, weil hier nur die Vermögens-lage des Netzeigentümers betrachtet wird, nicht berücksich-tigt.

„Negative Eigenkapitalverzinsung“ als Abzugspostenbei der Ermittlung der Netzkosten

50 Vom Netzeigentümer getrennt nimmt die BNetzA nun diekalkulatorische Berechnung auf Basis des Vermögens desNetzbetreibers vor. Auch hier tun sich juristische Fragen,genauer gesagt Folgeprobleme auf, die ihren Ursprung in derBerechnung der Pachtzinsanerkennung haben.

51 Im Rahmen der Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapi-talverzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) findet die Behörde imVermögen des Netzbetreibers/Pächters nur dessen Finanzan-lage- und Umlaufvermögen.58 Er verfügt als Pächter überkein oder kaum eigenes Sach- und Finanzanlagevermögen.59

Damit ist der Minuend in der Berechnungsformel60 desbetriebsnotwendigen Eigenkapitals als Verzinsungsbasis derkalkulatorischen Eigenkapital-verzinsung gering. Er verrin-gert sich sogar noch insoweit als das Umlaufvermögen desNetzbetreibers in beträchtlichem Umfang regulierungsbe-hördlich gekürzt wird.61 Fällt nun – wie üblich – beim Netz-betreiber Abzugskapital62 und verzinsliches Fremdkapital an,wird dieses von der BNetzA als Subtrahend bei der Berech-nung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals angesetzt. Istdieses Abzugskapital des Netzbetreibers (Subtrahend) größerals sein eingesetztes Finanzanlage- und Umlaufvermögen63

(Minuend), ergibt sich rechnerisch eine negative Differenz(sog. negatives Eigenkapital). Die BNetzA setzt diesen rech-nerischen Befund nun als Verzinsungsbasis an und stellt einenegative Eigenkapitalverzinsung in die Ermittlung der Netz-kosten ein.

52 Diese Vorgehensweise ist begründungsbedürftig. Vom OLGDüsseldorf64 ist seinerzeit eingewandt worden, dass die kal-kulatorische EK-Verzinsung dazu dient, dem Netzbetreibereine Rendite für sein eingesetztes Eigenkapital zu gewähren.Hat er kein Eigenkapital, kann er keine Rendite beanspru-chen. Eine negative EK-Verzinsung kehrt diese Kostenposi-tion aber gewissermaßen in ihr Gegenteil um und wandeltdiese in einen Abzugsposten.65 Nach Ansicht des Gerichtswiderspricht eine negative EK-Verzinsung dem Sinn undZweck des § 7 Strom-/GasNEV und dem System der kosten-orientierten Entgeltbildung.

53 Für die Berechnungsweise der Regulierungspraxis tut sichhier ein fundamentales Problem auf. Sie lehnt es bekanntlichab, die Höhe der Pachtzinsanerkennung dem Wortlaut des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV folgend auf Basis des Netzbetrei-bers unter kalkulatorischer Zuordnung der relevanten Kos-

2.

ten- und Vermögensbestandteile des Netzeigentümers zuberechnen (Rdn. 45). Bei der Pachtzinsanerkennung wirdstattdessen ein fiktives Netzentgelt auf Basis des realen Ver-mögens des Netzeigentümers berechnet. Bei dieser Berech-nung wird aber das beim Netzbetrieb anfallende Abzugskapi-tal nicht (die Verzinsungsbasis senkend) berücksichtigt; esgehört schließlich nicht zum Vermögen des Netzeigentümers.Wäre die Regulierungspraxis in der Kostenprüfung (Ermitt-lung der Netzkosten) nun daran gehindert, den verzinsungs-bzw. verzinsungsbasissenkenden Betrag des Abzugskapitalsan einer anderen Stelle (andere gesetzliche aufwandsgleicheoder kalkulatorische Kostenposition) doch noch kostenkür-zend anzusetzen, könnte sich im Vergleich zur großen Netz-gesellschaft eine höherer Wert kalkulatorischer Kosten erge-ben (vgl. Rdn. 130). Durch die Vermögensaufteilung (Netz-pacht) würden die Netzentgelte dann steigen.

54 Um dies zu verhindern, greift die Regulierungspraxis auf dieKostenposition der kalkulatorischen EK-Verzinsung (§ 7Strom-/GasNEV), damit auf die eigenen Ertragsmöglichkei-ten des Netzbetreibers66 zurück und setzt dort das – auch imVermögen des Netzbetreibers befindliche – Abzugskapitalvollständig, und damit auch den Teil als Verzinsungsbasisein, der das betriebsnotwendige Vermögen des Netzbetrei-bers übersteigt („überschießendes Abzugskapital“ = negati-ves betriebsnotwendiges Eigenkapital). Würde dieser Schritt

57 Ergibt diese Berechnung, dass das ermittelte fiktive Netzentgeltbei dem Netzeigentümer niedriger wäre als bei dem Netzpächter(als der von ihm in der Kostenprüfung angegebene Pachtzins),müsse eine entsprechende Kürzung erfolgen. Dies habe dadurchzu geschehen, dass der kalkulatorisch anzusetzende Pachtzins soweit herabgesetzt wird, bis sich bei dem Netzpächter exakt diesel-ben Netzentgeltelemente ergeben, die auch beim Netzeigentümerentstehen.

58 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Strom-/GasNEV.59 § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 Strom-/GasNEV.60 § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Strom-/GasNEV.61 Dazu Heim/Schwintowski/Sauer/Meyer/Vogel, Das Konzept der

wettbewerbsanalogen Ermittlung des betriebsnotwendigenUmlaufvermögens, EWeRK 2018, S. 153-166.

62 § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Strom-/GasNEV.63 Eigenes Sachanlagevermögen des Netzbetreibers (Pächters) ist ja

nicht oder nur in geringem Maße vorhanden.64 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2007 – VI-3 Kart 8/07 (V), Rn. 107 ff.;

inzwischen hat sich das OLG Düsseldorf der Rechtsprechung desBGH angeschlossen und diskutiert die Frage, ob eine negative EK-Verzinsung mit dem Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV ver-einbar ist, nicht mehr. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2015 –VI-3 Kart 16/13 (V), Rn. 116 ff.

65 Die kalkulatorische Kostenposition der EK-Verzinsung würde, wennsie einen negativen Wert annimmt (negative EK-Verzinsung) alsSubtrahend bzw. Abzugsposten bei der Netzkostenermittlung wir-ken und damit im Ergebnis dazu führen, dass der Netzbetreiberandere (aufwandsgleiche oder kalkulatorische) Kosten – selbstwenn diese effiziente Kosten darstellen – nicht in voller Höhe indie EOG einstellen können und damit nicht in voller Höhe erstattetbekommen. Von dem vergleichsweise höher anerkannten Pacht-zins hat der Netzbetreiber nichts, weil er den Pachtzins an denNetzeigentümer abführen muss.

66 Die Höhe der Anerkennung des Pachtzinses ist für den Netzbetrei-ber typischerweise nicht von Relevanz, weil er diesen Teil der EOGohnehin an den Verpächter auszahlt und etwaige Anerkennungs-kürzungen oder -erhöhungen i.d.R. durch eine dynamische Klauselim Pachtvertrag zu einer Pachtzinssenkung oder -steigerung füh-ren. Demgegenüber senkt eine negative EK-Verzinsung in die Aner-kennung seiner übrigen Kosten und greift damit in seine eigeneErtragsmöglichkeit ein.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 59

unterlassen werden, um eine dem Sinn und Zweck des § 7Strom-/GasNEV nicht entsprechende Anwendung der kalku-latorischen Kostenposition zu vermeiden, würde dies – weildie Regulierungspraxis dieses Abzugskapitals bei der Pacht-zinsanerkennung bekanntlich nicht berücksichtigt – zu einerNetzentgelterhöhung führen können67. Der BGH (2009) hieltdiese Vorgehensweise deshalb auch für gerechtfertigt. DieVermeidung der Berechnung einer negativen EK-Verzinsungim Rahmen der Kostenposition der kalkulatorischen EK-Ver-zinsung – wie es das OLG Düsseldorf forderte – verstoßegegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV.68

55 Nach Ansicht der BNetzA und ihr folgend des BGH69 ist daserrechnete negative Eigenkapital mit dem gesetzlich vorgese-henen höchstmöglichen EK-Zinssatz (EK > 40%) für Neuan-lagen (derzeit 6,91% v. St.) zu verzinsen. Ein anderer Zins-satz stehe gesetzlich nicht zur Verfügung. Allein dieser Zins-satz entspräche auch dem Zweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV.70

Zusammenfassung: Begründungsansätze derRegulierungspraxis

56 Die Regulierungspraxis ist bestrebt, durch die Aufteilungkalkulatorisch relevanter Vermögensbestandteile zwischenNetzbetreiber und Netzeigentümer im Pachtmodell keinehöhere Anerkennung kalkulatorischer Kosten und mithinkeine Netzentgelterhöhung eintreten zu lassen.

57 Sie entnimmt dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV dieses allgemeine Prinzip, das die gesamte Kosten-prüfung leiten soll, damit alle vom Verordnungsgeber zuge-standenen Kostenpositionen (§§ 5 ff. Strom-/GasNEV)betrifft und dessen Anwendung in diesem Sinne beeinflusst.

58 Sie geht davon aus, dass die kalkulatorische Berechnung stetsnur auf Basis der realen Kosten- bzw. Vermögenssituationender Unternehmen zu erfolgen hat. Auch im Pachtmodell(Aufteilung der Vermögensbestandteile) nimmt sie einegetrennte kalkulatorische Berechnung des Vermögens desNetzbetreibers einerseits und das des Netzeigentümers ande-rerseits vor. Die im Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVangelegte Berechnung der Pachtzinsanerkennung auf derBasis des Vermögens des Netzbetreibers unter kalkulatori-scher (hypothetischer) Zurechnung des kalkulatorisch rele-vanten Vermögens des Netzeigentümers wird von der Regu-lierungspraxis abgelehnt. Sie geht davon aus, dass bei dieserBerechnungsweise die tatsächliche Situation in weitemUmfang unberücksichtigt bliebe und rein fiktive Werte heran-gezogen würden, was mit der Zielsetzung des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV nicht vereinbar sei. Implizit nimmt sie dabeian, dass es durch die besagte Berechnungsweise zu einerhöheren Anerkennung kalkulatorischer Kosten und mithinzu einer Netzentgelterhöhung kommt. Ein Beweis wird dafürnicht geliefert.

59 Sie berechnet die Höhe der Anerkennungsfähigkeit des Pacht-zinses als aufwandsgleiche Kostenposition (§ 5 Strom-/GasNEV) – anders als es der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nahelegt – auf der Basis des Vermögens des Netzei-gentümers, für den ein fiktives Netzentgelt im Wege der sonst

III.

üblichen Entgeltberechnung (Kostenprüfung) ermittelt wird.Dabei, das heißt bei der Berechnung der Verzinsungsbasis derEK-Verzinsung des Netzeigentümers wird das bei einem ope-rativen Netzbetrieb zwangsläufig anfallende Abzugskapitalnicht im Ergebnis verzinsungssenkend in Abzug gebracht.

60 Die Kostenposition der kalkulatorischen EK-Verzinsung desNetzbetreibers (§ 7 Strom-/GasNEV) berechnet sie auf derBasis des Vermögens des Netzbetreibers. Sie errechnet unterBefolgung der gesetzlich vorgegebenen Berechnungsformelfür die Bestimmung der Verzinsungsbasis einen negativenWert (sog. negatives Eigenkapital), wenn und soweit im Ver-mögen des Netzbetreibers im Pachtmodell weniger eigenesSachanlagervermögen als Abzugskapital vorhanden ist. Die-sen Betrag setzt sie als Verzinsungsbasis ein und wendet aufdiesen – unter mechanischer Anwendung der in § 7 Strom-/GasNEV vorgegebenen Berechnungsweise – den höchstenEK-Zinssatz an. Sie stellt damit einen Abzugsposten (negativeEK-Verzinsung) in die Kostenprüfung (Ermittlung der Netz-kosten) ein, obschon die Kostenposition der kalkulatorischenEK-Verzinsung ihrem Sinn und Zweck nach nicht dazugeschaffen wurde. Sie rechtfertigt ihre Vorgehensweise damit,dass die Anwendung der Kostenposition der kalkulatorischenEK-Verzinsung durch § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bestimmtwerde und eine Anwendung, bei der eine negative EK-Verzin-sung unterbleibt, gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV verstößt.

61 Vom BGH ist die Rechtsmäßigkeit der Regulierungspraxisbestätigt worden.

62 Ob diese Regulierungspraxis tatsächlich der Norm des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV entspricht oder ihr (wie es naheliegt)zuwiderläuft, wird in Teil 2 ausführlich behandelt. Ganz wer-tungsfrei lässt sich aber bereits feststellen, dass diese Regulie-rungspraxis zu folgenden Konsequenzen führt:

– Die Regulierungspraxis verhindert, dass es durch dieNetzverpachtung zu einer Erhöhung der Netzentgeltekommt.

– Die Regulierungspraxis führt im Vergleich zur großenNetzgesellschaft, die über exakt dieselben relevantenKosten- und Vermögensbestandteile verfügt wie imPachtmodell das Paar von Netzeigentümer/-verpächterund Netzbetreiber/-pächter zusammen, zu einer Senkungder Netzentgelte im Pachtmodell.

67 Vgl. Rdn. 129 ff.; vgl. aber auch Rdn. 145 ff.68 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 44.69 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-

sellschaft mbH, Rn. 32 ff.; bestätigt BGH, Beschl. v. 09.07.2019 –EnVR 52/18 – Eigenkapitalzinssatz II, Rn. 99 f.

70 Diese Annahmen passen ins Schema der Berechnungsmethode derRegulierungspraxis. Geht man von einer vom Netzeigentümer iso-lierten kalkulatorischen Berechnung des Vermögens des Netzbet-reibers aus, wird die für die Anwendung der gesetzlich verfügbarenEK-Zinssätze maßgebliche unternehmensindividuelle EK-Quoteunter 40% liegen. Der BGH (2017) bestätigte diese Vorgehensweise.Die BNetzA müsse nicht auf eine andere Quote festlegen. EineÜbertragung der beim Netzeigentümer ermittelten Quote auf denNetzbetreiber führe zu einer fiktiven Vermögensvermischung, diedem Zweck des § 4 Abs. 5 GasNEV zuwiderliefe. Vgl. BGH, Beschl. v.25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH,Rn. 44.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

60 EWeRK 2/2020

– Das entflechtungsrechtlich gestattete Pachtmodell besitztaus gesamtwirtschaftlicher Perspektive damit eine gerin-gere betriebswirtschaftliche Rentabilität und Praktikabili-tät als das Modell der „großen Netzgesellschaft“. Dieerzielbare Erlösobergrenze ist im Pachtmodell geringer.

– Ein Infrastrukturinvestor (Netzeigentümer) kann abermit der bloßen Netzverpachtung aus dem eingesetztenKapital in bestimmten Fällen71 eine höhere Verzinsungerzielen, als dies ein Netzeigentümer könnte, der seinNetz als große Netzgesellschaft selbst betreibt und dabeiüber exakt dieselben relevanten Vermögensbestandteileverfügt wie im Pachtmodell das Paar von Netzeigentü-mer/-verpächter und Netzbetreiber/-pächter zusammen.

– Dem Netzbetreiber werden im Pachtmodell durch denAnsatz einer negativen EK-Verzinsung nicht mehr sämt-liche effiziente und wettbewerbsanaloge Kosten (OPEX)seiner Netzbetriebsführung erstattet; bis dahin, dass diewirtschaftliche Überlebens-fähigkeit des Netzbetreibersvon der Möglichkeit einer Verlusttragung durch andere(z.B. konzernverbundene) Unternehmen abhängt.

63 Diese Tragweite hat der BGH bei der Begründung der Rechts-mäßigkeit der Vorgehensweise der BNetzA außer Acht gelas-sen und nur die Folgen für die Gesamthöhe der kalkulatori-schen Kostenanerkennung (Höhe der EOG/Netzentgelte)berücksichtigt.

Ausblick für die rechtliche Bewertung 64 In den Grenzen des Verfassungs- und Europarechts könnte

der deutsche Gesetzgeber festlegen, dass das Pachtmodellnicht den Anforderungen des Entflechtungsregimes (§§ 6 ff.EnWG) entspricht oder den Unternehmen bei der Erbringungvon Netzbetreiberleistungen aus anderen Gründen nichtgestattet ist. Das ist nicht erfolgt (Rdn. 3 ff.).

65 In den Grenzen des Verfassungs- und Europarechts hat derdeutsche Gesetzgeber auch die Befugnis darüber zu entschei-den, ob (und inwiefern) Netzeigentümer und Netzbetreiberim Pachtmodell bei der Netzentgeltregulierung anders behan-delt werden sollen als im Modell der „großen Netzgesell-schaft“. Er könnte in diesen Grenzen also auch nur diebetriebs-wirtschaftliche Rentabilität und Praktikabilität desNetzpachtmodells beeinflussen und auf diese Weise die unter-nehmerische Gestaltung von Netzbetreiberleistungen steuern.Er hat in den genannten Grenzen die Befugnis, die gesamteTragweite, die sich aus der Anerkennung und Erstattung vonNetzkosten ergeben würde (Rdn. 42), im Rahmen kalkulato-rischer Berechnungsvorgaben zu regeln.

66 In den Grenzen des Verfassungs- und Europarechts hat derdeutsche Gesetzgeber aber grundsätzlich auch die Befugnis,darüber zu entscheiden, ob (und inwieweit) er den Verord-nungsgeber ermächtigt, die Frage zu regeln, ob (und inwie-fern) Netzeigentümer und Netzbetreiber im Pachtmodell beider Netzentgeltregulierung anders behandelt werden sollenals im Modell der „großen Netzgesellschaft“. Wird dem Ver-ordnungsgeber diese Verordnungsermächtigung tatsächlichin rechtmäßiger Weise erteilt, hat er die Befugnis – wiederum

IV.

in den Grenzen des Verfassungs- und Europarechts sowieunter Beachtung des Umfangs der Ermächtigungsgrundlage –diese Frage zu regeln und ggf. vorzugeben, dass allein schonanlässlich und aufgrund einer Netzverpachtung eine Kürzungder Kostenanerkennung erfolgen muss.

67 In den Grenzen des Verfassungs- und Europarechts hatder deutsche Gesetz- und ggf. auch der Verordnungsgeberschließlich auch die Befugnis darüber zu entscheiden, ob(und inwiefern) den Regulierungsbehörden die Befugnis (z.B.Regulierungsermessen) dafür eingeräumt wird, Netzeigentü-mer und Netzbetreiber im Pachtmodell entgeltregulatorischanders zu behandeln als im Modell der „großen Netzgesell-schaft“. Möglicherweise muss der Behörde aus europarecht-licher Perspektive diese Befugnis auch eingeräumt werden.Wird der Regulierungsbehörde diese Befugnis tatsächlichin rechtmäßiger Weise eingeräumt, darf sie – wiederum inden Grenzen des Verfassungs- und Europarechts sowie unterBeachtung des Umfangs des ihr zugestandenen Ermessens– ihr Ermessen ausüben und ggf. schon anlässlich und auf-grund einer Netzverpachtung eine Kürzung der Kostenaner-kennung (Netzentgeltsenkung) vornehmen.

68 Aus alledem wird deutlich, dass die verfassungs- und europa-rechtliche Bewertung der Regulierungspraxis davon abhängt,was Gesetz- und Verordnungsgeber im Einzelnen festgelegthaben. Im Folgenden soll daher zunächst analysiert werden,ob die Regulierungs-praxis mit den gesetzlichen Vorgabenzur Netzentgeltregulierung im Einklang steht. Im Anschlusserfolgt die verfassungs- und europarechtliche Bewertung derRegulierungspraxis und – soweit überhaupt nötig – auch dieder gesetzlichen Vorgaben.

Rechtliche Bewertung

Entgeltregulatorische Bewertung der negativenEK-Verzinsung

69 Zunächst wird die Regulierungspraxis und BGH-Rechtspre-chung einer kritischen Bewertung unterzogen. Es wirdgezeigt, dass diese von falschen tatsächlichen und rechtlichenAnnahmen ausgeht. Im Anschluss (Rdn. 217 ff.) wird über-blicksartig und zusammenfassend der Anspruch des Netzbet-reibers im Netzpachtmodell und dessen rechtlich konsistenteBerechnungsweise erörtert.

Kritik der Regulierungspraxis und BGH-Rechtsprechung

70 Die folgende Kritik nähert sich dem Problem von zwei Seitenher.

Zunächst wird analysiert, ob der Regulierungspraxis tatsäch-lich gestattet ist, einem Netzbetreiber im Rahmen der gesetz-lich zugestandenen Kostenart der kalkulatorischen EK-Ver-zinsung einen Abzugsposten (negative EK-Verzinsung) inRechnung zu stellen, der die Erstattung/Anerkennung seinerübrigen (auch effizienten) Kosten mindert (Rdn. 71). Analy-segegenstand ist die verordnungsrechtlich geschaffene Kos-

Teil 2:

A.

I.

71 Vgl. Rdn. 134 ff.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 61

tenposition der kalkulatorischen EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV).

Im Anschluss (Rdn. 104 ff.) wird untersucht, ob und inwie-weit die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV im Pachtmo-dell eine abweichende Berechnungsweise auch der Kostenartder kalkulatorischen EK-Verzinsung gebietet. Analysegegen-stand ist an dieser Stelle die aus § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVfolgende richtige Berechnung der Höhe des anerkennungsfä-higen Pachtzinses und ihre rechtlichen Rückwirkungen undrechnerischen Reflexe auf die Bestimmung der kalkulatori-schen EK-Verzinsung des Netzbetreibers.

Insgesamt soll die folgende Kritik die Frage beantworten:Darf die Regulierungspraxis im Pachtmodell auf die gesetz-lich zugestandene und definierte Kostenposition der kalkula-torischen EK-Verzinsung zurückgreifen und dem Netzbetrei-ber mit einer negativen EK-Verzinsung einen Abzugspostenin der Netzkostenrechnung in Rechnung stellen?

Die Kostenart der kalkulatorische EK-Verzinsung nach§ 7 Strom-/GasNEV und die Möglichkeit des Ansatzesvon Negativzinsen

71 Die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung gehört zu denkalkulatorischen Netzkosten (Kostenkomponenten), die fürdie Ermittlung der Netzentgelte nach den §§ 4 bis 10 Strom-/GasNEV zusammenzustellen sind.

In § 7 Abs. 1 Satz 1 Strom-/GasNEV heißt es wörtlich:

„Die Verzinsung des von Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen[bzw. Gasversorgungsnetzen] eingesetzten Eigenkapitals erfolgt imWege einer kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung auf Grundlage desbetriebsnotwendigen Eigenkapitals.“

Allgemeine KonzeptbeschreibungZiel der EK-Verzinsung

72 § 7 Strom-/GasNEV dient der Umsetzung des § 21 Abs. 2Satz 1 EnWG.72 Danach soll den Netzbetreibern für das ein-gesetzte Eigenkapital eine angemessene, wettbewerbsfähigeund risikoangepasste Verzinsung gewährt werden. Ziel ist es,einerseits den berechtigten Interessen der Netznutzer an wett-bewerbsanalogen Preisen zu genügen und andererseits denKapitalgebern eine Rendite zu gewähren, die sie veranlasst,dass Kapital in dem Unternehmen zu belassen, und dieAnreize für weitere Investitionen in das Unternehmen und dieNetzinfrastruktur setzt.73

Verzinsungshöhe 73 Der Zinssatz ist so zu gestalten, dass Kapitalgebern auch im

Vergleich mit sonstigen Anlagemöglichkeiten auf den inter-nationalen Kapitalmärkten ein Interesse an Investitionen indie Energieversorgungsnetze haben.74 Dahingehend beschriebbereits die Verbände-vereinbarung das Ziel der kalkulatori-schen Eigenkapitalverzinsung, die sich „an der Rendite ande-rer Anlageformen mit vergleichbarem Risiko und vergleich-barer Kapitalbindungsdauer orientieren [sollte]“.75 Der fürdie 3. Regulierungsperiode geltende EK-Zinssatz (EK < 40%)beträgt für Neuanlagen 6,91% v.St.76 und setzt sich dabeigemäß § 7 Abs. 4 und 5 Strom-/GasNEV aus einem risikolo-sen Zinssatz (derzeit 2,49%) und einem Wagniszuschlag

1.

a.aa.

bb.

(Marktrisikoprämie i.H.v. 3,80% x Risikofaktor 0,83%)sowie aus dem Steuerfaktor (1,225) zusammen.77

Verzinsungsbasis (bnEK)74 Als Verzinsungsbasis ist das sog. betriebsnotwendige Eigen-

kapital (bnEK) anzusetzen. Die Berechnung des bnEK wirdkonzeptionell vom Verordnungsgeber bestimmt (§ 7 Abs. 1und 2 Strom-/GasNEV). Es wird nicht nur das Sachanlage-vermögen, sondern auch das Umlaufvermögen verzinst; frei-lich soweit dies betriebsnotwendig78 ist. Bei der Ermittlungdes bnEK sind letztlich sogar zwei Schranken zu berücksichti-gen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 Nr. 1 bis 4 dürfen Gegen-stände des Anlage- und Umlaufvermögens jeweils nur inso-weit berücksichtigt werden, als sie betriebsnotwendig sind.Von dem so ermittelten betriebsnotwendigen Kapital(betriebsnotwendigen Vermögen) sind nach Hs. 2 dasAbzugskapital und das verzinsliche Fremdkapital abzuzie-hen.79 Es lohnt ein näherer Blick auf dieses Konzept.

Berechnungsformel75 § 7 Abs. 1 Satz 2 Strom-/GasNEV ordnet eine Subtraktion

an. Bei der sich aus den nachfolgenden Schritten 1 und 2ergebenen Differenz handelt es sich um das bnEK, dessenVerzinsung als Kostenkomponente in die Netzentgelte (Erlö-sobergrenze) einfließt.

1. Schritt (Bestimmung des Minuenden):

Zunächst erfolgt eine Addition der kalkulatorischenRestwerte des Sachanlage-vermögens, mit den Bilan-zwerten der betriebsnotwendigen Finanzanlagen unterHinzurechnung der Bilanzwerte des betriebsnotwenigenUmlaufvermögens.

In Summe ergibt dies das sog. betriebsnotwendige Vermö-gen (bnV).

2. Schritt (Bestimmung des Subtrahenden):

Vom errechneten betriebsnotwendigen bnV ist das sog.Abzugskapital und das verzinsliche Fremdkapital inAbzug zu bringen.

76 Als Abzugskapital (Subtrahend) soll das zinslos zur Verfü-gung stehende Kapital zu behandeln sein (§ 7 Abs. 2 Satz 1

cc.

(1.)

72 BR-Drs. 245/05, S. 3573 Mohr, in: Säcker, Berliner Kommentar, Bd. 4, § 7 Rn. 3 StromNEV, mit

Verweis auf: u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2016 – VI-5 Kart33/14 (V); vgl. auch Fabritius, in: Elspas/Graßmann/Rasbach,EnWG/StromNEV/GasNEV, § 7 Rn. 1.

74 Mohr, a.a.O., mit Verweis auf: u.a. BT-Drs. 15/5268, S. 119 (zu § 21Abs. 2 Satz 2 EnWG); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2016, VI-5 Kart33/14 (V).

75 BDI/VIK/VDEW/VDN/ARE/VKU, Verbändevereinbarung über Krite-rien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrischeEnergie und über Prinzipien der Netznutzung vom 13.12.2001,Anlage 3 Ziff. 3 (S. 2).

76 BNetzA, Beschl. v. 05.10.2016, BK4-16-160/BK4-16-161; BGH, Beschl.v. 09.07.2019 – EnVR 52/18 – Eigenkapitalzinssatz II sowie BGH,Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18.

77 BNetzA, Beschl. v. 05.10.2016, BK4-16-160/BK4-16-161.78 Mithin der Leistungserstellung bzw. -erbringung dient. Zum Gan-

zen: Heim/Schwintowski/Sauer/Meyer/Vogel, Das Konzept derwettbewerbsanalogen Ermittlung des betriebsnotwendigenUmlaufvermögens, EWeRK 2018, S. 153-166.

79 So BGH, Beschl. v. 29.01.2019 – EnVR 62/17, Rn. 15.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

62 EWeRK 2/2020

Strom-/GasNEV). Es ergibt sich nach Satz 2 aus den folgen-den Positionen; wobei jeweils der Mittelwert aus Jahresan-fangs- und Jahresendbestand der Positionen anzusetzen seinsoll:

– Rückstellungen (Nr. 1)– erhaltene Vorauszahlungen und Anzahlungen von Kun-

den (Nr. 2)– unverzinsliche Verbindlichkeiten aus Lieferungen und

Leistungen (Nr. 3)– erhaltene Baukostenzuschüsse einschließlich passivierter

Leistungen der Anschlussnehmer zur Erstattung vonNetzanschlusskosten (Nr. 4)

– sonstige Verbindlichkeiten, soweit die Mittel dem Betrei-ber von Elektrizitäts-/Gasversorgungsnetzen zinslos zurVerfügung stehen (Nr. 5).

Funktion des Abzugskapitals i.R.d. § 7 Strom-/GasNEV 77 Die Funktion des Abzugskapitals ist von Relevanz für die

grundsätzlichere Frage, ob die kalkulatorische EK-Verzin-sung auch zu Negativzinsen führen kann, die in die Kosten-prüfung (Ermittlung der Netzkosten) dann kosten- bzw. ent-geltmindernd einfließen würden. Die Frage lautet präzise, obüberschießendes Abzugskapital (Fall: „betriebsnotwendigesVermögen < Abzugskapital“) und in der Folge ein negativerWert des betriebsnotwendigen Eigenkapitals als Verzinsungs-basis der kalkulatorischen EK-Verzinsung dienen kann undsoll. Für diese Frage ist auch ein Blick auf die Funktion desAbzugskapitals i.R.d. § 7 Strom-/GasNEV aufschlussreich.

78 Einen ausdrücklichen Hinweis darauf, weshalb das gesetzlichdefinierte Abzugskapital vom betriebsnotwendigen Vermö-gen des Netzbetreibers in Abzug zu bringen ist, weshalb esdie Verzinsungsbasis (bnEK) schmälern soll und ob es imÜberschussfall auch negativ zu verzinsen ist, enthält die Ver-ordnungsbegründung nicht. Man kann sich der Frage nachder Funktion des Abzugskapitals allerdings zunächstbetriebswirtschaftlich nähern (a.) und im Anschluss eine kal-kulatorische Einordnung (b.) vornehmen.

Betriebswirtschaftliche Definition des Abzugskapitals 79 Das Abzugskapital ist betriebswirtschaftlich definiert als

„Teile des betriebsnotwendigen Kapitals, für die der Unter-nehmung keine Zinsen entstehen, obwohl sie Fremdkapitalsind und keine Schenkung von Privaten darstellen“.80 Bereitsdiese Definition legt nahe, dass als Abzugskapital ausschließ-lich Fremdkapitalpositionen in Betracht kommen, die

– Finanzierungscharakter aufweisen,– der Finanzierung von Teilen des betriebsnotwendigen

Kapitals bzw. Vermögens dienen– und zinslos gewährt sind.

Folgerichtig werden nach gefestigter Auffassung in derbetriebswirtschaftlichen Literatur folgende Positionen alsAbzugskapital eingeordnet:81

– Kundenanzahlungen,– Lieferantenverbindlichkeiten– langfristige Rückstellungen,82 bezogen auf Risiken aus

dem Kerngeschäft.

(2.)

(a.)

Nicht zum Abzugskapital gehören nur scheinbar zinsloseVerbindlichkeiten, bei denen Zinsen im Rahmen der Preis-festsetzung indirekt eingerechnet worden sind und das Kapi-tal in Wirklichkeit nicht zinslos zur Verfügung steht.83 DemUnternehmen entstehen dadurch implizite Kapitalkosten84

mit der Folge, dass die entsprechenden Fremdkapitalpositio-nen das zinsberechtigte Kapital nicht mindern dürfen.85

Regelung des Abzugskapitals in § 7 Abs. 2 Strom-/GasNEV80 Völlig zutreffend behandelt der BGH in ständiger Rechtspre-

chung die Festlegungen zur Eigenkapitalverzinsung als ein„eigenständiges System“, das „in seinen Grundsätzen durch§ 21 EnWG vorgegeben und durch die Gasnetzentgeltverord-nung [Anm.: und Stromnetzentgeltverordnung] näherbestimmt ist.“86 Es handelt sich um „ein abgeschlossenesRegelungswerk, das die Eigenkapitalverzinsung losgelöstvom Handelsrecht selbständig normiert hat.“87 Mit Blick aufdie Bestimmung des Abzugskapitals entsprechen allerdingsdie vorstehend beschriebenen betriebswirtschaftlichenGrundsätze weitgehend der Regelung in § 7 Abs. 2 GasNEV,wonach ja Abzugskapital als „das zinslos zur Verfügung ste-hende Kapital“ definiert wird. Sämtliche in § 7 Abs. 2 Satz 2Nr. 1 bis 4 Strom-/GasNEV genannte Positionen sind Fremd-kapitalpositionen, die die o.g. betriebswirtschaftlichenBegriffsvoraussetzungen erfüllen, sofern sie freilich zinslosgewährt sind und der Finanzierung betriebsnotwendigen Ver-mögens dienen.88

81 Als Auffangtatbestand (Abzugskapital) bestimmt der Verord-nungsgeber in § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 Strom-/GasNEV noch„sonstige Verbindlichkeiten, soweit die Mittel dem Betreibervon Elektrizitäts-/Gasversorgungsnetzen zinslos zur Verfü-gung stehen“. Diese Formulierung beinhaltet bereits zwei dero.g. genannten betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen fürAbzugskapital; nämlich das Erfordernis des Finanzierungs-charakters sowie zinsloser Gewährung der Mittel. Teleolo-gisch zu ergänzen ist die Mittelgewährung zur Finanzierungbetriebsnotwendigen Kapitals, da allein dieses bei der Prü-fung des Vorliegens von Abzugskapital der Betrachtungunterliegt.

82 Es lässt sich somit festhalten, dass der Ansatz des Abzugska-pital bei der Berechnung des bnEK als Verzinsungsbasis derEK-Verzinsung dazu dient, zinsberechtigtes Eigenkapital von

(b.)

80 Zutreffend Schweitzer/Küpper/Friedl/Hofmann/Pedell, Systemeder Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, 2. Kapitel, Tz. 5 c)Zinskosten, S. 133.

81 Vgl. u.a. Friedl/Hofmann/Pedell, Kostenrechnung, 2. Aufl. 2013,Kapitel 5.5, S. 185 f.

82 Zum Finanzierungscharakter von Rückstellungen: vgl. Schubert, in:Beck’scher Bilanzkommentar, 11. Aufl. 2018, § 249 HGB, Rn. 1.

83 Vgl. hierzu Mellerowicz, Kosten und Kostenrechnung II, Erster Teil,5. Aufl. 1974, S. 420 und 435 f.

84 Siehe Schwetzler, Kapitalkosten in: Fischer (Hrsg.), Kostencontrol-ling, 1999, S. 99.

85 So ausdrücklich Schweitzer/Küpper/Friedl/Hofmann/Pedell, Sys-teme der Kosten- und Erlösrechnung, 11. Aufl. 2016, 2. Kapitel, Tz. 5c) Zinskosten, S. 133.

86 BGH, Beschl. v. 14.08.2008 – KVR 39/07; BGH, Beschl. v. 10.11.2015 –EnVR 26/14.

87 BGH, Beschl. v. 14.08.2008 – KVR 39/07.88 Heim, EWeRK 2018, S. 49, 51 ff.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 63

nicht zinsberechtigten Fremdkapitalpositionen abzugrenzen.M.a.W. soll der Teil des betriebsnotwendigen Vermögensnicht EK-verzinst werden, der einer unverzinslichen Fremdfi-nanzierung unterliegt.

Einordnung durch den BGH 83 In dieselbe Richtung gehen auch einige grundsätzliche Hin-

weise des BGH, die sogleich dargestellt werden (aa). Nurscheinbar entfernt sich der BGH in einigen Fällen von diesenGrundsätzen (bb.).

(aa.) Allgemeine Hinweise

84 Mit Blick auf die Frage, ob die Überlassung des Abzugska-pitals (ebenso wie die Positionen des Umlaufvermögens alsMinuend bei der Berechnung des bnEK) „betriebsnotwen-dig“ sein müsse und insofern zu kürzen wäre, stellte derBGH fest, dass „der Abzug von zinslos überlassenem Kapitalverhindern soll, dass ein Netzbetreiber eine Eigenkapitalver-zinsung für Mittel erhält, für deren Bereitstellung ihm keineKosten in Form von Zinsen entstehen.“89 Dieser Ausschlussmüsse auch – und erst recht – gelten, wenn die Überlassungder betreffenden Mittel für den Betrieb des Netzes nichterforderlich ist; so der BGH weiter. In derselben Entschei-dung bemerkte das Gericht an anderer Stelle, dass für dieEinordnung einer Vermögensposition ausschlaggebend sei,„ob es sich um eine Vermögensposition handelt, in der sicheine (zinslose) Überlassung von Kapital durch Dritte wider-spiegelt.“90 Die Behandlung als Abzugskapital soll also nichtdavon abhängen, ob die zu Grunde liegende Überlassung vonKapital „betriebs-notwendig“ war. Entscheidend ist, dassüberhaupt Kapital von Dritten überlassen wurde, das nichtEK-verzinst werden soll.

85 In einer anderen Entscheidung hat der BGH deutlichgemacht, dass auch in der Bilanz aufgeführte Passivpositio-nen aus anderen (netzbetriebsfremden) Tätigkeitsbereichendes EVU, obwohl diese zum Vermögen desselben Rechtsträ-gers gehören, als Abzugskapital i.S.d. § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5GasNEV zu behandeln sind.91 Die Aufstellung einer Bilanzfür einen einzelnen Tätigkeitsbereich soll dem Zweck dienen,die Vermögenslage für diesen Bereich unabhängig von derTätigkeit in anderen Bereichen zu bewerten. Die Abdeckungvon Vermögenswerten durch Passivpositionen aus einemanderen Bereich müsse deshalb gleichbehandelt werden wieeine Abdeckung von Vermögenswerten durch Mittel, die voneinem Dritten zur Verfügung gestellt wurden.

86 Nach diesen Aussagen darf angenommen werden, dass nachAnsicht des BGH das Abzugskapital schlicht deshalb als Sub-trahend bei der Berechnung der Verzinsungsbasis (bnEK) inAnsatz gebracht wird, weil im Rahmen der kalkulatorischenEK-Verzinsung keine zinslos zur Verfügung gestellten Fremd-finanzierungen oder netzbetriebsfremden Mittel EK-verzinstwerden sollen.

(bb.) Scheinbar abweichende Fälle

87 Mit den grundsätzlichen Hinweisen des BGH (Rdn. 84 ff.)gewinnt man den Eindruck, dass sich nach Auffassung desGerichts die Funktion des Abzugskapitals in der Formel zur

(c.)

Berechnung der EK-Verzinsungsbasis schlicht darinerschöpft, nicht-EK-zinsberechtigtes Kapital (Abzugs-kapi-tal) auszusondern, damit es nicht fälschlicherweise EK-ver-zinst wird.

In den Entscheidungen „Gewinnabführungsvertag“ aus demJahr 201992 stellte der BGH aber fest, dass die Behandlungeiner gesellschaftsrechtlichen Verbindlichkeit als Abzugskapi-tal nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil diese Verbindlich-keit nicht im Zusammenhang mit dem betriebsnotwendigemEigenkapital steht. Bei der Ermittlung des betriebsnotwendi-gen Eigenkapitals (zur Formel: vgl. Rdn. 75) soll ein innererZusammenhang zwischen Eigenkapital und Abzugskapitalnicht erforderlich sein.93 Gewissermaßen als „Beweis“ fürdiese Annahme zitiert der BGH sich dann selbst94:

„Hierbei ist ein innerer Zusammenhang zwischen Eigenkapital undAbzugskapital nicht erforderlich. Wie der Senat bereits entschieden hat,ist Abzugskapital nach Maßgabe von § 7 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2GasNEV zum Beispiel auch insoweit zu berücksichtigen, als sein Betragden Betrag des betriebsnotwendigen Eigenkapitals übersteigt, so dass imErgebnis ein negativer Kapitalbetrag anzusetzen ist (BGH, Beschlussvom 3. März 2009 EnVR 79/07, RdE 2010, 19 Rn. 44 f. - SWU Netze;Beschluss vom 25. April 2017 - EnVR 57/15, RdE 2017, 340 Rn. 36 -SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung steht derBerücksichtigung von Abzugskapital im Streitfall deshalb nicht entge-gen, dass dessen Höhe den Betrag des als betriebsnotwendig anerkann-ten Umlaufvermögens übersteigt. Nach der Rechtsprechung des Senatskann ein hoher Betrag des Abzugskapitals zwar dazu führen, dass einhöherer Betrag für das notwendige Umlaufvermögen anzusetzen ist(BGH, Beschluss vom 3. März 2009 - EnVR 79/07, RdE 2010, 19Rn. 33 - SWU Netze). Der Netzbetreiber hat die Notwendigkeit desUmlaufvermögens aber auch in dieser Konstellation konkret darzulegen.Wenn sein diesbezügliches Vorbringen den dafür geltenden Anforderun-gen nicht oder nicht in vollem Umfang entspricht, hat dies nicht zurFolge, dass Abzugskapital in entsprechender Höhe unberücksichtigt zubleiben hat.“

Der BGH musste die Aussagen seiner Entscheidungen „SWUNetze“ (2009) und „SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH“(2017) wiederholen, um sich mit diesen nicht in Widerspruchzu setzen. Das ist aber keineswegs überzeugend. In den Ent-scheidungen 2009 und 2017 begründete der BGH die Not-wendigkeit des Ansatzes negativen Eigenkapitals mit derNorm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und mithin mit derspeziellen Konstellation des Netzpachtmodells. Das Beru-fungsgericht95 hatte eingewandt, dass eine negative EK-Ver-zinsung dem Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV wider-spreche und deshalb ausgeschlossen sei. Der BGH entgeg-nete:

„Würde man – wie das Beschwerdegericht zur Vermeidung eines negati-ven Eigenkapitals – das Abzugskapital nicht oder nicht vollständigabziehen, ergäbe sich ein höheres Netzentgelt. Dies würde aber gegen§ 4 Abs. 5 GasNEV verstoßen.“96

89 BGH, Beschl. v. 29.01.2019 – EnVR 62/17, Rn. 20.90 BGH, a.a.O., Rn. 24 (unter Bezugnahme auf BGH, Beschl. 17.10.2017 -

EnVR 23/16 („SW Kiel Netz GmbH“).91 BGH, Beschl. 17.10.2017 - EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH, Rn. 19,

20.92 BGH, Beschl. 29.01.2019 – EnVR 63/17 u. EnVR 62/17, Gewinnabfüh-

rungsvertrag, Rn. 15 ff. (bzw. Rn. 13 ff.).93 BGH, Beschl. 29.01.2019 – EnVR 63/17, Rn. 18.94 BGH, Beschl. 29.01.2019 – EnVR 63/17, Rn. 18 und 19,95 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2007 – VI-3 Kart 8/07 (V), Rn. 107 ff.96 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07, SWU Netze, Rn. 44.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

64 EWeRK 2/2020

Damit wird deutlich, dass der BGH seinerzeit nicht aus derFunktion des Abzugskapitals i.R.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 undAbs. 2 Strom-/GasNEV den Schluss gezogen hat, dass diesesKapital vollständig negativ zu verzinsen ist. Maßgeblich fürseinen „Rechenschritt“ war vielmehr seine Auslegung derNorm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV; das ist aber eineandere Frage, auf die noch einzugehen sein wird (vgl. Rdn.104 ff.).

An dieser Stelle muss die selbstreferenzielle Argumentations-weise des BGH (2019) nicht bewertet werden. Die Funktiondes Abzugskapitals i.R.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2Strom-/GasNEV besteht für sich selbst jedenfalls nur darin(erschöpft sich darin), die Verzinsungsbasis der kalkulatori-schen EK-Verzinsung um nicht-zinsberechtigtes Kapital zubereinigen. Mehr kann auch den zitierten und zugrundelie-genden Entscheidungen des BGH aus den Jahren 2009und 2017 nicht entnommen werden. Mag auch die Norm des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nach Ansicht des BGH zu eineranderen Handhabung und zu einem anderen Ergebnis füh-ren. Mit der Funktion des Abzugskapitals i.R.d. § 7 Strom-/GasNEV, die hier als Grundkonzept zu ergründen ist, hatdiese Frage (Auslegung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV) aberzunächst nichts zu tun (dazu vgl. Rdn. 104 ff.).

Zwischenergebnis zur Bedeutung des Abzugskapitals 88 Es lässt sich festhalten, dass das in § 7 Abs. 2 Strom-/

GasNEV definierte Abzugskapital deshalb als Subtrahend beider Berechnung der Verzinsungsbasis (bnEK) in Ansatzgebracht wird, weil im Rahmen der kalkulatorischen EK-Ver-zinsung keine zinslos zur Verfügung gestellten Fremdfinanzie-rungen oder netzbetriebsfremden Mittel EK-verzinst werdensollen. Nur für die Überlassung des Eigenkapitals sind kalku-latorische Zinsen anzusetzen. Für das unverzinsliche Fremd-kapital fallen ja schließlich auch weder tatsächliche noch kal-kulatorische Kosten an.97

Kein Ansatz von Negativzinsen als eigenständigeKostenkomponente

89 Mit Blick auf das vorstehend geschilderte Grundkonzept des§ 7 Strom-/GasNEV muss die Frage, ob bei der Kostenkom-ponente der kalkulatorischen EK-Verzinsung auch Negativ-zinsen angesetzt werden können, nun klar verneint werden.Dies soll im Folgenden anhand der juristischen Auslegungs-methodik verdeutlicht werden.

90 Der BGH fasste die Methodik der Gesetzesauslegung jüngstwie folgt zusammen: „Für die Auslegung von Gesetzen istnach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unddes Bundesgerichtshofs der in der Norm zum Ausdruck kom-mende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wieer sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusam-menhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassungdes objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkann-ten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut derNorm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie der Ent-stehungsgeschichte, die einander nicht ausschließen, sondernsich gegenseitig ergänzen. Unter ihnen hat keine einen unbe-dingten Vorrang vor einer anderen, wobei Ausgangspunkt

(d.)

b.

der Auslegung der Wortlaut der Vorschrift ist. Die im Wort-laut ausgedrückte, vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskon-zeption ist durch das Gericht bezogen auf den konkreten Fallmöglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen.“98

Wortlautauslegung91 Dass es keine kalkulatorischen Negativzinsen geben kann,

ergibt sich bereits bei unbefangenem Blick auf den Wortlautder Norm. Es geht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Strom-/GasNEV(und § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG) darum, das „von den Betrei-bern von Elektrizitäts-/Gasversorgungsnetzen“ „eingesetzte“Eigenkapital zu verzinsen. Setzt ein Netzbetreiber kein Eigen-kapital ein, kann es auch keine EK-Verzinsung geben.

92 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verzinsungdes „eingesetzten Eigenkapitals“ gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1Strom-/GasNEV „auf Grundlage des betriebsnotwendigenEigenkapitals“ erfolgen soll. Ergibt die Berechnung desbetriebsnotwendigen Eigenkapitals einen negativen Wert(Abzugskapital > betriebsnotwendiges Vermögen), heißt dieslediglich, dass im Vermögen des Netzbetreibers überwiegendzinslos zur Verfügung gestellte Drittmittel bzw. netzbetriebsf-remde Mittel vorhanden sind.99 Das heißt wiederum nur,dass der Netzbetreiber kein zinsberechtigtes betriebsnotwen-diges Eigenkapital eingesetzt hat und deshalb schlichtwegauch gar keine EK-Verzinsung erhalten kann.

93 Schon begrifflich wird mit dem Ansatz von Abzugskapitallediglich sichergestellt, dass ein Netzbetreiber für zinsloseDrittmittel oder netzbetriebsfremde Mittel keine EK-Verzin-sung erhält. Darin erschöpft sich auch die Funktion desAbzugskapitals (Rdn. 77 ff.). Dass eine EK-Verzinsung desÜberschusses an Drittmitteln oder netzbetriebsfremden Mit-teln (Abzugskapital) erfolgen und mithin eine eigene netzkos-tenmindernde Komponente bei der Ermittlung der Netzkos-ten i.R.d. §§ 4 bis 10 Strom-/GasNEV bilden soll, findet imWortlaut des § 7 jedenfalls keine Stütze.100

aa.

97 Vgl. Kleinlein/Schubert, Kontrolle von Entgelten monopolistischerund marktbeherrschender Anbieter, NJW 2014, 3191, 3196.

98 Jüngst: BGH, Urt. v. 15.05.2019 – VIII ZR 51/18, Rn. 29 (m.w.N.).99 Es existiert kein oder nur ein zu geringer durch Eigenkapital finan-

zierter Anteil. Dass es demgegenüber in einem Unternehmeneinen Negativbetrag zinsberechtigten Eigenkapitals geben kann,ist schon denklogisch ausgeschlossen. Sucht man nach einer wett-bewerbsanalogen Bezeichnung eines solchen Gedankens, somüsste man sagen, dass dieses Unternehmen in einer bestimmtenPeriode Verluste erwirtschaftet hat; überschuldet wäre. Der Ver-lust ist aber nicht Teil von § 7 Strom-/GasNEV und er ist schon garnicht zu verzinsen. Denn ein Verlust wirft keine Zinsen ab, sondernführt das Unternehmen mittel- und langfristig in die Insolvenz.Der BGH behandelt das negative Eigenkapital zwar nur als einerechnerische bzw. fiktive Rechengröße (BGH, Beschl. v. 03.03.2009– EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45), die also gar keine Überschul-dung des Netzbetreibers abbilden soll. Dies ändert aber nichts ander Tatsache, dass dieser Ansatz dem Grundkonzept des § 7Strom-/GasNEV widerspricht. Es stellt sich vielmehr die Frage, obund weshalb vom Grundkonzept des § 7 Strom-/GasNEV (keineNegativzinsen) abgewichen werden darf. Der BGH bemüht hier –zu Unrecht – die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV. Dazuunten Rdn. 110.

100 Zur Frage, ob unter einer systematischen Gesamtbetrachtungunter Berücksichtigung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV eine andereAuslegung geboten ist: vgl. Rdn. 143 ff.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 65

94 Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG hat die Netzentgeltbildungauf der Grundlage von Kosten zu erfolgen. Bei der kalkulato-rischen EK-Verzinsung handelt es sich um solche kalkulatori-schen Kosten i.S.d. §§ 4 ff. EnWG und begrifflich geradenicht um einen kostenmindernden Erlös oder Ertrag (§ 9Strom-/GasNEV101). Begrifflich kann die kalkulatorische EK-Verzinsung daher zu keinen Negativzinsen führen.

95 Der Ansatz einer kalkulatorischen Negativverzinsung alsKomponente in der Netzentgelt-ermittlung liefe auch daraufhinaus, dass eine dem Netzbetreiber zinslos gewährte Fremd-finanzierung des Kapitals (Abzugskapital) mit EK-Zinsen ver-zinst und den Netznutzern netzentgeltmindernd zugutegebracht werden würde. Weder in § 7 Abs. 1 StromNEVnoch in § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG ist aber davon die Rede,dass das „von Dritten“ oder „aus netzbetriebsfremden Tätig-keiten“ „eingesetzte“ Abzugskapital zugunsten der Netznut-zer EK-verzinst werden soll. Kurzum: Das Abzugskapital ver-mindert nur die Verzinsungsbasis der EK-Verzinsung für denNetzbetreiber, bildet aber selbst im Falle seines Überschusseskeine Verzinsungsbasis einer netzkostenmindernden EK-Ver-zinsung zugunsten der Netznutzer.

Historische Auslegung 96 Die Verordnungsbegründung zu § 7 Strom-/GasNEV102 ent-

hält keine Hinweise darauf, dass bei der Kostenkomponenteder kalkulatorischen EK-Verzinsung auch Negativzinsenanzusetzen sind.

97 Konzeptionell geht § 7 Strom-/GasNEV auf die Verbändever-einbarung vom 13.12.2001 zurück.103 Auch dort lassen sichaber keine Anhaltspunkte für oder gegen eine negative EK-Verzinsung finden. Ebenso verhält es sich mit Blick auf diefrüheren Netzentgelt- bzw. Tarifbestimmung der BTOElt/BTOGas.

Sinn und Zweck 98 Wie eingangs (Rdn. 72) beschrieben, dient die Kostenposi-

tion der kalkulatorischen EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) in Umsetzung des § 21 Abs. 2 EnWG dazu, denNetzbetreibern eine angemessene, wettbewerbsfähige undrisikoangepasste Verzinsung des von ihnen eingesetztenEigenkapitals zu gewähren. Die Verzinsungshöhe wird nachoben wie auch nach unten beschränkt. Ziel ist es, einerseitsden berechtigten Interessen der Netznutzer an wettbewerbsa-nalogen Preisen zu genügen und andererseits den Kapitalge-bern eine Rendite zu gewähren, die sie veranlasst, dass Kapi-tal in dem Unternehmen zu belassen, und die Anreize für wei-tere Investitionen in das Unternehmen und die Netzinfra-struktur setzt.104 Kurzum: Die kalkulatorische EK-Verzin-sung soll einen Ausgleich für das in der Infrastruktur gebun-dene Eigenkapital bieten und durch ein Renditeversprechenzu der gewünschten Eigenkapital-bindung anreizen.105

99 Daraus folgt, dass die Versagung einer Rendite dann zweck-konform wäre, wenn kein oder nicht genügend Eigenkapitaleingesetzt wurde. Der Mangel an Rendite erzeugt beim Netz-betreiber den Anreiz für Investitionen in die Infrastruktur.Im Detail wird dieser Mechanismus über die Bestimmungder kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens

bb.

cc.

gesteuert. Zum Beispiel kann auf das Vermögen an einerAnlage keine EK-Verzinsung (Renditegewährung) mehr erfol-gen, deren betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abgelaufenist und die vollständig abgeschrieben wurde (Restwert istz.B. „0“). Es muss erneut investiert werden, um eine entspre-chende Rendite zu erzielen. Es wird investiert, wenn undsoweit die versprochene Rendite im Vergleich zu anderenMärkten unter Einbeziehung von Marktrisiken als lohnens-wert erscheint. Genau dies soll mit dem Kostenkomponenteder kalkulatorischen EK-Verzinsung sichergestellt werden.

100Mit dem Ansatz von Negativzinsen würde den Netzbetrei-bern nicht nur eine Rendite versagt bleiben. Es würdedarüber hinaus eine bestimmte Vermögenslage sanktioniertwerden, die überwiegend aus zinslos zur Verfügung gestell-tem Kapital Dritter bzw. verzinslichem Fremdkapitalsbesteht. Netzbetreiber würden für mangelnde eigenkapitalfi-nanzierte Investitionen nicht nur auf Rendite verzichten müs-sen, sondern auch noch finanziell bestraft werden. Dafür,dass § 7 Strom-/GasNEV einen solchen Sanktionszweck ver-folgt, fehlen aber jedwede Anhaltspunkte. Es mag sein, dasssolche Negativzinsen einen sehr starken Anreiz für eigenkapi-talfinanzierte Investitionen erzeugen. Dieser Anreiz würdeallerdings darauf beruhen, dass die besagten Negativzinsenim Rahmen der Ermittlung der Netzkosten (§§ 4 ff. Strom-/GasNEV, § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG) die Anerkennung underlöswirksame Weitergabe anderer effizienter und wettbe-werbsanaloger Netzkosten des Netzbetreibers mindernwürde. Die kalkulatorische EK-Verzinsung würde sich beiGeltung von Negativzinsen in ihrer Wirkung zu einem

101 Bei der für die Netzentgeltermittlung maßgeblichen Zusammen-stellung (Addition) der Netzkosten (§§ 4 bis 10 Strom-/GasNEV) istmit § 9 Strom-/GasNEV bereits eine Komponente geschaffen wor-den, die von den übrigen zusammengestellten Netzkosten inAbzug zu bringen ist und insofern die ansatzfähigen Netzkostendes Netzbetreibers mindert. Als Subtrahend sind in § 9 Strom-/GasNEV allerdings nur reale Erlöse und Erträge vorgesehen, soweitsie sachlich dem Netzbetrieb zugerechnet und der Tätigkeits-GuVentnommen werden können. Wenn es darüber hinaus tatsächlichnoch weitere Netzkostenminderungen in Form von Negativzinsenfür zinslos zur Verfügung stehendes Kapital (Abzugskapital) gebensoll, wäre in der Kostenkompetente des § 9 Strom-/GasNEV einHinweis darauf zu erwarten gewesen. Dass es dafür keinen Anhaltgibt, bestätigt in gesetzessystematischer Hinsicht den bisherigenWortlautbefund, wonach es bei der kalkulatorischen Eigenkapital-verzinsung nach § 7 Strom-/GasNEV keine Negativzinsen für denNetzbetreiber geben kann, die als Kostenkomponente (oder bessergesagt als kostenmindernde Ertragskomponente) bei der Netzent-geltermittlung in Ansatz zu bringen wären.

102 BR-Drs. 245/05.103 Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netz-

nutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien derNetznutzung vom 13.12.2001, Anlage 3, S. 2 (Ziff.3).

104 Mohr, in: Säcker, Berliner Kommentar, Bd. 4, § 7 Rn. 3 StromNEV,mit Verweis auf: u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2016, VI-5 Kart33/14 (V); vgl. auch Fabritius, in: Elspas/Graßmann/Rasbach,EnWG/StromNEV/GasNEV, § 7 Rn. 1.

105 Dieser Befund deckt sich im Übrigen mit der Tarifgestaltung in derWasserversorgung. Auch dort wird von der Rechtsprechung dieinnere Rechtfertigung der (z.B. über Gebühren) umzulegendenKosten der kalkulatorischen Verzinsung darin gesehen, vielmehrund allein einen Ausgleich für die durch die Aufbringung des in derAnlage gebundenen Kapitals zu tragenden finanziellen Belastun-gen zu gewähren. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 01.09.1999 – 9 A3342/98, Rn. 74; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urt. v.21.10.1999 – 42/99, Rn. 46 ff.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

66 EWeRK 2/2020

Abzugsposten („Netzentgelt-Senker“) wandeln und damit dieihr nach § 1 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG zugedachteFunktion in der (effizienz-)kostenorientierten Netzentgeltbil-dung verlassen. Kurzum: Negativzinsen stehen mit dem Sinnund Zweck des § 7 Strom-/GasNEV nicht im Einklang.

101 Genau in diesem Sinne – und zu Recht – hatte seinerzeit auchdas OLG Düsseldorf106 als Vorinstanz der späteren BGH-Entscheidung (SWU Netze)107 argumentiert. § 21 Abs. 2Satz 1 EnWG sehe eine angemessene, wettbewerbsfähige undrisikoangepasste Verzinsung des vom Netzbetreiber einge-setzten Kapitals vor. Habe dieser als Ergebnis der nach § 7GasNEV vorzunehmenden Berechnung des Eigenkapitalskein positives, sondern ein negatives Ergebnis, so betrage daskalkulatorisch zu verzinsende Eigenkapital richtigerweise„0“. Einem negativen Ansatz stünden Sinn und Zweck des§ 7 und das System der kostenorientierten Entgeltbildungentgegen, die von den Kosten der Netzbetriebsführung aus-gingen, welche nach §§ 4 ff. GasNEV zu ermitteln seien.Bestandteil dieser sei die kalkulatorische Eigenkapitalverzin-sung, die eine wettbewerblich angemessene und damit überdie Entgelte zu berücksichtigende Verzinsung des vorhande-nen Eigenkapitals garantieren solle. Fehle es an einem sol-chen Eigenkapital, etwa weil weder Sachanlage- noch Finanz-anlagevermögen vorhanden ist, so belaufe sich das anzuset-zende Eigenkapital auf „0“, so dass es an einer Basis für diekalkulatorische Verzinsung fehle.108

102 Als Ergebnis der teleologischen Auslegung lässt sich insge-samt feststellen: Eine negative Eigenkapitalverzinsung wider-spricht dem Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV (und§ 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG). Die kalkulatorische EK-Verzin-sung hat die Funktion, für eingestelltes Eigenkapital eineRendite zu gewähren. Sie soll aber nicht die Weitergabe ande-rer effizienter Netzkosten senken, um damit bestimmte Ver-mögenslagen finanziell zu sanktionieren. Wird kein oder nurungenügend Eigenkapital gebunden (eingesetzt), führt dieslediglich dazu, dass es auch keine kalkulatorische Verzinsunggeben kann; was für sich schon einen Anreiz zum Eigenkapi-taleinsatz setzt.

Fazit: Grundkonzept des § 7 Strom-/GasNEV)103 Ihrem Grundkonzept nach kann die kalkulatorische EK-Ver-

zinsung als Kostenkomponente der kostenorientierten Netz-entgeltbildung keinen negativen Wert annehmen. Bei isolier-ter Betrachtung des § 7 Strom-/GasNEV unter Berücksichti-gung seiner Funktion in der Netzentgeltbildung kann es keinenegative kalkulatorische EK-Verzinsung geben.

Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und dieMöglichkeit des Ansatzes von kalkulatorischenNegativzinsen im PachtmodellDie Sichtweise des BGH: Im Pachtmodell Wandelung derkalkulatorischen EK-Verzinsung zum Abzugsposten

104 Bekanntermaßen begründet der BGH den Ansatz einer nega-tiven EK-Verzinsung im Pachtmodell auch nicht mit derNorm des § 7 Strom-/GasNEV, sondern damit, dass es zueinem Verstoß gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV käme, wenndas beim Netzbetreiber anfallende Abzugskapital nicht oder

c.

2.

a.

nicht vollständig in Abzug gebracht werden würde. Genauergesagt, soll die Vermeidung einer negativen EK-Verzinsung –wie es sich aus der Norm des § 7 Strom-/GasNEV eigentlichergeben würde – gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV versto-ßen.109

Ohne dies auslegungsmethodologisch näher zu begründen,durchbricht der BGH damit das geschilderte Grundkonzeptdes § 7 Strom-/GasNEV (wonach es keine Negativzinsengeben kann/darf), um der Norm bzw. dem Normzweck des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV volle Geltung zu verschaffen. Ergreift damit auf eine systematische Auslegungsmethodezurück.

105Zur Erfassung des objektiven Willen des Gesetz- und Verord-nungsgebers dient anerkanntermaßen auch die systematischeAuslegung (vgl. Rdn. 90), die das Gesamtsystem der geschaf-fenen Regelungen und die sich daraus ergebenen Wertungenin den Blick zu nehmen hat; hier also die gesamte Strom-/GasNEV und die für die Netzentgeltregulierung sonst nochmaßgeblichen Vorschriften der §§ 21, 21a EnWG. Bei dersystematischen Auslegung ist der Gedanke tragend, dass dieRechtsordnung als Ganzes und insbesondere das in Rede ste-hende Gesetz insgesamt widerspruchsfrei aufgebaut ist undzwischen den einzelnen Gesetzes-bestimmungen eine sachli-che Übereinstimmung angenommen werden kann.110

106Einige Begründungsansätze des Gerichts wurden bereits auf-gezeigt (Rdn. 43 ff.). Im Folgenden soll nun etwas näher ana-lysiert werden, wie der BGH im Zeitverlauf seine Vorgehens-weise im Detail begründet hat (Rdn. 107 ff.). Im Anschlusswird diese Vorgehensweise einer kritischen – inhaltlichen wieauch methodologischen – Würdigung unterzogen (Rdn.143 ff.). Es wird gezeigt, dass die Grundannahmen des BGHinhaltlich und methodologisch unzutreffend sind.

aa. Ansicht des BGH („Vermeidung negativen EK verstößtgegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV“)

107Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass der BGH inseinen Begründungen zunächst mit „doppeltem Boden“ argu-mentierte.

Er geht nach wie vor davon aus, dass der Normzweck des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV den vollständigen Abzug des Abzugs-kapitals des Netzbetreibers/Pächters gebietet, welches daherbeim Netzbetreiber/Pächter i.R.d. Berechnung seiner kalkula-torischen EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) vollständigabgezogen werden müsse, womit folglich als Ergebnis einenegative EK-Verzinsung nicht vermieden werden könne unddürfe. Kurzum: Die Verwirklichung des Normzwecks des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV gebiete eine dahingehende [Anm. der

106 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2007 – VI-3 Kart 8/07 (V), Rn. 107 ff.;inzwischen hat sich das OLG Düsseldorf der Rechtsprechung desBGH angeschlossen und diskutiert die Frage, ob eine negative EK-Verzinsung mit dem Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV ver-einbar ist, nicht mehr. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2015 –VI-3 Kart 16/13 (V), Rn. 116 ff.

107 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze.108 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2007 – VI-3 Kart 8/07 (V), Rn. 108.109 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 44.110 Vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissen-

schaft, S. 145 ff., 146.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 67

Verfasser: von seinem Grundkonzept abweichende] Ausle-gung der Norm des § 7 Strom-/GasNEV.

In den anfänglichen Beschlüssen berührte der BGH danebenaber beiläufig auch die Frage, ob aus § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV noch eine andere Berechnungsmethode folgenkönne, wonach das besagte Abzugskapital zum Teil bei derBerechnung der Anerkennungsfähigkeit des Pachtzinses (§ 5Strom-/GasNEV) und damit implizit bei der Bestimmung derEK-Verzinsung für das vom Netzeigentümer eingesetzteSachanlagevermögen (bnEK) berücksichtigt wird; was beiVermeidung einer negativen EK-Verzinsung (CAPEX) zueiner Senkung der Anerkennungsfähigkeit des Pachtzinses(OPEX) führen würde.

Um den dogmatischen Ansatz des BGH vollständig zu erfas-sen, ist es erforderlich, beide Argumentationslinien desGerichts in den Blick zu nehmen. Eine Zusammenfassungwird in Rdn. 128 geboten.

Die maßgeblichen Entscheidungen des BGHSWU Netze (Beschl. v. 03.03.2009)

108 Im Beschluss SWU Netze111 aus dem Jahre 2009 hat sich derBGH erstmals mit der hier virulenten Frage beschäftigt. ImFolgenden soll das Hauptaugenmerk auf die Frage gelenktwerden, wie das Gericht mit dem Einwand der Vorinstanz,wonach es konzeptionell keine negative EK-Verzinsunggeben könne112, methodisch umgeht.

Zur Begründung der negativen EK-Verzinsung - „getrenntekalkulatorische Berechnung“

109 Der BGH begann seine Argumentation ausgehend vomNormzweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV. Danach solleverhindert werden, dass insbesondere innerhalb eines Kon-zerns durch die Vereinbarung überhöhter Pachtzinsen für denNetznutzer höhere Entgelte entstehen.113 Um dies zu verhin-dern, habe eine kalkulatorische Berechnung sowohl beimVerpächter als auch beim Pächter stattzufinden.114 Zur Ver-wirklichung des Normzwecks des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVsoll also eine getrennte kalkulatorische Berechnung vonNetzbetreiber und Netzeigentümer erfolgen. Aus welchenGründen dies für die Verwirklichung des Normzwecks (keineNetzentgelterhöhung) erforderlich sein soll, erklärt dasGericht in dieser Entscheidung aus dem Jahr 2009 noch nicht(vgl. aber Rdn. 126).115

(aa.) „Fiktives Netzentgelt“ des Netzeigentümers als aner-kennungsfähiger Pachtzins

Im Rahmen der Berechnung der Anerkennungsfähigkeit desPachtzinses als aufwandsgleiche Kostenposition (§ 5 Strom-/GasNEV) des Netzbetreibers/Pächters (OPEX) sei das Gebotdes § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV zu berücksichtigen.116 Wegendieses Gebots könne der Pachtzins nur dann in voller Höheberücksichtigt werden, wenn die Verpachtung nicht zu einerErhöhung der Netzentgelte führt. Um dies zu überprüfen,müsse auch für den Netzeigentümer eine Entgeltberechnung(vollständige kalkulatorische Kostenprüfung) durchgeführtwerden (fiktives Netzentgelt für den Netzeigentümer). Ergibtdiese Prüfung, dass das ermittelte (fiktive) Netzentgelt beidem Netzeigentümer niedriger wäre als bei dem Netzpäch-

aa.(1.)

(a.)

ter117, müsse eine entsprechende Kürzung erfolgen. Dies habedadurch zu geschehen, dass der (Anm.: kalkulatorisch) anzu-setzende Pachtzins so weit herabgesetzt wird, bis sich beimNetzpächter exakt dieselben Netzentgeltelemente ergeben,die auch beim Netzeigentümer entstehen.118 Es kann festge-halten werden, dass das Abzugskapital des Netzbetreibers beiden aufwandsgleichen Kosten (OPEX-Kostenposition nach§ 5 Strom-/GasNEV) nicht berücksichtigt; es wird hier alleinauf die Kosten- und Vermögenssituation des Netzeigentü-mers abgestellt.

(bb.) Negative EK-Verzinsung des Netzbetreibers bei über-schießendem Abzugskapital

110Von der Kostensituation des Netzeigentümers getrennt solldie Berechnung des Netzbetreibers vorgenommen werden.Bei der Kostenposition der kalkulatorischen Eigenkapitalver-zinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) sei nun im Pachtmodell119 –gewissermaßen unter mechanischer Anwendung der Berech-nungsformel für das betriebsnotwendige Eigenkapital120 –eine negative Verzinsungsbasis (negatives Eigenkapital) zuerrechnen, diese zu verzinsen und der negative Wert der EK-Verzinsung neben den anderen Kostenpositionen in die Netz-kostenermittlung einzustellen. Die methodische Begründungfür diese Durchbrechung des Grundkonzepts des § 7 Strom-/GasNEV fällt hier relativ knapp aus: „Würde man - wie dasBeschwerdegericht zur Vermeidung eines negativen Eigenka-pitals - das Abzugskapital nicht oder nicht vollständig abzie-hen, ergäbe sich ein höheres Netzentgelt. Dies würde abergegen § 4 Abs. 5 GasNEV verstoßen. Deshalb muss dasAbzugskapital vollständig angesetzt werden, damit sich kein- im Vergleich zum Netzeigentümer - höheres Netzentgelterrechnet.“121

111Als eine Art Kontrollüberlegung oder Rückversicherung führtder BGH im Anschluss schließlich noch aus: „Dann ent-steht zwar "negatives Eigenkapital". Dies stellt aber nureinen rechnerischen Zwischenschritt dar. Tatsächlich wirdder Antragstellerin über den in Ansatz gebrachten (gekürz-ten) Pachtzins das Eigenkapital des Netzeigentümers zugutegebracht.“ Dies darf dahingehend verstanden werden, dassder BGH in der Entscheidung 2009 (noch) davon ausgingt,dass es durch die Berücksichtigung des – zum negativenEigenkapital führenden – überschießenden Abzugskapitalsbeim Pächter zu keiner Veränderung der für Pächter und Ver-pächter insgesamt anzuerkennenden Eigenkapitalverzinsungkommt. Deutlicher: Der BGH ging im Jahr 2009 offenbar

111 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 39 ff.112 Vgl. Rdn. 89, 101.113 BGH, a.a.O., Rn. 43.114 BGH, a.a.O., Rn. 43.115 Vgl. aber BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz

GmbH, Rn. 35 ff., Rn. 38.116 BGH, a.a.O., Rn. 43.117 Das soll wohl heißen: „als der vom Netzbetreiber in der Kostenprü-

fung angesetzte Pachtzins“.118 BGH, a.a.O., Rn. 43.119 Genauer gesagt im Fall „betriebsnotwendiges Vermögen des

Pächters < Abzugskapital des Pächters“, vgl. Rdn. 50 ff., 74 ff.120 Dazu Rdn. 74 ff.121 BGH, a.a.O., Rn. 44.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

68 EWeRK 2/2020

(noch) davon aus, dass auch mit dem Ansatz einer negativenEK-Verzinsung das Netzpachtmodell im wirtschaftlichenGesamtergebnis mit der großen Netzgesellschaft kalkulato-risch gleichbehandelt und nicht schlechter gestellt wird.122 Obdiese Aussage grundsätzlicher Natur war und sogar als recht-liche Prämisse der Zulässigkeit der negativen EK-Verzinsungverstanden werden sollte, oder nur auf den konkreten Einzel-fall bezogen war, lässt sich nicht ergründen. In jedem Fallschien es dem BGH als argumentativer Gedankenschritterwähnenswert.

Zum „Alternativweg“ (Pachtzinssenkung)112 In seiner Entscheidung (2009) hat sich das Gericht auch kurz

mit der Frage beschäftigt, ob das beim Netzbetreiber anfal-lende Abzugskapital (von der Regulierungspraxis abwei-chend) – zumindest in seinem „überschießenden“ Teil – nichtbei der kalkulatorischen EK-Verzinsung des Netzbetreibers(CAPEX), sondern vielmehr im Rahmen der Anerkennungseiner aufwandsgleichen Kostenpositionen (OPEX), genauergesagt bei der Berechnung der Anerkennungsfähigkeit desPachtzinses nach § 5 Strom-/GasNEV Berücksichtigung fin-den muss.

113 Im Einzelnen hat der BGH hierzu ausgeführt:„Dann [Anm.: durch die Regulierungspraxis] entsteht zwar "negativesEigenkapital". Dies stellt aber nur einen rechnerischen Zwischenschrittdar. Tatsächlich wird der Antragstellerin über den in Ansatz gebrachten(gekürzten) Pachtzins das Eigenkapital des Netzeigentümers zugutegebracht. Es ergäbe sich im Übrigen auch kein anderes Ergebnis, wennman das überschießende Abzugskapital alternativ bei dem Netzeigen-tümer in Ansatz brächte. Dann würden sich bei diesem die Verzinsungdes Eigenkapitals und damit auch dessen fiktives Netznutzungsentgeltverringern. Wegen der in § 4 Abs. 5 GasNEV normierten Deckelungwürde sich in demselben Maße die Höhe des Pachtzinses reduzieren,den die Antragstellerin in Ansatz bringen darf. Daher greift auch derEinwand der Antragstellerin nicht durch, eine nach § 4 Abs. 5 GasNEVveranlasste Kürzung könne nur durch eine Kürzung des in Ansatzgebrachten Pachtzinses erfolgen. Maßgeblich ist insoweit allein, dass dieÜberlassung von Netzbestandteilen nicht zu einer fehlenden Berücksich-tigung von Abzugskapital und damit - entgegen § 4 Abs. 5 GasNEV - zuhöheren Netzentgelten führen darf. Dieses Ergebnis kann - wie darge-legt - durch den Ansatz eines negativen Eigenkapitals oder die Kürzungdes Pachtzinses gleichermaßen erreicht werden.“123

114 Der BGH darf in dieser Entscheidung (2009) noch so ver-standen werden, dass § 4 Abs. 5 Gas-/StromNEV) keinebestimmte Berechnungsmethode, das heißt gar keinebestimmte Verortung des Abzugskapitals des Netzbetreibersbei einer konkreten kalkulatorischen Kostenposition vor-gebe. Entscheidet soll vielmehr das Ergebnis sein. DasAbzugskapital muss (egal wo) vollständig berücksichtigt wer-den, damit die Netzverpachtung zu keiner Netzentgelterhö-hung führt. Damit soll der Normzweck des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV erfüllt sein. Der BGH hat es zwar nicht aus-drücklich erwähnt. Indem das Gericht aber annimmt, dass esneben der Regulierungspraxis noch eine weitere mit Blick auf§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV taugliche und zulässige Berech-nungsmethode gibt, geht es zumindest implizit davon aus,dass die konkrete Methodenwahl bei der Verwirklichung desNormziels des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV (keine Netzentgelt-erhöhung) im Regulierungsermessen der Regulierungsbe-hörde (hier der BNetzA) liegt. In jedem Fall scheint der BGHzeigen zu wollen, dass der von der Vorinstanz erhobene Vor-

(b.)

wurf des Verstoßes gegen § 7 Strom-/GasNEV (keine negativeEK-Verzinsung), sich im Ergebnis nicht auswirken soll.

115Die wenigen Aussagen des BGH erlauben eine kursorischeBeschreibung der abweichenden Berechnungsmethode, diedas Gericht offenbar vor Augen hatte. Der Hinweis darauf,dass, „wenn man das überschießende Abzugskapital alterna-tiv bei dem Netzeigentümer in Ansatz brächte“, „sich beidiesem die Verzinsung des Eigenkapitals und damit auchdessen fiktives Netznutzungsentgelt verringern“ würde, deu-tet darauf hin, dass das Gericht dem Grundkonzept dergetrennten kalkulatorischen Berechnung von Netzeigentümer(fiktives Netzentgelt als anerkennungsfähiger Pachtzins) undNetzbetreiber (dessen kalkulatorischer EK-Verzinsung) aus-geht. Bei näherem Blick offenbart sich aber eine kombiniertekalkulatorische Berechnung beider Personen.

(aa.) Keine (negative) EK-Verzinsung des Netzbetreibers

Zunächst wird vom Netzeigentümer getrennt die kalkulatori-sche Berechnung des Netzbetreibers vorgenommen. Dabeiwird – wie eben beschrieben (Rdn. 110) – ggf. ein negativesEigenkapital errechnet.124 Anders als in der bestätigten Regu-lierungspraxis wird dieses negative Eigenkapital („überschie-ßende Abzugskapital“) nicht als EK-Verzinsungsbasis heran-gezogen, sondern bei der Berechnung des fiktiven Netzent-gelts des Netzeigentümers in Abzug gebracht. Der Netzbe-treiber wird damit von einer negativen EK-Verzinsung „ent-lastet“; er erhält gar keine EK-Verzinsung („Null“). DerNetzeigentümer wird im Ergebnis mit dem negativen Eigen-kapital („überschießendes“ Abzugskapital) des Netzbetrei-bers „belastet“. Hierdurch wird deutlich, dass der BGH derNorm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV auch die Möglichkeiteiner kombinierten kalkulatorischen Berechnung von Netzei-gentümer und Netzbetreiber entnimmt. So zumindest (noch)in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2009.

(bb.) Senkung des „Fiktiven Netzentgeltes“ für den Netzei-gentümer

116Das „überschießende“ Abzugskapital des Netzbetreiberswird nicht bei dessen kalkulatorischer EK-Verzinsung, son-dern bei der Kostenart seiner aufwandsgleichen Kostenpositi-onen (§ 5 Strom-/GasNEV) in Abzug gebracht; mithin alsobei der Anerkennung des Pachtzinses, dessen Höhe ja demfiktiven Netzentgelt und damit u.a. der fiktiven EK-Verzin-sung des Netzeigentümers (§ 7 Strom-/GasNEV) entsprechensoll. Kurzum: Das besagte überschießende Abzugskapital desNetzbetreibers wird vom betriebsnotwendigen Vermögen(Sachanlage- und Umlaufvermögen) des Netzeigentümers inAbzug gebracht. Wie der BGH zu Recht feststellt, verringertsich dadurch das fiktive Netzentgelt des Netzeigentümers(dessen fiktive EK-Verzinsung) und damit die Anerkennungs-fähigkeit des angesetzten Pachtzinses. Auf das kuriose Ergeb-nis, dass sich mit eigenen Investitionen des Netzbetreiberszugleich die Anerkennungsfähigkeit des Pachtzinses für den

122 Zum heutigen Zustand: vgl. Rdn. 37 ff. und Rdn. 138.123 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45.124 Im Fall „betriebsnotwendiges Vermögen < Abzugskapital“ liegt

überschießendes Abzugskapital vor.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 69

Netzeigentümer erhöhen würde125, geht der BGH allerdingsnicht ein.

SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH (Beschl. v. 25.04.2017)117 In seinem Folgebeschluss „SWL Verteilungsnetzgesellschaft

mbH“126 vom 25.04.2017 hat sich der BGH mit der Fragebeschäftigt, mit welchem Zinssatz das errechnete negativeEigenkapital zu verzinsen ist. Das Gericht hat in seinen Aus-führungen aber auch einige weitergehende Begründungsan-sätze dafür geliefert, weshalb im Pachtmodell eine getrenntekalkulatorische Berechnung von Netzbetreiber und Netzei-gentümer vorzunehmen ist; was für das Gericht in derFolge127 zur Errechnung negativen Eigenkapitals als Verzin-sungsbasis der kalkulatorischen EK-Verzinsung des Netzbe-treiber/Pächter führt.

118 Der BGH legte sich bei der Frage, mit welchem Zinssatz daserrechnete negative Eigenkapital zu verzinsen sein soll, aufden (höchsten) EK-Zins für Neuanlagen fest (derzeit 6,91%v.St.); vgl. Rdn. 55.

Er hat sich damit im Ergebnis von der noch in der Grundsatz-entscheidung („SWU Netz“) getroffenen Aussage entfernt,wonach es sich beim negativen Eigenkapital nur um „rech-nerischen Zwischenschritt“ handeln soll (vgl. Rdn. 111).Zumindest konnte die nach der Entscheidung 2009 nochweit verbreitete Annahme, die negative EK-Verzinsung führebei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung von Netzbetreiber/Pächter und Netzeigentümer/ Verpächter zu keinem anderenErgebnis als die Netzbetriebsbereitstellung im Modell dergroßen Netzgesellschaft128, nun mit dem BGH-Beschluss ausdem Jahr 2017 nicht mehr aufrechterhalten werden. Auchder Hinweis des BGH (2009), dass der Ansatz des negativenEigenkapitals zu demselben Ergebnis führe, wenn man dasüberschießende Abzugskapital alternativ beim Netzeigentü-mer in Ansatz brächte (vgl. Rdn. 113), kann mit demBeschluss 2017 nicht mehr so verstanden werden, als wäredamit das wirtschaftliche Gesamtergebnis der EK-Verzinsunggemeint. Lediglich die EK-Verzinsungsbasis, das heißt dasaddierte betriebsnotwendige Eigenkapital von Netzbetreiberund Netzeigentümer, entspricht noch der der großen Netzge-sellschaft (außerhalb des Pachtmodells).

Die BGH-Entscheidung aus 2017 führt deutlich vor Augen,dass es sich bei der negativen EK-Verzinsung bei wirtschaftli-cher Gesamtbetrachtung des Pachtmodells weder um einenbloßen „rechnerischen Zwischenschritt“ handelt, noch dasssich das gleiche Ergebnis einstellen würde, wenn das über-schießende Abzugskapital alternativ bei dem Netzbetreiber(Berechnung der Pachtzinsanerkennung) in Abzug gebrachtwerden würde. In Wirklichkeit findet eine (vom BGH nun-mehr seit 2017 bestätigte) unterschiedliche Verzinsung vonnegativem Eigenkapital beim Netzbetreiber und positivenEigenkapital beim Netzeigentümer (fiktives Netzentgelti.R.d. Pachtzinsanerkennung) statt; sog. Zinsimparität.129 ImVergleich zur großen Netzgesellschaft wird die Kostenaner-kennung im Pachtmodell gekürzt. Dass dies rechtfertigungs-bedürftig ist, ist auch dem BGH nicht entgangen. Er ergänztegewissermaßen die Entscheidung aus dem Jahr 2009 mit dem

(2.)

sinngemäßen Hinweis, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nurverhindern soll, dass es im Pachtmodell zu keiner Netzent-gelterhöhung kommen darf. Eine Netzentgeltsenkung wolledie Norm aber nicht verhindern; sondern vielmehr sogarermöglichen.

119Als methodischen Ausgangspunkt seiner Festlegung auf denanzuwendenden EK-Höchstzinssatz für negatives Eigenkapi-tal benannte der BGH wiederum den Sinn und Zweck des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV.

„Ausgehend von der oben aufgezeigten Zwecksetzung des § 4 Abs. 5GasNEV muss der Zinssatz für das negative Eigenkapital so bemessensein, dass sich die Eigenkapitalverzinsung des Netzbetreibers aufgrunddes Abzugskapitals mindestens um den Betrag verringert, der sichergäbe, wenn er Eigentümer des betriebsnotwendigen Anlagevermögenswäre.“130

Man kann es anders formulieren: Wäre der Netzbetrei-ber Eigentümer des betriebsnotwendigen Anlagevermögens,könnte er dieses auch nicht in voller Höhe, sondern nurvermindert um das Abzugskapital131 als Verzinsungsbasis indie kalkulatorischen EK-Verzinsung einsetzen; seine EK-Ver-zinsung würde sich verringern (das Abzugskapital würdeinsofern negativ zinswirksam). Weil im Pachtmodell dieEK-Verzinsung des Sachanlagevermögens (des Netzeigentü-mers) im Rahmen der Pachtzinsanerkennung (OPEX desNetzbetreibers) ohne den Abzug des Abzugskapitals desNetzbetreibers erfolgt, soll „mindestens“ dieser Betrag, derbei den OPEX gewissermaßen unberücksichtigt blieb/hinzu-gewonnen wird, bei der (negativen) EK-Verzinsung des Netz-betreibers (CAPEX) als Abzugsposten berücksichtigt werden(insofern zinswirksam werden).

120Bei der näheren Begründung für den anzuwenden Zinssatzesging der BGH in dieser Entscheidung argumentativ andershe-rum vor. Er setzte sich zunächst mit seinem Beschluss ausdem Jahr 2009, genauer gesagt mit der dort ins Spielgebrachten „alternativen“ Berechnungsmethode auseinander.Erst im Anschluss begründete und rechtfertigte er das – seinerAnsicht nach aus § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV folgende –Grundkonzept der getrennten kalkulatorischen Berechnungvon Netzbetreiber und Netzeigentümer; aus dem er bekann-termaßen (Anm.: trotz § 7 Strom-/GasNEV) die Berechtigungzum Ansatz einer negativen EK-Verzinsung ableitet.

125 Wenn nur der überschießende Teil des Abzugskapitals beim Netz-eigentümer (Pachtzinsanerkennung) eingesetzt werden soll, wäredieser Teil umso geringer, je mehr der Netzbetreiber zur Deckungdes Abzugskapitals aufbringt, das heißt je höher sein betriebsnot-wendiges Vermögen im Verhältnis zum Abzugskapital wäre.

126 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH, Rn. 32 ff.

127 Genauer gesagt im Fall „betriebsnotwendiges Vermögen des Netz-betreibers < Abzugskapital des Netzbetreibers“.

128 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

129 Vgl. Rdn. 138.130 BGH, a.a.O., Rn. 39.131 Und vermindert um das verzinsliche Fremdkapital.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

70 EWeRK 2/2020

Zum „Alternativweg“ (Pachtzinssenkung)121 In seiner Entscheidung aus dem Jahre 2009 kam der BGH zu

dem Ergebnis, dass sich aus § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV keinebestimmte Verortung des Netzbetreiber-Abzugskapitals beieiner konkreten kalkulatorischen Kostenposition ergebe. Derdiesbezügliche Einwand des Netzbetreibers wurde zurückge-wiesen. Maßgeblich für § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV soll viel-mehr nur das Ergebnis sein. Die Netzverpachtung soll nichtzu einer fehlenden Berücksichtigung von Abzugskapital unddamit zu einer Erhöhung von Netzentgelten führen dürfen(dazu Rdn. 112 ff.). Dieses Ergebnis könne durch den Ansatzeines negativen Eigenkapitals bei der kalkulatorischenBerechnung des Netzbetreibers oder „alternativ“ durch dieKürzung des Pachtzinses (Ansatz des Abzugskapitals bei derkalkulatorischen Berechnung des Netzeigentümer) gleicher-maßen erreicht werden. Es sollen mithin beide Berechnungs-methoden möglich sein.

122 Diese Feststellungen hat der BGH in seinem Beschluss ausdem Jahre 2017 nicht mehr ausdrücklich wiederholt odersich sonst zu Eigen gemacht. Er hat die ältere Entscheidunglediglich dem Inhalt nach wiedergegeben.

Im Einzelnen hat das Gericht hierzu ausgeführt:„Wie auch die Betroffene im Ansatz nicht verkennt, befasst sich derBeschluss des Senats vom 3. März 2009 (RdE 2010, 19 Rn. 39 ff. -SWU Netze) lediglich mit der Frage, ob für negatives Eigenkapital demGrunde nach Zinsen anzusetzen sind, nicht aber mit der Zinshöhe. Ent-gegen der Auffassung der Betroffenen ergeben sich aus den Ausführun-gen zur ersten Frage auch keine mittelbaren Schlussfolgerungen inBezug auf die zweite Frage.132 Der Senat hat zwar ausgeführt, ein vonder Verzinsung des negativen Eigenkapitals abweichendes Ergebnis träteauch dann nicht ein, wenn das überschießende Abzugskapital alternativbei dem Netzeigentümer in Ansatz gebracht würde, weil letzteres zueiner Reduzierung des berücksichtigungsfähigen Pachtzinses führenwürde (BGH RdE 2010, 19 Rn. 45 - SWU Netze). Im damals zuGrunde liegenden Fall stand aber nicht zur Diskussion, ob aufgrund derKapitalstruktur auf Seiten des Eigentümers ein anderer Zinssatz maß-geblich sein könnte als auf Seiten des Netzbetreibers. Der Entscheidungkann deshalb insbesondere nicht entnommen werden, dass die Berück-sichtigung von Abzugskapital auf Seiten des Netzbetreibers stets nur indem Umfang zu einer Reduzierung der Eigenkapitalverzinsung führendarf, der anfiele, wenn der Netzeigentümer das Netz selbst betreibenwürde.133

123 An dieser Stelle des Beschlusses mag noch der Eindruck ent-stehen, dass der BGH – wie schon in seiner Entscheidung ausdem Jahre 2009 („SWU Netz“, vgl. Rdn. 113) – einen vonder Regulierungspraxis abweichenden Ansatz des Abzugska-pitals des Netzbetreibers bei der kalkulatorischen Berech-nung des Netzeigentümers (i.R.d. Anerkennungsfähigkeit desPachtzinses) weiterhin für möglich hält; von der früherenEntscheidung nahm das Gericht – zumindest ausdrücklich –keinen Abstand. Der BGH (2017) betonte aber, dass dasResultat dieser „alternativen“ Berechnungsmethode für dieFrage der Rechtmäßigkeit der Höhe regulierungsbehördli-chen Kürzungsmethode (negatives EK) keine Relevanzbesitzt. Soll heißen: Selbst wenn in der „alternativen“ Berech-nungsmethode die Verzinsung des Eigenkapitals und damitinkludiert die Verzinsung des Abzugskapitals beim Netzei-gentümer geringer ausfallen würde134, als dies beim Netzbe-treiber, dessen negatives Eigenkapital mit dem Höchstzins-satz verzinst wird, der Fall wäre, würde dies für den BGHnichts an der Rechtsmäßigkeit des Ansatzes des höchsten EK-

(a.) Zinssatzes für das negatives Eigenkapital ändern. Sinngemäßsoll der Entscheidung aus dem Jahr 2009 also nicht entnom-men werden können, dass das Ergebnis dieser „alternativen“Berechnungsmethode eine Untergrenze der Kostenanerken-nung liefert, die durch die regulierungsbehördliche Berech-nungsmethode nicht unterschritten werden dürfe. M.a.W.soll die Höhe der Kostenkürzung, die sich aus der „alterna-tive“ Berechnungsmethode ergäbe, nicht den Umfang dernegativen EK-Verzinsung begrenzen. Daraus darf der Schlussgezogen werden, dass nach Ansicht des BGH die Norm des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV lediglich der Verhinderung einerNetzentgelterhöhung durch die Netzverpachtung dient. Obdie eine mögliche Berechnungsmethode (hier die der Regulie-rungsbehörden) im Vergleich zur anderen „alternativen“Methode zu einer Absenkung der Gesamtkostenanerkennung(Netzentgeltsenkung) führt, scheint für den BGH für die Aus-legung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht von Relevanz zusein. Selbst wenn beide Berechnungsmethoden eine Netzent-gelterhöhung ausschließen würden, gäbe es keine Pflicht derBNetzA, diejenige Methode anzuwenden oder als Benchmarkheranzuziehen, die zu einer geringeren Kostenkürzung führt.

Zur Begründung der negativen EK-Verzinsung124Der BGH betonte abermals, dass eine getrennte kalkulatori-

sche Berechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümerstattzufinden habe. Erstmals werden dafür auch Begrün-dungsansätze deutlich. Das Gericht führt aus: „Die nach § 4Abs. 5 GasNEV einzuhaltende Obergrenze darf nichtdadurch errechnet werden, dass die Eigenkapitalquote unddas Verhältnis der Werte von Alt- und Neuanlagen auf Seitendes Netzeigentümers herangezogen werden.135 Mit „Ober-grenze“ ist ersichtlich das Verbot der Netzentgelterhöhungund damit das Höchstmaß der EK-Verzinsung des Netzbet-reibers (CAPEX) gemeint; was hier mit dem Mindestmaß derVerzinsung des überschießenden Abzugskapitals (negativenEK) identisch ist.

125Die Anwendung der gesetzlich zur Verfügung gestellten dreiZinssätze hängt bekanntlich von der unternehmensindividu-ellen EK-Quote und dem Verhältnis der Werte für Alt- undNeuanlagen ab (§ 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 4, 6 und 7 Strom-/GasNEV). Der BGH betont hier nun, dass sich sein in der2009er-Entscheidung formuliertes Postulat der getrenntenkalkulatorischen Berechnung von Netzbetreiber und Netzei-gentümer auch auf die Anwendung der EK-Zinssätzeerstreckt. Bei der kalkulatorischen Verzinsung des (negati-ven) Eigenkapitals des Netzbetreibers könne nicht auf dieEK-Zinssätze zurückgegriffen werden, die sich beim Netzei-

(b.)

132 BGH, a.a.O., Rn. 41.133 BGH, a.a.O., Rn. 42.134 Wenn das Abzugskapital bei der Berechnung des fiktiven Netz-

entgelts des Netzeigentümers (i.R.d. Pachtzinsanerkennung) inAbzug gemacht werden würde, ergibt sich in Abhängigkeit vomBestand der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögensein positives Ergebnis (positive EK-Quote). Dieses positive betriebs-notwendige Eigenkapital würde dort (fiktives Netzentgelt desNetzeigentümers) nicht in voller Höhe mit dem höchsten EK-Zins(derzeit 6,91% v. St.) verzinst werden.

135 BGH, a.a.O., Rn. 43.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 71

gentümer mit Blick auf seine Vermögenssituation (EK-Quote,etc.) ergebe. „Beide Quoten hängen nicht nur vom Wert derverpachteten Anlagen, sondern auch vom Gesamtwert desVermögens ab. Dieser deckt sich auf Seiten des Netzeigentü-mers nicht notwendig mit dem Wert des verpachteten Vermö-gens. Selbst in Konstellationen, in denen dies der Fall ist, weilder Netzeigentümer außer den verpachteten Gegenständenkein weiteres Anlagevermögen hat, führte eine Übertragungder beim Eigentümer ermittelten Quoten auf den Netzbetrei-ber zu einer fiktiven Vermögensvermischung, die dem Zweckdes § 4 Abs. 5 GasNEV zuwiderliefe.“136

Und weiter: „Aus diesem Grund darf der Vergleichsbetragauch nicht dadurch errechnet werden, dass eine fiktiveEigenkapitalquote und ein fiktives Verhältnis der Werte vonAlt- und Neuanlagen für den Fall ermittelt werden, dass derNetzbetreiber Eigentümer des gesamten betriebsnotwendi-gen Anlagevermögens wäre. Auch mit dieser Berechnungs-weise würde die Kostensituation des Netzeigentümers nichtnur die Obergrenze, sondern die maßgebliche Berechnungs-grundlage für die Eigenkapitalverzinsung des Netzbetreibersbilden. Dies stünde ebenfalls in Widerspruch zu § 4 Abs. 5GasNEV, der die auf Seiten des Eigentümers anfallendenKosten lediglich als Obergrenze, nicht aber als in jeder Hin-sicht maßgeblichen Maßstab vorgibt.“137

Die Ausführungen des Gerichts sind für die vorliegende Fragerelevant. Der BGH vertritt die Auffassung, dass im Pachtmo-dell – hier zumindest mit Blick auf die Frage der Anwendungder EK-Zinssätze – deshalb eine getrennte kalkulatorischeBerechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümer gebotenist, weil eine andere Berechnung (z.B. kalkulatorische Zusam-menlegung der Vermögenssphären) zu einer fiktiven Vermö-gensvermischung führen würde, die dem Zweck des § 4Abs. 5 GasNEV zuwiderläuft. Warum dies so sein soll,begründet der BGH nicht weiter. Der Normzweck bestehtbekanntermaßen darin, eine Netzentgelterhöhung durch dieNetzverpachtung zu verhindern. Geht man davon aus, dassder BGH auf eben diesen Normzweck abstellt, scheint eranzunehmen, dass eine andere Methode der Bestimmung derEK-Zinssätze – als die postulierte getrennte Berechnung – zueiner Netzentgelterhöhung führt. Eine nähere Erläuterung, obund wie er zu diesem Schluss kommt, liefert der BGH nicht.

Interessant ist auch der Umstand, dass das Gericht von einem„Widerspruch“ zu § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bereits dannausgeht, wenn in einer von der getrennten kalkulatorischenBerechnung abweichenden Berechnungsweise (hier fiktiveEK-Quote bei hypothetischer Eigentümerschaft des Netzbet-reibers) die Kostensituation des Netzeigentümers als maßgeb-liche Berechnungsgrundlage für die EK-Verzinsung (Zinssatz)herangezogen wird. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV soll lediglicheine Obergrenze der Kostenanerkennung vorgeben. M.a.W.soll § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht vorgeben, dass im Falleeiner Netzverpachtung die Kostenanerkennung (das Netzent-geltniveau) im Vergleich zu einer kalkulatorisch-hypotheti-schen großen Netzgesellschaft von Pächter und Verpächtergleich hoch bleibt. Der BGH geht damit davon aus, dass § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht nur eine Netzentgelterhöhung

verhindern soll (dafür würde auch die alternative Berech-nungsmethode genügen). Darüber hinaus soll § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV auch entnommen werden, dass die Berech-nungsweise nach dieser Normeiner Senkung der Kostenaner-kennung (Netzentgeltsenkung) anlässlich der Netzverpach-tung nicht im Wege stehen soll. Anders ist es nicht zu erklä-ren, dass der BGH hier von einem „Widerspruch“ spricht.

SW Kiel Netz GmbH (Beschl. v. 17.10.2017)126In der Entscheidung „SW Kiel Netz GmbH“138 ging es

um die Frage, ob im Rahmen der getrennten kalkulatori-schen Berechnung von Netzbetreiber/Pächter und Netzeigen-tümer/ Verpächter, die Forderungen des Verpächters gegenden mit ihm verbundenen Pächter als betriebsnotwendigesUmlaufvermögen bei der Pachtzinsberechnung (fiktives Netz-entgelt des Netzeigentümers) zu berücksichtigen sein soll.Dies lehnte die Regulierungsbehörde ab. Hiergegen wurdevon den Antragstellern sinngemäß vorgebracht, dass, wennschon beim Netzbetreiber/Pächter die betreffenden Forderun-gen als Abzugskapital angesetzt werden (Erhöhung des nega-tiven Eigenkapitals), die Forderungen dann doch wenigstensbeim Netzeigentümer/Verpächter als betriebsnotwendigesUmlaufvermögen (fiktives Netzentgelt) zugute gebracht wer-den sollten. Man meinte offenbar an die Aussagen der BGH-Entscheidung aus 2019 („rechnerischer Zwischenschritt“)anknüpfen zu können.

Der BGH bestätigte die Regulierungspraxis und wurdegrundsätzlich:„b) … ergibt sich aus § 4 Abs. 5 GasNEV keine abweichende Beurtei-lung.Hieraus [aus § 4 Abs. 5 GasNEV] ergibt sich, wie der Senat bereits ent-schieden hat, lediglich, dass die Kosten, die anfielen, wenn der Betreiberzugleich Eigentümer wäre, eine Obergrenze für die Höhe der berück-sichtigungsfähigen Kosten bilden. Eine daraus resultierende Korrekturhat aber lediglich punktuellen Charakter und ändert nichts daran, dassdie Vermögenssphären von Netzeigentümer und Netzbetreiber grund-sätzlich getrennt zu betrachten sind (BGH, Beschluss vom 25. April2017 - EnVR 57/15 Rn. 45 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).Entgegen der Auffassung der Betroffenen darf die nach § 4 Abs. 5 Satz 1GasNEV relevante Obergrenze deshalb nicht in der Weise bestimmtwerden, dass die Vermögenssphären von Netzeigentümer und Netzbe-treiber hypothetisch zusammengelegt werden. Bei den nach § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV relevanten Kosten, die anfielen, wenn der NetzbetreiberEigentümer der Anlagen wäre, handelt es sich zwar notwendig umhypothetische Werte, weil Netzbetreiber und Netzeigentümer in denbetroffenen Fällen gerade nicht identisch sind. Hieraus kann aber nichtgefolgert werden, dass die Kostenbetrachtung vollständig losgelöst vonder tatsächlichen Kostensituation erfolgen darf. Soweit dies möglich ist,sind die hypothetischen Kosten, die dem Betreiber als Eigentümer ent-stehen würden, vielmehr anhand der tatsächlichen Kostensituation zuermitteln. Hierfür bilden die Kosten des Netzeigentümers einen geeigne-ten Maßstab. Eine weitergehende Abstraktion durch hypothetischeZusammenlegung der Vermögens-sphären von Eigentümer und Betrei-ber würde demgegenüber darauf hinauslaufen, dass die tatsächlicheSituation in weitem Umfang unberücksichtigt bliebe und rein fiktiveWerte herangezogen würden. Dies ist mit der Zielsetzung von § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV nicht vereinbar.“139

Mit dieser Entscheidung liefert der BGH erstmals eine nähereBegründung dafür, weshalb er auch im Pachtmodell eine

(3.)

136 BGH, a.a.O., Rn. 44.137 BGH, a.a.O., Rn. 46 und 47.138 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH,

Rn. 35 ff.139 BGH, a.a.O.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

72 EWeRK 2/2020

getrennte kalkulatorische Berechnung von Netzbetreiber undNetzeigentümer für erforderlich hält. Eine Begründung dafür,inwiefern eine Berechnung der Pachtzinsanerkennung auf derGrundlage der im Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVangelegten kalkulatorisch zusammengelegten Kosten- undVermögensbestandteile von Netzbetreiber und Netzeigentü-mer zu einer Netzentgelterhöhung führt und damit gegen dieZielsetzung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV verstößt, wirdaber nicht geliefert.

Gewinnabführungsvertrag (Beschl. v. 29.01.2019)127 In den Entscheidungen „Gewinnabführungsvertrag“140 nahm

der BGH noch einmal – lediglich selbstreferenziell – auf dieEntscheidungen SWU Netze und SWL Verteilungsnetzgesell-schaft mbH. Außer, dass er an seiner Rechtsprechung zurnegativen EK-Verzinsung festhält, ist mit diesen Entscheidun-gen kein weiterer Erkenntnisgewinn verbunden (vgl. bereitsRdn. 87 ff.).

Dortmunder Netz GmbH (Beschl. v. 12.11.2019)127a In dem Beschluss „Dortmunder Netz GmbH“141 hat der BGH

noch einmal bekräftigt, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV eineObergrenze für die berücksichtigungsfähigen Kosten bildet.Eine daraus (Anm.: aus der Obergrenze) resultierende Kor-rektur habe lediglich punktuellen Charakter und änderenichts daran, dass die Vermögenssphären von Netzeigentü-mer und Netzbetreiber grundsätzlich getrennt zu betrachtenseien. Eine punktuelle Korrektur werde erforderlich, soweitbestimmte Kosten auf Seiten des Netzbetreibers nicht oder ingeringerer Höhe angefallen wären, wenn er Eigentümer derAnlagen wäre. Nur dann sind die auf der Grundlage der Kos-tensituation des Netzbetreibers (getrennt) ermittelten Kostenim Hinblick auf die in § 4 Abs. 5 StromNEV definierte Ober-grenze zu reduzieren. Dieser Regelungsmechanismus lasse esaber nicht zu, die beim Netzbetreiber angefallenen Kostenmit Rücksicht auf das Pachtverhältnis in einzelnen Positionennach oben zu korrigieren. Eine solche Korrektur nach obensei mit § 4 Abs. 5 StromNEV nicht vereinbar. Der BGH wiesdamit das Begehren des Netzbetreibers nach einer konsoli-dierten Betrachtung zurück. In Rede stand eine Forderungdes Verpächters gegen den Netzbetreiber, die nach Ansichtdes Netzbetreibers entweder im Wege einer Konsolidierungaußer Acht zu lassen142 oder zwingend auf beiden Seiten zuberücksichtigen143 sein sollte. Der BGH blieb seiner Rechts-prechungslinie treu und nahm maßgeblich auf die Entschei-dung „SW Kiel Netz GmbH“ (Rdn. 126) Bezug.

Gesamtbild der BGH-RechtsprechungTatsächliche und rechtliche Annahmen des BGH

128 Der BGH-Rechtsprechung lassen sich in der Gesamtbetrach-tung folgende tatsächliche und rechtliche Annahmen entneh-men, die für den Ansatz einer negativen EK-Verzinsung ent-scheidungsleitend sind. Vgl. auch bereits Rdn. 56 ff.

– Tatsächliche Annahmen und rechtliche Ableitungen desBGH

– Der BGH geht davon aus, dass es zu einer Netzent-gelterhöhung käme, wenn das Abzugskapital des

(4.)

(5.)

bb.(1.)

Netzbetreibers nicht vollständig in Abzug gebrachtwerden würde; was dann gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV verstoßen soll.

– Der BGH geht davon aus, dass es bei einer Berech-nung der Pachtzinsanerkennung auf der Basis kalkula-torisch zusammengelegter Kosten- und Vermögensbe-standteile von Netzeigentümer und Netzbetreiber zueiner Netzentgelterhöhung käme; was gegen § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV verstoßen soll. Dies bedingeeine getrennte kalkulatorische Berechnung von Netz-betreiber und Netzeigentümer; wobei bei der Pacht-zins-anerkennung die Kosten des Netzeigentümers(fiktives Netzentgelt) einen geeigneten Maßstab bildensollen.

– Zugrunde liegende rechtliche Annahmen

– Der BGH geht davon aus, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ein allgemeines Prinzip regelt, das diegesamte Kostenprüfung leiten soll, damit alle vomVerordnungsgeber zugestandenen Kostenpositionen(§§ 5 ff. Strom-/GasNEV) betrifft und dessen Anwen-dung in diesem Sinne beeinflusst.

– Der BGH geht davon aus, dass es wegen der Normdes § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV auch zum Ansatz einernegativen EK-Verzinsung beim Netzbetreiber (bei derAddition der aufwandsgleichen und kalkulatorischenKosten) kommen darf; selbst dann, wenn dies gegenden Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV ver-stößt, könne eine solcher Abzugsposten aus dengenannten Gründen nicht vermieden werden.

– Der BGH nimmt an, dass es nicht gegen § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV verstoße, wenn es nach der getrenn-ten kalkulatorischen Berechnung zu einer geringerenKostenerstattung im Pachtmodell kommt.

Auswirkungen der Regulierungspraxis und BGH-RechtsprechungEffekte der Rechtsprechung

(aa.) Rechenbeispiele

129Die nachfolgenden Rechenbeispiele verdeutlichen die Effekteder bisherigen Regulierungspraxis auf die Höhe der EK-Verzinsung. Es wird ein Vergleich zwischen der kalkulato-rischen Behandlung einer „großen Netzgesellschaft“ undeiner „schlanken Netzgesellschaft“ (im Netzpachtmodell)angestellt. Dabei wird angenommen, dass im Netzpachtmo-dell Verpächter und Pächter in Summe über exakt dieselben

(2.)

(a.)

140 BGH, Beschl. 29.01.2019 – EnVR 63/17 u. EnVR 62/17 – Gewinnab-führungsvertrag, Rn. 15 ff. (bzw. Rn. 13 ff.).

141 BGH, Beschl. v. 12.11.2019 – EnVR 109/18 – Dortmunder Netz GmbH,Rn. 36 ff.

142 Dann würde die Verbindlichkeit des Netzbetreibers nicht alsAbzugskapital die Verzinsungsbasis seiner kalkulatorischen EK-Verzinsung reduzieren können. Zugleich würde dieselbe Forde-rung auf Seiten des Verpächters nicht zu einer Erhöhung seinesbetriebsnotwendigen Umlaufvermögens als Teil des betriebsnot-wendigen Eigenkapitals (Basis der EK-Verzinsung) und damit imErgebnis zu einer Erhöhung der Anerkennungsfähigkeit des Pacht-zinses führen können.

143 Als Abzugskapital beim Netzbetreiber und als betriebsnotwendi-ges Umlaufvermögen des Verpächters.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 73

kalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile verfügen,wie die „große Netzgesellschaft“ und insofern also gar keinUnterschied besteht. Es wird mithin also nur eine Auftei-lung der kalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile inzwei unterschiedliche Rechtsträger (Vermögenssphären) vor-genommen; was letztlich auch das Wesen der Netzpacht imRahmen der Entgeltregulierung bildet (Rdn. 19).

Unter „Bilanz integriert“/„NB integriert“ wird die Bilanzund dann die kalkulatorische NEV-Berechnung einer „gro-ßen Netzgesellschaft“ dargestellt. Dies wird den Bilan-zen und der kalkulatorischen Berechnungen des Netzbet-reibers/Pächters („Bilanz Pächter“/„P“/ „davon Pächter“)einerseits und des Netzeigentümers/Verpächters („BilanzVerpächter“/„VP“/„davon Verpächter“) andererseits gegen-übergestellt. In der letzten Zeile („Delta“) ist ersichtlich,inwieweit mit der bestehenden Regulierungspraxis die insge-samt realisierbare EK-Verzinsung im Netzpachtmodell vonderselben in der „großen Netzgesellschaft“ (nach unten)abweicht.

Um die Effekte der Berechnungsweise noch deutlicher zuveranschaulichen, wurden für sämtliche Rechenbeispiele fol-gende Annahmen getroffen:

– Es gibt nur Neuanlagen (keine Altanlagen).– Die handelsbilanziellen Restbuchwerte entsprechen den

kalkulatorischen Werten (unter Zugrundlegung gleicherNutzungsdauern).

– Als Zinssätze wurden vereinfacht für EK < 40%: 7% undfür EK > 40%: 3% angesetzt.

– Die FK-Zinsen wurden nicht dargestellt.– Es wurde Umlaufvermögen (UV) berücksichtigt.– Baukostenzuschüsse wurden außer Acht gelassen.– Innerhalb der Rechenbeispiele (Spalten) werden verschie-

dene Szenarien bezüglich der vorhandenen Eigenkapital-quote (> 40%, = 40%, < 40%) abgebildet. Variabel undzwischen den Rechenbeispielen unterschiedlich ist einer-seits der Bestand bzw. im Pachtmodell die Aufteilung vonSachanlagevermögen („AV bzw. EK“ / „bnV“) undAbzugskapital („UV bzw. FK“ / „Abzugskapital“) zwi-schen Pächter und Verpächter. Die Abkürzung „bnV“steht für betriebsnotwendiges Vermögen und die Abkür-zung „bnEK“ für betriebsnotwendiges Eigenkapital i.S.d.§ 7 Strom-/GasNEV.

130Rechenbeispiel 1

Fall: 1) EK Quote > 40% 2) EK Quote = 40% 3) EK Quote < 40%

Bilanz integriert A P A P A P

AV bzw. EK 100 99 100 44 100 22

UV bzw. FK (verzinslich) 10 11 10 66 10 88

Bilanz Pächter A P A P A P

AV bzw. EK 0 -1 0 -56 0 -78

UV bzw. FK (verzinslich) 10 11 10 66 10 88

Bilanz Verpächter

AV bzw. EK 100 100 100 100 100 100

UV bzw. FK (verzinslich) 0 0 0 0 0 0

NEV Berechnung NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 100 10 110 100 10 110 100 10

Abzug 11 0 11 66 0 66 88 0 88

bnEK 99 100 -1 44 100 -56 22 100 -78

bnEK ( 40% max) 44 40 4 44 40 4 44 40 4

bnEK < 40% 44 40 -1 44 40 -56 22 40 -78

bnEK > 40% 55 60 0 0 60 0 0 60 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 4,73 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 55 3% 1,65 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 4,53 0,68 -0,86

davon PächterSumme -0,07 -3,92 -5,46

EK I < 40% -1 7% -0,07 -56 7% -3,92 -78 7% -5,46

EK II > 40% 0 3% 0 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 4,6 4,6 4,6

EK I < 40% 40 7% 2,8 40 7% 2,8 40 7% 2,8

EK II > 40% 60 3% 1,8 60 3% 1,8 60 3% 1,8

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe -0,20 -2,40 -2,40

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

74 EWeRK 2/2020

131 Rechenbeispiel 2

Fall: 1) EK Quote > 40% 2) EK Quote = 40% 3) EK Quote < 40%

Bilanz integriert A P A P A P

AV bzw. EK 100 65 100 44 100 22

UV bzw. FK (verzinslich)10 45 10 66 10 88

Bilanz Pächter A P A P A P

AV bzw. EK 25 -7 25 -17 25 -35

UV bzw. FK (verzinslich)8 40 8 50 8 68

Bilanz Verpächter

AV bzw. EK 75 72 75 61 75 57

UV bzw. FK (verzinslich)2 5 2 16 2 20

NEV Berechnung NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 77 33 110 77 33 110 77 33

Abzug 45 5 40 66 16 50 88 20 68

bnEK 65 72 -7 44 61 -17 22 57 -35

bnEK ( 40% max) 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2

bnEK < 40% 44 30,8 -7 44 30,8 -17 22 30,8 -35

bnEK > 40% 21 41,2 0 0 30,2 0 0 26,2 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 3,71 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 21 3% 0,63 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 2,902 1,872 0,492

davon PächterSumme -0,49 -1,19 -2,45

EK I < 40% -7 7% -0,49 -17 7% 0,682 -35 7% -2,45

EK II > 40% 0 3% 0 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 3,392 3,062 2,942

EK I < 40% 30,8 7% 2,156 30,8 7% 2,156 30,8 7% 2,156

EK II > 40% 41,2 3% 1,236 30,2 3% 0,906 26,2 3% 0,786

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe -0,81 -1,21 -1,05

(bb.) Auswertung

Keine Erhöhung der EOG durch die Netzverpachtung132 Das Ziel der Regulierungspraxis wird zweifelsohne erreicht.

Indem das Abzugskapital des Netzbetreibers im Rahmen derBerechnung der Verzinsungsbasis seiner EK-Verzinsung – biszur Entstehung negativen Eigenkapitals – vollständig abgezo-gen und verzinst wird, wird verhindert, dass sich durch dieNetzverpachtung ein höheres Netzentgelt (EOG) ergibt.

133 Wird (wie in der Regulierungspraxis) für die Verzinsung deserrechneten negativen Eigenkapitals der Höchst-EK-Zinssatzfür Neuanlagen (6,91% v. St.) angesetzt, ist eine Erhöhungder Netzentgelte (EOG) durch die Netzverpachtung im Ver-gleich zur großen Netzgesellschaft144 generell ausgeschlossen.

Besserstellung des reinen Infrastrukturinvestorsgegenüber der großen Netzgesellschaft

134 Für einen Netzeigentümer, der lediglich in die Infrastrukturinvestiert, diese aber nicht selbst betreibt (i.F. Infrastrukturin-vestor), ist die bisher übliche Regulierungspraxis in bestimm-ten Konstellationen allerdings günstiger als für den Netzin-

1. Effekt:

2. Effekt:

vestor in einer großen Netzgesellschaft. Dies deshalb, weilder Pachtzins, den der besagte Infrastrukturinvestor vomNetzbetreiber vereinnahmt und der im Wesentlichen seineKapitalkosten (CAPAX) abbildet, von der Regulierungspra-xis in einer Höhe als aufwandsgleiche Kosten des Netzbetrei-bers (§ 5 Strom-/GasNEV) anerkannt werden, die häufig überden Kapitalkosten – genauer gesagt über der EK-Verzinsung– liegt, die dem Netzeigentümer in einer großen Netzgesell-schaft zuerkannt werden. Im Pachtmodell kann damit derNetzeigentümer (Verpächter) aus dem eingesetzten Kapital inbestimmten Fällen eine höhere Verzinsung realisieren als diesein Netzeigentümer in einer großen Netzgesellschaft145

könnte, der über exakt dieselben Kosten und kalkulatorischrelevanten Vermögensbestandteile verfügt wie im Pachtmo-

144 Netzbetreiber, der zugleich Netzeigentümer ist.145 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegenden

Kontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 75

dell das Paar von Netzeigentümer/-verpächter und Netzbe-treiber/-pächter zusammen; der aber eben im Unterschiedzum Pachtmodell sein Netz auch selbst betreibt.

135 Zwar sind regulatorisch nur einheitliche EK-Zinssätze fürsämtliche Netzbetriebs-konstellationen vorgesehen. Zwi-schen Netzpachtmodell und großer Netzgesellschaft wirdnicht unterschieden. Als Investor verfügt die große Netzge-sellschaft aber zwangsläufig über eine kleinere EK-Verzin-sungsbasis (bnEK), die sich schlicht daraus ergibt, dass imRahmen des operativen Netzbetriebs naturgemäß Abzugska-pital i.S.d. § 7 Abs. 2 Strom-/GasNEV anfällt, das bei derBerechnung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals in Abzuggebracht wird. Der Infrastrukturinvestor (Netzverpächter)wird in der dargestellten Regulierungspraxis hingegen mitderlei netzbetrieblich entstehendem Abzugskapital nichtbelastet; seine EK-Verzinsungsbasis ist damit höher. Daskann dazu führen, dass auch die EK-Verzinsung bei der blo-ßen Netzverpachtung für den Infrastrukturinvestor ertrags-reicher ist.

Das kommt auf die Eigenkapitalquote (EK-Quote) an. Diegesetzlich vorgegebene Berechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsung bzw. die anzuwendenden EK-Zinssätze hängenvon der Quote des betriebsnotwendigen Eigenkapitals ambetriebsnotwendigen Vermögen ab (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3Strom-/GasNEV). Den höchsten Zinssatz gibt es nur für eineso errechnete EK-Quote bis 40%. Wie in den o.g. Rechenbei-spielen (Rdn. 129) illustriert, führen Konstellationen, indenen die EK-Quote insgesamt gering (bzw. das gesamteAbzugskapital hoch) ist, für den Infrastrukturinvestor imPachtmodell zu günstigeren Ergebnissen und höheren Zinser-trägen als für die große Netzgesellschaft mit denselben Rest-werten ihres Sachanlagevermögens.146

Minderung der Kostenerstattung für den Netzbetreiber136 Es mag sich mit Blick auf die Summe der EK-Verzinsungsba-

sis von Netzbetreiber und Netzeigentümer zwar nur um einen„rechnerischen Zwischenschritt“ handeln, der aus der Per-spektive der Gesamt-EOG (Netznutzersicht) irrelevant ist,weil dem Netzbetreiber über den in Ansatz gebrachten Pacht-zins (OPEX) das Eigenkapital des Netzeigentümers zugutegebracht wird.147 Zumindest konzeptionell kann dem auchnicht widersprochen werden.148 Davon hat der Netzbetreiberaber freilich nichts. Er muss den Pachtzins an den Netzeigen-tümer abführen. Für den Netzbetreiber führt die negative EK-Verzinsung in der Kostenprüfung (§ 6 ARegV i.V.m. §§ 4 ff.Strom-/GasNEV) vielmehr in erster Linie dazu, dass ihmandere entstehende Kosten (z.B. Teile seiner Personalkosten,etc.) – auch wenn diese effizient sein mögen – nicht in vollerHöhe ersetzt werden. Die negative EK-Verzinsung senkt (weilmit negativem Vorzeichen) als Subtrahend bei der Ermittlungder aufwandsgleichen und kalkulatorischen Netzkosten dasAusgangsniveau für die EOG-Bestimmung. Das Problem ver-schärft sich für die Netzbetreiber mit der regulierungsbehörd-lichen Kürzung des betriebsnotwendigen Umlaufvermögens,der Behandlung der vereinnahmten Baukostenzuschüsse undNetzanschlusskostenbeiträge als Abzugskapital und dieNichtanerkennung von Personalzusatzkosten als dauerhaft

3. Effekt:

nicht beeinflussbare Kostenanteile (vgl. Rdn. 11). Den Netz-kosten-/EOG-erhöhenden Pachtzins realisiert im Ergebnisnicht der aktive Netzbetreiber, sondern der Infrastrukturin-vestor (Netzeigentümer); der Netzbetreiber kann den Pacht-zins nicht zur Deckung seiner übrigen Kosten nutzen.

137Die höhere EK-Verzinsungsbasis für den Infrastrukturinves-tor auf der einen Seite und die verminderte Kostenerstattungfür den Netzbetreiber auf der anderen Seite darf man sich– freilich unter Außerachtlassung der Frage der genauenVerzinsung des negativen Eigenkapitals – als zwei Seitenderselben Medaille vorstellen. Zumindest konzeptionell –unter Außerachtlassung der Frage der genauen Verzinsungdes negativen Eigenkapitals149 – soll also die Berechnungs-methode der Regulierungsbehörden auf das Gesamtergebnisdes Netzpachtmodells keinen negativen Effekt haben. Esliegt aber auf der Hand, dass dieses Konzept der Regulie-rungspraxis allenfalls für miteinander konzernverbundeneUnternehmen, die eine wirtschaftliche Einheit bilden und zurVerlusttragung verpflichtet sind, dauerhaft hinnehmbar seinmag. Für rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Netzbe-treiber (Netzpächter), deren Geschäftsergebnis nicht in einwirtschaftliches Gesamtergebnis mit dem Netzeigentümereingestellt wird, ist diese Situation ungünstig; besonders,wenn keine Kostensenkungspotentiale (mehr) bestehen.150

Schlechterstellung des Netzpachtmodells gegenüber dergroßen Netzgesellschaft (sog. Zinsimparität)

138Das negative Eigenkapital wird pauschal mit dem höchstenEK-Zinssatz für Neuanlagen verzinst (EK-Zins I: 6,91% v.St.); es entstehen hohe negative (Abzugs-)Werte in der Kos-tenprüfung. Hingegen wird die übliche positive EK-Verzin-sung in der großen Netzgesellschaft und selbst bei derBerechnung des „fiktiven Netzentgelts“ für den Netzeigentü-mer (i.R.d. Pachtzinsanerkennung) der Höhe nach immer inAbhängigkeit von der unternehmensindividuellen EK-Quote,des Bestandes von Neu- und Altanlagen und mit einer Deck-elung auf 40% vorgenommen (§ 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 4, 6und 7 Strom-/GasNEV). Es werden unterschiedliche (auchgeringere) Zinssätze angewandt. Vereinfacht gesagt, führt dieHöchstverzinsung von negativem Eigenkapital und die Nor-malverzinsung von positivem Eigenkapital (sog. Zinsimpari-

4. Effekt:

146 Sehr vereinfacht gesagt, kann der Infrastrukturinvestor dann einenhöheren Betrag seines bnEK mit dem höchsten EK-Zins verzinsenlassen.

147 So der BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze,Rn. 45.

148 Vgl. aber zum Problem der Zinsimparität: Rdn. 40, 138.149 Dazu Rdn. 40, 138.150 Nicht ohne Grund befand der BGH in seiner Entscheidung „Strom-

netz Homberg“, dass ein bloßer Besitzherausgabeanspruch (Netz-verpachtung) im Falle eines Konzessionärwechsels den mit § 13Abs. 2 EnWG 1998 (heute § 46 Abs. 2 EnWG) intendierten Wettbe-werb um die Netze hemmen würde; weshalb die Netzüberlas-sungspflicht in § 13 Abs. 2 Satz 2 EnWG 1998 als Netzübereig-nungspflicht interpretiert werden müsse. Wenn ein Bewerbererwarten müsste, zur Bezahlung von Pachtzinsen aus den regulier-ten Netzentgelten gezwungen zu sein, wären Bewerbungen weni-ger attraktiv (BGH, Beschl. v. 03.06.2014 – EnVR 10/13 – StromnetzHomberg, Rn. 28).

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

76 EWeRK 2/2020

tät) in Summe zu einer niedrigeren Gesamt-EOG als bei dergroßen Netzgesellschaft (dazu Rechenbeispiele, Rdn. 129 ff.).

(cc.) Fazit: Regulierungspraxis

139 Die bisherige (vom BGH bestätigte) Regulierungspraxis führtzu folgenden Ergebnissen:

– Durch die Netzverpachtung können keine höheren Netz-entgelte entstehen.

– Die Netzverpachtung führt vielmehr sogar dazu, dassden Unternehmen eine geringere Erlösobergrenze zuge-standen wird als im Modell der großen Netzgesellschaft.Die Möglichkeit zur Vereinnahmung von Netzentgeltensinkt. In der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung wirddas Netzpachtmodell gegenüber einer großen Netzgesell-schaft schlechtergestellt.

– Mit der bloßen Netzverpachtung kann ein Infrastruktu-rinvestor/Verpächter aus dem eingesetzten Kapital aberin bestimmten Fällen einen höheren Verzinsungsertragerzielen, als dies ein Netzeigentümer könnte, der seinNetz auch selbst betreibt (große Netzgesellschaft). DerAusgleich geht zu Lasten des Netzbetreibers.

– Durch die negative EK-Verzinsung werden dem Netz-betreiber/Pächter andere beim Netzbetrieb entstehende(selbst effiziente) Kosten nicht mehr vollständig ersetzt.

Gerichtliche Folgenabschätzung140 Im gesetzlich vorgegebenen und verordnungsrechtlich ausge-

formten System der kosten-orientierten Entgeltbildung hatdie Frage, wie die kalkulatorische Berechnung der im Pacht-modell aufgeteilten Vermögensbestandteile vorgenommenwerden soll, auch abseits der Frage des Erhalts des Netzent-geltsniveaus fundamentale Auswirkungen auf die Ertrags-möglichkeiten des Netzbetreibers einerseits und des Netzei-gentümers andererseits. Die Berechnungsweise hat – wie mitBlick auf die geschilderten Effekte gezeigt werden kann – eineerhebliche Steuerungswirkung auf die unternehmerischeGestaltung von Netzbetriebs-leistungen (vgl. dazu bereitsRdn. 42).

141 Es ist nicht dokumentiert, inwieweit diese Auswirkungen fürdie Regulierungspraxis abwägungs- und entscheidungsrele-vant sind. Der BGH hat sich damit in seinen Entscheidungs-gründen auch nicht auseinandergesetzt. Er hat lediglich dasGesamthöhe der kalkulatorischen Kostenanerkennung(Höhe der EOG/Netzentgelte) in den Blick genommen.

142 In seiner Entscheidung „SWU Netze“ (2009) bewog ihnoffenbar noch ein leichtes juristisches Störgefühl, dass dieRegulierungspraxis bei der kalkulatorischen EK-Verzinsung(§ 7 Strom-/GasNEV) einen negativen Wert ansetzt und ebendiese gesetzliche Kostenposition damit zu einem Abzugspos-ten bei der Ermittlung der gesamten Netzkosten wandelt.„Dann entsteht zwar "negatives Eigenkapital". Dies stellt aber nureinen rechnerischen Zwischenschritt dar. Tatsächlich wird der Antrag-stellerin über den in Ansatz gebrachten (gekürzten) Pachtzins das Eigen-kapital des Netzeigentümers zugute gebracht.“151

Wegen des Gesamtergebnisses der Kostenermittlung (Summeder verschiedenen Kostenpositionen) soll der Ansatz einernegativen EK-Verzinsung irrelevant sein. Die negativen Fol-

(3.)

gen für den operativen Netzbetreiber und die günstigerenFolgen für den Infrastrukturinvestor (dazu Rdn. 134 ff.) wer-den nicht diskutiert. Es darf vermutet werden, dass der BGHden Fall einer Konzernverbindung zwischen Netzeigentümerund Netzbetreiber vor Augen hatte. Ebenfalls darf angenom-men werden, dass er im Jahr 2009 noch davon ausging, dassdas Gesamtergebnis der kalkulatorischen Berechnung („nurrechnerischer Zwischenschritt“) zu keiner Veränderung derHöhe der Kostenanerkennung im Vergleich zur großen Netz-gesellschaft führt. Eine Annahme, die mit der Bestimmungdes EK-Zinssatzes für das negative Eigenkapital (BGH 2017)nicht mehr möglich ist.

Das BGH (2009) fuhr fort:„Es ergäbe sich im Übrigen auch kein anderes Ergebnis, wenn man dasüberschießende Abzugskapital alternativ bei dem Netzeigentümer inAnsatz brächte. Dann würden sich bei diesem die Verzinsung des Eigen-kapitals und damit auch dessen fiktives Netznutzungsentgelt verringern.Wegen der in § 4 Abs. 5 GasNEV normierten Deckelung würde sich indemselben Maße die Höhe des Pachtzinses reduzieren, den die Antrag-stellerin in Ansatz bringen darf. Daher greift auch der Einwand … nichtdurch, eine nach § 4 Abs. 5 GasNEV veranlasste Kürzung könne nurdurch eine Kürzung des in Ansatz gebrachten Pachtzinses erfolgen.Maßgeblich ist ... allein, dass die Überlassung von Netzbestandteilennicht zu einer fehlenden Berücksichtigung von Abzugskapital und damit- entgegen § 4 Abs. 5 GasNEV - zu höheren Netzentgelten führen darf.Dieses Ergebnis kann .. durch den Ansatz eines negativen Eigenkapitalsoder die Kürzung des Pachtzinses gleichermaßen erreicht werden.“152

Auch hieran wird deutlich, dass sich die Folgenbetrachtungdes BGH allein auf das Gesamtergebnis beschränkt. Die Fol-gen für den Netzbetreiber einerseits und den Netzeigentümerandererseits werden nicht berücksichtigt. Auch wenn einegetrennte kalkulatorische Berechnung von Netzbetreiber undNetzeigentümer durchgeführt wird, soll offenbar nur dasGesamtergebnis (keine Entgelterhöhung) entscheidend sein.Aus dieser Perspektive soll die Frage, ob eine negative EK-Verzinsung angesetzt und mithin die Kostenposition des § 7Strom-/GasNEV gegen die ihr zugedachte Funktion benutztwerden darf oder, ob stattdessen eine Pachtzinssenkungerrechnet werden soll, im Ergebnis irrelevant sein. Womit derBGH offenbar auch bedeuten will, dass ein womöglich juris-tisch unsauberer Rechenschritt keinerlei Konsequenzen hatund deshalb vorgenommen werden darf. Man kann vermu-ten, dass das Gericht auch hier wiederum eine Konzernkons-tellation vor Augen hatte.

Stellungnahme: Auch im Pachtmodell keine Wandelungder kalkulatorischen EK-Verzinsung zum Abzugsposten

143Der Rechtsauffassung des BGH und der Regulierungspraxisist zu widersprechen. Die Norm des § 7 Strom-/GasNEV, dieihrem Grundkonzept nach zu keiner negativen EK-Verzin-sung führen kann (vgl. Rdn. 71 ff., 89 ff.), steht – auch beisystematischer Auslegung unter Berücksichtigung des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV und seiner Zielstellung – dem Ansatzvon Negativzinsen in der Kostenprüfung (Ermittlung derNetzkosten) entgegen. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ist nicht zuentnehmen, dass im Pachtmodell der Ansatz einer negativenEK-Verzinsung geboten sein kann. Diese Norm erlaubt es –

b.

151 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45.152 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 77

gerade im Kontext des gesetzlichen Konzepts der (effizi-enz-)kostenorientierten Entgeltbildung – den Regulierungs-behörden nicht, eine Berechnungsweise bei der Pachtzinsan-erkennung vorzunehmen, in deren Folge (Reflex) die Anwen-dung der gesetzlich zugestandenen Kostenart der kalkulatori-schen EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) zu einer „unver-meidbaren“ und deshalb zwingenden Negativverzinsung füh-ren würde.153

144 Vor der Erörterung der mit den Mitteln der juristischen Aus-legungsmethodik zu lösenden Rechtsfrage, ob sich aus § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV tatsächlich im Pachtmodell die Not-wendigkeit und das Recht ergeben kann, dem Netzbetreiberals Pächter eine negative EK-Verzinsung in Rechnung zu stel-len, soll noch einmal kurz auf die tatsächlichen Prämissen desBGH eingegangen werden.

Zur tatsächlichen Annahme des BGH – Gefahr derNetzentgelterhöhung

145 Der BGH nimmt an, dass der „rechnerische Zwischenschritt“der negativen EK-Verzinsung unvermeidbar sei, weil es sonstdurch die Netzverpachtung zu einer Netzentgelterhöhungkäme. Das Gericht konzentriert sich dabei aber augenschein-lich nur auf die Berechnung der EK-Verzinsungsbasis. DieSumme von EK-Verzinsungsbasis des Netzeigentümers (fikti-ves Netzentgelt) und EK-Verzinsungsbasis des Netzbetreibersdarf nicht höher sein als die EK-Verzinsungsbasis der integ-rierten Netzgesellschaft (also der großen Netzgesellschaftaußerhalb des Pachtmodells154). Deshalb besteht der BGHauch darauf, dass das gesamte vorliegende Abzugskapitalvollständig in Abzug gebracht werden müsse.

146 Tatsächlich ist es aber nach der gesetzlich vorgegebenenBerechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsung so, dassunterschiedliche EK-Zinssätze anzuwenden sind, die von derQuote des betriebsnotwendigen Eigenkapitals am betriebs-notwendigen Vermögen abhängen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3Strom-/GasNEV). Den höchsten Zinssatz gibt es nur für eineso errechnete EK-Quote bis 40%.

Die Effekte, die aus diesen unterschiedlichen Zinssätzen imPachtmodell entstehen, berücksichtigt der BGH bei seinerGrundkonzeption bzw. Begründung der Notwendigkeit dernegativen EK-Verzinsung nicht. Er postuliert das Narrativ:Falls keine negative EK-Verzinsung, dann verbotene Netzent-gelterhöhung. Dies ist aber bereits in tatsächlicher Hinsichtnicht korrekt. Es muss nicht in allen Fällen zu einer Netzent-gelterhöhung kommen, wenn der Ansatz einer negativen EK-Verzinsung unterlassen wird; der Netzbetreiber schlicht keineEK-Verzinsung („Null“) erhält. Dies hängt damit zusammen,dass es bei der Pacht zu einer Aufteilung der kalkulatorischrelevanten Vermögensbestandteile auf zwei Unternehmenkommt (Netzbetreiber und Netzeigentümer), die dann natür-lich auch über unterschiedliche EK-Quoten verfügen; die inSumme nicht der EK-Quote der großen Netzgesellschaft(außerhalb des Pachtmodells) entspricht. Kurzum: Es kannzu einer Netzentgelterhöhung kommen – zwingend ist diesaber nicht! Um im Narrativ des BGH zu bleiben, wäre derAnsatz einer negativen EK-Verzinsung praktisch nicht stetszwingend.

aa.

In den oben aufgeführten Rechenbeispielen (Rdn. 131) kannman erkennen, dass in einigen Fällen die EK-Verzinsung desVerpächters (Pachtzins) bereits geringer ist als die EK-Verzin-sung der integrierten Netzgesellschaft; das heißt eine Netz-entgelterhöhung wäre auch ohne negative EK-Verzinsungausgeschlossen.

147In den Fällen, in denen die EK-Verzinsung des Netzeigentü-mers (im Rahmen der fiktiven Netzentgeltberechnung desNetzeigentümers) geringer ist als die EK-Verzinsung derintegrierten großen Netzgesellschaft entfällt – selbst nach derLogik und Begründung des BGH – der tragfähige Grunddafür, dem Netzbetreiber entgegen der Regelung des § 7Strom-/GasNEV eine negative EK-Verzinsung in Ansatz zubringen. Ganz unabhängig davon, wie die Norm des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV im Detail auszulegen ist. Die Zielstel-lung, eine Netzentgelterhöhung zu vermeiden, ist in diesenFällen auch ohne negative EK-Verzinsung gewährleistet.155 Injedem Falle haben Netzbetreiber in diesen Konstellationen –schon aus den genannten tatsächlichen Gründen – gegen dieRegulierungsbehörden einen gesetzlichen Anspruch auf Fest-legung einer Erlösobergrenze, die zu einer Erstattung ihrereffizienten (aufwandsgleichen und kalkulatorischen) Kostenführt und keine negative EK-Verzinsung enthält. Es wider-spricht dem in den §§ 1 Abs. 1, 22 Abs. 2 EnWG und denNetzentgeltverordnungen gesetzlich festgelegten Konzept der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung, den Netzbetrei-bern eine Erstattung ihrer effizienten Kosten zu versagen (vgl.Rdn. 184, 195 ff.).

148Bei einer an den Maßstäben der gesetzlichen Auslegungsme-thodik orientierten Auslegung des § 4 Abs. 5 und § 7 Strom-/GasNEV ergibt sich überdies, dass der besagte Anspruchgrundsätzlich in allen Fällen besteht. Der Ansatz einer negati-ven EK-Verzinsung ist vielmehr generell ausgeschlossen (dazusogleich Rdn. 149 ff.). Die Rechtsauffassung des BGH undder Regulierungspraxis sind grundlegend rechtlich fehlerhaf-ten Annahmen getragen.

Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVWortlaut

149In § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV heißt es:„Kosten oder Kostenbestandteile, die auf Grund einer Überlassungbetriebsnotwendiger Anlagegüter anfallen, können nur in der Höhe alsKosten anerkannt werden, wie sie anfielen, wenn der Betreiber Eigentü-mer der Anlagen wäre. Der Betreiber des Elektrizitätsversorgungsnetzes[Anm.: Gasversorgungsnetzes] hat die erforderlichen Nachweise zu füh-ren.“

Bezugnahme auf die aufwandsgleiche Kostenposition des § 5Strom-/GasNEV

150Dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass die Norm nur die Aner-kennung solcher Kosten oder Kostenbestandteile regelt, „dieauf Grund einer Überlassung betriebsnotwendiger Anlagegü-

bb.(1.)

(a.)

153 Im Fall „betriebsnotwendiges Vermögen des Netzbetreibers <Abzugskapital des Netzbetreibers“.

154 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

155 Der Netzbetreiber erhält schlicht keine EK-Verzinsung („Null“).

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

78 EWeRK 2/2020

ter anfallen“. Betroffen sind schuldrechtliche Überlassungenwie z.B. die Pacht oder das Leasing.156 Kosten, die den Netz-betreiber dabei entstehen, sind folglich z.B. der Pachtzinsoder das Leasingentgelt. Solche Kosten werden nach Maß-gabe der aufwandsgleichen Kosten-positionen gemäß § 5Strom-/GasNEV anerkannt und bei der Ermittlung der Netz-kosten angesetzt. Bei der Kostenposition der kalkulatori-schen EK-Verzinsung sind derartige Kosten nicht von Rele-vanz. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV regelt seinem Wortlautnach also Aspekte und Besonderheiten bei der Auslegung undAnwendung des § 5 Strom-/GasNEV. Eine ausdrücklicheAussage dazu, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ein allgemei-nes Prinzip der Kostenprüfung und mithin die Auslegung undAnwendung auch der anderen erstattungsfähigen Kostenar-ten – wie z.B. die vorgesehene kalkulatorische EK-Verzinsung(§ 7) – regelt oder diese anderen Kosten bei der Höhe derPachtzinsanerkennung eine Rolle spielen sollen, ist im Wort-laut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht enthalten. Es mussnicht eigens erwähnt werden, dass der Wortlaut des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV den Ansatz einer negativen EK-Ver-zinsung157 nicht vorschreibt.

151 Mit der Bezugnahme auf die aufwandsgleiche Kostenpositio-nen des § 5 Strom-/GasNEV („Kosten …, die auf Grund einerÜberlassung … anfallen … anerkannt“) ist für sich aber auchnoch nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass die Berechnungdieser Kosten (Pachtzins-anerkennung158) nicht auch Rück-wirkungen und Reflexe auf die Anwendung und Berechnungder anderen gesetzlich zugestandenen Kostenpositionen(§§ 4 ff. Strom-/GasNEV) haben kann. Der BGH begründetein seiner Grundsatzentscheidung „SWU Netze“ (2019) denAnsatz einer negativen EK-Verzinsung i.R.d. § 7 Strom-/GasNEV schließlich auch (noch) damit, dass es sich dabei umeinen „rechnerischen Zwischenschritt“ handeln soll, weil dasEigenkapital des Netzeigentümers (Anm.: dessen EK-Verzin-sung) über den Pachtzins – also über die Erstattung nach deraufwandsgleichen Kostenposition – dem Netzbetreiberzugute gebracht werde.159 Dass dies mit der Festlegung derhöchsten EK-Zinssätze (BGH 2017) auf das negative Eigen-kapital im Ergebnis nicht mehr in gleicher Höhe erfolgt, isteine andere Frage, auf die zurückzukommen sein wird (Rdn.196 ff.). Auch, dass der Netzbetreiber von dieser insoweithöheren Pachtzinsanerkennung selbst nichts hat160, ist nochzu diskutieren (Rdn. 184 ff.). Es lässt sich aber zumindestsagen, dass der in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV enthaltenenwörtlichen Bezugnahme auf die gesetzliche Kostenpositiondes § 5 Strom-/GasNEV jedenfalls für sich gesehen nochnicht entnommen werden kann, dass solche Reflexe auf dieBerechnung anderer Kostenpositionen ausgeschlossen seinsollen. Damit ist auch der Ansatz einer negativen EK-Verzin-sung – wie ihn die Regulierungspraxis vornimmt – mit der imWortlaut enthaltenen Bezugnahme auf § 5 Strom-/GasNEV(noch) nicht ausgeschlossen. Diese Annahme ändert sich aberbei Betrachtung der im Wortlaut ebenfalls enthaltenenBerechnungsvorgabe (dazu sogleich).

Konkrete Berechnungsvorgabe: KalkulatorischeZusammenlegung der Kosten- und Vermögenssituationen vonNetzbetreiber und Netzeigentümer (große Netzgesellschaft)

152Neben der Bezugnahme auf die aufwandsgleichen Kostenpo-sitionen (§ 5 Strom-/GasNEV) wird auch beschrieben, wiedie Berechnung der Anerkennung der Überlassungskosten(z.B. des Pachtzinses) vorgenommen werden soll. „Kosten …,… , können nur in der Höhe als Kosten anerkannt werden,wie sie anfielen, wenn der Betreiber Eigentümer der Anlagenwäre.“

153In der vom BGH bestätigten Regulierungspraxis wird dieAnerkennung für Pachtzinsen auf der Basis des Vermögensdes Netzeigentümers berechnet (Rdn, 109 f.). Es wird ein fik-tives Netzentgelt für den Netzeigentümer ermittelt und hier-für alle relevanten kalkulatorischen Kosten und damit auchdie relevanten Vermögensbestandteile des Netzeigentümerszugrunde gelegt. Dass diese Vorgehensweise zwingend wäre,findet aber im Wortlaut der Norm keine hinreichende Stütze.

154Vielmehr sollen kalkulatorische Kosten dem Wortlaut des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV nach so berechnet werden, wie sieder Netzbetreiber hätte, wenn er Eigentümer der Anlagenwäre. Ausdrücklich soll also zunächst von den Kosten (Ver-mögen) des Netzbetreibers ausgegangen werden; nicht denKosten des Netzeigentümers, der ja auch gar nicht Adressatder Regelungen der Netzentgeltregulierung ist.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass mit dem im Wort-laut angesprochenen „Betreiber“ nur das Unternehmen alsAdressat der Netzentgeltregulierung gemeint ist, dem diekalkulatorische Kosten- und Vermögenssituation des Netzei-gentümers nun quasi substitutiv – unter Außerachtlassungseiner eigenen Kosten- und Vermögenssituation – zugeordnetwird. Dann hätte es sinngemäß heißen müssen: „Kosten …,… können nur in der Höhe als Kosten anerkannt werden, wiesie beim Eigentümer der Anlagen anfallen. Es wird aber ebenkeine solche Auswechselung der prüfrelevanten Kosten- undVermögenssituation angeordnet.161

155Dem Wortlaut nach, sollen Pachtzinsen in der Höhe aner-kannt werden können, wie sie anfielen, wenn der Betrei-ber Eigentümer der gepachteten Anlagen wäre. Die mitBlick auf die gepachteten Anlagen gedachte große Netzge-sellschaft162 zwischen dem Netzbetreiber und dem Netzei-

(b.)

156 BR-Drs. 245/05, S. 32.157 Für den Fall „betriebsnotwendiges Vermögen des Netzbetreibers <

Abzugskapital des Netzbetreibers“.158 § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV.159 BGH, SWU Netze, a.a.O., Rn. 45.160 Er muss den Pachtzins schließlich an den Netzeigentümer abfüh-

ren. Die negative EK-Verzinsung mindert als Abzugsposten in derNetzkostenermittlung die Erstattung seiner übrigen (effizienten)Kosten.

161 Davon scheint selbst der BGH zunächst auszugehen. „Hieraus[Anm.: aus § 4 Abs. 5 GasNEV] ergibt sich, wie der Senat bereitsentschieden hat, lediglich, dass die Kosten, die anfielen, wenn derBetreiber zugleich Eigentümer wäre, eine Obergrenze für die Höheder berücksichtigungsfähigen Kosten bilden.“ Vgl. BGH, Beschl. v.17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH, Rn. 37. Bekanntlichsoll die Berechnungsweise der „hypothetischen“ Vermögenszuord-nung aber nach Ansicht des BGH im Ergebnis deshalb nicht ange-wandt werden dürfen, weil dies dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV widersprechen soll. Vgl. BGH, a.a.O., Rn. 38. Zu die-ser Frage: Rdn. 45, 166.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 79

gentümer soll Untersuchungsgegenstand und Referenzgrößeder Pachtzins-anerkennung sein; nicht nur die kalkulatorischrelevanten Kosten und Vermögensbestandteile (das fiktiveNetzentgelt) des Netzeigentümers. Es ist der Kosten- bzw.Vermögenszustand des Netzbetreibers zugrunde zu legen,„wie …, wenn der Betreiber Eigentümer der Anlagen wäre“.Damit wird klar, dass bezogen auf den Pachtgegenstand dieprüfrelevante Kosten- und Vermögenssituation des Netzbet-reibers163 um die kalkulatorisch relevanten Kosten und Ver-mögensbestandteile des Netzeigentümers ergänzt werden(kalkulatorische Zusammenlegung der relevanten Kosten-und Vermögensbestandteile von Netzbetreiber und Netzei-gentümer in der großen Netzgesellschaft). Das heißt insbe-sondere:

Wäre der Betreiber Eigentümer der gepachteten Anlagen (große Netzge-sellschaft), wären ihm diese Anlagegüter kalkulatorisch zugeordnet. Erkönnte für diese Anlagegüter kalkulatorische Abschreibungen (§ 6Strom-/GasNEV) beanspruchen. Weil er nicht Eigentümer ist, kann derNetzbetreiber nun einen – den kalkulatorischen Abschreibungen dergepachteten Anlagegüter entsprechenden – Pachtzinsteil gemäß § 5i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 6 Strom-/GasNEV erstattet verlangen.

Wenn der Betreiber Eigentümer der gepachteten Anlagen wäre (großeNetzgesellschaft), wären ihm auch die Restwerte des auf diese gepachte-ten Anlagen bezogenen Sachanlagevermögens und andere Bestandteiledes betriebsnotwendigen Vermögens (Umlaufvermögen) kalkulatorischzugeordnet. Selbstverständlich würde sich dann in seinem Vermögenauch Abzugskapital sowie verzinsliches Fremdkapital (§ 7 Abs. 2Strom-/GasNEV) befinden, das beim Netzbetrieb (große Netzgesell-schaft) nun einmal entsteht. Auf das sich aus dieser Differenz ergebene– auf den Pachtgegenstand (große Netzgesellschaft) bezogene – betriebs-notwendige Eigenkapital (bnEK) könnte der Netzbetreiber, wenn erwirklich Eigentümer der gepachteten Anlagen wäre, eine kalkulatori-sche EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) beanspruchen. Weil er nichtEigentümer dieser Anlagen ist, kann der Netzbetreiber nun einen – die-ser kalkulatorischen EK-Verzinsung entsprechenden – Pachtzinsteil (§ 5i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 6 Strom-/GasNEV) verlangen.

Im Kern wird dabei die Gesamtsumme des vorhandenen Abzugskapitals(von Netzeigentümer und Netzbetreiber) kalkulatorisch aufgeteilt undanteilig der auf den Pachtgegenstand bezogenen „großen Netzgesell-schaft“ einerseits und dem Netzbetreiber andererseits zugeordnet. Wei-tere Einzelheiten: vgl. Rdn. 217 ff., 222, 228.

In der Folge dieser Berechnungsweise gleicht sich die mit dem anerken-nungsfähigen Pachtzins für den Netzeigentümer realisierbare EK-Verzin-sung an das Niveau der EK-Verzinsung einer großen Netzgesellschaftan. Die praktische Notwendigkeit, einen weiteren (außergesetzlichen)Abzugsposten einzuführen, besteht nicht. Das Abzugskapital des Netz-betreiber wird bei der Berechnung der Pachtzinsanerkennung berück-sichtigt. Dem Netzbetreiber wird nicht mit einer negativen EK-Verzin-sung belastet (zu den Rechenbeispielen: vgl. Rdn. 236 ff.).

156 Von der Regulierungspraxis (bestätigt durch den BGH) wirdgegen diese Berechnungsweise eingewandt, dass die kalkula-torische (der BGH verwendet den Begriff „hypothetische“)Zusammenlegung der Vermögenssphären von Netzbetreiberund Netzeigentümer wegen der daraus folgenden Heranzie-hung nur fiktiver Werte mit der Zielsetzung des § 4 Abs. 5Satz 1 Strom-/GasNEV nicht vereinbar sei.164 An dieser Stellekann der Hinweis genügen, dass es für die Berechnung derPachtzinsanerkennung (§ 5) nur auf Basis der Kosten- undVermögenssituation des Netzeigentümers („fiktives Netzent-gelt des Netzeigentümers“) im Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1Strom-/GasNEV nicht nur keine hinreichende Stütze gibt,sondern vielmehr sogar der Wortlaut selbst diese kalkulatori-sche Zusammenlegung (große Netzgesellschaft als Referenz-

maßstab) vorgibt. Zur Frage der teleologischen Auslegung:vgl. Rdn. 160 ff.

Zusammenfassung: Wortlaut157Im Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV findet die

Annahme der Regulierungspraxis und des BGH, wonach dieNorm ein allgemeines Prinzip bei der Ermittlung der Netz-kosten (§§ 4 ff. Strom-/GasNEV) regeln soll, das die Anwen-dung und Auslegung sämtlicher aufwandsgleicher und kalku-latorischer Kostenpositionen bestimmt, keine Stütze. DemWortlaut nach regelt die Norm lediglich Aspekte und Beson-derheiten bei der Berechnung der aufwandsgleichen Kosten-positionen des Netzbetreibers (Pachtzinsanerkennung gemäߧ 5 Strom-/GasNEV).

Damit ist für sich zwar noch nicht ausgeschlossen, dass dieseBerechnung nicht auch Reflexe für die Berechnung der übri-gen kalkulatorischen Kostenpositionen haben kann. Aller-dings gibt der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV aucheine konkrete Berechnungsweise der Pachtzinsanerkennungvor, die – zumindest konzeptionell – gerade nicht dazu führenkann, dass die Notwendigkeit der Schaffung eines (neben § 9Strom-/GasNEV bestehenden) weiteren Abzugspostens beider Ermittlung der Netzkosten – etwa in Gestalt einer demSinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV zuwiderlaufendennegativen EK-Verzinsung – entsteht. Dies deshalb, weil nach§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bei der Pachtzinsanerkennungsämtliche kalkulatorisch relevanten Kosten- und Vermögens-bestandteile (so auch das virulente Abzugskapital) von Netz-betreiber und Netzeigentümer dem Wortlaut nach kalkulato-risch zusammen veranlagt werden sollen und deshalb in derGesamtkostenberechnung – zumindest konzeptionell – auchnicht unter den Tisch fallen können (zur Berechnungsweise:vgl. Rdn. 155, 217 ff.). Die EK-Verzinsungsbasis entspricht inSumme der EK-Verzinsungsbasis der großen Netzgesell-schaft.

Kurzum: Schon der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVeröffnet für die Regulierungs-behörden nicht die Möglich-keit, die verschiedenen gesetzlich zugestandenen Kostenarten(Kostenpositionen) und die dafür definierten Kosten- undVermögensbestandteile anlässlich und aufgrund der Netz-pacht anders zu berechnen. Dies betrifft auch die kalkulatori-sche EK-Verzinsung, die keinen negativen Wert annehmenkann. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bezieht sich nur auf diePachtzinsanerkennung i.R.d. § 5 Strom-/GasNEV. „Rechner-

(c.)

162 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder gepachteten Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

163 In der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 245/05 und 247/05, S. 32bzw. S. 27) heißt es: „…wenn der jeweilige Betreiber des Elektrizi-tätsversorgungsnetzes [Anm.: bzw. des Gasversorgungsnetzes]Eigentümer der Anlagen wäre.“ Die Bezugnahme auf den „jeweili-gen“ Netzbetreiber verstärkt die Annahme, dass es auf auch aufdie Kosten- bzw. Vermögenssituation des Netzbetreibersankommt.

164 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH,Rn. 35 ff.; BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungs-netzgesellschaft mbH, Rn. 44.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

80 EWeRK 2/2020

ische Zwischenschritte“, die, von einem übergeordnetenGesamtplan getragen, bei der einen Kostenart Kürzungenunterlässt, um bei einer anderen Kostenart dann ein ent-sprechenden Abzug vorzunehmen (vornehmen zu müssen),lassen sich nicht auf den Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV zurückführen. Mehr noch: Diese Vorgehensweisewiderspricht dem Wortlaut dieser Norm. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV eröffnet schon dem Wortlaut nach bei der Netzkos-tenermittlung (der Summierung derverschiedenen Kostenpo-sitionen165) keinen „rechnerischen Verschiebebahnhof“ zwi-schen den gesetzlich vorgesehenen aufwandsgleichen undkalkulatorischen Kostenpositionen (der §§ 4 ff. Strom-/GasNEV).

Historische Auslegung158 In der Verordnungsbegründung zu § 4 Abs. 5 Strom-/

GasNEV166 wird im Wesentlichen nur der Wortlaut wieder-holt. Eine darüberhinausgehende Beschreibung, wie diePachtzins-anerkennung167 und mit welchen Konsequenzenund Folgewirkungen berechnet werden soll, unterbleibt. ImÜbrigen finden sich in der gesamten Verordnungsbegründungbekanntermaßen keine Hinweise auf den Ansatz von Nega-tivzinsen (vgl. Rdn. …); was allerdings zu erwarten gewesenwäre angesichts der enormen Tragweite, die mit einer solchengesetzgeberischen Entscheidung verbunden ist (dazu Rdn.96).

159 Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV war auch bereits inder Ursprungsfassung der Strom- und Gasnetzentgeltverord-nung (2005)168 enthalten. Sie wurde zur selben Zeit geschaf-fen als auch die Pflicht zum „Legal Unbundling“ eingeführtwurde (EnWG 2005). § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV regelt alsooffenbar auch Entflechtungsfolgen; es soll auch dann zu kei-ner höheren Kostenanerkennung und damit zu keiner Netz-entgelterhöhung kommen, wenn das Pachtmodell als zuläs-sige Gestaltungsvariante der geforderten Entflechtunggewählt wird. Diese geschichtliche Dimension unterstreichtdie sich aus dem Wortlaut ergebene Berechnungsweise, diedie Kosten- und Vermögenssituation einer (hypothetischen)großen Netzgesellschaft zum Maßstab der Pachtzinsanerken-nung nimmt.

Sinn und Zweck160 Die teleologische Auslegung bestätigt den Wortlautbefund.

Keine höhere Kostenanerkennung durch Beschränkung derPachtzinsanerkennung

161 Mit § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV soll zweifelsohne verhindertwerden, dass die Netzverpachtung zu einer höheren Kosten-anerkennung führt; dem insoweit eindeutigen Wortlaut nachaber eben nur durch eine entsprechende Berechnung derAnerkennung der Kosten für die Überlassung der Anlagen,also den Pachtzins und mithin nur im Rahmen der Berech-nung der aufwandsgleichen Kostenpositionen des Netzbetrei-bers – nicht aller Kostenarten bzw. -positionen insgesamt(Rdn. 150 ff.). Für die konkrete Bestimmung der übrigenKostenpositionen mögen sich Reflexe aus der Berechnung derPachtzinsanerkennung (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV) ergeben. Die Auslegung und Anwendung der Kos-

(2.)

(3.)

(a.)

tenposition der kalkulatorischen EK-Verzinsung nach § 7Strom-/GasNEV wird aber auch nach dem Sinn und Zweckdes § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht dergestalt beeinflusst,dass diese in ihr teleologisches Gegenteil (Abzugsposten) zuverkehren ist. Dem Wortlaut und dem Normzweck des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV kann insoweit kein allgemeines Prin-zip entnommen werden. Die Vermeidung einer negativen EK-Verzinsung i.R.d. Berechnung der kalkulatorischen EK-Ver-zinsung kann also nicht – wie der BGH annimmt169 – gegenden Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV versto-ßen und deshalb auch nicht eine Auslegung des § 7 Strom-/GasNEV gebieten, die mit dem Wortlaut und dem Sinn undZweck dieser Norm (§ 7) nicht zu vereinbaren ist.

162Die dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV zu entneh-mende Berechnungsweise der Pachtzinsanerkennung, näm-lich durch eine kalkulatorische (hypothetische) Zusammenle-gung der Kosten bzw. der kalkulatorisch relevanten Vermö-gensbestandteile von Netzbetreiber und Netzeigentümer, istauch geeignet, das angestrebte Ziel der Vermeidung einerhöheren Kosten-anerkennung anlässlich und aufgrund einerNetzverpachtung zu erreichen (dazu vgl. Rdn. 155, 220 ff.).

Zweckwidrige Friktionen in der Regulierungspraxis163Die Regulierungspraxis und ihr folgend der BGH sind aber

offensichtlich der Auffassung, die Norm des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV bezwecke lediglich, dass es durch die Netz-verpachtung nur insgesamt zu keiner höheren Kostenaner-kennung bei der Netzkostenermittlung kommen darf (allge-meines Prinzip). Weshalb es der Regulierungspraxis auchfreistünde und sie dazu sogar angehalten sei, im Interesse derVerhinderung einer solchen Gesamtkostenerhöhung, sowohldie Pachtzinsanerkennung in einer bestimmten – ihr hierfürvermeintlich besonders geeignet erscheinenden – Art undWeise zu berechnen und in der Folge dieser Berechnungs-weise dann auch die Kostenposition der kalkulatorischen EK-Verzinsung gegen den Wortlaut sowie Sinn und Zweck des§ 7 Strom-/GasNEV anders zu behandeln (Ansatz negativerEK-Verzinsung). Kurzum: Die Regulierungspraxis und derBGH scheinen anzunehmen, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVnur ein Gesamtziel für die Netzkosten-anerkennung vorgebe,womit sich im Fall der Netzpacht170 ein gewisser Entschei-dungs-spielraum bei der Berechnungsweise und Handhabungaller gesetzlichen (bilanziellen und kalkulatorischen) Kosten-positionen ergeben soll.

164Offenbar aus diesem Vorstellungsbild heraus, nimmt sie einegetrennte kalkulatorische Berechnung von Netzeigentümerund Netzbetreiber vor, weil sie offenbar meint, dass eine kal-kulatorische Zusammenlegung von Vermögenswerten – wiees der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV für die

(b.)

165 Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Strom-/GasNEV.166 BR-Drs. 245/05.167 Bzw. welche kalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile wie

berechnet werden sollen.168 Stromnetzentgeltverordnung vom 25. Juli 2005 (BGBl. I S. 2225);

Energiewirtschaftsgesetz vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970, 3621).169 Rdn. 110.170 Aufteilung kalkulatorisch relevanter Kosten bzw. Vermögensbe-

standteile auf zwei Unternehmen.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 81

Berechnung der Pachtzinsanerkennung vorgibt – in Wirklich-keit zu einer Berechnung rein fiktiver Werte führt, aus derenFolge sich dann ein Verstoß gegen des Sinn und Zweck des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV, mithin also eine Netzentgelterhö-hung ergäbe.171 Aus dieser getrennten Berechnungsweise erge-ben sich dann – zwangsläufig und gewissermaßen auch folge-richtig – alle übrigen Fragenstellungen.172

165 Dem muss aber aus verschiedenen Gründen widersprochenwerden. Nicht nur, dass es keine Notwendigkeit gibt, diePachtzinsanerkennung gegen den Wortlaut des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV auf Basis nur der Kosten- und Vermögenssi-tuation des Netzeigentümers zu berechnen; und in der Folgebeim Netzbetreiber eine negative EK-Verzinsung anzusetzen(dazu Rdn. 166 ff.). Die Regulierungspraxis führt auch zuenormen zweckwidrigen Friktionen mit dem gesetzlichenKonzept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung(Rdn. 171 ff.), die der Annahme des BGH entgegenstehen,dass die getrennte Berechnungsweise samt Ansatz einer nega-tiven EK-Verzinsung dem objektiven Willen des Gesetz- undVerordnungsgebers entspräche. Bei der im Wortlaut des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV angelegten kalkulatorischen Zusam-menlegung der Kosten bzw. kalkulatorisch relevanten Ver-mögensbestandteile von Netzbetreiber und Netzeigentümer(Referenzmaßstab große Netzgesellschaft) stellen sich dieseFriktionen nicht ein.

Keine Notwendigkeit zur getrennten kalkulatorischenBerechnung von Netzbetreiber und Netzeigentümer

166 In zwei Fällen, in denen es zum einen um die Bestimmungder Anwendung der gesetzlich zugestandenen EK-Zinssätze173

und zum anderen um die Berechnung der Verzinsungsbasis(bnEK) im Rahmen der Berechnung der Pachtzinsanerken-nung174 ging, bestätigte der BGH die Regulierungspraxisdarin, sich bei ihrer Berechnung im Netzpachtmodell einerkalkulatorischen Zusammenlegung der Vermögenssphärenvon Netzeigentümer und Netzbetreiber zu verweigern. ZurErinnerung:

Entgegen der Auffassung der Betroffenen darf die nach § 4 Abs. 5 Satz 1GasNEV relevante Obergrenze deshalb nicht in der Weise bestimmtwerden, dass die Vermögenssphären von Netzeigentümer und Netzbe-treiber hypothetisch zusammengelegt werden. Bei den nach § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV relevanten Kosten, die anfielen, wenn der NetzbetreiberEigentümer der Anlagen wäre, handelt es sich zwar notwendig umhypothetische Werte, weil Netzbetreiber und Netzeigentümer in denbetroffenen Fällen gerade nicht identisch sind. Hieraus kann aber nichtgefolgert werden, dass die Kostenbetrachtung vollständig losgelöst vonder tatsächlichen Kostensituation erfolgen darf. Soweit dies möglich ist,sind die hypothetischen Kosten, die dem Betreiber als Eigentümer ent-stehen würden, vielmehr anhand der tatsächlichen Kostensituation zuermitteln. Hierfür bilden die Kosten des Netzeigentümers einen geeigne-ten Maßstab. Eine weitergehende Abstraktion durch hypothetischeZusammenlegung der Vermögens-sphären von Eigentümer und Betrei-ber würde demgegenüber darauf hinauslaufen, dass die tatsächlicheSituation in weitem Umfang unberücksichtigt bliebe und rein fiktiveWerte herangezogen würden. Dies ist mit der Zielsetzung von § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV nicht vereinbar.175

167 Dass diese Sichtweise eindeutig dem Wortlaut des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV widerspricht, wurde bereits aufgezeigt (dazuRdn. 150 ff.). Dem Wortlaut nach wird für die Berechnungder Pachtzinsanerkennung genau diese kalkulatorischeZusammenlegung (Referenzmaßstab große Netzgesellschaft)

(aa.)

und damit eine Loslösung von der bilanziellen Kostensitua-tion des Netzbetreibers einerseits und des Netzeigentümersandererseits angeordnet.

168Der BGH wendet aber ein, dass mit dieser Abstraktion dietatsächliche Situation unberücksichtigt bliebe und rein fiktiveWerte herangezogen würden. Dies soll mit der Zielsetzungvon § 4 Abs. 5 Satz 1 GasNEV nicht vereinbar sein. Warumdies so sein soll, begründet der BGH nicht weiter. Der Norm-zweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV besteht bekannterma-ßen darin, eine Netzentgelterhöhung durch die Netzverpach-tung zu verhindern. Geht man davon aus, dass der BGH aufeben diesen Normzweck abstellt, scheint er anzunehmen,dass die im Wortlaut angelegte Berechnungsmethode (kalku-latorische Zusammenlegung – Referenzmaßstab große Netz-gesellschaft) zu einer Netzentgelterhöhung führt und wegendieser Zweckwidrigkeit auch nicht angewandt werden darf.In der Konsequenz nimmt der BGH damit an, dass der Ver-ordnungsgeber eine untaugliche Norm – zumindest abereinen untauglichen Wortlaut – geschaffen hat. Diese Betrach-tungsweise ist bereits auslegungs-methodologisch fragwür-dig. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht lässt sich der BGHvon Annahmen leiten, die weder er noch die Regulierungs-praxis unter Beweis stellt und die auch inhaltlich unzutref-fend sind.

169Weshalb eine andere Berechnungsmethode – als die von derRegulierungspraxis postulierte getrennte Berechnung aufBasis der realen Kosten- und Vermögenssituation – zu einerNetzentgelterhöhung führen soll, wird vom BGH nicht nähererläutert. Im Kern begründet der BGH damit die Vornahmeeiner EOG-Senkung (verminderte Kostenanerkennung) miteiner „diffusen Angst“ vor einer EOG-Erhöhung (erhöhtenKostenanerkennung). Tatsächlich kann es aber gar nicht zueiner Netzentgelterhöhung kommen, wenn bei der Berech-nung der Pachtzinsanerkennung die auf die verpachtetenNetzanlagen bezogene Kosten- und Vermögenssituation vonNetzbetreiber und Netzeigentümer kalkulatorisch zusam-mengelegt werden. Schließlich wird dabei auch das virulenteAbzugskapital des Netzbetreibers verzinsungsbasissenkendin Ansatz gebracht und fällt nicht etwa unter den Tisch (Rdn.155). Die EK-Verzinsungsbasis wird nicht vergrößert.176 Umsdeutlich zu sagen: Die Pacht von Netzanlagen und die sich

171 Rdn. 166 ff.172 Aus der konkreten Berechnungsweise der Pachtzinsanerkennung

durch die Regulierungspraxis ergibt sich die praktische Notwen-digkeit, das Abzugskapital des Netzbetreibers (anderswo) vollstän-dig verzinsungssenkend in Abzug zu bringen, weshalb sie in dieAddition der Netzkosten eine negative EK-Verzinsung ansetzt undhierbei auf den höchsten EK-Zinssatz für Neuanlagen zurückgreift.

173 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH, Rn. 44.

174 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH,Rn. 38.

175 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH,Rn. 38; zuvor auch schon OLG Dresden (Beschl. v. 18.07.2014 – Kart8/13, Rn. 22: „Allein durch die angewandte Methode der Regulie-rungsbehörde (schrittweise Ermittlung der Eigenkapitalverzinsungbei Verpächter und Dienstleister und danach Einfügung in dieNetzkosten des Netzbetreibers) sei gewährleistet, dass der Netz-kunde nur noch den nach der GasNEV ermittelten Pachtzins unddas Dienstleistungsentgelt in den Netzentgelten tragen müsse.“

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

82 EWeRK 2/2020

aus kalkulatorischer Perspektive damit vollziehende Auftei-lung von kalkulatorisch relevanten Kosten- bzw. Vermögens-bestandteilen auf zwei Unternehmen (Vermögenssphären)führt insgesamt zu keiner höheren Kostenanerkennung(Netzentgelterhöhung), wenn die Anerkennungsfähigkeit desPachtzinses auf der Grundlage der Kosten- und Vermögens-lage der hypothetischen großen Netzgesellschaft zwischendem konkreten Netzbetreiber und dem konkreten Netzeigen-tümer berechnet wird (Rechenbeispiele unter: Rdn. 236 ff.).

170 Es mag sein, dass die getrennte kalkulatorische Berechnungvon Netzeigentümer und Netzbetreiber – wie sie die Regulie-rungspraxis unter Inkaufnahme einer vergleichsweise höhe-ren EK-Verzinsung des Netzeigentümers und einer vergleichs-weise geringeren Kostenerstattung des Netzbetreibers (nega-tive EK-Verzinsung) vornimmt – im Ergebnis zu einer gerin-geren Kostenerstattung und damit zu einer Senkung derNetzentgelte im Pachtmodell führt. Abgesehen davon, dassdiese getrennte Berechnungsweise (mit den geschildertenKonsequenzen) nicht dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV entspricht und sogar der Regelung des § 7 Strom-/GasNEV widerspricht177, kann der Norm des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV aber keinesfalls (auch nicht ihrem Sinn undZweck nach) entnommen werden, dass unter mehrerenBerechnungsmethoden, die eine Netzentgelterhöhung imPachtmodell ausschließen, diejenige herangezogen werdenmuss (darf), die zu einer verminderten Kostenerstattung unddamit zu einer Netzentgeltsenkung im Pachtmodell führt(vgl. zu diesem Aspekt im Kontext der (effizienz-)kostenori-entierten Entgeltbildung: Rdn. 195). Es geht nur darum, einehöhere Kostenanerkennung zu verhindern. Genau das wirdmit der Berechnung der Pachtzinsanerkennung auf Basis derkalkulatorisch-relevanten (hypothetischen) Kosten- und Ver-mögenssituation einer großen Netzgesellschaft – auch ohneeine negative EK-Verzinsung – erreicht.

Friktionen mit dem gesetzlichen Konzept der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung

171 Die Netzregulierung und somit auch die Netzentgeltregulie-rung dient nach § 1 Abs. 2 EnWG den Zielen der Sicherstel-lung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs beider Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherungeines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässi-gen Betriebs von Energieversorgungsnetzen. Diese Zielstel-lung wird in den §§ 21, 21a EnWG weiter konkretisiert.

172 Die Strom- und GasNEV wurden ihrerseits geschaffen, umdie Grundsätze der Netzentgeltbildung nach § 21 EnWG zukonkretisieren.178 Der Verordnungsgeber wurde seinerzeithierzu nach § 24 Satz 2 Nr. 4 EnWG 2005 ermächtigt (nun§ 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c) EnWG). Die besagte Ermächti-gungsgrundlage aber enthielt und enthält auch heute nochmateriell-rechtliche Vorgaben an den Verordnungsgeber.Hiernach können durch Rechtsverordnung Regelungen zurNetzentgeltermittlung getroffen werden, „wobei die Methodezur Bestimmung der Entgelte so zu gestalten ist, dass eineBetriebsführung nach § 21 Absatz 2 gesichert ist und die fürdie Betriebs- und Versorgungssicherheit sowie die Funktions-fähigkeit der Netze notwendigen Investitionen in die Netze

(bb.)

gewährleistet sind und Anreize zu netzentlastender Energie-einspeisung und netzentlastendem Energieverbrauch gesetztwerden, …“

In der erwähnten Norm des § 21 Abs. 2 EnWG, derenGrundsätze verordnungsrechtlich Geltung zu verschaffen ist,heißt es:(2) Die Entgelte werden auf der Grundlage der Kosten einer Betriebs-führung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netz-betreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen füreine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbe-werbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapi-tals gebildet, soweit in einer Rechtsverordnung nach § 24 nicht eineAbweichung von der kostenorientierten Entgeltbildung bestimmt ist.Soweit die Entgelte kostenorientiert gebildet werden, dürfen Kosten undKostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nichteinstellen würden, nicht berücksichtigt werden.

Demgemäß wird in § 3 Abs. 1 Satz 1 Strom-/GasNEVbestimmt:(1) Für die Ermittlung der Netzentgelte sind die Netzkosten nach den§§ 4 bis 11 zusammenzustellen.

In § 4 Abs. 1 Strom-/GasNEV heißt es schließlich:„Bilanzielle und kalkulatorische Kosten des Netzbetriebs sind nur inso-weit anzusetzen, als sie den Kosten eines effizienten und strukturellvergleichbaren Netzbetreibers entsprechen.“

173Es gilt das Prinzip der (effizienz-)kostenorientierten Entgelt-bildung, das in einem zweistufigen Verfahren vollzogen wird.Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat dabei verschiedeneKostenarten aufgezählt, die auf die Netznutzer (Netzentgelte)grundsätzlich umgelegt werden können. Dazu gehört alsgesetzliches Kostenäquivalent auch die kalkulatorische EK-Verzinsung und mithin die hierfür kalkulatorisch relevan-ten Vermögensbestandteile (v.a. Sachanlagevermögen undUmlaufvermögen). Es werden auch bestimmte Zinssätze fürdie EK-Verzinsung zur Verfügung gestellt.

Als Ausgangspunkt der kostenorientierten Entgeltbildungwerden die tatsächlich beim Netzbetreiber anfallenden undprinzipiell erstattungsfähigen Kosten179 für den sicheren undzuverlässigen Betrieb seines Netzes als Ausgangspunkt ermit-telt (1. Stufe); der Netzbetreiber trägt hierfür die Nachweis-pflicht.180

Es erfolgt allerdings keine Erstattung sämtlicher tatsächlicherKosten (kein Vollkostenersatz). Vielmehr hat der Gesetzgeberdes § 21 und § 21a EnWG noch Korrekturfaktoren geschaf-fen (2. Stufe), die als rechtliche Einschränkung der Kostenan-erkennung (als Grundlage der Entgeltbildung) wirken sollenund ihre sachliche Rechtfertigung im Schutz der Netznutzervor einer Umlage von Kosten ohne Rücksicht auf deren wirt-schaftliche oder technische Notwendigkeit hat.181 Die ange-

176 Zur Frage der Notwendigkeit eines Minimalabgleichs: Rdn. 124,230.

177 Rdn. 89 ff.178 BR-Drs. 245/05, S. 1 und BR-Drs. 247/05, S. 1179 Die verschiedenen erstattungsfähigen Kostenarten sind in den

§§ 4 ff. Strom-/GasNEV definiert.180 Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 21

Rn. 51.181 Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 21

Rn. 48.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 83

sprochenen gesetzlichen Korrekturfaktoren sind die Entspre-chungsklausel bzw. das Effizienzgebot (§ 21 Abs. 2 Satz 1EnWG), die Wettbewerbsanalogie (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG)und das Vergleichsverfahren (§ 21 Abs. 2 Satz 1 a.E. sowieAbs. 3 und 4 EnWG); wobei gerade letzteres durch die spätereingeführte Anreizregulierung mit ihrem Effizienzvergleichund den sich daraus ergebenen Effizienzvorgaben (§ 21aEnWG, §§ 12 ff. ARegV) weitgehend überlagert wird. Dievom Gesetzgeber vorgegebenen Korrekturfaktoren wurdenschließlich verordnungsrechtlich in der Strom-/GasNEV undder ARegV konkretisiert. Insgesamt lässt sich das gesetzlicheKonzept der Entgeltbildung damit als „Kostenregulierungmit Effizienzmaßstab und wettbewerblichen Elementen“182

oder als (effizienz-)kostenorientierte Entgeltbildung bezeich-nen.

Mit dem beschriebenen Konzept soll die Einrechnung ineffizi-enter Kosten vermieden werden, weil diese im Falle eineswettbewerblich ausgestalteten Marktes nicht durchgesetztwerden könnten.183 Der Netzbetreiber soll dadurch angehal-ten werden, überholte, nicht betriebs-notwendige und damitineffiziente Netzstrukturen auf ein Mindestmaß zurückzu-führen.184

Mit Blick auf das zweistufige Konzept des § 21 Abs. 2, § 21aEnWG ist in der Literatur aber auch – zu Recht – darauf hin-gewiesen worden, dass bei der teleologischen Auslegung derdas gesetzliche Konzept konkretisierenden Vorschriften der§§ 4 bis 21 StromNEV bzw. §§ 4 bis 20b GasNEV nichtangenommen werden könne, der Gesetzgeber verlange ange-sichts der Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG eine restrik-tive Interpretation derselben, die zu möglichst niedrigenNetznutzungsentgelten führe. Dies würde die Unterscheidungdes zweistufigen Entgeltbildungskonzeptes aus Kostenermitt-lung einerseits und Korrekturfaktoren andererseits verken-nen und gleichsam zu einer „ungerechtfertigten Doppelan-wendung“ der gesetzlichen Korrekturmaßnahmen führen.185

174 Ausgehend von ihrer isolierten kalkulatorischen Berechnungdes Netzeigentümers i.R.d. Pachtzinsanerkennung ergibt sichfür die Regulierungspraxis die praktische Notwendigkeit, dasAbzugskapital des Netzbetreibers anderswo (bei einer ande-ren Kostenart) verzinsungs-senkend in Abzug zu bringen,weshalb sie in die Addition mit den übrigen Netzkosten einenegative EK-Verzinsung einstellt und hierbei auf den höch-sten EK-Zinssatz für Neuanlagen zurückgreift (Rdn. 53 ff.).

Die Regulierungspraxis schafft damit einen hochverzinsli-chen Abzugsposten in der Netzkostenermittlung („rechner-ischer Zwischenschritt“). Konzeptionell soll dieser Abzugs-posten die für den Netzeigentümer günstigere Berechnungder Pachtzinsanerkennung186 kompensieren. Das Ziel ist dieVermeidung einer höheren Kostenanerkennung im Pachtmo-dell. Für den Netzbetreiber führt dieser Abzugsposten („rech-nerischer Zwischenschritt“) aber – weil der besagte Pachtzinsihm nun einmal nicht zur Deckung seiner Kosten verbleibt187

– in Wirklichkeit dazu, dass andere (aufwandsgleiche oderkalkulatorische) Kosten, die ihm tatsächlich durch den Netz-betrieb entstehen, nun nicht (mehr) in voller Höhe durch dieNetzentgelte erstattet werden (vgl. Rdn. 136).

175Man kann es in einem Satz formulieren: Die Regulierungs-praxis führt z.T. zu einer Besserstellung des Netzeigentümerszu Lasten des Netzbetreibers und zusammen-genommen zueiner Schlechterstellung der wirtschaftlichen Einheit vonNetzeigentümer und Netzbetreiber. Etwas differenzierter las-sen sich die Effekte der Regulierungspraxis wie folgt skizzie-ren (ausführlich: Rdn. 184 ff.):

1. Effekt: Die Regulierungspraxis verhindert, dass es durchdie Netzverpachtung zu einer Erhöhung der Netz-entgelte kommt.

2. Effekt: Die Regulierungspraxis führt im Vergleich zurgroßen Netzgesellschaft zu einer Senkung derNetzentgelte im Pachtmodell.

3. Effekt: Ein Infrastrukturinvestor (Netzeigentümer) kannaber mit der bloßen Netz-verpachtung aus demeingesetzten Kapital einen höheren Ertrag erzie-len, als dies ein Netzeigentümer könnte, dersein Netz als große Netzgesellschaft auch selbstbetreibt.

4. Effekt: Je nach Höhe des mit dem Netzbetrieb anfallen-den Abzugskapitals werden dafür dem Netzbe-treiber entstehende – selbst effiziente – Kostennicht (mehr) vollständig ersetzt; bis dahin, dassdie wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Netz-betreibers von der Möglichkeit einer Verlusttra-gung durch andere konzernverbundene Unterneh-men abhängt.

Dass der erste Effekt der Regulierungspraxis nicht zweckwid-rig sein kann, ergibt sich bereits aus der eindeutigen undunmissverständlichen Bestimmung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV. Die übrigen Effekte widersprechen allerdings alle-samt dem gesetzlich geschaffenen und ausgeformten Konzeptder (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung. Schon weil§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV als Teil der verordnungsrechtli-chen Konkretisierung dieses Entgeltbildungskonzeptsgeschaffen wurde, verbietet sich die Annahme, der Telos des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV fordere eine getrennte kalkulato-rische Berechnungsweise bei der Pachtzins-anerkennung undin der Folge auch den Ansatz einer negativen EK-Verzinsungzu Höchstzinssätzen. Das Gegenteil ist der Fall.

Zweckwidrige Besserstellung des reinenInfrastrukturinvestors

176Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG soll die Netzentgeltbildungauch zu einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risiko-angepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals führen. Der

(aaa.)

182 So ähnlich schon: Groebel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG,§ 21 Rn. 6; Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach,EnWG, § 21 Rn. 47.

183 Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 21Rn. 49.

184 Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 21Rn. 49.

185 Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 21Rn. 49, unter Hinweis auf: Elspas/Rosin/Burmeister, RdE 2007,S. 329, 331.

186 Nach der Regulierungspraxis dort ohne Abzug des Abzugskapitalsdes Netzbetriebs (vgl. Rdn. 47 ff., 109 f.).

187 Der Pachtzins muss an den Netzeigentümer abgeführt werden.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

84 EWeRK 2/2020

Verordnungsgeber wird demgemäß nach § 24 Satz 2 Nr. 4Buchst. c) EnWG ermächtigt, die Methode zur Bestimmungder Entgelte so zu gestalten, dass u.a. auch die für die Funkti-onsfähigkeit der Netze notwendigen Investitionen in dieNetze gewährleistet wird. § 7 Strom-/GasNEV dient der Kon-kretisierung bzw. Umsetzung des § 21 Abs. 2 Satz 1EnWG.188

177 Ziel der kalkulatorischen EK-Verzinsung ist es demgemäß,einerseits den berechtigten Interessen der Netznutzer an wett-bewerbsanalogen Preisen zu genügen und andererseits denKapitalgebern eine Rendite zu gewähren, die sie veranlasst,dass Kapital in dem Unternehmen zu belassen, und dieAnreize für weitere Investitionen in das Unternehmen und dieNetzinfrastruktur setzt.189 Der Zinssatz ist so zu gestalten,dass Kapitalgebern auch im Vergleich mit sonstigen Anlage-möglichkeiten auf den internationalen Kapitalmärkten einInteresse an Investitionen in die Energieversorgungsnetzehaben.190

Im Falle eines Auseinanderfallens von Netzbetrieb und Netz-eigentum (Netzverpachtung) ist dem Netzeigentümer als Inf-rastrukturinvestor eben diese angemessene und investitions-anreizende Vergütung selbstverständlich auch zuzuführen.191

Das gebietet schon der Normzweck des § 1 Abs. 2, § 21Abs. 1 EnWG. In der Tat geschieht dies auch. Die regulato-risch zugestandene EK-Verzinsung fließt dem Netzeigentümerüber den Pachtzins zu, den der Netzbetreiber/Pächter alsseine aufwandsgleiche Kostenposition (OPEX) gemäß § 5Strom-/GasNEV in die Erlösobergrenze (EOG) einstellenkann; aber – wie gesagt – an den Netzeigentümer abführenmuss. In der Erlösobergrenze (den Netzentgelten) ist also diedem Netzeigentümer zugestandene EK-Verzinsung enthalten.

178 Tatsächlich führt die Berechnungsweise der Regulierungspra-xis im Pachtmodell aber dazu, dass der Netzeigentümer, derlediglich in die Infrastruktur investiert, diese aber nicht ineigener Verantwortung selbst betreibt (i.F. reiner Infrastruk-turinvestor), aus dem eingesetzten Kapital in bestimmtenKonstellationen eine höhere Verzinsung realisiert, als dies einNetzeigentümer könnte, der als große Netzgesellschaft seinNetz auch selbst betreibt (dazu Rdn. 134 ff.). Die EK-Verzin-sung ist bei der bloßen Netzverpachtung für den Infrastruktu-rinvestor somit teilweise ertragsreicher; die bloße „Kapitalan-lage Netz“ damit auch lohnenswerter als die gleichzeitigeVerantwortung über den Netzbetrieb.

179 Dieser Effekt lässt sich mit dem gesetzlichen Konzept der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung (§ 21 Abs. 2EnWG), wie es in der Strom- und GasNEV konkretisiertwurde, nicht in Einklang bringen. Regulatorisch sind nur ein-heitliche EK-Zinssätze für sämtliche Netzbetriebskonstellati-onen vorgesehen.192 Zwischen Netzpachtmodell und großerNetz-gesellschaft wird weder in § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG, inder Strom-/GasNEV noch in den Festlegungen der EK-Zins-sätze unterschieden. Es wird vielmehr von einem einheitli-chen Risikoprofil für sämtliche Netzbetriebskonstellationenausgegangen. Die im Ergebnis höhere EK-Verzinsung für denreinen Infrastrukturinvestor durchbricht dieses Konzept.Schon im Vergleich zur „großen Netzgesellschaften“ muss

diese in bestimmten Fällen als überhöht und damit unnötigbetrachtet werden. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass diemit den EK-Zinssätzen inkludierten Wagniszuschläge wedervom Gesetz- und Verordnungsgeber noch von der BNetzAauf ihre Angemessenheit, Wettbewerbsanalogie und Risi-koentsprechung bei reinen Infrastrukturinvestoren überprüftwurden. Der Umstand, dass bei der Festlegung der EK-Zins-sätze nach § 7 Abs. 4, 5, 6 und 7 Strom-/GasNEV keineabweichende Berechnung für reine Infrastrukturinvestorenim Pachtmodell vorgesehen ist, legt vielmehr sogar nahe, dassder Verordnungsgeber von einer Gleichbehandlung von „gro-ßer Netzgesellschaft“ und Netzpachtmodell und dementspre-chend in beiden Netzbetriebskonstellationen (bei identischeneffizienten bzw. betriebsnotwendigen Kosten) von einer glei-chen Rendite ausgeht. Dies bestätigt den Befund, dass bei derBerechnung der Pachtzinsanerkennung, dem Wortlaut des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV entsprechend, auch die „große Netz-gesellschaft“ als Referenzmaßstab herangezogen werden soll(dazu Rdn. 152 ff.). Der Infrastrukturinvestor im Pachtmo-dell würde in diesem Fall dieselbe Verzinsung bzw. Renditeerhalten wie der Investor in einer großen Netzgesellschaft,der auch die Verantwortung für den Netzbetrieb trägt; dieRegulierungspraxis verweigert sich aber dieser Berechnungs-weise.

180Die Regulierungspraxis indes kann auch noch zu weiterenzweckwidrigen Friktionen und Fehl-steuerungen führen. Mitder unter Rdn. 134 ff. beschriebenen Besserstellung bei derVerzinsungsbasis wird im Pachtmodell für den Infrastruktu-rinvestor zugleich auch der im Konzept der (effizienz-)kosten-orientierten Entgeltbildung, genauer gesagt der kalkulatori-schen EK-Verzinsung angelegte ökonomische Druck zu not-wendigen Folgeinvestition in das Netz abgeschwächt bzw.zeitlich verzögert. Selbst in den Fällen eines beinah vollstän-dig abgeschriebenen Netzes (äußerst geringe kalkulatorischeRestwerte des Sachanlagevermögens), bei denen in der gro-ßen Netzgesellschaft wegen der Berücksichtigung vonAbzugskapital gar keine EK-Verzinsung mehr angesetzt wer-den dürfte, könnte der Infrastrukturinvestor im Pachtmodell(kein oder kaum vorhandenes Abzugskapitals) noch eine sol-che EK-Verzinsung realisieren. Der für ihn notwendige Inves-

188 BR-Drs. 245/05, S. 35189 Mohr, in: Säcker, Berliner Kommentar, Bd. 4, § 7 Rn. 3 StromNEV,

mit Verweis auf: u.a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2016, VI-5 Kart33/14 (V); vgl. auch Fabritius, in: Elspas/Graßmann/Rasbach,EnWG/StromNEV/GasNEV, § 7 Rn. 1.

190 Mohr, a.a.O., mit Verweis auf: u.a. BT-Drs. 15/5268, S. 119 (zu § 21Abs. 2 Satz 2 EnWG); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.01.2016, VI-5 Kart33/14 (V).

191 Beim Entflechtungsmodell des Unabhängigen Systembetreiberswird dies sogar ausdrücklich vorgegeben: vgl. Art. 37 Abs. 3 Buchs.d) EltRl 09/Art. 59 Abs. 5 Buchst. d) EltRl 19) und Art. 41 Abs. 3dGasRl 09.

192 Der für die 3. Regulierungsperiode geltende EK-Zinssatz (EK < 40%)beträgt für Neuanlagen 6,91% v.St. und setzt sich dabei gemäß § 7Abs. 4 und 5 Strom-/GasNEV aus einem risikolosen Zinssatz (der-zeit 2,49%) und einem Wagniszuschlag (Marktrisikoprämie i.H.v.3,80% x Risikofaktor 0,83%) sowie aus dem Steuerfaktor (1,225)zusammen. Vgl. BNetzA, Beschl. v. 05.10.2016, BK4-16-160/BK4-16-161 (dazu BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 52/18 – Eigen-kapitalzinssatz II sowie BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18).

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 85

titionszeitpunkt liegt somit hinter dem der großen Netzgesell-schaft.

181 Im Übrigen ergäbe sich ein perplexes Bild, wenn der Netzbe-treiber neben der Netzpacht noch eigene Investitionen vorn-immt (ein eigenes Sachanlagevermögen bildet), um etwa seineEK-Quote zu verbessern. Er erhielte in diesem Fall nach derRegulierungspraxis wegen des Ansatzes des netzbetriebsindu-zierten Abzugskapitals im Ergebnis eine deutlich geringereEK-Verzinsungsbasis und Verzinsung als der Netzeigentümerder gepachteten Anlagen. Ganz abgesehen davon, dass einNetzeigentümer – wenn man etwaige Konzernverbindungenzum Netzbetreiber einmal außer Acht lässt – mit der Regulie-rungspraxis ohnehin ein ökonomisches Interesse daran habensollte, dass der Netzbetreiber eigene Investitionen unterlässt.

182 Es mag sein, dass der zweckwidrige Vorteil des Netzeigentü-mers in den Fällen, in denen zwischen Netzeigentümer undNetzbetreiber ein Konzernverhältnis (ggf. mit Gewinnabfüh-rungs- und Verlustübernahmevertrag) besteht, durch die Wir-kung der negativen EK-Verzinsung kompensiert wird.193 Einderartiger Vorteils-Nachteils-Ausgleich mag vielleicht sogardie Regel sein. Nicht selten existieren aber auch Netzpacht-modelle, in den solche Konzernverbindungen zwischen Netz-eigentümer und Netzbetreiber gar nicht oder nur in Formvon beschränkten Anteilsbeteiligungen194 bestehen, wo derbeschriebene Ausgleich zwischen dem Vorteil der höherenEK-Verzinsung beim Pachtzins (Netzeigentümer) und demNachteil der negativen EK-Verzinsung beim Netzbetreibereben ausbleibt oder zu einer unproportionalen Verteilungführt. Davon abgesehen, gehört der etwaige Bestand gesell-schaftsrechtlicher Kompensationen (hier die Pflicht zur Ver-lustübernahme195) aber nicht zum Maßstab der kostenorien-tierten Entgeltbildung; weder aus der Perspektive des bevor-teilten Netzeigentümers noch aus der Sicht des belastetenNetzbetreibers ist dies ein Belang der Netzentgeltregulierung.In einer Folgenabschätzung nur von Konzernkonstellationund entsprechenden Kompensationsmöglichen auszugehen –wie es offenbar der BGH vor Augen hatte (Rdn. 140 ff.) –entspricht nicht dem gesetzlichen Konzept der Netzentgeltre-gulierung. Gemäß § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2 EnWG soll die Ent-geltbildung (Netzregulierung) für sich selbst dazu führen,dass der Netzbetrieb sichergestellt wird, indem die (effizien-ten und wettbewerbs-analogen) Kosten der Betriebsführungerstattet werden und eine angemessene, wettbewerbsfähigeund risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten Kapitalsgewährt wird. An diese Vorgabe oder Bedingung ist im Übri-gen auch die Ermächtigung des Verordnungsgeber geknüpft(§ 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c EnWG). Eine vergleichsweisehöhere Verzinsung des für Netzinvestitionen eingesetztenKapitals auf der einen Seite und dafür eine vergleichsweisegeringere Erstattung der effizienten Kosten der Netzbetriebs-führung auf der anderen Seite ist auch bei Konzernverbin-dungen zwischen Netzeigentümer und Netzbetreiber mit demKonzept und der Zielstellung der (effizienz-)kostenorientier-ten Entgeltbildung nicht vereinbar.

183 Schon an dieser Stelle (bei der Pachtzinsanerkennung) zeigtsich, dass die Regulierungspraxis, die sich mit ihrer getrenn-

ten Berechnung dem im Wortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV angelegten Referenzmaßstab der „großen Netzge-sellschaft“196 verweigert, zwangsläufig zu Fehlsteuerungenund zweckwidrigen Friktionen mit dem gesetzlichen Konzeptder (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung führt. Hierin Gestalt vergleichsweise überhöhter Ertragsmöglichkeitendes reinen Infrastrukturinvestors.

Zweckwidrige Untergrabung der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit des Netzbetriebs (Verstoß gegen § 1 Abs. 2EnWG)

184Mit dem Ansatz einer negativen EK-Verzinsung beim Netzbe-treiber hat die Regulierungspraxis einen Abzugsposten in derNetzkostenermittlung geschaffen („rechnerischer Zwischen-schritt“197), der zwar konzeptionell nur die netzeigentümer-seitig „günstigere“ Berechnung der Pachtzinsanerkennung(dort ohne Abzug des Abzugskapitals des Netzbetriebs) mitdem Ziel der Vermeidung einer höheren Kostenanerkennungim Pachtmodell kompensieren soll, für den Netzbetreiberaber – weil der besagte Pachtzins ihm nun einmal nicht zurDeckung seiner Kosten verbleibt198 – in Wirklichkeit dazuführt, dass andere (aufwandsgleiche) Kosten, die durch denoperativen Netzbetrieb tatsächlich entstehen, ihm nun nicht(mehr) in voller Höhe durch die Netzentgelte erstattet wer-den (vgl. Rdn. 136 f.).199 Verfügt dieser Netzbetreiber wäh-rend der Regulierungsperiode nicht über die Möglichkeiteiner Kostensenkung, ist sein wirtschaftliches Überlebendavon abhängig, dass andere Unternehmen seine Verlusteausgleichen.

185Dieses Problem kann auch nicht dauerhaft dadurch gelöstwerden, indem zwischen Netzbetreiber und Netzeigentümertatsächlich ein geringerer Pachtzins vereinbart oder nach demBasisjahr der Kostenprüfung tatsächlich gezahlt wird, als der-jenige, der nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV kalku-latorisch anerkannt wurde oder (theoretisch) anerkennungs-fähig ist. Die aufwandsgleichen Kostenpositionen sind nach

(bbb.)

193 Führt die negative EK-Verzinsung dazu, dass dem Netzbetreiberseine übrigen Kosten nicht vollständig erstattet werden, erwirt-schaftet er zwangsläufig Verluste, die bei Bestand eines Gewinn-abführungs- und Verlust-übernahmevertrag vom Netzeigentümer(Konzernmutter) übernommen werden müssten. In jedem Fallschmälert die negative EK-Verzinsung den an den Netzeigentümer(Konzernmutter) abführbaren Gewinn des Netzbetreibers.

194 Beispiele: (1) Die Konzernmutter ihrer 100%igen Netzbetriebstoch-ter (Netzpächterin) hält nur 50% an der Netzeigentumsgesell-schaft (Netzverpächterin). (2) Die Konzernmutter ist zugleich Netz-eigentümerin (Netz-verpächterin), hält aber nur 50% an der Netz-betriebsgesellschaft (Netzpächterin).

195 Oder die Hinnahme von Gewinnschmälerungen.196 Vgl. Rdn. 152.197 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45.198 Der Pachtzins muss an den Netzeigentümer abgeführt werden.199 Nicht ohne Grund befand der BGH in seiner Entscheidung „Strom-

netz Homberg“, dass ein bloßer Besitzherausgabeanspruch (Netz-verpachtung) im Falle eines Konzessionärwechsels den mit § 13Abs. 2 EnWG 1998 (heute § 46 Abs. 2 EnWG) intendierten Wettbe-werb um die Netze hemmen würde; weshalb die Netzüberlas-sungspflicht in § 13 Abs. 2 Satz 2 EnWG 1998 als Netzübereig-nungspflicht interpretiert werden müsse. Wenn ein Bewerbererwarten müsste, zur Bezahlung von Pachtzinsen aus den regulier-ten Netzentgelten gezwungen zu sein, wären Bewerbungen weni-ger attraktiv (BGH, Beschl. vom 03.06.2014 – EnVR 10/13 – Strom-netz Homberg, Rn. 28).

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

86 EWeRK 2/2020

Maßgabe des § 4 Abs. 1 Strom-/GasNEV der Gewinn- undVerlustrechnung des Netzbetreibers zu entnehmen.200 Wirdtatsächlich ein geringerer als der nach § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV (theoretisch) anerkennungsfähige Pachtzins gezahlt,kann auch nur dieser geringere Pachtzins als aufwandsgleicheKosten angesetzt und erstattet werden. Abgesehen davon,dass der Netzeigentümer dann auf einen Teil der ihm zuge-standenen Verzinsung seines eingesetzten Eigenkapitals ver-zichten müsste, würde dies bei der von der Regulierungspra-xis postulierten und angewandten getrennten kalkulatori-schen Berechnung des Netzbetreibers i.R.d. seiner EK-Verzin-sung nichts ändern. Der Ansatz einer negativen EK-Verzin-sung bliebe bestehen.

186 Der BGH hat sich mit diesen Wirkungsbezüglichkeiten derRegulierungspraxis überhaupt nicht auseinandergesetzt. Erhat nur deren Gesamtwirkung auf das Netzentgeltniveau(keine Erhöhung) in den Blick genommen und sich dabeioffenbar auch davon leiten lassen, dass im konkreten FallKonzernverbindungen zwischen Netzeigentümer und Netz-betreiber bestanden (vgl. Rdn. 140 ff.). Das aber ist aus meh-reren Gründen falsch.

Es genügt nicht, dass hinter dem Netzbetreiber ein „Gewähr-träger“ steht, der für seine Verbindlichkeiten und Verlusteaufkommen kann. Vielmehr muss ein Netzbetreiber selbstüber eine für die Erbringung seiner Aufgaben hinreichendewirtschaftliche Leistungsfähigkeit und finanzielle Ausstat-tung verfügen. Dies sicherzustellen ist nicht nur Aufgabe derUnternehmen bzw. in der Entflechtung der Unternehmens-gruppen, sondern auch das gesetzlich definierte allgemeine –und damit auch für die Auslegung der Strom-/GasNEV maß-gebliche – Ziel der Netzregulierung.

Nach § 1 Abs. 2 EnWG dient die Regulierung der Netze(Teil 3 des EnWG) neben der Sicherstellung von Wettbewerbauch der „Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfä-higen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnet-zen.“ Der Verordnungsgeber wurde gemäß § 24 Satz 2 Nr. 4EnWG 2005 (nun § 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c EnWG) auchnur insoweit ermächtigt, verordnungsrechtliche Regelungenzur Netzentgeltermittlung zu treffen, die so „zu gestalten ist,dass eine Betriebsführung nach § 21 Absatz 2 gesichert istund die für die Betriebs- und Versorgungssicherheit sowie dieFunktionsfähigkeit der Netze notwendigen Investitionen indie Netze gewährleistet sind.“ Eine Regulierungspraxis, wel-che die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die finanzielleAusstattung des Netzbetreibers und damit die Sicherstellungdes Netzbetriebs (sogar noch unnötigerweise) untergräbt undsein wirtschaftliches Überleben auch vom wirtschaftlichenEinstand anderer Unternehmen abhängig macht, kann des-halb nicht zweckkonform sein.

Für die Netzentgeltregulierung und mithin die Auslegung des§ 4 Abs. 5 (und des § 7 Strom-/GasNEV) bedeutet dies, dassbei der Frage der Berechnung der Pachtzinsanerkennung(sowie der EK-Verzinsung des Netzbetreibers) nicht allein dieWirkung auf das gesamte Netzentgeltniveau (und ggf. nochdie Sicherung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft desInfrastruktur-investors/Verpächters/Konzernmutter) ent-

scheidend sein kann. Vielmehr müssen gerade auch die wirt-schaftlichen Auswirkungen für den Netzbetrieb und verant-wortlichen Netzbetreiber in den Blick genommen werden.

Wird dies – wie von der Regulierungspraxis – im Rahmen derEntgeltregulierung unterlassen, ergeben sich auch automa-tisch und zwangsläufig Friktionen zu den qualitativen Anfor-derungen, die das Energiewirtschaftsgesetz an die Person desNetzbetreibers stellt (dazu sogleich, Rdn. 188 ff.). Durch dieverminderte Erstattung sämtlicher Kosten des Netzbetreiberswird seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und finanzielleAusstattung untergraben. Neben der Verfehlung der Ziele des§ 1 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 EnWG sowie der logischen Über-schreitens der Verordnungsermächtigung in § 24 EnWG erge-ben sich damit sogar noch weitere Gründe, die gegen dieAnnahme sprechen, die getrennte Berechnungsweise samtAnsatz einer negativen EK-Verzinsung entspräche dem objek-tiven Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers.

187Auch an dieser Stelle (bei der Schaffung des Abzugspostensder negativen EK-Verzinsung) zeigt sich, dass die Regulie-rungspraxis, die sich mit ihrer getrennten Berechnung vonPachtzinsanerkennung (Netzeigentümer) und kalkulatori-scher EK-Verzinsung (Netzbetreiber) dem im Wortlaut des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV angelegten Referenzmaßstab der„großen Netzgesellschaft“201 verweigert, zwangsläufig zuzweckwidrigen Friktionen mit dem gesetzlichen Konzept der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung und sogar nochanderen Regelungen des Energiewirtschaftsrechts führt. Hiereben in Gestalt einer vergleichsweise größeren ökonomischenBelastung des Netzbetreibers.

Zweckwidrige Minderung der wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit des Netzbetreibers (§ 4 Abs. 2 EnWG)

188§ 4 EnWG definiert formale und inhaltlich-qualitative Anfor-derungen an die Person des Netzbetreibers. Nur er ist Adres-sat der Norm. Ein Netzbetreiber muss nach § 4 Abs. 2 EnWGdie personelle, technische und wirtschaftliche Leistungsfähig-keit und Zuverlässigkeit besitzen, um den Netzbetrieb ent-sprechend den Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzesauf Dauer zu gewährleisten. Besitzt er diese Leistungsfähig-keit und Zuverlässigkeit nicht, kann ihm aufgegeben werden,geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die entsprechendeEignung herzustellen, und/oder ihm kann der Netzbetriebggf. untersagt werden.

189Ein Netzbetreiber trägt die Verantwortung für die Erbrin-gung der gesetzlich definierten Netzbetreiberaufgaben (v.a.§§ 11 ff. EnWG). Er ist verpflichtet, ein sicheres, zuverlässi-ges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminie-rungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu opti-mieren, zu verstärken und auszubauen sowie jedermann anseine Infrastruktur anzuschließen und Netzzugang zu gewäh-ren. Dabei muss ein Netzbetreiber nicht auch Eigentümer desNetzes sein (vgl. Rdn. 5). Er muss die Investitionen in denNetzausbau auch nicht zwingend selbst tragen und deshalb

(aaaa.)

200 Fabritius, in: Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG/StromNEV/GasNEV, § 5 Rn. 1.

201 Vgl. Rdn. 152

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 87

auch nicht über eine eigene Kapitalausstattung verfügen, dieihn finanziell in die Lage versetzen würde, diese Investitions-aufgabe selbst zu erfüllen. Die in § 4 Abs. 2 EnWG vorausge-setzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beurteilt sich viel-mehr danach, ob für den Netzbetreiber insgesamt ausrei-chende ökonomische Ressourcen (auch von Drittunterneh-men) verfügbar sind, damit sämtliche Aufgaben, die in sei-nem Verantwortungsbereich liegen, erfüllt werden können.Aber selbst für den Fall, dass ein Netzbetreiber („schlankeNetzgesellschaft“) nur den kleinsten Kern der Netzbetriebs-verantwortung (Management) selbst erbringt, seine Verant-wortung gewissermaßen nur administrativ erfüllt und diegenannten Netzbetreiberaufgaben durch Drittunternehmen(z.B. die Konzernmutter) im Wege eines Netzpacht- undDienstleistungsmodell erfüllen lässt, ist eine Situation, in derdie Netzentgelte nicht ausreichen, um seine tatsächlichenKosten allesamt zu decken, nicht hinnehmbar. Kurzum: EinUnternehmen, dass permanent Verluste erwirtschaftet, kanndenklogisch über keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ver-fügen.

190 Es muss nicht entschieden werden, ob die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeit des Netzbetreibers im Wege einer vertrag-lich gesicherten Verlustübernahme (Gewinnabführungs- undVerlust-übernahmevertrag) durch ein anderes Unternehmenhergestellt und dadurch die Untersagung des Netzbetriebsabgewendet werden kann. Jedenfalls widerspricht es demZiel der Netzregulierung nach § 1 Abs. 2 und § 21 Abs. 2EnWG202, durch die Anwendung einer bestimmten Berech-nungsweise (zudem noch unnötigerweise203) den Zustandselbst herbeizuführen, indem der Weiterbetrieb des Netzbet-reibers, das heißt dessen wirtschaftliche Leistungs- und Über-lebensfähigkeit von einer Verlusttragung anderer Unterneh-men abhängig gemacht wird.204 Die von der Regulierungs-praxis und vom BGH vertretene teleologische Auslegung des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV (§ 7 Strom-/GasNEV) ist auchvor diesem Hintergrund unzutreffend. Sie setzt überdies eineverordnungsrechtliche Bestimmung voraus, die zu treffen derVerordnungsgeber nach § 24 Satz 2 Nr. 4 EnWG 2005 (nun§ 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c EnWG) gar nicht ermächtigtwurde und wird.

Zweckwidrige Steigerung der Abhängigkeit desNetzbetreibers (§ 7a Abs. 4 EnWG)

191 Sind an das Netz mehr als 100.000 Kunden angeschlossenund steht der Netzbetreiber unter der Kontrolle eines vertikalintegrierten EVU, tritt noch das Problem der operationellenEntflechtung (§ 7a EnWG) hinzu, die bekanntlich die Sicher-stellung einer Entscheidungs-unabhängigkeit des Netzbetrei-bers in Netzbetriebsangelegenheiten und zur effektiven Aus-übung derselben eine gewisse finanzielle Ausstattung desNetzbetreibers voraussetzt (§ 7a Abs. 4 EnWG).

192 Indem die Regulierungspraxis mit dem Ansatz einer negati-ven EK-Verzinsung einen Abzugs-posten schafft, der einervollständigen Erstattung der anderen Kosten des Netzbetrei-bers im Wege steht205, entzieht sie dem Netzbetreiber ebendiese finanzielle Ausstattung206, die er benötigt, um die gefor-derten tatsächlichen Entscheidungsbefugnisse effektiv aus-

(bbbb.)

üben zu können. Die Regulierungspraxis steigert damit dieAbhängigkeit des Netzbetreibers vom vertikal integriertenEVU (i.d.R. auch der Netzeigentümer). Dies sogar soweit,dass der Netzbetreiber auf die Verlustübernahme durch dasvertikal integrierte EVU angewiesen ist.

193Es muss auch hier nicht entschieden werden, ob die entflech-tungsrechtlich vorausgesetzte finanzielle Ausstattung desNetzbetreibers schon durch eine zwischen dem Netzbetreiberund dem vertikal integrierten EVU (i.d.R. seiner Mutterge-sellschaft) vertraglich vereinbarte Verlustübernahme(Gewinnabführungs- und Verlustübernahmevertrag) in einemhinreichenden Maße (i.S.d. § 7a Abs. 4 Satz 2 EnWG) sicher-gestellt werden kann. Jedenfalls widerspricht es dem Ziel derNetzregulierung nach § 1 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 EnWG,durch die Anwendung einer bestimmten Berechnungsweise(zudem noch unnötigerweise) den Zustand selbst herbeizu-führen, indem der Netzbetreiber von einer Verlusttragungeines vertikal integrierten EVU abhängig gemacht wird. Dievon der Regulierungspraxis und vom BGH vertretene teleolo-gische Auslegung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV (§ 7 Strom-/GasNEV) ist auch vor diesem Hintergrund unzutreffend.

194Bei der Auslegungsweise der Regulierungspraxis stellt sichzudem das Paradoxon ein, dass eine Norm (§ 4 Abs. 5Strom-/GasNEV), die auch geschaffen wurde, um bestimmteEntflechtungs-maßnahmen hinsichtlich der Netzentgelthöhezu neutralisieren207, nun ihrerseits dazu führen könnte, imEinzelfall das Problem der operationellen Entflechtung(Abhängigkeit) zu verschärfen. Die Regulierungspraxis führteine Situation herbei, die das Missbrauchspotential der Netz-mutter erhöht.

Verminderte Gesamtkostenanerkennung im Pachtmodellohne Nachweis von Ineffizienzen oder anderen gesetzlichenKorrekturfaktoren

195Dass der Ansatz von Negativzinsen dem Sinn und Zweck des§ 7 Strom-/GasNEV, das heißt der dieser Kostenart zuged-achten Funktion innerhalb der vorgegebenen Entgeltbildung(§ 21 Abs. 2 EnWG) widerspricht, wurde bereits skizziert(Rdn. 89 ff.). Die Regulierungspraxis setzt sich über diesenUmstand mit dem Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV hinweg (Rdn. 109 f.). Sie nimmt eineArt Gesamtbetrachtung sämtlicher Kosten(arten) vor, bei derdie negative EK-Verzinsung nur einen „rechnerischen Zwi-schenschritt“ darstellen soll, der zur Verhinderung einerhöheren Kostenanerkennung im Pachtmodell unvermeidbarsei.

(ccc.)

202 So der materiell-rechtlichen Vorgabe der Ermächtigungsgrundlagein § 24 Satz 2 Buchst. c) EnWG.

203 Dazu Rdn. 166 ff.204 Der (etwaige) Bestand von gesellschaftsrechtlichen Kompensati-

onsmöglichkeiten ist kein Belang der Netzentgeltbildung. Vgl.auch Rdn. 182, 190, 191.

205 Vgl. Rdn. 136, 184 ff.206 Dieses Problem kann auch nicht dauerhaft dadurch gelöst werden,

indem zwischen Netzbetreiber und Netzeigentümer tatsächlichein geringerer Pachtzins vereinbart oder tatsächlich gezahlt wird,als derjenige, der nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV kalkula-torisch anerkannt wurde oder (theoretisch) anerkennungsfähig ist.Vgl. Rdn. 185.

207 Rdn. 6, 159.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

88 EWeRK 2/2020

196 Tatsächlich aber können nach der Berechnungsweise derRegulierungspraxis die Erträge von Netzeigentümer/-ver-pächter und Netzbetreiber/-pächter in Summe, das heißt dieregulierungsbehördlich festgelegte EOG der Netzbetreibersim Pachtmodell nur geringer sein als die Erträge (EOG) einergroßen Netzgesellschaft, die über exakt dieselben Kosten undkalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile verfügt wiedas besagte Paar von Netzeigentümer/-verpächter und Netz-betreiber/-pächter zusammen.

197 Der Grund dafür liegt in der Verzinsung des sog. negativenEigenkapitals des Netzbetreibers, bei der – im Gegensatz zurVerzinsung des in Gestalt des Sachanlagenvermögens vomNetz-eigentümer eingesetzten Eigenkapitals – stets auf diehöchsten EK-Zinssätze für Neuanlagen zurückzugreifen ist(sog. Zinsimparität). Nach Ansicht der BNetzA und ihr fol-gend des BGH208 ist das errechnete negative Eigenkapital mitdem gesetzlich vorgesehenen höchstmöglichen EK-Zinssatz(EK > 40%) für Neuanlagen (derzeit 6,91% v. St.) zu verzin-sen; es entstehen hohe negative (Abzugs-)Werte in der Kos-tenprüfung. Hingegen wird die übliche positive EK-Verzin-sung in der großen Netzgesellschaft und selbst bei derBerechnung des „fiktiven Netzentgelts“ für den Netzeigentü-mer (i.R.d. Pachtzinsanerkennung) der Höhe nach immer inAbhängigkeit von der unternehmensindividuellen EK-Quote,des Bestandes von Neu- und Altanlagen und mit einer Deck-elung auf 40% vorgenommen (§ 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 4, 6und 7 Strom-/GasNEV). Es werden unterschiedliche (auchgeringere) Zinssätze angewandt. Vereinfacht gesagt, führt dieHöchstverzinsung von negativem Eigenkapital und die Nor-malverzinsung von positivem Eigenkapital (sog. Zinsimpari-tät) in Summe zu einer niedrigeren Gesamt-EOG als bei dergroßen Netzgesellschaft (dazu Rechenbeispiele, Rdn. 129 ff.).

198 Der Rückgriff auf den höchsten EK-Zinssatz für die Verzin-sung des negativen Eigenkapitals und die damit insgesamtniedrigere Gesamt-EOG im Pachtmodell ist das fehlgehende,aber folgerichtige Resultat209 der von der Regulierungspraxisangewandten getrennten kalkulatorischen Berechnung vonNetzbetreiber und Netzeigentümer und zeigt in aller Deut-lichkeit auf, dass diese Berechnungsweise zu enormen zweck-widrigen Friktionen mit den Grundsätzen der (effizienz-)kos-tenorientierten Entgeltbildung führt. Denn tatsächlichgelangt die Regulierungspraxis im Pachtmodell zu einer ver-minderten Gesamtkostenanerkennung, ohne dabei den Nach-weis des Vorliegens der gesetzlich vorgegebenen Korrektur-faktoren (z.B. Ineffizienzen) zu führen. Bei der Berechnungs-weise der Regulierungspraxis ergibt sich eine Minderung derKostenanerkennung bzw. -erstattung bereits schon anlässlichund aufgrund einer – auch i.R.d. einer Entflechtungsmaß-nahme zulässigen – Aufteilung der kalkulatorisch relevantenVermögensbestandteile auf zwei Unternehmen, mithin alsobereits schon anlässlich der Netzpacht. Im Pachtmodell wer-den damit im Ergebnis selbst effiziente und wettbewerbs-ana-loge Kosten nicht vollständig erstattet. Eine solche Ein-schränkung der Kostenanerkennung (ein solcher Korrektur-faktor) ist aber gesetzlich gar nicht vorgesehen und wider-spricht insofern dem Konzept der (effizienz-)kostenorientier-

ten Entgeltbildung nach § 21 Abs. 2 EnWG (dazu Rdn.171 ff.).

199Die Regulierungspraxis und der BGH gehen deshalb auchfehl in der Annahme, es führe zu einem „Widerspruch zu § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV“, wenn die Kostensituation desNetz-eigentümers (große Netzgesellschaft) nicht lediglich alsObergrenze, sondern als tatsächlich maßgebliche Berech-nungsgrundlage (Referenzmaßstab) herangezogen wird (dazuRdn. 125).210 Es ist zwar richtig, dass § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV darauf abzielt, nur eine höhere Kosten-anerken-nung (EOG-Erhöhung) im Netzpachtmodell zu verhindern.Obschon § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht darauf gerichtetist, ist es natürlich auch richtig, dass die Norm einer geringe-ren Kostenanerkennung nicht im Wege steht. Nach dem Kon-zept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung müssendafür aber die Voraussetzungen der gesetzlichen Korrektur-faktoren (z.B, Ineffizienzen) erfüllt sein. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ist kein solcher Korrekturfaktor, der es ermöglichenwürde, nur anlässlich und aufgrund einer Netzverpachtung(Vermögens-aufteilung) zu einer verminderten Kostenaner-kennung zu gelangen. Es kann daher – entgegen der Auffas-sung des BGH – auch zu keinem „Widerspruch zu § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV“ führen, wenn sich das Netzentgeltniveauim Netzpachtmodell nicht erhöht und genau dem Niveau der(hypothetischen) großen Netzgesellschaft entspricht.

200Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass sich die Regulierungs-praxis, die sich mit ihrer getrennten Berechnung dem imWortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV angelegten Refe-renzmaßstab der „großen Netzgesellschaft“211 zwischen demkonkreten Netzbetreiber und dem konkreten Netzeigentümerverweigert, zwangsläufig zu zweckwidrigen Friktionen mitdem gesetzlichen Konzept der (effizienz-)kostenorientiertenEntgeltbildung führt. Hier eben zu einer zweckwidrig gerin-geren Kostenanerkennung (Gesamt-EOG) im Pachtmodell,ohne eines Nachweises von Ineffizienzen oder anderer gesetz-licher Korrekturfaktoren.

Gesamtwürdigung: Systemimmanenz der Friktionen durch dieRegulierungspraxis

Zweckwidrige Steuerungswirkung des Regulierungspraxis201Die Regulierungspraxis und der BGH berühmt sich der effek-

tiven Durchsetzung einer § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ent-nommenen Zielsetzung, die diese Norm in Wirklichkeit garnicht hat. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV dient wie alle Vor-schriften der Strom-/GasNEV der Umsetzung und Konkreti-sierung des in §§ 21 Abs. 2, 21a EnWG vorgeschriebenenKonzepts der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung.Genau hierauf ist im Übrigen auch die Verordnungs-ermäch-tigung des § 24 EnWG – abgesehen von einigen hier nichtrelevanten Ergänzungen und Modifikationen – beschränkt.

(cc.)

(aaa.)

208 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH, Rn. 32 ff.; bestätigt BGH, Beschl. v. 09.07.2019 –EnVR 52/18 – Eigenkapitalzinssatz II, Rn. 99 f.

209 Dazu Rdn. 55, 117 ff.210 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-

sellschaft mbH, Rn. 47.211 Vgl. Rdn. 152 ff.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 89

§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV ist daher in diesem Kontext zuinterpretieren.

202 Im Konzept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildungkann es aber zu keiner verminderten Kostenanerkennungkommen, ohne dass dafür der Nachweis gesetzlicher Korrek-turfaktoren (z.B. von Ineffizienzen) geführt wird. Eine Min-derung der Kosten-anerkennung nur anlässlich und aufgrundeiner Aufteilung der kalkulatorisch relevanten Vermögensbe-standteile auf zwei Unternehmen, mithin also nur anlässlichder Netzpacht, ist unzulässig. Im Konzept der (effizienz-)kos-tenorientierten Entgeltbildung unter Berücksichtig-ung einerangemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepasstenVerzinsung des ein-gesetzten Kapitals ist es auch nicht zweck-konform, dem reinen Infrastrukturinvestor, der sein Netz nurverpachtet, eine im Ergebnis höhere Verzinsung seines einge-setzten Eigenkapitals zu gewähren, als einem Netzeigentü-mer, der sein Netz auch selbst betreibt (große Netzgesell-schaft). Schließlich entspricht es auch nicht dem Sinn undZweck der Netzentgeltregulierung, die wirtschaftliche Leis-tungsfähigkeit und finanzielle Ausstattung eines Netzbetrei-bers zu untergraben. Dies alles geschieht aber durch dieBerechnungsweise der Regulierungspraxis.

203 Die Regulierungspraxis entfaltet eine Steuerungswirkung, dieweder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV im Kontext der (effizienz-)kosten-orientierten Entgeltbildung im Einklang steht. Sie ist auchnicht nötig, weil die dem Wortlaut der Norm zu entneh-mende Berechnungsweise der Pachtzinsanerkennung, näm-lich die kalkulatorische Zusammenlegung der Kosten bzw.kalkulatorisch relevanten Vermögens-bestandteile von Netz-betreiber und Netzeigentümer, geeignet ist, das angestrebteZiel der Vermeidung einer höheren Kostenanerkennunganlässlich und aufgrund einer Netzverpachtung zu erreichen;ohne das hierfür eine vergleichsweise höhere Verzinsung desEK des Netzeigentümers auf der einen Seite und der darausfolgende Ansatz einer negativen EK-Verzinsung auf der ande-ren Seite erforderlich wäre.

Rückwirkungen auf die Auslegung der §§ 4 ff. Strom-/GasNEV im Einzelfall

204 Die im Vergleich zu dieser Pachtzinsberechnung eintretendenFriktionen (Fehlsteuerungen) und Schlechterstellungen sindder Berechnungsweise der Regulierungspraxis auch system-immanent. Es mag natürlich sein, dass im konkreten Einzel-fall die negative EK-Verzinsung durch den Bestand auch eige-nen Sachanlagevermögens des Netzbetreibers vermiedenwird. Es kann sich auch der Fall einstellen, in dem der Netzei-gentümer über so wenig Sachanlagevermögen und durch dieregulierungsbehördliche Kürzung nur über drastisch gemin-dertes betriebsnotwendiges Umlagevermögen verfügt, dassseine EK-Verzinsung („fiktives Netzentgelt“) eher spärlichausfällt. Natürlich hängt auch in der Regulierungspraxis diekonkrete Höhe der Pachtzinsanerkennung und der (negati-ven) EK-Verzinsung des Netzbetreibers von den Umständendes Einzelfalls ab; das heißt von der konkreten Vermögens-situation von Netzbetreiber und Netzeigentümer. Es sind ver-schiedene Konstellationen (v.a. auch bei der Veranlagung von

(bbb.)

Umlaufvermögen) denkbar. Das ändert aber alles nichtsdaran, dass die Regulierungspraxis die beschriebene zweck-widrige Steuerungswirkung (systemimmanent) entfaltet unddementsprechend unnötige Gegen- bzw. Optimierungs-maß-nahmen der EVU herausfordert, die die Unternehmen nunselbst ergreifen, um die besagten Friktionen und ökonomi-schen Schlechterstellungen der Regulierungspraxis zu vermei-den. Den Netzbetreibern wird häufig gerade zur Vermeidungder negativen EK-Verzinsung oder insgesamt zur Optimie-rung der regulatorischen Behandlung der Unternehmens-gruppe ein gewisser Teil der Anlagen zu Eigentum übertra-gen; oder die Netzbetreiber bilden durch eigene Folgeinvesti-tionen selbst Eigentum an einem Teil der Anlagen. Die Regu-lierungspraxis erzeugt damit bei den EVU einen betriebswirt-schaftlichen Druck, das Netzpachtmodell (zumindest in Tei-len) aufzugeben und das (Entflechtungs-)Modell der großenNetzgesellschaft umzusetzen. Der Aufbau dieses betriebs-wirtschaftlichen Drucks durch die Regulierungspraxis stehtaber nicht mit den gesetzlichen Regelungen der (effizi-enz-)kostenorientierten Entgeltbildung (§§ 1 Abs. 2, 21Abs. 2, § 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c) EnWG im Einklang. Erergibt sich auch nicht aus den dieses Konzept konkretisieren-den Vorschriften der §§ 4 ff. Strom-/GasNEV. Das Regulie-rungshandeln (die Vorenthaltung von Kostenerstattungen)erfolgt schlicht ohne rechtliche Grundlage.

205Es geht hier im Übrigen auch nicht um die Frage, ob dieRegulierungspraxis im Einzelfall die eine oder andere Berech-nungsweise anzuwenden und im Einzelfall bei zweckwidrigenFehlsteuerungen und Schlechterstellungen zu unterlassenhat.212 Eine solch kasuistischer Ansatz kann § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV nicht entnommen werden. In Rede stehtvielmehr die mit den Mitteln der Auslegungsmethodik zulösende Frage, welche Berechnungsweise der Gesetz- undVerordnungsgeber mit § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV für denFall der Pacht der Netzanlagen (Netzpachtmodell) angeord-net hat und welche Steuerungswirkung er damit verbundenwissen wollte.

212 Dies übersieht das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 11.11.2015 – VI-3 Kart16/13 (V)) wenn es meint: „Hieraus lässt sich nicht im Umkehr-schluss ableiten, dass ein Ansatz der negativen Eigenkapitalverzin-sung bei der Pächterin unzulässig wäre, wenn die Vergleichsbe-rechnung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würde […]. Diesgilt erst Recht angesichts des Umstands, dass mit dem Ansatznegativen Eigenkapitals bei dem Netzbetreiber keineswegs einesystemimmanente Schlechterstellung im Vergleich zu der Berück-sichtigung des überschießenden Abzugskapitals auf Seiten desVerpächters verbunden ist. Vielmehr hängt die konkrete Höhe dersich ergebenden Eigenkapitalverzinsung von den Umständen desEinzelfalles ab. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die Überlas-sung von Netzbestandteilen nicht zu einer fehlenden Berücksichti-gung von Abzugskapital und damit entgegen § 4 Abs. 5 GasNEV zuhöheren Netzentgelten führen darf … .“ Ähnlich auch das OLGDresden (Beschl. v. 18.07.2014 – Kart 8/13 –, Rn. 41 ff.), das von demNetzbetreiber den Nachweis abverlangt, dass eine von der Regulie-rungspraxis abweichende Berechnungsmethode (Ansatz des über-schießenden Abzugskapital (negatives EK) bei der Pachtzinsbe-rechnung) zu einem anderen – für den Netzbetreiber günstigeren– Ergebnis gelangt; und im Übrigen klarstellt, dass ein etwaiganderes Ergebnis die Rechtmäßigkeit der Berechnungsweise derRegulierungspraxis (geringere Kostenanerkennung/Entgeltsen-kung) nicht in Zweifel zieht.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

90 EWeRK 2/2020

206 Unabhängig davon, ob den Netzbetreibern im Pachtmodelltatsächlich von den Regulierungs-behörden im Einzelfall einenegative EK-Verzinsung (außergesetzlicher Abzugsposten) inRechnung gestellt wird oder nicht213, haben sie einenAnspruch auf Erstattung ihrer Kosten, der – wie sich aus derAuslegung der § 4 Abs. 5, § 5 und § 7 Strom-/GasNEV (§ 1Abs. 2, § 21 Abs. 2 EnWG) ergibt – anders zu berechnen ist,als es die Regulierungspraxis vornimmt.

Zwischenergebnis: Sinn und Zweck207 Die teleologische Auslegung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV

bestätigt den Wortlautbefund. Durch die Vorgabe, die Aner-kennungsfähigkeit des Pachtzinses i.R.d. aufwandsgleichenKostenpositionen des Netzbetreibers (§ 5 Strom-/GasNEV)auf der Grundlage der auf den Pachtgegenstand bezogenen(kalkulatorisch zusammengelegten) Kosten- und Vermögens-situationen von Netzbetreiber und Netzeigentümer zuberechnen, soll vermieden werden, dass es durch die Netzver-pachtung zu einer höheren Kostenanerkennung und damit zueiner Netzentgelterhöhung kommt. Dieses Ziel wird aucherreicht; ohne den Ansatz einer negativen EK-Verzinsung.

208 Entgegen der Regulierungspraxis und der Auffassung desBGH entspricht es nicht dem Sinn und Zweck der Norm, dieVermeidung der Netzentgelterhöhung als allgemeines Prinzipbegreifend auf der einen Seite die Berechnung der Pachtzin-sanerkennung nur auf Grundlage der Kosten- und Vermö-genssituation des Netzeigentümers (fiktives Netzentgelt desNetzeigentümers) vorzunehmen, um dann auf der anderenSeite eine negative EK-Verzinsung bei der Berechnung derEK-Verzinsung nur auf Basis des Vermögens des Netzbetrei-bers vornehmen zu müssen. Abgesehen davon, dass dieseVorgehensweise dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 und des § 7Strom-/GasNEV sowie dem erkennbaren Sinn und Zweckder Vorschriften widerspricht, kann es auch schon angesichtsdes Umstandes, dass diese Vorgehensweise zu enormenzwickwidrigen Friktionen im Konzept der (effizienz-)orientie-rten Entgeltbildung führt, nicht unterstellt werden, die Regu-lierungspraxis entspräche dem objektiven Willen des Gesetz-und Verordnungsgebers. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV eröffnetbei der Ermittlung der Netzkosten (Addition der einzelnenKostenpositionen) keinen „rechnerischen Verschiebebahn-hof“ zwischen den im Einzelnen jeweils gesetzlich vorgesehe-nen aufwandsgleichen und kalkulatorischen Kostenpositio-nen der §§ 4 ff. Strom-/GasNEV. Der Norm des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV kann den Ansatz einer negativen EK-Verzin-sung auch seinem Sinn und Zweck nach nicht gebieten. Viel-mehr steht sogar der Sinn und Zweck der Norm einer negati-ven EK-Verzinsung entgegen.

Kurzum: Dem Wortlaut und dem Normzweck des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV kann kein allgemeines Prinzip entnommenwerden. Die Vermeidung einer negativen EK-Verzinsungi.R.d. Berechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsung ver-stößt nicht – wie der BGH annimmt – gegen den Sinn undZweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und kann deshalbauch nicht eine Auslegung des § 7 Strom-/GasNEV gebieten,die mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck dieser Norm(§ 7) nicht zu vereinbaren ist.

(c.)

Systematik209Sämtliche Friktionen mit den gesetzlichen Regelungen der

(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung214 und insbeson-dere mit der Kostenposition der kalkulatorischen EK-Verzin-sung nach § 7 Strom-/GasNEV, die – wie beschrieben – beider Berechnungsweise der Regulierungspraxis (insbesondereder negativen EK-Verzinsung) eintreten, werden mit der imWortlaut des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bereits angelegtenBerechnung der Pachtzins-anerkennung auf der Grundlageder auf den Pachtgegenstand bezogenen (kalkulatorischzusammengelegten) Kosten- und Vermögenssituationen vonNetzbetreiber und Netzeigentümer (Referenzmaßstab „großeNetzgesellschaft“) vermieden. Daher ergibt sich auch ausdem systematischen Bedeutungszusammenhang des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV kein anderer – vom Wortlaut unddem Sinn und Zweck der Norm abweichender – Auslegungs-befund. Nicht die isolierte Kosten- und Vermögenssituationdes Netzeigentümers, sondern nur die auf den Pachtgegen-stand bezogenen (kalkulatorisch zusammengelegten) Kosten-und Vermögens-situationen von Netzbetreiber und Netzei-gentümer, das heißt die (hypothetische) große Netzgesell-schaft, bilden den geeigneten und systematisch konfliktfreienMaßstab bei der Berechnung der Pachtzinsanerkennung.

Zwischenergebnis: Auslegung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV210Entgegen der Auffassung der Regulierungspraxis und des

BGH folgt aus der Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVnicht, dass der Ansatz einer negativen EK-Verzinsung gegenden Wortlaut sowie den Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEV zur Vermeidung eines höheren Netzentgelt imPachtmodell geboten ist.

211§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bezieht sich nur auf die Kosten-anerkennung i.R.d. § 5 Strom-/GasNEV. Die Norm ordnetihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nach eine Berech-nungs-weise an, bei der die Obergrenze der Pachtzinsaner-kennung in der Weise zu bestimmen ist, dass die auf denPachtgegenstand bezogenen relevanten Kosten- und Vermö-genssituationen von Netzbetreiber und Netzeigentümer kal-kulatorisch zusammengelegt werden (Referenzmaßstab großeNetzgesellschaft). Nur diese Berechnungsweise lässt sich mitdem gesetzlichen Konzept der (effizienz-)kostenorientiertenEntgeltbildung in Einklang bringen.

212Die Regulierungspraxis und BGH-Rechtsprechung, die diePachtzinsanerkennung nur auf der Grundlage der Kosten-und Vermögenssituation des Netzeigentümers (fiktives Netz-entgelt) berechnet und deshalb gezwungen ist, mit der negati-ven EK-Verzinsung einen weiteren Abzugsposten in der Netz-kostenermittlung zu kreieren, lässt sich mit der Norm des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht in Einklang bringen und führtautomatisch und zwangsläufig zu Friktionen mit den Vor-schriften der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung;Folgen, die der Regulierungspraxis systemimmanent sind.

(4.)

(5.)

213 Z.B. weil sie über genügend eigenes Sachanlagevermögen verfü-gen, um ihr Abzugskapital zu decken.

214 § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2, § 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c) EnWG.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 91

Kurzum: Die Regulierungspraxis, die im Pachtmodell z.T. zueiner Besserstellung des Netzeigentümers zu Lasten des Netz-betreibers und zusammengenommen zu einer Schlechterstel-lung der wirtschaftlichen Einheit von Netzeigentümer undNetzbetreiber führt215, kann sich nicht auf die Norm des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV berufen. Die Norm eröffnet – schonmit Blick auf die enormen Steuerungswirkungen – bei derErmittlung der Netzkosten (Addition der einzelnen Kosten-positionen) keinen „rechnerischen Verschiebebahnhof“ zwi-schen den in den §§ 4 ff. Strom-/GasNEV gesetzlich vorgese-henen aufwandsgleichen und kalkulatorischen Kostenpositi-onen.

Kein Regulierungsermessen zur Schaffung außergesetzlicherAbzugsposten im Pachtmodell

213 Der BGH darf in seinen Entscheidungen aus den Jahren2009216 und 2017217 auch so verstanden werden, dass § 4Abs. 5 Gas-/StromNEV zwar im Grundsatz eine getrenntekalkulatorische Berechnung von Netzeigentümer und Netz-betreiber vorgebe, aber keine bestimmte Verortung des beimNetzbetreiber errechneten „überschießenden Abzugskapital“(negatives Eigenkapital) anordne. Entscheidend soll vielmehrdas Ergebnis sein. Das überschießende Abzugskapital muss(egal wo) vollständig verzinsungsbasissenkend berücksichtigtwerden, damit die Netzverpachtung zu keiner Netzentgelter-höhung führt. Damit soll der Normzweck des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV erfüllt sein. Der BGH hat es in den Entschei-dungen zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Er muss aber voneinem gewissen Regulierungsermessen der Regulierungsbe-hörden ausgehen, wenn er – auch nur als Kontrollüberlegung– annimmt, dass es neben der Regulierungspraxis noch eineweitere taugliche Berechnungsmethode gibt; nämlich denAnsatz des beim Netzbetreiber errechneten negatives Eigen-kapitals bei der Berechnung der Pachtzinsanerkennung(Netzeigentümer). Die Annahme eines Regulierungsermes-sens wird schließlich auch darin sichtbar, dass diese andereBerechnungsmethode zu einer höheren Kostenanerkennungführt218 und dennoch nicht angewandt werden müsse. § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV soll nach Ansicht des BGH nur vor-schreiben, dass es zu keiner Netzentgelterhöhung kommendarf, was aber offenbar einschließen soll, dass sich die Regu-lierungspraxis für eine Methode zu entscheiden darf, die zueiner vergleichsweise höheren Kostenkürzung219 führt.

214 Mit den Mitteln der juristischen Auslegungsmethodik kannfestgestellt werden, dass die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV im Kontext der (effizienz-)kostenorientierten Ent-geltbildung eine klare und unzweideutige Aussage zur kalku-latorischen Berechnung der Pachtzins-anerkennung enthält,in deren Folge es denklogisch zu keiner Errechnung negativenEigenkapitals beim Netzbetreiber kommen kann. Demgemäßist auch der Ansatz von Negativzinsen, der im Übrigen auchmit der gesetzlich zugestandenen Kostenart der kalkulatori-schen EK-Verzinsung nach § 7 Strom-/GasNEV im Wider-spruch stünde, ausgeschlossen. Es ist überhaupt nicht erkenn-bar, dass der Regulierungsbehörde bei der Berechnung derPachtzinsanerkennung (und in der Folge der Berechnung derkalkulatorischen EK-Verzinsung) hinsichtlich der Wahl der

cc.

Berechnungsmethode irgendein ein Ermessen eingeräumtwird.220

215Es kann dahinstehen, ob der Behörde angesichts der enormenTragweite, die mit der Berechnungsmethode verbunden ist(vgl. Rdn. 37 ff.; 129 ff.), aus verfassungsrechtlichen Grün-den überhaupt ein dahingehendes Ermessen – zumal nochnicht einmal ausdrücklich – eingeräumt werden darf; oderaus europarechtlichen Gründen möglicherweise sogar einge-räumt werden muss. Denn ein anderes Ergebnis kann sichauch dann nicht einstellen, wenn man ein solches Regulie-rungsermessen im Grundsatz annehmen sollte. Die Regulie-rungsbehörde müsste ein solches Ermessen pflichtgemäß aus-üben und dürfte es nicht zweckwidrig gebrauchen. Sie dürftedie gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschreiten.Zu diesen Grenzen gehören neben den allgemeinen Verfas-sungsgrundsätzen (v.a. Gleichbehandlung) und den Vorgabendes anwendungsvorrangigen Europarechts auch der gesetz-

215 Vgl. Rdn. 132 ff.216 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 45.217 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-

sellschaft mbH, Rn. 42.218 Das negative Eigenkapital des Netzbetreibers würde mit dem posi-

tiven Eigenkapital des Netzeigentümers verrechnet und normal-verzinst werden. Es kommt nicht zur Höchstverzinsung des negati-ven Eigenkapitals.

219 Höchstverzinsung des negativen Eigenkapitals.220 Es mag sein, dass die BNetzA bei der Festlegung der EK-Zinssätze

über einen gewissen Beurteilungsspielraum verfügt (dazu jüngstBGH, Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 52/18 – Eigenkapitalzinssatz II,Rn. 34 sowie BGH, Beschl. v. 09.07.2019 – EnVR 41/18, Rn. 34). Die-ser Beurteilungsspielraum ist in § 7 Strom-/GasNEV allerdingsnicht so weit gefasst, dass die Behörde aufgefordert und befugtwäre, für das Pachtmodell (sowohl für den reinen Infrastrukturin-vestor/Verpächter als auch für den Netzbetreiber/Pächter) spezi-elle EK-Zinssätze festzulegen. Es ist verordnungsrechtlich erkenn-bar nicht vorgesehen, dass die BNetzA über die Festlegungabweichender EK-Zinssätze (z.B. einen niedrigeren Zins für negati-ves Eigenkapital und/oder für positives Eigenkapital des reinen Inf-rastrukturinvestors), im Pachtmodell generell oder im Einzelfalleine Ergebnissteuerung vornehmen und dabei insbesondere auchüber die betriebswirtschaftliche Praktikabilität von Netzpachtmo-dellen befinden darf. Abgesehen davon hängt der Eintritt der skiz-zierten zweckwidrigen Friktionen (Rdn. 163 ff.) auch nicht in ersterLinie von der Höhe der EK-Zinssätze ab. Selbst wenn z.B. der EK-Zinssatz für den reinen Infrastruktur-investor/Verpächter gesenktund der Zinssatz für negatives Eigenkapital dafür sogar auf „0“gesetzt werden würde, käme es zu zweckwidrigen Fehlsteuerun-gen und Friktionen mit dem gesetzlichen Konzept der (effizi-enz-)orientierten Entgeltbildung, wenn bei der Berechnung derPachtzinsanerkennung vom Referenzmaßstab der großen Netzge-sellschaft (Rdn. 155 ff.) abgewichen wird. Der Netzpächter würdenach wie vor das netzbetriebsinduzierte Abzugskapital, das dieVerzinsungsbasis senkt, vollständig selbst tragen müssen. Diegesetzlich vorgeschriebene Rendite auf etwaige eigene Investitio-nen würde dann nur eingeschränkt erlöswirksam werden können.Um die beschriebenen Friktionen allesamt aufzulösen, wäre es beidieser und bei jeder Berechnungsweise, die von der in § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV vorgeschriebenen Berechnungsweise (Referenz-maßstab große Netzgesellschaft) abweicht, notwendig, in jedemEinzelfall für den Netzbetreiber wie auch für den Netzeigentümer(Pachtzinsanerkennung) einen spezifischen EK-Zins festzulegen.Das ist aber schon praktisch nicht möglich; was aber nicht dazuführen kann, aus verfahrensökonomischen Gründen auf die beste-henden Pauschalisierungen der allgemeinen EK-Zinssätze zurück-zugreifen. Verfahrensökonomische Gründe können jedenfalls nichtdazu führen, das in § 21 Abs. 2 EnWG angeordnete Ziel einer ange-messenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals einzuschränken(vgl. BGH, Beschl. v. 07.04.2009 – EnVR 6/08 – VerteilnetzbetreiberRhein-Main-Neckar, Rn. 24).

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

92 EWeRK 2/2020

lich definierte Umfang des eröffneten Ermessensspielraums;mithin also das gesetzlich vorgeschriebene Konzept der (effi-zienz-)kostenorientierten Entgeltbildung221. Vor diesem Hin-tergrund ist es ausgeschlossen, eine Ermessensausübung nochals zweckgemäß und in den Grenzen der Ermächtigung lie-gend zu betrachten, die – wie beschrieben – (1) zu so erhebli-chen zweckwidrigen Friktionen führt und (2) das Pachtmo-dell als ausdrücklich zulässige Entflechtungsmaßnahme222

gegenüber der großen Netzgesellschaft ökonomisch schlech-ter-stellt, ohne dabei den Nachweis von Ineffizienten, dasheißt des Auftretens (ineffizienter) Kosten in dieser Netzbet-riebskonstellationen zu führen.223 Bei pflichtgemäßer Ermes-sensausübung würde die BNetzA bei der Berechnung derPachtzinsanerkennung dieselbe Berechnungsweise anwendenmüssen, wie sie in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV niedergelegtist.

Fazit: Kritik der Regulierungspraxis und BGH-Rechtsprechung

216 – In den Fällen, in denen die EK-Verzinsung des Netzeigen-tümers (im Rahmen der fiktiven Netzentgeltberechnungdes Netzeigentümers) geringer ist als die EK-Verzinsungder integrierten großen Netzgesellschaft, entfällt – selbstnach der Logik und Begründung des BGH – der tragfä-hige Grund dafür, dem Netzbetreiber entgegen der Rege-lung des § 7 Strom-/GasNEV eine negative EK-Verzin-sung in Ansatz zu bringen. In jedem Falle haben Netzbe-treiber in diesen Konstellationen gegen die Regulierungs-behörden einen gesetzlichen Anspruch auf Festlegungeiner Erlösobergrenze, die zu einer Erstattung ihrer effizi-enten (aufwandsgleichen und kalkulatorischen) Kostenführt und keine negative EK-Verzinsung enthält.

– Bei einer an den Maßstäben der gesetzlichen Auslegungs-methodik orientierten Auslegung des § 4 Abs. 5 und § 7Strom-/GasNEV ergibt sich überdies, dass der besagteAnspruch auch in allen anderen Fällen besteht. DerAnsatz einer negativen EK-Verzinsung ist vielmehr gene-rell ausgeschlossen. Die Rechtsauffassung des BGH undder Regulierungspraxis ist von einem grundsätzlichenFehler getragen.

– Die kalkulatorische EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV)als gesetzlich zugestandene und damit prinzipiell erstat-tungsfähige Kostenart kann keinen negativen Wertannehmen. Eine negative EK-Verzinsung würde dieseKostenposition in einen Abzugsposten wandeln unddamit in ihr Gegenteil verkehren. Dies widerspricht demWortlaut, dem Sinn und Zweck des § 7 Strom-/GasNEVsowie die der kalkulatorischen EK-Verzinsung zugedach-ten Funktion innerhalb der (effizienz-)kostenorientiertenNetzentgeltbildung. Es können und dürfen im Rahmender Netzentgeltbildung keine solchen Negativzinsen ange-setzt werden.

– Dieser Grundsatz wird auch nicht im Pachtmodell durchdie Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV durchbrochen.Die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV regelt lediglichAspekte und Besonderheiten bei der Berechnung der auf-

3.

wandsgleichen Kostenpositionen des Netzbetreibers nach§ 5 Strom-/GasNEV. Mit § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV sollverhindert werden, dass durch die Netzverpachtung einehöhere Kostenanerkennung und damit auch eine Erhö-hung der Netzentgelte eintritt. Die Norm regelt insoweitaber kein allgemeines Prinzip bei der Netzkostenermitt-lung, das einen „rechnerischen Verschiebebahnhof“ zwi-schen den in den §§ 4 ff. Strom-/GasNEV im Einzelnengesetzlich vorgesehenen aufwandsgleichen und kalkulato-rischen Kostenpositionen erlauben würde. „RechnerischeZwischenschritte“ sind nicht vorgesehen.

– Die Vermeidung einer negativen EK-Verzinsung i.R.d.Berechnung der kalkulatorischen EK-Verzinsung verstößtnicht – wie der BGH annimmt224 – gegen den Sinn undZweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und kann deshalbauch nicht eine Auslegung des § 7 Strom-/GasNEV gebie-ten, die mit dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck die-ser Norm (§ 7) nicht zu vereinbaren ist.

– Die mit § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV allein geregelteBerechnung der Obergrenze der Pachtzinsanerkennungist der Norm entsprechend so vorzunehmen, dass die aufden Pachtgegenstand bezogenen Kosten- und Vermögens-situationen von Netzbetreiber und Netzeigentümer kal-kulatorisch zusammengelegt werden. Referenzmaßstabder Berechnung ist die große Netzgesellschaft.

– Allein die geschilderte Berechnungsweise steht mit demdurch die Regeln der § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2 und § 24Satz 2 Nr. 4 Buchst. c) EnWG gesetzlich vorgegebenenund durch die Strom- und GasNEV konkretisierten Kon-zept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung imEinklang. Diese Berechnungsweise führt zu folgendenEffekten:

– Durch die Netzverpachtung kann keine Netzentgelter-höhung eintreten.

– Die Ertragsmöglichkeiten (EK-Verzinsung) eines Netz-eigentümers/Verpächter, der lediglich in die Infrastruk-tur investiert, werden im Ergebnis an die Ertrags-möglichkeiten (EK-Verzinsung) eines Netzeigentümersangeglichen, der sein Netz auch selbst betreibt (großeNetzgesellschaft).

– Es kommt nicht zu der praktischen Notwendigkeit,dem Netzbetreiber einen außergesetzlichen Abzugs-

221 § 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2, § 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c) EnWG.222 Dazu Rdn. 5.223 Die BNetzA hat kein Mandat bestimmte unternehmerische Gestal-

tungen, denen ein Verstoß gegen die gesetzlichen Entflechtungs-vorgaben nicht zur Last gelegt werden kann, mit den Mitteln derEntgeltregulierung zu beschränken, ohne den Nachweis von ineffi-zienten und nichtwettbewerbsanalogen Kosten zu führen. ImÜbrigen können selbst etwaige verfahrensökonomische Gründe –abgehen davon, dass diese hier auch nicht erkennbar sind – nichtdazu führen, das in § 21 Abs. 2 EnWG angeordnete Ziel einer ange-messenen (wettbewerbsanalogen) Verzinsung des eingesetztenKapitals einzuschränken. Vgl. Knauff/M. Langer, in: Elspass/Graß-mann/Rasbach, EnWG, § 21 Rn. 71 (mit Verweis auf: BGH, Beschl.v. 07.04.2009 – EnVR 6/08 – Verteilnetzbetreiber Rhein-Main-Neckar, Rn. 24).

224 Rdn. 110.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 93

posten (negative EK-Verzinsung) in Rechnung stellenzu müssen. Weil daher die dem Netzbetreiber ent-stehenden anderen (effizienten und wettbewerbsanalo-gen) Kosten auch vollständig erstattet werden, wirdseine wirtschaftliche Lebensfähigkeit und finanzielleAusstattung nicht untergraben. Die Abhängigkeit desNetzbetreibers von anderen Unternehmen wird nichtgesteigert.

– In der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung wird dasNetzpachtmodell gegenüber einer großen Netzgesell-schaft nicht schlechter gestellt.

– Die Regulierungspraxis, die sich dem in der Norm des § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV angeordneten Referenzmaßstabder „großen Netzgesellschaft“ ohne triftigen Grund ver-weigert, die Pachtzinsanerkennung nur auf der Grund-lage der realen Kosten- und Vermögenssituation desNetzeigentümers (fiktives Netzentgelt) berechnet und des-halb gezwungen ist, mit der negativen EK-Verzinsungeinen weiteren Abzugsposten bei der Ermittlung derNetzkosten (Zusammenstellung der vorgegebenen Kos-tenpositionen) zu kreieren, lässt sich mit der Norm des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht in Einklang bringenund führt automatisch und zwangsläufig auch zu zweck-widrigen Fehlsteuerungen und Friktionen mit den Vor-schriften der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung:

– In der Regulierungspraxis ist die EK-Verzinsung beieiner bloßen Netzverpachtung für den Infrastrukturin-vestor/Verpächter in bestimmten Fällen ertragsreicherals für den Netzeigentümer (Investor) in der großenNetzgesellschaft; ohne, dass damit höhere Risiken ver-bunden wären.

– In der Regulierungspraxis wird dem Netzbetrei-ber/Verpächter ohne eigenes Sachanlagevermögen mitder negativen EK-Verzinsung ein außergesetzlicherAbzugsposten in Rechnung gestellt, der dazu führt,dass seine übrigen (auch effizienten) Kosten nicht voll-ständig erstattet werden; mit der Folge, dass dessenwirtschaftliche Leistungsfähigkeit untergraben wirdund sein wirtschaftliches Überleben von der Verlust-tragung anderer Unternehmen abhängt.

– In der Regulierungspraxis ist wegen der (folgerichti-gen) Höchstverzinsung des negativen Eigenkapitals(sog. Zinsimparität) die Gesamtkostenanerkennung(EOG) zwangsläufig geringer als bei einer großenNetzgesellschaft, die über exakt dieselben Kosten undkalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteile ver-fügt wie das Paar von Netzeigentümer und Netzbetrei-ber im Pachtmodell zusammen; ohne dass die Regu-lierungspraxis dafür den Nachweis von Ineffizienzenoder anderer gesetzlicher Korrekturfaktoren der Kos-tenanerkennung führt.

– Die Regulierungspraxis, deren Berechnungsweise imPachtmodell zu einer Besserstellung des Netzeigentümerszu Lasten des Netzbetreibers und zusammengenommenzu einer Schlechterstellung der wirtschaftlichen Einheit

von Netzeigentümer und Netzbetreiber führt, verstößtgegen § 7 Strom-/GasNEV, gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV und gegen die Grundsätze der effizienz-)kosten-orientierten Entgeltbildung (§ 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2EnWG).

– Bei der negativen EK-Verzinsung handelt es sich umeinen außergesetzlichen und damit unzulässigen Abzugs-posten bei der Netzkostenermittlung im Rahmen der(effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung.

– Die Regulierungsbehörde ist hinsichtlich der Wahl derBerechnungsmethode bei der Bestimmung der Pachtzin-sanerkennung (und in der Folge bei der Berechnung derkalkulatorischen EK-Verzinsung) auch kein Ermessen ein-geräumt worden. Ein anderes Ergebnis würde sich aberauch nicht einstellen können, wenn man ein solchesRegulierungs-ermessen im Grundsatz annähme. Beipflichtgemäßer und rechtmäßiger Ermessensausübungwürde bei der Berechnung der Pachtzinsanerkennung die-selbe Berechnungsweise angewendet werden müssen, wiesie in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV niedergelegt ist.

Der gesetzliche Kostenerstattungsanspruch derNetzbetreiber (Netzpächter) im Pachtmodell

217Jeder Netzbetreiber hat – unabhängig davon, ob er die Anla-gen seines Netzes ganz oder zum Teil pachtet – gegen diezuständige Regulierungsbehörde aus den § 21 Abs. 2 und§ 21a EnWG (i.V.m. ARegV, Strom-/GasNEV) einen gesetzli-chen Anspruch auf Festlegung einer Erlösobergrenze, die esihm erlaubt, von seinen Netznutzern eine Erstattung seinereffizienten (aufwandsgleichen und kalkulatorischen) Kostenzu verlangen. Eine negative EK-Verzinsung als außergesetzli-chen Abzugsposten kann es dabei nicht geben.

Im Kontext der vorliegenden Studie von Relevanz ist einer-seits die Berechnung der aufwandsgleichen Kostenpositionendes Netzbetreibers nach § 5 Strom-/GasNEV (OPEX);genauer gesagt die Erstattung der dem Netzbetreiber durchdie Netzüberlassung entstehenden Kosten (Pachtzinsen).Zum anderen ist – im Kontrast zur derzeitigen Regulierungs-praxis – auch die Berechnung der kalkulatorischen EK-Ver-zinsung des Netzbetreibers von Interesse.

Die folgende Darstellung soll sich auf beide Punkte beschrän-ken. Es wird in Grundzügen diejenige Berechnungsmethodikerörtert, die sich aus den §§ 4 ff. Strom-/GasNEV richtiger-weise ergibt.

Erstattung der Pachtzinsen (OPEX) - Berechnung deraufwandsgleichen Kostenpositionen nach § 5 i.V.m. § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV

218Die Netzbetreiber haben gemäß § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV einen Anspruch auf Erstattung von Pachtzinsen, „inder Höhe …, wie sie anfielen, wenn der Betreiber Eigentümerder Anlagen wäre (§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV)“.

Wie beschrieben soll nach § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV dieBerechnung der Pachtzins-anerkennung auf der Grundlageeiner kalkulatorischen Zusammenlegung relevanter Kosten-und Vermögensbestandteile von Netzeigentümer und Netzbe-

II.

1.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

94 EWeRK 2/2020

treiber erfolgen. Bezogen auf den Pachtgegenstand ist derBerechnungs- bzw. Referenzmaßstab die zwischen dem kon-kreten Netzbetreiber und dem konkreten Netzeigentümerhypothetische „große Netzgesellschaft“225 (vgl. oben Rdn152).

Im Folgenden sollen nur die CAPEX des Verpächters behan-delt werden, die über den Pachtzins abgegolten und erstattetwerden können.226

Pachtgegenstandsbezogene kalkulatorischeAbschreibungen (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 6 Strom-/GasNEV)

219 Wäre der Betreiber Eigentümer der gepachteten Anlagen(große Netzgesellschaft), wären ihm diese Anlagegüter kalku-latorisch zugeordnet. Er könnte für diese Anlagegüter kalku-latorische Abschreibungen (§ 6 Strom-/GasNEV) beanspru-chen. Weil er nicht Eigentümer ist, kann der Netzbetreibernun einen – den kalkulatorischen Abschreibungen dergepachteten Anlagegüter entsprechenden – Pachtzinsteilgemäß § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 6 Strom-/GasNEV erstat-tet verlangen.

220 Hat der Netzbetreiber die Anlagen seines Netzes von ver-schiedenen Eigentümern gepachtet, ändert dies an derBerechnungsweise im Prinzip nichts. Die kalkulatorischenAbschreibungen lassen sich anlagenscharf abgrenzen.

Pachtgegenstandsbezogene kalkulatorische EK-Verzinsung (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 7 Strom-/GasNEV)

221 Wenn der Betreiber Eigentümer der gepachteten Anlagenwäre (große Netzgesellschaft), wären ihm auch die Restwertedes auf diese gepachteten Anlagen bezogenen Sachanlagever-mögens und andere Bestandteile des betriebsnotwendigenVermögens (Umlaufvermögen) kalkulatorisch zugeordnet.Selbstverständlich würde sich dann in seinem Vermögen auchAbzugskapital sowie verzinsliches Fremdkapital (§ 7 Abs. 2Strom-/GasNEV) befinden, das beim Netzbetrieb (großeNetzgesellschaft) nun einmal entsteht. Auf das sich aus dieserDifferenz ergebene – auf den Pachtgegenstand (große Netzge-sellschaft) bezogene – betriebsnotwendige Eigenkapital(bnEK) könnte der Netzbetreiber, wenn er wirklich selbstEigentümer der gepachteten Anlagen wäre, eine kalkulatori-sche EK-Verzinsung (§ 7 Strom-/GasNEV) beanspruchen.Weil er nicht Eigentümer dieser Anlagen ist, kann der Netz-betreiber nun einen – dieser kalkulatorischen EK-Verzinsungentsprechenden – Pachtzinsteil (§ 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m.§ 6 Strom-/GasNEV) verlangen.

222 Da ein Netzbetreiber, selbst wenn er die Anlagen seines Net-zes zum Großteil pachtet, auch über eigenes betriebsnotwen-diges Vermögen (möglicherweise über eigenes Sachanlagever-mögen an anderen Anlagen des Netzes – jedenfalls aber übereigenes Umlaufvermögen etc.) verfügt, kann er hierauf bezo-gen nach § 7 Strom-/GasNEV selbstverständlich auch eineeigene kalkulatorische EK-Verzinsung für sich verlangen.227

Im Gegensatz zur Regulierungspraxis und Rechtsprechungdes BGH wird bei der Berechnung der entsprechenden Ver-zinsungsbasis (bnEK) nun aber nicht das volle Abzugskapital

a.

b.

und verzinsliche Fremdkapital, das dem Vermögen des Netz-betreibers gegenübersteht und diesem bilanziell zugeordnetist, in Abzug gebracht. Vielmehr kann nur noch der Teil desgesamten Abzugskapitals berücksichtigt werden, der nochnicht bei der Berechnung der EK-Verzinsung in Ansatzgebracht wurde, die für die gepachteten Anlagen i.R.d. Pacht-zinsberechnung (hypothetische große Netzgesellschaft) ver-langt werden kann.

223Das gesamte Abzugskapital von Netzeigentümer und Netzbe-treiber wird somit aufgeteilt. Im Rahmen der Berechnung derauf den Pachtgegenstand (hypothetische große Netzgesell-schaft) bezogenen EK-Verzinsungsbasis („Pachtzins-bnEK“)wird derjenige Anteil am gesamten Abzugskapital und ver-zinsliches Fremdkapitals in Ansatz gebracht, der dem Anteildes betriebsnotwendigen Vermögens des Netzeigentümers amgesamten betriebsnotwendigen Vermögen von Netzeigentü-mer und Netzbetreiber entspricht. Mit dieser Berechnungs-weise werden sämtliche i.R.d. § 7 Abs. 1 und 2 Strom-/GasNEV kalkulatorisch relevanten Vermögensbestandteilevon Netzbetreiber und Netzeigentümer vollständig erfasst; soauch das virulente Abzugskapital.

224In Summe ergibt das pachtgegenstandsbezogene bnEK(„Pachtzins-bnEK“) und das bnEK des Netzbetreibers genaudie EK-Verzinsungsbasis die eine große Netzgesellschafthätte, der alle Anlagen des Netzes, alle anderen Bestandteiledes betriebsnotwendigen Vermögens und auch das gesamteAbzugskapital samt verzinslichen Fremdkapitals kalkulato-risch zugeordnet sind.

225Durch diese Berechnungsweise ist ausgeschlossen, dass esanlässlich der Netzpacht zu einer höheren Kostenanerken-nung und mithin zu einer Netzentgelterhöhung kommen. DerAnsatz einer negativen EK-Verzinsung als außergesetzlichenAbzugsposten ist hierbei nicht erforderlich. Dem Netzeigen-tümer wird über den Pachtzins eine EK-Verzinsung zugestan-den, die der einer großen Netzgesellschaft entspricht. Diezweckwidrigen Friktionen, die durch die Regulierungspraxisentstehen (vgl. oben Rdn. 171 ff.) bleiben aus.

Berechnung der EK-Verzinsungsbasis (bnEK)Betriebsnotwendiges Vermögen (bnV)

226Das betriebsnotwendige Vermögen der auf den Pachtgegen-stand bezogenen hypothetischen „großen Netzgesellschaft“

aa.(1.)

225 Mit der Bezeichnung „große Netzgesellschaft“ ist im vorliegendenKontext ein Netzbetreiber gemeint, der zugleich auch Eigentümerder betreffenden Netzanlagen ist. Die Frage des Dienstleistungs-modells (Bestand an eigenem Personal) wird aus Vereinfachungs-gründen ausgeblendet.

226 Das bedeutet indes nicht, dass mit dem Pachtzins ausschließlichnur die CAPEX des Verpächters abgegolten werden darf. DieseBeschränkung kann § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV nicht entnommenwerden. Richtigerweise sind dem Verpächter – soweit er wie regel-mäßig nach dem Pachtvertrag zur laufenden Instandhaltung ver-pflichtet ist – auch auf den Pachtgegenstand bezogene aufwands-gleiche Kosten (OPEX) nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 5 Strom-/GasNEV über den Pachtzins zu erstatten. Die betrifft z.B. Material-kosten für Fremdleistungen (Tiefbauleistungen im Rahmen derInstandhaltung/-setzung); Personalkosten; Betriebssteuern (z.B.Grundsteuer, KfZ-Steuer) und sonstige betriebliche Aufwendun-gen (z.B. Reisekosten, Übernachtungskosten, Leasingraten fürgeleaste Vermögensgegenstände).

227 Dazu unten Rdn. 232 ff.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 95

umfasst folgende Vermögensbestandteile des Netzeigentü-mers (§ 7 Abs. 1 Strom-/GasNEV)228:

– kalkulatorische Restwerte des Sachanlagevermögens desNetzeigentümers (sämtliche aktivierten Netzbestandteilesowie das sonstige aktivierte, dem Netzbetrieb die-nende Sachanlagevermögen (z.B. Server, Notebooks,Fuhrpark)229

– aktiviertes Finanzanlagevermögen des Netzeigentümers(z.B. Mitarbeiterdarlehen, sog. Ausleihungen230), soweitbetriebsnotwendig

– betriebsnotwendiges231 Umlaufvermögen des Netzeigen-tümers

227 Hat der Netzbetreiber die Anlagen seines Netzes von ver-schiedenen Eigentümern gepachtet, ändert dies an derBerechnungsweise im Prinzip nichts. Für jeden Netzeigentü-mer ist das betriebsnotwendige Vermögen zu ermitteln.

AbzugspostenKalkulatorisch zugeordnetes Abzugskapital

228 Vom o.g. betriebsnotwendigen Vermögen in Abzug zu brin-gen ist das Abzugskapital, das dem (jeweiligen) Netzeigentü-mer als Bestandteil der hypothetischen „großen Netzgesell-schaft“ kalkulatorisch zuzuordnen ist. Es handelt sich umden Anteil an der Gesamtsumme aus dem bilanziell je demNetzeigentümer/den Netzeigentümern und dem Netzbetrei-ber zugeordneten Abzugskapital (Abzugskapital der „großenNetzgesellschaft“). Der Anteil, der kalkulatorisch auf denjeweiligen Netzeigentümer im Rahmen der Pachtzinsaner-kennung entfällt, ergibt sich aus dem Anteil des betriebsnot-wendigen Vermögens des betreffenden Netzeigentümers ander Gesamtsumme des betriebsnotwendigen Vermögensdes/der Netzeigentümer/s und des Netzbetreibers (betriebs-notwendiges Vermögen der hypothetischen „großen Netz-gesellschaft“).

229 Die beschriebene kalkulatorische Aufteilung des Abzugskapi-tals führt praktisch dazu, dass das jeweilige wirtschaftlicheErgebnis aller Unternehmen, die am konkreten Pachtmodell(an der hypothetischen großen Netzgesellschaft) beteiligtsind, wechselseitig beeinflusst wird. Dass dies für die einzel-nen Unternehmen232 – in Abhängigkeit ihres eigenen Bestan-des an Abzugskapital – entweder von Vorteil oder von Nach-teil sein kann und insofern die Frage der eigenen betriebs-wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der Eingehung eines Pacht-modells mit den jeweils anderen Unternehmen genau geprüftwerden muss, ändert allerdings nichts an der skizierten ent-geltregulatorischen Behandlung, die lediglich eine Gleichstel-lung des Pachtmodells mit dem Modell der realen großenNetzgesellschaft anstreben soll.

Kalkulatorisch zugeordnetes verzinsliches Fremdkapital230 Die kalkulatorische Zuordnung des verzinslichen Fremdkapi-

tals als Abzugsposten erfolgt in gleicher Weise wie die kalku-latorische Zuordnung des Abzugskapitals.

Anwendung der festgelegten EK-Zinssätze231 Mit Blick auf die Anwendung der festgelegten EK-Zinssätze

ergeben sich keine Besonderheiten im Pachtmodell.

(2.)(a.)

(b.)

bb.

Pachtbezogene kalkulatorische Gewerbesteuer (§ 5i.V.m. § 4 Abs. 5 i.V.m. § 8 Strom-/GasNEV

Die kalkulatorische Gewerbesteuer ist schließlich durchAnwendung eines kalkulatorischen Gewerbesteuersatzes aufder Grundlage der o.g. kalkulatorischen Eigenkapitalverzin-sung ohne Berücksichtigung von Scheingewinnen sowie Hin-zurechnungen und Kürzungen nach §§ 8, 9 GewStG zuermitteln.233

Verzinsung des vom Netzbetreiber eingesetztenEigenkapitals (CAPEX) – Berechnung derkalkulatorischen EK-Verzinsung nach § 7 Strom-/GasNEV

232Vom Pachtgegenstand getrennt wird die kalkulatorische EK-Verzinsung des Netzbetreibers berechnet.

Berechnung der EK-Verzinsungsbasis (bnEK) desNetzbetreibersBetriebsnotwendige Vermögen (bnV) des Netzbetreibers

233Das fragliche betriebsnotwendige Vermögen umfasst fol-gende Vermögensbestandteile des Netzbetreibers:

– kalkulatorische Restwerte des Sachanlagevermögens desNetzbetreibers (sämtliche aktivierten Netzbestandteilesowie das sonstige aktivierte, dem Netzbetrieb dienendeSachanlagevermögen (z.B. Server, Notebooks, Fuhrpark)

– aktiviertes Finanzanlagevermögen des Netzbetreibers(z.B. Mitarbeiterdarlehen, sog. Ausleihungen), soweitbetriebsnotwendig

– betriebsnotwendiges Umlaufvermögen des Netzbetreibers

AbzugspostenDem Netzbetreiber kalkulatorisch zugeordnetes Abzugskapital

234Im Gegensatz zur Regulierungspraxis ist bei dieser Kosten-position allerdings nicht das gesamte Abzugskapital anzu-setzen, dass sich bilanziell im Vermögen des Netzbetrei-bers befindet. Kalkulatorisch ist dem Netzbetreiber vielmehrnur derjenige Anteil am gesamten Abzugskapital der „gro-ßen Netzgesellschaft“ (Netzeigentümer und Netzbetreiber)zuzuordnen bzw. in Abzug zu bringen, der dem Anteildes betriebsnotwendigen Vermögens des Netzbetreibers amgesamten betriebsnotwendigen Vermögen des/der Netzeigen-tümer/s und des Netzbetreibers („große Netzgesellschaft“)entspricht. Es handelt sich um den Anteil am gesamtenAbzugskapital, der noch nicht im Rahmen der Berechnungder Pachtzinsanerkennung (dort Berechnung der EK-Verzin-sungsbasis) in Ansatz gebracht wurde (Rdn. 222, 228). DerAnsatz einer negativen EK-Verzinsung ist damit (schon rech-nerisch) ausgeschlossen.

c.

2.

a.

aa.

bb.(1.)

228 Zum Ganzen: vgl. auch Fabritius, in: Elspas/Graßmann/Rasbach,EnWG, StromNEV/GasNEV, § 7 Rn. 4 ff.

229 Weite Beispiele für typisches Anlagevermögen: Schubert/F. Huber,in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 247 Rn. 350 ff.

230 Vgl. auch Schubert/F. Huber, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar,12. Aufl. 2020, § 247 Rn. 357.

231 Dazu Heim/Schwintowski/Sauer/Meyer/Vogel, Das Konzept derwettbewerbsanalogen Ermittlung des betriebsnotwendigenUmlaufvermögens, EWeRK 2018, S. 153-166.

232 Den/die Netzbetreiber und den Netzbetreiber.233 So ausdrücklich OLG Bamberg, Beschl.v. 26.10.2007 – VA 1/06

(Kart), BeckRS 2007, 19022, Rdn. 147 m.w.N.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

96 EWeRK 2/2020

Dem Netzbetreiber kalkulatorisch zugeordnetes verzinslichesFremdkapital des Netzbetreibers

235 Die kalkulatorische Zuordnung des verzinslichen Fremdka-pitals als Abzugsposten erfolgt in gleicher Weise wie diekalkulatorische Zuordnung des Abzugskapitals.

Anwendung der festgelegten EK-ZinssätzeMit Blick auf die Anwendung der festgelegten EK-Zinssätzeergeben sich keine Besonderheiten im Pachtmodell. Weil einenegative EK-Verzinsung schon rechnerisch ausscheidet, istdie Frage, welcher EK-Zinssatz anzuwenden wäre, obsolet.

(2.)

b.

Rechenbeispiele236Die nachfolgenden Rechenbeispiele verdeutlichen die Effekte

der bisherigen Regulierungspraxis (BNetzA-Berechnung)einerseits und die Effekte der in dieser Studie erläutertenzweck- bzw. rechtskonformen Berechnungsweise.

Zu den Prämissen der Berechnung: vgl. bereits Rdn. 129.

3.

Vergleichspaar 1a.

Fall: 1) EK Quote > 40% 2) EK Quote = 40% 3) EK Quote < 40%

Bilanz integriert A P A P A P

AV bzw. EK 100 65 100 44 100 22

UV bzw. FK (verzinslich)10 45 10 66 10 88

Bilanz Pächter A P A P A P

AV bzw. EK 25 -7 25 -17 25 -35

UV bzw. FK (verzinslich)8 40 8 50 8 68

Bilanz Verpächter

AV bzw. EK 75 72 75 61 75 57

UV bzw. FK (verzinslich)2 5 2 16 2 20

BNetzA-Berechnung

237

aa.

NEV Berechnung NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 77 33 110 77 33 110 77 33

Abzug 45 5 40 66 16 50 88 20 68

bnEK 65 72 -7 44 61 -17 22 57 -35

bnEK ( 40% max) 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2

bnEK < 40% 44 30,8 -7 44 30,8 -17 22 30,8 -35

bnEK > 40% 21 41,2 0 0 30,2 0 0 26,2 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 3,71 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 21 3% 0,63 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 2,902 1,872 0,492

davon PächterSumme -0,49 -1,19 -2,45

EK I < 40% -7 7% -0,49 -17 7% 0,682 -35 7% -2,45

EK II > 40% 0 3% 0 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 3,392 3,062 2,942

EK I < 40% 30,8 7% 2,156 30,8 7% 2,156 30,8 7% 2,156

EK II > 40% 41,2 3% 1,236 30,2 3% 0,906 26,2 3% 0,786

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe -0,81 -1,21 -1,05

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 97

Rechtskonforme Berechnung

238

bb.

NEV Berechnung NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 77 33 110 77 33 110 77 33

Abzug 45 31,5 13,5 66 46,2 19,8 88 61,6 26,4

bnEK 65 45,5 19,5 44 30,8 13,2 22 15,4 6,6

bnEK ( 40% max) 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2

bnEK < 40% 44 30,8 13,2 44 30,8 13,2 22 15,4 6,6

bnEK > 40% 21 14,7 6,3 0 0 0 0 0 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 3,71 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 21 3% 0,63 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 3,71 3,08 1,54

davon PächterSumme 1,113 0,924 0,462

EK I < 40% 13,2 7% 0,924 13,2 7% 0,924 6,6 7% 0,462

EK II > 40% 6,3 3% 0,189 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 2,597 2,156 1,078

EK I < 40% 30,8 7% 2,156 30,8 7% 2,156 15,4 7% 1,078

EK II > 40% 14,7 3% 0,441 0 3% 0 0 3% 0

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe 0,00 0,00 0,00

Vergleichspaar 2b.

Fall: 1) EK Quote > 40% 2) EK Quote = 40% 3) EK Quote < 40%

Bilanz integriert A P A P A P

AV bzw. EK 100 99 100 44 100 22

UV bzw. FK (verzinslich) 10 11 10 66 10 88

Bilanz Pächter A P A P A P

AV bzw. EK 0 -1 0 -56 0 -78

UV bzw. FK (verzinslich) 10 11 10 66 10 88

Bilanz Verpächter

AV bzw. EK 100 100 100 100 100 100

UV bzw. FK (verzinslich) 0 0 0 0 0 0

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

98 EWeRK 2/2020

BNetzA-Berechnung

239

aa.

NEV Berechnung NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 100 10 110 100 10 110 100 10

Abzug 11 0 11 66 0 66 88 0 88

bnEK 99 100 -1 44 100 -56 22 100 -78

bnEK ( 40% max) 44 40 4 44 40 4 44 40 4

bnEK < 40% 44 40 -1 44 40 -56 22 40 -78

bnEK > 40% 55 60 0 0 60 0 0 60 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 4,73 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 55 3% 1,65 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 4,53 0,68 -0,86

davon PächterSumme -0,07 -3,92 -5,46

EK I < 40% -1 7% -0,07 -56 7% -3,92 -78 7% -5,46

EK II > 40% 0 3% 0 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 4,6 4,6 4,6

EK I < 40% 40 7% 2,8 40 7% 2,8 40 7% 2,8

EK II > 40% 60 3% 1,8 60 3% 1,8 60 3% 1,8

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe -0,20 -2,40 -2,40

Rechtskonforme Berechnung

240

bb.

NEV Berechnung (überschlägig) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 110 100 10 110 100 10 110 100 10

Abzug 11 10 1 66 60 6 88 80 8

bnEK 99 90 9 44 40 4 22 20 2

bnEK ( 40% max) 44 40 4 44 40 4 44 20 4

bnEK < 40% 44 40 4 44 40 4 22 20 2

bnEK > 40% 55 50 5 0 0 0 0 0 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 4,73 3,08 1,54

EK I < 40% 44 7% 3,08 44 7% 3,08 22 7% 1,54

EK II > 40% 55 3% 1,65 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 4,73 3,08 1,54

davon Pächter Summe 0,43 0,28 0,14

EK I < 40% 4 7% 0,28 4 7% 0,28 2 7% 0,14

EK II > 40% 5 3% 0,15 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 4,3 2,8 1,4

EK I < 40% 40 7% 2,8 40 7% 2,8 20 7% 1,4

EK II > 40% 50 3% 1,5 0 3% 0 0 3% 0

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe 0,00 0,00 0,00

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 99

Vergleichspaar 3b.

Fall: 1) EK Quote > 40% 2) EK Quote = 40% 3) EK Quote < 40%

Bilanz integriert A P A P A P

AV bzw. EK 100 70 100 46 100 25

UV bzw. FK (verzinslich) 15 45 15 69 15 90

Bilanz Pächter A P A P A P

AV bzw. EK 20 -10 25 -20 27 -35

UV bzw. FK (verzinslich) 10 40 10 55 8 70

Bilanz Verpächter

AV bzw. EK 80 80 75 66 78 60

UV bzw. FK (verzinslich) 5 5 5 14 2 20

BNetzA-Berechnung

241

aa.

NEV Berechnung NB integ. A) Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 115 85 30 115 80 35 115 80 35

Abzug 45 5 40 69 14 55 90 20 70

bnEK 70 80 -10 46 66 -20 25 60 -35

bnEK ( 40% max) 46 34 12 46 32 14 46 32 13,6

bnEK < 40% 46 34 -10 46 32 -20 25 32 -35

bnEK > 40% 24 46 0 0 34 0 0 28 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 3,94 3,22 1,75

EK I < 40% 46 7% 3,22 46 7% 3,22 25 7% 1,75

EK II > 40% 24 3% 0,72 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 3,06 1,86 0,63

davon Pächter Summe -0,7 -1,4 -2,45

EK I < 40% -10 7% -0,7 -20 7% -1,4 -35 7% -2,45

EK II > 40% 0 3% 0 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 3,76 3,26 3,08

EK I < 40% 34 7% 2,38 32 7% 2,24 32 7% 2,24

EK II > 40% 46 3% 1,38 34 3% 1,02 28 3% 0,84

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe -0,88 -1,36 -1,12

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

100 EWeRK 2/2020

Rechtskonforme Berechnung

242

bb.

NEV Berechnung NB integ. A) Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B) NB integ. A)Getrennt B)

VP P VP P VP P

bnV 115 85 30 115 80 35 115 80 35

Abzug 45 33,26 11,74 69 48 21 90 62,61 27,39

bnEK 70 51,74 18,26 46 32 14 25 17,39 7,61

bnEK ( 40% max) 46 34 12 46 32 14 46 32 13,6

bnEK < 40% 46 34 12 46 32 14 25 17,39 7,61

bnEK > 40% 24 17,74 6,26 0 0 0 0 0 0

Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins. Basis bnEK Zins EK Verzins.

NB integriert Summe 3,94 3,22 1,75

EK I < 40% 46 7% 3,22 46 7% 3,22 25 7% 1,75

EK II > 40% 24 3% 0,72 0 3% 0 0 3% 0

Pächt+Verpächter Summe 3,94 3,22 1,75

davon Pächter Summe 1,0278 0,98 0,5327

EK I < 40% 12 7% 0,84 14 7% 0,98 7,61 7% 0,5327

EK II > 40% 6,26 3% 0,1878 0 3% 0 0 3% 0

davon VerpächterSumme 2,9122 2,24 1,2173

EK I < 40% 34 7% 2,38 32 7% 2,24 17,39 7% 1,2173

EK II > 40% 17,74 3% 0,5322 0 3% 0 0 3% 0

Delta ((NB+VP) - NB integ. )Summe 0,00 0,00 0,00

Verfassungsrechtliche Bewertung derRegulierungspraxis

243 Den Netzbetreibern wird – unabhängig davon, ob sie auchEigentümer der Anlagen ihres Netzes sind oder diese nurpachten – sowohl in der „Regulierung des Netzbetriebs“ imEnWG als auch in anderen Regelwerken des Energierechts(z.B. im EEG, KWKG, usw.) eine Vielzahl von gesetzlich defi-nierten Netzbetreiberleistungen abverlangt. Dabei entstehenden Netzbetreibern selbstverständlich Kosten. Diese Kostensind ganz unterschiedlicher Art (u.a. Kosten für eigene oderfremde Investitionen in die Bereitstellung, den Ausbau, dieWartung und Verstärkung der Infrastruktur; Netzanschluss-kosten; Kosten für Systemdienstleistungen; Kosten für daseigene oder fremde technische Netzpersonal; Kosten für dasNetzmanagement usw.). Zur Refinanzierung ihrer Kostenwerden den Netzbetreibern im Wesentlichen vier Einnahme-quellen gesetzlich zugestanden:

– Erhebung von Netzanschlusskosten– Erhebung von Baukostenzuschüssen für die Erstellung

oder Verstärkung örtlicher Verteilungsanlagen– Erhebung von Netzentgelten für die Netzzugangsgewäh-

rung– Erhebung von Abgaben und Umlagen234

244 Im vorliegenden Kontext sind allein die Netzentgelte rele-vant. Bei den Netzentgelten handelt es sich um die regulato-risch zugestandene Gegenleistung (Kostenerstattung) fürsämtliche mit der Netzzugangsgewährung verbundenen Leis-tungen235; vereinfacht gesagt die Erstattung von Infrastruk-turkosten/Kapitalkosten (CAPEX) und operativen Kosten desNetzbetriebs (OPEX). Es gibt sogar Kosten, die den Netzbet-reibern gesetzlich abverlangt werden, die mit dem Netzbe-trieb in keinem sachlichen Zusammenhang stehen, deshalbvon den Netzbetreibern auch nicht beeinflusst werden kön-

B. nen und dennoch nur über die Netzentgelte zurückverdientwerden dürfen (z.B. Härtefallentschädigungen nach § 15EEG236, § 11 Abs. 2 Nr. 17 ARegV).

245Die Pflicht zur Erfüllung gesetzlich abverlangter Netzbetrei-beraufgaben einerseits und die Refinanzierung der damit ver-bundenen Kosten über die Netzentgelte andererseits stehen ineinem verfassungsrechtlichen Bedingungszusammenhang.Die besagten Pflichten können den Netzbetreibern nur dannverfassungskonform abverlangt werden, wenn ihnen auch dieRefinanzierung der damit verbundenen Kosten gestattetwird. Das Recht der Netzbetreiber bestimmte gesetzlicheAufgaben aus Gründen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeitzu verweigern, sind Ausdruck des verfassungsrechtlichen Ver-hältnismäßigkeitsprinzips (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 EnWG237;§ 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 18 Abs. 1Satz 2 EnWG; § 20 Abs. 1b Satz 5 und 7238; § 20 Abs. 2Satz 1 EnWG239). Die Netzbetreiber können nicht gezwungen

234 Energiewirtschaftlichen Abgaben und Umlagen, die von den Netz-betreibern erhoben werden dürfen, beruhen ihrerseits auf einervorgelagerten – gesetzlich angeordneten oder vertraglich verein-barten – Kostentragung der Netzbetreiber. Die Netzbetreiber fun-gierten hier gewissermaßen als Zahlstelle (z.B. KWK-Umlage, EEG-Umlage, § 19 Abs. 2 StromNEV-Umlage, AbLaV-Umlage, Offshore-Umlage, Konzessionsabgaben). Diese Abgaben und Umlagen sindnicht Bestandteile des Netzentgeltes, sondern werden nur anläss-lich der Netzentgelterhebung (mit-)vereinnahmt. Vgl. BGH, Beschl.v. 20.06.2017 – EnVR 24/16 – „Netzentgeltbefreiung III“.

235 z.B. Bereitstellung und ggf. Ausbau der erforderlichen Netzinfra-struktur bzw. -kapazität; Verlustenergie-ausgleich; bilanzierungs-technische Dienstleistungen; Systemdienstleistungen; Koopera-tion mit anderen Netzbetreibern; zum Ganzen: vgl. Sauer, in:Elpas/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 20 Rn. 40.

236 Künftig § 13a EnWG.237 Rauch, in: Elpas/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 11 Rn. 58.238 Neveling, in: Danner/Theobald, Kommentar zum Energierecht,

§ 20 Abs. 1b EnWG, Rn. 76, 77 (Stand: 7/2007); Sauer, in: Elpas/Graß-mann/Rasbach, EnWG, § 20 Rn. 214.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 101

werden, durch die Erfüllung der ihnen gesetzlich abverlang-ten Aufgaben unverhältnismäßige (ökonomische) Nachteilein Kauf zu nehmen. Davon ausgehend soll deshalb auch nach§ 1 Abs. 2, § 21 Abs. 2 und § 24 Satz 2 Nr. 4 Buchst. c)EnWG im Rahmen der Netzentgeltregulierung gewährleistetwerden, dass die entsprechenden Kosten der Netzbetriebs-führung tatsächlich erstattet werden und überdies das fürNetzinvestitionen eingesetzte Kapital angemessen verzinstwird (sog. kostenorientierte Entgeltbildung). Ohne diese Kos-tenerstattung würden die gesetzlichen Netzbetreiberpflichtenunverhältnismäßig in die Grundrechte der Netzbetreiber ausArt. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen und ebendiese Grundrechte verletzen. Kurzum: Regulatorische Ein-griffe in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Netzbet-reibers sind nur dann hinnehmbar, wenn und soweit eine(mindestens) kostendeckende Vergütung für die Zurverfü-gungstellung des Netzes und seiner Dienste gewährt wird.

246 Weil es sich bei den Netzbetreibern um natürliche Monopolehandelt, die keinem Wettbewerbs- und insofern auch keinemKostendruck ausgeliefert sind, hat der Gesetzgeber im Inter-esse der Netznutzer sowie zur Eröffnung und zum Schutz desvor- und nachgelagerten Wettbewerbs Korrekturfaktorengeregelt und damit angeordnet, dass den Netzbetreibern keinVollkostenersatz zu gewähren ist, sondern nur solche Kosten(Verzinsungen) erstattet werden, die effizient und wettbe-werbsanalog sind (sog. „Kostenregulierung mit Effizienz-maßstab und wettbewerblichen Elementen“ oder schlichter„(effizienz-)kostenorientierte Entgeltbildung“; zum Ganzen:vgl. oben Rdn. 171 ff.). Es bestehen keine Zweifel daran, dassdieses gesetzliche Konzept der (effizienz-)kostenorientiertenEntgeltbildung verfassungsgemäß ist.

247 Die Regulierungspraxis und die – diese Praxis bestätigende –Rechtsprechung des BGH führen allerdings dazu, dass entge-gen des gesetzlichen Konzepts der (effizienz-)kostenorientier-ten Entgeltbildung:

– durch die Schaffung eines – nicht erforderlichen – außer-gesetzlichen Abzugspostens (negative EK-Verzinsung)einem Netzbetreiber, der lediglich Pächter der Anla-gen seines Netzes ist, nicht mehr sämtliche effizienteund wettbewerbsanaloge Kosten (OPEX) seiner Netzbet-riebsführung erstattet werden; was dessen wirtschaftli-che Leistungsfähigkeit einschränkt und seine wirtschaftli-che Überlebensfähigkeit von der Verlusttragung andererUnternehmen abhängig macht.

– durch die Bezifferung der Höhe des außergesetzlichenAbzugspostens der negativen EK-Verzinsung240 die –selbst durch die Entflechtungsregeln noch belassene –Freiheit zur unternehmerischen Gestaltung des Netzbet-riebs beschränkt wird, indem die Ertragsmöglichen imPachtmodell in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlichschlechter gestellt werden als die Erbringung des Netzbet-riebs i.R. einer großen Netzgesellschaft.

Bei kursorischer Prüfung werden mit dieser Regulierungspra-xis und Rechtsprechung EVU, die sich mehrheitlich in Privat-besitz befinden, in ihren Grundrechten verletzt. Zugleich ist

die Annahme eines Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebotdes Grundgesetzes begründet.

Verletzung der Grundrechte privater Netzbetreiber(Netzpächter) durch die Regulierungspraxis undRechtsprechung des BGH

248Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts (BVerfG) werden gemischtwirtschaftlicheUnternehmen, die sich in staatlichem (kommunalem) Mehr-heitsbesitz oder sonstiger Beherrschung der öffentlichenHand befinden, bei der Wahrnehmung „öffentlicher Aufga-ben“ nicht als grundrechtsberechtigt angesehen. Auchgemischt-wirtschaftliche Energieversorgungsunternehmenund insbesondere Netzbetreiber in kommunalen Mehrheits-besitz sollen sich bei der Wahrnehmen der Aufgabe der Ener-gieversorgung auf materielle Grundrechte nicht berufen kön-nen.241 Sie sind im Hinblick auf die von ihr geltend gemach-ten Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 3 GG nicht grundrechts-fähig.242 Die folgende verfassungsrechtliche Bewertungbetrifft insoweit EVU in privatem Mehrheitsbesitz, denenauch nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtseine Grundrechtsfähigkeit zusteht.

Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)249Indem die Regulierungspraxis und die Rechtsprechung des

BGH entgegen dem gesetzlichen Konzept der (effizienz-)kos-tenorientierten Entgeltbildung mit der negativen EK-Verzin-sung einen außergesetzlichen Abzugsposten in der Netzkoste-nermittlung schafft und in Rechnung stellt, der dazu führt,dass der betroffene Netzbetreiber (Pächter) daran gehindertwird, eine vollständige Erstattung sämtlicher effizienter undwettbewerbsanaloger Kosten243, die ihm durch die Erfüllungseiner gesetzlich abverlangten Netzbetreiberaufgaben entste-hen, über die Netzentgelterhebung zu verlangen, wird seinGrundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ver-letzt.

I.

1.

239 Sauer, in: Elpas/Graßmann/Rasbach, EnWG, § 20 Rn. 273.240 Sog. Zinsimparität: vgl. Rdn. 55. 138.241 BVerfG, Kammerbeschluss v. 16.05.1989 – 1 BvR 705/88, NJW 1990,

S. 1783 ff. (Hamburgische Electricitätswerke AG (HEW) mit 72%Anteilsbesitz der Stadt Hamburg – keine Grundrechtsberechtigung(Art. 14 GG); BVerfG, Beschl. v. 18.05.2009 – 1 BvR 1731/05, Strom-netzbetreiber, Energieversorgungsunternehmen RdE 2009,S. 252 ff. (Anteil der Stadt Frankfurt a.M. von über 75%); a.A.Schmidt-Preuß, in: Säcker, Berl.Komm.EnR, Band 1, Teil 1, C. Rn. 209.

242 Zum Ganzen: Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-Konzessionsverträgen im EnWG, 2012, S. 349 ff.

243 Die negative EK-Verzinsung senkt (weil mit negativem Vorzeichen)als Subtrahend bei der Ermittlung (Addition) der aufwandsglei-chen und kalkulatorischen Netzkosten das Ausgangsniveau fürdie EOG-Bestimmung. M.a.W. wirkt die kalkulatorische Kostenposi-tion der EK-Verzinsung, wenn sie einen negativen Wert annimmt(negative EK-Verzinsung), als Abzugsposten bei der Netzkostener-mittlung und führt im Ergebnis dazu, dass der Netzbetreiberandere (aufwandsgleiche oder kalkulatorische) Kosten – selbstwenn diese effiziente Kosten darstellen – nicht in voller Höhein die EOG einstellen kann und damit nicht in voller Höhe erstat-tet bekommt. Von dem in der Regulierungspraxis vergleichsweisehöher anerkannten Pachtzins hat der Netzbetreiber nichts, weil erdieser Pachtzins an den Netzeigentümer abgeführt werden mussund nicht zur Deckung seiner übrigen Kosten eingesetzt werdenkann.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

102 EWeRK 2/2020

250 Art. 12 GG schützt die freie berufliche Betätigung, also jedeauf Dauer angelegte, erlaubte Tätigkeit, die der Schaffungsowie Erhaltung der Lebensgrundlage dient.244 Über Art. 19Abs. 3 GG ist auch die unternehmerische Tätigkeit juristi-scher Personen (in privatem Mehrheits-besitz) geschützt. DieTätigkeit als Betreiber von Energieversorgungsnetzen i.S.d.§ 3 Nr. 4 EnWG ist insoweit als berufliche Betätigung durchArt. 12 Abs. 1 GG geschützt.245

251 In seiner abwehrrechtlichen Ausprägung gewährt das Grund-recht der Berufsfreiheit ein Recht gegen staatliche Maßnah-men, die den grundrechtlich gewährleisteten Gestaltungs-spielraum beruflicher Betätigung und Selbstentfaltung desGrundrechtsträgers verkürzen. Einen Eingriff in Art. 12Abs. 1 GG begründet folglich jede staatliche (exekutive, legis-lative oder judikative) Maßnahme, die gezielt oder objektivtendenziell die Freiheit, eine grundrechtlich geschützte beruf-liche Tätigkeit in der gewünschten Weise zu wählen und aus-zuüben, unterbindet oder beeinträchtigt.246 In Abgrenzung zuEingriffen in die nach Art. 14 GG geschützte Eigentumsga-rantie betreffen Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1GG) solche, die nicht das Erworbene als Ergebnis wirtschaft-licher Betätigung, sondern den Erwerb als solchen schüt-zen.247

252 Ohne Zweifel greifen bereits die vom Gesetz- und Verord-nungsgeber erlassenen Regeln der (effizienz-)kostenorientier-ten Entgeltbildung248 (als Preisreglementierungen) in dieErwerbstätigkeit und damit in die Berufsfreiheit der Netzbe-treiber ein. Die Verfassungskonformität dieser Vorschriftensteht hier aber nicht zur Debatte. § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVerlaubt bei richtiger Auslegung eine sachgerechte Lösung imPachtmodell (Rdn. 217 ff.). Das Problem besteht vielmehrdarin, dass die Regulierungspraxis und die Rechtsprechungdes BGH einen gesetzlich gar nicht vorgesehenen Abzugspos-ten (negative EK-Verzinsung) geschaffen hat. Damitbeschränkt die Regulierungspraxis und die Rechtsprechungdes BGH das den Netzbetreibern zustehende Recht aufErstattung der Kosten, die ihnen in Erfüllung ihrer gesetzli-chen und vertraglichen Aufgaben und Pflichten entstehen.Dies betrifft Netzbetreiber, die die meisten Anlagen ihres Net-zes – in (entflechtungs-)rechtlich erlaubter Weise – gepachtethaben und deshalb nicht oder nur kaum über eigenes Sacha-nlagevermögen verfügen. Weil diesen Netzbetreibern damitim Ergebnis verwehrt wird, sämtliche (effiziente) Kosten überdie Erhebung von Netzentgelten zu refinanzieren, wird ihrewirtschaftliche Leistungsfähigkeit und finanzielle Ausstat-tung untergraben; mit der Folge, dass diese Unternehmensogar von der Verlusttragung anderer Unternehmen abhängigsein können. Damit werden die Netzbetreiber schlechter alsUnternehmen behandelt, die sich im Wettbewerb zu bewäh-ren haben, eine fast absurde Erkenntnis. Es können keineZweifel daran bestehen, dass damit durch staatliche Maß-nahmen (hier exekutiv durch die Regulierungsbehörden undjudikativ durch die Rechtsprechung des BGH) unmittelbar indie berufliche Freiheit und geschützte Erwerbstätigkeit derbetroffenen Netzbetreiber als eigenständige Unternehmeneingriffen wird.

253Die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit (Verhältnismäßig-keit) von Eingriffen in die Berufs-freiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)ist nach einem gestuften System zu bewerten.249 „Preisregle-mentierungen“ sind typischerweise als Berufsausübungsrege-lung zu bewerten. Sie stellen die Ausübung der Erwerbstätig-keit (hier den Netzbetrieb) nicht als solches in Frage, sondernunterwerfen die Wahrnehmung dieser Betätigung spezifischenBedingungen.250 Selbstverständlich greifen exekutive undjudikative Entscheidungen über (Höchst-)Preise und Einnah-memöglichkeiten, die durch eine berufliche Tätigkeit erzieltwerden können und damit auch auf die Existenzerhaltungder Unternehmen von nicht unerheblichem Einfluss sind, indie Freiheit der Berufsausübung ein.251 So hat das BVerfG inseiner Vattenfall-Entscheidung festgestellt, dass die Berufs-freiheit auch die Freiheit umfasst, „das Entgelt für beruflicheLeistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessentenauszuhandeln.“252 Staatliche Vergütungs- und Preisvorgaben,die Einfluss auf die im Rahmen der beruflichen Betätigungerzielbaren Einnahmen nehmen, stellen demgemäß einen Ein-griff in die Freiheit der Berufsausübung dar.253 Geschützt istdamit insbesondere die Sicherung des Gesamtaufkommensdurch die Bestimmung des Preisniveaus.

254Ungeachtet der Frage, ob eine Preisreglementierung – hierin Gestalt eines außergesetzlichen Abzugsposten in einerkostenorientierten Entgeltbildung – überhaupt ohne einegesetzliche Grundlage vorgenommen werden darf, wäredas entsprechende Regulierungshandeln und die Rechtspre-chung des BGH als Berufsausübungsregelungen nur dannverfassungsgemäß, wenn diese durch vernünftige Gründe desGemeinwohls gerechtfertigt und im Übrigen verhältnismäßigsind.254

244 Ruffert, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (2019), Art. 12 Rn. 1.245 Hardach, Die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze

(2010), S. 106; Zu der rein akademischen und im Ergebnis abzulehn-enden Debatte der Einschränkung des Grundrechtsschutzes fürNetzbetreiber: vgl. Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- undGas-Konzessionsverträgen im EnWG, 2012, S. 327 ff.

246 Vgl. z.B. BVerfG, Beschl. v. 12.06.1990 – 1 BvR 355/86 – Krankenhaus-plan, NJW 1990, S. 2306.

247 BVerfG, Beschl. v. 08.11.1983 – 1 BvL 8/81, NVwZ 1984, S. 365; BVerfG,Urteil v. 30.07.2008 – 1 BvR 3262/07, NJW 2008, S. 2409.

248 § 21 Abs. 2 EnWG, Strom- und GasNEV.249 Begonnen hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerich-

tes 1958 mit dem sog. Apothekenurteil: BVerfG, Beschl. v.11.06.1958 – 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377ff.; heute gilt die damalsentwickelte Drei-Stufenlehre im Sinne des Verhältnismäßigkeits-prinzips weiter: BVerfG, Beschl. v. 26.02.1997 – 1 BvR 1864/94 –BVerfGE 95, 193, 214; BVerfG, Beschl. v. 19.07.2000 – 1 BvR 539/96 –BVerfGE 102, 197, 213; BVerfG, Beschl v. 28.03.2006 – 1 BvR 1054/01 –BVerfGE 115, 276, 304; BVerfG, Beschl. v. 30.07.2008 – 1 BvR 3262/07– BVerfGE 121, 317, 346.

250 BVerfG, Beschl. v. 30.03.1993 – 1 BvR 1045/89, BVerfGE, 88, 145 (159);Ludwigs, NVwZ 2008, S. 954 (957 f.); Schmidt-Preuß, Substanzer-haltung und Eigentum (2003), S. 28.

251 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 21.12.2009 – 1 BvR 2738/08;BVerfG, Beschl. v. 01.03.1978 – 1 BvR 786/70; BVerfG, Beschl. v.15.12.1999 – 1 BvR 1904/95; BVerfG, Urteil v. 17.12.2002 – 1 BvL 28/95– Arzneimittelfestbetrag.

252 BVerfG, Beschl. v. 21.12.2009 – 1 BvR 2738/08 – Vattenfall, m.w.N..253 BVerfG, Beschl. v. 21.12.2009 – 1 BvR 2738/08 – Vattenfall.254 BVerfG, Beschl. v. 13.09.2005 – 2 BvF 2/03 – Beitragssatzsicherungs-

gesetz, NVwZ 2006, 191.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 103

255 In der marktwirtschaftlichen Ordnung des Grundgesetzeswird das Ziel der Entgeltregulierung, die Sicherstellung eineswirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Energie-versorgung (§ 1 Abs. 2 EnWG) und die Preisgünstigkeit derEnergieversorgung (§ 1 Abs. 1 EnWG), als legitimes Gemein-wohlinteresse verstanden.255

256 Die exekutive und judikative Schaffung einer negativen EK-Verzinsung als außergesetzlichen Abzugsposten in der Netz-kostenermittlung muss im Weiteren aber auch verhältnismä-ßig sein. Dies ist aus verschiedenen Gründen allerdings nichtder Fall. Das mit dem Regulierungshandeln angestrebte Ziel,eine Netzentgelterhöhung im Pachtmodell zu verhindern,lässt sich auch durch die in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVgesetzlich vorgegebene Berechnungsweise (Referenzmaßstab„große Netzgesellschaft“) verwirklichen, ohne das damit diewirtschaftliche Leistungs- und Überlebensfähigkeit desbetreffenden Netzbetreibers untergraben wird und anderezweckwidrige Friktionen und Schlechterstellungen im Systemder (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung verbundenwären. Soweit die Regulierungspraxis und die Rechtspre-chung des BGH sich von dem Ziel leiten lassen sollte, weitereKostenkürzungen vorzunehmen bzw. zu ermöglichen256,wäre dem klar entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber diesesZiel abschließend durch die Schaffung gesetzlicher Korrek-turfaktoren (z.B. Ineffizienzen) geregelt und definiert hat. DieKürzung der Erstattungsfähigkeit netzbetreiberseitiger Kos-ten auf insoweit außergesetzliche Faktoren zu stützen, kannauch kein legitimes Ziel des exekutiven und judikativenRegulierungshandelns sein. Weitere Sachgründe, die dieRegulierungspraxis und die Rechtsprechung des BGH als ver-hältnismäßig erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.

Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG)257 Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG schützt die Ver-

fügungs- und Nutzungsfreiheit an vermögenswerten Rechts-positionen.257 Die Abgrenzung zur Berufsfreiheit (Art. 12Abs. 1 GG), die die Betätigung bzw. den Erwerb als solchenschützt, wird von der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1GG das Erworbene als Ergebnis wirtschaftlicher Betätigunggeschützt.258 Die Eigentumsgarantie erstreckt sich überArt. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personendes Privatrechts; damit auch auf Netzbetreiber (in privatemMehrheitsbesitz).

258 Eigentum meint „jedes vermögenswerte Recht, das demBerechtigten von der Rechtsordnung zur privaten Nutzungund zur eigenen Verfügung zugeordnet ist“.259 Der Eigen-tumsbegriff des Grundgesetzes weiter geht, als derjenige desBürgerlichen Rechts.260 Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1GG meint neben dem Sacheigentum insbesondere auch Urhe-berrechte, Aktien oder auch ganz allgemein verbriefte Rechte(wie z.B. Erbbaurechte). Verbürgt ist damit die Freiheit,Kapital und Produktionsmittel mit Gewinnerzielungsabsichteiner unternehmerischen Tätigkeit zu unterstellen.261 VonArt. 14 Abs. 1 GG geschützt sind insoweit die Produktions-,Finanzierungs-, Investitions-, Preisgestaltungs-262, Kalkulati-ons- und Vertragsfreiheit.263

2.

259Bereits durch die gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung,zum Erhalt, zum Ausbau und zum Betrieb einer leistungsfähi-gen Netzinfrastruktur (vgl. Rdn. 243 ff.) werden die Netzbe-treiber in ihrer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Investiti-onsfreiheit berührt.264 Sie haben dafür entsprechende Mittelaufzuwenden.

260Gegenstand der Entgeltregulierung ist eben diese Vergütungder Netzbetreiber für die Errichtung, den Erhalt, den Ausbauund den Betrieb der Versorgungsinfrastruktur. Der diesbe-zügliche regulatorische Rechtsrahmen265 trifft dabei abstrakt-generelle Vorgaben, wie z.B. Investitionen in die Netzanlagenund sonstige Produktionsmittel, Kosten für Personal, Kostenfür externe Dienstleister usw. vergütet werden sollen; genauergesagt, welche Erstattung die Netzbetreiber für diese ihreKosten von ihren Kunden verlangen dürfen.266 Ohne Zweifelgreifen die Regeln der (effizienz-)kostenorientierten Entgelt-bildung267 (als Preis- bzw. Kostenerstattungsreglementierun-gen) auch in die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) der Netzbe-treiber ein. Dabei handelt es sich um Inhalts- und Schranken-bestimmungen des Eigentums, deren Verfassungsgemäßheithier nicht zur Debatte steht. Erwähnt sei nur so viel: MitBlick auf den aus dem Netz(betriebs)monopol und seinerBedeutung für die Energieversorgung und den Wettbewerbfolgenden erhöhten Grad der Sozialbindung ist dem Gesetz-und Verordnungsgeber gestattet, weitreichende Maßnahmenauch mit Blick auf die Preisgestaltung des Monopols desNetzbetreibers zu treffen.268 Solche Regeln können allerdingsnur dann als verfassungsgemäß angesehen werden, soweit sieden Netzbetreibern das Recht (die Möglichkeit) auf eine nochkostendeckende Vergütung für die Bereitstellung des Netzes,für dessen Wartung und Ausbau sowie für die mit dem Netz-

255 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG (2019), Art. 2 Abs. 1 Rn. 116; Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, S. 236 (241 ff.).

256 Dazu vgl. Rdn. 125, 195.257 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG (2019), Art. 14 Rn. 160; Jarass,

in: Jarass/Pieroth, GG (2018), Art. 14 Rn. 5.258 BVerfG v. 16.03.1971 – 1 BvR 52/66 - BVerfGE 30, 292, 335; BVerfG v.

17.07.1974 – 1 BvR 51/69 – BVerfGE 38, 61, 101;; BVerfG, Beschl.v. 08.11.1983 – 1 BvL 8/81, NVwZ 1984, S. 365; BVerfG, Urteil v.30.07.2008 – 1 BvR 3262/07, NJW 2008, S. 2409; BVerfGv. 08.06.2010 – 1 BvR 2011 2959/07 - BVerfGE 126, 112, 135

259 BVerfG v. 09.01.1991 – 1 BvR 929/89 - BVerfGE 83, 201, 209; BVerfGv. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84 - 79, 174, 191.

260 So auch das BVerfG seit der Nassauskiesungsentscheidung ausdem Jahre 1981: BVerfG v. 15.07.1981 – 1 BvL 77/78 - BVerfGE 58, 300= NJW 1982, 745.

261 Schmidt-Preuß, in: Säcker (Hrsg.), Berl.Komm.EnR (2019), Band 1,Teil 1, C., Rn. 20.

262 BVerfG, Beschl. v. 13.09.2005 – 2 BvF 2/03, NVwZ 2006, 191 (199),Beitragssatzsicherungsgesetz; Badura, DVBl. 2004, 1189 (1194);Schmidt-Preuß, Substanzerhaltung und Eigentum (2003), S. 25.

263 Burgi, in: Schmidt-Preuß/Körber (Hrsg.), Regulierung und Gemein-wohl (2016), S. 143 (146 ff.); Schmidt-Preuß, in: Säcker (Hrsg.),Berl.Komm.EnR (2019), Band 1, Teil 1, C., Rn. 20.

264 Isensee/Kirchhof/Schmidt-Preuß, HbdStR IV, § 93 Rn. 42 ff..265 v.a. §§ 21, 21a EnWG; Strom-/GasNEV; ARegV.266 Die regulatorischen beschränken die Unternehmen auch unmittel-

bar in ihrer Preisbildungs- und Kalkulations-freiheit. Vgl. Holzna-gel/Schumacher, in: Holznagel/Schütz, ARegV, Einf. Rn. 248.

267 § 21 Abs. 2 EnWG, Strom- und GasNEV.268 Kühling, Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften

(2004), S. 490 f.; Holznagel/Schumacher, in: Holznagel/Schütz,ARegV, Einf. Rn. 251.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

104 EWeRK 2/2020

betrieb im Zusammenhang stehenden Betriebskosten belas-sen.

261 Die Frage, ob die Vorschriften der (effizienz-)kostenorientier-ten Entgeltbildung269 eben diese Kostenerstattung in verfas-sungsgemäßer Weise regeln, steht hier nicht in Rede. Viel-mehr hat die Regulierungspraxis und die Rechtsprechung desBGH einen gesetzlich gar nicht vorgesehenen (außergesetzli-chen) Abzugsposten – die sog. negative EK-Verzinsung –geschaffen, der dazu führt, dass den Netzbetreibern imErgebnis selbst effiziente Kosten, die ihnen beim gesetzlichabverlangten Netzbetrieb entstehen (z.B. Personalkosten,Managementkosten, Dienstleistungsentgelte, etc.), selbstnicht in vollem Umfang erstattet werden.270 Damitbeschränkt die Regulierungspraxis und die Rechtsprechungdes BGH das vermögenswerte (von Art. 14 Abs. 1 GGgeschützte) Recht des Netzbetreibers auf Kosten-erstattung,wie es ihm nach den Vorschriften der (effizienz-)kostenorien-tierten Entgelt-bildung gewährt bzw. belassen wird. FürNetzbetreiber, die neben dem pachtweisen Gebrauch vonNetzanlagen an Teilen des Netzes auch Eigentum begründethaben, beschränkt die Regulierungspraxis und Rechtspre-chung ebenfalls vermögenswerte Rechte. Hier das Recht aufeine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals, wiees dem Netzbetreiber nach den Vorschriften der (effizi-enz-)kostenorientierten Entgeltbildung gewährt wird. Diesinsofern als die EK-Verzinsungsbasis dieser Netzbetreiberdurch den unrechtmäßigen (gegen § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV verstoßenden) Ansatz einer übergroßen MengeAbzugskapitals durch die Berechnungsweis der Regulierungs-praxis und des BGH vermindert wird.

262 Es ist nicht erkennbar, dass die geschilderten Eingriffe in dieEigentumsgarantie der Netzbetreiber (Art. 14 GG) einer amMaßstab des verfassungsrechtlichen Rechtmäßig-keitsprü-fung standhalten. Dies schon deshalb, weil das mit demRegulierungshandeln und der Rechtsprechung des BGHangestrebte Ziel, eine Netzentgelterhöhung im Pachtmodellzu verhindern, sich bereits durch die in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV gesetzlich vorgegebene Berechnungsweise (Refe-renzmaßstab „große Netzgesellschaft“) verwirklichen lässt,ohne das damit das vermögenswerte Recht der Netzbetreiberauf Erstattung ihrer (effizienten) Kosten oder/und angemes-sene Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals erheblichbeschränkt wird. Zu weiteren Aspekten: vgl. Rdn. 171 ff.

263 Ob es sich bei dieser staatlichen Maßnahme nach der formal-typologisierenden Doktrin der Nassauskiesung-Entscheidungdes BVerfG271 um eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) oder –mangels Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Handoder eines sonst Enteignungsbegünstigten272 – lediglich umeine „Schrankenbestimmung“ des Eigentums (Art. 14 Abs. 1,Abs. 2 GG) handelt, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden.In jedem Fall ist der Eingriff in die Eigentumsgarantie unver-hältnismäßig und damit verfassungswidrig.

Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1GG)

264Art. 3 Abs. 1 GG enthält die allgemeine Weisung an denGesetzgeber, die Verwaltung und die Rechtsprechung bei ste-ter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken, Gleiches gleichund wesentlich Ungleiches seiner Eigenart (bestehendenUngleichheit) entsprechend verschieden zu behandeln.273

Rechtfertigungsbedürftig ist somit die unterschiedliche recht-liche Behandlung vergleichbarer Sachverhalte bzw. die undif-ferenzierte rechtliche Behandlung wesentlich ungleicherSachverhalte. Der Schutz des Gleichheitsgebots erstreckt sichüber Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Per-sonen des Privatrechts; damit auch auf Netzbetreiber (in pri-vatem Mehrheitsbesitz).274 Der sachliche Schutz- und Anwen-dungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG setzt eine Ungleichbe-handlung, das heißt eine unterschiedliche Behandlung zweiervergleichbarer Sachverhalte voraus.275 Anknüpfungspunkt istdamit die Frage, ob durch die Regulierungspraxis und dieRechtsprechung des BGH „wesentlich Gleiches“ ungleichbzw. „wesentlich Ungleiches“ gleich behandelt wird.

265Das ist hier der Fall. Indem die Regulierungspraxis und dieRechtsprechung des BGH entgegen dem gesetzlichen Kon-zept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung mit dernegativen EK-Verzinsung einen außergesetzlichen Abzugs-posten in der Netzkostenermittlung (Addition der gesetzlichvorgegebenen Kostenarten bzw. -positionen) schafft und inRechnung stellt, der dazu führt, dass der betroffene Netzbe-treiber (Pächter) daran gehindert wird, eine vollständigeErstattung sämtlicher effizienter und wettbewerbsanalogerKosten (OPEX)276, die ihm durch die Erfüllung seiner gesetz-lich abverlangten Netzbetreiberaufgaben entstehen, über dieNetzentgelterhebung zu verlangen, wird auch sein Grund-recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.Dies insofern als Netzbetreiber, die als Netzeigentümer übergenügend Sachanlagevermögen zur Deckung des Abzugska-pitals verfügen, nicht nur eine kalkulatorische EK-Verzinsunggewährt wird277, sondern auch – mangels dieses außergesetz-

3.

269 § 21 Abs. 2 EnWG, Strom- und GasNEV.270 Die negative EK-Verzinsung senkt (weil mit negativem Vorzeichen)

als Subtrahend bei der Ermittlung (Addition) der aufwandsglei-chen und kalkulatorischen Netzkosten das Ausgangsniveau fürdie EOG-Bestimmung. M.a.W. wirkt die kalkulatorische Kostenposi-tion der EK-Verzinsung, wenn sie einen negativen Wert annimmt(negative EK-Verzinsung), als Abzugsposten bei der Netzkostener-mittlung und führt im Ergebnis dazu, dass der Netzbetreiberandere (aufwandsgleiche oder kalkulatorische) Kosten – selbstwenn diese effiziente Kosten darstellen – nicht in voller Höhein die EOG einstellen kann und damit nicht in voller Höhe erstat-tet bekommt. Von dem in der Regulierungspraxis vergleichsweisehöher anerkannten Pachtzins hat der Netzbetreiber nichts, weil erdieser Pachtzins an den Netzeigentümer abgeführt werden mussund nicht zur Deckung seiner übrigen Kosten eingesetzt werdenkann.

271 BVerfG, Beschl. v. 15.07.1981 – 1 BvL 77/78, „Nassauskiesung“.272 BVerfG, Urt. v. 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11, 1 BvR 321/12, 1 BvR 1456/12,

„Atomausstieg“.273 BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, Südwestsstaat; Gubelt, in:

von Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 11 (m.w.N.).274 Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 6; Jarass, in: Jarass/

Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 7; BVerfGE 4, 7, 12; BVerfGE 41, 126, 149;Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 6.

275 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 4.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 105

lichen Abzugspostens – eine vollständige Erstattung ihreranderen effizienten und wettbewerbsanalogen Kosten(OPEX) zugestanden bzw. belassen wird. Kurzum: Nach derBerechnungsweise der Regulierungspraxis und des BGHerhalten „Netzbetreiber mit Netzeigentum“ eine vollständigeErstattung ihrer OPEX während „Netzbetreiber ohne Netzei-gentum“ keine vollständige Erstattung ihrer Kosten erhalten.

266 Technisch gesehen behandelt die Regulierungspraxis „Netz-betreiber mit Eigentum“ und „Netzbetreiber ohne Eigen-tum“ rechnerisch gleich. Sie nimmt im Pachtmodell einegetrennte kalkulatorische Berechnung von Netzeigentümerund Netzbetreiber vor. Dabei wird die kalkulatorische EK-Verzinsung für den Netzbetreiber (im Pachtmodell) unter –quasi mechanischer – Befolgung der in § 7 Abs. 1 Satz 1Strom-/GasNEV geregelten Berechnung der EK-Verzinsungs-basis ebenso wie beim „Netzbetreiber mit Netzeigentum“berechnet. Dies, obwohl § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV reflex-haft eine abweichende Berechnung (Differenzierung) der EK-Verzinsungsbasis zur Folge hat; was auch angesichts derungleichen Ausgangslage der „Netzbetreiber ohne Netzeigen-tum“ in der Berechnungsformel des § 7 Abs. 1 Satz 2 Strom-/GasNEV zur Sicherstellung des Erhalts ihrer wirtschaftlichenLeistungs- und Überlebensfähigkeit notwendig ist. § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV führt zu gleichheitsgerechten Korrekturen.Die Erstattung sämtlicher effizienter Kosten des Netzbetrei-bers wird damit sichergestellt. Nach § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV soll die Pachtzinsanerkennung auf der Grundlagevon kalkulatorisch zusammengelegten Vermögensbestandtei-len von Netzeigentümer und Netzbetreiber erfolgen; mit derFolge, dass das virulente Abzugskapital des Netzbetreibersganz oder zum Teil bei der Pachtzinsanerkennung in Ansatzzu bringen ist und insoweit im Rahmen der Berechnung dereigenen kalkulatorischen EK-Verzinsung des Netzbetreibers(im Pachtmodell) nicht mehr die Verzinsungsbasis schmälernbzw. in einen negativen Wert (Abzugsposten) kehren kann.Diese gebotene gesetzliche Differenzierung wird von derRegulierungspraxis und vom BGH außer Acht gelassen. Diestattdessen (gegen die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV)angewandte rechnerische „Gleichbehandlung“ von „Netz-betreibern mit Eigentum“ und „Netzbetreibern ohne Eigen-tum“ führt zu einem (außergesetzlichen) Abzugsposten, derdem „Netzbetreiber ohne Eigentum“ (im Pachtmodell)anders als dem „Netzbetreiber mit Eigentum“ bei der Erstat-tung seiner übrigen effizienten Kosten (OPEX) entgegenge-halten wird und diese Erstattung mindert.

267 Diese Ungleichbehandlung ist rechtfertigungsbedürftig. Nachder Rechtsprechung des BVerfG werden abhängig von denParametern der Intensität und der Personenbezogenheitder Ungleichbehandlung sowie der Auswirkungen auf Frei-heitsgrundrechte unterschiedliche Prüfungs- und Rechtsferti-gungsmaßstäbe angewandt und dem Gesetzgeber damit einunterschiedlich weiter Gestaltungsspielraum zuerkannt.278

Die Diskussion des anzuwendenden Rechtsfertigungsmaßsta-bes lässt zwei Grundgedanken erkennen. Diese sind die Will-kürprüfung und die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Währendes nach der Willkürprüfung genügt, dass ein vernünftiger,

aus der Natur der Sache folgender oder ansonsten sachlicheinleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung auf-findbar ist, stellt die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf denZweck der Gleich- oder Ungleichbehandlung ab. Nur sol-che Kriterien dürfen einer (Un-)Gleichbehandlung zugrundegelegt werden, die durch das Ziel der Differenzierung begrün-det werden könnten. Das Differenzierungskriterium mussdann zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlichsein sowie in einem angemessenen Verhältnis zum Wertdieses Ziels stehen.279 Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfungwerden dem Gesetzgeber somit nicht nur äußerste Grenzengesetzt. Das Maß der Rechtfertigung variiert hier im Hinblickauf die Schwere der Ungleichbehandlung. Anerkannterma-ßen soll die Prüfung jedoch bei komplexen Zusammenhän-gen, insbesondere bei wirtschaftsordnenden oder wirtschafts-lenkenden Maßnahmen, großzügiger ausfallen.280

268Die Frage, ob die Vorschriften der (effizienz-)kostenorientier-ten Entgeltbildung281 alle Netzbetreiber (Netzbetriebskonstel-lationen) in verfassungsgemäßer Weise dem Gleichheits-gebot des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechend gleich (bzw.ungleich) behandeln, steht hier allerdings gar nicht in Rede.Vielmehr hat die Regulierungspraxis und die Rechtsprechungdes BGH mit der negativen EK-Verzinsung einen gesetzlichgar nicht vorgesehenen (außergesetzlichen) Abzugsposten fürNetzbetreiber im Pachtmodell geschaffen. Abgesehen davon,dass dies auf keiner gesetzlichen Grundlage beruht, ist dieVorgehensweise auch durch keinen sachlichen Grundgerechtfertigt. Dies schon deshalb, weil das mit dem Regulie-rungshandeln und der Rechtsprechung des BGH angestrebteZiel, eine Netzentgelterhöhung im Pachtmodell zu verhin-dern, sich bereits durch die in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVgesetzlich vorgegebene Berechnungsweise (Referenzmaßstab„große Netzgesellschaft“) verwirklichen lässt, ohne dasdamit den „Netzbetreibern ohne Netzeigentum“ anders alsden „Netzbetreibern mit Eigentum“ die Erstattung ihrerübrigen effizienten und wettbewerbsanalogen Kosten(OPEX) verwehrt werden müsste und die betroffenen Netz-

276 Die negative EK-Verzinsung senkt (weil mit negativem Vorzeichen)als Subtrahend bei der Ermittlung (Addition) der aufwandsglei-chen und kalkulatorischen Netzkosten das Ausgangsniveau fürdie EOG-Bestimmung. M.a.W. wirkt die kalkulatorische Kostenposi-tion der EK-Verzinsung, wenn sie einen negativen Wert annimmt(negative EK-Verzinsung), als Abzugsposten bei der Netzkostener-mittlung und führt im Ergebnis dazu, dass der Netzbetreiberandere (aufwandsgleiche oder kalkulatorische) Kosten – selbstwenn diese effiziente Kosten darstellen – nicht in voller Höhein die EOG einstellen kann und damit nicht in voller Höhe erstat-tet bekommt. Von dem in der Regulierungspraxis vergleichsweisehöher anerkannten Pachtzins hat der Netzbetreiber nichts, weil erdieser Pachtzins an den Netzeigentümer abgeführt werden mussund nicht zur Deckung seiner übrigen Kosten eingesetzt werdenkann.

277 Dies kann ein Netzbetreiber als Netzpächter für sich selbst freilichnicht beanspruchen.

278 Zusammenfassend: Gubelt, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 3Rn. 12 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 28 ff., 39 ff.

279 vgl. Kischel, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 24 (m.w.N.).280 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 24.; BVerfGE 18, 315 (331); E

50, 290 (338).281 § 21 Abs. 2 EnWG, Strom- und GasNEV.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

106 EWeRK 2/2020

betreiber in ihren Freiheitsrechten (Artt. 12, 14 GG) verletztwerden.

Verletzung der Grundrechte privater vertikalintegrierter EVU durch die Regulierungspraxis undRechtsprechung des BGH

269 Die folgende verfassungsrechtliche Bewertung betrifft inso-weit vertikal integrierte EVU in privatem Mehrheitsbesitz,denen auch nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts eine Grundrechtsfähigkeit zusteht (vgl. Rdn. 248).

Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)270 Das Grundrecht der Berufsfreit nach Art. 12 Abs. 1 GG

schützt grundsätzlich auch die Freiheit der Unternehmen zureigenverantwortlichen Gestaltung der betrieblichen undunternehmensstrukturellen Organisation. Die Bildung vonNetzpachtmodellen, bei denen der Netzbetrieb aus einem ver-tikal integrierten EVU rechtlich verselbständigt (ausgründet)wird, das Netzeigentum aber beim vertikal integrierten EVU(als Konzernmutter) verbleibt und an die Netztochter ver-pachtet wird, entspricht nicht nur gängiger Praxis in derEnergiewirtschaft und ist auch im Entflechtungsrecht aus-drücklich gestattet ist (Rdn. 5). Die Bildung dieser betriebli-chen und unternehmensstrukturellen Organisation ist viel-mehr auch Ausdruck der von Art. 12 Abs. 1 GG grundrecht-lich geschützten Gestaltungsfreiheit bei der beruflichen Tätig-keit der Erbringung von Netzbetriebsleistungen. Vertikalintegrierte EVU dürfen sich für dieses Organisationsmodellentscheiden. Das Modell der „großen Netzgesellschaft“würde dem vertikal integrierten EVU demgegenüber dieÜbertragung seines Netzeigentums auf einen rechtlichen selb-ständigen Netzbetreiber (Netztochter) abverlangen. Eine sol-che Pflicht, auch das Netzeigentum auf die Verteilernetzbe-treiber zu übertragen, ist im Entflechtungsrecht für die Vertei-lungsebene – anders als für Transportnetzbetreiber (im Drit-ten Energiebinnenmarktpaket 2009) – aber mit Bedacht nichtgeregelt worden.282 Würde ein vertikal integriertes EVU, dassin Entsprechung des „Legal Unbundling“ eine rechtlich selb-ständige Netzbetriebsgesellschaft ausgegründet und dieserzunächst das Netz nur verpachtet hat, nun eine Umwandlungder Organisationsform in eine große Netzgesellschaft anstre-ben, würden sich erhebliche Steuerbelastungen ergeben (Rdn.14), die ihrerseits – wenn überhaupt – nur durch steuerrecht-lich vorgegebene unternehmensstrukturelle Maßnahmen ver-mieden werden können.

271 Die Regulierungspraxis und die Rechtsprechung des BGHgreift in diese durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Gestal-tungsfreiheit eines vertikal integrierten Unternehmens ein,indem sie die Verwirklichung des Netzpachtmodells alserlaubte Organisation des Netzbetriebs gegenüber demModell der großen Netzgesellschaft in erheblichem Maßeökonomisch benachteiligt und damit die betriebswirtschaftli-che Rentabilität und Praktikabilität des Netzpachtmodells alsEntflechtungsvariante in erheblichen Maße mindert odersogar beseitigt. Dies insofern als die Regulierungspraxis undder BGH entgegen dem gesetzlichen Konzept der (effizi-

II.

1.

enz-)kostenorientierten Entgeltbildung mit der negativen EK-Verzinsung einen außergesetzlichen Abzugsposten in derNetzkostenermittlung schafft, der der Höhe nach mit demhöchsten zur Verfügung stehenden EK-Zinssatz berechnetwird, und im Ergebnis dazu führt, dass das vertikal integ-rierte EVU in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung imPachtmodell erhebliche Renditeeinbußen erfährt.

272Eine verfassungsrechtlich tragfähige Rechtfertigung für die-sen Eingriff ist nicht erkennbar (vgl. Rdn. 256).

Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG)273Durch das geschilderte Regulierungshandeln und die Recht-

sprechung des BGH wird nicht nur das von Art. 14 Abs. 1GG geschützte vermögenswerte Recht eines netzpachtendenNetzbetreibers auf Erstattung seiner (effizienten) Kostenbeschränkt (dazu Rdn. 243 ff., 261 ff.). Es wird damitzugleich in die vermögenswerten Rechtspositionen desAnteilseigners (vertikal integrierten EVU/ Konzernmutter)des betroffenen Netzbetreibers auf Erhalt der wirtschaftli-chen Substanz seines Unternehmens (Netztochter) eingriffen.Aus den genannten Gründen (Rdn. 261 f.) ist auch dieser Ein-griff in Art. 14 GG nicht verfassungsgemäß.

Verletzung des Gleichheitsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG)274Vertikal integrierte Unternehmen, die in Ausübung ihrer

Gewerbefreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und in der Investitions-freiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) ihren Netzbetrieb in Form desPachtmodells anbieten und wahrnehmen (dazu Rdn. 270)werden gegenüber vertikal integrierten Unternehmen, diederen Netzbetrieb in Form der Ausgründung einer „großenNetzgesellschaft“ erbringen, hinsichtlich der regulatorischzugestandenen Kostenerstattungs- bzw. Gewinn-erzielungs-möglichkeiten ungleich behandelt. Durch die Bezifferung derHöhe des außergesetzlichen Abzugspostens der negativenEK-Verzinsung (sog. Zinsimparität283) werden die Ertrags-möglichen im Pachtmodell in der Gesamtbetrachtung wirt-schaftlich schlechter gestellt werden als die Erbringung desNetzbetriebs i.R. einer großen Netzgesellschaft. Dies begrün-det einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot aus Art. 3Abs. 1 GG, für den eine verfassungsrechtliche Rechtfertigungnicht erkennbar ist (Rdn. 268).

Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot (Art. 20Abs. 3 GG)

275Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Verwaltung und Rechtspre-chung an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung dieserGewalten an das Gesetz konkretisiert das Rechtsstaatsprin-

2.

3.

III.

282 Anders als bei der Transportnetzebene soll es bei der Verteilungs-ebene auch keiner weitergehenden Entflechtung bedürfen, weilsich die Diskriminierungsproblematik beim Netzzugang Dritterund den Investitionen weniger auf Ebene der Verteilung alsvielmehr auf Ebene der Übertragung/Fernleitung stelle, wo Eng-pässe und der Einfluss von Erzeugungs-/Gewinnungs- oder Versor-gungsinteressen im Allgemeinen ausgeprägter sei als auf Vertei-lerebene. Vgl. Erwägungsgrund 26 der EltRl 09 und Erwägungs-grund 25 der GasRl 09.

283 Vgl. Rdn. 55, 138.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 107

zip.284 Das Grundgesetz, die Gerichtsverfassung und die Pro-zessordnungen sichern die Gesetzesbindung ab und treffenzugleich Vorsorge gegen richterliche Fehlentscheidungen.285

Daraus folgt zunächst, dass das Grundgesetz dem BVerfGnicht die Aufgabe übertragen hat, Verwaltungshandeln undGerichtsentscheidungen auf ihre Übereinstimmung mit einfa-chem Recht in letzter Instanz zu überprüfen.286 Insofernbegnügt sich das BVerfG, auch soweit Grundrechte betroffensind, grundsätzlich mit dem Schutz, den die Fachgerichte(z.B. der BGH) gewähren.287 Das BVerfG greift erst dann ein,wenn sich ein Richterspruch über die aus Art. 20 Abs. 3 GGfolgende Gesetzesbindung hinwegsetzt.288 Dies ist zum Bei-spiel dann der Fall, wenn die vom Fachgericht zur Begrün-dung seiner Entscheidung angestellten Erwägungen eindeutigerkennen lassen, dass es sich aus der Rolle des Normanwen-ders in die einer normsetzenden Instanz begeben hat, alsoobjektiv nicht bereit war, sich Recht und Gesetz zu unterwer-fen.289 Die Grenzen sachgerechter, noch vertretbarer Inter-pretation Norminterpretation werden überschritten. So ver-hält es sich beispielsweise auch in Fällen der unzulässigenRechtsfortbildung.290

276 Genauso liegt es im vorliegenden Fall: Das Problem, denNetznutzer in der Netzbetriebs-konstellation des Netzpacht-modells nicht mit überhöhten Netzentgelten zu belasten,wird in § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV adressiert und gelöst. DieRegulierungspraxis und der BGH weigern sich, diese Normentsprechend anzuwenden und schaffen stattdessen einenaußergesetzlichen Abzugsposten (die sog. negative EK-Ver-zinsung), um die – ebenfalls der Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV widersprechende – höhere Pachtzinsanerkennung291

zu kompensieren.

277 Nach Ansicht des BGH soll dieses Vorgehen einerseits des-halb gerechtfertigt sein, weil die im Wortlaut des § 4 Abs. 5Strom-/GasNEV angelegte Berechnungsweise der Pachtzins-anerkennung – in deren Folge die Schaffung einer außerge-setzlichen negativen EK-Verzinsung nebenbei bemerkt garnicht nötig wäre – deshalb nicht angewendet werden soll,weil sie mit der Zielsetzung des § 4 Abs. 5 GasNEV nicht ver-einbar sei:

„Entgegen der Auffassung der Betroffenen darf die nach § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV relevante Obergrenze deshalb nicht in der Weisebestimmt werden, dass die Vermögens-sphären von Netzeigentümer undNetzbetreiber hypothetisch zusammengelegt werden. Bei den nach § 4Abs. 5 Satz 1 GasNEV relevanten Kosten, die anfielen, wenn der Netz-betreiber Eigentümer der Anlagen wäre, handelt es sich zwar notwendigum hypothetische Werte, weil Netzbetreiber und Netzeigentümer in denbetroffenen Fällen gerade nicht identisch sind. Hieraus kann aber nichtgefolgert werden, dass die Kosten-betrachtung vollständig losgelöst vonder tatsächlichen Kostensituation erfolgen darf. Soweit dies möglich ist,sind die hypothetischen Kosten, die dem Betreiber als Eigentümer ent-stehen würden, vielmehr anhand der tatsächlichen Kostensituation zuermitteln. Hierfür bilden die Kosten des Netzeigentümers einen geeigne-ten Maßstab. Eine weitergehende Abstraktion durch hypothetischeZusammenlegung der Vermögens-sphären von Eigentümer und Betrei-ber würde demgegenüber darauf hinauslaufen, dass die tatsächlicheSituation in weitem Umfang unberücksichtigt bliebe und rein fiktiveWerte herangezogen würden. Dies ist mit der Zielsetzung von § 4 Abs. 5Satz 1 GasNEV nicht vereinbar.“292

Der Normzweck des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV bestehtdarin, eine Netzentgelterhöhung durch die Netzverpachtung

zu verhindern. Davon ausgehend, scheint der BGH anzuneh-men, dass die im Wortlaut angelegte Berechnungsmethode(kalkulatorische Zusammenlegung – Referenzmaßstab großeNetzgesellschaft) zu einer Netzentgelterhöhung führt undwegen dieser Zweckwidrigkeit auch nicht angewandt werdendarf. In der Konsequenz nimmt der BGH damit an, dass derVerordnungsgeber eine untaugliche Norm – zumindest abereinen untauglichen Wortlaut – geschaffen hat. In tatsächli-cher Hinsicht lässt sich der BGH und die Regulierungspraxissomit von Annahmen leiten, die weder das Gericht noch dieRegulierungsbehörden unter Beweis stellen; die im Übrigenauch inhaltlich unzutreffend sind (vgl. Rdn. 166 ff.). Abgese-hen davon, dass die Norm des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEVhinsichtlich der Wahl der Berechnungsmethode keinenabweichenden Entscheidungsspielraum lässt (dazu Rdn.213 ff.), verweigert sich die Regulierungspraxis und der BGHeiner gesetzmäßigen Anwendung des § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV, ohne hierfür eine hinreichende Tatsachengrundlage(Nachweis der Netzentgelterhöhung) geschaffen zu haben.

278Die Regulierungspraxis und der BGH entnehmen der Normdes § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV überdies, dass die im Wort-laut angelegte Berechnungsweise der Pachtzinsanerkennung,die die Kostensituation der großen Netzgesellschaft als maß-gebliche Berechnungsgrundlage (Referenzmaßstab) unddamit im Ergebnis eine gleichbleibende Erlössituation imPachtmodell (keine Netzentgelterhöhung – aber auch keineNetzentgeltsenkung) vorsieht, zu einem „Widerspruch zu § 4Abs. 5 Strom-/GasNEV“ führt.293 Mit anderen Worten ent-nehmen die Regulierungspraxis und der BGH der Norm des§ 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV das Recht, bereits anlässlich undaufgrund einer Netzverpachtung im Ergebnis eine vermin-derte Kostenanerkennung vorzunehmen (vgl. Rdn. 125).Auch diese Vorgehensweise widerspricht eindeutig dem Kon-zept der (effizienz-)kostenorientierten Entgeltbildung, nachder eine Kostenerstattung nur auf der Grundlage gesetzlichvorgesehener Korrekturfaktoren (z.B. Ineffizienzen) versagtwerden darf (vgl. Rdn. 171, 195 ff.).

284 Huster/Rux in: Beck OK, GG, Epping/Hillgruber, 41. Ed- Stand15.02.2019, Rn. 164.

285 BVerfG, Beschl. v. 03.11.1992 – 1 BvR 1243/88 – Erörterungsgebühr,Rn. 19.

286 BVerfG, a.a.O., Rn. 20287 BVerfG, a.a.O., Rn. 20.288 BVerfG, a.a.O., Rn. 20.289 BVerfG, a.a.O., Rn. 20.290 BVerfG, a.a.O., mit Verweis u.a. auf: BVerfG, Beschl. v. 14.02.1973

– 1 BvR 112/65; Beschl. v. 20.01.1981 – 2 BvR 632/78; Beschl.v. 07.07.1982 – 2 BvR 1142/80; Beschl. v. 19.10.1983 – 2 BvR 485/80;Beschl. v. – 2 BvR 486/80.

291 Entgegen der aus § 4 Abs. 5 Strom-/GasNEV gebotenen Berech-nung der Anerkennungsfähigkeit des Pachtzinses auf der Grund-lage kalkulatorisch zusammengelegter Kosten- und Vermögensbe-standteile von Netzbetreiber und Netzeigentümer berechnet dieRegulierungspraxis ein fiktives Netzentgelt für den Netzeigentü-mer, ohne dabei das netzbetriebsinduzierten Abzugskapital zuberücksichtigen. Die EK-Verzinsungsbasis ist für den Netzeigentü-mer damit in bestimmten Fällen höher. Zum Ganzen: vgl. Rdn.134 ff.

292 BGH, Beschl. v. 17.10.2017 – EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH,Rn. 38.

293 BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Verteilungsnetzge-sellschaft mbH, Rn. 47.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

108 EWeRK 2/2020

279 Die Analyse der bisherigen Entscheidungen des BGH zurnegativen EK-Verzinsung294 begründen insgesamt dieAnnahme, dass die dabei zugrunde liegende Rechtsauffas-sung des Gerichts und der Regulierungspraxis im Gesetzkeine vertretbare Stütze findet, insoweit also ohne eine vor-handene Rechtsgrundlage ergangen sind und dementspre-chend dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes (Art. 20Abs. 3 GG) widersprechen. Netzpächter, denen als verant-wortliche Netzbetreiber in der „Regulierung des Netzbet-riebs“ gesetzlich definierte Netzbetreiberleistungen abver-langt werden, dafür aber nach der Regulierungspraxis undRechtsprechung des BGH – wegen des Ansatzes einer rechts-grundlosen negativen EK-Verzinsung (außergesetzlicherAbzugsposten) – die Möglichkeit einer vollständigen Erstat-tung effizienter Kosten versagt wird, sind damit in ihrenGrundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG,Art. 14 GG sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechts-taatsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Auch vertikalintegrierte EVU, die ihren Netzbetrieb in Form des Pachtmo-dells anbieten und wahrnehmen, sind damit in ihren Grund-rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 GGsowie aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtstaatsgebot ausArt. 20 Abs. 3 GG verletzt.

Europarechtliche Bewertung derRegulierungspraxis

280 Das europäische Sekundärrecht prägt das nationale Regulie-rungsrecht und enthält Vorgaben für die Entgeltkalkulation.Diese wirken nicht nur im Rahmen der Preisbildung, sondernschützen zugleich die Unternehmenssubstanz der Netzbetrei-ber. So müssen die Entgelte nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 VO(EU) 2019/943 (ElektrizitätsbinnenmarktVO295) „die tat-sächlichen Kosten insofern zum Ausdruck bringen, als siedenen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netz-betreibers entsprechen und unterschiedslos angewandt wer-den.“ Die Tarifmethoden spiegeln dabei gemäß Art. 18 Abs. 2EltBinnenmarktVO (EU) 2019/943 „die Fixkosten der Über-tragungs- und Verteilernetzbetreiber wider [...]“.

281 Dabei obliegt es allerdings dem nationalen Regulierungsre-gime, die Anerkennungsfähigkeit der Kosten zu bestimmen.Entgelte müssen hiernach aber jedenfalls „die tatsächlichenKosten insofern zum Ausdruck bringen, als sie denen eineseffizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers ent-sprechen [...].“296 Gemäß Art. 59 Abs. 7a der EltRl 2019/944sind Tarife und Methoden zudem so zu gestalten, dass diezum Erhalt der Netze erforderlichen Netzinvestitionen ineiner Weise vorgenommen werden können, dass die Lebens-fähigkeit der Netze gewährleistet ist. Entsprechendes giltauch im Gasbereich.297

282 Die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung nach § 7 Strom-/GasNEV bildet eine Kostenposition der kalkulatorischenKostenrechnung der Strom-/GasNEV. Kommt es infolge desrechtswidrigen Ansatzes eines negativen Eigenkapitals zueiner Kürzung dieser Kostenposition, bleiben insoweit tat-sächliche Kosten unberücksichtigt. Die Regulierungspraxisbefindet sich damit auch in einem Widerspruch zu den sekun-

C.

därrechtlichen Grundsätzen der Entgeltregulierung (u.a.Art. 18 Abs. 1 Satz 1 EltBinnenmarktVO (EU) 2019/943sowie Art. 59 Abs. 7a EltRl 2019/944).

283Darüber hinaus verstößt die Regulierungspraxis und dieRechtsprechung zu Lasten der im Pachtmodell tätigen Netz-betreiber gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit desEuropäischen Rechtssystems, der im Wirksamkeitsgebot(Art. 4 Abs. 3 EUV) mit verankert ist. In gleicher Weise ist derGrundsatz des freien und unverfälschten Wettbewerbs (Artt.119, 120 AEUV) verletzt, denn ein Netzbetreiber im Pacht-modell ist wettbewerblich benachteiligt gegenüber einemNetzbetreiber, der als Eigentümer des Netzes dieses selbstbetreibt (große Netzgesellschaft). Für eine solche willkürli-che, den Netzbetreiber im Pachtmodell, diskriminierendeunterschiedliche Behandlung gibt es im Europäischen Primär-und auch Sekundärrecht keinerlei Anhaltspunkte.

Gesamtergebnis

1. Netzbetreiber haben auch im Pachtmodell gegen dieRegulierungsbehörden einen einklagbaren gesetzlichenAnspruch auf Festlegung einer Erlösobergrenze, die zueiner Erstattung ihrer effizienten (aufwandsgleichen undkalkulatorischen) Kosten führt und keine negative EK-Verzinsung enthält. Es widerspricht dem in den §§ 1Abs. 1, 22 Abs. 2 EnWG und den Netzentgeltverordnun-gen gesetzlich festgelegten Konzept der (effizienz-)kosten-orientierten Entgeltbildung, den Netzbetreibern eineErstattung ihrer effizienten Kosten zu versagen.

2. Die vom BGH bestätigte Regulierungspraxis der negati-ven EK-Verzinsung verletzt die betroffenen Netzbetreiberin ihren Grundrechten der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) undihrem Grundrecht auf Gleich-behandlung (Art. 3 Abs. 1GG).

3. Die Regulierungspraxis befindet sich auch in einemWiderspruch zu den sekundärrechtlichen Grundsät-zen der Entgeltregulierung (ElektrizitätsbinnenmarktVOsowie Energiebinnenmarktrichtlinie).

4. Die vom Entflechtungsrecht belassene Freiheit zur Wahldes Pachtmodells darf nicht durch eine regulatorischeSchlechterstellung beschränkt werden. Die vom BGHbestätigte Regulierungspraxis verletzt auch die vertikal-integrierten EVU in ihren Grundrechten der Berufsfrei-heit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14Abs. 1 GG) und ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung(Art. 3 Abs. 1 GG).

D.

294 BGH, Beschl. v. 03.03.2009 – EnVR 79/07 – SWU Netze, Rn. 39 ff.;Fortführung: BGH, Beschl. v. 25.04.2017 – EnVR 57/15 – SWL Vertei-lungsnetzgesellschaft mbH, Rn. 42; BGH, Beschl. v. 17.10.2017 –EnVR 23/16 – SW Kiel Netz GmbH, Rn. 35 ff.; BGH, Beschl. v.29.01.2019, EnVR 62/17, Rn. 16.

295 Verordnung (EU) 2019/943 des europäischen Parlaments und desRates vom 5. Juni 2019 über den Elektrizitätsbinnenmarkt.

296 Art. 18 Abs. 1 Satz 1 ElektrizitätsbinnenmarktVO (EU) 2019/943297 Art. 41 Abs. 6 lit. a) Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vor-

schriften für den Erdgasbinnenmarkt; zuletzt geändert durch dieRichtlinie (EU) 2019/692.

Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer | Aufsätze

EWeRK 2/2020 109

5. Die Analyse der bisherigen Entscheidungen des BGH zurnegativen EK-Verzinsung begründen insgesamt dieAnnahme, dass die dabei zugrunde liegende Rechtsauf-fassung des Gerichts und der Regulierungspraxis imGesetz keine vertretbare Stütze findet, insoweit also ohneeine vorhandene Rechtsgrundlage ergangen sind unddementsprechend dem Rechtsstaatsgebot des Grundge-setzes (Art. 20 Abs. 3 GG) widersprechen.

6. Vor diesem Hintergrund sollten Netzbetreiber die Regu-lierungspraxis gerichtlich überprüfen lassen und eine

Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100GG anregen. Gegen ablehnende Entscheidungen bestehtdie Möglichkeit der Urteilsverfassungsbeschwerde(Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG).

7. Parallel sollte im Interesse einer zügigeren Herstellungrechtssicherer Verhältnisse, der Verordnungsgeber aufge-fordert werden, klarzustellen, dass es auch im Pachtmo-dell keine negative EK-Verzinsung geben darf und dasPachtmodell insgesamt nicht schlechter gestellt wird alsdie große Netzgesellschaft.

Aufsätze | Sauer/Schwintowski/Heim/Meyer Das Netzpachtmodell in der Entgeltregulierung

110 EWeRK 2/2020