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1 Einführung In der Pkw-Motorenentwicklung stehen die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der damit einhergehenden Kohlendio- xidemission im Mittelpunkt der Diskussi- on. Im Vergleich zu anderen verbrauchs- einsparenden Einzelmaßnahmen wie bei- spielsweise der vollvariable Ventiltrieb oder die Zylinderabschaltung bietet derzeit die bei der Benzin-Direkteinspritzung gegebene Möglichkeit der Ladungsschich- tung bei gleichzeitiger Entdrosselung im Teillastgebiet eines der größten wirkungs- gradsteigernden Potenziale beim Ottomo- tor. Die Vorausberechnung des Betriebsver- haltens von Otto- und Dieselmotoren ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem unentbehrlichen Werkzeug der Motorenentwicklung geworden. Sie ermöglicht treffsichere Aussagen über mechanische und thermische Beanspru- chungen, über Wirkungsgrade sowie Abgastemperaturen und ist der Schlüssel für die Vorausberechnung auch des insta- tionären Motorverhaltens allein oder in seinem Zusammenwirken mit den Leis- tungsverbrauchern. Im Rahmen einer For- schungsaufgabe der FVV waren deshalb Rechenprogramme zu entwickeln, welche einerseits imstande sind, die Besonderhei- ten der Gemischbildung und Verbrennung eines DI-Ottomotors ausreichend genau zu beschreiben, andererseits aber noch so ein- fach aufgebaut sind, dass die Ergebnisse in vernünftigen Rechenzeiten erarbeitet werden können. Die nulldimensionalen Modelle stellen den ersten Schritt zur Modellbildung der motorischen Verbrennung dar. Da bisher noch keine geeigneten nulldimensionalen Einzonen-Modelle wie Druckverlaufsana- lyse (DVA) oder Arbeitsprozessrechnung (APR) zur Verfügung stehen, die den genannten Phänomenen bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung Rechnung tragen, wurden diese Modelle im Rahmen dieser Forschungsaufgabe entsprechend ange- passt. Darauf aufbauend wurde ein Brenn- verlauf-Vorausberechnungsmodell auf der Basis von Vibe-Ersatzbrennverläufen entwickelt. Mit diesem Rechenmodell ist es nun möglich, den Brennverlauf eines beliebigen Betriebspunktes bei Kenntnis eines einzigen, realen Brennverlaufs im jeweiligen Betriebsstrategiebereich vor- herzusagen. Anschließend wurde ein bereits am Dieselmotor erprobtes NO- Modell an die Gemischbildung und den Verbrennungsablauf des Ottomotors mit Direkteinspritzung angepasst. Damit las- sen sich die Stickoxidemissionen sowohl bei Verwendung von realen als auch mit vorausberechneten Brennverläufen ermit- teln. Die anschließende Einbindung der Berechnungsmodelle in die Gesamtpro- zessanalyse (GPA) ermöglicht auch die Berechnung transienter Vorgänge (zum Beispiel im NEFZ) bei Ottomotoren mit Direkteinspritzung. Die Entwicklung und Anpassung der FORSCHUNG Simulation 628 MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64 Am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der Technischen Universität München wurden handhabbare Modelle zur Voraus- berechnung des Brennverlaufs und der Stickoxidemission im gesamten Betriebskennfeld von Ottomotoren mit Direktein- spritzung erarbeitet. Der Beitrag beschreibt die Entwicklung der Modelle und ihre Vorteile. Dr.-Ing. Frank Weberbauer ist Entwicklungsingenieur bei der Robert Bosch GmbH in Stuttgart. Dr.-Ing. Nils Hoppe ist Mitarbeiter der Motoren- und Triebstrangentwick- lung bei der Daimler- Chrysler AG in Stuttgart. Prof. em. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Gerhard Woschni ist ehemaliger Leiter des Lehrstuhls für Verbren- nungskraftmaschinen der Technischen Universität München. Dr.-Ing. Klaus Zeilinger ist akademischer Direktor am Lehrstuhl für Verbren- nungskraftmaschinen der Technischen Universität München. Die Autoren Experimentelle Erfassung und Simulation des Betriebsverhaltens von Ottomotoren mit Direkteinspritzung

Experimentelle Erfassung und Simulation des Betriebsverhaltens von Ottomotoren mit Direkteinspritzung

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1 Einführung

In der Pkw-Motorenentwicklung stehendie Reduzierung des Kraftstoffverbrauchsund der damit einhergehenden Kohlendio-xidemission im Mittelpunkt der Diskussi-on. Im Vergleich zu anderen verbrauchs-einsparenden Einzelmaßnahmen wie bei-spielsweise der vollvariable Ventiltrieboder die Zylinderabschaltung bietet derzeitdie bei der Benzin-Direkteinspritzunggegebene Möglichkeit der Ladungsschich-tung bei gleichzeitiger Entdrosselung imTeillastgebiet eines der größten wirkungs-gradsteigernden Potenziale beim Ottomo-tor.

Die Vorausberechnung des Betriebsver-haltens von Otto- und Dieselmotoren ist inden letzten Jahrzehnten immer mehr zueinem unentbehrlichen Werkzeug derMotorenentwicklung geworden. Sieermöglicht treffsichere Aussagen übermechanische und thermische Beanspru-chungen, über Wirkungsgrade sowieAbgastemperaturen und ist der Schlüsselfür die Vorausberechnung auch des insta-tionären Motorverhaltens allein oder inseinem Zusammenwirken mit den Leis-tungsverbrauchern. Im Rahmen einer For-schungsaufgabe der FVV waren deshalbRechenprogramme zu entwickeln, welcheeinerseits imstande sind, die Besonderhei-ten der Gemischbildung und Verbrennungeines DI-Ottomotors ausreichend genau zubeschreiben, andererseits aber noch so ein-fach aufgebaut sind, dass die Ergebnisse in

vernünftigen Rechenzeiten erarbeitetwerden können.

Die nulldimensionalen Modelle stellenden ersten Schritt zur Modellbildung dermotorischen Verbrennung dar. Da bishernoch keine geeigneten nulldimensionalenEinzonen-Modelle wie Druckverlaufsana-lyse (DVA) oder Arbeitsprozessrechnung(APR) zur Verfügung stehen, die dengenannten Phänomenen bei Ottomotorenmit Direkteinspritzung Rechnung tragen,wurden diese Modelle im Rahmen dieserForschungsaufgabe entsprechend ange-passt. Darauf aufbauend wurde ein Brenn-verlauf-Vorausberechnungsmodell aufder Basis von Vibe-Ersatzbrennverläufenentwickelt. Mit diesem Rechenmodell istes nun möglich, den Brennverlauf einesbeliebigen Betriebspunktes bei Kenntniseines einzigen, realen Brennverlaufs imjeweiligen Betriebsstrategiebereich vor-herzusagen. Anschließend wurde einbereits am Dieselmotor erprobtes NO-Modell an die Gemischbildung und denVerbrennungsablauf des Ottomotors mitDirekteinspritzung angepasst. Damit las-sen sich die Stickoxidemissionen sowohlbei Verwendung von realen als auch mitvorausberechneten Brennverläufen ermit-teln. Die anschließende Einbindung derBerechnungsmodelle in die Gesamtpro-zessanalyse (GPA) ermöglicht auch dieBerechnung transienter Vorgänge (zumBeispiel im NEFZ) bei Ottomotoren mitDirekteinspritzung.

Die Entwicklung und Anpassung der

FORSCHUNG Simulation

628 MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

Am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der TechnischenUniversität München wurden handhabbare Modelle zur Voraus-berechnung des Brennverlaufs und der Stickoxidemission imgesamten Betriebskennfeld von Ottomotoren mit Direktein-spritzung erarbeitet. Der Beitrag beschreibt die Entwicklung derModelle und ihre Vorteile.

Dr.-Ing. Frank Weberbauerist Entwicklungsingenieurbei der Robert BoschGmbH in Stuttgart.

Dr.-Ing. Nils Hoppe ist Mitarbeiter der Motoren-und Triebstrangentwick-lung bei der Daimler-Chrysler AG in Stuttgart.

Prof. em. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Gerhard Woschni istehemaliger Leiter desLehrstuhls für Verbren-nungskraftmaschinen derTechnischen UniversitätMünchen.

Dr.-Ing. Klaus Zeilinger istakademischer Direktor amLehrstuhl für Verbren-nungskraftmaschinen derTechnischen UniversitätMünchen.

Die Autoren

Experimentelle Erfassungund Simulation desBetriebsverhaltens von Ottomotoren mit Direkteinspritzung

ten Bestimmung der thermodynamischenVerhältnisse im Zylinder der zeitliche Ver-lauf der Verdampfung mKrstdpf(ϕ) in denModellen enthalten sein. Dazu wurdensowohl die Druckverlaufsanalyse (DVA)als auch die Arbeitsprozessrechnung (APR)um ein Verdampfungsmodell in Anleh-nung an das nach Constien [2] erweitert.

Dieses berechnet in Abhängigkeit vonKraftstoffdichte, aktuellem Zylinderdrucketc. schrittweise die Kraftstoffverdamp-fungsrate. In Bild 2 sind die flüssige unddampfförmige Kraftstoffmasse im Brenn-raum eines Ottomotors mit Direkteinsprit-zung für einen geschichteten Betriebs-punkt dargestellt. Da nur der verdampfte

Rechenmodelle erfolgte in Interaktion mitVersuchen, die an einem Einzylinder-For-schungsmotor mit strahlgeführtemBrennverfahren durchgeführt wurden.Dabei wurde das Betriebsverhalten beiLadungsschichtung im Hinblick auf denVerbrennungsablauf und die Emissions-bildung systematisch untersucht. Zudemkonnten die erarbeiteten und erweitertenModelle an einem weiteren Brennverfah-ren verifiziert werden.

2 Anpassung von Druck-verlaufsanalyse und Arbeits-prozessrechnung

2.1 Einspritz- und VerdampfungsverlaufDer Einspritzverlauf übt einen entschei-denden Einfluss auf die Gemischbildungund Verbrennung im Ottomotor mitDirekteinspritzung aus. Um die prinzipiel-len Charakteristika des eingesetzten Com-mon-Rail-Einspritzsystems zu klären, wur-den außermotorische Grundsatzuntersu-chungen am Einspritzverlaufsindikator [1]durchgeführt. Aus den gewonnenenErkenntnissen konnte zur quantitativenBeschreibung der Kraftstoffeinbringungin den Zylinder eine Einspritzverlaufsfor-mel ermittelt werden.

Der Einspritzverlauf dV/dϕ ist als derzeitlich veränderliche Verlauf des an derEinspritzdüse austretenden Kraftstoffvo-lumens definiert. Anhand des Durchfluss-und Kontinuitätsgesetzes für inkompres-sible Medien ergibt sich Gl. (1). Danach istder Einspritzverlauf bei geöffneter Düseim Wesentlichen von zwei Parameternabhängig. Diese sind zum einen der effek-tive Strömungsquerschnitt μ·A des Injek-tors und zum anderen die Differenz zwi-schen dem Kraftstoffdruck an der Düseund dem aktuellen Zylinderdruck (pDüse –pZyl(ϕ)). In Bild 1 sind ein für das verwen-dete Hochdruckeinspritzsystem repräsen-tativer, gemessener und ein diesem einbe-schriebener, synthetischer Einspritzver-lauf dargestellt. Die Untersuchungen desEinspritzsystems ergaben im Rahmeneiner vertretbaren Ungenauigkeit einenals Rechteckfunktion annehmbaren, syn-thetischen Einspritzverlauf. Die Analysenfür diese Funktion bestätigten damit dievorgestellte Durchflussgleichung (1):

Der Einfluss der Druckdifferenz auf diepro Zeiteinheit bezogene Einspritzmasseist wesentlich und lässt sich durch eineempirische Wurzelfunktion Gl. (2) be-schreiben.

Der direkt eingespritzte, flüssige Kraft-stoff verdampft im Brennraum des DI-Ottomotors und verändert somit dieSystemenergie. Deshalb muss zur korrek-

629MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

2.1 Einspritz- und Verdampfungsverlauf

Bild 1: Gemessener und synthetischer Einspritzverlauf mit Einteilung in vier AbschnitteFigure 1: Measured and synthetic course of injection with division into four sections

Bild 2: Zeitliche Verläufe der Kraftstoffmassen und des Verbrennungsluftverhältnisses im Brennraum bei SchichtladungFigure 2: Temporal courses of the fuel masses and the combustion air/fuel ratio in the combustion chamber with stratified combustion

giefreisetzung sowohl für den Schichtla-de- als auch Homogenbetrieb entwickeltwerden [5]. Dazu wurde die Ersatzbrenn-verlaufsfunktion von Vibe [6] herangezo-gen. Zur Ermittlung der einzelnen Be-triebsparameterabhängigkeiten der dreiVibe-Parameter wurden umfangreicheUntersuchungen an einem Einzylinder-Forschungsmotor vorgenommen, Tabel-le 1. Ausgangspunkt all dieser Analysen istein Basisbetriebspunkt. Tabelle 2 zeigt dasVersuchsprogramm für den ladungsge-schichteten Motorbetrieb inklusive desBasispunktes. Da zwischen den Parame-tern Einspritzbeginn und Zündzeitpunktbei Schichtladebetrieb eine zwangsweise

Zuordnung besteht, wurde ein normiertesZeitfenster (von 0 bis 1) definiert, inner-halb dessen sich ein zündfähiges Gemischan der Zündkerze befindet. Dieses wurdeals einspritzbezogener Zündzeitpunkt(EBZ) bezeichnet, Bild 5.

Bei der Versuchsdurchführung war eswesentlich, ausgehend vom Basisbetriebs-punkt jeweils nur einen Parameter zu ver-ändern, um somit Veränderungsgleichun-gen für die drei Vibe-Parameter (scheinba-rer Zündverzug, Brenndauer und Formpa-rameter) in Abhängigkeit der einzelnen,zu variierenden Betriebsparameter auf-stellen zu können. In Bild 6 sind diese füreinige untersuchte Betriebsparameter im

Kraftstoffmassenverlauf thermodyna-misch relevant ist, wird das globale Ver-brennungsluftverhältnis im Brennraumin Abhängigkeit von diesem errechnet.

Durch die Einbindung von Einspritz-und Verdampfungsverlauf in die Pro-gramme DVA und APR ist eine realitätsna-he Berücksichtigung der Enthalpieströmein und aus dem Brennraum möglich.

2.2 WandwärmeübergangZur Ermittlung der Wandwärmeüber-gangsverhältnisse, insbesondere beiSchichtladung, wurde die Oberflächen-temperaturmethode herangezogen. Dazuwurden an den Brennraumwänden insge-samt 30 Oberflächenthermoelementeuntergebracht, wovon sich 16 im Kolben-boden, zehn im Zylinderkopf und vier inder Zylinderbüchse befanden, Bild 3. ZurÜbertragung der Signale vom Kolbenwurde ein neuartiges Telemetriesystementwickelt. Mit diesem ist es möglich, dieSignale der 16 Thermoelemente des Kol-bens bis zu einer Drehzahl von 3000/minzeitgleich bei einer Auflösung von 1 Signalpro Grad Kurbelwinkel [°KW] zu übertra-gen. Bild 4 zeigt das Ergebnis der Ober-flächentemperaturmethode für einengeschichteten Betriebspunkt. Der Verlaufdes gemessenen Wärmeübergangskoeffi-zienten ist dem des mit einschlägigenBerechnungsgleichungen nach Bargende,Hohenberg, Woschni und Woschni/Hubererrechneten Wärmeübergangskoeffizien-ten gegenüber gestellt [3]. Die Messergeb-nisse kommen – wie auch für weitereSchichtladepunkte festgestellt – insge-samt der Gleichung nach Woschni sehrnahe, so dass diese für die Berechnung desWärmeübergangs sehr gut herangezogenwerden kann. Weitere Anpassungen dernulldimensionalen 1-Zonen-Modelle(Druckverlaufsanalyse und Arbeitspro-zessrechnung) bezüglich Nulllinienfin-dung und Energiebilanzierung wurdenentsprechend [4] vorgenommen.

3 Brennverlauf-Vorausberechnungsmodell

Auf Basis der an die ottomotorische Direkteinspritzung angepassten Rechen-programme konnte im Anschluss einModell zur Vorausberechnung der Ener-

FORSCHUNG Simulation

630 MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

Gl. (1)

Gl. (2)

2.2 Wandwärmeübergang

Bild 3: Verteilung der Oberflächentemperatur-messstellen an den BrennraumwändenFigure 3: Distribution of surface-temperature measuring points on the combustion chamber walls

Bild 4: Vergleich Messung/Rechnung des Wärmeübergangskoeffizienten bei SchichtladebetriebFigure 4: Comparison of measurement/calculation of the heat transfer coefficient with stratified combustion

zifischen Faktor – dem so genannten A-Wert – festgelegt. Dieser bestimmt denmaximalen Temperaturunterschied zwi-schen den beiden Zonen und passt dasRechenmodell an die Gemisch- und Ent-

flammungsbedingungen des zu berech-nenden Motors an. Der A-Wert muss fürjeden Motor ein Mal durch Iteration ange-passt werden und bleibt unter der Voraus-setzung, dass keine Veränderung an der

Schichtladebetrieb grafisch dargestellt.Der Drall selbst ist dabei der Scharparame-ter jeder Kurve. Die Untersuchung desDralleinflusses hat für den geschichtetenMotorbetrieb gezeigt, dass die Intensitätdes Eintrittsdralls sämtliche Abhängigkei-ten für die übrigen Einzeleinflussfaktorenüberlagert. Das heißt, eine Variation derDrallstärke bewirkt gleichsam zusätzlichzum reinen Turbulenzeinfluss eine Verän-derung der einzelnen Kurvencharakteri-stiken. Die Drallziffer Dc war somit keineunabhängige Größe wie die weiterenBetriebsparameter (EBZ, ZZP, λ, etc.), undihr Einfluss konnte damit nicht unabhän-gig von den übrigen Variationsgrößenuntersucht und formuliert werden.

Sämtliche Funktionen können zurBeschreibung des Gesamteinflusses füreinen vorauszuberechnenden Betriebs-punkt multiplikativ verknüpft werden.Man erhält damit für einen beliebigenBetriebspunkt eine quantitative Verände-rung der Vibe-Parameter gegenüberdenen eines Basis-Betriebspunktes. Somitkann ausgehend von nur einem zu mes-senden Betriebspunkt auch bei einergleichzeitigen Veränderung aller Parame-ter gegenüber dem Referenzpunkt dieÄnderung des Verbrennungsablaufs vor-ausberechnet werden. In diesem einzig zumessenden Basis-Betriebspunkt sind allenur schwer erfassbaren Randbedingungenenthalten, ohne ihre Einzeleinflüsse aufden Brennverlauf kennen zu müssen. Manbraucht somit nicht nach Absolutwerten,sondern nur nach Tendenzen zu fragen,deren allgemein gültige mathematischeFormulierung in gewissen Grenzen mög-lich ist. Das Absolutniveau von Brennbe-ginn, Brenndauer und Formfaktor wirddurch die Messung des einen Basis-Brenn-verlaufs eindeutig festgelegt.

4 Stickoxidrechenmodell

Das hier verwendete NO-Rechenmodellwurde ursprünglich für den Dieselmotor[7] entwickelt, beinhaltet ein Zweizonen-Modell sowie einen reaktionskinetischenAnsatz und wurde an den Verbrennungs-prozess der Benzin-Direkteinspritzungangepasst [8]. Das Zweizonen-Modell teiltden Brennraum in eine Reaktionszone(Zone 1) und in eine unverbrannte Zone(Zone 2). Die Energiefreisetzung und somitauch die NO-Bildung finden ausschließ-lich in der Zone 1 statt und werden vomBrennverlauf bestimmt. In der Zone 2 sindalle noch nicht verbrannten Anteile derZylinderladung sowie das Restgas des vor-angegangen Arbeitsspiels enthalten.

Das Anfangstemperaturniveau in derReaktionszone wird von einem motorspe-

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3 Brennverlauf-Vorausberechnungsmodell

Hersteller DaimlerChrysler AG

Motortyp Forschungsmotor Mercedes-Benz (Basis M111)

Arbeitsverfahren Viertakt, Otto mit Direkteinspritzung

Brennverfahren strahlgeführt

Gemischbildung ■ Hochdruck-Direkteinspritzung oder Saugrohr-einspritzung (für beide Einlasskanäle)

■ Mechanische Drosselklappenverstellung

Zylinderzahl 1

Hubvolumen [cm3] 550

Hub [mm] 86,6

Bohrung [mm] 89,9

Verdichtungsverhältnis [ – ] 10,0

Pleuellänge [mm] 149,0

Brennraumgeometrie Dachbrennraum mit Ventilwinkel 50°

Einlassventile

Anzahl 2Durchmesser [mm] 35Hub [mm] 9,4

Auslassventile

Anzahl 1Durchmesser [mm] 31Hub [mm] 9,3

Ventilsteuerzeiten EÖ: 16 °KW v. OT(bei 0 mm Ventilhub) ES: 78 °KW n. UT

AÖ: 55 °KW v. UTAS: 33 °KW n. OT

Zündung Elektronische Spulenzündanlage,seitliche Zündkerze (düsennah)

Kraftstoff [ROZ] 98 (Super Plus)

Tabelle 1: Technische Daten des VersuchsmotorsTable 1: Characteristics of the test engine

Betriebsparameter Einheit Variationsbereich / Basiswert

Schrittweite

Einspritzbeginn ESB °KW v. OT 54 - 44 50(bei ZZP = 43 °KW v. OT)

Zündzeitpunkt ZZP °KW v. OT 58 - 28 / 3 42,9

Luftverhältnis λ - 2,2 - 7,2 / ca. 1 3,76

Kraftstoffdruck pKrst bar 40 - 110 75

Drehzahl n 1/min 1000 - 4000 / 500 2000

Liefergrad • λL - 0,25 - 0,95 / ca. 0,15 0,83

Ansauglufttemperatur TL K 300 - 370 / ca. 15 300

Restgasgehalt ξ % 10,6 - 23 / ca. 4 10,6

Drallstärke Dc - 0,36 - 5,2 5,2

Tabelle 2: Versuchsprogramm und Basisbetriebspunkt bei SchichtladungTable 2: Test program and basic operating point with stratified combustion

rechnungen mit verschiedenen Luftver-hältnissen in der Reaktionszone durchge-führt, Bild 8. Die Ergebnisse gaben Grundzur Annahme, dass die Verbrennung imSchichtladebetrieb innerhalb derGemischwolke integral bei einem Luftver-hältnis λ0 = 1,00 abläuft. Das Verbren-nungsluftverhältnis in der unverbranntenZone errechnet sich anhand der Kraftstoff-verdampfung (vgl. Kap. 2) und des Ver-brennungsfortschrittes.

Die eigentliche Stickoxidbildung wirdanschließend in Abhängigkeit des zeitli-

chen Verlaufs der Reaktionszonentempe-ratur mit einem Reaktionskinetik-Modellberechnet. Zur Abklärung, welche reakti-onskinetischen Konstanten für den hierverwendeten, erweiterten Zeldovich-Mechanismus eingesetzt werden können,wurden Variationsrechnungen mit ver-schiedenen Reaktionskinetik-Systemenunterschiedlicher Autoren durchgeführt.Diese Untersuchungen ergaben, dass dieNO-Rechnung mit dem Reaktionskinetik-System nach Urlaub [9] den Messergebnis-sen am nächsten kommt.

Gemischbildung (Einspritzung bezie-hungsweise Ladungsbewegung) vorge-nommen wird, für die jeweilige Betriebs-strategie konstant, Bild 7.

Neben der Temperatur ist auch dasLuftverhältnis in der Reaktionszone für dieNO-Bildung ausschlaggebend. Im Homo-genbetrieb werden die Luftverhältnissebeider Zonen dem globalen Verbren-nungsluftverhältnis gleichgesetzt. BeiSchichtladung muss λ in der Reaktionszo-ne innerhalb der Zündgrenzen fest vorge-geben werden. Dazu wurden Variations-

FORSCHUNG Simulation

632 MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

3 Brennverlauf-Vorausberechnungsmodell

Bild 5: SchematischeDarstellung des einspritzbezogenenZündzeitpunkts(EBZ)Figure 5: Schematicdiagram of the injection-relatedignition point (IRIP)

Bild 6: Einfluss-faktoren auf Zünd-verzug, Brenn-dauer und Form-parameter fürverschiedeneBetriebsparameterim Schichtlade-betrieb mit zweiunterschiedlichenDrallstärkenFigure 6: Influenc-ing factors onignition delay,combustionduration andshape parameterfor different oper-ation parameterswith stratifiedcombustion andtwo different swirl-values

5 Verifizierung der Modelle

Im Folgenden sollen die Modelle zur Vor-ausberechnung des Brennverlaufs und derStickoxidbildung an einem weiteren Otto-motor mit Direkteinspritzung (Vollmotor,Vierzylinder) mit verändertem Brennver-fahren (wandgeführt) verifiziert undsomit die vollständige Übertragbarkeitdemonstriert werden. Dazu sind nebenden Geometriedaten des Motors auch derBrennverlauf und die Stickoxidemissionfür je einen Betriebspunkt (Basis) einerBetriebsstrategie (geschichtet oder homo-gen) nötig. Zur Anpassung der Modelle anden jeweiligen Motor musste zunächst fürden Basisbetriebspunkt dem realen Brenn-verlauf ein synthetischer einbeschriebenwerden, Bild 9. Anschließend wurdeanhand der gemessenen NO-Emission derA-Wert für die NO-Rechnung durch Iterati-on ermittelt. Für den hier verwendetenVollmotor ergab sich für den Basisbe-triebspunkt bei Schichtladung ein A-Wertvon 1800 K. Damit sind die Modelle an denzu berechnenden Motor angepasst. In Bild10 sind für sechs weitere Betriebspunktedie realen sowie die vorausberechnetenBrennverläufe dargestellt, Tabelle 3.Zusätzlich sind die gemessenen und vor-ausberechneten NO-Emissionen aufge-zeigt. Sowohl die Brennverläufe als auchdie Stickoxidemissionen können mit denentwickelten Modellen treffsicher voraus-berechnet werden.

6 Berechnung instationärerVorgänge

Zur Berechnung instationärer Fahrzustän-de wurden die entwickelten Modelle indas Simulationsprogramm Gesamtpro-zessanalyse (GPA) der Forschungsvereini-gung Verbrennungskraftmaschinen e.V.(FVV) [10] integriert. Die GPA ist durch einegrafische Oberfläche und einen modula-ren Aufbau gekennzeichnet, wodurch einzu simulierendes Gesamtsystem durchVerschaltung von Teilsystemen (Baustei-nen) ermöglicht wird. Zentraler Bausteinzur thermodynamischen Abbildung istdas Motorkennfeld. Dieses ist vor dereigentlichen GPA-Simulation durch eineParametervariation mittels eines Kenn-felderstellungsprogramms [8] zu erzeu-

633MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

4 Stickoxidrechenmodell

Bild 7:Betriebsartendes Ottomotorsmit Direktein-spritzungFigure 7: Oper-ation modes ofthe direct injec-tion spark-igni-tion engine

Bild 8: Vergleich NO-Messung/Rechnung mit verschiedenen Verbrennungsluftverhältnissen in der ReaktionszoneFigure 8: Comparison of NO measurement/calculation for a different combustion air/fuel ratio in the reaction zone

5 Verifizierung der Modelle

Bild 9: Realerund synthe-tischer Brenn-verlauf (Vibe) für den Basis-betriebspunktFigure 9:Actual andsynthetic heatrelease rate(Vibe) for thebasic operatingpoint

der NO-Emissionen. Bei der anschließen-den GPA-Simulation ist durch die Verwen-dung des einmalig erstellten Motorkenn-feldes nur noch die Interpolation des sichaktuell einstellenden Betriebspunktesnötig, was zu einer deutlichen Rechenzeit-ersparnis führt.

gen. Die Kennfelderstellung erfolgt aufBasis der Arbeitsprozessrechnung (vgl.Kapitel 2) unter Verwendung der in Kapi-tel 3 dargestellten Zusammenhänge fürdie Vorausberechnung des Vibe-Ersatz-brennverlaufs und des in Kapitel 4 vorge-stellten Modells zur Vorausberechnung

FORSCHUNG Simulation

634 MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

5 Verifizierung der Modelle

Bild 10: Vergleich Messung/Rechnung bezüglichBrennverläufen und NO-Emissionen für 6 TestbetriebspunkteFigure 10: Comparison of measurement/calculation concerning heat release rates and NO emissions of 6 test operating points

pmi n ESB ZZP λL λ ξ pKrst

[ - ] [1/min] [ - ] [°KW v. OT] [ - ] [ - ] [%] [bar]

Basis pmi,0 n0 ESB0 ZZP0 λL,0 λ0 ξ0 pKrst,0

TP 1 1,4·pmi,0 1,5·n0 ESB0 ZZP0 1,2·λL,0 0,8·λ0 ξ0 pKrst,0

TP 2 0,6·pmi,0 0,5·n0 ESB0 ZZP0 0,88·λL,0 1,15·λ0 1,3·ξ0 pKrst,0

TP 3 1,4·pmi,0 1,5·n0 ESB0 ZZP0 1,14·λL,0 0,7·λ0 0,8·ξ0 pKrst,0

TP 4 1,4·pmi,0 1,5·n0 ESB0 0,75·ZZP0 1,14·λL,0 0,7·λ0 0,8·ξ0 pKrst,0

TP 5 1,4·pmi,0 1,5·n0 ESB0 0,5·ZZP0 1,14·λL,0 0,7·λ0 0,8·ξ0 pKrst,0

TP 6 1,4·pmi,0 1,5·n0 1,4·ESB0 ZZP0 1,14·λL,0 0,7·λ0 0,8·ξ0 pKrst,0

Tabelle 3: Relative Änderungen der Testbetriebspunktdaten gegenüber dem BasisbetriebspunktTable 3: Relative changes in the test operating-point data compared to the basic operating point

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In Bild 11 ist das Ergebnis der GPA imersten Teil des ECE-City-Cycles eines Fahr-zeugs der Kompaktklasse mit DI-Ottomo-tor im Schichtladebetrieb dargestellt. DieLastregelung erfolgte hier qualitativ überdas Verbrennungsluftverhältnis, das heißtüber die eingespritzte Kraftstoffmenge. Esist eine gute Korrelation der einzelnenVerläufe zu erkennen. In den Leerlaufpha-sen wird der Motor mit einem Luftverhält-nis von 8,5 betrieben, wodurch sich einesehr geringe NO-Emission ergibt. BeimAnfahren und Beschleunigen des Fahr-zeugs sinkt λ aufgrund des großenMomentenbedarfs ab, es kommt zu ausge-prägten NO-Spitzen.

7 Zusammenfassung

Im vorgestellten Forschungsvorhabenwurde eine Möglichkeit aufgezeigt, dasBetriebsverhalten von Ottomotoren mitDirekteinspritzung mit einfach handhab-baren Modellen vorauszuberechnen. Aus-gangsbasis stellten die Einzonen-ModelleDruckverlaufsanalyse und Arbeitsprozess-rechnung dar, die im Rahmen dieserArbeit an die Besonderheiten der ottomo-torischen Direkteinspritzung (Einspritz-verlauf, Verdampfungsverlauf, Wandwär-meübergang) anzupassen waren. Anhandsystematischer Prüfstandsuntersuchun-gen wurde ein Brennverlauf-Vorausbe-rechnungsmodell auf Vibe-Basis ent-wickelt. Zur Vorausberechnung der NO-Emission wurde ein am Dieselmotor ent-wickeltes Rechenmodell modifiziert. Die-ses baut auf der Kreisprozessrechnung aufund beinhaltet ein Zweizonen-Modellsowie ein reaktionskinetisches Modell aufBasis des erweiterten Zeldovich-Mecha-nismus. Zur Übertragung auf andere DI-Ottomotoren sind die Geometriedatensowie der Brennverlauf und die Stickoxi-demission für lediglich einen Betriebs-punkt (Basis) nötig. Anschließend sind dieModelle in der Lage, den Brennverlauf unddie NO-Emission für jeden beliebigenBetriebspunkt in der jeweiligen Betriebs-strategie (geschichtet oder homogen) vor-auszuberechnen. In einem abschließen-den Arbeitsschritt wurden die Modelle indas Programmpaket Gesamtprozessanaly-se eingebunden. Damit wurde letztlichauch die Berechnung instationärer Vor-gänge wie innerhalb verschiedener Fahr-zyklen (zum Beispiel NEFZ) möglich.

Literaturhinweise

635MTZ 7-8/2003 Jahrgang 64

Bild 11: Ergebnis der GPA im ECE-City-Cycle mit SchichtladungFigure 11: Result of GPA in ECE city cycle with stratified combustion

6 Berechnung instationärer Vorgänge

[1] Bosch, W.: Der Einspritzgesetz-Indi-kator, ein neues Messgerät zurdirekten Bestimmung des Einspritz-gesetzes von Einzeleinspritzungen.In: MTZ 25 (1964), Nr. 7, S. 268-282

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[3] Mollenhauer, K. (Hrsg.): HandbuchDieselmotoren. Springer-Verlag, Ber-lin, Heidelberg, New York, 1997

[4] Frommelt, A.; Bargende, M.; Burk-hardt, Ch.: Besonderheiten der ther-modynamischen Analyse von DI-Ottomotoren. 7. Tagung: Der Arbeit-sprozess des Verbrennungsmotors,Graz, 1999

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sprozess von Verbrennungsmotoren.VEB Verlag der Technik, Berlin, 1970

[7] Heider, G.; Woschni, G.; Zeilinger K.:2-Zonen-Rechenmodell zur Voraus-rechnung der NO-Emission von Die-selmotoren. In: MTZ 59 (1998), Nr.11, S. 770-775

[8] Weberbauer, F.: ThermodynamischeAnalyse und Vorausberechnung derStickoxidemissionen von direktein-spritzenden Ottomotoren. München,Technische Universität, Dissertation,2001

[9] Urlaub, A.: Verbrennungsmotoren.Springer Verlag, Berlin, Heidelberg,New York, Band 2, 1988

[10] Prescher, K.; Gessner, U.; Röhl, L.;Schley, W.: EDV-Rahmenprogrammfür rationell einsetzbare Simulations-programme zur Berechnung dynami-scher Vorgänge am Verbrennungs-motor mit seinen Verbrauchern imRahmen der Gesamtprozessanalyse.FVV-Forschungsbericht, Heft 434-1,Frankfurt/Main, 1989

Dieser Bericht ist das

wissenschaftliche Ergebnis

einer Forschungsaufgabe,

die von der Forschungs-

vereinigung Verbrennungs-

kraftmaschinen e.V. (FVV),

Frankfurt/Main, gestellt und

am Institut für Verbren-

nungskraftmaschinen (LVK)

der TU München unter

Leitung von Univ.-Prof.

Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. G.

Woschni bearbeitet wurde.

Die Arbeit wurde durch die

FVV finanziell gefördert.

Die Forschungsvereinigung

Verbrennungskraftmaschi-

nen e.V. dankt Professor

Woschni und seinen Mitar-

beitern für die erfolgreiche

Durchführung des Vorha-

bens.

Das Forschungsvorhaben

wurde von einem Arbeits-

kreis der FVV unter der

Leitung von Dr.-Ing. F.

Wirbeleit, DaimlerChrysler

AG Stuttgart, begleitet.

Diesem Arbeitskreis

gebührt unser Dank für

die große Unterstützung.

Danksagung