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XIV. Experimentelle Untersuehungen fiber das Kniephlinomen. Yon Prof. Dr. Julius Sohreiber in KSnigsberg i~ Pr. (Hierzu Tafel I.) In meinen klinischen Untersuchungen tiber das Kniephiinomen 1} babe ieh auf eine physiologisehe Er~rterung des Gegenstandes an einer anderen Stelle hingewiesen; im Nachfolgenden beabsiehtige ich in diese an der Hand eigener Experimente 2) einzutreten. Freilich kennt die Literatur bereits eine stattliche Reihe gleieh- gerichteter und zum Theft sehr exacter Experimenialforschungen an Mensehen wie an Thieren. Anein ihre Resultate widersprechen sich vielfaeh und vielfach halten sic einer etwas strengeren Kritik ni'cht viillig Stand. Sic haben jedenfalls die Frage, zu deren L~isung sic angestellt worden, die nach dem physiologisehen Inhalt des Knie- phi~nomens endgtiltig zu beantworten nicht vermoeht; vielleicht nieht zum geringsten deshalb, weft offenbar fast alle Forscher dutch die der im Thema stehenden Erscheinung ursprUnglich beigelegten hTomen- clatur (Pritpatellarsehnenreflex, Pri~patellarsehnenphanomen, Pri~pa- tellarphi~nomen, Sehnenreflex, Sehnenphi~nomen) sieh verleiten liessen, ihre Aufmerksamkeit lediglieh auf alas Ligamentum patellae proprium und auf lediglich dessen Beziehungen zum Quadriceps femoris zu eoncentriren, wenig oder gar nicht die Ubrigen Componenten des Kniegelenks bertieksiehtigend. Westphal, yon dem die minder prajndieirende Bezeiehnung ,,Kniephanomen" herrtihrt, wusste trotz- dem nieht weniger wie E r b das Interesse ftlr das genannte Phiino- men yon vornherein derartig mit dem fur das Verhalten des Liga- mentum ellaepat proprium zu identifieiren, dass z. B. die etwaigen Beziehungen der an sensiblen hTerven gewiss sehr reichen Gelenk- 1) D. Arch. f. klin. Med. yon v. Ziemssen u. Zenker. Bd. XXXV. S. 254. 2) Dieselben sind in den mir stets bereitwilligst zur Verfiigung gestellten Raumen des Laboratoriums tier hiesigen medicinischen Klinik ausgeftihrt wordem

Experimentelle Untersuchungen über das Kniephänomen

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XIV.

Experimentelle Untersuehungen fiber das Kniephlinomen. Yon

Prof . Dr. J u l i u s Sohre ibe r in KSnigsberg i~ Pr.

(Hierzu Tafel I.)

In meinen klinischen Untersuchungen tiber das Kniephiinomen 1} babe ieh auf eine physiologisehe Er~rterung des Gegenstandes an einer anderen Stelle hingewiesen; im Nachfolgenden beabsiehtige ich in diese an der Hand eigener Experimente 2) einzutreten.

Freilich kennt die Literatur bereits eine stattliche Reihe gleieh- gerichteter und zum Theft sehr exacter Experimenialforschungen an Mensehen wie an Thieren. Anein ihre Resultate widersprechen sich vielfaeh und vielfach halten sic einer etwas strengeren Kritik ni'cht viillig Stand. Sic haben jedenfalls die Frage, zu deren L~isung sic angestellt worden, die nach dem physiologisehen Inhalt des Knie- phi~nomens endgtiltig zu beantworten nicht vermoeht; vielleicht nieht zum geringsten deshalb, weft offenbar fast alle Forscher dutch die der im Thema stehenden Erscheinung ursprUnglich beigelegten hTomen- clatur (Pritpatellarsehnenreflex, Pri~patellarsehnenphanomen, Pri~pa- tellarphi~nomen, Sehnenreflex, Sehnenphi~nomen) sieh verleiten liessen, ihre Aufmerksamkeit lediglieh auf alas Ligamentum patellae proprium und auf lediglich dessen Beziehungen zum Quadriceps femoris zu eoncentriren, wenig oder gar nicht die Ubrigen Componenten des Kniegelenks bertieksiehtigend. W e s t p h a l , yon dem die minder prajndieirende Bezeiehnung ,,Kniephanomen" herrtihrt, wusste trotz- dem nieht weniger wie E r b das Interesse ftlr das genannte Phiino- men yon vornherein derartig mit dem fur das Verhalten des Liga- mentum ellaepat proprium zu identifieiren, dass z. B. die etwaigen Beziehungen der an sensiblen hTerven gewiss sehr reichen Gelenk-

1) D. Arch. f. klin. Med. yon v. Ziemssen u. Zenker. Bd. XXXV. S. 254. 2) Dieselben sind in den mir stets bereitwilligst zur Verfiigung gestellten

Raumen des Laboratoriums tier hiesigen medicinischen Klinik ausgeftihrt wordem

Experimentelle Untersuchungen tiber das Kniephi~nomem 271

fliichen (L e w i n s k i) zur Quadricepszuckung viJllig unerforscht blieben~ nachdem W e s t p ha l die Unwahrscheinlichkeit derartigcr Beziehungen nur v o r a u s g e s e t z t hatte ; Aehnliches gilt ftir andere Priimissen, wie ftir die von der physikaliseh-mechanischen Erregung contralateraler Muskelcontractionen durch Erschtitterung der kn~ichernen Tbeile des Oberschenkels, des Beckens resp. deren Weichtheile, mit welchen spi~tcre Untersueher ( W a l l e r , P r e v o s t ) wie mit einer bewiesenen Thatsache rechneten. Ganz ausser Erwagung liess man die Frage naeh dem etwaigen Einfluss der Gelenkkapsel auf die Unterschenkel- zuckung und, wenn wir zuniichst eine nur als wahrseheinlich hin- gestellte, f~ir das Knieph~nomen tibrigens nicht in zutreffender Form erhitrtete Annahme S t r t i m p e l l ' s bet Seite lassen wollen, der das Kniegelenk umgebenden Fascien.

Diese Fragen erweisen sich sofort einer exacten Untersuchunff bedtirftig, sobald, wie zuvor angedeutet worden, berechtigte Zweifel entstehen tiber die Grundlage der Lehre vom Kniephi~nomen, ich meine tiber die anscheinend nntrennbare Beziehung der Unterschenkel- zuckung zur mechanisehen Erregung des Ligamentum patellae pro- prium. Ftlge ich noch hinzu, dass m. E. Thatsachen gegcn die be- kannte, bisher unwiderlegte W e s t p h a l ' s c h e Tbeorie yon der Be- deutung des Muskeltonus fttr das Kniephiinomen zu erbringen sind, so habe ich damit die Wege markirt, welehe die nachfolgende Ab- handlung in der Hauptsache zu beschreiten baben wird.

Die Kenntniss der Discussion tiber das Kniephi~nomen setze ich voraus, um reich nicht in der Wiedergabe oft zusammengestellter Arbeiten zu wiederholen. Dahingegen seheint es erforderlich, einige wenige anatomisehe Daten hinsichtlich tier Componenten des Knie- gelenks vorwcg zu geben.

,,Untcr dem Ligamentum patellae proprium s. inferius verstehen wir gew(ihnlich jenes ,,platte, im sagittalen Durehmesser comprimirte nnd 4 mm miichtige Band yon tier Breite tier Basis des Apex patellae, die es umfasst und yon welcher aus es sieh mit parallelen Btindeln ab und etwas rtickw~rts zui" Tubcrositas patcllaris begibt, um sieh kaum verschmi~lert .~n derseibea anzusetzen" (H e n l e).

Versucht man nun an einer menschlichen Leiche das so gekenn- zeichnete und auch allgcmein so anerkannte Ligamentum patellae pro- prium lateral- und medianwiirts zu isoliren, so gelingt das lateralwi~rts sehr leicht, medianwiirts aber nur schwer. Lateralwarts ist es die bekanntlich zur Tuberositas tibiae herabsteigende, nach der Mittellinie convergirende, starke,Oberschenkelfascie, welche sieh leicht trennbar an das Ligamentum patellae propr, anlegt; medianw~rts ist yon ether

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derartigen starken Fascie nicht die Rede. Hier steigt, wie Herr Prof. iMerkel mir an einem frischen Pr~parat zu demonstriren die Freund- lichkeit hatte, die breit auslaufende Sehne des Vastus medius zur Tibia herab, mit dem Ligamentum patellae propr, in innigster Ver- bindung.

Yersuche, die auf das Verhalten der Sehne der gemeinschaft- lichen Unterschenkelstrecker geriehtet sind, mUssen daher auf die lateral- uud medianw~rts yon der ersteren ganz diffcrenten anatomi- schen und Gewebsvcrh~ltnisse Bedacht uehmen.

Die Kniegelenkkapsel ist bekanntlich an der vorderen Flache des Schenkelbeins bis 8 cm und mehr tiber dem oberen Rande der far die Patella bestimmten Rinne angeheftet. In den oberen Partieu indirect mit den Streckern verwaehsen, ist dies die vordere Kapsel- wand ganz direct in der Mitte Uber der Patella mit der gemeinschaft- lichen Sehne des Qaadriceps; die Gelenkkapsel wird ,,darch die Beugung des Unterschenkels gespannt und geebnet, bei der Streekung durch einen eigenen Muskel in eine Falte aufw~rts gezogen".

An geeigneten Pr~paraten an Kaninchen kaun man mit grosser Leichtigkeit sehen, wie ein geringer Zug an der vorderen Kapselwand sich unweigerlich auf die Quadricepsmusculatur fortpflanzt, dieselbe nach unten ziehend.

Bemerken mSchte ieh noch, dass das Knieph~inomen bci Kaniu- chen~ an welchen ich experimentirt habe, zuweilen im hohen Maasse herabgesetzt ist und dass sotehe Thiere zu Versuchen, wie die vor- liegenden, nattirlich nicht geeignet sind.

Wie sehr auch die Autoren hinsichtlich der Frage, ob das Knie- phanomen ein Reflexphanomen (Erb, S c h u l t z e and F t i r b r i n g e r , T s c h i r i e w , B u r c k h a r d t , Gowers , Sena to r , Lewinsk i , N o t h n a g e l , J a r i s c h und Schi f f , J e n d r / t s s i k ) i s t oder nicht ( W e s t p h a l 7 W a l l e r und P r6vos t , Eu l enbu rg ) , dissentiren m~gen, darin sind sic einer Meinung, dass das Knieph~nomen cine yon dem Ligamentum patellae proprium ausgehende Erscheinuug ist, welehe nach den Ersteren auf der meehanisehen Erregang der an tier Uebergangsstelle yon Muskel zur Sehne gelegenen (nach meinen experimentellen Erfahrungen iibrigens im ganzen Organ verbreiteten) N e r v e n e l e m e n t e des Pr~patcllarbandes beruht, nach den Letzte- ren auf der dutch das Ligamentum vermittelten directen mechauisehen Erregung, Zerrung der Quadriceps m us eu la t u r. Dem gegenttber fragen wir:

Experimentelle Untersuchungen i:~ber das Kaieph~nomen. 273

Ist die Pri~patellarsehne die einzige (physiologische oder physi- kalische) Erregungsquelle fi~r das Kniephiinomen?

1. Versuch. Das dentlieh hervorspringende Ligamentum patellae proprium wird an der Tuberositas tibiae und yon seiner seitliehen Anheftung mit einem Thermokauter oder Messer abgel~st; es zieht sieh alsdann zur Patella zurt~ck; es wird auch dort abgesehnitten. Iqaeh der Entfernnng des Ligaments entsteht eine breite Llieke in den das Kniegelenk umgebenden fibrSsen Membranen, in weleher die die Gelenkkapsel bedeekende Fettmasse siehtbar wird. Spannt man nun liber dieselbe and resp. iiber die die LUcke begrenzenden fibrt~sen R~tnder eine elastisehe Gummimembran and pereattirt man diese in der Mitte, so tritt - - vorausgesetzt, dass das Knie gebeugt women - - eine lebbafte Contraction des ganzen Qaadrieeps auf.

R e s u l t a t : Die Pr'~tpatellarsehne ist am Kniegelenk nieht die einzige Erregungsquelle fiir das Knieph~tnomen.

Die Schwingungen der todten Membran im voranstehenden Ver- suehe hatten sich offenbar auf andere in physiologiseber oder ana- tomiseh-physlkalischer Beziehung zum Quadrieeps stehende Theile der Kniegelenkgegend Ubertragen.

Auf welehen dieser Theile ist der obige Erfolg zu beziehen? hTaeh den vorausgeschickten anatomischen Daten zieht sieh median- w~trts yon der Kniegelenkgegend die breite Sehne des Vastus medias, lateralw~rts die Obersehenkelfaseie herab.

2. Versuch. Pereuttirt man naeh Entfernung der Gummimembran an dem wie zuvor vorbereiteten Thiere den inneren Rand der Ltleke, so tritt eine deutliehe Quadrieepszuckung auf

Also aueh die aussehliesslich dem Vastus medius angeht~rende Sehne kann das Zustandekommen des Knieph~tnomens vermitteln. Die klinisehen Beobaehtungen, naeh welchen yon der inneren Fl~tehe der Kniegelenkgegend, speciell vom Condyl. intern, tibiao ein Fas eie n- reflex gebildet werden kt~nne, sind daher offenbar gleiehfalls als Seh- nenph~tnomene anzuspreehen. Dem gegentiber ist mit Leiehtigkeit tier experimentell bisher noeh ausstehende Beweis zu erbringen, dass Fascienph~tnomene existiren, und dass speeiell das Knieph~tnomen dureh einen solchen Faseienreiz regelmKssig ausgelt~st werden kann.

3. Versuch. 1. Bei demselben Thiere wird der l a t e r a l e Rand der Rinne pereuttirt; es tritt deutliehe Quadricepszuckung auf; das- selbe geschieht aueh, wean man die mediane Rinnenwand (Sehne des Vastus medias) einsehneidet.

2. Percuttirt man die erhaltene Fascie gegen die feste Unterlage, so ist der Erfolg negativ.

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3. Schneidet man auch die laterale Faseie ein und percuttirt man diese, so ist der Erfolg negativ.

4. Spannt man die eingeschnittene Fascie ktinstlich an und percuttirt man dieselbe, so ist der Erfolg ein positiver.

R e s u l t a t : Es gibt yon den Fascien aus angeregte Muskel- contractionen und speciell alas Knieph~inomen kaun ein reines F a s - c i e n p h i ~ n o m e n sein, so zwar, dass die beztlgliche physiologisehe oder physikalische Erregungsquelle lateralw~irts an der Kniegelenk- gegend zu suchen ist.

4. Versuch. 1. Entfernt man bei Thieren in der bisherigen Vor- bereitung das de r Gelenkkapsel aufliegende Fettgewebe Und per- cuttirt man nun vorsiehtig gegen die in Kniebeugestellung gespannte Gel e n k k a p s e l , so tritt fast regelm~issig eine deutliehe blitzartige Quadricepscontraetion auf.

2. Zerrungen der Kapsel mit der Pincette, leichte Stiehe in die- selbe geben einen negativen Erfolg.

3. Wird auch die Gelenkkapsel eingeschnitten und werden die G e 1 e n k flii e h e n leieht percuttirt, so erfolgen Quadricepscontrae- tionen ausnahmsweise yon der Tibia her, fast regelm~issig yore Femur und besonders v o n d e r der Patellaaufnahme entsprechenden Rinne desselben.

4. Zu h~iufige Wiederholung des Versuehs ftihrt zu inconstanten Resultaten; stiirkere Percussion der Gelenkfi~iehe oft zu negativen.

5. H~iufig gelingt es durch leichte Stiche in die Gelenkfiiiche des Femur die Quadrieepszuckung zu erzielen.

6. Die Erregbarkeit der Gelenkfiiiehen erlischt relativ nach kurzer Zeit.

7. Percussion der Condylen des Obersehenkels bewirkt keine Zuckung.

R e s u l t a t : 1. Das Kniephlinomen kann ein sosenanntes Knie- k a p s e l p h ~ i n o m e n sein; 2. es kann schliesslich aueh unzweifel- haft yon den G e l e n k f l ~ i c h e n aus hervorgerufen werden.

In allen diesen Versuchen beobachtet man sehr h~iufig ausse~ der Quadrieepszuekung noch Zuckungen in den diesseitigen, sowie in den Adductoren des Oberschenkels der anderen Seite; bei eurari- sirten Thieren fehlt jede derartige Muskelcontraction.

Nach den voransteheuden Versuchsresultaten kann das Knie- ph~inomen im weiteren Sinne offenbar auch ein Gelenkfi~iehenphii- nomen~ ein Kapsel-~ Fascien-, Vastus medius-, Sehnenphiinomen sein, so dass die Frage nunmehr entsteht, ob denn die Pr~ipatellarsehne an sich Uberhaupt eine directe Beziehung zum sogenannten Prlipa-

Experimentelle Untersuchungen tiber das Kniephi~nomen. 275

tellarsehnenphiinomen habe (Versuch 5) : Durehsehneidet man, indem man vorsichtig unter das Ligamentum patellae proprium mit einem schmalen Messerchen eingeht, die lateralen fibriisen Begrenzungen desselben der Lange und Quere nach, sowie die Gelenkkapsel, bleibt also ausser der Gelenkfiache nur noeh das normal fiber das Knie gespannte Ligamentum proprium, so gibt auch die jetzt vorsichtig gegen das letztere gerichtete Percussion eine deutliche Quadrieeps- zuekung.

Das Ligamentum patellae proprium besitzt also direete Bezie- hungen zum Kniephanomen, doch werden wit naeh dem Mitgetheilten das letztere nicht mehr als ein aussehliessliches P r a p a t e l l a r - sehnenphi~nomen anzusehen haben, sondern als das Product einer zunaehst noch unentsehiedenen Form yon Erregung a l l e r der ge- nannten C o m p o n e n t e n des Kniegelenks.

Welcher Art ist diese Erregung; ist sic eine refleetorische oder genUgt zu ihrer Erklarung die W e s t p h a l'sche Tonustheorie?

Die T o n u s t h e o r ie lehrt: Tonus, Spannung des Muskels und Sehwingungsfahigkeit der Sehne sind die drei Bediugungen fttr die Entstehung des Kniephanomens. Sic lehrt weiter: Die MuSl~elzuekung wird direct dureh die vibrirende Sehne meehaniseh bewirkt; die contralateralen Zuckungen sind die Folge einer yon der Sehne aus sich fortpflanzenden meehanisehen ErsehUtterung der kn(iehernen Theile des Obersehenkels, Beckens resp. deren Weichtheile. Die folgenden Fragen sind daher erst zu erledigeu.

F~hrt die Percussion des I~igamentum patellae propriura zu einer mechanischen Erschi~lterung tier Weichtheile beider Oberschenkel?

Die experimentelle Beantwortung dieser rein physikalisehen Frage ist bisher noeh gar nicht versueht worden; sic ist anseheinend schwie- rig~ in Wirklichkeit aber sehr leieht ausftihrbar und zwar am leieh- testen direct am Menschen. Soil die etwaige E r s e h U t t e r u n g s w e 11 e ftir sich allein dargestellt werden k(innen~ so muss jede andere active Bewegung in den Oberschenkelmuskeln zuverlassig ausgeschlossen werden kSnnen. Dies ist nun bekanntlieh der Fall bei Tabikern, welehe auf Percussion der Prapatellarsehne weder eine physiologiseh (refieetorisch), noch eine meehaniseh vermittelte (direete neuromus- culare oder idiomusculare), d. h. gar keine active Muskelbewegung darbieten. Jede andere yon der Sehne aus angeregte Bewegung in den Weichtheilen des Oberschenkels kann in solehen Fallen nur eine rein physikalische Bewegungsform sein.

6. Versuch. Um die Mitte des Quadriceps des einen Oberschenkels eines Tabischen wird eine M a r e y'sehe Transmissionskapsel befestigt,

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dieselbe mit dem Tambour enrcgistrcur verbunden, dessen Feder an die Trommel einer F o u c a u 1 t'schen Mechanik angelegt; cine zweite genau scnkrecbt unter die erstere gestellte Feder ist dureh den Tam- bour mit cinem um dic Prapatellarsehne lose befestigten weicheu Gummischlauch verbunden, so dass die Zeit der Percussion der Sehne auf dem berussten Papicr dcr rotirendcn Trommel momentan vermerkt werden kann. Der Kranke wird so auf den Rand eines Bettes ge- setzt, dass dic Untersehenkei frei herabhangcn. In dieser Ruhe- stellung der Extremitaten zcichnet die Feder hiiufig keifie gcrade, sondern eine rhythmisch, dureh die Pulsationen der Oberschenkel- gef~sse bedingte unterbrochene Linie.

1. Percuttirt man nun ganz sehwach das Ligamentum patellae proprium des mit dcr Kapsel armirten Beines, so tritt nahezu gleich- zeitig mit dem Sehlagsignal in der Zeichnung eine deutliehe Welle in der Linie ~uf, welehe bisher die Ruhestellung des Oberschenkels angegeben hat. Die Welle ist am so griisser , je starker percuttirt worden (Tar I, Fig. 1 ; a ~ Bewegung im Oberschenkel, b -~- Moment der Percussion der Sehne).

2. Diese passive ErschtittcrungswelIe kann haufig durch die auf- gelegtc Hand geftihlt wcrden.

3. Die Wellen sind deutlicher, wenn der untersuchte Oberschenkel tiber den dcr entgegengesetzten Seite gelcgt wird.

4. Percuttirt man die contralaterale Prapatellarsehne, so tritt in dem mit der Transmissionskapsel armirten Oberschenkel baufig gar keine und nut bci starkerem Ansch]ag eine mit unbewaffnetem Auge eben kenntliche Welle auf; bei anderen Tabisehen ist yon der contra- lateralen Sehne auch nach schwiichcrem Anschlag regelmassig eine Welle auslSsbar, allein auch hier so schwach, dass sie nut mit der Loupe deutlich erkannt werden kann.

5. Percussion der gleiehseitigen Patella und Tuberositas tibiae geben haufig eine sehr deutliche Quadricepserschtitterung.

6. Percussion der contralateralen Patella und Tuberositas geben gleichfalls oft eine Oberschenkelcrsehtitterung, deren graphischer Ausdruck zwar schw~icher ist als bei der Percussion der bctreffenden, gleichseitig gelegenen Theile, aber immer starker als der dutch Per- cussion der contralatcralen Sehne erzielte. (Ein anniihernd vergleieh- bares Bild geben die einzelnen Nummern der Fig. 2, welcbe yon einem anderen Tabiker als Fig. I gezeichnet ist. Tas I, Fig. 2 cut- hi,It in Nr. I--3 bei a, a, a Wellen vom Oberschenkel nach Percussion der gleicbscitigen Sehne; Nr. 4--7 bei b, b, b ~ nach Percussion der eontraIateralen Sehne; Nr. $ bei x~ x, x = d e r gleichseitigen

Experimentelle Untersuchungen aber das Kniephi~nomen. 277

Patella; Nr. 9 bei x, x, x ~ der eontralateralen Patella; INr. 10 bei x, x, x ~ der gleiehseitigen Tuberositas; Nr. 11 bei x, x, x ----- der eontralateralen Tuberositas tibiae.)

Hiermit ist der Beweis geliefert, dass die Percussion des Liga- mentum patellae thats~tchlieh zu einer deutlichen mecbanisehen Er- schtttterung der Weichtheile des gleichseitigen, ja unter Umst~nden aueh des entgegengesetzten Obersehenkels fiihrt.

Diese ErsehUtterungswelle kann selbstverstandlich nut bei in- taetem Kniegelenk zu Stande kommen, und sic kommt wahrsehein- lieh dadureh zu Stande, dass die Sehwingungen tier Pr@atellarsehne dureh die Gelenkkapsel sieh zu den diesseitigen and yon bier durch das Beckon zu den eontralateralen Weiehtheilen fortpflanzen. Allein trotz ihrer nunmehr thatsaehliehen Existenz haben diese Ersehtttte- rungen der Weiehtheile mit den bezUgliehen Muskeleontraetionen genetiseh offenbar niehts zu thun. Denn vor Allem waren zuerst di ej e n ig en Muskeleontraetionen auf eine derartige meehanisehe Erregungsquelle zu beziehen, in deren Bereiehe die ErsehUtterung am st~rksten ist, also in den gleiehseitigen Quadrieepsmuskeln.

Eine solehe Annahme ist abet bisher nicht gemaeht women, sic widersprieht aueh allen Ersebeinungen, die das Thierexperiment bis- her geliefert hat. Wiederum entspreehend den schwaehsten und in- constantesten Ersehtitterungswellen, welehe die Percussion der S e h n o in den eontralateralen Weiehtheilen bewirkt, mtissten die eontra- lateralen Muskeleontraetionen yon der S e h n e aus am seltensten und am schwaehsten, zugleieh aber nieht blos in den Adductoren, sondern auch in den contralateralen Quadrieepsmuskeln bemerkt werden; als fast eonstante und. leiehter auszulSsende Phanomene mttssten (vgL 6. Versueh und Fig. 2, Nr. S und 10) sehliesslieh zu bemerken sein eontralaterale Muskeleontractionen in den Adduetoren und in den Untersehenkelstreekern yon der P a t e l l a selbst und yon der Tu- b e r o s i t a s t i b i a e aus. Aber allen solehen Annahmen wider- spreehen bekanntlieh die bisherigen klinischen Erfahrungen sammt- lieb, so dass aus den zuletzt mitgetheilten Versuehen mindestens der Sehluss zu ziehen erlaubt sein wird, dass die am Menschen mit dam Kniephanomen gleiehzeitig beobachteten e o n t r a 1 a t e r a 1 e n Muskel- eontraetionen nieht zu beziehen sind auf 'eine in die eontralateralen Muskeln fortgepflanzte Ersehtitterungswelle.

Auch die Erschi~tterung der Knochen kann nicht die Ursache der contralateralen und nicht der gleichseitigen Muskelcontraction sein. Denn das Experiment (4. Vers. 3--7) lehrt, dass, obsehon dieselben yon den Gelenkflachen aus durch schwache Percussion, zuweilen sogar

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278 xIv. SCUR~SR

dureh lqadelstiche erregt werdcn kiinnen, sie nicht zu erregen sind durch selbst starkere Percussion der tibrigen Theile des Femur. Dahingegen kommen diese Muskelph~nomene gelegentlieh zum Vor- schein auf Anschlag an die Tuberositas tibiae, an die tibiale Gclenk- fiache, nachdem die Gelenkkapsel eingesehnitten und also jede directe Fortpfianzung der Erschtitterunff vom Unterschenkei- zum Ober- schenkelknoehen ausgeschlossen ist.

Die Gelenkflachenphanomene sowie mindestens die contralate- ralen Muskelcontraetionen (beim Mcnschen) sind s o n a c h - da die ihnen zu Grunde geleffte mechanische Theorie ihrer Entstehung nicht zutreffend scheint - - mit Rticksicht auf ihr bekanntes Verhalten naeh Curare, Cruralissectionen u. s. w. als Reflexphanomene zu bezeichnen.

Aueh die eigentliche Tonustheorie erflihrt dutch die mitgetheilten Experimente bereits manche Widerlegung; nicht dass in den letzteren (an der Faseie, Gelenkkapsel u. s. w.) die Wirkung ether directen Muskelerregung durch Zerrung viillig ausgeschlossen ware, allein es ist zu bemerken, dass trotz eines solchen Insultes nur eines Theiles des Quadriceps, z. B. bet Percussion der Sehne des Vastus medias, doch die Gesammtmusculatur des Quadriceps in Contraction gerathen kann. Ueberdies ist, wenn yon Analogien aus der Physiologie zu- nachst abgesehen werden daft, der Beweis noch gar nicht erbracht, class d e r Q u a d r i c e p s a u f d i r e e t e Z e r r u n g mi t e t h e r b l i t z - a r t i g e n G e s a m m t c o n t r a c t i o n a n t w o r t e t ; der mit der Pin- cette an der Sehne oberhalb oder unterhalb der Patella ausgetibte Zug ftihrt wenigstens nicht zum Kniephauomen.

7. Versuch. Das untere Ende des Quadriceps wird durch einen Seidenfaden lest umschnUrt, der Quadriceps yon dem patellaren An- satz abgetrennt, der Seidenfaden und durch ihn der Quadrieeps an- gespannt. Wird jetzt der Seidenikden leicht percuttirt, so tritt eine deutliehe blitzartige Quadricepscontraetion auf.

Dieser Versueh beweist, dass die einfache Uebertragung yon minimalen Zerrungen yon ether nervenlosen Masse aus auf den Qua- driceps diesen zur Contraction bringen kann; anseheinend also, dass die bisher noch unerklart ffebliebenen Sehnen-, Fascien-, Kapsel- ph~nomene Phanomene directer Muskelerregunff seien. Aber gerade dieser Versuch wird sogleich als der der Tonustheorie am meisten widerspreehende kennen gelernt werden. Hier gentige, darauf hin- zuweisen, dass die in Frage stehenden Sehnen-, Fascien-, Kapsel- phanomenejedenihlls a u c h u n a b h a n g i g yon j e d e r d i r e c t e n M u s k e 1 z e r 1' u n g, also refiectorisch auftreten k 6 n n e n, denn (8. Ver- such) auch dann, wenn, wie im 7. Versuch, der Quadricepsmuskel an

Experimentelle Untersuchungen tiber das Kniephi~nomen. 279

einem Seidenfaden befcstigt, yon se]ner kniJchernen Untedage und yon seinen benachbarten Muskeln nach Incision der Obcrschenkel- fascie zum Theil abgetrennt wird, also jede directe Verbindung mit der restgebliebenen Prapatellarsehne, der Sehne des Vastus medius, der Fascie aufgehoben ist, denn aueh dann fiihrt die Percussion der I e t z t e 1- e n, sofern far ihre Anspannung ktinstlich gesorgt ist, zu einer deutlichen Quadricepszuckunff.

f)ie Tonustheorie reicht nicht zur Erkl~rung des Knleph~nomens aus. Dass ein T h e i l d e r m i t dem Kniephanomen gleichzeitig aaf-

tretenden Erscheinungen an den Muskeln beider Oberschenkel nicht als directe, sondcrn als reflectorische Phiinomene anzusehen ist, darf nach dem Mitgetheilten als bewiesen gelten. Es ist auch bewiesen, class die Quadricepscontraction ~n sich unabh~tngig yon einer directen Verbindung mit den mechanisch erregten Componenten des Knie- gelcnks, also refiectorischer Natur sein k a n n ; soll die refiectorisehe Natur des Kniephanomens unbedingte Geltung gewinnen, so muss noch bewiesen werden, dass die Tonustheorie auch ganz aligemein zur Erklarung des Kniephanomens nicht ausreicht.

Bekanntlich halt W e s t p h a l den vielfach citirten exacten Thier- versuchen yon S c h u l z e und F U r b r i n g e r , von T s c h i r i e w u. A., der bekannten Wirkung des Strychnin (B e rg e r, S t r U m p e 11), den mannigfachen klinischen Erfahrungen ( N o t h n a g e l , L e w i n s k i , E rb u. A.) den Einwand entgegen, dass dieselben der Tonustheorie nicht widersprachen; dass die Bedingungen, unter welchen das Knie- phanomen anscheinend durch Zerstiirung des Refiexbogens verschwin- det, auch solche waren, unter welchea der Tonus der Musculatur verschwinde.

Tonus des Muskels, Spannung desselben yon einem gewissen Grade, ausreichende Schwingungsfahigkeit der Sehne - - sind sic vorhanden, , so sind alle Bedingungen zum Zustandekommen des Knieph~nomens erftillt, und es bedarf nicht der weiteren Annahme eines refiectorischen Vorganges yon centripetalen Sehnen- oder Mus- kelnerven aus. Der eigenthtimliche, specifische Reiz der vibrirenden Sehne resp. der plStzlichen Zerrung des Muskels bringt diesen direct zur Zusammenziehung".

Diese W e s t p h a l'sche Theorie ist zu widerlegen und zwar dutch Experimente, die ich im Vorstehenden bereits angeftihrt, j azum Theil durch solche anderer Autoren~ denen auffallenderweise diese Beziehung ganz und gar entgangen ist.

Z.B. 1. Wird die Prapatellarsehne yon der Tuberositas tibiae b is zur Patella abgelilst, ktinstlich gespannt, das Knie gebeugt, so

h r c h i v f. experiment, Pathot. u. PharmakoL XVIIL Bd. 19

280 XIV. SC~R~IBER

gibt die Percussion der Sehne eine deutliehe Quadricepszuckung; d i e s e Z u c k u n g i s t n i c h t zu e r z e u g e n , s o b a l d c e t e r i s pa - r i b u s d e r U n t e r s e h e n k e l de s T h i e r e s g e g e n den 0 b e r - s e h e n k e l g e s t r e e k t g e h a l t e n wlrd .

2. Wird das Eude des Quadriceps dureh einen Seidenfaden um- schntirt, der Quadriceps yon der Patella und seiner Anhaftung am Femur und den Nachbarmuskeln bis etwa tiber das untere Drittel des Femur abgetrennt, der Muskel dutch den Seidenfaden angespannt, so gibt die Percussion des Seidenfadens bei Kniebeugestellung eine relativ starke Quadricepszuekung; d i e s e Z u c k u n g i s t w i e d e r u m n i c h t zu e r zeugen~ s o b a l d e e t e r i s p a r i b u s da s K n i e ge - s t r e c k t g e h a l t e n w i rd .

Dasselbe gilt fiir a l l e bisher yon mir angeftihrten Versuehe, auch flir die nut kurz erwahnten Quadricepseontractionen, welehe gelegent- lieh nach Durchschneidung der Sehne naeh schwacher Percussion der Tuberositas tibiae, sehr selten naeh Percussion der Condylen auf- treten; i m m e r i s t de r E r f o l g n u t dann e in p o s i t i v e r , w e n n d a s K n i e g e b e u g t i s t , e in n e g a t i v e r be i p a s s i v e r G r a d - s t e l l u n g de s Knies .

Also trotz erhaltenem Tonus des Quadriceps, trotz ausreichender Anspannung des Muskels, trotz nachgewiesener Schwingangsfahigkeit der nattirlichen oder ktinstliehen (Seidenfaden) Sehne kommt die Quadricepseontraction n i e h t zu Stande o h n e e i n V i e r t e s, namlich ohne die ftlr die Anspannung des Muskels und der Sehne u. s. w. unter den obigen Bedingungen ja ganz gleichgtiltige Beugestellung des Knies; die drei genannten Bedingungen W e s t p h a I's ftihren demnaeh noch nicht zur Erzeugung der besprochenen Phanomene, seine Theorie reieht also zur Erklarung des Kniephanomens nicht vollstandig aus.

Wahrend nun die vorgebrachten Thatsachen mit der Tonustheorie unvereinbar sind, erweisen sic sich in bester Harmonic mit den tiber das Verhalten der Reflexe bestehenden Erfahrungen. Dieselbcn tragen bekanntlich meistens den Charakter der Zweekmassigkeit an sigh. Danaeh ist es nattirlich, dass Streekmuskeln, welehe gereizt werden, zunachst zum Zwecke der Vollftihrung ihrer sonst yore Willen aus angeregten Gesammtfunction in Action treteu, d. h. zur Streckung, wenu das Knie gebeugt ist; fallt dagegen das Motiv zur Reflex- bewegung aus~ so tritt der Reflex selbst nieht ein, weshalb aueh, wenn die Streckung des Bcines passiv bewirkt ist, die Reizung der Streckmuskeln zun~ichst ohne Wirkung bleibt. Freilich ware alsdanu irgend eine andere Aeusserung auf den stattgehabten Reiz zu er- warten, d e n n - wie die Physiologic l e h r t - sind die Refiexe ,,einer

Experimentelle Uatersuchungen tiber da~ Kaiephi~uomen. 281

zweekmiissigen Anpassung nach abge~inderten iiusseren Verhiiltnissen fiihig". Dies ist nun beim Nenschen auch thats~ehlieh zu erweisen.

Lagert man einen Mensehcn z. B. ganz horizontal, die Unter- extremitiiten m~issiff gespreizt, ctwas nach ausscn rotirt, so bleibt die mcehanisehe Rcizung der Kniegelenkgegend nicht, wie man annimmt, ohne jcde Reaction~ vielmchr ergibt alsdann die Percussion der innercn Kniegelenkgegend nahezu r e g e 1 m ~t s s ig eine andere, cben den abge~tnderten ~tusseren Verh~tltnissen angepasste Reflexbewegung: e i n e R o t a t i o n n a e h i n n e n , die grossen Zehen n~ihern sieh anein- ander. Diese wahrseheinlieh auf den Graeilis zu beziehcnde Bewegung ist energiseher unter denselben Bedingungen, die zu gesteigerter Qua- dricepszuckung fiihren (Lateralsklerose) und umgekehrt (Tabes), and ebenso wie diese zuweilen nut contralateral, zuweilen eine beider- seitige bei Percussion der einen Seite. t)

Es erUbrigt, einige im Voranstehenden some in der klinisehen !~Iittheilung bertihrte Frag'en erganzend zu beantworten.

I. Die yon mir angegebenen Verfahrungsweisen zur Erzeugung des functionell verschwundenen KniepMinomens (1. c.) ira Lichte der voranstehenden Auseinandersetzung.

Gem~iss mcinen klinischen Mitthei!ungen tiber das Kniephiinomen gelang es, bei bestimmten Individuen das abgeschw~ehte oder fehlende Kniephi~nomcn zu verstiirkcn oder zu erzeugen, anscheinend naeh oberfiachlichem Frottiren der Vorderfli~che des betreffenden Unter- sehenkels. 2)

1) Danach seheinen -- beili~ufig - - die ent s p annten fibrSsen Componenten desKniegelenks, resp. seheint deren Hauptrepri~sentant, das entspannte Ligamen- turn patellae proprinm, nieht ganz unerregbar zu sein, wahrend ausserdem nach anderen Beobachtungen am Menschen mit wachsender (maximaler)Anspannung der Sehne, mit welcher nach der mechanischen Erkli~rung, deren Schwingungen an Zahl und damit an Muskelzerrungen wachsen milssten, die angeblich durch die letz- teren direct bewirkten Quadricepscontractionen an Intensit~t keineswegs zunehmen; vielmehr ist das Kniephi~nomen am leiehtesten und am deutlichsten zu erzielen bei geringerer, h6chstens bei mitflerer (W e s t ph a 1) Anspannung des Ligaments.

Diese beil~ufige Bemerkung weist in interessanter Weise gleichfaUs darauf bin, wie der Erfolg der mechanischen (Knie-)'Sehnenreizung sieh weiterhin viel- mehr richtet nach physiologischen (reflectorischen), als nach physikalischen (me- ehanisehen) Principien. Ueberdies hat Th. Rosenheim neuerdings den Beweis erbraeht, class such dutch gewisse elektrische Reize tier Sehne alas Kniephii.nomen hervorgerufen werden kann, wobei ieh daran erinnere, dass naeh meinem Versuche leiehte Stiche gegen die Gelenkfl~ehe des Femur denselben Erfolg zeigten.

2) Nachdem bei dem Arbeiter J. D. mehrere Tage hindurch constatirt worden war, dass das Kniephg.nomen anscheinend dauernd fehlt, gelang es sehliesslich, dasselbe in folgender Weise hervorzurufen:

19"

282 XIV. SCH~SIBSa

Diese Thatsache k(innte als eine Best~itigung der mit Rccht

widerlegten Anschauung J o f f r o y ' s yon dem KniephRnomen als

e inem Hautreflexphiinomen gedeutet werden, so zwar, dass durch das Fro t t i ren direct oder durch Vermit t lung der so gesteigerten Haut-

Am 7. Januar ergab der Yersuch Fehlen des Knieph~nomens beiderseits. Es wird, wahrend das eine Knie (das rechte) fiber dem anderen ruht, genau

untersucht, ob nicht das Fehlen des Kniephanomens auf die Contraction irgend einer Muskelgruppe zurfickzuffihren ist; um zunachst jede active Spannung aus- zusehliessen, wird der Unterschenkel leicht bin- und herbewegt und dabei ,,wie zur Beruhigung" die Vorderfli~che der Unterschenkelhaut mit der Hohlhandflache leicht frottirt. Nachdem dies ca. eine Minute geschehen, tritt nach der hierauf folgenden Percussion der Sehne eine deutliche, wenn auch schwache Quadriceps- zuckung auf, die zunachst triage scheint, mit jedem folgenden Anschlage aber immer blitzartiger und starker wird.

Es wird hierauf das linke Knie geprtift; das Kniephanomen fehlte; in der- selben Weise wird der linke Unterschenkel frottirt, danach genau dasselbe soeben ffir rechts beschriebene Yerhalten.

Am folgenden Tage genau dasselbe Resultat: 9. Januar. Knieph~nomen beiderseits fehlend ; 1. es werden die Extremitiiten

in die Nahe des erwi~rmten 0fens gebracht, die Hauttemperatur dadurch erhSht - - auf das Zustandekommen der Quadricepszuckung bleibt dies ohne Erfolg.

2. Sehwache indurirte StrSme gegen die Unterschenkel bleiben ohne Erfolg. 3. Nach ca. i/2 Stunde wird auf die Vorderfliiche beider Unterschenkel Senf-

papier applicirt. a) Nach ca. 15 Minuten hat der Kranke das Geftihl leichten Brennens ;nach

Entfernung des Senfpapiers links ist die Haut dort leicht gerSthet - - Kniephi~- nomen ist auch jetzt durch Percussion der Sehne nicht zu erzeugen. Es wir4 darauf wie oben ca. 1 Minute frottirt - - unmittelbar darauf ergibt die Percussion der Sehne eine deutliche, ,nit jedem weiteren Anschlage starker werdende Qua- dricepscontraction, so zwar, dass nach dem 8. bis 10, Anschlage geradeza patho- logisch starke Unterschenkelzuckungen auftreten; wird der Versuch lange Zeit. hintereinander fortgesetzt, so werden die Zuckungen im Durchschnitt mittelstark, erfolgen 5fter erst auf den 2. bis 3. Anschlag, hier und da tritt auch jetzt noch eine abnorm starke Unterschenkelzuckung auf; darauf 6 Minatea Pause. Knie- phs fehlt; es tritt aber nach dem 4. bis 5. Anschlage wieder schwach hervor und wird weiterhin - - wie zuvor - - starker. Darauf 8 Minuten Pause. Wieder fehlt anscheinend bei der einmaligen Percussion das Knieph~inomen; es tritt jetzt erst nach dem 10. bis 1l. Anschlage auf nnd bei mehrere Minuten fortgesetzten Priifungen tritt die Zuckung immer erst nach mehreren (ca. 5) Schlftgen auf.

Werden die Versuche noch lgmger ausgedehnt (mit immer neuen Pausen zwischen den einzelnen Untersuchungen), so bedarf es einer immer zunehmenden Summe yon Percussionsschltigen, bis die erste Zuckung auftritt.

Wird neuerdings das Bein frottirt, so treten die Zuckungen bereits nach dem zweiten Anschlage auf, sie wachsen mit jedem folgenden Anschlage viel schneller an Ms zuvor, aber sie werden nicht mehr pathologisch stark.

b) W~hrend der Versuche a) (ca. 3j4 Stunden) hat das Senfpapier dem rechten Unterschenkel angelegen und zu einer starken R(ithung der Haut gefilhrt. Nach

Experimentelle Untersuchungen fiber das Kuieph~nomen. 283

temperatur die Hautnerven empfiinglicher ftir Reize gemacht worden w~iren, die nachfolgende mechanisehe Erregunff (durch Percussion) d e r Scbnengegend danach gross genug wUrde, eine Quadricepszuekung zu inncrviren.

Geffen eine solche Annahme spricht die in der Anmerkung des N~heren mitgetheilte Bcobachtung bei demselben Untersuchungs- object , nach weleher andere, die Hautnerven in demselben Sinne beeinflussende Reize, wie die directe Erw~h'mung des Unterschenkels, die Application yon Sinapismen, yon schwachen:Inductionsstr~imen, nicht denselben positiven Effolg zu Wege bringen konnten. Ich glaube daher die angeftihrte Beobachtung nieht anders deutcn zu kiinnen, als dass dutch die bei der Frottirung statthabende per iodisehe Be- wegung des Untersehenkels die Ligamente, die laterale Fascie, die Kapsel des Knieffelenks abwechselnd gedehnt und entspannt, d. h. metbodisch getlbt resp. prolongirt meehanisch gereizt wurden. An- scheinend handelt es s ich hier also, wie in den Versuchen yon

Entfernung ergibt die Percussion der Sehne zuniichst kein Ph~nomen; nach Ib i s 2 Minuten bier und da sehr schwaches Phhnomen. Darauf Frottirung des rechten Unterschenkels; gleich hierauf sind deutliche Zuckungen auszulSsen und sle werden mit jedem Sehnenanschlage starker. �9 Wird die Untersuchung derartig fortgesetzt , dass die Erzeugung des Knieph~nomens nach 1--2 Minuten Unterbrochen und einige Secunden der Unterschenkel frottirt wird, so bleiben die Unterschenkel- zuckungen anhaltend gleich stark, sie sind sogar hi~uflg pathologisch verstarkt, selbst wenn die Sehnenreizungen wie im vorliegenden Falle 12 Minuten statt- haben.

10. Januar. Bei der gewShnlicheu Art der Untersuchung des Knieph~tnomens scheint dasselbe wieder beiderseits zu fehlen.

Es wird darauf, ohne zu frottiren, gegen die Pri~patellarsehne des einen Knies in je 2--4 Secunden aufeinanderfnlgenden, relativ starkeu SchI~gen per- cuttirt; nach 21/2 Minuten beginnt so die erste schwache Quadricepscontraction, die bei fortgesetzter Percussion an Sthrke stetig znnimmt, schliesslich in pathologische Excursionen iibergeht. Freilich sind zwischea solchen pathologisch versti~rkteu Unterschenkclzuckungen auch schw~chere bemerkbar , was jedenfalls auf die mit freier Hand nicht ~611ig gleichm~ssige Percussion der Sehne zurfickzuffihren ist. Werden diese Versuche zu lange fortgesetzt, so werden die sehr starken ZUckungeu seltener, h~ufig fi~llt dann auch die eine oder die andere Zuckung ganz uus. Genaa dasselbe wiederholt sich bei der Untersuchung des anderen Beines.

11. Januar. Vollkommen derselbe Befund wie am gestrigen Tage. I m wen teren u der Beobachtung wurde dem Kranken yon vornherein Strych~num nitr. injicirt; sobald die Steiflgkeit der Beine begann, waren die zuVOr na~h we- nigen Percussionsschii~gen noch fehlenden Quadricepscontractionen je~tmit jedem Anschlage prompt naChweisbar. Die ti~glich bis zum Eintritt leichter Intoxication fortgesetzten Strychnininjectionen hatten in ktirzester Zeit den Effolg, dass das Kniephi~nomen schliesslich vSllignormal nachweisbar wurde und: nachweisbar blieb.

2 8 4 X I V . SCm~EIBER

~ J a r i s c h und S e h i f f , um den Effect einer Sum- ~ ~ mation yon gleiehgesinnten Reizen, die nach den ~.$ ~ -" ~" ~ =" Untersuchungen yon G r U n h a g e n, yon S t i r - ~ . ~ �9

~ ~ ~ l i n g - K r o n e c k e r , y o n W a r d ( K r o n e c k e r ) $ " E .- ~ ~. im Stande sind, Reflexe auszulSsen, welche der ~ ~ einzelne Reiz hervorzubringen noch nicht ver-

mochte. Mit dieser Erkl~rung harmonirt auch anscheinend die fernere Beobachtunff, class bet demselben Individuum sparer, wie nach Frottirung, so dutch 1--3 Minutcn in Pausen yon 2--4 Se- cunden fortgesetztes Pcrcuttiren des Ligamentum patellae proprium der gleiche Erfolg zu erzielen w a r .

Allein aus der unten angemerkten n~heren Schilderung der gemachten Beobachtunffen ergibt sigh in KUrze Folgcndes:

Zur Erzeugung der ersten Quadricepszuckunff war freilich eine Summe yon Reizen, indess im Gegensatz zu den citirten Versuchen eine Summe yon, um mit B o w d i t s c h zu reden, ,,maximalen",

.~ unter normalen Verh~ltnissen ,,unfehlbaren" Rcizen " eribrderlich; war aber die erste Zuckunff, die zu-

n~ichst sehr klein war, crschienen, so traten die foigenden sehon nach 3--4, nach 1--2 Percussions- schl~gen auf, sie wuchsen dabei geradezu staffcl- m~issig an und konnten selbst bet lange Zcit fort- gesctzten Prtifungen in mittlcrer Intensitat erhalten werden.

Mit diescm Verhalten stimmen aber die heran- gezogencn Beobachtungen der Physiologen wie- derum nieht tiberein, naeh welchen vielmehr bet

\ ,

fortgesetzten Summationsreizen im Allgememen die Latenzen zunehmen, die Reflexzuckungen sich vermindern.

Zwischen den S t i r l i n g - K r o n e c k e r und Ward ' schen Befunden und den in Rede stehen- den meinigen muss trotz einer gewissen ausseren Verwandtschaft doeh ein principieller Wesens- unterschied bestehen. Vielleicht dass den reflex-

vcrmittelnden Organen die unter pathologischen Verh~ltnissen hervor- tretende F~higkeit innewohnt, die ihnen selbst durch maximale, sonst

Experlmentelle Untersuchungen fiber das Kniepb~nomen. 285

unfehlbare Reize zufiiessenden Erregungen (wie bei den minimalen, unwirksamen Reizen) zu cumuliren~ diese aber weiterhiu nicht zu einem einzigen Refiexeffeete zu verbrauchen, sondern ftir eine be- stimmte langere Zeit festzuhalten and mit ihnen die unausgesetzt neu hinzufiiessenden Errcgungen stetig zu vermehren; es muss gleich- zeitig die Erregbarkeit und die Leistungsfahigkeit der reflexver- mittelnden Organe hierdurch andauernd gesteigert werden, so zwar, dass, wenn die cumulirten Erregungen naeh einiger Zeit verbraucht sind, nicht mehr staffelmiissig anwachsende Reizeffecte geliefert werden~ jedoch die vordem effectlosen, obsehon maximalen Reize jetzt wenigstens als unfehlbare in die Erscheinung treten. So er- klart sich~ dass das schematisch gezeichnete staffelmi~ssige Ansteigen der Quadricepscontractionen nur bis zu einer gewissen Grenze er- folgte, hinter welcher die letzteren weniger energisch~ aber doch annahernd regelm~issig blieben, und dass nach Versuehspausen yon 5--10 Minuten (wiederum im Gegensatz zu dem~ was die Summation minimaler Reize ergibt) jede Erregbarkeit viillig erloschen schien; yon Neuem mussten alsdann dutch fortgesetzte Percussion der Sehne die Erregungen so zu sagen cumulirt werden~ um den fr~heren Effect zu liefern. Wir finden danach die Analogien zu unseren Beobach- tungen am ehesten noch in den yon B o w d i t s c h mit maximalen Reizen am Herzmuskel gewonnenen Erfahrungen~ sowie in der yon R anv i e r unter denselben Bedingungen gefundenen Excitation sufli- saute sans effet, w e l c h e - wie in unserem F a l l e - haufig yon dem naeh B o w d i t s e h sogenannten Treppenphiinomen (an Zahl und ttilhe wachsende Muskelzuckungen) gefolgt ist und zu deren Er- kl~rung R a n vi e r e i n solches tterz vergleicht comme un m6canisme rouill6 qui jouerait plus ais6ment apr~s un certain hombre de con- tractions. Der Zuwaehs der Zuckungsgriisse des Muskels fUhrt ihn zur Annahme, que le muscle est capable d'accumuler de rexcitation. Beztiglich der dritten Methode~ der Strychninisirung~ zur Erzeugung des functionell fehlenden Kniephanomens liegen bekannte Thatsaehen genng vo5 welche in Uebereinstimmung mit dem Obigen den Erfolg als den Ausdruck einer dureh das Medicament gesteigerten Reflexerreg- barkeit beweisen~ als dass dartiber eine weitere Auseinandersetzung nothwendig w~re.

II. Die allgemcin bekannte, bisher freilich ganz einseitig mit dem Spannungszustande der Sehne genetisch in Verbindung gebraehte Thatsache, dass das Kniephanomen in der Streckstellung des Knies vermisst werde, hat J e n d r a s s i k mit Recht einer weiteren Beach- tung werth bezeichnet. An die Verwerthung dieser Erscheinung gegen

286 XlV. SC~R~I~ER

die Tonustheo14e hat er merkwUrdigerweise nicht gedacht, aber auch seine Erkliirung tier Erscheinunff is t offenbar nicht ganz richtig. b~aeh ihm fiillt unter der Versuchsbedingung, dass die Quadriceps- sehne in der passiven Streckstellung des Beines eines Kaninchens ktlnstlich gespannt und pereuttirt wird, die Quadricepszuckung aus, well ,,das Thier sein Knie bei der Streekung desselben zurtlckzuziehen versucht . . . . "~ mit anderen Worten~ well gewisscrmaassen eine par- tielle Contraction des Quadriceps besteht und weil ,die Contraction tier dutch den N. cruralis beeinflussten Muskeln den Sehnenreflex vermindert oder aueh ganz verhindert". Diese Hypothese J en- d r a s s i k ' s wird, wie ich glaube, durch den folgenden Versuch widerlegt.

Versuch. Das Ligamentum patellae proprium wird an der Tu- berositas tibiae and seitlich vorsichtig abgeliist~ es zieht sich his zur Patella zurtick; der Quadriceps eontrahirt sich danach um Etwas and bleibt auch bei Beugestellung des Knies in dieser Contraction. Percuttirt man jetzt tiber die restbleibenden fibriisen Ritnder der nach Entfernung der Sehne entstandenen Lticke (vgl. oben), ohne den Qua- driceps anzuspannen, so tritt (bei Beugestellung) trotzdem eine weitere sehr ausgiebige Quadriccpscontraetion auf.

R e s u l t a t : Auch der partiell contrahirte Quadrieeps ist auf Rei- zung yon den Componenten des Kniegelenks aus noch einer wciteren reflectorischen Contraction fiihig.

III. Das Myogramm des Kniephtinomens und seine Deutung. Das Myogramm der Quadricepseontraction ist yon allen Unter-

sachem, welehe die Frage, ob das Knieph~inomen ein Reflexphiinomen sei oder nicht, durch Zeitmessungcn zu entseheiden versucht haben, so yon G o w e r s , E u l e n b u r g , J a r i s e h und S e h i f f , Francois F r a n c k u.A. namentlich in scinen Beziehungen zur Latenzperiode and zur Contractionsdauer studirt worden. Aber nut E u l e n b u r g

und G o w e r s haben sich noch besonders in die Details des Myogramms vertieft and dabci auf einzelne interessante Cha- raktere desselben hinge-

rig. 2. wiesen, ohne freilieh ihre Bedeutung ganz erkannt zu haben; ich racine die yon beiden Autoren bemerkte, der eigentliehen Quadricepscontractionswelle (b) stets vor- aufgehende kleinere Welle a des beistehenden Schemas. G o w e r s deutet diese kleinere, dem eigentlichen Reflex vorangehende Welle

Experimentelle Untersuchungen tiber das Kniephi~nomen. 287

als Ausdruck ,,eines yon der Sehne fortgepflanzten d ir e e t en Muskel- reizes". Reservirter h~lt sich E u l e n b u r g : ,,Es dtirfte einstweilen noeh gewagt sein, aus diesen graphisehen Details auf Abnormit~iten des zeitlichen Verlaufs und auf sonstige specielle Eigenthtimlichkeiten des Bewegungsvorganges selbst bestimmtere Schlussanwendungen zu machen". Die Bedeutung dieser kleinen Initialwelle ist aber eine hiichst einfache and unzweideutige. Ich erinnere in dieser Beziehung, dass bei Tabischen, bei welchen yon der Sehne aus weder eine auf Reflexvorg~tnge, noch auf Tonus zu beziehcnde, noch eine rein idio- pathische Quadricepszuckung auszulSsen ist, es regelmi~ssig gelingt~ eine so zu sagen physikalische, nicht physiologisch bedingte Bewegang yon d e r S e h n e aus im Obersehenkel zu erzeugen, eine Bewegung, die ich als E r s c h t i t t e r u n g s w e l l e nachgewiesen habe.

Das genauere Studium ihrer zeitlichen Beziehungen zu dem Ein- tritt der Percussion der Sehne ermSglicht es schliesslich, dieselbe Welle auch bei solchen Individuen zu erkennen, bei welchen das Kniephlinomen erhalten ist. Zeitlich in demselben Moment naeh dem Ansehlag an die Patellarsehnc, wie bei Tabikern, tritt auch bei nor- malen Menschen die Erschiitterungswelle auf, nur l~tuft sie bei letzte- ren nicht vollstiindig ab, sondern der griissere Theil derselben wird dureh die brtiske Quadricepseontraetionswelle cachirt. Der erste Theil der ErsehUtterungswelle bleibt aber immer erhalten.

Die beiden Curvcn Fig. 3 und 4" (Taft I) dcmonstriren das Ge- sagte deutlieh.

Taft I, Fig. 3 zeigt in a den Ablauf der Quadricepscontraction~ in b den Moment der Percussion der Quadricepssehne bei einem Gesunden.

Taft I, Fig. 4 zeigt in a die Erschtitterungswelle, in b den Zeit- moment der Percussion der Sehne eiues Tabischen.

Beide Curven haben zeitlich bezogen zum Eintritt der Percussion der Quadricepssehne gemeinsehaftlich die WeUe E, den ersten Theil der Erschtitterungswelle, wi~hrend die sehwaehen Nachschwingungen der Weiehtheile bei x xx in Fig. 4 des Tabischen, beim Gesunden dutch die Contractionswellen bei C C in Fig. 3 verdeekt werden.

Danach ist auch diese interessante Erscheinung im Kniephi~nomen vollstiindig aufgeklart.

288 XIV. SCHREIBER

L i t e r a t u r .

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Berichtigungen. S. 72 (24 d. Sep.-Abdr.) Z. 19 v. u. hinter ,,Stoffverbrauchs" schalte ein ,,urn

15,9 Proc.". S. 78 (30 S. 78 (30 S. 79 (31 S. 80 (32 S. 83 (35 S. 84 (36 S. 92 (44 S. 116 (68

) )Z '12v 'u" /Z. 6 v. u. statt ,,venSsen" lies ,,arteriellen". ) Z. 11 v. .

) Z . 5 v . o. ) Z. 2 v. o. statt ,,Circulution" lies ,,Circulation". ) Z. 6 v. o. statt ,,ziemlich" lies ,,gleiche". ) Z. 9 v. u. statt,,Bauchspeigel" lies ,,Bauchspeichel". ) Z. 7 v. o. statt ,300 C." lies ,31 ~ C."