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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 222, S. 598--602 (1954). Aus der Chirurgischen Universit~tsklinik GSttingen (Direktor: Prof. Dr. H. HELLNER). Experimentelle Untersuehungen iiber die Hiihe der Ausseheidungen yon Thiosemicarbazonen durch Schleimh~iute. Von H. POPPE~ K, HINRICHS~ Ho STEYER und H. WEIDEMANN. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 1. April 1954.) Bereits in frfiheren VerSffentlichungen der klinischen Erprobung des Contebens und der dabei erzielten Resultate wurde festgesteUt, dab besonders alle Formen der Schleimhaut.Tuberkulose gut auf Conteben ansprechen. Besonders auff~llig war der Erfolg bei den tuberkulSsen Geschwiiren im Kehlkopf- und ~undbereich, die h~ufig innerhalb weniger Wochen naeh Beginn der Therapie abheflten. Es wurde seinerzeit disku- tiert, ob dieser therapeutische Effekt auf die lokale Berfihrung mit dem Medikament oder einen entsprechend hohen Blut- bzw. Gewebsspiegel zuriickzuffihren sei. Es wurde schon damals festgestellt, dab der Effekt bei lokalem Verst~uben yon Contebenpuder auf die tuberkulSsen Ge- schwiire gegenfiber dernur oralen Medikation nicht unterschiedlich war. Bei eigenen experimentellen, quantitativen Versuchen der Resorption, Verteilung und Ausscheidung yon Conteben mit Hilfe eines radioaktiv etikettierten Molektils fiel eine relativ hohe Aktivit/~t im Bereich des Magen- Darm-Traktes auf. Anfangs waren wir geneigt, diesen Befund ledig]ich auf den ziemlich groBen Anteil unresorbierten Contebens zurfiekzufiihren, der bei oraler Medikation durch den ])arm ausgeschieden wird. In neuen Versuehen haben wir aber diese Frage einer ~berprfifung unterzogen. Bei unseren Untersuehungen mit dem S a5 etikettierten Conteben- molekiil4a, b, c war leicht die MSglichkeit gegeben, neben der Organver- teilung die qualitative und quantitative Ausscheidung naeh intrapleu- raler und intraperitonealer Verabfolgung zu studieren. Zu diesem Zweck wurden je 13 Ratten und je 12 Mcerschweinchen Conteben in wechselnder Dosierung teils intrapleural, teils intraperitoneal in einer physiol. NaC1-Aufschwemmung injiziert. Die Applikation kann unter Umst/~nden t/~glich wiederholt werden, ohne dab sich wesentliche StSrungen im Allgemeinbefinden der Tiere/~uflern. Im allgemeinen zeigte sich 24 Std nach der intrapleuralen oder intraperitonealen Applikation bei der Sektion das Bild fibrinSser Bel~ge und Verklebungen im Injektionsbereich. Auf Grund der unvollst/~ndigen Resorption dureh die Pleura oder das Peritoneum in den ersten 24 Std muB$e zun~chst versucht werden, den

Experimentelle Untersuchungen über die Höhe der Ausscheidungen von Thiosemicarbazonen durch Schleimhäute

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Page 1: Experimentelle Untersuchungen über die Höhe der Ausscheidungen von Thiosemicarbazonen durch Schleimhäute

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 222, S. 598--602 (1954).

Aus der Chirurgischen Universit~tsklinik GSttingen (Direktor: Prof. Dr. H. HELLNER).

Experimentelle Untersuehungen iiber die Hiihe der Ausseheidungen yon

Thiosemicarbazonen durch Schleimh~iute. Von

H. POPPE~ K, HINRICHS~ Ho STEYER und H. WEIDEMANN.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 1. April 1954.)

Bereits in frfiheren VerSffentlichungen der klinischen Erprobung des Contebens und der dabei erzielten Resultate wurde festgesteUt, dab besonders alle Formen der Schleimhaut.Tuberkulose gut auf Conteben ansprechen. Besonders auff~llig war der Erfolg bei den tuberkulSsen Geschwiiren im Kehlkopf- und ~undbereich, die h~ufig innerhalb weniger Wochen naeh Beginn der Therapie abheflten. Es wurde seinerzeit disku- tiert, ob dieser therapeutische Effekt auf die lokale Berfihrung mit dem Medikament oder einen entsprechend hohen Blut- bzw. Gewebsspiegel zuriickzuffihren sei. Es wurde schon damals festgestellt, dab der Effekt bei lokalem Verst~uben yon Contebenpuder auf die tuberkulSsen Ge- schwiire gegenfiber d e r n u r oralen Medikation nicht unterschiedlich war.

Bei eigenen experimentellen, quanti tat iven Versuchen der Resorption, Verteilung und Ausscheidung yon Conteben mit Hilfe eines radioaktiv etikett ierten Molektils fiel eine relativ hohe Aktivit/~t im Bereich des Magen- Darm-Traktes auf. Anfangs waren wir geneigt, diesen Befund ledig]ich auf den ziemlich groBen Anteil unresorbierten Contebens zurfiekzufiihren, der bei oraler Medikation durch den ])arm ausgeschieden wird. In neuen Versuehen haben wir aber diese Frage einer ~berprfifung unterzogen.

Bei unseren Untersuehungen mit dem S a5 etikett ierten Conteben- molekiil4a, b, c war leicht die MSglichkeit gegeben, neben der Organver- teilung die qualitative und quanti tat ive Ausscheidung naeh intrapleu- raler und intraperitonealer Verabfolgung zu studieren.

Zu diesem Zweck wurden je 13 Ratten und je 12 Mcerschweinchen Conteben in wechselnder Dosierung teils intrapleural, teils intraperitoneal in einer physiol. NaC1-Aufschwemmung injiziert.

Die Applikation kann unter Umst/~nden t/~glich wiederholt werden, ohne dab sich wesentliche StSrungen im Allgemeinbefinden der Tiere/~uflern. Im allgemeinen zeigte sich 24 Std nach der intrapleuralen oder intraperitonealen Applikation bei der Sektion das Bild fibrinSser Bel~ge und Verklebungen im Injektionsbereich.

Auf Grund der unvollst/~ndigen Resorption dureh die Pleura oder das Peri toneum in den ersten 24 Std muB$e zun~chst versucht werden, den

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Ausscheidungen yon Thiosemicarbazonen durch Schleimhaute. 599

unresorbierten Contebenanteil mSglichst quantitativ zu erfassen. Bei 62 Bestimmungen fanden wir, daB nur 2,5% bis maximal 12% der inji- zier ten~enge innerhalb yon 24 Std resorbiert werden. Das wiirde bedeuten, daB selbst fiir den Fall, wo sich unresorbierte Contebenmengen dem Nach. weis entzogen haben, der Weft eher zu niedrig als zu hoch gegri//en ist.

Es ergab sich zun~chst die iiberraschende Tatsache; dab in den ersten 24 Std post appl. nach intrapleuraler Verabfolgung das Verh~ltnis der Kot- zur Urinausscheidung maximal 1 : 2,4 und minimal 1 : 0,9 betrug.

Z~pl~i,lg-

~ r i i [ t r ~ l i i i i ] q

Ur/n ~59,,0 I

Ko P 15¢9,2 ]

GesamtausscheMunj der Schleimh~ule 2232,7 ]

B/'onc/7/alsysfem 16,I

~ I Magenschle/rnhaul und lnhalt 7G,8

] bOnndarmschleimhaut u. [nhall 271,6

Bhnddarmschleimhaul u. fnhall 797,

] Di~kdarmschle/mhauf u. [nhalt 721,6

Abb. 1. Organaktivit~ten in Imp. /min/g nach intraperitonealer Anwendung yon Conteben bei einer Resorption yon 7 mg 24 Std nach Appl. (Mlttelwerte yon Ratten, logarithmisch.)

Es ist also dieses Verh~ltnis der Contebenausscheidung im Mittel von 49 Tieren (Meerschweinchen und Ratten) auBerordentlich wechselnd. Bei intraperRonealer Gabe fanden sich ~hnliche Verh~ltniszahlen:

Kot - - min. 1:0,8 bis max. 1:1,6. Urin

Der hohe Ausscheidungsanteil des resorbierten Contebens ganz unab- h~ngig yon der Applikationsform durch die Schleimh~u¢e ist danach sehr bemerkenswert. Setzt man unter Berficksichtigung der experimentellen Befunde ein, dab nur z. B. 5 mg resorbiert werden, so betriigt der Aus- scheidungsanteil des Urins in 6 Tagen p. i. im giinstigsten Versuch ins- gesamt 34%, w/~hrend in diesem Fall 14,7% durch den Kot ausgeschieden werden. Auch bei erh6hter Resorption (siehe Abb. 1) i~ndern sich diese VerMiltni,se nicht.

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600 H. POPPE, K. It:I/NRICHS, H. 8TEYER u n d H. WEIDEMANN:

Diese Verh~ltnisse wechseln jedoch schlagartig, werm die Tiere eine reichliche Fliissigkeitszufuhr erhalten, im Sirme einer Verschiebung zugunsten der Urinausscheidung. Dabei wurde jedoch ein Verh~ltnis Kot/Urinausscheidung yon 1:2,4 niemals iiberschritten. Somit stehen diese Befunde im Gegensatz zu den Ergebnissen von STURM und WER- NITZ 6, die mit Hilfe ihrer Diazomethode und unter Ausnutzung der Be- stimmung des KupferkomplexbindungsvermSgens yon Conteben fanden, dab in den ersten 48 Std nach oraler Gabe yon 1 × 100 mg Conteben 70--80% durch den Urin ausgeschieden werden!

Imp/rain 6000

BOO0

~ooo

3000 (

2000

1ooo

o X

Imp/rain 8000

5000

~.ooo

3000

2000

1000

/

2. 3. q-.

IVleer sch we/nchen

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5. Tag ~ z

RaPPen

J Oz 2.

Ur/n

3. ~ £ ~g 8. z 2 3

z ~ £Tag ¢

Ur/n

~lTa~ S

Abb. 2. Ausscheidung der absoluten ~engen von Conteben in Kot und Urin bei intrapleuraler und intraperitonealer Applikation (Mittelwerte).

Auf Grund der obigen Befunde wurden in 2 Versuchsserien die Aktiviti~ten der eirmelnen Organe, die mSglicherweise an der Ausseheidung betefligt sein kSnnten, yon 49 Tieren naeh intrapleuraler und intraperito- healer Anwendung untersucht (siehe Abb. 2). Eine subtile Pr~l~ration der einzelnen Organe bietet die Gew~hr, dab keine grSberen Versehlep- pungen yon Conteben durch den Organen au6en anhaftende Mengen mit Hilfe des empfindliehen radioaktiven Nachweisverfahrens mitbestimmt wurden. Im Falle der intraperitonealen Applikation wurden jewefls nur

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Ausseheidungen yon Thiosemicarbazonen durch Sehleimh~ute. 601

vom Verdauungstrakt die Organinhalte und die Schleimhaut zur Aktivi- ti~tsbestimmung herangezogen. Dabei ergaben sich folgende Ausschei- dungsverh~ltnisse:

Intrapleurale Applikation. (Mittelwert yon je 13 Ratten.)

Gesamtausseheidung durch den Verdauungstrakt mit den Schleimhauten, einschlieBlich Kehlkopf und Trachea pro g Organ _ 2,6

Urin pro ml 1

Intraperitoneale AIrplikation. (Mittelwert yon 13 Ratten.)

Gesamtausscheidung durch den Verdauungstrakt mit den Schleimh~uten, einsehlieBlieh Kehlkopf und Trachea pro g O r g a n 4,9

- - o

Urin pro ml 1

Wir kSnnen auf Grund dieser Untersuchungen allerdings nur Aus- sagen fiber die Verhi~ltnisse in den ersten 24 Std machen. Bei Versuehen mit Meerschweinchen sind die Ausscheidungsverhifltnisse noch grSi3er zugunsten tier Schleimhautausscheidung.

In analogen Untersuchungsreihen wurden auch die Verhi~ltnisse nach Applikation eines anderen Thiosemicarbazons, dem Athyl-sulfon-benzal- dehyd-thiosemicarbazon (Polyteben III) untersucht. Dieser Stoff bietet die l~ISglichkeit einer Etikettierung sowohl in der Sulfon- als auch in der Carbazongruppe. Wir werden in einer folgenden Mitteflung fiber diese Ergebnisse berichten. Auch hier ergaben sich im wesentliehen i~hnliche Ausscheidungsverhi~ltnisse.

Auf Grund der vergleichenden Untersuehungsergebnisse daf t man wohl annehmen, daft der Ausscheidungsmechanismus /iir die Thiose- micarbazone allgemein den oben au/gezeigten Gesetzm~ifligkeiten /olgt. Die Organaktivit~ten im einzelnen veranschaulicht Tab. 2.

Bei 10t~giger intraperitonealer Applikation yon 50 mg Conteben tiiglich war eine nachweisbare Ausscheidung durch den Verdauungstrakt und die Trachea von 240//0 der insgesamt in diesem Zeitraum gegebenen Menge festzustellen.

Im Zusammenhang mit den eingangs erw~hnten klinischen Beob- achtungen fiber eine besondere Wirksamkeit des Contebens bei allen Formen yon Schleimhauttuberkulose ist dieser Befund interessant. STUR~ und WERNITZ e hat ten auf Grund ihrer quantitativen Conteben- studien gefolgert, dab bei den fiblichen oralen Gaben ein therapeutisch wirksamer Blutspiegel beim 1V[enschen nicht erreicht wird. Bei einer Dosierung des Contebens von 0,025---0,1 g taglich liegt der Blutsloiegel nach UV-spektrographischen Untersuchungen bei Konzentrationen von weniger als 1 : 1000000 (unter 0,1 rag%). Eine Bakteriostase yon l~yco- bakt. tuberculosis finder hierbei im Reagenzglas nicht mehr start!

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602 POPPE, HINRICHS, STEYER U. WEIDEMANI~ : Ausscheidungen usw.

Bei unseren Versuchen zeigt sich nun, da~ nach Resorption yon z. B. 5 mg Conteben bei intraperitonealer Gabe 9,750/o ~ 487 7 Conteben- ~quiv. und max. 965 7 in den Schleimh~uten des l~agen-Darm-Traktes sowie Trachea und Larynx wiedererseheinen. ])as entsprieht bei einem Mittelgewicht s~mtlicher angegebener Organe einsehlieBlieh ihrer Aus- seheidungen yon 7,64 g einer Contebenkonzentration yon 1 : 157000 min bzw. 1 : 89600 max. Bei dieser Konzentration ist aber naeh den grund- legenden experimentellen Untersuchungen yon DOMAGK 1 die bakterio- statische Wirkung vSllig sieher. Die bisherigen Publikationen 1, ~, 3, 5 konnten infolge einer nut auf KSrpers~fte beschr~nkten NachweismSg- liehkeit (Blut, Urin) Contebenkonzentrationen 1 :500000 - -1 :1000000 naehweisen. Die Rolle der ,,Speicherungsfunktion" der Sehleimh~ute im Intermedi~rstoffwechsel blieb dabei auf Grund der angewandten YIethodik (Diazotierung, Kupferkomplexbindung usw.) unberfieksiehtigt.

Aus dem Ausseheidungsmeehanismus des Contebens durch die Schleimhiiute l~il~t sich also die auffifllig gute Wirkung bei allen Formen der Sehleimhauttuberkulose erkli~ren.

Zusammenfassung. In 245 Organuntersuehungen yon Ratten und Meerschweinehen

wurden die Ausseheidungsverh~ltnisse naeh einmaliger und wiederholter intrapleuraler und intraperitonealer Applikation yon Conteben unter- sueht. Dabei ergab sich der iiberraschende Befund einer reeht erheblichen Ausscheidung durch die Schleimh~ute des l~Iagen-Darm-Traktes. Each Berechnung der absoluten Mengen yon Conteben, die innerhalb 24 Std p. appl. dutch die Sehleimh~ute ausgesehieden werden, zeigt sich, dab an diesen Stellen eine bakteriostatisehe Wirksamkeit erreieht wird. Dadureh erkl~rt sieh die auff~Uig gute Wirkung des Contebens bei allen Formen der Sehleimhauttuberkulose.

Literatur. 1 DO~AGK, G. : a) Bericht auf der Tagung des Chemotherapeutischen Beirates,

Falkenstein 1950. - - b) Chemotherapie der Tuberkulose mit den Thiosemicarba- zonen. Stuttgart: G. Thieme 1950. - - 2 G~Ks, F. J.: a) Klin Wschr. 19~0, 335. - - b) Z. Hyg. 18{}, 622 (1950); c) 181, 345 (1950). - - 3 HEILMEYER, L., u. J.: Klin. Wschr. 1949, 790. - - 4 HINRICHS, K., H. POPPE u. H. STEYER: a) Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 218, 193 (1953); b) 221, 6 (1954); c) (ira Druck). - - s SI~MO~S, HOBSO1% RES~TICK, DENICOLA and BE~NET: Amer. Rev. Tbc. 62, 128 (1950). - - 6 STURM U. W~RNITZ: Dtsch. reed. Wschr. 1951, 705.

Dr. H. POPPE, GSttingen, Chirurg. Univ.-Klinik.