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8/20/2019 Exzerpt - Getrennt Oder Gemeinsam
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Wimmer Christian, 1HEg IP: Paradigmenwechsel: 1H15PRSIPVon der Exklusion zur Inklusion
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Getrennt oder gemeinsam – eine paradigmatische Grundlegung
Von Ewald Feyerer und Claudia Niedermair
Exzerpt von Wimmer Christian, PH-OÖ, 1HEg
Der Begriff „Behinderung“ dient zur Kennzeichnung menschlicher oder sozialer
Abweichungen, der im Alltag meist selbstverständlich und leicht kommunizierbar verwendet
wird, jedoch in der wissenschaftlichen Literatur kontrovers diskutiert wird. In der
Wissenschaft zeigt sich eine Verschiebung zu einer systemisch-ökologischen und
konstruktivistischen Sichtweise.
Sämtliches konkretes Handeln der Menschen wird von Paradigmen gesteuert. Dies betrifft
auch den Sachverhalt „Behinderung“, von der Gesetzgebung bis zur Schule. Derzeit sind im
Bildungssystem zwei Paradigmen vorherrschend: Segregation und Integration. Seit Kurzem
wird ein weiteres Paradigma diskutiert, das der Inklusion.
1. Das Paradigma der Segregation
In den letzten Jahrzehnten wurden Behinderungen als Krankheiten betrachtet, die
besonderer Therapien und besonderer Anstalten bedürfen. Hiervon ausgehend war die
Einführung von Sonder- bzw. Hilfsschulen ein logischer, aber zweifellos ein wichtiger Schritt
um die soziale Ausgrenzung behinderter Menschen zu verringern. Dies führte im Laufe der
Zeit dazu, dass das Recht auf Bildung allgemein anerkannt wird. In diesem Schonraum
wurden die Schwächen hervorgehoben und darauf aufbauend begrenzte Bildung vermittelt.
Obwohl in diesen Einrichtungen unbestritten wertvolle und qualitativ hochwertige Arbeit
geleistet wird, führt die Sonderpädagogik zu einer Besonderung von Kindern und zu einer
Etikettierung, die schließlich in ein geringes Selbstwertgefühl und der sozialen Ausgrenzung
mündet. Die Hervorhebung der Besonderheit und somit der Defizite in der
Schonraumpädagogik führt zu einem geringen Selbstwertgefühl und letztlich zu einer
sozialen Ungleichheit.
2. Das Paradigma der Integration
Bereits 1976 wurde von der WHO der Begriff „Behinderung“ offiziell nicht als Eigenschaft
bestimmter Personen, sondern als sozial bedingte Folge verschiedener Beeinträchtigungen
definiert. Diese Betrachtungsweise steht dem defektorientierten Ansatz der Besonderung
gegenüber. Im Jahr 2001 wurde diese Definition um die Berücksichtigung des gesamten
Lebenshintergrunds erweitert. Somit wird die Separation als die eigentliche Behinderung
genannt - Kinder werden durch mangelnde Integration in ihrem Ökosystem behindert.
Durch diese ökosystemische Sichtweise öffnen sich für die Pädagogik neue Möglichkeiten.
Obwohl die Pädagogik die Beeinträchtigung nicht beeinflussen kann, kann die Behinderung -
also die mangelnde Integration – vermindert werden. Somit wandelt sich die Behinderung
vom unveränderbaren Defekt zu einer veränderlichen Bedingung des Seins.
8/20/2019 Exzerpt - Getrennt Oder Gemeinsam
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Wimmer Christian, 1HEg IP: Paradigmenwechsel: 1H15PRSIPVon der Exklusion zur Inklusion
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Die Integration in der Schule ist somit unverzichtbar um langfristig eine gesellschaftliche
Integration zu schaffen. Die grundlegenden Prinzipien der Integration liegen also in der
Gleichwertigkeit und der Vielfalt des menschlichen Seins.
3. Das Paradigma der Inklusion
Dieses Paradigma, also die „Education for all“, wird dadurch gekennzeichnet, dass jeder
Mensch das Recht hat, als vollwertiges Mitglied zur Gesellschaft dazuzugehören. Die
Heterogenität wird als die Normalität betrachtet. Betrachtet man diesen Standpunkt anhand
der gesamten gesellschaftlichen Bandbreite, hat jeder Mensch das gleiche Recht auf
Verschiedenheit. Im Schulbereich steht damit das System Klasse im Mittelpunkt, das einen
gemeinsamen Lehrplan für alle erfordert und somit die Kategorisierung der Kinder nach
ihrem Defizit sowie die Frage nach der Integrationsfähigkeit einzelner Kinder aufhebt. Dies
erfordert aber auch eine schulbezogene Ressourcenzuteilung.
Für die pädagogische Praxis und für die Bildungspolitik stellen sich dadurch neueHerausforderungen, welche die Auflösung von Gleichheit und Differenz als Grundlage haben.
Die vorrangige Aufgabe der Schule ist den Kindern ein Leben in einer humanen,
demokratischen, solidarischen und multikulturellen Welt zu vermitteln.
4. Die Independent Living Bewegung
In Bezug auf diesen Paradigmenwechsel nimmt die Independent Living Bewegung eine
Vorreiterrolle ein, indem sie den nichtbehinderten Sonderpädagoginnen und -pädagogen
ihre Kompetenz absprechen und sich als Expertinnen und Experten in eigener Sache
betrachten. Die mitleidorientierte Schutzbedürftigkeit wird abgelehnt und stattdessen eineselbstbestimmte Assistenz eingefordert. Diese persönliche Assistenz bietet
AssistenznehmerInnen die Möglichkeit ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Zeit, Ort und
Ablauf der Unterstützung müssen vom Betroffenen bestimmt werden können. Wichtig ist
hierbei auch die Unterscheidung von Selbstbestimmung und Selbständigkeit, da die
Bewegung nicht die eigenständige Ausübung physischer Tätigkeiten einfordert, sondern die
Möglichkeit selbständig Entscheidungen zu treffen.
Eng mit dieser Bewegung verknüpft ist das „Empowerment Konzept“, in dem Betroffene ihre
Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Dieses Konzept findet in allen Arten von
Selbsthilfeinitiativen (Arme, Arbeitslose, sozial Benachteiligte, Obdachlose, …) Anwendung.
Dabei sollen die eigenen Fähigkeiten erkannt und Kräfte entwickelt werden, die die soziale
Ressourcennutzung, also die „Hilfe zur Selbsthilfe“, ermöglichen.
Auch die Initiative „People First“ weist darauf hin, dass die Behinderung zweitrangig zu
betrachten ist und der Mensch im Vordergrund steht. Sogar Menschen mit schwersten
kognitiven Beeinträchtigungen ist so viel Entscheidungsfreiraum wie möglich einzuräumen.
Denn auch sie sollen erfahren, dass sie die Akteure ihres Lebens sind und ihre Bedürfnisse
ernst genommen werden.