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Fachhochschule Dortmund
Fachbereich 8: Angewandte Sozialwissenschaften
Diplomarbeit
zum Thema:
Engagement im Alter
- Darstellung am Beispiel der Stadt Arnsberg -
Studiengang:
Soziale Arbeit
mit Schwerpunkt:
Sozialarbeit
Vorgelegt von:
Janika Krutmann
7068776
Erstleser: Prof. Dr. Harald Rüßler
Zweitleserin: Dr. Gerhild Fliedner
Juni 2010
Vorwort
Diese wissenschaftliche Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „Engagement
im Alter“ und hat das Ziel am Beispiel der Stadt Arnsberg darzustellen, wel-
che Potenziale ältere Menschen haben und wie diese für die ganze Gesell-
schaft genutzt werden können. Es wird gezeigt, dass Menschen im höheren
Alter nicht nutzlos sind, sondern durchaus die Fähigkeit besitzen, eigene
Konzepte zu entwickeln und diese selbstständig umzusetzen. Ältere Men-
schen dürfen von ihren jüngeren Mitmenschen nicht belächelt oder gar ver-
stoßen, sondern sollten integriert werden, damit sie weiterhin bereit sind, am
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und sich bürgerschaftlich zu engagie-
ren.
Außerdem habe ich die Hoffnung, dass meine Erläuterungen, dem einen
oder anderen Leser dazu verhelfen, ihre Vorurteile und ihre eventuellen
Ängste gegenüber dem Lebensabend im Alter abzubauen.
Für die Begleitung und Betreuung während der Erstellung meiner Diplomar-
beit möchte ich mich besonders bei meinem Prüfer Herrn Prof. Dr. Harald
Rüßler bedanken. Er hatte jederzeit ein offenes Ohr für meine Fragen und
Probleme. Ebenfalls geht ein herzlicher Dank an meine Zweitleserin Frau Dr.
Gerhild Fliedner.
Mein besonderer Dank gilt Marita Gerwin und Martin Polenz von der „Fach-
stelle Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg, die mich tatkräftig unterstützten, in-
dem sie mir jederzeit meine Fragen beantworteten, mir wichtige Literatur zur
Verfügung stellten und sich zu einem Interview bereit erklärten.
Danke auch an Anni und Uwe Künkenrenken und an Herbert Kramer, die
sich mit vielen anderen älteren Menschen in Arnsberg engagieren und bereit
waren, mir in einem Interview Frage und Antwort zu stehen.
Meiner Korrekturleserin Annika Wiegard möchte ich an dieser Stelle eben-
falls danken, denn auch dies ist keine leichte Aufgabe und zudem sehr Zeit-
intensiv.
Außerdem bin ich meinem Lebensgefährten Björn Rosenberg und meinen
Freunden für die moralische Unterstützung sehr dankbar, denn ich bin mir
durchaus bewusst, dass der Kontakt mit mir in dieser Zeit nicht immer ganz
einfach war.
Zu guter Letzt bedanke ich mich herzlich bei meinen Eltern, ohne die diese
Arbeit und das gesamte Studium der Sozialen Arbeit nicht möglich gewesen
wären. Vielen Dank, dass ihr mich immer in jeder Hinsicht unterstützt.
Und nun wünsche ich allen Interessierten viel Spaß beim Lesen!
„Alter ist eine herrliche Sache,
wenn man nicht verlernt hat,
was Anfangen heißt.“
Martin Buber
__________________________________________________________ 1
Summary
The following thesis „Involvement of senior citizens – exemplified in the case
study of the city of Arnsberg” deals with the development of civil and social
involvement of senior citizens. The focus of this thesis is to show how the city
of Arnsberg deals with civil involvement of elder citizens and what can and
should be learned from it in general.
To show this in detail, a short description of the demographic change will be
given firstly. It also includes chances of an ageing society. Afterwards, the
development from voluntary work to civil involvement and its extend will be
described and elaborated. For this, some projects will be presented. More-
over, some interviews will be stated in which the interviewees explain their
motivation and their reasons for civil involvement. Positive and negative as-
pects of the cooperation between full-time workers and committed workers
will be shown. Finally, a conclusion will be drawn in which new ideas will be
exposed to improve social commitment and to adjust on changing conditions,
if it is necessary.
Inhaltliche Kurzbeschreibung
In dieser Diplomarbeit, zu dem Thema „Engagement im Alter - Darstellung
am Beispiel der Stadt Arnsberg -“, geht es um das bürgerschaftliche Enga-
gement älterer Menschen. Um dies detailliert aufzuzeigen, erfolgt zunächst
ein Abriss des demographischen Wandels, der auch die Chancen des Alters
thematisiert. Anschließend wird die Entwicklung des klassischen Ehrenamtes
zum bürgerschaftlichen Engagement beschrieben und erläutert, welches
Ausmaß dieses hat. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, zu verdeutlichen,
wie die Stadt Arnsberg mit dem bürgerschaftlichen Engagement Älterer um-
geht, das heißt, dass die Arbeit Aufschlüsse darüber gibt, wie eine Kommune
das Potenzial dieser Menschen nutzen kann bzw. nutzen muss. Dazu wer-
den zunächst die demographischen Fakten Arnsbergs dargelegt und das
ganzheitliche Partizipationsprinzip vorgestellt, nach dem auch die „Fachstelle
Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg arbeitet. Des Weiteren werden Projekte, in
denen sich ältere Bürger engagieren, beschrieben und Experteninterviews
durchgeführt, um die Motive der Engagierten besser zu verstehen. Außer-
dem zeigt die Verfasserin dieser Arbeit die Gefahren und Probleme auf, die
__________________________________________________________ 2
bei der Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und bürgerschaftlich En-
gagierten auftreten können und entwickelt Ideen, wie die Sozialarbeit diese
weiter verbessern könnte und wie sie sich gegebenenfalls an die veränderten
Bedingungen anpassen muss.
__________________________________________________________ 3
Engagement im Alter
- Darstellung am Beispiel der Stadt Arnsberg -
1. Einleitung
2. Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements
älterer Menschen
3. Bürgerschaftliches Engagement in der Stadt Arnsb erg
4. Bürgerschaftliches Engagement und/oder
professionelle Sozialarbeit
5. Ausblick für die Sozialarbeit
6. Resümee
7. Literaturanhang
8. Eidesstattliche Erklärung
__________________________________________________________ 4
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ........................................ ...................................................... 6
2 Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements älte rer
Menschen .......................................... .................................................. 11
2.1 Demographischer Wandel und aktives Altern ......... .................. 11
2.1.1 Bevölkerungsrückgang in Deutschland ..................................... 11
2.1.2 Alterung .................................................................................... 14
2.1.3 Heterogenität ............................................................................ 20
2.1.4 Zahlen aus Nordrhein-Westfalen .............................................. 21
2.1.5 Konsequenzen und Probleme ................................................... 25
2.1.6 Chancen des Alters ................................................................... 27
2.2 Vom Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement .... .......... 29
2.2.1 Bürgergesellschaft und Entwicklung des bürgerschaftlichen
Engagements ............................................................................. 29
2.2.2 Motive und Formen des bürgerschaftlichen Engagements ....... 30
2.2.3 Strukturwandel des bürgerschaftlichen Engagements .............. 34
2.2.4 Abbruch eines Engagements .................................................... 35
2.2.5 Kritik am bürgerschaftlichen Engagement ................................ 37
2.3 Statistiken - Ausmaß des bürgerschaftlichen Engagem ents
älterer Menschen .................................. ........................................ 38
2.3.1 Tatsächliche und mögliche Engagementquote ......................... 39
2.3.2 Engagementbereiche ................................................................ 41
2.3.3 Verlässlichkeit des Engagements ............................................. 42
2.3.4 Engagement älterer Menschen ................................................. 43
3 Bürgerschaftliches Engagement in der Stadt Arnsberg ................. 49
3.1 Demographische Situation der Stadt Arnsberg........ ................. 50
3.2 Ganzheitliches Partizipationsprinzip der Stadt Arns berg ........ 52
3.3 Die „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg - Anlaufstelle
für Engagement im Alter ........................... .................................... 56
3.3.1 Projekte und Konzepte in der Stadt Arnsberg ........................... 59
3.3.1.1 Seniorenbeirat ................................................................. 59
3.3.1.2 Seniortrainer .................................................................... 61
3.3.1.3 Schwarzlichttheater - Die kleine Raupe Nimmersatt ....... 64
3.3.1.4 Kegeln im Altenheim ....................................................... 66
__________________________________________________________ 5
3.3.1.5 Hausaufgabenhilfe/Lesepaten in der Grundschule .......... 71
3.3.1.6 Biologie für kleine Leute .................................................. 73
3.3.1.7 Tanzen im Altenheim ....................................................... 75
3.3.1.8 Kneipp-Aktionstag ........................................................... 76
3.3.2 Projekte „Opaparazzi“ und „Opapaparty“ .................................. 80
3.3.2.1 „Opaparazzi“ ................................................................... 81
3.3.2.2 „Opapaparty“ ................................................................... 83
3.4 Motive von Engagierten - Exemplarische Gespräche .. ............. 87
4 Bürgerschaftliches Engagement und/oder professionel le
Sozialarbeit ...................................... .................................................... 95
5 Ausblick für die Sozialarbeit ..................... ......................................... 98
6 Resümee ........................................... ................................................. 103
7 Literaturanhang ................................... ............................................. 106
7.1 Abbildungsverzeichnis ............................. ................................. 106
7.2 Tabellenverzeichnis ............................... .................................... 107
7.3 Literaturverzeichnis .............................. ..................................... 107
7.4 Internetverzeichnis ............................... ...................................... 111
7.5 Anlagen ........................................... ............................................ 112
7.5.1 Leitfaden der Experteninterviews (Bürgerschaftlich Engagierte) 112
7.5.2 Leitfaden der Experteninterviews (Hauptamtliche).................. 113
7.5.3 Experteninterviews (siehe CD) ................................................ 115
7.5.3.1 Interview Experte A ....................................................... 115
7.5.3.2 Interview Experten B und C ........................................... 115
7.5.3.3 Interview Experte D ....................................................... 115
7.5.3.4 Kategorien der Interviews .............................................. 115
8 Eidesstattliche Erklärung ......................... ........................................ 116
__________________________________________________________ 6
1 Einleitung
Diese wissenschaftliche Arbeit trägt den Titel „Engagement im Alter - Darstel-
lung am Beispiel der Stadt Arnsberg -“ und macht es sich zur Aufgabe, be-
sonders die positiven Aspekte des Älterwerdens hervorzuheben. Oft wissen
junge Menschen nicht, über welches Potenzial unsere älteren Mitbürger ver-
fügen und wie viel sie von ihnen lernen können. Deshalb wird diese Arbeit
mit der Hoffnung verfasst, das eine oder andere Vorurteil beim Leser abzu-
bauen und vielleicht sogar die Angst vor dem Älterwerden - nicht mehr ge-
braucht werden - nehmen zu können.1
Bereits zu diesem Zeitpunkt fällt auf, dass der Begriff „Alter“ für den Verlauf
dieser Diplomarbeit eine zentrale Rolle einnimmt. Doch ab welchem Lebens-
jahr gilt man als alt? Das Alter lässt sich als Lebensphase nur noch schwer
von den vorherigen Lebensabschnitten abgrenzen und wird dadurch zuneh-
mend undurchsichtiger.2 Statistisch gesehen gehört ein Mensch zu der älte-
ren Bevölkerung, wenn er berentet wird. Da das in der Regel in einem Alter
von 65 Jahren der Fall ist, setzt man hier das kalendarische Alter3 an. Auf-
grund der zahlreichen Frühverrentungen und des Anstiegs der Arbeitslosig-
keit älterer Bürger, sank das kalendarische Alter in vielen Fällen auf das 60.
Lebensjahr, so dass es nicht mehr zutrifft, einen Menschen zu Beginn seines
Ruhestandes als alt zu bezeichnen.4 Wenn eine Person frühzeitig berentet
wird, kann diese Phase des Ruhestandes nämlich - aufgrund der steigenden
Lebenserwartung - durchaus 50 Jahre andauern.5 Und so unterschiedlich wie
die Lebensumstände und die Anlagen der Menschen sind, ist auch der Pro-
zess des Alterns, denn viele Rentner fühlen sich nicht alt und würden sich
selber nie als solches bezeichnen.6 Auch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit
ist nicht einzig und allein ein Indiz für ein hohes Alter, denn die meisten Men-
1 Es sei darauf hingewiesen, dass in diesem Text nur die männliche Form verwendet wird, um die Lesbarkeit zu erleichtern. Dennoch sind selbstverständlich alle weiblichen Leser gleichermaßen angesprochen.
2 Backes/Clemens 2008: 11, 21 3 Das kalendarische Alter ist ein bestimmtes Alter, welches die Grenze zwischen der alten
und der nicht alten Bevölkerung zieht. Witterstätter 2008: 35 4 Backes/Clemens 2008: 12; Witterstätter 2008: 35 5 Backes/Clemens 2008: 21 6 Backes/Clemens 2008: 14, 21
__________________________________________________________ 7
schen leben bis zu ihrem Tod selbstständig in ihren Wohnungen ohne frem-
de Hilfe zu benötigen.7 Es kommt vielmehr auf die noch vorhandenen Fähig-
keiten im körperlichen, sozialen, psychischen und gesellschaftlichen Bereich
an.8 Im körperlichen Bereich sind damit die biologisch-medizinischen Verän-
derungen gemeint, wie zum Beispiel das Auftreten von somatischen Erkran-
kungen. Besonders häufig leiden ältere Menschen unter Arthrose, Bluthoch-
druck, Schwerhörigkeit, Herz-Kreislauferkrankungen, Sehbeschwerden etc.
Psychologisch gesehen ist es wichtig, wie der älter werdende Mensch mit
dieser neuen Situation zurechtkommt. Im sozialen Bereich ist es von Bedeu-
tung, welche Vorurteile die anderen Generationen gegenüber den älteren
Menschen haben und äußern. Alter wird im soziologischen Bereich über die
Positionen charakterisiert, die die Älteren in der Gesellschaft einnehmen.
Dabei wird oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Altern mit dem
Verlust von Positionen - sei es beruflich oder familiär gesehen - einhergeht.
Doch erst im Alter kann man aufgrund hoher Erfahrung einige Positionen
einnehmen, die zuvor nicht möglich waren.9 Die Fähigkeiten können in den
einzelnen Funktionsbereichen unterschiedlich ausgeprägt sein. Da es den-
noch schwierig bleibt, Alter zu definieren, versucht man sich mit unterschied-
lichen Altersbegriffen zu helfen. Man unterteilt in „junge Alte“, „Alte“ und „alte
Alte“. Zu der Gruppe der „jungen Alten“ gehört man, wenn man in der Lage
ist, seine Ressourcen zu nutzen und sich beispielsweise für andere Men-
schen engagiert. Wer nicht mehr in der Lage ist sich für andere zu engagie-
ren, aber trotzdem über genügend Selbstkompetenz verfügt, fällt in die Kate-
gorie „Alte“. Die „alten Alten“ haben ihre Selbstkompetenz bereits verloren
und sind in der Regel pflegebedürftig.10 Diese Arbeit wird sich mit den „jun-
gen Alten“ beschäftigen, die Ressourcen und Potenziale haben, von denen
jeder Bürger - egal, ob jung oder alt - profitieren kann.
Ältere Menschen verfügen häufig über ein hohes Maß an Wissen und Erfah-
rung und möchten ihr Wissen an andere Menschen weitergeben, damit diese
davon profitieren. Ihr Wunsch ist es, am gesellschaftlichen Leben teilzuneh-
7 Backes in Amann/Kolland 2008: 68 8 Backes/Clemens 2008: 22 9 Witterstätter 2008: 30 ff. 10 Backes/Clemens 2008: 22
__________________________________________________________ 8
men und nicht – nur, weil sie „alt“ sind - verstoßen und ausgeschlossen zu
werden.11 Denn um im Alter nur noch seine Freizeit zu genießen, ist diese
Lebensphase in der Regel zu lang. Die älteren Menschen sind zu motiviert
am Leben teilzunehmen und dieses mit zu bestimmen.12
Aus diesem Grund und da die Fakten des demographischen Wandels bestä-
tigen, dass die Gesellschaft in Deutschland immer älter wird,13 ist es sehr
wichtig, dass die Sozialarbeit die Ressourcen der älteren Menschen heute
und auch in Zukunft erkennt und nutzt. Um die Bereitschaft zum Engagement
konstant zu halten oder besser noch zu verstärken, muss sich die Sozialar-
beit jedoch verändern und der gegebenen Situation anpassen. Sie sollte sich
zur Aufgabe machen, Ältere darin zu unterstützen, ein produktives Leben zu
führen. Das heißt, die Älteren sollten die Verantwortung für sich selbst und
für Andere übernehmen,14 denn sie verfügen über Kompetenzen, die die jün-
geren Menschen häufig nur in geringeren Maßen haben. Zum Beispiel Zeit,
hohe Gemeinwohlorientierung, günstige Einkommenssituation,15 Fähigkeit
mit Unsicherheiten und Ungewissheiten des Lebens zu Recht zu kommen,16
Kreativität,17 Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Interesse, Erfahrungen und
Wissen.18 Auf Dauer kann sich ein Land mit einer alternden Bevölkerung
nicht erlauben, auf diese Ressourcen älterer Menschen zu verzichten.19
Wie eine Kommune das Potenzial der älteren Menschen nutzen kann, zeigt
diese Diplomarbeit am Beispiel der Stadt Arnsberg. Um herauszufinden, aus
welchen Gründen sich jemand engagiert und wie sich die Sozialarbeit in
Arnsberg, aber auch in Deutschland demnach verändern muss, führte die
Autorin einige Expertenbefragungen mit älteren Menschen, die sich bürger-
schaftlich engagieren. Denn diese Menschen sind sehr wichtig, weil sie nicht
nur einzelnen Menschen helfen und somit auch der Gesellschaft, sondern
11 Expertenkommission in Bertelsmann Stiftung 2008: 341 12 Meier/Schröder 2008: 294 13 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 14 14 Meier/Schröder 2007: 291 15 Witterstätter 2008: 170 16 Kruse/Wahl in Bertelsmann Stiftung 2008: 107 17 Kruse/Wahl in Bertelsmann Stiftung 2008: 111 18 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 2005:
28 19 Kruse/Süssmuth in Bertelsmann Stiftung 2008: 22
__________________________________________________________ 9
auch sich selbst, denn sie haben eine Aufgabe und das Gefühl gebraucht zu
werden.
Dass die vorliegende Arbeit ihren Schwerpunkt in der Darstellung des bür-
gerschaftlichen Engagements in der Stadt Arnsberg hat, liegt zum einen da-
ran, dass die Verfasserin dieser wissenschaftlichen Arbeit eine große Ver-
bundenheit zu Arnsberg hat, da sie selbst in dieser Stadt lebt. Ferner ist es
sinnvoller über eine vertraute Stadt zu schreiben, in der man lebt und
sozialarbeiterisch tätig ist und demnach stärkeres Interesse daran hat, zu
erfahren, was in dieser Stadt angeboten wird. Ebenfalls ausschlaggebend ist,
dass die Autorin den Umgang mit älteren Menschen genießt und aus diesem
Grund ein freiwilliges Praktikum in der „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt
Arnsberg absolvierte. Sie lernte dort sehr viele ältere Bürger kennen und be-
gleitete einige von deren Projekten. Sie war von der Nähe und Zuneigung
sehr gerührt und neugierig zu erfahren, warum die Menschen sich engagie-
ren und wie man noch mehr ältere Menschen motivieren könnte, selbst tätig
zu werden. Da die Stadt Arnsberg dafür bereits ein erfolgreiches Konzept
entwickelt hat, erschien es sinnvoll, diese Vorgehensweisen näher zu be-
trachten, um sie gegebenenfalls verbessern oder ausweiten zu können. Aus
diesen Gründen entstanden die Idee und die Motivation dieses Thema in der
ausstehenden Diplomarbeit zu bearbeiten.
Um dieses Thema in der wissenschaftlichen Arbeit strukturiert darzustellen,
wird sie in vier Teilbereiche untergliedert. Im ersten Teil durchleuchtet man
zunächst den demographischen Wandel und zeigt die aktuellen Zahlen auf,
wobei dabei ein Schwerpunkt auf die Chancen des Alters liegt. Um anschlie-
ßend auf das bürgerschaftliche Engagement überzuleiten, beschreibt man
die Entwicklung vom klassischen Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Enga-
gement. Insbesondere werden die Formen, der Strukturwandel und die Kritik
am bürgerschaftlichen Engagement erläutert und thematisiert, welches Aus-
maß dieses hat. In diesem Unterpunkt werden unter anderem Fragen wie
„Wer engagiert sich überhaupt? Wie viele Menschen engagieren sich? Wel-
che Altersklasse ist vertreten?“ beantwortet. Wenn die theoretischen Grund-
lagen für diese Arbeit gelegt sind, erfolgt im zweiten Teil die Spezialisierung
__________________________________________________________ 10
auf die Stadt Arnsberg. Zunächst werden die demographischen Fakten auf-
gezeigt und das ganzheitliche Partizipationsprinzip der Stadt Arnsberg be-
schrieben, auf dessen Grundlage die „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt
Arnsberg arbeitet, die in diesem Teil ebenfalls dargestellt wird. Des Weiteren
hat die Autorin an Projekten, in denen sich die älteren Menschen engagieren,
teilgenommen um sie in dieser Arbeit vorstellen zu können. Ein Projekt soll
dabei besonders in den Vordergrund treten und detailliert beschrieben wer-
den. Um die Motive von Engagierten zu erfahren und um eine Idee zu be-
kommen, wie die Sozialarbeit sich in den nächsten Jahren verändern muss,
wurden einige Expertengespräche geführt, denn die Meinungen der Enga-
gierten sind unerlässlich, wenn es darum geht, Angebote zu entwickeln.
Dass die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und bürgerschaftlich
Engagierten nicht immer reibungslos verläuft, wird im dritten Kapitel themati-
siert. Um die Arbeit abzurunden, geht es im letzten Teil darum, die Verände-
rungen der Sozialarbeit aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen abzulei-
ten und darzustellen, um die Frage zu beantworten: „Wenn nur noch Ange-
bote für sozial Engagierte gemacht werden - Welche Funktion hat dann die
Sozialarbeit?“
__________________________________________________________ 11
2 Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements älterer Menschen
In diesem Kapitel stellt die Verfasserin den demographischen Wandel in
Deutschland und speziell in Nordrhein-Westfalen dar und diskutiert, welche
Konsequenzen, aber auch Chancen diese Fakten haben können. Die Ent-
wicklung vom klassischen Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement
wird im nächsten Schritt aufgezeigt, jedoch erst nach Klärung des Begriffs
der Bürgergesellschaft, da die Veränderung des Engagements auf diese
Weise besser nachvollzogen werden kann. Des Weiteren werden die aktuel-
len Motive und Formen des heutigen bürgerschaftlichen Engagements auf-
gezeigt und mit Hilfe des Freiwilligen- und des Alterssurveys ausgewertet,
wer sich in welcher Form und in welchem Maße bürgerschaftlich engagiert.
2.1 Demographischer Wandel und aktives Altern
Die Wissenschaft beschäftigt sich schon seit 1970 mit dem demographischen
Wandel und seinen Konsequenzen, doch erst in den letzten Jahren gewann
dieses Thema in der gesamten Öffentlichkeit an besonderem Interesse.20 Da
die Auswirkungen des demographischen Wandels dazu führen, dass das
bürgerschaftliche Engagement sich ändern muss, werden zunächst einige
Fakten des demographischen Wandels dargestellt und erläutert.
Wie sich die Bevölkerungsstruktur in Zukunft entwickelt, hängt vor allem von
den Geburtenraten, von der Lebenserwartung bzw. Sterberate und von dem
Wanderungsverhalten ab.21
2.1.1 Bevölkerungsrückgang in Deutschland
Der Bevölkerungsrückgang ist insbesondere auf die rückläufige Geburtenrate
zurückzuführen, die im Jahr 2008 bei 1,3822 Geburten pro Frau liegt. Mit die-
20 Schmitz-Veltin in Löwer/Gottwald 2009: 13 21 Rüßler 2007: 27, Klein u.a. in Bertelsmann Stiftung 2008: 27 22 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 24
__________________________________________________________ 12
sem Ergebnis steht Deutschland nur noch knapp vor Spanien und Italien, die
die geringste Geburtenrate in Europa aufweisen.23
Abbildung 1: Zusammengefasste Geburtenziffer der Kalenderjahre. Lebendgeborene je Frau. Statistisches Bundesamt 2009 Um 1900 war die Geburtenzahl in Deutschland relativ konstant und lag bei
drei bis vier Kindern pro Frau. Der Grund dafür könnte die soziale Sicherung
sein, die man durch Kinder bekam, denn diese konnten sich um ihre Eltern
kümmern, wenn sie alt, krank oder arbeitslos wurden. Des Weiteren war die
Säuglingssterblichkeit zu dieser Zeit sehr hoch, so dass man vorsorglich
mehr Kinder bekommen musste, um für die Zukunft abgesichert zu sein. Der
so genannte Babyboom von 1950-1960, der sich auch in Abbildung 1 erken-
nen lässt, sicherte weiterhin den Bestand der Bevölkerung. Doch seit 1970
lässt sich ein deutlicher Rückgang der Geburtenrate erkennen. Die Gründe
dafür sind sehr vielfältig. Mit Sicherheit spielt die Erfindung der Antibabypille
eine ausschlaggebende Rolle, aber auch die veränderten Lebensformen.
Frauen emanzipieren sich zunehmend, das heißt, dass sie häufig einer Er-
werbstätigkeit nachgehen und somit weniger Zeit für Kinder bleibt.24 Da es
auch heute noch schwierig ist, Beruf und Familie zu vereinbaren, bleiben vie-
le Frauen, besonders die gebildeten Frauen, kinderlos. Wenn sie dennoch
Nachwuchs bekommen, ist es meist zu einem sehr späten Zeitpunkt, da sie
zunächst eine Ausbildung absolvieren und einen beruflichen Einstieg realisie-
23 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 15 24 Stadt Arnsberg 2003: 5
__________________________________________________________ 13
ren. Laut Gerhard Naegele hat die Familienpolitik zu spät auf die Wünsche
der Frauen reagiert und lediglich Geldleistungen, wie zum Beispiel Elterngeld
gewährt, ohne jedoch die Sachleistungen, wie Kinderkrippen, Ganztagsschu-
len, vorschulische Betreuung, Betriebs- und Universitätskindergärten weiter
auszubauen. Obwohl die vorschulischen Betreuungen in Deutschland gesell-
schaftlich negativ behaftet sind, zeigen Vergleiche, dass gerade in den Län-
dern, in denen Frauen diese Angebote kostenlos nutzen können, die Gebur-
tenraten höher sind.25 Gerhard Naegele’s Aussage ist zu zustimmen, denn
reine Geldleistungen sind keine Lösung für das Problem der niedrigen Ge-
burtenraten. Finanzielle Leistungen wirken zwar unterstützend, geben jedoch
nicht den nötigen Rückhalt, der zu einer Entscheidung für ein Kind führen
würde. Selbst das Anfang 2007 eingeführte Elterngeld bevorzugt Frauen, die
zuvor gearbeitet haben, da sich das Elterngeld am Durchschnittseinkommen,
ausgehend von einem Jahr, berechnet. Studierende bekommen daher pau-
schal 300 Euro, die mit Sicherheit nicht dazu ausreichen, das Kind zu ver-
sorgen und in Ruhe weiter studieren zu können. Wenn man sich dennoch für
ein Baby während des Studiums entschieden hat, braucht man Kinderkrip-
pen, die den Nachwuchs in der Vorlesungszeit betreuen. Diese Angebote
gibt es leider noch zu selten und müssen in der Regel bezahlt werden. Das
Elterngeld ist auch keine Motivation für einen früheren Kinderwunsch, denn,
wenn eine Frau erst einmal mindestens ein Jahr berufstätig war, bekommt
sie auch eine höhere Geldleistung.26 Ein weiterer Grund für die rückläufigen
Geburtenzahlen sind die steigenden Trennungs- und Scheidungsraten, aber
auch instabile Partnerschaften. Die Anzahl der Einpersonenhaushalte in
Deutschland ist seit 1970 angestiegen und steht im europäischen Vergleich
an oberster Stelle. Im Jahr 2000 lebten in Deutschland 1,77 Millionen Allein-
erziehende, wovon der größte Teil (85,5 %) Frauen waren. Man darf jedoch
nicht vergessen, dass auch allein erziehende Elternteile wieder in einer fes-
ten Partnerschaft leben können ohne sich einen Haushalt zu teilen. Hilfreich
für die Geburtenrate wäre es, wenn die neuen Partner noch weitere Kinder
zusammen bekommen würden.27 Da sich Vorhersagen zur Folge die Gebur-
25 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 15 26 Aussagen der Verfasserin 27 Klein u.a. in Bertelsmann Stiftung 2008: 30ff.
__________________________________________________________ 14
tenrate in den nächsten Jahren nicht grundlegend verändert,28 rechnet man
bis zum Jahr 2030 mit einem Bevölkerungsrückgang von circa 5 Millionen
Menschen. Deutschland hat, laut Stand von 2008 rund 82 Millionen Einwoh-
ner, die sich 2030 auf circa 77 Millionen reduzieren (siehe Tabelle 1).29
Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands bis 2060 1)
Variante 1 - W1: Untergrenze der "mittleren" Bevölkerung
Geburtenhäufigkeit: 1,4 Kinder je Frau, Lebenserwartung: Basisannahme, Wande-
rungssaldo: 100 000 ab 2014
Art der Nachweisung 31.12. des Jahres
2008 2020 2030 2040 2050 2060
Altenquotient mit Alters grenze 60 Jahre
Bevölkerungsstand 1000.... 82 002 79 914 77 350 73 829 69 412 64 651
2008 = 100.... 100 97,5 94,3 90,0 84,6 78,8
Tabelle 1: 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009
Dieser rapide Rückgang der Bevölkerungszahl ist jedoch nicht nur auf die
konstant niedrige Geburtenrate zurückzuführen, sondern vor allem auf die
Alterung der Gesellschaft. Denn die alten Menschen werden trotz steigender
Lebenserwartung sterben, ohne ausreichend junge Menschen als Nach-
kommen zu haben, die den Bevölkerungsstand halten könnten. Deshalb wird
nun die Alterung der Gesellschaft näher betrachtet.30
2.1.2 Alterung
Die Alterung der Bevölkerung ist in einen Prozess des „dreifachen Alterns“
eingebunden.31 Erstens altert die Gesellschaft absolut, das heißt, dass sich
28 Stadt Arnsberg 2003: 6 29 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009, Anmerkung: Es gibt verschiede-
ne Varianten, die am wahrscheinlichsten erschien, wurde gewählt. Basisannahme: An-stieg der Lebenserwartung um 7 bis 8 Jahre
30 Aussagen der Verfasserin 31 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 14, Rüßler 2007: 28, Bertelsmann Stiftung 2006: 8
__________________________________________________________ 15
die Anzahl älterer Leute in den nächsten Jahren aufgrund der steigenden
Lebenserwartung erhöht. Zweitens nimmt der relative Anteil älterer Men-
schen zu, das heißt, dass sich der Anteil älterer Menschen gegenüber dem
Anteil der Kinder und Jugendlichen vergrößert. Grund dafür sind die gleich
bleibend niedrigen Geburtenraten. Drittens steigt die Zahl derer, die 80 Jahre
oder älter werden. Dieses Phänomen der Hochaltrigkeit lässt sich ebenfalls
durch die höhere Lebenserwartung erklären.32
Ausgehend von einer Gesamtbevölkerung von 82 Millionen Einwohnern in
Deutschland liegt die Zahl der Altersgruppe 65 bis 80 Jahre bei 12,7 Millio-
nen, welches 15 % der Bevölkerung sind. Bei den über 80-jährigen
(Hochaltrigen) sind es 4,1 Millionen Menschen, die einen prozentualen Anteil
von 5 % an der deutschen Gesamtbevölkerung ausmachen. Im Jahr 2060
sind 20 % der Bevölkerung zwischen 65 und 80 Jahre alt und 14 % der Men-
schen werden sogar über 80 Jahre alt sein (siehe Abbildung 2).33
Abbildung 2: Bevölkerung nach Altersgruppen. 12. koordinierte Bevölkerungsvoraus-berechnung 2009: 16
32 Rüßler 2007: 28 33 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 14ff., Anmerkung: Es gibt ver-
schiedene Varianten, die am wahrscheinlichsten erschien, wurde gewählt
__________________________________________________________ 16
Der relative Anteil der älteren Menschen - 65 Jahre und älter - wird durch
den Altenquotient dargestellt. Dieser zeigt die Anzahl derer auf, die 65 Jahre
und älter sind, gemessen an 100 Personen, die zwischen 20 und 65 Jahren
alt sind. Dieser Anteil liegt, wie sich aus der Tabelle 2 entnehmen lässt, bei
circa 34 (pro 100 der 20- bis 60-jährigen) und wird sich bis 2060 mit 67 Men-
schen über 65 Jahre nahezu verdoppeln.34
Tabelle 2: Altenquotient 2008 und 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 21
Diese Resultate sind folglich Ergebnisse einer steigenden Lebenserwartung,
die im Jahr 2060 für einen neugeborenen Jungen bei 85,0 Jahren und bei
einem neugeborenen Mädchen bei 89,2 Jahren liegen wird. Ein Mann, der
bereits das 65. Lebensjahr erreicht hat, darf sich noch auf circa 22,3 weitere
Jahre freuen. Eine Frau in diesem Alter könnte sogar noch gut 25,5 Jahre
leben.35 Diese Zahlen werden in Tabelle 3 veranschaulicht.
34 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 20f., Anmerkung: Es gibt ver-schiedene Varianten, die am wahrscheinlichsten erschien, wurde gewählt
35 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 30, Anmerkung: Es gibt zwei Va-rianten, die am wahrscheinlichsten erschien, wurde gewählt. Basisannahme: Anstieg der Lebenserwartung um 7 bis 8 Jahre
__________________________________________________________ 17
Tabelle 3: Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der Lebenserwartung bis 2060. 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009: 31
Die Lebenserwartung hat sich damit in den letzten beiden Jahrzehnten mehr
als verdoppelt. Gründe dafür könnten der Rückgang der Säuglings- und Kin-
dersterblichkeit sein,36 bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, aber auch
eine höhere medizinische Vorsorge und Versorgung.37 Diese Bedingungen
hören sich erstmal sehr positiv an, denn es wird sich niemand wünschen,
dass Menschen im Säuglings- oder Kindesalter, wie es noch 1870/80 der Fall
war, sterben müssen,38 denn zu dieser Zeit erreichten circa 35 % der Kinder
nicht das fünfte Lebensjahr.39 Des Weiteren ist es mit Sicherheit erfreulich zu
hören, dass die medizinische Versorgung und die Lebens- und Arbeitsbedin-
gungen stark verbessert sind, so dass die Menschen die Möglichkeit haben,
ein viel höheres Alter zu erreichen als noch vor 100 Jahren. Daraus lässt sich
schließen, dass die Medizin sich immer weiter entwickelt und jeder Mensch
eine realistische Chance hat, nicht sein ganzes Leben nur mit arbeiten zu
36 Wahl/Heyl 2004: 23 37 Stadt Arnsberg 2003: 5 38 Aussagen der Verfasserin 39 Backes/Clemens 2008: 33
__________________________________________________________ 18
verbringen, sondern seine Zeit in der Rentenphase sinnvoll mit seinem Ehe-
gatten, seiner Familie und mit bürgerschaftlichem Engagement nutzen zu
können. Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten, die heute und in Zukunft auf-
treten werden, denn aufgrund der hohen Lebenserwartung, erhöht sich auch
der Bedarf an Hilfe und Pflege.40 Dieser Bedarf steigt drastisch ab dem 85.
Lebensjahr, denn in dieser Altersklasse sind 35 % hilfebedürftig und 29,3 %
pflegebedürftig. Auffällig ist, dass in jedem Alter die Hilfebedürftigkeit höher
ist als die Pflegebedürftigkeit. Mit dem Hilfebedarf sind vorwiegend hauswirt-
schaftliche und technische Hilfen gemeint. Das Hauptproblem der Erhöhung
des Pflegebedarfs liegt darin, dass es zukünftig - aufgrund der niedrigen Ge-
burtenraten - nicht genug Pflegende geben wird. Außerdem sind nur noch
wenige Menschen bereit, Pflege zu leisten, da sie sich lieber beruflich enga-
gieren, auf Reisen oder ihren Hobbys nachgehen. Ein weiterer Grund für ei-
ne vorwiegend modern-singularisierte41 Pflegesituation ist auch an dieser
Stelle die hohe Scheidungsquote, denn die Partner-Pflege fällt in diesen Fäl-
len weg. Für die Zukunft wird dies einen Ausbau der professionellen Pflege-
kräfte und eine Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrages bedeuten.42
Von diesen Problemen sind zurzeit eher Frauen als Männer betroffen, da
Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und dementsprechend häufiger
von Hilfe- oder Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Noch vor etwa 100 Jahren
gab es gleich viele Männer und Frauen, doch in Folge der beiden Weltkriege
und der höheren Lebenserwartung gibt es seit Jahren einen Frauenüber-
schuss.43 Anhand der Abbildung 3 kann man erkennen, dass ab einem Alter
von 60 Jahren der Anteil der Frauen in jeder Altersklasse höher ist als der
der Männer.44 Die Autorin stellt fest, dass in der Altersklasse der 60- bis 64-
jährigen der Unterschied nur minimal ist, doch bei den Hochaltrigen ist der
Frauenanteil mehr als doppelt so hoch gegenüber den Männern.
40 Aussagen der Verfasserin 41 Professionelle Fremdpflege 42 Witterstätter 2008: 38ff. 43 Rüßler 2007: 31f., Backes/Clemens 2008: 36 44 Backes/Clemens 2008: 43
__________________________________________________________ 19
Abbildung 3: Männer- und Frauenanteil der Bevölkerung in Altersgruppen - 2005 (%): Ba-ckes/Clemens 2008: 43
Bis 2030 nimmt die Zahl der Männer wieder zu, da die Wirkung der Kriegs-
ausfälle nachlässt.45 Nur die Zahl der über 80-jährigen Frauen bleibt auf-
grund der höheren Lebenserwartung übergewichtig.46 Im Moment jedoch
pflegen die Frauen ihre Männer, da sie bei der Heirat meist jünger sind als
ihre Partner,47 und leben danach alleine in ihrer Wohnung.48
Abschließend sei erwähnt, dass in den nächsten Jahrzehnten mit einer Stabi-
lisierung des Altenquotienten gerechnet wird, da die Baby-Boomer ab 2030
bis 2060 versterben. Allerdings erfolgt diese Stabilisierung mit einem stark
reduzierten Bevölkerungsumfang und nur unter der Voraussetzung, dass das
Fertilitätsverhalten gleich bleibt.49 Sollte die Anzahl der Geburten jedoch wei-
terhin zurückgehen, haben wir in Deutschland eine Entwicklung wie in Abbil-
dung 4 dargestellt, von der Pyramide (1910), über den Pilzkopf (1990) bis hin
zum Pilz (2030).
45 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 16, Backes/Clemens 2008: 44 46 Backes/Clemens 2008: 44 47 Kruse/Süssmuth in Bertelsmann Stiftung 2006: 12 48 Rüßler 2007: 32, Wahl/Heyl 2004: 25 49 Backes/Clemens 2008: 47, Hochstadt in Kreuzer u.a. 2008: 31
__________________________________________________________ 20
Abbildung 4: Wandlungen im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung. Witterstätter 2008: 41
2.1.3 Heterogenität
Unter Heterogenität versteht man die Vielfalt einer Bevölkerungsstruktur im
ethnischen, kulturellen und normativen Sinne. Im Zusammenhang mit dem
demographischen Wandel sind allerdings lediglich die Wanderungen ge-
meint.50 Die Zuwanderung war besonders in den 50er und 60er Jahren hoch,
weil sie bewusst durch das Anwerben von Gastarbeitern gesteuert wurde.
1973 verhängte die Regierung einen Anwerbestopp, woraufhin die Familien
der Gastarbeiter in die Bundesrepublik nachzogen um hier ihren Lebens-
abend zu verbringen.51 Diese ausländischen Arbeitskräfte gehören mittler-
weile zu der Altersgruppe der 60- bis 80-jährigen, die einen Anteil von 9,3 %
an der deutschen Bevölkerung ausmachen. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass dieser Anteil in den nächsten Jahren steigen wird.52 Wie sich in der Ab-
bildung 5 erkennen lässt, geht man davon aus, dass sich die Anzahl der aus-
ländischen Mitbürger über 60 Jahren der Zahl der deutschen Bevölkerung
über 60 Jahren bis 2050 stark annähert.53
50 Schmitz-Veltin in Gottwald/Löwer 2009: 17 51 Rüßler 2007: 32, Stadt Arnsberg 2003: 6 52 Backes/Clemens 2008: 38 53 Backes/Clemens 2008: 49
__________________________________________________________ 21
Abbildung 5: Anteil der 60-jährigen und Älteren an der deutschen bzw. ausländischen Bevöl-kerung in der Bundesrepublik 1999 bis 2050 (in %). Backes/Clemens 2008: 49
Um sich an den Kern dieser Arbeit anzunähern, werden im nächsten Schritt
einige Zahlen aus Nordrhein-Westfalen betrachtet, da im weiteren Verlauf
eine Kommune dieses Bundeslandes exemplarisch vorgestellt wird.
2.1.4 Zahlen aus Nordrhein-Westfalen
In den 50er und 60er Jahren stieg nicht nur die Bevölkerung in Deutschland
an, sondern auch in Nordrhein-Westfalen. Allerdings ging sie von 1970 bis
1980 stark zurück bevor sie 1990, besonders in den ländlichen Gebieten,
aufgrund von positiver Wanderungsbilanz, erneut zunahm. Seit circa 1998
hat sich das Wanderungsverhalten umgekehrt, denn seitdem haben die
Kernstädte einen Bevölkerungsanstieg durch Wanderungen erlebt. Weitere
Wanderungsgewinne in den ländlichen Gebieten bleiben bisher aus.54 Da
auch in Zukunft keine stark ansteigenden Wanderungen zu erwarten sind
und die Geburtenrate ebenfalls nicht weiter steigt, sinkt die Bevölkerungszahl
in Nordrhein-Westfalen bis 2025 voraussichtlich auf 17,6 Millionen und bis
zum Jahr 2050 sogar bis auf 16,2 Millionen (siehe Abbildung 6).
54 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 9f.
__________________________________________________________ 22
Abbildung 6: Bevölkerungsvorausberechnung 2005 bis 2050 für NRW. Grüber-Töpfer u.a. 2007: 11
Von dieser Schrumpfung werden vor allem das Ruhrgebiet, das Münsterland
und das Sauerland betroffen sein. Über einen Geburtenüberschuss verfügen
der Landkreis Paderborn, die Städte Münster, Köln, Aachen und Bielefeld. In
diesen Städten liegt die Geburtenrate über der Sterberate.55
Der Anteil der älteren Menschen in Nordrhein-Westfalen wird künftig zuneh-
men. Der Anteil der 75-jährigen ist bereits von 1950 bis 2002 von 2,5 % auf
7,4 % angestiegen und erhöht sich bis zum Jahr 2050 noch auf circa 18,5 %,
wie sich aus Abbildung 7 entnehmen lässt.
55 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 12f.
__________________________________________________________ 23
Abbildung 7: Anteile der Altersgruppen in NRW seit 1950. Grüber-Töpfer u.a. 2007: 16
Das Ruhrgebiet weist einen sehr hohen Alten- und Ausländeranteil auf. Für
die Städte Bielefeld, Aachen und Münster gilt dies ebenfalls. Grund dafür war
im Jahr 1960 die vorhandene Industrie bzw. die Chance auf einen Arbeitplatz
in diesen Städten. Heute können diese Städte vor allem aufgrund ihrer Uni-
versitäten Zuwanderungsgewinne verzeichnen, aber auch, weil viele Migran-
ten lieber in Gebiete ziehen, in denen sie Gleichgesinnte vorfinden.56 Die
tatsächliche Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Nordrhein-
Westfalen lässt sich schwer bestimmen, da in Deutschland geborene Kinder
in der Regel mit Vollendung des 18. Lebensjahres die deutsche Staatsange-
hörigkeit bekommen und sie somit in der Statistik als deutsche Bürger erfasst
werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass etwa ein Viertel der Men-
schen in Nordrhein-Westfalen einen Migrationshintergrund haben.57
56 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 20f. 57 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 17f.
__________________________________________________________ 24
Tabelle 4: Anteilswerte der Einpersonenhaushalte nach Alter und Geschlecht der Bezugs-person in NRW 2004. Grüber-Töpfer u.a. 2007: 25
Stärker als die Bevölkerung sind jedoch die Haushalte in Nordrhein-
Westfalen gewachsen. Diese Zahl hat sich von 1991 bis 2004 nahezu ver-
doppelt, denn 3,083 Millionen Haushalte waren 2004 in Nordrhein-Westfalen
Einpersonenhaushalte, in denen zu 57,7 % Frauen alleine leben. Besonders
ab einem Alter von 55 Jahren nimmt der Anteil von allein lebenden Frauen
gegenüber den Männern zu. Insgesamt gesehen ist die Form des Einperso-
nenhaushaltes am häufigsten in der Altersklasse der über 65-jährigen vertre-
ten (34,8 %). Mit 21,8 % belegen die 25- bis 35-jährigen den zweiten Platz.
Die nächsten beiden Altersklassen weisen einen deutlich geringeren Anteil
an Einpersonenhaushalten auf, was sich auf den typischen Verlauf eines Le-
benszyklus beziehen lässt (siehe Tabelle 4).58 Die jungen Jahre sind geprägt
von Schule, Studium und Ausbildung, in denen man eventuell einen Partner
hat, doch meist noch nicht mit ihm zusammen in einem Haushalt lebt. In der
nächsten Lebensphase heiraten die Menschen in der Regel und bekommen
anschließend Kinder. In dieser Zeit leben die meisten Menschen mit ihrem
Partner oder Ehegatten und ihren Kindern in einem Haushalt, bis es häufig
nach der Kindererziehung zur Scheidung oder den Tod des Ehepartners
kommt. Dies ist auch der Grund dafür, dass die Altersgruppe der über 65-
jährigen wieder zunehmend alleine lebt.59 Aus diesem Grund wird sich die
58 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 25 59 Aussagen der Verfasserin, Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 25
__________________________________________________________ 25
Zahl der Einpersonenhaushalte bis 2025 im Landesdurchschnitt auf 40 %
erhöhen.60
Nachdem die Fakten des demographischen Wandels in Deutschland und
speziell in Bezug auf Nordrhein-Westfalen dargestellt wurden, erläutert die
Verfasserin nun die Konsequenzen und Probleme.
2.1.5 Konsequenzen und Probleme
Eines der Hauptprobleme ist mit Sicherheit das Aufrechterhalten der gesetz-
lichen Rentenversicherung, da es sich in Deutschland hierbei um ein Umla-
geverfahren handelt. Das heißt, dass die erwerbstätige Generation ihre Ren-
tenbeiträge sofort an die berenteten Senioren weiter geben.61 Im Jahr 1993
sind 100 Erwerbstätige für 48 Rentner aufgekommen, im Jahr 2040 werden
diese 83 Senioren finanzieren müssen. Die Zahlen sind nicht nur Folgen der
niedrigen Geburtenrate, der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden
Bevölkerungszahl, sondern auch des niedrigen Erwerbspotenzials und der
Frühinvalidität, die sich dennoch gegenseitig beeinflussen. Das heißt, dass
als besonders problematisch die fehlenden Arbeitskräfte anzusehen sind, die
wiederum auf fehlende Nachkommen und die Alterung der Gesellschaft zu-
rück zu führen sind.62 Um die gesetzliche Rente zu sichern, beschloss die
Politik Rentenkürzungen und die Rente mit 67. Zusätzlich führte man 2002
die private und 2003 die betriebliche Alterssicherung ein. Da von diesen
Maßnahmen jedoch nicht alle Menschen profitieren, könnte es zu einer Spal-
tung der älteren Gesellschaft in arm und reich kommen.63 Die Menschen, die
sich keine private Altersvorsorge leisten können und von einer betrieblichen
Alterssicherung nicht betroffen sind, müssen in der Zeit nach der Erwerbstä-
tigkeit vielfach am Existenzminimum leben und beziehen teilweise eine zu-
sätzliche Grundsicherung, da ihre Rente unter dem Mindestsatz der Sozial-
leistungen liegt.64 Hiervon sind vor allem unqualifizierte und ausländische
Arbeiter betroffen, da sie kaum eine Chance haben, bis zum 67. Lebensjahr
60 Grüber-Töpfer u.a. in ILS Schrift 203 2007: 29 61 Kramer in Zippel/Kraus 2009: 31 62 Backes/Clemens 2008: 51 63 Naelgele in Kreuzer u.a. 2008: 20 64 Aussagen der Verfasserin
__________________________________________________________ 26
an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben.65 Die Verfasserin ist der Meinung, dass ei-
ne Aufstockung der monatlichen Rente aus anderen Mitteln jedoch wenig
Sinn macht, da dies nicht wirklich eine Lösung, sondern nur eine Verlagerung
des Problems ist.
Wie bereits erwähnt, erfordert auch der steigende Bedarf an Pflege und
hauswirtschaftlicher Hilfen einige Veränderungen, denn viele alte Menschen
wohnen in ihren eigenen Haushalten und haben niemanden, der sie pflegen
könnte. Vorwiegend sind Frauen betroffen, da sie ihre Ehemänner bereits
überlebt haben und nun auf das immer weniger werdende Pflegepotenzial
ihrer Kinder oder Professioneller angewiesen sind.66
Außerdem ist es wichtig, die Gesundheitspolitik, das heißt die vorhandenen
ambulanten und stationären Dienste, an eine alternde Gesellschaft mit ihren
chronischen Erkrankungen anzupassen, denn das jetzige Gesundheitssys-
tem ist lediglich darauf ausgelegt, Menschen zu kurieren. Dies ist bei einem
Großteil der alten Menschen nicht mehr möglich und deshalb überflüssig.
Viel sinnvoller wäre es, Prävention und Gesundheitsförderung zu betreiben.
Um dies zukünftig durchsetzen zu können, ist eine Erhöhung des Personals
von Nöten.67
Dass der Rückgang der Gesamtbevölkerung ein Problem ist, versteht sich
von selbst und sei hier deshalb nur noch kurz erwähnt. Die Auswirkungen
kann der Bürger teilweise am eigenen Leib spüren, zum Beispiel durch die
Schließung von Bankfilialen, Postämtern, Geschäften und Arztpraxen, aber
auch durch die Reduzierung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs und der
Zusammenlegung von Schulen. „Man überlegt bereits ernsthaft, den
´Rückbau´ oder die ´Rückentwicklung´ ganzer Gegenden“ (Lehr 2009).
Nichtsdestotrotz hat der demographische Wandel, besonders die Alterung
der Bevölkerung, auch positive Aspekte und verbirgt Chancen, von denen die
gesamte Bevölkerung profitieren kann.
65 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 20 66 Backes/Clemens 2008: 52 67 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 21
__________________________________________________________ 27
2.1.6 Chancen des Alters
Die steigende Lebenserwartung der Menschen verursacht nicht nur Proble-
me, sondern ermöglicht die Nutzung von Ressourcen, da sie einen Gewinn
an aktiven Jahren zur Folge hat. Da viele Menschen auch im hohen Alter
noch gesund, intelligent, lernfähig und finanziell gut gestellt sind, haben sie
das Potenzial Beiträge für die Gesellschaft zu leisten.68
In der Gesellschaft gibt es viele „junge Alte“, die nicht mehr erwerbstätig sind,
da die Mehrzahl bereits mit 60 Jahren in den Vorruhestand geht. Diese 60-
jährigen verfügen somit über ein hohes Maß an Zeit,69 die sich jedoch nur
schwer selbstständig gestalten lässt, da das ganze bisherige Leben er-
werbsarbeitszentriert strukturiert war. Sie sind es gewöhnt, Teil einer Be-
schleunigungs- bzw. Dienstleistungsgesellschaft zu sein, in der man jederzeit
mobil, flexibel und erreichbar sein muss. Mit der Verrentung verändern sich
das subjektive Zeitempfinden und die tatsächlich zur Verfügung stehende
Zeit enorm, denn die älteren Menschen haben zusätzlich circa 9,75 Stunden,
die vorher die Erwerbsarbeit einnahm, zu füllen.70 Die zur Verfügung stehen-
de Zeit lässt sich in drei verschiedene Funktionsbereiche einteilen. Zum Ei-
nen gibt es öffentliche Zeit, die Erwerbszeit, die Sozialkontakte, Schule und
Studium, aber auch ehrenamtliche Tätigkeiten in Institutionen oder Vereinen
umfasst, zum Anderen eine familiäre Zeit, die den Haushalt und die Betreu-
ung von Personen beschreibt. Mit der persönlichen Zeit sind die Freizeitge-
staltungen und die psychische Regeneration gemeint. Engagiert sich ein
Mensch und hilft somit der Gesellschaft, gehört dies gemäß dieser Aufteilung
zur öffentlichen Zeit und stellt demnach eine öffentliche Ressource dar.71
Man sollte ältere Menschen daher nicht dazu verpflichten, bürgerschaftliches
Engagement zu leisten, sondern ihnen günstige Rahmenbedingungen bieten,
in denen sie selbst bestimmen können, in welchem Maße sie ihre Kompeten-
zen zur Verfügung stellen.72 Hauptsache ist, sie engagieren sich überhaupt,
denn ansonsten besteht die Gefahr, dass sie ihre Sozialkontakte und ihre
Lebensfreude verlieren, da sie kaum Gründe haben, das Haus zu verlassen.
68 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 2005: 29, NDV 2006: 530
69 Naegele in Kreuzer u.a. 2008: 22, Köller in Aner u.a. 2007: 129 70 Meyer 2008: 26f. 71 Köller in Aner u.a. 2007: 129 72 Köller in Aner u.a. 2007: 21
__________________________________________________________ 28
Ferner wird es immer weniger Menschen geben, die einer Erwerbsarbeit
nachgehen, weil der Anteil an älteren Menschen gegenüber jüngeren Men-
schen stark ansteigen wird (von 34 65-jährigen im Jahr 2008 auf 67 65-
jährigen im Jahr 2060).73 Aus diesem Grund ist es, nach Auffassung der Au-
torin, unerlässlich, dass ältere Bürger sich für die Gesellschaft engagieren
und mit helfen, die vorhandenen Aufgaben zu bewältigen. Außerdem ist es
wichtig, dass die älteren Menschen ihre Kompetenzen einsetzen und weiter-
geben und selber durch bürgerschaftliches Engagement ihr Wissen erwei-
tern, da es sich hierbei um eine lebenslange Entwicklung handelt.74 Viele
Ältere wollen auch genau dies. Sie wollen aktiv am gesellschaftlichen Leben
teilnehmen, mitentscheiden und ihre Erfahrungen mit anderen Menschen
teilen, damit diese davon profitieren können.75 Besonders die jüngeren Ge-
nerationen erhalten durch das bürgerschaftliche Engagement Älterer Orien-
tierungshilfen, um in dieser stetig wandelnden Gesellschaft zu Recht zu
kommen.76 Die „aktiven Alten“ erhalten mit ihrem Engagement ihre körperli-
chen und geistigen Fähigkeiten und sorgen somit für eine höhere Lebens-
qualität. Zum Beispiel hatten über 90 % der Befragten das Gefühl etwas
Nützliches zu tun und einen engen Kontakt zu anderen Menschen zu ha-
ben.77
Die Sozialpolitik bzw. die Sozialarbeit hat nun die Aufgabe entsprechende
Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Vorstellungen der älteren Men-
schen entspricht, damit diese sich in großem Maße engagieren. Um Enga-
gement für die meisten Bürger attraktiver zu gestalten, entwickelte sich das
klassische Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement.
73 Meyer 2008: 30f. 74 Meyer 2008: 183,188 75 Expertenkommission in Bertelsmann Stiftung 2008: 341 76 NDV 2007: 484 77 Kruse/Wahl 2010: 375ff.
__________________________________________________________ 29
2.2 Vom Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement
2.2.1 Bürgergesellschaft und Entwicklung des bürger schaftlichen En-gagements
Bevor die Entwicklung vom klassischen Ehrenamt zum bürgerschaftlichen
Engagement beschrieben wird, erläutert die Autorin zunächst den Begriff der
Bürgergesellschaft, da er für diese Entwicklung von großer Bedeutung ist.
Bürgerschaftliches Engagement kann nur in einer Bürgergesellschaft78 statt-
finden und eine Bürgergesellschaft kann nur existieren, wenn ihre Bürger
sich engagieren und aktiv mit arbeiten. Die Bürgergesellschaft ist laut Enque-
te-Kommission das Leitbild des bürgerschaftlichen Engagements.79 „Bürger-
gesellschaft beschreibt ein Gemeinwesen, in dem die Bürgerinnen und Bür-
ger auf der Basis gesicherter Grundrechte und im Rahmen einer politisch
verfassten Demokratie durch das Engagement in selbstorganisierten Verei-
nigungen und durch die Nutzung von Beteilungsmöglichkeiten die Geschicke
des Gemeinwesens wesentlich prägen können.“ (Enquete-Kommission 2002:
24)
Als diese Bürgergesellschaft entstanden ist,80 entwickelten sich zunächst
einige Genossenschaften und Vereine. Ab dem Jahr 1850 nahm die Anzahl
des privaten Engagements für Arme und Hilfebedürftige zu, die zu Gründun-
gen der verschiedensten Vereine führte, zum Beispiel Verein für Sozialpolitik
(1873), Deutscher Verein für Gesundheitspflege (1873) etc. Diese Entwick-
lung rief sowohl positive, als auch negative Konsequenzen hervor. Einerseits
gab es immer mehr Vereine, die Menschen unterstützten und in denen sich
Bürger engagieren konnten, andererseits wurde das private Engagement ein
Stück weit verdrängt und somit geriet das Subsidaritätsprinzip81 ins Wanken.
Dieses Prinzip wurde jedoch in der Krise des Wohlfahrtsstaates wieder ein-
gesetzt, so dass sich Begriffe wie der aktivierende, ermöglichende und er-
78 Die Begriffe Bürgergesellschaft und Zivilgesellschaft werden synonym genutzt 79 Embacher/Lang 2008: 19f. 80 Die Experten sind sich nicht darüber einig, ob es eine Bürgergesellschaft überhaupt
schon gibt; bestenfalls steht sie am Anfang und muss stetig weiter entwickelt werden. 81 Kleinere Einheiten haben gegenüber größeren Einheiten Vorrang, d.h. die kleinere Ein-
heit, z.B. die Kommune, sollte versuchen ihre Aufgaben und Probleme selbst zu bewälti-gen. Die größere Einheit, beispielsweise der Staat, hat hierbei jedoch die Aufgabe mög-lichst optimale Bedingungen zu schaffen, damit die Kommune in der Lage ist, ihre Aufga-ben zu erledigen. Wenn sie nicht leistungsfähig ist, müsste der Staat ihre Aufgabe über-nehmen.
__________________________________________________________ 30
munternde Staat entwickelten, um die Verantwortungsteilung zwischen Staat
und Gesellschaft zu signalisieren. Der Staat ist kein reiner Versorgungsstaat
mehr, sondern überträgt seinen Bürgern mehr Verantwortung (aktivierender
Staat) und bietet ihnen demnach Gelegenheiten freiwillig tätig zu sein (er-
möglichender Staat).82 Das heißt, dass der aktivierende Staat Bereiche sei-
ner Zuständigkeit an die Bürger abgibt, um sie zu motivieren, bei der Befrie-
digung ihrer Bedürfnisse aktiv mit zu arbeiten. Dies soll sich auf freiwilliger
Basis mit Hilfe des Subsidaritätsprinzip ereignen.83 Erst mit dieser Trennung
von Staat und Familie, in die der Staat sich nur in Ausnahmefällen - zum Bei-
spiel bei Gewalt gegen Kinder innerhalb der Familie - einmischen darf, konn-
te sich die Bürgergesellschaft entwickeln.84 Die Aktivierung der Bürger bleibt
- zum Beispiel im Bereich Arbeit - nicht auf einer freiwilligen Ebene, denn
Menschen, die staatliche Leistungen beziehen, zwingt der Staat dazu, jegli-
che Arbeit die ihnen geboten wird, anzunehmen. Wenn sie sich dem Arbeits-
zwang verweigern, droht ihnen eine Kürzung der finanziellen Leistungen, so
dass sie gar keine andere Wahl haben, als jede (noch so schlecht bezahlte)
Arbeit anzutreten. Anstatt, dass der Staat seine Bürger aktiv bei der Arbeits-
platzsuche unterstützt, wird man nach der Ausbildung direkt in Hartz IV ein-
gestuft und mit Ein-Euro-Jobs oder Maßnahmen der „Bundesagentur für Ar-
beit“ beschäftigt. Diese zwanghafte Aktivierung des Staates hat mit der Moti-
vierung zum freiwilligen Engagement nichts mehr zu tun.85
Mit der Entwicklung der Bürgergesellschaft und des bürgerschaftlichen En-
gagements haben sich auch die Motive und Formen verändert. Auf diese
Veränderungen geht die Autorin im nächsten Unterpunkt ein.
2.2.2 Motive und Formen des bürgerschaftlichen Enga gements
In den letzten Jahrzehnten haben sich die Motive der Bürger für ein freiwilli-
ges Engagement verändert, so dass sich auch die Formen des Engagements
diesen Veränderungen anpassen mussten. Im klassischen oder traditionellen
Ehrenamt war der engagierte Bürger meistens in einer Einrichtung, Institution
oder einem Verein tätig, zu dem häufig schon ein sehr langer und intensiver
82 Schröter 2006: 7ff., Enquete-Kommission 2002: 25 83 Rüßler 2008: 1 84 Schröter 2006: 7 85 Aussagen der Verfasserin
__________________________________________________________ 31
Kontakt bestand. Die Gründe dieses Engagements waren altruistisch, denn
es ging darum, hilfebedürftige Menschen zu unterstützen. Auf welche Art und
Weise diese Hilfe statt fand, war stark von der jeweiligen Organisation ab-
hängig. Die Bürger hatten in ihrem Engagement kein oder wenig Mitsprache-
recht.86 In Folge neuer Strukturen können die Bürger ihre Tätigkeit mit orga-
nisieren und entwickeln. Hierbei geht es ebenfalls, aber nicht ausschließlich
um Gemeinwohlorientierung. Wichtig ist auch das richtige Engagement für
sich zu finden, welches in den eigenen Lebenslauf passt und Möglichkeiten
der persönlichen und eigenen Entfaltung bietet. Da die meisten Bürger keine
oder nicht ausschließlich altruistische Beweggründe für die Übernahme einer
freiwilligen Tätigkeit haben, sind die neuen Formen häufig Projekte, die zeit-
lich begrenzt sind. Daher können die Freiwilligen ständig neue Aufgaben
entwickeln und mit verschiedenen Menschen arbeiten.87 Die neuen Formen
des bürgerschaftlichen Engagements sind vielfältig, so dass auch unter-
schiedliche Begrifflichkeiten verwendet werden. Es finden zum Beispiel Be-
griffe, wie freiwilliges Engagement, Ehrenamt und Selbsthilfe Anwendung,
die unter dem Oberbegriff „Bürgerschaftliches Engagement“, der aufgrund
der Enquete-Kommission im Jahr 2002 an Bedeutung gewonnen hat, zu-
sammengefasst sind.88 Der Begriff des freiwilligen Engagements ist vom
Freiwilligensurvey geprägt und beschreibt eine freiwillige Übernahme von
Aufgaben und Ämtern, die dem Wohl der Gemeinschaft dienen. Das Ehren-
amt umfasst dauerhafte Aufgaben, die meist stärker in eine Institution einge-
bunden und von ihr vorgegeben sind. Ehrenamtlich Tätige sind nach wie vor
immer noch sehr wichtig.89 Selbsthilfe findet in Gruppen statt, die durch ein
gemeinsames Problem gekennzeichnet sind. Die Mitglieder sprechen über
ihre Situation und sorgen somit dafür, dass das Thema enttabuisiert wird.90
Für alle Formen des bürgerschaftlichen Engagements gilt: Bürgerschaftliches
Engagement ist freiwillig, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet, gemein-
wohlorientiert, findet im öffentlichen Raum statt und wird in der Regel ge-
86 Karl u.a. 2008: 15 87 Karl u.a. 2008: 15f., Rüßler 2008: 8 88 Embacher/Lang 2008: 22, Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bun-
desrepublik Deutschland 2005: 341, Rüßler 2008: 5 89 Stricker 2007: 35f.; An dieser Stelle sei erwähnt, dass diese Begrifflichkeiten in dieser
Arbeit gleichbedeutend mit dem Begriff „Bürgerschaftliches Engagement“ verwendet werden.
90 Rüßler 2008: 6f.
__________________________________________________________ 32
meinschaftlich/kooperativ ausgeübt.91 Freiwillig ist das bürgerschaftliche En-
gagement insofern, da es keine Pflicht der Ausführung gegenüber dem Staat
gibt, wie beispielsweise beim Wehr- oder Zivildienst. Aus diesem Grund sind
die Motivation und die Qualität der Leistung der Engagierten oft besonders
groß. Bürgerschaftliches Engagement ist nicht auf materiellen Gewinn aus-
gerichtet, da das Engagement nicht mit finanziellen Mitteln bezahlt wird und
ist gemeinwohlorientiert, da die Tätigkeiten zu dem Wohl der Gesellschaft
beitragen sollen. Radikale Gruppen engagieren sich auch freiwillig, ohne auf
materiellen Gewinn aus zu sein und sind der Meinung, dass es dem Wohl
der Gemeinschaft dienen würde, wenn sie ihre Interessen durchsetzen. Die-
se Tätigkeiten sind jedoch kein bürgerschaftliches Engagement, da sie der
Bürgergesellschaft schaden und einzelne Gruppen ausschließen wollen.
Dass das bürgerschaftliches Engagement im öffentlichen Raum stattfindet,
heißt nicht, dass es auf dem Marktplatz oder in anderen staatlichen Berei-
chen stattfindet und auch nicht im familiären Bereich, sondern in einem
Raum, der transparent gemacht wird und daher für jedermann zugänglich ist.
Gemeinschaftlich und kooperativ ist es sowohl in seiner Orientierung als
auch in seiner Ausführung, denn es ist auf das Wohl einer Gruppe, die sich
aus Gesellschaftsmitgliedern zusammensetzt, gerichtet und wird in der Regel
mit anderen Engagierten getätigt.92 Die Organisationsformen für die diese
Charakteristika gelten, sind ebenfalls vielfältig.
Es gibt insgesamt sieben Formen. Das politische Engagement, das soziale
Engagement, das Engagement in Vereinen, Verbänden und Kirchen, das
Engagement in öffentlichen Funktionen, Formen der Gegenseitigkeit, die
Selbsthilfe und das bürgerschaftliche Engagement in und von Unternehmen.
Davon existieren einige traditionelle Formen bereits länger und andere sind
aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen neu dazu gekommen.
Das politische Engagement gehört eher zu den klassischen Formen des En-
gagements. Es beinhaltet die Beteiligung an der Kommunalpolitik beispiels-
weise in Gemeinderäten und die Mitarbeit in Parteien, Verbänden und Ge-
werkschaften, oder aktueller betrachtet, das Engagement in Bürgerinitiativen,
Kinder- und Jugendparlamenten, Ausländer- und Seniorenbeiräten. Die Tä-
91 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 2005: 341, Rüßler 2008: 3, Zippel/Kraus 2009: 201, Enquete-Kommission 2002: 38
92 Rüßler 2008: 3ff., Enquete-Kommission 2002: 38f.
__________________________________________________________ 33
tigkeiten in Jugend- und Wohlfahrtsverbänden, in Kirchengemeinden und in
öffentlichen Einrichtungen fallen in den Bereich des sozialen Engagements.
Neuere Formen dieses Bereiches sind beispielsweise die Arbeiten im Hos-
piz, in den „Tafeln“, in AIDS-Initiativen und in den Gruppen für Asylbewerber.
Das Engagement in Vereinen, Verbänden und Kirchen umfasst Vorstandstä-
tigkeiten, Geschäftsführungs- und Leitungsaufgaben, zum Beispiel das Trai-
nieren eines Sportvereins, Leiten eines Kirchenchores etc. Diese Tätigkeiten
sind durch eine rechtliche Struktur gekennzeichnet und verlangen von ihren
Engagierten eine hohe organisatorische und betriebswirtschaftliche Qualifika-
tion. Zu den klassischen Formen gehört auch das Engagement in öffentli-
chen Funktionen - zum Beispiel Schöffen, Wahlhelfer und Richter. Dies ist
die einzige Engagementform, die man nicht unbedingt freiwillig ausübt, denn
es kann passieren, dass man schriftlich dazu aufgefordert wird, bei einer
Wahl zu helfen oder als Schöffe bei Gericht teilzunehmen. Hierzu gehören
aber auch Tätigkeiten im Rahmen des Betreuungsgesetzes, das Engage-
ment von Elternbeiräten und öffentliche Aufgaben, die von der freiwilligen
Feuerwehr, vom technischen Hilfswerk, von Rettungsdiensten, von Bürger-
vereinen und Zusammenschlüssen, die in Einrichtungen wie Museen, Biblio-
theken oder Schwimmbädern dazu beitragen, dass diese aufrecht erhalten
bleiben. Unter Formen der Gegenseitigkeit fallen die Nachbarschaftshilfe und
die Arbeit der Genossenschaften, die vor allem auf gegenseitiger Hilfe und
moralischen Grundsätzen beruhen. Die Form der Selbsthilfe beschäftigt sich
besonders mit den Bereichen Familie, Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Migran-
ten und marginalisierten93 Gruppen und ist nicht nur Selbsthilfe, sondern
auch Unterstützung für andere Gruppenmitglieder. Das bürgerschaftliche
Engagement in und von Unternehmen beinhaltet die Mitarbeit in Interessen-
vertretungen und die Unterstützung der örtlichen Vereine und Einrichtungen
meist in Form von Geld- oder Sachspenden. Zum Beispiel spenden Firmen
häufig ihre Produkte, die ein Verein anschließend mit einer Tombola an seine
Mitglieder weitergibt und durch den Losverkauf Einnahmen erzielt. Aktueller
ist die direkte Kooperation zwischen einem Unternehmen und Projekten aus
dem Sozial-, Jugend- oder Kulturbereich.94
93 Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden 94 Embacher/Lang 2008: 23ff.
__________________________________________________________ 34
2.2.3 Strukturwandel des bürgerschaftlichen Engagem ents
Durch die bisherigen Schilderungen des Veränderungs- und Entwick-
lungsprozesses des bürgerschaftlichen Engagements lassen sich drei Mo-
dernisierungstrends zusammenfassen: Pluralisierung, Individualisierung und
Motivwandel.95
Die Pluralisierung beschreibt die Vielfalt der Engagementformen, die sich in
den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Zu den alten, klassischen Formen
des Engagements beispielsweise in Vereinen, Parteien oder Verbänden sind
neue Formen vor allem in den Bereichen Ökologie, Kultur, Schule, Kinder-
garten, Gesundheit, Geschlechterfragen und im sozialen Bereich dazu ge-
kommen. Die alten Formen, wie zum Beispiel das klassische Ehrenamt, sind
jedoch weiterhin vertreten und werden häufig von älteren Bürgern bevorzugt.
Die „Engagementlandschaft“96 ist sehr groß und auch für diejenigen interes-
sant, die ihre Fähigkeiten weiter entwickeln wollen.
Der Prozess der Individualisierung entstand, als die Bürger aus den stän-
disch-feudalen Gesellschaftsformen entlassen und diese aufgelöst wurden.
Die selbstverständlichen Lebensformen fielen weg und jeder hatte die Auf-
gabe sein Leben eigenständig zu entwickeln. Die Lebensläufe der Menschen
waren nicht mehr determiniert, sondern im Rahmen der sozialstaatlichen Re-
gelungen individuell gestaltbar und beeinflussbar. Für ein bürgerschaftliches
Engagement werden soziale Herkunft, geschlechtsspezifische und familiäre
Rollen demnach immer unbedeutender.
Die Motive für ein bürgerschaftliches Engagement sind sehr vielfältig und
häufig eine Mischung aus Selbstbezug und Gemeinwohlorientierung. Ten-
denziell lässt sich aber zusammenfassen, dass sich ein Wandel von eher
altruistischen zu ereignis-, spaß- und selbstverwirklichungsbezogenen Moti-
ven vollzogen hat. Frauen haben den Wunsch etwas Neues zu lernen, wäh-
rend Männer lieber ihre vorhandenen Fähigkeiten nutzen möchten.97
Detaillierte Erläuterungen zu dem Motivwandel gibt es im dritten Teil dieser
Arbeit.
95 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 2005: 342
96 Enquete-Kommission 97 Embacher/Lang 2008: 26ff., Rüßler 2008: 8, Kruse/Wahl 2010: 386
__________________________________________________________ 35
2.2.4 Abbruch eines Engagements
Die häufigsten Ursachen, die zu einem Abbruch des bürgerschaftlichen En-
gagements führen, sind Unstimmigkeiten über die Konzeption, Enttäuschung
von Erwartungen, Überlastung oder private Gründe, wie Veränderungen in
der Familie, Krankheit etc.
Unstimmigkeiten über die Konzeption treten meist bereits am Anfang einer
Tätigkeit auf. Das kann sich dadurch äußern, dass der Kooperationspartner
nicht auf einen Vorschlag vom engagierten Bürger eingeht, da er für dieses
Angebot keinen Bedarf sieht, aber auch darin, dass der Engagierte die An-
sprüche nicht erfüllen kann oder will. Solch eine Überforderung geschieht
häufig, wenn das freiwillige Engagement eine hauptberufliche Stelle ersetzen
soll, die eine hohe Qualifizierung voraussetzt. Auf der anderen Seite können
sich Ehrenamtliche sehr unflexibel verhalten, indem sie die Bitte, ihr Konzept
an einen besonderen Bedarf anzupassen, ablehnen. In diesen Fällen sollte
man versuchen miteinander zu reden und Lösungen zu finden. Wenn dies
nicht geschieht und man nur auf Ablehnung stößt oder unüberwindbare
Schwierigkeiten miteinander hat, macht das bürgerschaftliche Engagement
keinen Sinn. Engagierte wünschen sich von ihren Kooperationspartnern Un-
terstützung, zum Beispiel in Form von Kostenerstattungen oder der Finanzie-
rung einer Weiterbildung. Sollte dies rigoros ignoriert werden, haben die frei-
willig Tätigen oft das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht ernst genommen und
nicht als wertvoll eingeschätzt wird. Auch die Nicht-Einhaltung von Terminen
oder anderen Verbindlichkeiten trägt dazu bei, dass die Enttäuschung größer
wird und schließlich zum Abbruch der Tätigkeit führt.
Ferner kann eine Überlastung der Engagierten Ursache des Abbruchs sein.
Die Aufgaben, die in einem Engagement anfallen, sind häufig umfangreicher
und vielfältiger als die Tätigen zuvor erwartet haben. Wenn die zur Verfügung
stehenden Kapazitäten und Kompetenzen nicht mehr ausreichen, entsteht
durch die Arbeitsbelastung ein Gefühl der Überforderung. Ein Abbruch kann
in diesem Moment nur noch vermieden werden, wenn die Überlastung durch
das Kompetenzteam98 aufgefangen wird.99
98 Gruppe von Engagierten, die an demselben Angebot mitwirken 99 Karl u.a. 2008: 52ff.
__________________________________________________________ 36
Um die Gründe für einen Abbruch des Engagements genauer zu veran-
schaulichen, wird an dieser Stelle ein Beispiel gegeben: Herr R. ist gelernter
Schreiner und mit 60 Jahren in den Ruhestand gegangen. Da er sich noch
jung und fit fühlt und sein Wissen gerne an jüngere Menschen weitergeben
möchte, beschließt er sich für Jugendliche einzusetzen und mit ihnen einen
Schnitzkurs zu machen. Er stellt vor diesem Hintergrund sein Konzept in der
kommunalen Verwaltung vor und bekommt dort die Information, sich beim
örtlichen Kinder- und Jugendheim zu melden. Der Heimleiter ist von Herrn
R.’s Idee begeistert und verspricht, ihn zu unterstützen. Als Herr R. jedoch
erfährt, dass es sich um verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche handelt,
kommen ihm Zweifel, ob er dieser Aufgabe gewachsen ist. Auch die Anzahl
der Kinder und Jugendlichen macht Herrn R. Angst. Er hat sich einen Kurs
mit zehn Teilnehmern vorgestellt, doch der Heimleiter möchte 20 Kinder und
Jugendliche beteiligt wissen. Die Heimleitung überzeugt ihn schließlich und
verspricht nochmals ihre Unterstützung, wenn es Probleme gibt. Die Kom-
mune stellt Herrn R. kostenlos einen Werkraum zur Verfügung, ist jedoch
nach langen Verhandlungen nicht bereit, die vielen Holzmaterialien zu be-
zahlen. Herr R. greift demnach in die eigene Tasche um sein Konzept umzu-
setzen. In den ersten beiden Treffen fühlt sich Herr R. aufgrund der großen
Anzahl verhaltensauffälliger Kinder stark überfordert und bittet die Heimlei-
tung einen Angestellten mit zu schicken, der ihn unterstützen soll. Einen
Hauptberuflichen für diesen Kurs freizustellen ist jedoch nicht möglich, so
dass Herr R. sich weiterhin alleine behaupten muss. Nach einigen Wochen
kommen lediglich vier Teilnehmer zu dem Kurs, was Herrn R. das Gefühl
gibt, dass sein Kurs auf Desinteresse stößt. Herr R. merkt, dass dieses En-
gagement ihm von Anfang an keine Freude bereiten konnte, da er die Mate-
rialien selber zur Verfügung stellen muss, keine Unterstützung von der Heim-
leitung bekommt und ihm nicht genug Interesse entgegen gebracht wird.
Dies wächst zu einem Gefühl der Überforderung und Enttäuschung, so dass
Herr R. dieses Engagement schließlich aufgibt.100
Dem Ausscheiden aus einem Engagement sollte genauso Beachtung ge-
schenkt werden, wie dem Beginn der Tätigkeit. Wer ausscheidet, hat das
100 Beispiel der Verfasserin
__________________________________________________________ 37
Recht ordentlich verabschiedet zu werden und einen Nachweis über seine
Tätigkeiten zu bekommen.101
Wie im Folgenden dargestellt wird, kann das bürgerschaftliche Engagement
in einigen Punkten auch kritisiert werden.
2.2.5 Kritik am bürgerschaftlichen Engagement
Bürgerschaftliches Engagement kann sich nicht jeder leisten, denn es wird in
der Regel nicht finanziell honoriert. Im Gegenteil, oft fallen zusätzliche Kos-
ten an, beispielsweise für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Telefon-
kosten etc. Wenn die Arbeit jedoch vergütet würde, bestünde die Gefahr,
dass das Engagement zu einem ungeschützten Beschäftigungsverhältnis
würde. Auch die eigenständige Gestaltung ist nicht immer so frei, wie sie
dargestellt wird, denn häufig grenzen die Träger oder die hauptberuflichen
Mitarbeiter sie ein. Wenn man die Ideen und Interessen der Freiwilligen nicht
ausreichend berücksichtigt, könnten diese sich ausgenutzt fühlen. Es ist
demnach wichtig darauf zu achten, dass die Wünsche der Engagierten Ge-
hör finden und das Engagement Platz für Selbsthilfe zulässt und nicht aus-
schließlich auf die Interessen der Organisation oder der Klienten ausgelegt
sind. Kritikwürdig ist ebenfalls, dass nicht alle älteren Menschen aufgrund
ihrer Bildung, Herkunft etc. einen Zugang zu einem bürgerschaftlichen Enga-
gement haben.102 Wie bereits erwähnt, hat die Sozialarbeit die Aufgabe diese
Chancenungleichheit auszugleichen.
Da nun die Entwicklung vom klassischen Ehrenamt zum bürgerschaftlichen
Engagement, der aktuelle Begriff der Bürgergesellschaft und des bürger-
schaftlichen Engagements mit seinen vielfältigen Formen, der Strukturwan-
del, die Gründe für einen Abbruch des Engagements und die Kritik am bür-
gerschaftlichen Engagement beschrieben wurden, stellt die Verfasserin im
nächsten Teil Zahlen vor, die aufzeigen, wer sich in welchem Ausmaß und in
welcher Form engagiert und wie sich diese Statistiken im Laufe der letzten
Jahre entwickelt haben. Dies soll Aufschlüsse darüber geben, ob die Ent-
wicklung vom klassischen Ehrenamt zum bürgerschaftlichen Engagement
101 Rüßler 2008: 14 102 Backes in Schroeter 2006: 86f.
__________________________________________________________ 38
bereits dazu beigetragen hat, dass sich mehr, vor allem ältere Menschen,
engagieren und an welchen Stellen noch weiterer Entwicklungsbedarf be-
steht.
2.3 Statistiken - Ausmaß des bürgerschaftlichen Eng age-ments älterer Menschen
Grundlage für die Vorstellung der Statistiken sind die drei Freiwilligensurveys
bzw. ein Engagementmonitor des dritten Freiwilligensurveys, da der umfas-
sende Gesamtbericht erst im Sommer 2010 veröffentlicht wird. Überlegun-
gen, den Alterssurvey ebenfalls in das Kapitel einzubeziehen, verwarf die
Verfasserin, da auch dieser noch nicht veröffentlicht ist und es keinen vorläu-
figen Bericht gibt. Die Zahlen des Freiwilligensurveys sind daher aktueller
und geben, laut Auffassung der Autorin, ausreichende Informationen über
das Ausmaß des bürgerschaftlichen Engagements älterer Menschen.
Auftraggeber: BMFSFJ
Erhebungszeit: April–Juli 1999/2004/2009
Methode: Telefonische Befragung (CATI)
Befragte: 1999 und 2004 je N=15.000, 2009 N=20.000 deutschsprachige Wohnbevölkerung in Privathaushalten (ab 14 Jahren), geschich-tete Zufallsstichprobe nach ADMStandard
Ziele: Umfragegestützte Dauerberichterstattung durch repräsentative Erfassung der öffentlichen Beteiligung und des freiwilligen En-gagements in seinen verschiedenen Bereichen, Formen und Prob-lemlagen
Tabelle 5: Steckbrief. Monitor Engagement 2010: 8
Der Freiwilligensurvey ist die größte aktuelle Untersuchung, die landesweite
Informationen zum bürgerschaftlichen Engagement zur Verfügung stellt. Um
diese Informationen repräsentativ darstellen zu können, wird er seit 1999 alle
fünf Jahre vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
mit einer telefonischen Befragung der deutschen Bevölkerung im Alter ab 14
Jahre beauftragt. Bei der Umfrage in diesem Jahr befragte man mehr als
20.000 Personen zu ihren Motiven, Verbesserungsvorschlägen, zu der Be-
endigung des Engagements und zum Engagementpotenzial. Diese Ergeb-
__________________________________________________________ 39
nisse sind für die Politik sehr wichtig, denn sie können die Strategien ihrer
Engagementförderung danach richten und wissen somit besser, wie sie sich
verhalten müssen, um möglichst viele Bürger zu erreichen.
Bei der Betrachtung der Ergebnisse ist zu beachten, dass laut Freiwilligen-
survey auch Tätigkeiten in selbstorganisierten Gruppen, Initiativen und Pro-
jekten zum bürgerschaftlichen Engagement zählen, jedoch nicht die private
Unterstützung in der Familie oder im Freundeskreis, da dies nicht in der Öf-
fentlichkeit stattfindet.103
2.3.1 Tatsächliche und mögliche Engagementquote
Die Engagementquote wird ermittelt, indem man die Teilnehmer befragt, ob
sie eine freiwillige Tätigkeit ausüben. Auch wenn diese Person zwei oder
mehrere Tätigkeiten ausführt, wird sie nur einmal berücksichtigt. So kam es,
wie in Abbildung 8 zu sehen, im Jahr 1999 zu dem Ergebnis, dass sich 34 %
der Befragten engagierten. Bei den nächsten beiden Datenerhebungen 2004
und 2009 waren jeweils 36 % der in Deutschland lebenden Bevölkerung eh-
renamtlich tätig.
Abbildung 8: Freiwillig Engagierte. Monitor Engagement 2010: 16
Mit diesen Ergebnissen liegt der Freiwilligensurvey im mittleren Bereich der
unterschiedlichsten Datenerhebungen. Ausschlaggebend für die verschiede-
nen Ergebnisse sind die Untersuchungsmethoden. Denn je mehr man eine
Definition der freiwilligen Tätigkeit vorgibt, desto kleiner fällt die
103 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 5ff.
__________________________________________________________ 40
Engagementquote aus. Je größer das Feld des bürgerschaftlichen Engage-
ments ist, desto höher auch die Engagementquote. Im Freiwilligensurvey
werden demnach nicht nur die klassischen Ehrenämter, die häufig von Män-
nern ausgeführt werden, sondern auch weniger formelle Tätigkeiten berück-
sichtigt, die überwiegend Frauen durchführen.
Außerdem könnten sich, laut Abbildung 9, zusätzlich zu den 34 % der Enga-
gierten, 37 % der Bevölkerung vorstellen, eine freiwillige Tätigkeit zu über-
nehmen. Diese Anzahl wuchs seit 1999 stetig. Im Jahr 1999 zogen lediglich
26 % in Erwägung ein bürgerschaftliches Engagement zu übernehmen und
32 % im Jahr 2004. Jedoch weiß man nicht, ob sich diese Menschen auch
tatsächlich irgendwann engagieren, da der Anteil derjenigen, die bestimmt
bereit sind eine freiwillige Tätigkeit zu übernehmen, von 1999 bis 2009 nur
um einen Prozentpunkt gestiegen ist, nämlich von 10 % auf 11 %. Positiv zu
betrachten ist die gesunkene Zahl derjenigen, die sich auf keinen Fall enga-
gieren möchten. Addiert man die Zahl der bereits Engagierten mit der Zahl
der bestimmt und der eventuell Bereiten, erfährt man, dass 1999 noch 40 %
der Bevölkerung nicht zum Engagement bereit war, im Jahr 2009 jedoch nur
noch 27 %.104
Abbildung 9: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft. Monitor Engagement 2010: 22
104 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 16f.
__________________________________________________________ 41
2.3.2 Engagementbereiche
Die Engagierten üben ihre Tätigkeiten in sehr vielen unterschiedlichen Berei-
chen aus. Der Bereich des Sports und der Bewegung bleibt dabei in allen
drei Erhebungen der Größte. Seit 2009 engagieren sich freiwillig Tätige auch
zunehmend in Kindergärten und Schulen sowie in dem Bereich Religion und
Kirche. Des Weiteren sind sie in den Bereichen Freizeit und Geselligkeit, Kul-
tur, Kunst und Musik, Soziales, berufliche Interessenvertretung, Natur- und
Umweltschutz, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung, lokales Bürgerenga-
gement, Freiwillige Feuerwehr und Rettungsdienste, politische Interessenver-
tretung, Gesundheit und Kriminalitätsprobleme tätig. Von der ersten bis zur
dritten Datenerhebung hat besonders das Engagement in den sozialen Be-
reichen (4,1 % auf 5,2 %), im gesundheitlichen Bereich (1,2 % auf 2,2 %), in
Kindergärten und Schulen (5,9 % auf 6,9 %) und in der Jugendarbeit und
Erwachsenenbildung (1,6 % auf 2,6 %) zugenommen. Verantwortlich für den
Anstieg dieser Zahlen sind die Familien und älteren Bürger, denn Menschen
engagieren sich in den Bereichen, die sie interessieren und die etwas mit
ihrer derzeitigen Lebenssituation zu tun haben. Durch den demographischen
Wandel wird es zunehmend mehr ältere und weniger junge Menschen ge-
ben, so dass den Engagementbereichen, die vorwiegend von Jüngeren ab-
gedeckt werden, wie zum Beispiel die Freiwillige Feuerwehr und Rettungs-
dienste, im Laufe der Jahre der Nachwuchs fehlt.105
105 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 17ff.
__________________________________________________________ 42
2.3.3 Verlässlichkeit des Engagements
Abbildung 10: Dauer der freiwilligen Tätigkeit. Monitor Engagement 2010: 20
Positiv ist jedoch, dass die Menschen, die sich engagieren, ihre Aufgabe
sehr gewissenhaft mit einer hohen Verbindlichkeit absolvieren. In Abbildung
10 lässt sich erkennen, dass die Engagierten ihre freiwilligen Tätigkeiten im
Durchschnitt seit 10 Jahren ausführen. Die Altersgruppe 66 Jahre und älter
übernehmen ihre Aufgaben im Durchschnitt bereits seit 17,8 Jahren. Laut der
neuesten Datenerhebung führen 30 % aller Befragten ihre Tätigkeiten mehr-
mals die Woche aus, das heißt, dass ihr Engagement sehr zeitaufwendig ist,
jedoch trotzdem sehr regelmäßig und verlässlich durchgeführt wird (siehe
Abbildung 11).
__________________________________________________________ 43
Abbildung 11: Häufigkeit der freiwilligen Tätigkeit. Monitor Engagement 2010: 20
Hinzu kommt, dass das Aufnehmen eines Engagements für Jugendliche oder
junge Frauen sehr schwierig ist, denn die Jugendlichen sind häufig in ihrer
Ausbildungs- und Berufseinmündungsphase hohem Druck ausgesetzt und
die Frauen meist mit ihrem Beruf und der Versorgung der Familie ausgelas-
tet. Umso beeindruckender ist, dass sich die Anzahl der Engagierten von
2004 nicht negativ verändert hat.106
2.3.4 Engagement älterer Menschen
Eine Erklärung für die unveränderte Zahl der freiwillig Tätigen (36 % im Jahr
2004 und 2009) ist, laut Meinung der Verfasserin, die wachsende Zahl der
älteren Engagierten. Besonders in der Altersklasse ab 60 Jahre ist das En-
gagement von 1999 bis 2009 deutlich gestiegen. 31 % der 60- bis 69-
jährigen waren bereits im Jahr 1999 bürgerschaftlich engagiert. Diese Zahl
stieg bis 2009 um 6 % auf 37 % an. Auch in der Altersklasse der über 70-
jährigen gab es einen Anstieg um 5 %, nämlich von 20 % im Jahr 1999 auf
25 % im Jahr 2009 (siehe Abbildung 12). Dies zeigt, dass immer mehr Ältere
dazu bereit sind, sich bis ins hohe Alter - etwa bis 75 Jahre - zu engagieren
und sich in die Bürgergesellschaft einzubringen. Gründe dafür sind nicht nur
die zunehmende körperliche und geistige Gesundheit älterer Menschen,
106 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 19ff.
__________________________________________________________ 44
sondern auch der Wunsch nach Anerkennung, Partizipation und Herausfor-
derung.107
Abbildung 12: Engagierte nach Altersgruppen. Monitor Engagement 2010: 32
Interessant ist es zu erfahren, ob die ältere Generation sich einige Jahre
nach der ersten Datenerhebung weiterhin engagiert. Da zwischen dem ers-
ten und dem dritten Freiwilligensurvey bereits 10 Jahre liegen, beschäftigt
sich die aktuelle Datenerhebung auch mit diesem Thema.
107 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 32f.
__________________________________________________________ 45
Abbildung 13: Freiwilliges Engagement nach Altersgruppen. Monitor Engagement 2010: 34
Verglichen wurde dazu die Altersgruppe der 55- bis 59-jährigen, die im Jahr
2009 zu der Altersklasse der 65- bis 69-jährigen gehört. Wie in Abbildung 13
zu sehen ist, bleibt das bürgerschaftliche Engagement in dieser Altersklasse
unverändert auf 37 %. Das Engagement der nächsten Altersgruppe, der im
Jahr 2009 70- bis 74-jährigen nimmt leicht ab, von 32 % auf 30 %. Erst in der
Gruppe der über 75-jährigen, die 1999 zu der Gruppe der 65- bis 69-jährigen
gehörten, nimmt das Engagement um 9 % deutlich ab. Das hängt häufig da-
mit zusammen, dass die körperliche und geistige Fitness langsam nachlässt
und man die übrige Zeit lieber für sich und seine Familie nutzen möchte.108
Die Gründe für die Beendigung eines bürgerschaftlichen Engagements kön-
nen jedoch auch anderer Natur sein. 34 % der westlichen Befragten im Alter
ab 60 Jahre gaben im Jahr 2004 an, dass bezogen auf die persönlichen
Gründe, gesundheitliche Probleme ausschlaggebend sind, ein Engagement
abzubrechen. Weitere Gründe sind die familiäre Situation, die berufliche Si-
tuation, Umzug oder die zeitliche Begrenzung der Tätigkeit (siehe Abbildung
14).
108 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement 2010: 34f.
__________________________________________________________ 46
Abbildung 14: Persönliche Gründe des freiwilligen Engagements. Gensicke u.a. 2006: 278
Verbunden mit der Tätigkeit sind die Gründe eines Abbruchs vielfältig. Die
westlichen Befragten geben mit 27 % als Hauptgrund an, dass die Aufgabe
zu zeitaufwendig sei, für die im Osten lebenden Bürger ist der Hauptgrund
die Auflösung der Gruppe bzw. Organisation. Weitere Gründe sind, wie in
Abbildung 15 zu sehen, zu wenig Engagierte, Überforderung, Probleme mit
Hauptamtlichen, Probleme in der Gruppe, eigene Vorstellungen nicht um-
setzbar, Gefühl der Ausnutzung, Finanzierungsstopp und zu hohe Kosten für
die Tätigkeit.109
Abbildung 15: Gründe bezogen auf freiwillige Tätigkeit. Gensicke u.a. 2006: 279
Sinnvoll ist es die Gründe für die Beendigung eines Engagements zu unter-
suchen, denn nur so können die Kommunen und ihre Mitarbeiter erfahren,
109 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 278f.
__________________________________________________________ 47
welche Situationen sie besonders verbessern müssen. Auffällig ist, dass je-
weils 11 % angaben, sich überfordert zu fühlen und Probleme mit den
Hauptamtlichen zu haben. Diese beiden Gründe hängen vermutlich zusam-
men, denn wenn die Zusammenarbeit mit den Hauptamtlichen nicht funktio-
niert, fühlen sich die Engagierten häufig alleine gelassen, wodurch schnell
ein Überforderungsgefühl entsteht. Ein Engagement kann demnach nur funk-
tionieren, wenn die Hauptamtlichen mit den freiwillig Engagierten zusammen
arbeiten und ihnen jederzeit Unterstützung bieten.
Die demographischen und gesellschaftlichen Entwicklungen haben zur Fol-
ge, dass die deutschen Bürger immer bunter, älter und weniger werden. Die-
se Tatsache verursacht einige Probleme, zum Beispiel die weitere Aufrecht-
erhaltung des deutschen Rentensystems. Allerdings bietet der demographi-
sche Wandel auch Chancen, denn die steigende absolute Zahl der älteren
Menschen bedeutet gleichermaßen eine Erhöhung des Potenzials und der
Engagementbereitschaft, denn die Älteren engagieren sich häufiger als die
jüngere Generation. Senioren sind geprägt durch viele unterschiedliche Er-
fahrungen, sind intelligent, lernfähig und haben Zeit freiwillig tätig zu sein. Sie
möchten in der Gesellschaft integriert sein und freuen sich, wenn sie die
Möglichkeit bekommen, ihr Wissen weiter zu geben.
Um diese Ressourcen optimal nutzen zu können, muss sich das klassische
Ehrenamt zum modernen bürgerschaftlichen Engagement entwickeln, denn
die Motive und Ansprüche der heute älteren Menschen, haben sich verän-
dert. Nur noch Wenige sind bereit, sich für ihr Engagement aufzuopfern ohne
selber einen positiven Nutzen davon zu haben. Um die Anzahl der engagier-
ten Senioren zu halten bzw. zu erhöhen, müssen sich die Formen des bür-
gerschaftlichen Engagements den Bedürfnissen der Senioren anpassen.
Damit die kommunale Politik jedoch möglichst optimale Rahmenbedingungen
schaffen kann, bieten die Untersuchungen des Freiwilligensurveys sinnvolle
Unterstützung, denn er gibt Aufschluss darüber, dass sich vor allem ältere
Menschen bis circa zum 75ten Lebensjahr engagieren. Über die Verlässlich-
keit der Senioren braucht sich die Kommune keine Gedanken zu machen,
denn die älteren Bürger sind sehr zuverlässig, wenn ihnen geeignete Rah-
__________________________________________________________ 48
menbedingungen zur Verfügung stehen. Zum Abbruch eines Engagements
kommt es jedoch auch, wenn Hauptamtliche die Engagierten nicht ausrei-
chend unterstützen.
Wer diese theoretischen Grundlagen ernst nimmt und sich und seine Rah-
menbedingungen immer wieder hinterfragt, dem gelingt es, die Potenziale
der Älteren für die Gesellschaft sinnvoll zu nutzen und den Akteuren dabei
viel Freude zu bereiten. Wie eine Kommune dies umsetzen kann, wird am
Beispiel der Stadt Arnsberg nachfolgend dargestellt.
__________________________________________________________ 49
3 Bürgerschaftliches Engagement in der Stadt Arnsberg
Das folgende Kapitel ist auf die Stadt Arnsberg fokussiert, da die Verfasserin
dieser Arbeit selbst dort lebt und diese Stadt bereits gute Konzepte und Me-
thoden erarbeitet hat, sich mit Hilfe des Engagements älterer Menschen dem
demographischen Wandel anzupassen.
Für dieses kommunale Konzept zeichnete man die Stadt in den letzten Jah-
ren bereits mehrfach aus. Unter anderem erhielt sie im Januar 2005 den Titel
„Soziale Stadt 2004“ durch den Bundesverband für Wohneigentum und
Stadtentwicklung e.V. Berlin für das Arnsberger Senioren-Netzwerk, errang
im Mai 2006 den zweiten Platz des Landespräventionspreises des Innenmi-
nisteriums und der Polizei NRW zum Thema „Schutz älterer Menschen vor
Kriminalität“, die Publikation des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-
Westfalen im Juni 2006 zum Thema „Das gute Gefühl im Alter gebraucht zu
werden“ und bekam im Oktober 2006 den Otto-Mühlschlegel-Preis der Ro-
bert-Bosch-Stiftung für das Netzwerkkonzept „Zukunft Alter - Leben, Woh-
nen, Altern“.110
Um in die Verhältnisse der Stadt Arnsberg einzuführen, wird zunächst die
demographische Situation dargestellt, um dem Leser einen Eindruck davon
zu vermitteln, wo Arnsberg liegt, wie diese Stadt aufgebaut ist, wie viele Ein-
wohner sie hat und wie sie sich in Zukunft voraussichtlich entwickelt. Im
nächsten Punkt wird die Veränderung der Dienste bzw. der Angebote thema-
tisiert, mit welchen Konzepten und Methoden die Stadt momentan arbeitet
und welche Ziele sie damit verfolgt. Die Arbeit der „Fachstelle Zukunft Alter“
der Stadt Arnsberg wird ebenfalls in diesem Kapitel erläutert, denn diese ist
die Hauptanlaufstelle für ältere Menschen, die sich in Form von Projekten
bürgerschaftlich engagieren möchten. An einigen dieser Projekte hat auch
die Verfasserin teilgenommen, so dass sie ihre Erfahrungen in diesem Teil
der Diplomarbeit aufzeigt und ein besonders gelungenes Projekt hervorhebt,
indem sie es intensiver beschreibt. Zum Abschluss dieses Kapitels führt die
Verfasserin Interviews zum Thema „Motivation des bürgerschaftlichen Enga-
110 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 166
__________________________________________________________ 50
gements“ mit den älteren Engagierten und einem Mitarbeiter der „Fachstelle
Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg durch um die Ergebnisse mit fachliterari-
scher Unterstützung aufzuzeigen.
3.1 Demographische Situation der Stadt Arnsberg
Die Stadt Arnsberg entstand vor 35 Jahren aufgrund einer Gebietsreform, die
die bis dahin selbstständigen Städte Arnsberg und Neheim-Hüsten zusam-
menfügte. Jeder dieser beiden Stadtteile hatte vor der Zusammenlegung ein
eigenes Krankenhaus, eine eigene Schützenhalle, seine Schulen und Kin-
dergärten, Sportstätten, Kirchen, Alten- und Jugendeinrichtungen, Bäder und
Einkaufszentren. Leider lagen diese Städte in einem Wettstreit, so dass mög-
lichst viele Angebote geschaffen wurden, dabei jedoch nicht auf Qualität ge-
achtet wurde. Ab dem Jahr 1975 gab es, im Zuge der kommunalen Neuglie-
derung, den Stadtteil Neheim im Nordwesten, Alt-Arnsberg im Südosten und
zwölf umliegende kleinere Ortsteile (siehe Abbildung 16). Ab diesem Zeit-
punkt achtete man darauf, das Konkurrenzdenken dieser beiden Teile zu
beenden, indem man sich die Aufgaben gemäß den jeweiligen Stärken auf-
teilte. Auf diese Weise ließ sich die Lebensqualität der gesamten Stadt ver-
bessern.111 Arnsberg gehört zum Hochsauerlandkreis und besteht zu 60 %
aus ökologisch wertvollen Waldgebieten, die zur Erholung einladen.112
Abbildung 16: Die Stadt Arnsberg und ihre Stadtteile. Stadt Arnsberg 2003: 8
111 Gerwin u.a. in Kreuzer u.a. 2008: 203 112 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 165f.
__________________________________________________________ 51
Insgesamt hat die Stadt Arnsberg 79.665 Einwohner (Stand 2009), die sich
auf 15 Stadtteile verteilen.113 Jedoch schwankte diese Einwohnerzahl in den
letzten 40 Jahren deutlich. Nach einem Absinken der Bevölkerungszahl stieg
sie in der ersten Hälfte der 90er Jahre stark an. Dies ist vor allem auf die Zu-
wanderungen aus Ostdeutschland nach der Öffnung der Grenze, aber auch
auf die Zuwanderungen aus dem ehemaligen Jugoslawien im Zusammen-
hang mit dem dortigen Bürgerkrieg zurück zu führen. Seit Mitte der 90er Jah-
re ist die Einwohnerzahl rückläufig, da die Anzahl der Menschen im fortge-
schrittenen Alter in der Stadt deutlich zunimmt, diese jedoch ausscheiden
und nicht genug junge Menschen nachkommen.114 Das Durchschnittsalter
lag im Jahr 2007 bei 42,9 Jahre und erhöht sich bis 2025 auf 46,9 Jahre.
Dementsprechend steigt der Altenquotient um 9 % auf 48,2 % und der Ju-
gendquotient sinkt bis zum Jahr 2025 um 5 % auf rund 32 %. Auch die An-
zahl der Hochaltrigen (80 Jahre und älter) nimmt stark zu. Von 5,2 % im Jahr
2007 auf 8,2 % im Jahr 2025.115
Weiterhin hat Arnsberg mit der Stadt-Umland-Problematik zu kämpfen, die
sonst eher für Großstädte typisch ist. Das bedeutet, dass rund ein Viertel der
Abwanderungen Umzüge ins Umland von Arnsberg sind, zum Beispiel Rich-
tung Ense, Möhnesee, Sundern und Meschede. Diese Entwicklung hat in
den vergangenen Jahren ebenfalls zu Einwohnerverlusten geführt. Progno-
sen zufolge beläuft sich der Verlust bis 2025 auf 9,4 %, jedoch ist anzuneh-
men, dass dieser Verlust in den umliegenden Ortsteilen wie Bachum, Bruch-
hausen und Herdringen nicht so stark ausfallen wird, wie in den größeren
Stadtteilen Hüsten, Neheim, Alt-Arnsberg und Oeventrop. Dies liegt an der
politischen Entscheidung, in den oben genannten Ortsteilen, Baugebiete zu
entwickeln.116
Auch in Arnsberg gibt es einen hohen Anteil an Einpersonenhaushalten (37,9
%), der sogar höher ist als die Zahl der Haushalte mit Kindern (29 %).117
Diese Entwicklungen stellen die Stadt Arnsberg vor eine große Herausforde-
rung, die nur bewältigt werden kann, wenn Arnsberg sich durch eine verbes-
serte Familien-, Schul- und Bildungspolitik, sowie einer intensiven Kulturar-
113 Stadt Arnsberg Einwohnerstatistik 2009 114 Stadt Arnsberg 2003: 8 115 Bertelsmann-Stiftung Demographiebericht 2007: 3f. 116 Stadt Arnsberg 2003: 9ff. 117 Bertelsmann-Stiftung Demographiebericht 2007: 5
__________________________________________________________ 52
beit profiliert und ihre Dienste, Angebote und Rahmenbedingungen an den
demographischen Wandel anpasst.118 Dabei ist sie auf die Mithilfe ihrer Se-
nioren angewiesen, da sie Erfahrung, ein hohes Bedürfnis an Mitsprache und
vor allem Zeit haben, denn lediglich 35,3 % der 55- bis 64-jährigen119 sind
erwerbstätig.
Die Stadt Arnsberg hat die wertvollen Ressourcen dieser Altersgruppe er-
kannt und gibt sich daher große Mühe, den älteren Teil ihrer Bevölkerung in
die Arbeit der Kommune zu integrieren. Dies setzt sie auf der Grundlage des
ganzheitlichen Partizipationsprinzips um, welches im nächsten Schritt vorge-
stellt wird.
3.2 Ganzheitliches Partizipationsprinzip der Stadt Arnsberg
Unter dem ganzheitlichen Partizipationsprinzip der Stadt Arnsberg ist ein ge-
samtstrategisches Konzept zu verstehen, welches auf Dauer angelegt, ge-
samtstädtisch ausgerichtet ist und einen partizipatorischen, unterstützenden
und Generationen verbindenden Ansatz verfolgt. Mit diesem Konzept verfolgt
die Stadt Arnsberg das Ziel, die Potenziale der Älteren für die Kommune und
für alle, die in ihr leben zu nutzen, den älteren Menschen Verantwortung zu
übergeben und ihnen die Möglichkeit zu bieten, in Bereichen des städtischen
Lebens teilnehmen zu können. Außerdem möchte Arnsberg ausreichend
Versorgungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für ältere Menschen und de-
ren Familien einrichten, damit jeder Mensch möglichst lange ein selbststän-
diges und selbstbestimmtes Leben führen kann.120 Die Erreichung dieser
Ziele bedeutet viel Arbeit und beinhaltet einige Voraussetzungen bevor das
Konzept optimal umgesetzt werden kann.121 Die erste Voraussetzung ist die
frühzeitige Einbeziehung der Bürger in eine offene Kommunikation zwischen
ihnen, der Verwaltung und der Politik. Entscheidungen, die die Bürger direkt
betreffen, sollten nicht allein in politischen Gremien geklärt werden, sondern
unter Einbezug aller Betroffenen, denn nur so können neue und bessere Lö-
118 Stadt Arnsberg 2003: 21 119 Bertelsmann-Stiftung Demographiebericht 2007: 4 120 Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin/Polenz 2010: 1 121 Aussagen der Verfasserin
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sungsansätze entstehen. Außerdem werden Bürger neue Projekte, an deren
Entscheidungsfindung sie selbst beteiligt waren, besser akzeptieren und viel-
leicht sogar an ihrer Umsetzung mitwirken. Diese Teilnahme erreicht man
zum Beispiel durch Umfragen. Anfang der 90er Jahre gründete man den
„Seniorenbeirat der Stadt Arnsberg“, der die Interessen der älteren Men-
schen vertritt und viele Projekte auf der Grundlage des partizipatorischen
Ansatzes begleitet und entwickelt. Gleichzeitig wurden alle Arnsberger ab
dem 50sten Lebensjahr zu der Gestaltung ihres Lebens im Alter befragt. Die-
se Befragung führte zu einer öffentlichen, teilweise auch kritischen Diskussi-
on über die Auswirkungen des demographischen Wandels und trug dazu bei,
dass die Bürgergesellschaft sich ab diesem Zeitpunkt mit dem Thema inten-
siv in Form von Zeitungsberichten, Leserbriefen, Diskussionsrunden, Reden,
Vorträgen und Projekten befasste. Des Weiteren ergaben sich aus dieser
Befragung viele Erwartungen, die die Menschen an ihr Leben im Alter haben.
Beispielsweise möchten sie im Alter nicht alleine leben, bis zum Lebensende
für die Gesellschaft wichtig sein und „dazu gehören“. Sie wünschen sich
Respekt und Anerkennung, einen guten Umgang zwischen den Generatio-
nen und das ihnen ihre Offenheit und Neugier erhalten bleibt. Diese Erkennt-
nisse werden in regelmäßigen Abständen überprüft und für die Entwicklung
eines ganzheitlichen Konzepts verwendet. Da Menschen sich verändern,
entwickeln sich auch ihre Wünsche und Ideen weiter. Dies bedeutet, dass die
Kommune ihr Konzept immer wieder neu gestalten und anpassen muss. Eine
Weiterentwicklung erfolgt auch in diesem Jahr.
Ebenfalls ist ein Umdenken des Selbstverständnisses innerhalb der Verwal-
tung erforderlich. Arnsberg muss zur Bürgerkommune werden, das heißt,
wenn Arnsberg eine attraktive Stadt mit Zukunft sein möchte, muss sich die
Verwaltung darauf einlassen, die Interessen der Bürger mit einzubeziehen
und gemeinsam mit ihnen die Stadt zu gestalten. Um diese Ideen umsetzen
zu können, sollte jeder Einwohner die Möglichkeit haben, Probleme oder An-
regungen zeitnah mit dem zuständigen Verwaltungsmitarbeiter zu bespre-
chen. Alle Verwaltungsmitarbeiter von der Notwendigkeit des Umdenkens zu
überzeugen ist ein schwieriges Unterfangen, denn viele Menschen halten,
aus den verschiedensten Gründen, lieber an ihren Strukturen fest. Jedoch
stellte die Stadtverwaltung schnell fest, dass eine Weiterentwicklung des
__________________________________________________________ 54
Selbstverständnisses allein nicht ausreichend ist, um den Ansprüchen der
Bürger gerecht zu werden. Die Idee, einen Mitarbeiter aus einem bestimmten
Fachbereich mit den Auswirkungen des demographischen Wandels zu be-
auftragen, wurde abgelehnt. Stattdessen entschloss man sich dazu, die
„Fachstelle Zukunft Alter“ zu gründen und sie dem Bürgermeisteramt zuzu-
ordnen. Das heißt, dass die „Fachstelle Zukunft Alter“, die der „Zukunfts-
agentur“ angegliedert ist, aus der Fachbereichsstruktur herausgenommen
und den anderen Fachbereichen übergeordnet wurde. Daraus wird deutlich,
wie wichtig das Thema des demographischen Wandels ist. Ferner wird hier-
mit symbolisiert, dass die Gestaltung einer Stadt zu Zeiten des demographi-
schen Wandels niemals nur einen Fachbereich betrifft, sondern immer meh-
rere. Mit dieser übergeordneten Rolle hat die „Fachstelle Zukunft Alter“ die
Chance, auf die einzelnen Fachbereiche einzuwirken.122 Mit dieser Verwal-
tungsaufstellung ist Arnsberg ein Exot. Kaum eine andere Kommune hat ihre
Verwaltung auf diese Art und Weise aufgestellt, sondern wie üblich in Fach-
bereiche aufgeteilt, die sich ausschließlich mit ihrem Aufgabengebiet be-
schäftigen. Dabei ist es aufgrund des demographischen Wandels sehr wich-
tig zu kommunizieren, denn er betrifft jeden, egal ob Jung oder Alt.123
Ziel ist es, die Bürger zu aktivieren, das heißt, sie zu motivieren, ihre Ideen,
Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und zur Umsetzung dieser beizutragen.
Mit der Aktivierung der Bürger sollte auch das Mitspracherecht erweitert wer-
den, denn wer aktiv ist, möchte auch viele Entscheidungen selber treffen
oder zumindest an der Entscheidung beteiligt sein. Dieses Engagement
muss angeregt, unterstützt und entsprechend gewürdigt werden, denn die
Bewohner einer Stadt haben Ressourcen, über die eine politische Kommune
nicht verfügt. Die Verwaltung kann nur dazu beitragen, dass die Strukturen
offen für Kommunikation und für die Umsetzung guter Ideen sind und ver-
steht sich demnach immer mehr als Agentur der Bürgergesellschaft. Auf der
einen Seite gehört die Unterstützung der bürgerschaftlich engagierten Men-
schen zu ihren Aufgaben und auf der anderen Seite möchte sie Institutionen
dazu bewegen, sich für deren Engagement zu öffnen. Die kommunale Politik
aktiviert ihre Gesellschaft statt ihr zu dienen. Nur auf diese Weise kann die
122 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 167ff. 123 Gerwin in Newsletter „Erfahrung ist Zukunft“ 2009: 1
__________________________________________________________ 55
Stadt in Zeiten des demographischen Wandels gestaltet werden. Aufgrund
irreführender Altersbilder, grenzte die Gesellschaft besonders die älteren
Menschen aus und nahm dessen Potenziale nicht wahr.124 Diese irreführen-
den Altersbilder gilt es zu verändern bzw. zu korrigieren. Um realisieren zu
können, dass Alter nicht nur Verluste mit sich bringt, sondern auch sehr viele
Gewinne und neue Potenziale, bedarf es Projekten, in denen Jung und Alt
aufeinander treffen, um sich kennen und verstehen zu lernen. Nur wenn
Arnsberg dies gelingt, kann die Beziehung zwischen den Generationen wei-
ter verbessert und die gegenseitige Solidarität gesteigert werden. Ältere
Menschen haben viele Ressourcen, die der Gesellschaft zu Gute kommen;
vor allem haben sie Zeit und Lust etwas Neues zu lernen, ihre Erfahrungen
und ihr Wissen weiter zu geben und sich in der Wirtschaft und Gesellschaft
zum Wohle von Jung und Alt einzubringen. Dazu müssen jedoch die Struktu-
ren stimmen. Die Älteren wollen von Anfang an mit in Konzeptentwicklungen
einbezogen werden, denn sie möchten ihre Ideen einbringen und können
sich demzufolge besser mit ihrem Projekt identifizieren. Ebenfalls ist es wich-
tig, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, sie ernst zu nehmen und ihr Enga-
gement zu schätzen. Man sollte ihnen die Möglichkeit zur Qualifizierung und
Weiterbildung geben, so dass sie ihr Leben lang lernen können, wenn sie
dies möchten. Des Weiteren ist für die Engagierten ein regelmäßiger Aus-
tausch unverzichtbar.125 Dieser Austausch findet in Arnsberg in Form eines
freiwilligen wöchentlichen Projektgruppentreffens statt, das auch häufig als
Einstiegsmöglichkeit genutzt wird.126 Diese Voraussetzungen sollte die Ver-
waltung einer Kommune schaffen, denn sie braucht heute und in Zukunft
Menschen, die bereit sind sich für Kinder und Jugendliche einzusetzen, die
Familien aber auch Alleinerziehende unterstützen, die helfen ausländische
Menschen zu integrieren, die in den Beruf begleiten und die helfen Generati-
onen zu verbinden. Außerdem sind ältere Menschen, die Verantwortung
übernehmen und gebraucht werden, in der Gesellschaft integriert und wer-
den von ihr akzeptiert. Dieses Gefühl ist für sie sehr wichtig und nur so ge-
124 Gerwin u.a. in Kreuzer u.a. 2008: 198ff. 125 Gerwin/Vogel in Städte- und Gemeinderat 2006: 8ff. 126 Leider findet ein wöchentliches Treffen nur in der Engagiertengruppe „Patenschaft von
Mensch zu Mensch“ statt, die der Zukunftsagentur angegliedert ist. Ältere Menschen, die sich in einem anderen Zusammenhang engagieren haben diese Möglichkeit nicht.
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lingt es, aktiv am Leben teil zu nehmen und auch länger für sich selbst zu
sorgen.127
Dieses gesamtstrategische Konzept ist die Antwort auf die Herausforderung
des demographischen Wandels. Denn nur in einer Stadt, in der etwas für die
Bürger getan wird, fühlen sie sich wohl. Und in einer Stadt, in der man sich
wohl fühlt, will man weiterhin leben und sichert somit die Einwohnerzahlen
der Stadt. Der demographische Wandel bietet demnach auch Möglichkeiten
der Veränderung und ist nicht nur, wie häufig in den Medien dargestellt, eine
Gefahr für die Gesellschaft.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden einige Projekte aufgezeigt, in denen
sich die älteren Menschen engagieren. Zuvor möchte die Verfasserin die
„Fachstelle Zukunft Alter“ vorstellen, die auf der Grundlage des ganzheitli-
chen Partizipationsprinzips arbeitet und eine Anlaufstelle für Engagement im
Alter bietet.
3.3 Die „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt Arnsbe rg - An-laufstelle für Engagement im Alter
Die „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg ist dem Bürgermeisteramt
zugeordnet. Das heißt, dass sie der Fachbereichsstruktur übergeordnet ist
und somit die Grenzen der einzelnen Fachbereiche überbrücken kann und
soll.
Man könnte sagen, dass die „Fachstelle Zukunft Alter“ der Koordinator der
verschiedensten Angebote und Unterstützungssysteme für ältere Menschen
ist. Ihre Aufgabenschwerpunkte liegen darin, die Pflege und Versorgung von
hilfebedürftigen älteren Menschen zu organisieren und die Partizipation von
ihnen in der Gesellschaft zu fördern. Um beide Ziele gleichermaßen verfol-
gen zu können, muss man sich jedoch erst einmal bewusst machen, dass es
immer auch hilfebedürftige Menschen gibt, für die die Kommune eine Da-
seinsfürsorge hat, das heißt, dass sie dafür Sorge zu tragen hat, dass diese
Menschen mit ausreichenden Unterstützungsmöglichkeiten versorgt sind. Auf
der anderen Seite muss eine Kommune sehen, dass der größte Teil der Al-
127 Gerwin/Vogel in Städte- und Gemeinderat 2006: 8ff.
__________________________________________________________ 57
ten ohne Hilfe selbstständig im eigenen Haushalt lebt und so lange wie mög-
lich in die Gesellschaft integriert werden möchte. Für diese Menschen gab es
lange Zeit keine Angebote, da man Alter nur mit Hilfebedürftigkeit in Verbin-
dung gebracht hat. Mittlerweile weiß man in Arnsberg, dass auch diese Men-
schen Angebote und Unterstützung brauchen, nur eben auf eine andere Art
und Weise.128 Deshalb macht es sich die Koordinationsstelle zum Ziel, Kon-
zepte und Projekte zu entwickeln, die die Bilder vom Alter positiv verändern
und eine Solidarität zwischen den Generationen fördert.129 Für diese Projekte
muss die Stadt Arnsberg möglichst viele Menschen jeder Generation dazu
motivieren, sich zu engagieren. Dafür gibt es drei Kontaktstellen: Die
Engagementförderung Arnsberg, die Arnsberger Kontakt- und Informations-
stelle für Selbsthilfegruppen (AKIS) und die „Fachstelle Zukunft Alter“. Die
Engagementförderung Arnsberg entwickelt Angebote, in denen sich Men-
schen jeden Alters engagieren können, die Arnsberger Kontakt- und Informa-
tionsstelle für Selbsthilfegruppen unterstützt hauptsächlich die Arbeit, die in
Selbsthilfegruppen geleistet wird und die „Fachstelle Zukunft Alter“ ist die
Anlaufstelle für Engagement im Alter. Sie bezieht die jungen Alten, die bereit
sind, sich bürgerschaftlich zu engagieren, von Anfang an in die Entwicklung
neuer möglicher Projekte mit ein.130 Denn die Verfasserin ist der Meinung, je
mehr Ideen, Wünsche und Ängste in eine Projektentwicklung einfließen, des-
to mehr Menschen wird dieses Angebot ansprechen und erreichen. Eine lo-
gische Schlussfolgerung ist außerdem, dass Menschen, die ihr durchgeführ-
tes Projekt zuvor selber mit gestaltet haben, sich stärker damit identifizieren
können als Engagierte, die man damit beauftragt, ein bereits fertiges Konzept
durchzuführen. Ebenfalls hat die „Fachstelle Zukunft Alter“ die Aufgabe, den
von den älteren Freiwilligen vorgegebenen Zeitplan zu akzeptieren. Die meis-
ten Menschen möchten sich nicht auf Monate oder gar Jahre verbindlich auf
ein Engagement einlassen, so dass es gelegentlich vorkommt, dass ein An-
gebot pausiert, vor allem, wenn die Engagierten nicht genügend Anerken-
nung bekommen oder mit dem Projekt, in welcher Form auch immer, über-
fordert sind. Der persönliche positive Nutzen eines bürgerschaftlichen Enga-
gements, wie zum Beispiel Anerkennung, das Gefühl gebraucht zu werden,
128 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 169f. 129 Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin/Polenz 2010: 1 130 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 172
__________________________________________________________ 58
Austausch mit Gleichaltrigen, Zusammentreffen mit anderen Generationen,
Entwicklung neuer Freundschaften, Weiterbildung, Integration in die Gesell-
schaft ist mindestens genauso wichtig, wie der positive Nutzen, den die Ge-
sellschaft aus dem Engagement der Älteren zieht.131 Die „Fachstelle Zukunft
Alter“ vertritt die Ansicht, dass man die Ressourcen der älteren Menschen
nutzen muss, um die jüngeren Generationen, aber auch die Generation der
Hochbetagten zu unterstützen, denn in einer Gesellschaft des langen Lebens
kann eine Kommune es sich nicht mehr erlauben, die gesamte Verantwor-
tung auf die jüngere Generation zu übertragen. Ältere könnten zum Beispiel
bei der Pflege und Versorgung von hilfebedürftigen, älteren Menschen er-
gänzend tätig sein, in dem sie den pflegenden Angehörigen helfen und sie
ein Stück weit entlasten. Des Weiteren können sie sich bei der Konzeptent-
wicklung alternativer Wohnformen einbringen und anschließend mithelfen,
diese umzusetzen. Weiterhin besteht die Möglichkeit sich im „Seniorenbeirat
Arnsberg“ zu engagieren, der immer mehr die Arbeit der „Fachstelle Zukunft
Alter“ aktiv begleitet.132 Auch in jungen Familien werden aktive Alte zum Bei-
spiel in Form von Ersatzomas und Ersatzopas gebraucht, denn viele Kinder
haben berufstätige Eltern und ihre Großeltern nicht in der Nähe, so dass älte-
re Engagierte wunderbar die Kindererziehung und Versorgung unterstützen
können. Die Umsetzung dieser Ideen ist nur möglich, wenn eine große An-
zahl älterer Menschen sich dazu bereit erklärt, ein bürgerschaftliches Enga-
gement zu übernehmen und die Institutionen, Vereine, Verbände, Jugendein-
richtungen, Schulen etc. auch bereit sind, ihre Türen für bürgerschaftlich En-
gagierte zu öffnen.133
Damit freiwillig Tätige einen Raum haben, in dem sie über Erfolge, Misserfol-
ge und Erlebtes sprechen können, findet einmal die Woche ein Treffen statt,
welches nicht nur zum Austausch dient, sondern auch eine niederschwellige
Zugangsmöglichkeit für Interessierte bietet.134
Um einen näheren Einblick von der Arbeit der Freiwilligen zu bekommen und
darüber, wie die Umsetzung des ganzheitlichen Partizipationsprinzips kon-
kret aussieht, werden im folgenden Punkt einige Projekte, in denen sich älte-
131 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 172 132 Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin/Polenz 2010: 1f. 133 Wissen-Können-Handeln Generationen verbinden: 4f. 134 Polenz in Gottwald/Löwer 2009: 172
__________________________________________________________ 59
re Menschen für Kinder, Jugendliche und hilfebedürftige, ältere Menschen
engagieren, dargestellt.
3.3.1 Projekte und Konzepte in der Stadt Arnsberg
3.3.1.1 Seniorenbeirat
Der „Seniorenbeirat der Stadt Arnsberg“ wurde im Jahr 1990 gegründet, um
die Interessen der älteren Menschen parteiunabhängig gegenüber der Ver-
waltung, den Parteien, den Ratsfraktionen und anderen Akteuren zu vertre-
ten. Er ist in der Hauptsatzung der Stadt Arnsberg verankert, berät den
Stadtrat bei wichtigen Entscheidungen und wirkt somit aktiv bei der Stadt-
entwicklung mit. Seine Mitgliederzahlen weisen 19 Personen (sowie 13 Stell-
vertreter) auf und setzen sich aus mindestens jeweils einem Vertreter pro
Bezirk zusammen. Die Bezirke sind dabei in Arnsberg, Wennigloh, Neheim,
Hüsten, Mitte (Niedereimer, Bruchhausen, Breitenbruch), Ost (Oeventrop,
Rumbeck, Uentrop) und West (Holzen, Herdringen, Müschede, Voßwinkel,
Bachum) eingeteilt.
Mit ihrem Handeln verfolgen die Mitglieder des Seniorenbeirates das Ziel,
den Dialog zwischen den Generationen zu verbessern und eine lebenslange
politische und solidarische Partizipation auch von älteren Menschen in der
Gesellschaft zu sichern. Dabei sollten sie alle Phasen des Alters berücksich-
tigen, das heißt, sowohl die jungen Alten als auch die pflege- und hilfebedürf-
tigen Alten. Da sich die Aufgabenbereiche des Seniorenbeirats stark mit den
Aufgaben der „Fachstelle Zukunft Alter“ überschneiden, gibt es zwischen ih-
nen eine enge Zusammenarbeit, bei der beide Partner auf gleicher Augen-
höhe sind. Nur in Einzelfragen sollte der Seniorenbeirat nicht beraten, son-
dern auf die Angebote vor Ort verweisen oder Neue entwickeln und diese
umsetzen.
Seit diesem Jahr nehmen Vertreter des Seniorenbeirates an drei Fachaus-
schüssen der Stadt Arnsberg teil um ihre Erfahrungen als sachkundige Ein-
wohner einzubringen. Dies zeigt, dass die Kommune die Meinung der bür-
gerschaftlich Engagierten schätzt und auf sie angewiesen ist, wenn sie die
Qualität des Zusammenlebens in der Gemeinde verbessern will.135
135 Arbeit des Seniorenbeirats
__________________________________________________________ 60
Seniorenbeirat der Stadt Arnsberg; Foto: Uwe Künkenrenken
Um zu zeigen, wie eine Interessensvertretung der älteren Bürger, aber auch
der Versuch, die Generationensolidarität zu steigern, aussehen kann, wird an
dieser Stelle ein Beispiel genannt. Der Seniorenbeirat hat am Montag, den
03. Mai 2010 zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto „Jung & Alt - Wir
meistern die Zukunft“ eingeladen. Diese Veranstaltung diente dazu, die Di-
rektkandidaten von der CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und den
Linken kurz vor den Landtagswahlen zu befragen, welche Pläne und Ideen
sie haben, um die Renten zu sichern, die Solidarität zwischen den Generati-
onen zu verbessern und die steigende Hilfe- und Pflegebedürftigkeit zu ge-
währleisten. Kurz gesagt: Wie wollen die Politiker mit dem Ausmaß des de-
mographischen Wandels umgehen? Die circa 100 „Zuschauer“, von denen
lediglich fünf jüngere Bürger waren, hatten jederzeit die Chance, solche und
ähnliche Fragen an die Politiker zu stellen.
Alle Politiker waren sich einig, dass der demographische Wandel das Spit-
zenthema ist und dass es in Arnsberg sehr gute Projekte gibt, in denen sich
ältere Bürger engagieren und mit der jüngeren Generation zusammenarbei-
ten. Die Direktkandidaten waren sich darüber einig, dass noch mehr für die
Solidarität zwischen den Generationen getan werden muss. Bezüglich der
Umsetzung herrschte jedoch Unstimmigkeit, so dass gegen Ende der Veran-
staltung die zunächst zivilisierte Diskussion in einem hitzigen Wahlkampf en-
dete.
__________________________________________________________ 61
Ein Seniorenbeirat ist eine sinnvolle Organisation, denn als einzelner Mensch
wird man mit seinem Anliegen in der kommunalen Verwaltung nicht unbe-
dingt angehört. Eine Interessenvertretung, wie der Seniorenbeirat, der in der
Verwaltung bereits fest integriert ist, kann die Anliegen der älteren Bürger
besser anregen und durchsetzen. Wichtig wäre auch, einen Jugendbeirat zu
gründen, denn die Auswirkungen des demographischen Wandels betreffen
nicht nur die älteren Menschen, sondern auch die Jüngeren. Zwei Beiräte
wären eine Bereicherung, denn so würde jeder von den Interessen, Ängsten
und Wünschen des Anderen erfahren, was wiederum das Verständnis für die
andere Generation steigern könnte. Für ältere Menschen ist es beispielswei-
se interessanter zu wissen, ob sie im hohen Alter noch in ihrem Haus oder
Dorf bleiben können, ob sie nicht alleine leben und ob sie Teil der Gesell-
schaft bleiben. Jüngere Menschen fragen sich, ob sie einen Arbeitsplatz fin-
den, wie sie ihre Familie finanzieren sollen, wenn sie nur noch Zeitverträge
bekommen und sie nicht planen können, ob sie weiter beschäftigt werden
oder wer die Kinderbetreuung übernimmt, während sie arbeiten gehen müs-
sen. Diese Faktoren von Jung und Alt sollten in Zusammenarbeit beider Bei-
räte gleichermaßen berücksichtigt werden, denn nur, wenn man auch die
Jugend an kommunalen Entscheidungen teilnehmen lässt, zeigt sie Interesse
an der Politik und bringt ihre Meinung mit ein.136
3.3.1.2 Seniortrainer
Seniortrainer nennt man die Teilnehmer des Bundesmodells „Erfahrungswis-
sen für Initiativen“ (EFI). An diesem Projekt nehmen ältere Menschen teil, die
aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und über ein hohes Maß an
Qualifikation und Erfahrung verfügen, welches sie an die Gesellschaft wei-
tergeben möchten. Einmalig an diesem Projekt ist, dass man den Titel des
Seniortrainers erst nach Abschluss einer Weiterbildung im Bundesministeri-
um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend oder durch den Bürgermeister
erhält. Dies ist nicht die einzige Fortbildung im Laufe des Projekts, denn das
Bundesmodell „Erfahrungswissen für Initiativen“ hat den Anspruch, dass die
Arbeit der engagierten Senioren eine hohe Qualität und Professionalität auf-
weist, die ständig weiter entwickelt wird. Jedoch sollte der Seniortrainer auch
136 Die Verfasserin hat selber an dieser Veranstaltung teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
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Spaß an seiner Aufgabe haben und sich in seinem Kompetenzteam wohl
fühlen. Das Arnsberger Kompetenzteam trägt den Namen W.I.R., welcher
eine Zweideutigkeit verbirgt. Zum einen steht die Abkürzung für Wissen - Ini-
tiative - Rat, die die Potenziale der Senioren verdeutlichen soll. Zum anderen
stehen die Buchstaben für das „WIR“ und zeigen somit die gegenseitige Ver-
bundenheit und Unterstützung.
Die Seniortrainer führen sehr viele verschiedene Projekte durch, die an die
unterschiedlichsten Zielgruppen gerichtet sind. Dafür unterteilen sie ihre An-
gebote in Kategorien, wie zum Beispiel Kinder und Jugendliche, Generation
50+, Kultur, Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Öffentlichkeitsarbeit,
Kunst und Natur. Für Kinder und Jugendliche bieten die Seniortrainer bei-
spielsweise PC-Arbeit in der Grundschule, Hilfe für allein erziehende junge
Mütter, Bewerbungstraining für ausbildungs-/arbeitsplatzsuchende Jugendli-
che, Nachmittagsbetreuung an offenen Ganztagsschulen u.v.m. an. Der Ge-
neration 50+ werden Gedächtnistrainingskurse, ein Wohnberatungsservice,
ein Computerlerntreff, ein Beratungskurs für die Ernährung im Alter, Seelsor-
ge und weitere Projekte geboten. Zum Thema „Kultur“ gibt es ein Projekt, in
dem interessierte Menschen über Kultur diskutieren und gemeinsame Aus-
flüge ins Theater, Kino, Konzerte und in Museen erleben können. PC-Arbeit
mit Menschen nach einem Schlaganfall und die Beratung für Menschen mit
geringem Einkommen sind Beispiele für Projekte in der Kategorie „Menschen
mit besonderen Bedürfnissen“. Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet die Dokumen-
tation der einzelnen Projekte und die Verfassung der Artikel für die regionale
Zeitung. Experimentelles Malen gehört zu der Kategorie der Kunst und bein-
haltet kreatives Gestalten in gemeinsamer Atmosphäre. In die Kategorie „Na-
tur“ fällt das Projekt „Tag der offenen Gartenpforte“, welches an ausgewähl-
ten Tagen im Sommer stattfindet. Hierbei öffnen einige Bürger der Stadt
Arnsberg ihre Gärten für interessierte Naturliebhaber.
__________________________________________________________ 63
Abbildung 17: Erfahrungswissen für Initiativen. Broschüre „Zukunft braucht Erfahrung“. Titel-blatt So wundert es nicht, dass auch das Symbol der Seniortrainer in Arnsberg
aus der Natur ist. Es handelt sich dabei um einen Baum, der mitten auf einer
Wiese steht. Die Wurzeln und der Stamm des Baumes stehen für das Bun-
desmodell des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
__________________________________________________________ 64
gend, Erfahrungswissen für Initiativen und der Geschäftsstelle
Engagementförderung. Die Äste symbolisieren die aktiven Arnsberger Senio-
ren, die an diesem Projekt teilnehmen und die Blätter, die aus den Ästen
sprießen, stehen für die Vielfalt der abgeschlossenen, laufenden und der
noch kommenden Projekte (siehe Abbildung 17).
Leider ist zu erwähnen, dass das Modell „Erfahrungswissen für Initiativen“
lediglich bis zum Jahr 2006 lief. Die Qualifizierungsmaßnahmen werden seit-
dem von kommunalen Trägern übernommen, damit das Projekt in seiner ur-
sprünglichen Form weitergeführt werden kann.137
Die Beendigung dieses Projektes wäre eine Schande gewesen, denn die
Seniortrainer machen vielen Menschen eine Freude mit ihren Projekten. Au-
ßerdem helfen sie auch Bürgern in Notlagen und erreichen mit ihrer Arbeit
unterschiedliche Altersgruppen, da sie Angebote für Kinder und Jugendliche,
aber auch für ältere Menschen bieten. In Arnsberg sind die Seniorentrainer
ein fester Bestandteil der Gesellschaft und nicht so schnell zu ersetzen.
3.3.1.3 Schwarzlichttheater - Die kleine Raupe Nimmersatt
„Die kleine Raupe Nimmersatt“, so lautet der Name eines Gemeinschaftspro-
jekts zwischen einer städtischen Kindertagesstätte, der Projektgruppe „Pa-
tenschaften von Mensch zu Mensch“ (bürgerschaftlich engagierte Senioren)
und der „Fachstelle Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg. In diesem Projekt ar-
beiten die Teilnehmer daran, dass Jung und Alt gemeinsam das Stück „Die
kleine Raupe Nimmersatt“ von Eric Carle in Form eines Schwarzlichttheaters
inszenieren. Damit dies gelingt, müssen die rund 50 Schauspieler im Alter
zwischen 3 und 84 Jahren hart arbeiten, denn sie müssen nicht nur den Text
auswendig lernen - die Kleinen können noch nicht lesen - sondern auch die
Kostüme und Kulissen gemeinsam in Eigenleistung basteln (siehe Foto).
137 Stadt Arnsberg-Informationsbroschüre „Zukunft braucht Erfahrung“
__________________________________________________________ 65
„Die kleine Raupe Nimmersatt“; Foto: Uwe Künkenrenken
In dieser Zeit des Erprobens und Erarbeitens sind die verschiedenen Gene-
rationen in einen Dialog getreten, der dafür sorgt, dass sie sich einander nä-
hern. Auch die gemeinsame Freude während der Proben hat dazu beigetra-
gen. Für ihre Bemühungen bekamen Jung und Alt schließlich ihren verdien-
ten Lohn, nämlich den Applaus des Publikums. Die Zuschauer waren begeis-
tert von der Kreativität und dem Mut der rund 50 großen und kleinen Schau-
spieler.
__________________________________________________________ 66
„Die kleine Raupe Nimmersatt“; Foto: Bericht Marita Gerwin
Das Stück lief bereits zweimal vor ausverkauftem Haus (600 Zuschauer), so
dass man sich dazu entschloss „Die kleine Raupe Nimmersatt“ nochmals im
Oktober dieses Jahres aufzuführen.138
Wenn man in die strahlenden Gesichter auf den Fotos schaut, hat man be-
reits den Beweis dafür, dass die gemeinsame Aufführung eines Theater-
stücks für Jung und Alt eine wunderbare Idee ist. Für viele Kinder war das
gemeinsame Proben der erste enge Kontakt mit mehreren älteren Menschen
und bei den Senioren war der letzte Kontakt zu Kindern wahrscheinlich auch
schon länger her. Demnach ist dieses Projekt ein gutes Beispiel dafür, wie
man die Generationen, mit viel Freude, einander näher bringen kann.
3.3.1.4 Kegeln im Altenheim
Die Arnsberger Senioren der „Patenschaft von Mensch zu Mensch“ kommen
14-tägig in ein Altenheim, um mit den älteren Herrschaften zu kegeln. Auf
dieses Ereignis freuen sich viele Heimbewohner immer sehr, denn sie haben
dann eine Stunde lang eine sinnvolle Beschäftigung und kommen, wie sie
selbst sagen, ein bisschen in Bewegung.
138 Stadt Arnsberg–Die kleine Raupe Nimmersatt 2009
__________________________________________________________ 67
Bevor das Kegeln im Speiseraum stattfinden kann, müssen die Senioren die
Heimbewohner von den unterschiedlichen Stationen zusammen bringen.
Dies nimmt einige Zeit in Anspruch, da viele der älteren Menschen im Roll-
stuhl sitzen. Wer auf den Stationen zuerst gesehen wird, hat Glück, denn
häufig wollen so viele Heimbewohner mit kegeln, dass der Raum schnell voll
ist und die Engagierten keinen mehr hinzulassen können. Wenn alle Teil-
nehmer in einem Halbkreis sitzen, werden die Kegel aufgestellt. Der Erste
wird zum Stuhl begleitet und bekommt die Kugel (weicher Ball) in die Hand,
um die Kegel abzuräumen. Meistens spielen die Bewohner drei oder vier
Runden und jeder darf dreimal pro Runde werfen. Die Ergebnisse halten die
Senioren genau fest, um am Ende den Tagessieger bekannt geben zu kön-
nen. Wenn eine ältere Dame, die im Rollstuhl sitzt, an der Reihe ist, wird der
Stuhl zur Seite gestellt und der Rollstuhl an der Stelle positioniert (siehe Fo-
to).
Kegeln
__________________________________________________________ 68
Nach zwei Runden verteilt einer der freiwilligen Senioren Getränke an die
Teilnehmer und der Andere schreibt genau auf, wer, was und wie viel ge-
trunken und am Kegeln teilgenommen hat (siehe Foto). Diesen Zettel bringt
sie einer Pflegekraft im Heim, damit diese wissen, welcher Heimbewohner
abends noch besonders viel trinken sollte.
Getränkeausteilung
Nachdem das Kegeln beendet ist, lesen die Seniorinnen vor, wer an diesem
Tag, wie viele Kegel getroffen hat und loben sehr, was den Bewohnern viel
Freude macht.
__________________________________________________________ 69
Punktevergabe
Der Tagessieger erhält einen Pokal, der beim nächsten Kegeln wieder mit-
zubringen ist. Anschließend bringen die Seniorinnen die Heimbewohner wie-
der auf ihre Station und räumen den Speiseraum auf.
__________________________________________________________ 70
Pokalübergabe
In diesem Heim findet sehr wenig Austausch zwischen der Heimleitung oder
einer Pflegekraft mit den Seniorinnen statt. Sie schreiben zwar ihre Beobach-
tungen für das Pflegeteam auf, haben aber nicht die Möglichkeit ein gemein-
sames Gespräch zu führen. Außerdem bekommen sie wenig Unterstützung
und müssen sich ihre Gruppe zum Kegeln selber zusammen suchen und
holen.
Trotzdem macht es den Seniorinnen Spaß in dieses Heim zu kommen und
mit den älteren Herrschaften zu kegeln, denn wenn man sieht, wie die Be-
wohner sich freuen, gibt einem das sehr viel zurück. Dieses Projekt macht
allen Beteiligten große Freude und sollte deshalb auch beibehalten werden.
Eine demenzkranke Bewohnerin konnte sich beispielsweise beim Kegeln
doppelt freuen und rührte damit alle Anwesenden. Sie hat bei ihrem Wurf
„alle Neune“ getroffen und war völlig euphorisch, als sie dies verstand. Sie
freute sich noch bis sie auf ihrem Platz war, beobachtete dann aber zunächst
wie ein anderer Spieler warf. Dieser kam anschließend auf sie zu und sagte:
„Heh, du hast gewonnen, weil du gerade ´alle Neune´ getroffen hast“. Sie
schaute ihn nur fragend an und sagte: „Wie, ich hab ´alle Neune´ getroffen?“
__________________________________________________________ 71
und alle bestätigten ihr, dass sie das mit ihrem Wurf geschafft hatte. Darauf-
hin freute sie sich aufs Neue. An dieser kurzen Geschichte, lässt sich erken-
nen, wie wertvoll dieses Kegeln ist, denn man schafft es, anderen Menschen
eine Freude zu machen, die in ihrem Alltag mittlerweile weniger zu lachen
haben. Außerdem zeigt es, dass auch demenzkranke Menschen gegenüber
gesunden Menschen einige Vorteile haben, denn sie können sich viel realis-
tischer über dieselbe Sache zwei - oder auch dreimal freuen.139
3.3.1.5 Hausaufgabenhilfe/Lesepaten in der Grundschule
Einmal in der Woche kommen die Seniorinnen in die Grundschule und helfen
der Lehrerin der ersten Klasse bei der individuellen Förderung ihrer Schüler.
Dazu teilt die Lehrerin die Klasse in Gruppen auf. Ein Schüler, der besonders
intensive und individuelle Förderung braucht, geht mit einer Seniorin in einen
Einzelraum. Drei weitere Schüler verlassen den Raum mit einer anderen Se-
niorin. Die Lehrerin begleitet etwa die Hälfte der noch verbleibenden Schüler
in den Computerraum, der schon bei den Erstklässlern sehr beliebt ist. Die
andere Hälfte der Gruppe bleibt mit einer Seniorin im Klassenraum und löst
in Zweiergruppen oder in Einzelarbeit Aufgaben. Die Seniorin beaufsichtigt
und hilft ihnen in dieser Zeit. Nach einer dreiviertel Stunde gibt es eine
zehnminütige Pause, in der die Computergruppe mit der Gruppe im Klassen-
raum tauscht. Die Gruppe ist bei der Lösung ihrer Aufgaben sehr friedlich
und man erkennt durch reges Aufzeigen, die Akzeptanz der Engagierten.
Nachdem die eineinhalb Stunden in dieser Klasse vorbei sind, geht eine Se-
niorin in die zweite Klasse und hilft den Kindern zusammen mit der Lehrerin
eine Stunde bei den Hausaufgaben. Auch hier stellen die Kinder viele Fragen
an die Seniorin.
Im Anschluss daran übt sie mit zwei bis drei Kindern aus dieser Klasse das
Lesen. Es handelt sich dabei um Schüler, die aufgrund ihres Migrationshin-
tergrundes noch nicht so gut lesen können wie ihre Mitschüler. Diese Kinder
haben trotz ihrer Schwäche sehr viel Spaß am gemeinsamen Lesen mit der
älteren Dame, was sich dadurch erkennen lässt, dass sie sich sogar darüber
streiten, wer den nächsten Satz lesen darf. Auffälligkeiten, die die engagier-
139 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
__________________________________________________________ 72
ten Frauen an einem Tag bei einzelnen Kindern bemerkt haben, teilen sie
den Lehrern immer direkt mit. Dafür nimmt man sich an dieser Grundschule
immer genügend Zeit.
Auch wenn dieses Projekt für Außenstehende vielleicht nicht besonders
spannend klingen mag, ist es eine wichtige Aufgabe, die die Seniorinnen in
dieser Grundschule übernehmen. Die Klassen sind oft viel zu groß, so dass
es den Lehrern schwer fällt, sich um einzelne Kinder individuell zu kümmern.
Gerade im ersten Schuljahr ist der Redebedarf der Kinder hoch und bei 30
Kindern in einer Klasse hat jedes Kind in einer Schulstunde lediglich eine
Redezeit von etwa einer Minute. Das ist sehr wenig und lässt kaum Zeit auf
ein Kind mit Schwierigkeiten/Auffälligkeiten ausreichend einzugehen. Außer-
dem haben viele Eltern aufgrund ihrer Berufstätigkeit wenig Zeit mit ihren
Kindern Hausaufgaben zu machen oder das Lesen zu üben. Auch hier sind
die Engagierten eine große Unterstützung. Bei den Kindern mit Migrations-
hintergrund ist häufig nicht die mangelnde Zeit der Eltern ein Problem, son-
dern die Tatsache, dass die Eltern häufig selber zu wenig deutsch können,
um dies mit ihren Kindern zu üben.140
140 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
__________________________________________________________ 73
Hausaufgabenhilfe/Lesepaten; Foto: Uwe Künkenrenken
3.3.1.6 Biologie für kleine Leute
Biologie für kleine Leute, so heißt das Projekt, welches ein älterer Bürger
einmal in der Woche in einer Kindertagesstätte anbietet. Dieser Herr lebt in
demselben Dorf, in dem die Kindertagesstätte ihren Sitz hat und war früher
als Biologielehrer an einer Realschule tätig. Er züchtet Bienen, hält Hühner
und arbeitet viel in seinem Wald. Dieses Interesse möchte er den Kindern
weitergeben, damit diese spielerisch etwas über die Natur erfahren. Aber
auch dass die Kinder etwas lernen, ist ihm sehr wichtig, denn er fragt bei je-
dem Treffen ab, was sie letzte Woche gemacht und verstanden haben. Die
Veranstaltungen finden überwiegend im Freien statt, da die Kinder lieber
draußen sind, wo sie die „Materialien“ direkt sehen und anfassen können.
Des Weiteren bietet ein Ausflug zusätzliche Bewegungsmöglichkeiten für die
Kinder. Wenn das Wetter nicht mitspielt, findet das Treffen in der Kinderta-
gesstätte statt, denn auch hier gelingt dem ehemaligen Lehrer eine kindge-
rechte, spannende Unterrichtsstunde.
Beispielsweise ging der letzte Ausflug beim Zusammentreffen zwischen Jung
und Alt zum Ententeich. Als die Kinder die Enten und Gänse aufmerksam
beobachteten, fragte er die Kinder: „Wisst ihr denn, woran man bei Enten
__________________________________________________________ 74
und Gänsen das Männchen vom Weibchen unterscheiden kann? Schaut
euch mal genau den Schwanz vom Männchen an? Wie sieht der aus?“ Die
Kinder lernten, dass der Schwanz des Männchen nach oben gebogen ist und
der des Weibchen gerade.
Biologie für Kleine Leute; Foto: Uwe Künkenrenken
__________________________________________________________ 75
Außerdem hat der ehemalige Biologielehrer den Kindern ein Bienenhotel ge-
baut, welches sie immer sehen können, wenn sie draußen spielen (siehe
Foto).
Dieses Projekt bildet einen passenden Rahmen, in dem Kinder optimal spie-
lerisch lernen können und auch der ehemalige Lehrer hat weiterhin die Mög-
lichkeit, seine Fähigkeiten und Interessen sinnvoll zu nutzen.141
3.3.1.7 Tanzen im Altenheim
In einem Altenheim der Stadt Arnsberg findet einmal im Monat ein Tanz-
nachmittag mit den Heimbewohnern statt. Dazu kommen die bürgerschaftlich
Engagierten ins Heim und bereiten den Raum für das Tanzen vor. Das heißt,
dass sie die Tische an den Rand rücken, Getränke und kleinere Knabbereien
aufstellen. Einer der Senioren spielt auf einem Keyboard alte Lieder, zu de-
nen die Bewohner tanzen können. Die meisten Bewohner haben zwar Spaß
an diesem Nachmittag und sind auch immer dabei, trauen sich aber nicht,
alleine zu tanzen. Aus diesem Grund fordern die freiwillig Tätigen einen Be-
wohner auf und tanzen eine Weile mit ihm, bis sie den nächsten fragen. Mit
Menschen im Rollstuhl tanzen sie ebenfalls, indem sie den Rollstuhl im Takt
wild hin und her schieben. Dabei bewegt man den Rollstuhl natürlich nicht,
wie sonst üblich von hinten, sondern fasst von vorne an die Lehnen. Auch für
Ehepaare, die zusammen im Heim sind, ist es eine schöne Gelegenheit wie-
der einmal gemeinsam zu tanzen, wie sie es vielleicht früher getan haben.
Bewohner, die lediglich teilnehmen wollen um die Musik zu hören und mit zu
singen, sind ebenfalls willkommen.
141 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
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Tanzen im Altenheim; Foto: Uwe Künkenrenken
Die Freude und Dankbarkeit, die man an diesen Nachmittagen in den Ge-
sichtern der Heimbewohner sieht, belohnt einen für jede Mühe und hilft ei-
nem den Sinn der Veranstaltung zu begreifen, vor allem in einer Phase, in
der man selber einmal daran zweifelt.142
3.3.1.8 Kneipp-Aktionstag
Am Montag, den 17. Mai 2010 fand ein Kneipp-Aktionstag in einer Kinderta-
gesstätte in Arnsberg statt, der von der „Fachstelle Zukunft Alter“, dem
Kneipp-Verein Neheim-Hüsten und der Kindertagesstätte organisiert wurde.
Grundlage für diesen Aktionstag sind die Methoden von Pfarrer Sebastian
Kneipp, die Krankheiten heilen, Widerstandskräfte entfalten und Gesundheit
aufrechterhalten sollen.143 Um den Aktionstag für die Kinder, die Senioren
und die Eltern interessant und abwechslungsreich zu gestalten, gab es fünf
verschiedene Bereiche, die besucht werden konnten. Den Bereich Bewe-
gungsspiel, Rund um gesund, Traumwelt und Entspannung, Wasseranwen-
dungen und den Kräutergarten.
142 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
143 Kloster Arenberg - Sebastian Kneipp
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Für die Bewegungsspiele legten die Erzieherinnen ein großes, buntes, run-
des Tuch auf den Boden, um das sich Jung und Alt in einen Kreis stellten.
Jeder nahm das Tuch in seine Hand und lief erst links herum und anschlie-
ßend rechts herum. Dabei lief Musik. Als die Musik etwas schneller wurde,
warf eine der Erzieherinnen drei Bälle auf das Tuch und die Kinder und Seni-
oren mussten gemeinsam aufpassen, dass kein Ball verloren ging. In der
nächsten Übung setzte sich ein Kind in die Mitte, während die Kinder und
Senioren im Kreis liefen um das Kind in der Mitte einzuwickeln. Auf Kom-
mando zog jeder gleichzeitig an dem Tuch, so dass das Kind wieder befreit
wurde (siehe Foto).
Bewegungsspiele; Kneipp-Aktionstag
In dem Bereich „Rund um gesund“ konnte man sich mit Dinkelbrot mit Nüs-
sen, Körner-Dinkel-Brot, Kräuterbutter, Kräuterquark, Salate mit Kräutern,
Rhabarberkuchen, Apfelkuchen, Wohlfühltee, Pfefferminztee, Dinkelkaffee
u.v.m. verwöhnen lassen. Die benötigten Kräuter wurden aus dem eigenen
Kräutergarten genommen.
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Rund um Gesund; Kneipp-Aktionstag
Ein progressives Muskelentspannungstraining bot man im Bereich „Traum-
welt und Entspannung“ an. Dafür gingen die Kinder und Senioren in einen
abgedunkelten Raum, in dem Matten auf dem Boden lagen, auf denen sie es
sich richtig gemütlich machen konnten. Wenn alle Teilnehmer eine bequeme
Position gefunden, die Augen geschlossen hatten und zur Ruhe gekommen
waren, wurde eine CD abgespielt, die im Hintergrund für eine ruhige Musik
sorgte. Die Stimme auf der CD gab Anweisungen, wie welche Muskeln an-
gespannt und entspannt werden sollten. Zum Ende hörte man nur noch die
besinnliche Musik und jeder sollte sich so entspannen, wie es für ihn am bes-
ten ist. Bevor die Kinder und Senioren die Augen wieder öffnen durften, soll-
ten sie sich recken und strecken um sich wieder fit und wach zu fühlen.
Die Wasseranwendungen wurden von der ersten Vorsitzenden des Kneipp-
Vereins Neheim-Hüsten sowohl an den Füßen als auch an den Armen
durchgeführt. Dafür hatte sie jeweils zwei Schüsseln mit warmem und kaltem
Wasser aufgestellt. In den beiden Schüsseln mit warmem Wasser waren
Rosmarinenkräuter, da diese durch ihren angenehmen Duft zur Entspannung
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beitragen. Zuerst legte man seine Füße bzw. Arme für etwa zwei Minuten in
die Schüssel mit warmem Wasser. Danach ging man mit ihnen circa 20 Se-
kunden in das kalte und wieder in das warme Wasser. Zum Schluss noch
wenige Sekunden in das kalte Wasser und anschließend die Arme oder Bei-
ne von selbst trocknen lassen und dabei gut bewegen. Wichtig ist, die Arme
und Beine nicht mit dem Handtuch abzutrocknen, sondern durch abwech-
selndes Anspannen und Entspannen die Durchblutung anzuregen. Wenn die
Durchblutung funktioniert, kommt der Kreislauf schneller in Schwung und
unangenehme kalte Füße bleiben aus. Außerdem stärkt diese Anwendung
die Abwehrkräfte und lindert den Stress, was nicht nur für Erwachsene wich-
tig und gesund ist, sondern auch für die Kinder.
Wasseranwendungen; Kneipp-Aktionstag
Der Kräutergarten wurde von den Kindern des Kindergartens angelegt und
beinhaltet viele Kräuter, die für die Köstlichkeiten am Aktionstag genutzt wur-
den. Außerdem sammelten die Kinder im Laufe des Tages Gänseblumen-
köpfe, Löwenzahnblätter und Sauerampfer, die sie zu einem Salat vermeng-
ten und den Gästen anboten.
__________________________________________________________ 80
Der Kneipp-Aktionstag war ein Tag, an dem Jung und Alt gemeinsam lernen
und mit ihren eigenen Sinnen erfahren konnten, dass viele Kräuter zur Ent-
spannung, Stärkung und Heilung beitragen können. Weiterhin konnten sie
feststellen, dass Kräuter, Gänseblumenköpfe, Sauerampfer, Löwenzahnblät-
ter etc. gesund sind und gut schmecken. Kindern, Eltern und den älteren
Bürgern dieses mit auf den Weg zu geben, ist sehr wichtig, denn gesunde
Ernährung und der richtige Umgang mit Stresssituationen können einigen
Krankheiten vorbeugen. Ebenfalls war dieser Tag ein weiteres gelungenes
Beispiel, wie sich Jung und Alt auch in Zukunft näher kommen können.144
3.3.2 Projekte „Opaparazzi“ und „Opapaparty“
„Opaparazzi“ und „Opapaparty“ sind Projekte, die im Rahmen der Landesini-
tiative „Junge Bilder vom Alter“ entstanden sind.
Die Kreativwerkstatt der Landesinitiative wurde im Mai 2007 durch den ers-
ten Generationsminister Armin Laschet eröffnet und hat das Ziel, realistische
Altersbilder in der Gesellschaft zu stärken. Die Projekte haben die Aufgabe,
Jung und Alt mit künstlerischen Methoden in einen Dialog zu bringen und
klischeehafte Altersbilder aufzudecken. Dabei kann man die Differenziertheit
des Alters nutzen und die unterschiedlichsten Altersgruppen in sein Projekt
einbinden. Auch geschlechtsspezifische Zusammenhänge können themati-
siert werden. Dieser Entdeckungsreise stellten sich, seit dem Start im Mai
2007, 400 Schulen, Kindertageseinrichtungen und Kommunen.145
Das Projekt „Opaparazzi“ wurde bereits am ersten „Tag der Generationen“,
am 17. Oktober 2008, in der Kulturhauptstadt Essen vorgestellt. Am zweiten
„Tag der Generationen“, am 19. November dieses Jahres, folgt das Projekt
„Opapaparty“, welches momentan in seiner Erarbeitungsphase steckt.146
Beide Projekte sind eine Kooperation zwischen den Arnsberger Senioren,
der „Fachstelle Zukunft Alter“ und der jeweiligen schulischen Institution und
sind in die Philosophie des Gesamtkonzeptes der „Fachstelle Zukunft Alter“
144 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt.
145 Städte-Netzwerk NRW-Landesinitiative „Junge Bilder vom Alter“ 2010 146 Aussagen der Verfasserin
__________________________________________________________ 81
eingebunden, die den Dialog der Generation als größte Herausforderung des
demographischen Wandels sieht.147
Die Verfasserin stellt die Projekte an dieser Stelle dar, da sie sich von den
vorher beschriebenen Projekten in der Hinsicht unterscheiden, dass sie nicht
direkt von den bürgerschaftlich engagierten Senioren selber geleitet und
entwickelt werden, sondern von zwei Theaterwissenschaftlerinnen, die ihre
Konzepte gemeinsam mit den Senioren und Schülern erarbeiten. Trotzdem
sind sie erwähnenswert, da es sich um zwei einmalige Vorzeigeprojekte
handelt, in denen Jung und Alt ihrer Phantasie freien Lauf lassen können.
3.3.2.1 „Opaparazzi“
Das erste der beiden Projekte der Theaterwissenschaftlerinnen Karen Brandl
und Simone Wrede trägt den Titel „Opaparazzi“ und soll dazu beitragen,
dass ein Kontakt zwischen der jüngeren und der älteren Generation entsteht.
Ein Kontakt kann nur entstehen, wenn man sich über persönliche Gedanken,
Erfahrungen und Vorstellungen vom Leben, Tod, Glauben, von der Liebe und
vom Glück austauscht.148 Dieser Austausch fand zwischen den Schülern der
Jahrgangsstufe 13 eines Arnsberger Gymnasiums und den Senioren der
Stadt Arnsberg in Form von Interviews statt. Nach langer Vorbereitungszeit
für die Schüler, die sich teilweise sehr mutige Fragen für die Senioren über-
legt hatten, trafen die beiden ausgewählten Generationengruppen am 02.
April 2008 das erste Mal aufeinander. Die Jugendlichen stellten alle Fragen,
die sie schon immer von älteren Menschen beantwortet haben wollten, denn
so eine Gelegenheit hatten sie noch nie und werden sie so schnell auch nicht
wieder bekommen. Die Schüler haben zwar zum größten Teil ihre Großeltern
noch, sagten jedoch einstimmig, dass sie sich nie trauen würden, ihren eige-
nen Großeltern solche Fragen zu stellen. Sie wollten wissen, wie ältere Men-
schen flirten, ob sie noch Sex haben, ob sie Sport treiben, welche Ängste sie
haben, wie sie sich die Zukunft wünschen, wohin sie reisen, welche Meinung
sie über Jugendliche haben, welche Kommunikationsmedien sie nutzen
147 Stadt Arnsberg-Zukunftsagentur Landesinitiative NRW 2008: 1 148 Tag der Generation in Essen-Programmheft Opaparazzi 2008: 1f.
__________________________________________________________ 82
u.v.m. Über einige Antworten waren die Schüler sehr überrascht, was sich an
ihren Reaktionen erkennen ließ.149
Hierzu ein Gesprächsausschnitt:
„Sind Sie früher überhaupt verreist?“
„Als Jugendliche war ich für ein Jahr in Paris, das hat mich verändert und
geprägt. Dadurch bin ich ein freier Mensch geworden. Jetzt bin ich fast 70 -
und denke noch gern an diese Zeit zurück.“
„Wo waren Sie? In Paris? Ich dachte, Sie sind höchsten mal nach Holland,
Dänemark oder in die Berge zum Wandern gereist. Nach Paris? Ein ganzes
Jahr - wie wir heute in der Klasse 11? Als Austauschschülerin?“
„Ja so war das, ob ihr es glaubt oder nicht.“ (Tag der Generation in Essen-
Programmheft Opaparazzi 2008: 12)
Opaparazzi; Foto: Uwe Künkenrenken
An der Reaktion der Schülerin lässt sich deutlich erkennen, wie fassungslos
und ungläubig sie darüber ist, dass die älteren Menschen in ihrer Jugendzeit,
genauso wie die jüngeren Menschen in der heutigen Zeit, gereist sind und
149 Aussagen der Verfasserin
__________________________________________________________ 83
zwar in die Länder, die auch für die heutige Jugend attraktiv sind und nicht
nur „zum Wandern in die Berge“.
Insgesamt lässt sich aus den geführten Interviews erkennen, dass die älteren
Menschen nicht viel anders leben als die Jüngeren.150 Sofern sie noch fit
sind, gestalten sie ihren Alltag abwechslungsreich und treiben viel Sport. Ei-
nige der Senioren gehen auch ins Fitnessstudio um ihr körperliches Wohlbe-
finden zu steigern. Auch bei dem Thema Kommunikationstechnik sind die
Senioren auf dem neuesten Stand. Sie haben teilweise einen „iPod“ und hal-
ten über E-Mail Kontakt mit Freunden und Verwandten. Auch Lexika werden
nicht mehr genutzt. Stattdessen wird das gewünschte Wort einfach in die
Suchmaschine im Internet eingegeben.
Viele ältere Menschen genießen den Kontakt mit Jugendlichen und haben
sogar Angst davor, diesen zu verlieren. Das Vorurteil, dass ältere Menschen
häufig schlecht über die Jugendlichen von heute denken, lässt sich damit
ausräumen.151 Außerdem stellten sie fest, dass sie den Jugendlichen mehr
anvertraut haben, als sie ihrer eigenen Familie jemals erzählt haben und
dass die beiden Generationen sich ähnlicher sind als sie es für möglich ge-
halten haben.152
Im Herbst 2008 wurde das Projekt „Opaparazzi“ weitergeführt, jedoch mit
dem Unterschied, dass diesmal die Senioren die Jugendlichen interviewen
durften. Die Älteren fragten die jüngere Generation nach ihren Vorstellungen,
Perspektiven, Einstellungen, Ängsten, nach ihrer ersten Liebe u.v.m.
Das Projekt wurde bei dem ersten „Tag der Generationen“ am 17. Oktober
2008 im Grillo Theater Essen gleich dreimal vorgestellt, worüber sich Jung
und Alt sehr freuten.
3.3.2.2 „Opapaparty“
„Opapaparty“ nennt sich das zweite Projekt von Karen Brandl und Simone
Wrede, welches am 23. April 2010 startete und zum zweiten „Tag der Gene-
rationen“ am 19. November im Schauspielhaus Bochum vorgestellt und
durchgeführt wird. Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen den
150 Aussagen der Verfasserin 151 Tag der Generation in Essen-Programmheft Opaparazzi 2008: 3ff. 152 Arnsberger Rundschau 2008
__________________________________________________________ 84
Schülern der Jahrgangstufe 11 eines Berufskollegs, der „Fachstelle Zukunft
Alter“ und den Senioren der Stadt Arnsberg und befasst sich damit, wie die
verschiedenen Generationen feiern. Ziel ist es, eine neue Partyform zu ent-
wickeln, mit der Jung und Alt zusammen feiern können. Dies soll erreicht
werden, indem man typisch junge und alte Feiermerkmale mischt, aber auch
neu entdeckt, so dass am Ende eine Partyform erschaffen wird, die es so
noch nie gab.
Am ersten Tag des Projekts trafen die beiden Theaterwissenschaftlerinnen
zunächst auf die Schüler der Jahrgangstufe 11 und fragten sie nach ihren
Vorstellungen von einer richtigen Party. „Was darf auf einer Party auf keinen
Fall fehlen? Mit welchen Wünschen und Träumen gehe ich auf eine Party?
Und warum gehe ich überhaupt feiern?“ Dabei wurden auch alle Bereiche
thematisiert, die den Teilnehmern für eine Party wichtig sind, wie zum Bei-
spiel Musik, Tanz, Outfit, Licht, Ton, der Raum u.v.m.
Am Nachmittag, als die Schüler schulfrei hatten, stellten Simone Wrede und
Karen Brandl dieselben Fragen an die Senioren um auch sie in das Thema
„Party“ einzuführen.
Am zweiten Tag des Projekts begegneten sich die Schüler und die Senioren
zum ersten Mal. Die Schüler hatten diesen Moment vorbereitet und begrüß-
ten jeden Einzelnen mit Händedruck und einer Tasse Kaffee. Die Senioren
waren über das große Interesse der Schüler überrascht und freuten sich
sehr, dass sie so freundlich begrüßt wurden. Anschließend fand ein lockerer
Austausch über die am Vortag gesammelten, relevanten Merkmale einer
Party statt. Die Senioren berichteten darüber, wie sie früher und heute feiern
und die Schüler erzählten, welche Elemente für ihre Party wichtig sind. Die-
ser Austausch führte dazu, dass man eine Idee für die eigene, aber auch für
die Feierkultur des Anderen bekam. Vor allem entstand bereits an dieser
Stelle ein neuer Blick auf die Bilder des Alters. Abschließend wurde Musik
aufgelegt und die Schüler zeigten den Senioren spontan die Figuren, die sie
heute in der Diskothek tanzen. An dem Grinsen in den Gesichtern ließ sich
erkennen, dass die Senioren, trotz ungewohnter Bewegungen, großen Spaß
hatten und auch die Schüler hatten nicht mehr den Eindruck, dass alte Men-
schen langweilig und unbeweglich sind.
__________________________________________________________ 85
Überlegungen, an welchen Themenbereichen gearbeitet werden muss, damit
die Party mit Jung und Alt funktionieren kann, wurden am dritten Tag ge-
sammelt. Aus vielen Ideen wurden schließlich fünf Kategorien gebildet, die
für eine Party besonders wichtig sind. Die Klasse und die Senioren teilten
sich in Expertenteams zu den Themen Musik, Styling, Location, Tanz und
Video bzw. Foto auf und arbeiteten in Kleingruppen an ihrem Aufgabenbe-
reich. Zum Abschluss dieses Tages wurden die ersten Ergebnisse jeder
Gruppe präsentiert.
Am vierten Tag erläuterten Simone Wrede und Karen Brandl einige theoreti-
sche Grundlagen und gaben den einzelnen Gruppen eine genaue Aufgaben-
stellung bzw. Zielvorgabe. Die Tanzgruppe hatte die Aufgabe, junge und alte
Tanzstile zu mischen, aber auch daraus ganz neue Tanzelemente zu entwi-
ckeln. Eine Liste mit möglichen jungen und alten Liedern zu erstellen war die
Aufgabe der Musikgruppe. Aus dieser Auswahl an Liedern, sollten drei oder
vier Lieder ausgesucht und miteinander gemischt werden, so dass ein ganz
neuer Hit entstand, der sowohl junge als auch ältere Menschen anspricht.
Auch ein selbst gesprochener Satz, in dem der Titel „Opapaparty“ vorkommt,
könnte in den Hit mit einfließen. Auch die Styling Gruppe versuchte junge
und alte Elemente zu mischen, zum Beispiel eine Frisur aus den 50er Jahren
und das Make-up, wie junge Menschen es heute auf einer Party tragen wür-
den. Daraus wiederum sollte ein neuer Style entstehen, wie er von allen Al-
tersklassen getragen werden kann. Das Locationteam war für die Raumge-
staltung verantwortlich und konnte dabei mit jungen und alten Materialien
arbeiten. Beispielsweise wird der Raum mit antiken Stühlen, jedoch mit bun-
ten modernen Bildern geschmückt. Die Gruppe Video bzw. Foto konnte bei
diesem Treffen noch nicht arbeiten, da noch nicht feststeht, ob es im Schau-
spielhaus Bochum möglich ist, eine Leinwand zu stellen. Diese Gruppenmit-
glieder waren solange anderen Gruppen zugeordnet. Dieser Tag war für alle
Beteiligten sehr anstrengend und machte Einige sehr unzufrieden, da sie
lieber kreativ tätig sein wollten, statt den Theaterwissenschaftlerinnen zuzu-
hören. Am vorerst letzten Tag des Projektes arbeiteten die Schüler und Se-
nioren direkt in ihren Gruppen. Die Tanzgruppe erhielt dabei Unterstützung
von ihrer Sportlehrerin und die Musikgruppe von ihrer Musiklehrerin. Die
Stylinggruppe traf sich mit einer Klasse der Kosmetikerinnen und zeigte ih-
__________________________________________________________ 86
nen die mitgebrachten Stylingvorschläge aus gesammelten Zeitschriften. Die
Kosmetikerinnen entschieden schnell, welche Frisur und welches Make-up
zu welchem Gesicht passen würden und probierten es an ihren Modellen
aus. Dabei stellte sich heraus, dass einige der jungen Kosmetikerinnen Angst
hatten, die älteren Menschen zu stylen, weil sie sich schämen würden, wenn
den Älteren ihr neues Aussehen nicht gefallen würde. Die Klasse machte
sogar den Vorschlag, die Projektgruppe ins Schauspielhaus zu begleiten und
sie vor Ort zu stylen. Am Ende des Tages wurden die Ergebnisse der einzel-
nen Gruppen präsentiert, wobei Jung und Alt sehr viel gemeinsam gelacht
haben.
„Opapaparty“; Foto: Uwe Künkenrenken
Weitere Treffen finden nach den Sommerferien und im November statt, bevor
die gemeinsame Party von Jung und Alt schließlich zum Tag der Generatio-
nen am 19. November, nach der Vorstellung aller Projekte, im Schauspiel-
haus Bochum startet. Die Schüler und die Senioren aus Arnsberg möchten
möglichst alle Menschen, die am „Tag der Generationen“ teilnehmen, bei der
Feier von Jung und Alt begrüßen. Wie man die Menschen dazu bringen kann
an der Party aller Generationen teilzunehmen, überlegen sich die Schüler
und Senioren im weiteren Verlauf des Projektes.153
153 Die Verfasserin hat an dem Projekt selbst teilgenommen und keine schriftlichen Quellen genutzt. Leider sind die weiteren Termine und das Ende des Projektes erst nach Abga-
__________________________________________________________ 87
Die beiden Projekte „Opaparazzi“ und „Opapaparty“ sind sehr gute Beispiele
für generationsübergreifende Projekte. Die Jugendlichen und die älteren
Menschen haben die Chance eng miteinander zusammen zu arbeiten und
sich intensiv kennen zu lernen. Sie haben sich ausgetauscht und Dinge ge-
tan, die sie niemals mit ihren Familienmitgliedern besprochen oder gemacht
hätten. Dies führt zu einem gegenseitigen Verständnis und hat die Bilder in
den Köpfen der Jugendlichen über die älteren Menschen, aber auch die Bil-
der der Alten gegenüber den Jugendlichen positiv verändert. Es wäre sehr
wünschenswert, wenn mehrere Schulen solche Projekte in ihren Lehrplan
bzw. Unterricht integrieren würden.
Durch die Beschreibung einiger Projekte154 soll deutlich werden, dass in
Arnsberg eine Vielzahl unterschiedlichster Projekte laufen, die alle das Ziel
haben, Menschen zu helfen. Sei es den kranken, pflegebedürftigen Men-
schen im Altenheim, den Kindern im Kindergarten, den Grundschulkindern,
den Jugendlichen oder sogar den Engagierten selbst. Denn die Motive der
Engagierten, ein Projekt zu entwickeln oder daran teilzunehmen, sind vielfäl-
tig und nie ganz uneigennützig.
3.4 Motive von Engagierten - Exemplarische Gespräch e
In diesem Kapitel geht es um die Motive, die die Engagierten dazu veranlas-
sen, ein bürgerschaftliches Engagement zu übernehmen. Der Schwerpunkt
liegt dabei in der Motivation der Älteren. Aus diesem Grund führte die Ver-
fasserin mit drei älteren Engagierten und einem Mitarbeiter der „Fachstelle
Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg ein Experteninterview zum Thema „Motive“
durch. Diese Interviews dienen dazu, die Aussagen, die sich auf Fachliteratur
stützen, beispielhaft anzureichern.
be der Diplomarbeit, so dass das Projekt „Opapaparty“ nur bis zu diesem Zeitpunkt be-schrieben werden kann.
154 Dies ist nur eine kleine Auswahl an Projekten. Es gibt viele weitere, die aus Zeit- und Platzgründen nicht alle berücksichtigt werden können.
__________________________________________________________ 88
Um die Anonymität zu wahren, bezeichnete die Autorin die vier Interview-
partner als Experte A, B, C und D. Experte A ist Mitarbeiter der „Fachstelle
Zukunft Alter“ in Arnsberg, männlich, von Beruf Diplom-Geograph und 30
Jahre alt. Experte B engagiert sich freiwillig in den verschiedensten Projekten
für Jung und Alt, ist weiblich, ehemalige Personalsachbearbeiterin und 66
Jahre alt. Bürgerschaftlich engagiert ist auch Experte C, indem er Projekte
hauptsächlich in Bild und Ton begleitet. Er ist männlich, ehemaliger Einzel-
handelskaufmann im Bereich Radio- und Fernsehtechnik und 70 Jahre alt.
Experte D engagiert sich hauptsächlich für Kinder, ist ebenfalls männlich,
ehemaliger Mustergürtler155 und 81 Jahre alt (siehe Tabelle 6). Die Interviews
wurden mit einem Diktiergerät aufgezeichnet und anschließend in Schriftform
gebracht. Die Verfasserin bildete anschließend aus dem Interviewmaterial
die folgenden Kategorien: Tätigkeitsbereiche, Motive, Ziele und Wünsche,
Merkmale der Engagierten, Einsatz beruflicher Fähigkeiten, Werben/Wege
von bürgerschaftlich Engagierten, Zusammenarbeit zwischen Hauptamtli-
chen und bürgerschaftlich Engagierten, Abbruch eines bürgerschaftlichen
Engagements sowie Gefahren und Probleme und ordnete die jeweiligen
Kernaussagen aus den Interviews diesen Kategorien zu. Im Anschluss daran
paraphrasierte sie die Aussagen, um sie in diesem Kapitel verwenden zu
können.
Geschlecht Beruf Alter
Experte A männlich Dipl.-Geograph 30 Jahre
Experte B weiblich Personalsachbearbeiterin 66 Jahre
Experte C männlich Radio- und Fernsehtechni-ker
70 Jahre
Experte D männlich Mustergürtler 81 Jahre
Tabelle 6: Merkmale der Experten
Damit die Motive der älteren Freiwilligen beschrieben werden können, wer-
den zunächst die Begriffe „Motive“ und „Motivation“ von einander abgegrenzt.
155 Mustergürtler ist ein handwerklicher Beruf, der nur noch sehr selten ausgeübt wird.
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Auf die einzelnen Motivationsmodelle156 wird an dieser Stelle jedoch nicht
eingegangen, da die Darstellung dieser zu umfangreich wäre und dieses Ka-
pitel sich hauptsächlich auf die Ergebnisse des Freiwilligensurveys und der
Experteninterviews stützt.
Motivation lässt sich ebenfalls mit dem Begriff Verhaltenbereitschaft bezeich-
nen und beschreibt einen Zustand, der das Verhalten und Handeln zur Errei-
chung bestimmter Ziele beeinflusst. Grundlage für jede Motivation sind die
unterschiedlichsten Motive.157
Wenn man von den Motiven der bürgerschaftlich Engagierten spricht, geht es
immer um ein Motivbündel, denn niemand hat nur ein einziges Motivfreiwillig
tätig zu sein. Häufig bewegen den Bürger mehrere Motive aus den verschie-
denen Motivgruppen zum bürgerschaftlichen Engagement. Laut dem Modell
von Böhle gibt es fünf Motivgruppen, die Gründe beinhalten, sich zu engagie-
ren, nämlich die altruistischen, gemeinschaftsbezogenen, gestaltungsorien-
tierten, problemorientierten und die entwicklungsbezogenen Gründe. Unter
den altruistischen Gründen versteht man das Handeln für andere Menschen.
Die Bürger, die sich aus altruistischen Motiven engagieren, sehen ihr Enga-
gement als Pflicht gegenüber der Gesellschaft und haben das Ziel, zum Ge-
meinwohl beizutragen. In der Gesellschaft integriert zu sein und soziale Kon-
takte zu haben, wünschen sich die Engagierten, die aus gemeinschaftsbezo-
genen Motiven handeln. Gestaltungsorientierte Gründe geben diejenigen als
Motiv an, die die Gesellschaft aktiv mit gestalten wollen. Sie möchten nicht
nur ihre Meinung äußern, sondern bei der Umsetzung der Ideen beteiligt
sein. Auch eigene Probleme können ein Motiv für bürgerschaftliches Enga-
gement sein. Dieses Motiv überschneidet sich mit dem gemeinwohlorientier-
ten Engagement, denn die Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen
führt dazu, gesellschaftliche Missstände verbessern zu wollen. Die freiwilli-
gen Tätigkeiten können außerdem zur Selbstverwirklichung dienen, das
heißt, dass es sowohl um den Neuerwerb von Fähigkeiten, als auch um die
Erreichung spezieller Zielsetzungen geht.
156 Zum Beispiel die „Maslowsche Bedürfnispyramide“, das „Fünf-Grundmotivationen-Mo-dell“, das „Zwei-Faktoren-Modell“, das „Reiss-Modell“ und das Modell von Anheier und Toepler.
157 Sommer-Loeffen in Forum Seniorenarbeit NRW 2007: 57
__________________________________________________________ 90
Fakt ist, dass zunehmend selbstbezogene Motive, wie die Bereicherung der
Lebenserfahrung, der Fähigkeiten und der Wunsch nach Partizipation, aus-
schlaggebend für die Aufnahme eines bürgerschaftlichen Engagements sind.
Zwar geht es den meisten Engagierten auch weiterhin darum, etwas für das
Gemeinwohl zu tun, jedoch ohne sich auf Jahre für eine Aufgabe zu ver-
pflichten.158
Dies zeigen auch die Ergebnisse des zweiten Freiwilligensurveys und des
Engagementmonitors des dritten Freiwilligensurveys. 61 % der Befragten ab
14 Jahren möchten mit ihrem Engagement die Gesellschaft mit gestalten.159
Bei den älteren Bürgern (ab 60 Jahre) liegt diese Zahl sogar bei 70 %.160 Des
Weiteren ist den Engagierten sehr wichtig mit anderen Menschen zusam-
menzukommen, denn 61 % der Befragten stimmen dieser Aussage voll und
ganz zu.161 65 % der älteren Freiwilligen halten ein Zusammenkommen mit
anderen Menschen ebenfalls für wichtig.162
Auch Experten B und D üben ihre Tätigkeit aus, um Kontakt mit anderen
Menschen zu haben. Experte B ist dabei der Kontakt zu jungen sowie auch
zu alten Menschen wichtig. Experte D zieht Projekte mit Kindern vor, da er
mit ihnen gut handwerklich arbeiten kann.163 An diesen hohen Prozentzahlen
und durch die Experteninterviews lässt sich erkennen, dass der soziale As-
pekt bei einem bürgerschaftlichen Engagement nach wie vor der Wichtigste
ist. Der Erwerb von Qualifikationen und beruflichen Chancen und der
Wunsch nach Ansehen und Einfluss ist zwar existent, spielt aber gerade für
die Älteren nur eine Nebenrolle.164 Bei älteren Menschen sind jedoch außer-
dem Motive, wie Pflichterfüllung, Wertorientierungen und Politik vordergrün-
dig, während es jüngeren Menschen vorwiegend um ihre Selbstverwirkli-
chung geht.165 Das hohe Maß der Pflichterfüllung bei den älteren Engagier-
ten bestätigen auch Experten C und D. Experte C würde selbst eine Tätig-
158 Enquete-Kommission 2002: 51ff. 159 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement
2010: 24 160 Die Zahlen der Altersgruppe über 60 Jahre sind vom zweiten Freiwilligensurvey, da es
noch keine aktuelleren gibt; Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 288 161 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Monitor Engagement
2010: 24 162 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 288 163 siehe Kategorien der Interviews 164 Aussagen der Verfasserin 165 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 287
__________________________________________________________ 91
keit, die ihm keinen Spaß macht, aus Liebe zu den Hilfebedürftigen nicht ab-
brechen. Seine Projekte mit Kindern würde auch Experte D nicht beenden,
da er sich ihnen gegenüber verpflichtet fühlt. Wenn er sich jedoch in einem
Projekt ungerecht behandelt fühlt, geht für ihn sein eigenes Interesse der
Pflichterfüllung vor. Auch Experte A ist der Meinung, zuerst an die eigene
Zufriedenheit zu denken und nicht aus Pflichtgefühl ein Engagement weiter
auszuführen, das einem keine Freude bereitet.166 Ein weiteres Motiv für en-
gagierte Ältere ist ein großer Freundes- und Bekanntenkreis, denn je größer
dieser ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit sich bürgerschaftlich zu en-
gagieren, da die Anstöße häufiger sind.167 Auch die Experten B, C und D
würden an dieser Stelle den Ergebnissen des zweiten Freiwilligensurveys
zustimmen, denn alle drei sind der Meinung, dass ein großer Freundes- und
Bekanntenkreis zum Engagement motiviert, denn sie sind ebenfalls über
Freunde und/oder Bekannte zu ihrer Tätigkeit gekommen. Außerdem haben
auch sie bereits Freunde und/oder Bekannte dazu bewegt, selbst tätig zu
werden.168 Ein weiterer Grund sich zu engagieren, ist die Ausscheidung aus
dem Berufsleben. Viele Ältere suchen sich nach einer Zeit des Genießens
ohne Verpflichtungen eine freiwillige Tätigkeit.169 Dies bestätigen auch Ex-
perten B und C. Jedoch stand für den Experten B bereits vor der Aufgabe
des Berufes fest, dass sie sich für Andere engagieren wird. Sie hat sogar
während ihrer Arbeitszeit begonnen, ein solches Ehrenamt zu suchen. Bei
dem Experten C war es wie oben beschrieben. Er genoss vorerst seine freie
Zeit, bis er merkte, dass ihn das nicht ausfüllte und er eine freiwillige Tätig-
keit aufnahm.170 Auch der Verlust des Ehepartners führt häufig zur Aufnahme
eines Engagements,171 was durch die Aussage des Experten D bestätigt
wird.
Jeder, der sich bürgerschaftlich engagiert, hat, wie die Abbildung 18 zeigt,
bestimmte Erwartungen, die er an die ausgewählte Tätigkeit stellt. Die obers-
te Position nimmt dabei, in allen Altersklassen, der Spaß an der Tätigkeit
166 siehe Kategorien der Interviews 167 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 286 168 siehe Kategorien der Interviews 169 Forum Seniorenarbeit NRW: 8, 35, 59 170 siehe Kategorien der Interviews 171 Appel in Forum Seniorenarbeit NRW: 59
__________________________________________________________ 92
ein.172 Dies bestätigen auch Experten B und C.173 Ebenfalls sehr wichtig ist
der Gedanke, anderen Menschen zu helfen, mit ihnen zusammen zu kom-
men und zum Gemeinwohl beizutragen. Diese Punkte sind für ältere Enga-
gierte minimal wichtiger als für die jüngere Generation.174 Experten B und C
engagieren sich ebenfalls aus den Gründen mit anderen Menschen zusam-
men zu sein und etwas für sie zu tun.175 Wichtige Punkte sind für die Befrag-
ten des Freiwilligensurveys außerdem, dass man die eigenen Kenntnisse
und Erfahrungen einbringen und erweitern kann, mit Menschen anderer Ge-
nerationen zusammen kommt, eigene Verantwortung und Entscheidungs-
möglichkeiten hat, Anerkennung für seine Tätigkeit bekommt und seine eige-
nen Interessen vertreten kann.
Abbildung 18: Erwartungen an die Tätigkeit. Gensicke u.a. 2006: 289
Diesen Aussagen stimmen alle Altersklassen zu, allerdings ist der Anteil der
jüngeren Freiwilligen dabei minimal höher.176 Experten B, C und D bestätigen
das Ergebnis, dass es den Engagierten wichtig ist, ihre Kenntnisse und Er-
fahrungen weiterzugeben und zu erweitern, denn die Experten B und C wün-
schen sich, dass sie in ihrem Engagement Fortbildungen ermöglicht bekom-
172 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 289 173 siehe Kategorien der Interviews 174 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 289 175 siehe Kategorien der Interviews 176 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 289
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men. Dem Experten C ist es aber auch wichtig, dass er seine beruflichen
Fähigkeiten einsetzen kann. Experte D stimmt ihm an dieser Stelle zu. Dass
man mit anderen Generationen zusammen kommt, ist den Experten B und D
wichtig, denn Experte B möchte sowohl mit jüngeren als auch mit älteren
Menschen in Kontakt stehen. Experte D zieht den Kontakt mit der jüngeren
Generation vor.177 In diesem Fall ist Experte D (81 Jahre) eine Ausnahme in
seiner Altersklasse, denn die Engagierten im Alter ab 70 Jahren sind haupt-
sächlich für ältere Menschen und nur in Einzelfällen für Kinder tätig.178 Exper-
te C erwartet von seiner freiwilligen Tätigkeit, dass die Hauptberuflichen ihm
Anerkennung und ein ausreichendes Feedback bezüglich seiner Arbeit ge-
ben. Auch Experte A weist daraufhin, dass die Hauptamtlichen die Engagier-
ten anerkennen, wertschätzen, respektieren und ihnen eine Rückmeldung zu
ihrer Arbeit geben sollen. Die Experten sind sich darüber einig, dass der ge-
genseitige Respekt zwischen Engagierten und Hauptamtlichen nicht immer
gegeben ist und dass sie sich teilweise mehr Unterstützung und Anerken-
nung von Seiten der Hauptamtlichen wünschen.179 Die Zusammenarbeit zwi-
schen den Hauptamtlichen und den Engagierten zu verbessern, ist Aufgabe
der Sozialarbeit. Die Möglichkeiten, die die Sozialarbeit dafür hat, werden in
dem letzten Kapitel dieser Arbeit aufgezeigt.
Auch die Stadt Arnsberg ist vom demographischen Wandel und seinen Fol-
gen betroffen. Da die Auswirkungen nicht verhindert werden können, macht
es sich Arnsberg zur Aufgabe, die positiven Aspekte des demographischen
Wandels, vor allem die Ressourcen des Alters, zu nutzen. Um die Potenziale
der älteren Bürger einsetzen zu können, muss sich das Denken in einer
kommunalen Stadtverwaltung ändern, denn der demographische Wandel ist
ein sehr wichtiges Thema, womit sich nicht nur ein Fachbereich beschäftigen
kann. Die Folgen wirken sich auf jeden Bereich einer Stadtverwaltung aus,
so dass es einen Fachbereich geben sollte, der über den Anderen steht, um
mit allen Anderen besser kooperieren zu können. Außerdem müssen die äl-
teren Bürger in Form von eigenen Projekten mehr in die Gesellschaft einbe-
177 siehe Kategorien der Interviews 178 Gensicke in Gensecke u.a. 2006: 292f. 179 siehe Kategorien der Interviews
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zogen werden, was in Arnsberg bereits gut funktioniert. Die steigende Zahl
von bürgerschaftlich Engagierten erhöht jedoch bei den Hauptamtlichen die
Angst, nicht mehr gebraucht zu werden und die Arbeitsstelle zu verlieren.
Auch Auszubildende oder Studierende können Zweifel an ihrer Professionali-
tät bekommen, wenn sie das Gefühl haben, dass freiwillig Tätige für dieselbe
Arbeit eingesetzt werden. Diese eventuellen Gefahren und Probleme des
bürgerschaftlichen Engagements werden im nächsten Kapitel diskutiert.
__________________________________________________________ 95
4 Bürgerschaftliches Engagement und/oder profes-sionelle Sozialarbeit
In diesem Kapitel geht es um die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen
und bürgerschaftlich Engagierten und um die Gefahren und Probleme, die
ein bürgerschaftliches Engagement zur Folge haben können. Die Expertenin-
terviews finden an dieser Stelle ebenfalls Verwendung.
Der Experte C ist der Meinung, dass einige Einrichtungen auf bürgerschaft-
lich Engagierte verzichten, weil die Mitarbeiter Angst haben, durch diese er-
setzt zu werden.180 Es gibt in der Tat Situationen, in denen eine freiwillige
Tätigkeit zuvor als bezahlte Arbeit geleistet wurde, Überlegungen ob und
welche Arbeitsstellen jedoch entstanden wären, wenn es keine freiwilligen
Tätigkeiten gäbe, sind Spekulationen. Fakt ist, dass bürgerschaftliches En-
gagement, nach Auffassung der Autorin, lediglich unterstützend und ergän-
zend sein kann und kein Teil einer bewussten Strategie des Arbeitgebers
werden darf, indem er Stellen streicht und sich vorher nach Engagierten um-
sieht, die diese Aufgaben übernehmen könnten.181 In diesem Zusammen-
hang kommt es, laut Meinung der Verfasserin, bei den Hauptamtlichen häufig
zu Konkurrenzgedanken. Dieses Konkurrenzdenken wirkt sich negativ auf
die Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und bürgerschaftlich Enga-
gierten aus.182
Ferner müssen sich die Einrichtungen bewusst machen, dass es bürger-
schaftliches Engagement nicht umsonst gibt, sondern es Qualifizierung und
Investition benötigt. Die Hauptamtlichen müssen sich, neben ihrer normalen
Arbeit, auch um die Unterstützung der Freiwilligen kümmern. Dies führt häu-
fig zu Schwierigkeiten, denn Fragen und Probleme kommen meist zu unpas-
senden Zeiten für die Mitarbeiter auf. Außerdem kommt die Mehrheit der En-
gagierten aus anderen beruflichen Zusammenhängen, hat jedoch hohe An-
sprüche an eine selbstständige Aufgabenerfüllung, welches das Anleiten die-
180 siehe Kategorien der Interviews 181 Evers in Forum Seniorenarbeit NRW: 29 182 Polenz in Forum Seniorenarbeit NRW: 42
__________________________________________________________ 96
ser Gruppe nicht einfach macht. Die zusätzliche Belastung der Hauptamtli-
chen ist demnach sehr hoch und der Gewinn nicht unmittelbar zu sehen.183
Die Überlastung der Hauptamtlichen könnte auch ein Indiz für die mangelnde
Beachtung der Engagierten sein, die Experte C in einigen Einrichtungen be-
obachtet. Er erklärt, dass es Einrichtungen gibt, die nicht mit den freiwillig
Tätigen kommunizieren. Dort gibt es keine Rückmeldung über die geleistete
Arbeit und auch sonst werden sie nicht beachtet. Auch Experte D kritisiert die
Zusammenarbeit zwischen Hauptamtlichen und bürgerschaftlich Engagier-
ten, denn sie beziehen ihn in die Projekte, die er durchführen soll, nicht von
Anfang an mit ein, obwohl er sein Wissen und seine Erfahrungen gerne ein-
bringen würde. Des Weiteren bemängelt er, in speziellen Situationen, zum
Beispiel im Umgang mit emotional schwachen Kindern, nicht ausreichend
vorbereitet zu sein, da er in dieser Hinsicht keine Unterstützung von den
Hauptamtlichen erfährt. Auch Kritik nehmen sie, laut Experte D nicht an,
sondern in ihrem alten Muster verbleiben.184 Da die Verbesserungsvorschlä-
ge der Befragten des dritten Freiwilligensurveys im Jahr 2009 jedoch insge-
samt zurückgegangen sind,185 lässt dies auf eine Verbesserung der Zusam-
menarbeit zwischen Hauptamtlichen und Engagierten in den letzten zehn
Jahren schließen. Um die Zusammenarbeit weiter zu verbessern, gibt es
dennoch viel zu tun.
Die sozialen Einrichtungen, die Hauptamtlichen und die bürgerschaftlich En-
gagierten haben unterschiedliche Bedürfnisse, Vorstellungen und Anliegen,
wenn sie aufeinander treffen. Da die Wenigsten eine Tätigkeit nur aus reiner
Nächstenliebe übernehmen, müssen sich die Hauptamtlichen darauf einstel-
len, dass die Engagierten ihre eigenen Ideen umsetzen und ihre Aufgaben
zum größten Teil selbstständig durchführen möchten. Die Einrichtung und
ihre Mitarbeiter haben eventuell andere Vorstellungen, in welchen Aufgaben-
bereichen sie die Freiwilligen einsetzen wollen, so dass es häufig zu Proble-
men in der Zusammenarbeit kommt. Um diese Missverständnisse zu verhin-
dern oder bearbeiten zu können, ist ein regelmäßiger Austausch von Nöten.
183 Karl u.a. 2008: 16ff. 184 siehe Kategorien der Interviews 185 Monitor Engagement 2010: 42
__________________________________________________________ 97
Diesen Austausch zu begleiten oder zu unterstützen, wenn es Schwierigkei-
ten gibt, ist Aufgabe der Sozialarbeit. In erster Linie sollten dies die Sozialar-
beiter der Einrichtung klären. Wenn die Einrichtungen niemanden haben, der
dies übernehmen kann oder aus anderen Gründen ein Außenstehender be-
nötigt wird, besteht auch die Möglichkeit einen Sozialarbeiter der „Fachstelle
Zukunft Alter“ der Stadt Arnsberg zu beauftragen, zwischen den Parteien zu
vermitteln. Welche weiteren Möglichkeiten die Sozialarbeit hat, die Zusam-
menarbeit zwischen Hauptamtlichen und den Engagierten zu verbessern,
wird in Kapitel fünf dargestellt.
__________________________________________________________ 98
5 Ausblick für die Sozialarbeit
In diesem Kapitel wird beschrieben, welche Kriterien einen guten Umgang
zwischen Hauptamtlichen (eventuell Sozialarbeitern) und Engagierten er-
möglichen können, damit die Zusammenarbeit zwischen ihnen gut funktio-
niert und für beide Seiten zufrieden stellend ist. Wenn es trotz der Regeln
Schwierigkeiten im Umgang gibt, könnte die Sozialarbeit von außen Einfluss
auf die Zusammenarbeit zwischen den Hauptamtlichen und den Engagierten
nehmen. Außerdem sollte sich die Sozialarbeit überlegen, wie sie dafür
sorgt, dass die Freiwilligen ihr bürgerschaftliches Engagement nicht abbre-
chen und wie sie noch mehr Menschen motivieren kann, eine ehrenamtliche
Tätigkeit zu übernehmen.
Die Ressourcen der älteren Bürger müssen als unverzichtbar akzeptiert wer-
den, bevor man sie für ein Engagement anspricht. Denn nur, wenn sie dem-
entsprechend behandelt werden, merken sie, dass ihr Alter auch Vorteile hat,
was die Bereitschaft zur Übernahme einer freiwilligen Tätigkeit erhöht.186
Dieser Aussage stimmt Experte A zu, denn er ist der Meinung, dass man den
Bürgern die Auswirkungen des demographischen Wandels in Form einer Of-
fensive bewusst machen muss und dabei ihre Fähigkeiten in den Mittelpunkt
stellen sollte, da sich auf diese Weise die Grundbereitschaft zum Engage-
ment verbessert. Die Verfasserin ist derselben Meinung.
Wenn ein Bürger sich schließlich zu der Übernahme eines bürgerschaftlichen
Engagements bereit erklärt, sollte vor Projektbeginn geklärt werden, welche
Vorstellungen, Wünsche und Bedingungen der Engagierte, aber auch die
Einrichtungen haben. Dies entspricht auch der Aussage des Experten A.
Außerdem legen engagierte Bürger hohen Wert auf persönliche Kontakte
und Kooperationspartner, die sie jederzeit unbürokratisch ansprechen kön-
nen, wenn es Probleme gibt oder sie Fragen stellen möchten. Sie wollen zum
Beispiel wissen, ob ihre Arbeit erfolgreich ist oder ob Verbesserungen sinn-
voll wären.187 Weiterhin ist die Verfasserin der Meinung, dass die Hauptamt-
lichen den Engagierten zuhören sollten um ihre Interessen herauszufinden,
186 Kruse/Wahl 2010: 388 187 Zippel/Kraus 2009: 211ff.
__________________________________________________________ 99
damit sie sie in entsprechenden Projekten einsetzen können. Denn nur wer
Freude an seiner Tätigkeit hat, ist bereit sich weiter zu engagieren. Beson-
ders wichtig ist dabei der Beginn des Engagements. In dieser Zeit müssen
häufiger Rücksprachen gehalten und die Freiwilligen in ihre Aufgaben einge-
führt werden. Die Förderung von bürgerschaftlich Engagierten ist jedoch eine
dauerhafte Aufgabe, denn sie möchten Verantwortung übernehmen, neue
Erfahrungen machen und ihr Wissen erweitern.188 Dies ist auch für Experte B
besonders wichtig, denn er hat den Wunsch, im Rahmen seines bürger-
schaftlichen Engagements an Weiterbildungen teilnehmen zu können, damit
er sein Leben lang lernt und weiß, wie er in bestimmten Situationen agieren
kann.189
Außerdem sollte man versuchen, die Vorschläge und Anliegen, die die En-
gagierten haben, umzusetzen, da es ansonsten passieren könnte, dass die-
se Bürger ihre Aufgabe abbrechen.190 Diese Meinung vertritt auch die Ver-
fasserin. Die Experten B und D weisen jedoch daraufhin, dass sie trotz „nicht
umsetzen“ ihrer Kritik, ihr Engagement aus Liebe zu den Hilfebedürftigen
nicht beenden würden. Man muss ebenfalls bedenken, dass die Einrichtun-
gen keine bürgerschaftlich Engagierten aufnehmen würden, wenn sie keinen
eigenen Nutzen daraus ziehen könnten. Aus diesem Grund muss die Einrich-
tung darauf achten, dass ihre Mitarbeiter die Unterstützung der Engagierten
leisten kann und die Ziele der Einrichtung verfolgen, um ihre Existenz zu si-
chern.191 Allerdings muss sie ihre Rahmenbedingungen zum Teil an die Be-
dürfnisse der Freiwilligen anpassen, damit eine Balance zwischen den Be-
dürfnissen der Hauptamtlichen bzw. der Einrichtung und den bürgerschaftlich
Engagierten entsteht. Damit man ausreichend von den Bedürfnissen des An-
deren erfährt, sollte die Einrichtung einige Engagierte zu ihren Teamsitzun-
gen einladen und wechselnde Hauptamtliche an den Treffen der freiwillig
Tätigen teilnehmen.192
Bürgerschaftlich Engagierte wollen Unterstützung von den Hauptamtlichen
und eine regelmäßige Anerkennung für ihre Dienste. Anerkennung kann ein
Mensch nur erfahren, wenn seine Leistungen und Meinungen ernst genom-
188 Zippel/Kraus 2009: 211ff. 189 siehe Kategorien der Interviews 190 Enquete-Kommission 2002: 45 191 Karl u.a. 2008: 16f. 192 Appel in Forum Seniorenarbeit NRW: 59ff.
__________________________________________________________ 100
men werden.193 Ihre Anerkennung kann eine Einrichtung auf unterschiedliche
Weise zeigen. Entweder über emotionale Zuwendung in der zwischen-
menschlichen Beziehung, über öffentliche und soziale Wertschätzung, zum
Beispiel durch „Dankeschön-Veranstaltungen“, Ehrungen oder andere Aus-
zeichnungen oder durch die Zuerkennung von Rechten, das heißt, durch die
Möglichkeit der Mitentscheidung.194 Die Mitbestimmung und die Übernahme
von Verantwortung ist sehr wichtig, denn sie beugen einer Ausgrenzung und
demnach einen Abbruch des Engagements vor.195 Ebenfalls gehören Infor-
mations- und Betreuungsangebote zum Beispiel in Seniorenbüros, die Quali-
fizierung und Begleitung, der Versicherungsschutz und der Ausgleich von
Aufwendungen dazu.196 Das Einhalten von Verbindlichkeiten ist eine Regel
an die sich die Engagierten, aber auch die Kooperationspartner halten müs-
sen, denn nur so kann Anerkennung und Respekt vermittelt werden.
Die Sozialarbeit sollte zusätzlich beachten, dass es für die Freiwilligen be-
sonders wichtig ist, gemeinschaftlich tätig zu sein und die Aufgabe befristen
zu können, denn langfristige Verantwortung schreckt einige Bürger ab, ein
Engagement anzunehmen. Aus diesen Gründen muss die Sozialarbeit An-
gebote schaffen, die sich den Bedürfnissen und Motiven der Engagierten
anpassen und die gegebenenfalls zeitlich befristet sind, damit sie im Erfolgs-
fall verlängert werden können.197 Neben der zeitlichen Befristung sollten die
Engagementzeiten relativ flexibel gestaltet sein. Dabei sei zu beachten, dass
ältere Bürger ihre Tätigkeiten bevorzugt in der Woche ausüben und zwar
vormittags und nachmittags, aber nicht vor 10 Uhr morgens. Des Weiteren ist
die Bereitschaft zum Engagement von saisonalen Einflüssen, wie frühe Dun-
kelheit im Herbst und Winter, abhängig.198
Ebenfalls ist darauf zu achten, dass die Engagierten keine günstigen Ersatz-
kräfte für Hauptberufliche sind und das Verhältnis zwischen ihnen klar gere-
gelt ist.199 Die Einrichtungen dürfen nicht erwarten, dass die bürgerschaftlich
193 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland 2005: 344
194 Sommer-Loeffen in Forum Seniorenarbeit NRW: 63 195 Scholl in Forum Seniorenarbeit NRW: 77 196 NDV 2007: 484 197 Zippel/Kraus 2009: 211ff. 198 Meyer 2008: 35ff. 199 Rüßler 2008: 13
__________________________________________________________ 101
Engagierten hoch qualifizierte Arbeit ohne Bezahlung leisten, denn für solche
Tätigkeiten muss man entsprechend entlohnt werden.200
Die Sozialarbeit sollte sich bewusst machen, dass sich die Bedürfnisse und
Vorstellungen von Männern und Frauen nach wie vor unterscheiden. Wäh-
rend Frauen sich meist lieber weiterbilden und etwas Neues lernen, möchten
viele Männer lieber erworbene Kompetenzen aus ihrem Berufsleben weiter-
geben.201
Auffällig ist, dass sozialschwache Familien, die aufgrund ihrer schlechten
Bildung und ihrem geringen Einkommen benachteiligt sind, nur sehr schwach
oder gar nicht im bürgerschaftlichen Engagement vertreten sind.202 Die Sozi-
alarbeit sollte sich zur Aufgabe machen, dieses Phänomen zu durchbrechen,
zum Beispiel indem sie gezielt diese Familien anspricht und ihnen ein Enga-
gement anbietet, welches sie interessiert, wo sie beispielsweise ihre Kinder
mitnehmen können, was in der Nähe ist und wo keine Kosten entstehen.
Bürger mit einem Migrationshintergrund könnten sich in Projekten engagie-
ren, in denen viele Teilnehmer ebenfalls einen Migrationshintergrund haben,
denn diese Beziehung ist meist intensiver, da sie sich und ihre Kultur besser
verstanden fühlen.
Eine weitere Aufgabe der Sozialarbeit wäre die Entwicklung von weiteren
generationsübergreifenden Projekten, denn 91 % der Gesellschaft ist der
Meinung, dass solche Projekte die Beziehung zwischen Jung und Alt fördern.
Die Mehrheit der Befragten gibt dem Verhältnis zwischen den Generationen
die Schulnote „befriedigend“. Dies ist kein erschreckendes Ergebnis, es ist
jedoch durchaus verbesserungswürdig.203
Wenn die in diesem Kapitel aufgeführten Erfolgskriterien nicht eingehalten
werden, kann es schnell zum Abbruch eines Engagements kommen. Selbst-
verständlich könnten auch andere Gründe hierbei eine Rolle spielen, denn
ein bürgerschaftliches Engagement wird meist nicht aus einem Grund been-
det, sondern wegen der Häufung der Missstände.204
200 Evers in Forum Seniorenarbeit NRW: 32 201 Fünfter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland
2005: 344 202 Enquete-Kommission 2002: 48 203 Stiftungsreport Umfrage „Engagement“: 133ff. 204 Aussagen der Verfasserin
__________________________________________________________ 102
Unerlässlich für eine geordnete Beziehung zwischen Hauptamtlichen und
den freiwillig Tätigen ist in jedem Fall die Qualität des Engagements anzuer-
kennen und die Arbeit der Engagierten, der beruflichen Arbeit nicht nachzu-
ordnen. Zudem darf eine Einrichtung nicht vergessen, dass die freiwillige Ar-
beit weitere Angebote schaffen soll, jedoch nicht dazu dient, die Hauptamtli-
chen zu ersetzen.
Zum Abschluss dieser Arbeit erfolgt ein zusammenfassendes Resümee.
__________________________________________________________ 103
6 Resümee
Abschließend lässt sich sagen, dass jede Kommune in Deutschland von den
Auswirkungen des demographischen Wandels betroffen ist und es lediglich
Unterschiede in der Stärke der Betroffenheit gibt. Aufgrund der Zuwanderun-
gen, der steigenden Lebenserwartung und der niedrigen Geburtenrate wird
die Bevölkerung auch zukünftig bunter, älter und weniger werden. Um mit
diesen Herausforderungen umzugehen, muss eine Kommune das Potenzial
der älteren Menschen erkennen und nutzen. Denn viele „junge Alte“ haben
ein hohes Kapital an Zeit, Wissen und Erfahrung, das sie gerne an andere
Menschen weitergeben möchten.
Um dies für die jüngere, arbeitende Generation erkennbar zu machen, muss
sich die altersdifferenzierte zu einer altersintegrierten Lebenslaufstruktur
entwickeln. Das heißt, dass die Bereiche Ausbildung, Arbeit und Freizeit
nicht altersspezifisch aufgeteilt werden, sondern in jedem Lebensalter jeder
der drei Bereiche Platz finden sollte. Denn ältere Menschen können ebenfalls
arbeiten, das heißt auch, sich bürgerschaftlich engagieren und sich weiterbil-
den lassen, um auch im Alter neues Wissen zu erlangen.205 Eine Befragung
mit 4.110 Personen im Alter von 20 bis 65 Jahren, hat ergeben, dass die
Ressourcen der älteren Menschen durchaus erkannt werden, denn 90,1 %
sind der Meinung, dass jüngere Generationen von der Anwesenheit, dem
Wissen und der Erfahrung Älterer profitieren können. Außerdem stimmen
89,5 % der Aussage zu: Ältere Menschen sind Dank ihrer Erfahrung ein
wertvoller Bestandteil für die Gesellschaft.206 Diese Erkenntnis ist ein großer
Schritt, den die Generation aufeinander zu gehen und somit den Generatio-
nenkonflikt entschärfen.
Dass die Ressourcen der älteren Bürger wertvoll sind, hat auch die Stadt
Arnsberg erkannt und versucht aus diesem Grund seit Jahren, diese mit in
kommunale Planungen und soziale Projekte einzubeziehen. Dies gelingt ihr
durch geeignete Rahmenbedingungen, die die „Fachstelle Zukunft Alter“ als
Anlaufstelle für aktive ältere Bürger bietet. Außerdem holt sich die Stadt
Arnsberg durch regelmäßige Befragungen die Meinungen ihrer Einwohner
205 Meier 2007: 293 206 Meier 2007: 292
__________________________________________________________ 104
ein und versucht ihre Interessen umzusetzen. In einer Stadt, in der man als
Bürger beachtet und angehört wird, fühlt man sich wohl, wird aktiv und sess-
haft. Das gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für die jüngere Ge-
neration. Ziel muss ebenfalls sein, die jungen Menschen an ihre Kommune
zu binden, denn sie können den Nachwuchs einer Stadt sichern und die
Auswirkungen des demographischen Wandels reduzieren.
Das Schöne an den sozialen Projekten der Älteren ist, dass sie allen Beteilig-
ten große Freude macht, denn nicht nur den hilfebedürftigen Kindern, Ju-
gendlichen oder Alten ist geholfen, sondern auch der Helfende fühlt sich an-
erkannt, gebraucht und gibt seinem Leben einen neuen Sinn.
Hierzu ein Beispiel:
Opa Jäksch dachte nach dem Tod seiner Frau, dass auch sein Leben vorbei
wäre, da er sehr einsam war. Eines Tages lief er durch sein Dorf und wurde
von einem kleinen Mädchen gefragt, warum er immer so traurig gucken wür-
de. Opa Jäksch erzählte dem Kind von seiner Frau und erklärte ihr, dass sei-
ne Frau nicht mehr bei ihm sein könnte. Daraufhin nickte das Mädchen und
sagte, er solle einfach mit ihr in den Kindergarten kommen, was er auch tat.
Dank der Offenheit der Mitarbeiter des Kindergartens war es möglich, dass
Opa Jäksch über Jahre jeden Tag dorthin kommen konnte und mithelfen
durfte. Leider musste er aus gesundheitlichen Gründen zur Familie seiner
Tochter nach Dortmund ziehen. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen weiter-
hin in den Kindergarten zu gehen, so dass er beschloss zweimal im Jahr für
vier Wochen in sein Heimatdorf zurück zu kehren, um in der Zeit in dem Kin-
dergarten aus zu helfen.
An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass eine neue Aufgabe - ein wie-
dergegebener Sinn - ein Leben von einem auf den anderen Tag verändern
kann. Für jeden Menschen ist es sehr wichtig, dass er gebraucht und aner-
kannt wird. Aus dem Grund darf eine Kommune ihre älteren Bürger nicht sich
selbst überlassen, sondern muss ihnen Möglichkeiten bieten, eine freiwillige
Aufgabe zu übernehmen. Denn dies ist zum Wohle aller - der hilfebedürfti-
gen, des Engagierten und der Gesellschaft.
Dabei ist es ganz egal wie alt man ist, denn wir können immer etwas für uns
und Andere tun und das Alter können wir sowieso nicht beeinflussen. Prof.
__________________________________________________________ 105
Dr. Leopold Rosenmayr sagte sehr treffend: „Wir sind das und wir werden
das, was wir sind, und es ist auch nicht notwendig jung zu bleiben. Es ist
notwendig gesund und handlungsfähig zu bleiben und denkfähig zu bleiben“
(Rosenmayr)
__________________________________________________________ 106
7 Literaturanhang
7.1 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zusammengefasste Geburtenziffer der Kalenderjahre.
Lebendgeborene je Frau. Statistisches Bundesamt 2009 ... 12
Abbildung 2: Bevölkerung nach Altersgruppen. 12. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung 2009 ............................... 15
Abbildung 3: Männer- und Frauenanteil der Bevölkerung in Altersgruppen -
2005 (%): Backes/Clemens 2008 ....................................... 19
Abbildung 4: Wandlungen im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung.
Witterstätter 2008 ................................................................ 20
Abbildung 5: Anteil der 60-jährigen und Älteren an der deutschen bzw.
ausländischen Bevölkerung in der Bundesrepublik 1999 bis
2050 (in %). Backes/Clemens 2008 .................................... 21
Abbildung 6: Bevölkerungsvorausberechnung 2005 bis 2050 für NRW.
Grüber-Töpfer u.a. 2007 ...................................................... 22
Abbildung 7: Anteile der Altersgruppen in NRW seit 1950. Grüber-Töpfer
u.a. 2007 ............................................................................. 23
Abbildung 8: Freiwillig Engagierte. Monitor Engagement 2010 ............... 39
Abbildung 9: Freiwilliges Engagement und Bereitschaft. Monitor
Engagement 2010 ............................................................... 40
Abbildung 10: Dauer der freiwilligen Tätigkeit. Monitor Engagement 2010. 42
Abbildung 11: Häufigkeit der freiwilligen Tätigkeit. Monitor Engagement
2010.................................................................................... 43
Abbildung 12: Engagierte nach Altersgruppen. Monitor Engagement 2010 . 44
Abbildung 13: Freiwilliges Engagement nach Altersgruppen. Monitor
Engagement 2010 ............................................................... 45
Abbildung 14: Persönliche Gründe des freiwilligen Engagements. Gensicke
u.a. 2006 ............................................................................. 46
Abbildung 15: Gründe bezogen auf freiwillige Tätigkeit. Gensicke u.a. 2006 46
Abbildung 16: Die Stadt Arnsberg und ihre Stadtteile. Stadt Arnsberg 2003 .. 50
Abbildung 17: Erfahrungswissen für Initiativen. Broschüre „Zukunft braucht
Erfahrung“ ........................................................................... 63
Abbildung 18: Erwartungen an die Tätigkeit. Gensicke u.a. 2006 .............. 92
__________________________________________________________ 107
7.2 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2009.............. 14
Tabelle 2: Altenquotient 2008 und 2060. 12. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung 2009 ....................................... 16
Tabelle 3: Übersicht der Annahmen zur künftigen Entwicklung der
Lebenserwartung bis 2060. 12. koordinierte
Bevölkerungsvorausberechnung 2009 ....................................... 17
Tabelle 4: Anteilswerte der Einpersonenhaushalte nach Alter und
Geschlecht der Bezugsperson in NRW 2004. Grüber-Töpfer u.a.
2007 ........................................................................................... 24
Tabelle 5: Steckbrief. Monitor Engagement 2010 ....................................... 38
Tabelle 6: Merkmale der Experten .............................................................. 88
7.3 Literaturverzeichnis
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Stadt Arnsberg - Informationsbroschüre: „Zukunft braucht Erfahrung“
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Alter. 2010. (Unveröffentlichtes Manuskript).
Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin M./Polenz M.: Das
Arbeitsprogramm für das Jahr 2010. 2010. (Unveröffentlichtes Manuskript).
Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin M.: Mehrgeneratio-
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Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“ Gerwin M.: Gemeinsam und
kreativ in die Zukunft. In: Erfahrung ist Zukunft: Lebensbegleitendes Lernen.
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ge Bilder vom Alter - Kreativ - Projekt „Opaparazzi“. 2008.
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Tag der Generationen in Essen: Programmheft „Opaparazzi“. 2008.
Wahl H.-W./Heyl V.: Gerontologie - Einführung und Geschichte. Stuttgart 1.
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Witterstätter Kurt: Soziale Hilfen im Alter. Eine Sozialgerontologie für die
Pflegearbeit. Freiburg in Breisgau überarbeitete und erweiterte Auflage 2008.
Zippel C./Kraus S. (Hrsg.): Soziale Arbeit für alte Menschen. Ein Handbuch
für die berufliche Praxis. Frankfurt am Main 2009.
7.4 Internetverzeichnis
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den demographischen Wandel der Gesellschaft.
www.arnsberg.de/senioren/projekte/generationen-verbinden.pdf (04.05.2010)
__________________________________________________________ 112
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www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung3/Pdf-Anlagen/fuenfter-
altenbericht,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
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Stadt Arnsberg: Einwohnerstatistik 2009.
www.arnsberg.de/informationen/einwohnerstatistik.pdf (11.04.2010)
Stadt Arnsberg - „Fachstelle Zukunft Alter“: Arbeit des Seniorenbeirats
2010.
www.arnsberg.de/seniorenbeirat/Arbeit_des_Seniorenbeirats.pdf
(05.05.2010)
Stadt Arnsberg: Die kleine Raupe Nimmersatt 2009.
bildungsstadt.arnsberg.de/bildung/fruehe
bildung/bildungspartnerschaften/generationsuebergreifende-
kooperation/schwarzlichttheater-kita.php (07.05.2010)
Statistisches Bundesamt Deutschland: 12. koordinierte Bevölkerungsvo-
rausberechnung 2009.
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/
pk/2009/Bevoelkerung/pressebroschuere_bevoelkerungsentwicklung2009,pr
operty=file.pdf (01.03.2010)
Deutscher Bundestag: Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bür-
gerschaftlichen Engagements“ 2002
www.dipbt.bundestag.de/dip21/btd/14/089/1408900.pdf (05.03.2010)
7.5 Anlagen
7.5.1 Leitfaden der Experteninterviews (Bürgerschaf tlich Engagierte)
- Vorstellung der Person und Beschreibung der Tätig keitsbereiche bzw.
der Engagementbereiche
- Bitte stellen Sie sich und die Bereiche in denen Sie tätig sind kurz vor
__________________________________________________________ 113
- Motive
- Was motivierte Sie ein bürgerschaftliches Engagement zu über-
nehmen?
- Welche Erwartungen haben Sie an Ihr bürgerschaftliches Enga-
gement?
- Verfolgen Sie mit Ihrem bürgerschaftlichen Engagement bestimmte
Ziele?
- Weg zum bürgerschaftlichen Engagement
- Wie haben Sie erfahren, wo Sie sich bürgerschaftlich engagieren
können?
- Wurden Sie geworben oder haben Sie Eigeninitiative ergriffen?
- Ungleiche Chancen
- Welche Menschen engagieren sich Ihrer Meinung nach besonders?
- Soziale Arbeit und bürgerschaftliches Engagement
- Erleben Sie eine gute Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern und
Hautamtlichen oder sehen Sie eher ein Konkurrenzverhalten?
- Welche Unterstützung würden Sie sich von Sozialarbeitern
(Hauptamtlichen) wünschen?
- Was sollte sich in Zukunft noch verändern?
- Resümee
- Welche positiven und negativen Aspekte gibt es in Ihrem Engage-
ment?
- Haben Sie schon einmal überlegt Ihr bürgerschaftliches Engage-
ment wieder aufzugeben?
7.5.2 Leitfaden der Experteninterviews (Hauptamtlic he)
- Vorstellung der Person und Beschreibung der Tätig keitsbereiche bzw.
der Engagementbereiche
__________________________________________________________ 114
- Bitte stellen Sie sich und die Bereiche in denen Sie tätig sind kurz vor
- Motive
- Was motivierte Sie, sich mit dem bürgerschaftlichen Engagement
von älteren Menschen und mit generationsübergreifenden Projek-
ten zu beschäftigen?
- Welche Ziele verfolgen Sie mit diesen Projekten?
- Ungleiche Chancen
- Welche Menschen engagieren sich Ihrer Meinung nach beson-
ders?
- Haben Sie Ideen, wie Soziale Arbeit dazu beitragen könnte, auch
sozialschwache Menschen in bürgerschaftliches Engagement ein-
zubinden?
- Soziale Arbeit und bürgerschaftliches Engagement
- Erleben Sie eine gute Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern und
Hautamtlichen oder sehen Sie eher ein Konkurrenzverhalten?
- Welche Unterstützungsmöglichkeiten können Sozialarbeiter
(Hauptamtliche) bieten?
- Was könnten Sie tun, um noch mehr Menschen zu motivieren sich
zu engagieren?
- Was sollte sich in Zukunft noch verändern?
- Resümee
- Welche positiven und negativen Aspekte gibt es in Ihrem Engage-
ment bzw. in Ihrer beruflichen Tätigkeit?
- Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen jemand ein bürgerschaftliches
Engagement abgebrochen hat?
__________________________________________________________ 115
7.5.3 Experteninterviews (siehe CD)
7.5.3.1 Interview Experte A
7.5.3.2 Interview Experten B und C
7.5.3.3 Interview Experte D
7.5.3.4 Kategorien der Interviews
__________________________________________________________ 116
8 Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass alle Inhalte dieser Diplomarbeit von mir selbst-
ständig verfasst wurden und ich keine anderen Hilfsmittel und Quellen ver-
wendet habe, als die, die in der vorliegenden Arbeit kenntlich gemacht sind.
Arnsberg, den ….
Janika Krutmann