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Andrea Kienle Integration von Wissensmanagement und kollaborativem Lernen durch technisch unterstützte Kommunikationsprozesse Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften an der Universität Dortmund zugleich erschienen im Eul-Verlag 2003

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Andrea Kienle

Integration von Wissensmanagement und kollaborativem Lernen durch technisch unterstützte Kommunikationsprozesse

Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften an der Universität Dortmund

zugleich erschienen im Eul-Verlag 2003

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Danksagung

Viele Personen haben mich bei der Erstellung dieser Arbeit begleitet.Ihnen gilt mein besonderer Dank, da ich ohne sie diese Arbeit nicht in dievorliegende Form gebracht hätte.

An erster Stelle möchte ich Thomas Herrmann danken. Seinem Engage-ment und seiner steten Gesprächsbereitschaft seit Beginn dieser Arbeitverdanke ich maßgebliche Impulse bei der Bearbeitung des Themas.Danken möchte ich Herrn E.-E. Doberkat für seine intensive Betreuungin der Endphase dieser Arbeit. Seine konstruktive Kritik hat mir weiterewichtige Hinweise für die Ausarbeitung dieser Arbeit gegeben.

Mein Dank gilt auch meinen Kollegen am Fachgebiet Informatik undGesellschaft: Marcel Hoffmann, Isa Jahnke, Gabriele Kunau, Kai-UweLoser, Natalja Reiband und Helge Schneider boten mir ausgiebige Dis-kussionsmöglichkeiten, die zur Präzisierung meiner Ideen wesentlichbeitrugen. Darüber hinaus möchte ich Natalja Reiband für die geduldigeBeantwortung meiner Fragen zu empirischen Studien danken.

Für die Umsetzung des Prototypen KOLUMBUS danke ich der PG 356:Markus Blume, Henning Faber, Thomas Frütel, Michael Hinz, LubovaKisina, Henning Maruhn, Jürgen Richter, Carsten Ritterskamp, AndreasRoin und Alexander Tappe haben die in dieser Arbeit entwickelten Kon-zepte umgesetzt und so die empirischen Studien erst ermöglicht.

Angela Carell, Christoph Friedrich, Corina Kopka und Bianca Wittlermöchte ich für das Korrekturlesen dieser Arbeit danken. Ihre konstrukti-ven Kommentare brachten die mitunter wirren Textentwürfe in eine les-bare Form. Gabriele Kunau, Kai-Uwe Loser und Carsten Ritterskampspürten in der Endphase der textuellen Bearbeitung dankenswerterweiseweitere Ungereimtheiten auf.

Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Mann Michael Kienle. Ich wüs-ste nicht, wie ich diese Arbeit ohne seine Geduld und Nachsicht auch inschwierigen Zeiten sowie seine tatkräftige Unterstützung zum Abschlussgebracht hätte.

Euch allen ein herzliches Dankeschön!

Andrea Kienle

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x Danksagung

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Inhaltsverzeichnis xi

Inhalt Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .xv

Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .xvii

1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1

1.1 Problemfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1.2 Interdisziplinärer Charakter der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1.4 Lösungsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.5 Geplantes Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

1.6 Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2. Grundbegriffe und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15

2.1 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.1.1 Kommunikationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .162.1.2 Der Kontext einer Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202.1.3 Das kontext-orientierte Kommunikationsmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .222.1.4 Die Moderation von Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272.1.5 Computervermittelte Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29

2.2 Kollaboratives Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392.2.1 Der Begriff des Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .392.2.2 Kollaboratives Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .422.2.3 Computervermitteltes kollaboratives Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .452.2.4 Kommunikation bei computervermitteltem kollaborativem Lernen . . . . . . . . . . . .462.2.5 Der Prozess (computervermittelten) kollaborativen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . .482.2.6 Rollen beim kollaborativen Lernen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .57

2.3 Organisationales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622.3.1 Organisationales Lernen und die lernende Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .622.3.2 Kommunikation als Bestandteil organisationalen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . .652.3.3 Wissensarbeit, Wissensprozesse und Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . .682.3.4 Rollen bei computergestützten Wissensmanagementanwendungen . . . . . . . . . .73

2.4 Zusammenfassende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

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xii Inhaltsverzeichnis

2.4.1 Einsatzgebiete von KL-Umgebungen und WM-Systemen - ein Vergleich . . . . . . 742.4.2 Unterstützung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782.4.3 Nächste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

3. Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen . . . . . . 83

3.1 Unterstützung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .833.1.1 Eigenschaften computervermittelter Kommunikationsunterstützungen . . . . . . . . 843.1.2 Empirische Ergebnisse zu computervermittelter Kommunikation . . . . . . . . . . . . . 86

3.2 Funktionalitäten bestehender Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .903.2.1 Übersicht über die betrachteten Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913.2.2 Unterstützung der Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 963.2.3 Unterstützung des Lernens am eigenen Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973.2.4 Unterstützung des Lernens am Material anderer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023.2.5 Unterstützung der Kollaboration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063.2.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

3.3 Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

3.3.1 Die KL-Umgebung WebGuide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1113.3.2 Das WM-System TechKnowledgy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

3.4 Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativemLernen und Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

3.4.1 Der Begriff der Annotation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1193.4.2 Einsatzsituationen von Annotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1213.4.3 Annotationen in bestehenden Systemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1223.4.4 Anforderungen an Annotationen in integrierten Umgebungen . . . . . . . . . . . . . . 125

3.5 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127

4. Studie zum betrieblichen Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . 129

4.1 Erarbeitung zentraler Fragestellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129

4.2 Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1334.2.1 Erhebungs- und Auswertungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1334.2.2 Operationalisierung der Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

4.3 Untersuchte Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136

4.4 Ergebnisse der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1384.4.1 Ergebnisse zu (F1): Informationen zur Verständnisabstützung. . . . . . . . . . . . . . 138

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Inhaltsverzeichnis xiii

4.4.2 Ergebnisse zu (F2): Annotationen als Möglichkeit zum Wissensaustausch . . . .1424.4.3 Ergebnisse zu (F3): Informationen über andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1474.4.4 Ergebnisse zu (F4): Auswahl einer Rezipientengruppe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1504.4.5 Ergebnisse zu (F5): ausgezeichnete Rolle zur Strukturierung. . . . . . . . . . . . . . .1524.4.6 Ergebnisse zu (F6): synchrone Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154

4.5 Zusammenfassung: Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

5. Anforderungen an eine integrierte Umgebung. . . . . . . . . . . . . . . .159

5.1 Anforderungen an ein technisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1605.1.1 Die Unterstützung der Vorbereitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1635.1.2 Einstellen von Inhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1645.1.3 Elemente von Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1655.1.4 Darstellen von Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1655.1.5 Umgang mit Inhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .166

5.2 Anforderung an die Organisation des kollaborativen Prozesses . . . 167

5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

6. Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS . . . . . . . . .169

6.1 Realisierung der integrierten Umgebung KOLUMBUS . . . . . . . . . . . . 1696.1.1 Technische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1706.1.2 Verwendete Plattform und Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1706.1.3 KOLUMBUS-Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .172

6.2 Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1796.2.1 Überblick über die Funktionalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1796.2.2 Vorbereitung von Lerneinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1826.2.3 Lernen am eigenen Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1836.2.4 Lernen mit dem Material anderer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1866.2.5 Kollaboration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .186

6.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

7. Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS . . . . . .189

7.1 Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

7.2 Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einerkollaborativen Lernsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

7.2.1 Vorbereitung der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193

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xiv Inhaltsverzeichnis

7.2.2 Elemente zur Unterstützung kollaborativen Lernens mit KOLUMBUS . . . . . . . . 1967.2.3 Durchführung der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2017.2.4 Ergebnisse der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2067.2.5 Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

7.3 Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS inAushandlungsprozessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .227

7.3.1 Vorbereitung des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2287.3.2 Durchführung der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2327.3.3 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

7.4 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252

8. Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen . . . . . . . 253

8.1 Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems . . . . . . .2538.1.1 Unterstützung der Vorbereitung und Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2568.1.2 Lernen am eigenen Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2588.1.3 Unterstützung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2678.1.4 Unterstützung des Aushandlungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

8.2 Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses . . . . . .2718.2.1 Aktivitäten eines Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2748.2.2 Benötigtes (Meta-) Wissen eines Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

8.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .282

9. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

9.1 Zentrale Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285

9.2 Innovationsgehalt der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .288

9.3 Weiterer Forschungsbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290

Anhang A zur Studie „Betriebliches Wissensmanagement“. . . . 293

Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe. . . . . . . . . . . . . . . . 335

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Beteiligte Disziplinen an der Gestaltung computervermittelten kollaborativen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Abbildung 2. zeitliche Einordnung der Forschungen zum BereichKommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Abbildung 3. Elemente im kontext-orientierten Kommunikationsmodell . . . . . 23

Abbildung 4. Aktivitäten des Mitteilenden in Face-to-Face Situationen . . . . . . 25

Abbildung 5. Aktivitäten des Rezipienten in Face-to-Face-Situationen . . . . . . 26

Abbildung 6. Moderation im kontext-orientierten Kommunikationsmodell . . . . 28

Abbildung 7. computervermittelte Kommunikation, modifiziert aus[Herrmann (2001)] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Abbildung 8. Aktivitäten des Mitteilenden in computervermittelten Situationen 32

Abbildung 9. Aktivitäten des Rezipienten in computervermittelten Situationen 33

Abbildung 10. Lernen als Veränderung des inneren Kontextes . . . . . . . . . . . . . 41

Abbildung 11. gemeinsames Verständnis im kontext-orientierten Kommunikationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Abbildung 12. Learning Cycle nach [Mayes et al. (1994)] . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Abbildung 13. Knowledge Building Process in Anlehnung an [Stahl (2000a)] . . 51

Abbildung 14. Prozess computervermittelten, kollaborativen Lernens . . . . . . . 56

Abbildung 15. Aufgaben der unterstützenden Rollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Abbildung 16. Modell des organisationalen Lernens in Anlehnung an [Spieß & Winterstein (1999)] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Abbildung 17. Daten, Information und Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Abbildung 18. Vorgehensmodell des Wissensmanagements nach[Herrmann et al. (2001), S. 66]). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Abbildung 19. Prozess computervermittelten, kollaborativenLernens mit Bezug zur Kommunikationstheorie . . . . . . . . . . . . . 77

Abbildung 20. Computervermittelte Kommunikation bei Einsatz einerintegrierten KL/WM-Umgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Abbildung 21. Funktionalitäten und ihre Zuordnung zum kollaborativen Prozess 110

Abbildung 22. WebGuide-Nutzungsprozess nach [Stahl & Herrmann (1999)]. . 112

Abbildung 23. Nutzungsprozess des WM-Systems TechKnowledgy . . . . . . . . . 117

Abbildung 24. KOLUMBUS-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Abbildung 25. KOLUMBUS-Kopfleiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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xvi Abbildungsverzeichnis

Abbildung 26. KOLUMBUS-Menü „Neu“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Abbildung 27. KOLUMBUS-Menü „Rechte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Abbildung 28. KOLUMBUS-Baumansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Abbildung 29. KOLUMBUS-Zeitungsansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Abbildung 30. Ablauf einer Publikationsaushandlung in KOLUMBUS . . . . . . . 187

Abbildung 31. Übersicht über die Themen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Abbildung 32. Modell und entsprechende Screenshots in der Baumstruktur. . 198

Abbildung 33. Seminarablauf - Erste Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Abbildung 34. Modell in der Baumstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Abbildung 35. Anzahl der Einstell- und Änderungsoperationen. . . . . . . . . . . . 207

Abbildung 36. Nutzungsprozess beim Aushandlungsexperiment . . . . . . . . . . 235

Abbildung 37. Autoreninformation durch Eintrag der Nutzer . . . . . . . . . . . . . . 240

Abbildung 38. Entstehung einer Problemsituation auf Grund fehlender Verlinkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

Abbildung 39. Beispiel eines Diskussions- und Aushandlungprozesses . . . . . 243

Abbildung 40. Initiieren mehrerer Aushandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

Abbildung 41. Einfügen von Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Abbildung 42. Gestaltungsbeispiel: Darstellung von Inhalten . . . . . . . . . . . . . 262

Abbildung 43. Gestaltungsbeispiel: Sicht auf Aushandlungen. . . . . . . . . . . . . 263

Abbildung 44. Gestaltungsbeispiel: Informationen über Nutzer . . . . . . . . . . . . 265

Abbildung 45. Gestaltungsbeispiel: Suche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Abbildung 46. Gestaltungsvorschläge: Annotationen verfassen . . . . . . . . . . . 269

Abbildung 47. Einfügen von Annotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Abbildung 48. Moderation bei computervermittelter Kommunikation. . . . . . . . 272

Abbildung 49. Aufgaben eines Moderators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Abbildung 50. Benötigtes (Meta-) Wissen eines Moderators . . . . . . . . . . . . . . 279

Abbildung 51. Modifikation des Prozesses computervermittelten, kollaborativen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Abbildung 52. Beispiel 1 eines Diskussionsprozesses in Gruppe 1. . . . . . . . . 313

Abbildung 53. Beispiel eines Diskussions- und Aushandlungprozesses inGruppe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

Abbildung 54. Relationen in SeeMe, entnommen aus dem SeeMe-Tutor . . . . 337

Abbildung 55. Spezifizierung von Relationen durch Basis-Elemente, entnommen aus dem SeeMe-Tutor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337

Abbildung 56. weitere Relationen in SeeMe, entnommen dem SeeMe-Tutor . 338

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1. Organisationales Lernen und die lernende Organisation nach [Kluge & Schilling (2000)] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Tabelle 2. Modi der Wissensgenerierung nach [Nonaka & Takeuchi (1995)]. . . . . . 67

Tabelle 3. Einsatzgebiete für KL-Umgebungen und WM-Systeme im Vergleich . . . 75

Tabelle 4. Anforderungen an eine Kommunikationsunterstützung. . . . . . . . . . . . . . 79

Tabelle 5. Vermittlungsmöglichkeiten in bestehenden computervermittelten Kommunikationsunterstützungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Tabelle 6. Funktionalitäten ausgewählter Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Tabelle 7. Einsatzsituationen von Annotationen und anderen Ansätzen . . . . . . . . 121

Tabelle 8. ausgewählte Fragen zur Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Tabelle 9. Fragen zum Wissensaustausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Tabelle 10. Übersicht über untersuchte Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Tabelle 11. Bestehendes Vorgehen bei Kommentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Tabelle 12. Aussagen zu Platzierung von Annotationen in WM-Systemen . . . . . . . 146

Tabelle 13. Aussagen zu Einsatzsituationen von Annotationen in WM-Systemen . 147

Tabelle 14. Anforderungen an eine integrierte Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Tabelle 15. Anforderungen an eine integrierte Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Tabelle 16. Anforderungen an die Organisation des kollaborativen Prozesses. . . . 167

Tabelle 17. KOLUMBUS-DTD: Bestandteile und Erläuterung,aus [PG 356 (2001)] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Tabelle 18. Auswertungsmöglichkeiten der Logfiles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Tabelle 19. Ausschnitt aus dem Interviewleitfaden zur Evaluation von KOLUMBUS 195

Tabelle 20. Elemente der Einführungsveranstaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Tabelle 21. Erarbeitung von Inhalten (ZV = Zwischenversion, EV = Endversion) . . 210

Tabelle 22. Problembereiche beim Wissensaustausch mittels KOLUMBUS . . . . . . 214

Tabelle 23. Kommunikation mit den Veranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Tabelle 24. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zum Umgang mitMaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Tabelle 25. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zur Unterstützung der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Tabelle 26. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zur organisatorischen Unterstützung eines kollaborativen Lernprozesses. . . . . . . . . . . . . . . . 227

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xviii Tabellenverzeichnis

Tabelle 27. Merkmale von Gruppenentscheidungsprozessen nach [Boos (1996)]und die Implikationen für die KOLUMBUS- Experimentauswertung . . . 231

Tabelle 28. Zusammenfassung der Beiträge in den verschiedenen Gruppen, durchschnittlich pro Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Tabelle 29. Probleme auf Grund technischer Unzulänglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . 239

Tabelle 30. Probleme auf Grund organisatorischer Unzulänglichkeiten. . . . . . . . . . 249

Tabelle 31. Gestaltungsvorschläge für integrierte Umgebungen . . . . . . . . . . . . . . . 255

Tabelle 32. Beispiel einer Inhaltsstruktur für einen Aushandlungsbereich . . . . . . . . 257

Tabelle 33. Vorschlag für das Kontextmenü, aufrufbar an Items . . . . . . . . . . . . . . . 259

Tabelle 34. Unterscheidung von Material und Annotationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Tabelle 35. Beiträge in Gruppe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Tabelle 36. Beiträge in Gruppe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

Tabelle 37. Beiträge in Gruppe 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Tabelle 38. Beiträge in Gruppe 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Tabelle 39. Zusammenfassung der Beiträge in den verschiedenen Gruppen,pro Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

Tabelle 40. SeeMe-Basiselemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Tabelle 41. Einbettungen in SeeMe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340

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Kapitel 1. Einleitung

1.1 ProblemfeldLernen wird als die Voraussetzung für eine entwicklungsfähige Gesell-schaft anerkannt. Traditionell werden Heranwachsende in den erstenJahren ihres Lebens in Institutionen wie Schulen oder Universitäten aufdas Leben vorbereitet, indem sie durch die Aneignung einer Fülle vonInhalten und Methoden ein Rüstzeug für das weitere Leben erhalten sol-len. In den letzten Jahren stellte sich diese vorbereitende Phase als nichtausreichend heraus. Sich ständig ändernde Voraussetzungen unteranderem im Berufsleben konfrontieren Erwachsene mit der Notwendig-keit lebenslangen Lernens, so dass Lernen nicht nur in Bildungsinstitutio-nen sondern auch in Unternehmen stattfindet.

Im Umfeld von Unternehmen wird Lernen im Sinne von individuellemLernen als Basis für organisationales Lernen verstanden [Heijst et al.(1998)]. Jenes organisationale Lernen wiederum wird als die Vorausset-zung für die Evolution der Organisation angesehen. Es hängt von derberuflichen Gestaltungskompetenz der Mitarbeiter ab, d.h. ihrer Kompe-tenz kreativ und reflektiv mit beruflichen Anforderungen umzugehen.Senge erwähnt die Notwendigkeit, dass die Mitarbeiter „über den Teller-rand schauen“ [Senge (1990), S. 19] und nicht nur ihre Position, sondernauch die Interaktion zu anderen Positionen einbeziehen sollten. Um dieszu erreichen, bezieht sich neben dem individuellen Lernen ein zweiterAspekt des Lernens in Unternehmen auf das Konzept der Kommunika-tion. Erst Kommunikation ermöglicht, dass individuell Erlerntes mit ande-ren geteilt werden kann [Heijst et al. (1998), S. 21]. Auch Davenport undPrusak erwähnen die Kommunikation als einen wichtigen Punkt: „Howcan an organization transfer knowledge effectively? The short answer,and the best, is: hire smart people and let them talk to one another.Unfortunately, the second part of this advice is the more difficult to putinto practice. Organizations often hire bright people and then isolatethem or burden them with tasks that leave them no time for conversationand little time for thought.“ [Davenport & Prusak (1998), S. 88].

Lernen in Bil-dungsinstitutio-nen

Lernen in Unter-nehmen

Kommunikation als Vorausset-zung gemeinsa-men Lernens

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2 Einleitung

Es ist zu beobachten, dass Entwicklungen von Konzepten des Lernenssowie deren Computerunterstützungen in Bildungsinstitutionen und inUnternehmen getrennt stattfinden. Dabei liegen in der Adaption von Kon-zepten der jeweils anderen Richtung Verbesserungspotenziale. Beispiels-weise kann der Bereich des Lernens in Bildungsinstitutionen fürnotwendige Aufgabenstellungen von den in Unternehmen vorkommendenrealen Aufgaben lernen. Das Lernen in Unternehmen könnte durch ausge-zeichnete Rollen, so wie diese mit Lehrenden in Bildungsinstitutionen vor-handen sind, verbessert werden. Diese Arbeit beschäftigt sich mitMöglichkeiten der Integration von Lernen in Bildungsinstitutionen (nachfol-gend Institutionen genannt) und Unternehmen in computervermitteltenSituationen.

Unter dem Begriff des e-learning werden aktuell die verschiedenen Mög-lichkeiten des Computereinsatzes zur Unterstützung von Lernen zusam-mengefasst. Diese beziehen sich zum einen auf die Unterstützung einesLehrenden bei der Bereitstellung von Lerninhalten oder der Gestaltung vonAufgaben. Auch wird etwa mit Ansätzen zur computergestützten Überprü-fung des Lernerfolges erforscht, inwieweit diese Lehrende bei ihren Aufga-ben unterstützen oder ergänzen können. Andere Forschungsrichtungenwie etwa die CSCL-Forschung [Koschmann (1996)] beziehen sich auf denComputereinsatz zur Unterstützung der Interaktion zwischen den Lernen-den. Im Folgenden werden diese Forschungsrichtungen überblicksartigvorgestellt.

Mit der Bereitstellung von Lerninhalten beschäftigt sich die Forschungsrich-tung der Mediendidaktik [Kerres (1998)]. Dies bezieht sich einerseits aufdie Aufbereitung von Inhalten. Hier wird beispielsweise gefragt, welchemultimedialen Elemente für konkrete Inhalte passend sind [Hasebrook(1995)]. Dabei spielen auch Möglichkeiten der Simulation eine Rolle.Indem Lernende verschiedene Parameter einer gegebenen Problemstel-lung variieren können, sollen sie Strategien im Umgang mit komplexen Pro-blemen erlernen [Gredler (1996)]. Neben der Aufbereitung der Inhalte wirdandererseits auch ihre Strukturierung erforscht. Im Gegensatz zu Büchernkann in der elektronischen Welt von einer linearen Struktur abgewichenwerden. So sind beispielsweise durch Hyperlinks Querbezüge zwischenverschiedenen Bereichen möglich. Zudem wird unterschieden, ob die Ler-nenden selbstständig Inhalte entdecken oder ob eine Anleitung durchgeführte Touren angeboten wird [Schulmeister (1997)].

computervermit-teltes Lernen

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Problemfeld 3

Ein anderer Forschungszweig des Problem Based Learning [Koschmann(2001)] beschäftigt sich mit der Frage, wie Aufgaben so gestaltet werdenkönnen, dass sie Lernende zur aktiven Auseinandersetzung mit denLerninhalten anregen. Dabei zeigte sich, dass systematisch neue Aufga-benstellungen zu entwickeln sind, die den veränderten, mit der Computer-unterstützung aufkommenden Möglichkeiten gerecht werden [Lipponen(2001)]. Schließlich werden auch Möglichkeiten von Lernkontrollenerforscht. Bei der Unterstützung individuellen Lernens werden dabei häufigdie in der Tradition behaviouristischer Lerntheorien [Burton et al. (1996)]stehenden Multiple-Choice Aufgaben eingesetzt. Bei diesem vorwiegend inden 70er Jahren verfolgten Prinzip wird unterstellt, dass durch ausreichendhäufige Wiederholung Informationen erlernt werden. Eine Möglichkeit zurKontrolle der Lernleistung in Systemen, die gemeinsames Lernen unter-stützen, wird von einigen Autoren in Frage gestellt: „Wissenserwerb ist nurscheinbar eine individuell zu erfassende Kategorie. Wenn Wissen nicht ‚imKopf' des Individuums ‚abgespeichert' ist, sondern ständig in bestimmten,nicht ausblendbaren sozialen Kontexten konstruiert wird, dann sind indivi-duumszentrierte Evaluationsansätze obsolet.“ [Kerres 1998, S. 116].

Neben diesen Arten der Unterstützung der Aktivitäten des Lernenden wirdunter dem Schlagwort „kollaboratives Lernen“ (gemeint ist hier Lernen, beidem Lernende miteinander interagieren) das Miteinander der Lernendenbetrachtet. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass kollaboratives Ler-nen gegenüber individuellem Lernen viele Vorteile aufweist (vgl. z.B. [Sla-vin (1995)]). Hesse und andere beispielsweise nennen als Vorteile diehohe Involviertheit der Lernenden und eine dadurch bewirkte aktive Verar-beitung des Wissens [Hesse et al. (1997)]. Dies erhöht die Wahrscheinlich-keit, dass Informationen zu Wissen der Lernenden werden. Die Interaktionund Kooperation unter den Lernenden kann dabei sowohl auf Beobachtungals auch auf Diskussion basieren. Zudem ist eine Vermittlung über Werk-zeuge möglich, indem z.B. ein (Physik-)Experiment gemeinsam durchge-führt oder ein Buch, Dokument o.ä. herangezogen wird.

Der Einsatz von Computern zur Unterstützung kollaborativen Lernens wirdin der Forschungsrichtung „Computer Supported Collaborative Learning“(CSCL) erforscht [Koschmann (1996)]. Dabei geht es beim computerver-mittelten kollaborativen Lernen vornehmlich um solche Situationen, indenen Lernende räumlich und/oder zeitlich getrennt sind. Dadurch entfal-len direktes Erleben von gemeinsamen Situationen und damit auch das

kollaboratives Lernen

CSCL

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4 Einleitung

Lernen durch Beobachten. Auch die über materielle Werkzeuge vermittelteKooperation, z.B. gemeinsames Durchführen eines (Physik-)Experimen-tes, ist nur mit größerer Anstrengung und in Kombination mit Kommunika-tion möglich. Kommunikation kann somit als notwendige Voraussetzung fürcomputervermitteltes kollaboratives Lernen angesehen werden und erhältdamit einen besonderen Stellenwert.

Die deutlich andere Interaktionsstruktur bei computervermittelter Kommuni-

kation im Vergleich zur Face-to-Face1 Kommunikation, die sich auf Grundräumlicher und/oder zeitlicher Trennung ergibt, wurde im Bereich der com-putervermittelten Kommunikation in Arbeitsprozessen vielfach erforscht(siehe stellvertretend [Daft & Lengel (1986)], [Sproull & Kiesler (1991)]).Solche Untersuchungen fanden aber bislang nur sehr vereinzelt für denBereich des Lernens statt [Brereton et al. (1998)]. Soll die gemeinsameErarbeitung von Wissen computervermittelt gelingen, so sind besondereFormen der Kommunikationsunterstützung notwendig, die bislang nochnicht realisiert wurden. Beispielsweise sind Maßnahmen zu ergreifen, diedie reduzierten Ausdrucks- und Wahrnehmungsmöglichkeiten resultierendaus der räumlichen und/oder zeitlichen Trennung kompensieren. Dies giltfür das Lernen in Unternehmen und Institutionen gleichermaßen.

Im weiteren Verlaufe der Arbeit wird aus dieser Fülle der Unterstützungs-formen des computervermittelten Lernens die Unterstützung kollaborativenLernens sowohl in Institutionen als auch in Unternehmen als Fokusgewählt. Dazu wurden bislang in zwei parallelen Strängen Systeme entwik-kelt, an die der Anspruch der Unterstützung kollaborativen Lernens gestelltwird: Wissensmanagementsysteme (WM-Systeme) für den Bereich derUnternehmen und kollaborative Lernumgebungen (KL-Umgebungen) fürden Bereich des Lernens in Institutionen.

WM-Systeme, d.h. technische Systeme, die Mitarbeiter in der gemeinsa-men Generierung, Nutzung und Weiterentwicklung ihres Wissens unter-stützen, werden dabei vorwiegend als Möglichkeit effizienter Ablage undzur Bereitstellung explizierten Wissens eingesetzt. Mit WM-Systemen wirdkeine neue Technologie angeboten, es geht vielmehr um eine geeigneteKombination bestehender Technologien wie z.B. Datenbanken, Suchme-chanismen und Diskussionsforen in einem System. Dies geschieht vor

1. Kommunikation von Angesicht zu Angesicht: direkte Kommunikation, zeitgleich und in einem Raum

computervermit-telte Kommuni-kation

Wissensmanage-mentsysteme (WM-Systeme)

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Problemfeld 5

allem mit dem Ziel, Mitarbeiter in der Bearbeitung ihrer Aufgaben zu unter-stützen und Einarbeitungszeiten zu verkürzen. Die Aufbereitung der Inhaltewird in einigen Unternehmen von einer ausgezeichneten Rolle, z.B. Redak-teuren [Bach (1999)] oder Wissensbrokern [Davenport & Prusak (1998)],übernommen. In WM-Systemen wird Wissen häufig als unternehmensweitgültig dargestellt. Die Gültigkeit dieses Wissens wird pragmatisch am Kon-text der Unterstützung während der Aufgabenstellung überprüft. Problemesind dabei realer Natur, es besteht in der Regel Interesse an einer schnel-len Lösung.

Eine Zielsetzung für den Einsatz von WM-Systemen ist es, Mitarbeiterbeim gemeinsamen Lernen zu unterstützen. Empirische Erfahrungen, dieim Rahmen dieser Arbeit gesammelt werden konnten, zeigen, dass sichbei dem momentanen Einsatz von WM-Systemen vor allem Probleme indem gezielten Austausch von Informationen zeigen. Vielfach werden Infor-mationen für alle Mitglieder des Unternehmens bereitgestellt, die Mitarbei-ter haben aber selten die Möglichkeit, durch Auswahl eines Empfängersoder einer bestimmten Gruppe adressierte Kommunikation zu initiieren.Zudem fehlt es an Anregungen zur Kommunikation, auch über Abteilungs-grenzen hinweg. Je weniger kommuniziert wird, desto besser wird dieSituation eingeschätzt. Zusammenfassend zeigen WM-Systeme ihre Stär-ken in der Ablage und Verteilung von Materialien. Sie verfügen zwar auchüber das Potenzial, zur Unterstützung der Kommunikation unter den Mitar-beitern herangezogen werden zu können. Dies wird in der Praxis jedochkaum gefördert.

KL-Umgebungen konzentrieren sich auf eine Umsetzung der Kommunikati-onsunterstützung, die zu regem Austausch unter den Beteiligten genutztwird. Gegenstand der Kommunikation sind fiktive Probleme, die von einerausgezeichneten Rolle (in klassischen Situationen Lehrender genannt)gestellt werden und die einen Impuls zur Kommunikation geben sollen. DieAnregung zur Kommunikation ist ein wichtiger Baustein dieser Aufgaben-stellung; je mehr darüber kommuniziert wird, desto positiver wird die Situa-tion eingeschätzt [Scardamalia & Bereiter (1996b)]. Es ist aber bislangversäumt worden, den Schritt des Zusammenführens und Einigens auf eingemeinsames Ergebnis (Konvergenzbildung) zu unterstützen. So endenDiskurse meist ohne erkennbare Ergebnisse „im Leeren“ [Stahl & Herr-mann (1999)]. Zudem tragen Kommunikationsunterstützungen in KL-Umgebungen den oben erwähnten Überlegungen zu deutlich anderen

kollaborative Lernumgebun-gen (KL-Umge-bungen)

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6 Einleitung

Interaktionsstrukturen meist keine Rechnung. So werden beispielsweisewenig Möglichkeiten zur Ablage von Materialien geboten, die reduzierteAusdrucks- und Wahrnehmungsmöglichkeiten kompensieren und alsUnterstützung der Kommunikation dienen könnten.

Zudem zeigen sich häufig Probleme bei der Sammlung, des Zugriffs aufund der Verteilung von Informationen. So ist es nur selten möglich, dassLernende in der KL-Umgebung Informationen für sich selbst auch über denbegrenzten Zeitraum einer Veranstaltung hinweg sammeln und anderenLernenden zur Verfügung stellen können. Eine organisatorische Eigenartbeim Lernen in Institutionen hängt mit dieser Beobachtung zusammen: diefiktiven Aufgaben an Lernende fangen „häufig wieder von vorne an“, d.h.sie sind nicht darauf ausgelegt, auf Informationen anderer zuzugreifen, umdarauf aufbauend weiterführende Aufgaben zu bewältigen, so wie dies imArbeitsleben immer wieder gefordert wird.

Eine bewusste Ausgestaltung der Kombination von Funktionalitäten vonWM-Systemen und KL-Umgebungen, die die Stärken aus beiden Berei-chen miteinander verbindet, hat bislang noch nicht stattgefunden. Hiersetzt die vorliegende Arbeit an. Die Ausgestaltung der Kombination istmöglich, bezieht sich doch die Vision des Einsatzes von KL-Umgebungenund WM-Systemen auf die Unterstützung gemeinsamen Lernens. Soschreibt Willke in seinem Buch zum Wissensmanagement: „Informations-austausch wird dann möglich, wenn er in den noch anspruchsvolleren Kon-text gemeinsamen Lernens eingebettet ist.“ [Willke (2001), S. 17]. AuchSenge integriert in der vierten seiner fünf Disziplinen zur Gestaltung einerlernenden Organisation die Notwendigkeit zum gemeinsamen Lernen[Senge (1990)]. Zugleich zeigt sich, dass die Frage der Integration relevantist, da sie auf Forderungen sowohl zur Praxisorientierung beim Lernen inInstitutionen als auch zur Unterstützung der Kommunikation beim organi-sationalen Lernen im Bereich der Unternehmen eingeht.

Die integrierte Betrachtung verspricht einen Forschritt, da Vorteile beiderAnsätze kombiniert werden. Für den Bereich des Lernens in Institutionenerwächst eine Verbesserung bei der Darstellung von Inhalten, die die Kom-munikation besser unterstützen können. Zudem können Konzepte desWissensmanagements dazu beitragen, dass auch bei dem Lernen in Insti-tutionen das Rad nicht immer wieder neu erfunden wird, sondern auf derBasis bestehender Inhalte Aufgaben definiert werden. Solche Aufgabenentsprechen eher den Problemen der Arbeitswelt, so dass eine bessere

Verbesserungs-potenzial durch die bewusste Ausgestaltung einer Kombina-tion von KL und WM

Fortschritt durch eine integrierte Betrachtung

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Problemfeld 7

Vorbereitung auf das Berufsleben möglich wird. Für den Bereich der Unter-nehmen entstehen die Vorteile vor allem dadurch, dass der integrierteAnsatz mehr Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen den Mitarbeiternbietet und dadurch eine bessere Basis für die Weiterentwicklung der Orga-nisation geboten wird.

Der Aspekt der Aufgabenstellung ist ein Beispiel dafür, dass eine Unterstüt-zung kollaborativen Lernens nicht nur auf die Gestaltung technischerSysteme beschränkt ist. Vielmehr kommt es auf eine integrierte Betrach-tung von Technik, Organisation und sozialen Faktoren an. Sozio-techni-sche Systeme kombinieren menschliche Akteure in sozialen Systemen mittechnischen Systemen. Die Tradition sozio-technischer Systemgestaltungbeginnt in den 50er Jahren mit Studien im englischen Kohlebergbau und inder indischen Textilindustrie am Tavistock-Institut in London [Eijnatten(1993)]. Anlass für umfangreichere Studien waren Probleme, die darausresultierten, dass ein eingeführtes technisches System und das vorhan-dene soziale System nicht aufeinander abgestimmt waren [Trist & Bam-forth (1951)]. Dieser Ansatz basierte auf der Annahme, dass Unternehmenoffene Systeme, d.h. abhängig von äußeren Faktoren, seien. Die Arbeitenwurden von Thorsrud in den 60er Jahren in Projekten zur industriellenDemokratie in Norwegen übernommen [Emery & Thorsrud (1976)]. Mum-ford bezog diese auf die Entwicklung von Computersystemen [Mumford(1987)].

Während die Forscher am Tavistock-Institut auf die damaligen Ansätze derSystemtheorie zurückgriffen und dabei die Offenheit von Systemen in denVordergrund stellten, bauen neuere Betrachtungen der sozio-technischenSystemgestaltung auf der Systemtheorie nach Luhmann auf [Luhmann(1997)]. Diese geht davon aus, dass es operational geschlossene Systemegibt, d.h., dass sie autonom und damit nicht von außen steuerbar sind. EinSystem besteht dabei aus Elementen, die in bestimmten Relationen zuein-ander stehen und sich gegenüber einer Umwelt abgrenzen. So wird einsoziales System aus einem Geflecht von Kommunikationen als elementa-ren Einheiten gebildet. Kommunikation findet dabei zwischen psychischenSystemen (Systeme, die auf Gedanken basieren) statt und erzeugt Sinnsy-steme (Geflecht von Bedeutungen, basierend auf Zeichen). Soziale undpsychische Systeme sind Beispiele für autonome Systeme. Demgegen-über sind technische Systeme Artefakte, die in Verbindung mit kontrollie-renden Handlung ihrer Herstellung, Veränderung oder Nutzung stehen. Sie

sozio-techni-sche Systemge-staltung

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8 Einleitung

werden von Menschen erschaffen und sind kontrollierbar. Sozio-technischeSysteme integrieren Elemente sozialer und technischer Systeme. Die Ele-mente prägen sich dabei gegenseitig: einerseits können sich Kommunika-tionen auf die kontrollierenden Handlungen beziehen. Andererseitserweitern oder reduzieren die kontrollierenden Handlungen die Möglichkeitzu weiterer Kommunikation.

Betrachtet man die Entwicklung der Unterstützung kollaborativen Lernensals ein Problem sozio-technischer Systemgestaltung, dann wird ihre Inter-disziplinarität deutlich. Darauf wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

1.2 Interdisziplinärer Charakter der ArbeitDie beteiligten Disziplinen (vgl. Abbildung 1) behandeln in ihrem Schwer-punkt unterschiedliche Aspekte des sozio-technischen Systems der Unter-stützung kollaborativen Lernens. So beschäftigt sich die Informatik mit derGestaltung technischer Systeme, während sich die Disziplin der Pädagogikverstärkt um jene sozialen Systeme kümmert, die sich auf Kommunikationzwischen den psychischen Systemen Lehrender und Lernender bezieht.Der Hintergrund der Kommunikationswissenschaften liefert Einsichten inKommunikationen, die die Elemente sozialer Systeme sind. Eher amRande beteiligt sind die Disziplinen der Psychologie (hier insbesondere dieArbeits- und Organisationspsychologie) und der Wirtschaftswissenschaf-ten, die sich um die sozialen Systeme der Organisationen kümmern.

Abbildung 1. Beteiligte Disziplinen an der Gestaltung computervermittelten kollaborativen Lernens

Diese Arbeit ist in der Informatik verankert, weil aus dieser Disziplin innova-tive Impulse bei der Technikgestaltung eingebracht werden können. Zudem

beteiligte Diszi-plinen

Informatik

PädagogikKommunikations-

wissenschaft

Wirtschafts-wissenschaften

A&O-Psychologie

Gestaltung computervermittelten

kollaborativen Lernens

Verankerung in der Informatik

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Ziel der Arbeit 9

ist dadurch möglich, die Anforderungen aus der Beschäftigung mit sozio-technischen Systemen auf die Machbarkeit hinsichtlich der Technik zu prü-fen. Nicht zuletzt können während der Erprobungsphase eines neu konzi-pierten technischen Systems Veränderungen an diesem technischenSystem notwendig werden, die Kenntnisse aus der Informatik erfordern.Schließlich schafft diese Arbeit eine Grundlage für die Entwicklung zukünf-tiger technischer Systeme zum kollaborativen Lernen, indem sie empirischfundierte Gestaltungsempfehlungen für solche Systeme zusammenfasst.

Der dieser Arbeit zu Grunde liegende Ansatz der sozio-technischenSystemgestaltung erkennt die Autonomie der psychischen Systeme an.Auf solche Ansätze aus der Informatik, die die Autonomie nicht beachten,wird deshalb in dieser Arbeit nicht eingegangen. Beispiele für dieseAnsätze sind maschinelles Lernen [Mitchell (1997)], Roboterforschung[Gibilisco (1994)] oder die Forschung zu Ontologien [Mädche et al. (2001)],die alle eine Kontrollierbarkeit dieser Systeme unterstellen. Eng mit dengrundlegenden Annahmen der sozio-technischen Systemgestaltung ver-bunden hingegen ist die Forschungsrichtung der partizipativen Systemge-staltung [Greenbaum & Kyng (1991)], die CSCW-Forschung [Greif (1988)]oder die interdisziplinäre CSCL-Foschung [Koschmann (1996)].

1.3 Ziel der ArbeitZiel der Arbeit ist die empirisch fundierte Konzeption und Evaluation einessozio-technischen Systemtyps zum gemeinsamen, computervermitteltenproblemorientierten Lernen, der die Stärken von Wissensmanagement undkollaborativem Lernen verbindet. Dabei wird diese Arbeit nicht abschlie-ßend das sehr komplexe Problem der Integration von Lernen in Institutio-nen und Unternehmen lösen, sondern vielmehr einen Zyklus in demkontinuierlichen Verbesserungsprozess von Umgebungen zur Unterstüt-zung kollaborativen Lernens darstellen.

Zur Erreichung des Ziels werden explorative Fallstudien zum betrieblichenWissensmanagement durchgeführt. Auf Grund der in den Fallstudiengewonnenen Ergebnisse werden ausgewählte Gesichtspunkte in einemSystem umgesetzt, das als KL-Umgebung im universitären Zusammen-hang eingesetzt und erprobt wird.

Der Systemtyp wird kommunikationstheoretisch fundiert sein. Dazu wirdein theoretischer Rahmen für medial vermittelte Kommunikation in kollabo-

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10 Einleitung

rativen Prozessen erarbeitet. Zudem soll dieser Systemtyp zur Lösungeiner Menge empirisch gefundener Probleme herangezogen werden kön-nen und eine Integration von Wissensmanagement und kollaborativem Ler-nen darstellen, indem in enger Verbindung die Kommunikation und dieVerteilung von Material unterstützt werden.

1.4 LösungsideeDie zentrale Idee der Arbeit ist es, Formen der Kommunikationsunterstüt-zung anzubieten, die sowohl Ansätze des Wissensmanagements und deskollaborativen Lernens als auch deren Verbindung unterstützen. Dazu istinsbesondere ein fließender Übergang zwischen der Bereitstellung vonMaterialien (Verteilmedien, z.B. Workspaces) und adressierter Kommuni-kation (z.B. E-Mail) in einem technischen System vorgesehen. DieserÜbergang stellt eine besondere Form der Kommunikationsunterstützungdar, deren Notwendigkeit zuvor skizziert wurde und im weiteren Verlauf derArbeit vertieft wird.

Zudem sollen zu Grunde liegende kollaborative Prozesse analysiert und fürdie verschiedenen Prozessphasen geeignete Unterstützungen angebotenwerden. Dabei soll auch auf die Bedeutung einer ausgezeichneten Rolle,ihre Aufgaben und notwendigen Voraussetzungen eingegangen werden,

um so auch triadische2 Kommunikationsstrukturen unterstützen zu können.Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist somit vornehmlich die Betrachtungvon Mechanismen zur Kommunikationsunterstützung in kollaborativen Pro-zessen und weniger die Aufbereitung von Inhalten, die Gestaltung von Auf-gaben oder Möglichkeiten zur Lernkontrolle.

Der Begriff der Kommunikation wird in der Literatur sehr breit verwendet[Krippendorf (1994)]. So wird beispielsweise auch die Bereitstellung vonInhalten etwa bei Massenmedien als Kommunikation bezeichnet. Massen-medien sind gekennzeichnet durch einen in der Regel bekannten Autorund eine ggf. große Menge wenig bekannter Adressaten. Am anderenEnde des Spektrums bezeichnet Kommunikation die Interaktion zweierPersonen, die Punkt-zu-Punkt und durch Sprache vermittelt ist. Diese Inter-aktion ist gekennzeichnet durch einen identifizierbaren Sprecher und einenidentifizierbaren Hörer, die ihre Rolle wechseln können.

2. triadisch = drei Kommunikationspartner

fließender Über-gang zwischen Bereitstellung von Materialien und adressierter Kommunikation

weitere Bestand-teile der Lösung

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Lösungsidee 11

Zur Eingrenzung des Themas dieser Arbeit soll eine Beschränkung desKommunikationsbegriffs vorgenommen werden. Kommunikation im Sinnedieser Arbeit ist potenziell dialogisch (d.h. jeder kann potenziell Mitteilendersein), es besteht die Möglichkeit zu adressierter Kommunikation und dieKommunikationsteilnehmer sind identifizierbar. Die Menge der Rezipientenkann dabei auch aus mehreren Personen bestehen. Ein Autor einesBuches kommuniziert in diesem Sinne nicht mit seiner Leserschaft, da die-ser Austausch weder dialogisch ist (der Autor wendet sich als Sender anden Leser, der Leser kann sich in der Regel aber nicht an den Autor wen-den), noch die Teilnehmer identifiziert werden können. Wird dieses Buchjedoch beispielsweise im Web in Kombination mit einer Diskussionsmög-lichkeit angeboten, die eine identifizierbare Gruppe (z.B. durch einen per-sonalisierten Zugang) einschließlich des Autors nutzen kann, kann vonKommunikation im Sinne dieser Arbeit gesprochen werden. Die Diskussi-onsmöglichkeit eröffnet allen Teilnehmern die Möglichkeit, sich dem Autormitzuteilen.

Die Betrachtung der Kommunikationsunterstützung orientiert sich an einerForschungsrichtung, die sich mit der Bedeutung des Kontextes für dieKommunikation auseinandersetzt [Ungeheuer (1982)]. Unter Kontext wirddabei der Ausschnitt der Umwelt verstanden, der die Kommunikationspart-ner in ihren Handlungen beeinflusst und zur Verständigung herangezogenwerden kann. Dieser Forschungsrichtung liegt die Annahme zu Grunde,dass Kontext für das Gelingen der Kommunikation und damit auch für kol-laboratives Lernen von großer Bedeutung ist [Hiltz & Turoff (1985)]. Dergeplante fließende Übergang zwischen Bereitstellung von Materialien undadressierter Kommunikation wird dabei die flexible Bereitstellung und Dar-stellung von Kontextinformationen realisieren. Die Betrachtung der Kom-munikation erfolgt in dieser Arbeit an Hand eines kontext-orientiertenKommunikationmodells, das in Dialogen mit Thomas Herrmann entwickelt,modifiziert und bereits veröffentlicht wurde (siehe [Herrmann & Misch(1999)], [Herrmann (2001)], [Misch (2001)]). Dabei wurden die Inhalte desModells maßgeblich von der Autorin dieser Arbeit eingebracht, währendThomas Herrmann der Diskussion verstärkt Modellierungs- und Visualisie-rungsaspekte hinzufügte. Eine weitere Leistung dieser Arbeit soll zudem inder Adaption dieses Modells auf besondere Bedingungen gemeinsamenLernens bestehen.

Kommunikation potenziell dialo-gisch und adres-siert

Kommunika-tionsunterstüt-zung in Anleh-nung an Kontextfor-schungen

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12 Einleitung

1.5 Geplantes VorgehenAuf der Basis der Lösungsidee werden theoretische Grundlagen und tech-nische Systeme vorgestellt. Dabei werden die Bereiche des computerge-stützten, betrieblichen Wissensmanagements und des computer-vermittelten, kollaborativen Lernens mit besonderem Augenmerk auf dieKommunikationsunterstützung untersucht. Es ist besonders bedeutsam,beide Bereiche zu betrachten, da sie an unterschiedlichen PunktenSchwachstellen zeigen und zugleich so viele Gemeinsamkeiten aufweisen,dass sie voneinander lernen können. Unterschiedliche Rahmenbedingun-gen in den beiden Bereichen verlangen unterschiedliche Vorgehenswei-sen.

Die Untersuchungen zum betrieblichen Wissensmanagement stützen sichauf explorative Studien, da es hier darum geht, Aussagen aus dem Praxis-umfeld aufzunehmen, die als Grundlage und Ergänzung für spätere experi-mentelle Studien wichtig sind. Zusätzlich bietet das Umfeld auf Grundknapper Ressourcen und wenig Experimentiermöglichkeiten kaum Raumfür experimentelle Studien.

Im universitären Umfeld hingegen bieten sich die Möglichkeiten zu experi-mentellen Untersuchungen. Aus diesem Grunde werden ausgewählteErgebnisse aus der Beschäftigung mit der Literatur und den Studien zumbetrieblichen Wissensmanagement in einem technischen System umge-setzt und erprobt. Dieses technische System stellt einen ersten Schritt inRichtung einer Integration von kollaborativem Lernen und Wissensmana-gement dar. Die umgesetzten Funktionalitäten sollen sich auf die Unterstüt-zung kontextorientierter Kommunikation und ihre enge Verbindung zurDarstellung von Materialien konzentrieren.

Die Eingliederung der Arbeit in einen breiteren Forschungszusammenhangin Form von Forschungsprojekten und Lehrveranstaltungen brachte es mitsich, dass die Durchführung der betrieblichen Fallstudien und die Konzep-tion, Entwicklung und Erprobung der integrierten Umgebung teilweise par-allel verlief. Wegen der Fülle der Anforderungen aus der Studie zumbetrieblichen Wissensmanagement konnten bis zur Durchführung desSeminarexperimentes nicht alle Anforderungen umgesetzt werden. Eswurde jedoch darauf geachtet, dass wesentliche Anforderungen, die dieIntegration von Wissensmanagement und kollaborativem Lernen sowie dieKommunikationsunterstützung betrafen, für den Prototypen im Seminarex-periment zur Verfügung standen.

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Aufbau der Arbeit 13

Eine empirische Basis für diese Arbeit bildet eine frühere Studie zum Ein-satz von E-Mail- und Chat-Kommunikation. In dieser Studie aus dem Jahre1997 wurde eine Forschergruppe mit insgesamt 12 Personen (eine Lei-tungsperson, vier wissenschaftliche Mitarbeiter, sechs studentische Mitar-beiter und eine Sekretärin) über ein halbes Jahr in ihrercomputervermittelten Kommunikation beobachtet und abschließendbefragt. Eine Besonderheit dieser Gruppe bestand darin, dass das leitendeMitglied zu Beginn der Studie die gewohnte Face-to-Face-Situation wegeneines Forschungsaufenthaltes verließ und Kommunikation mit den anderenGruppenmitgliedern fast ausschließlich computervermittelt möglich war. AnHand dieser Studie wurde geprüft, inwieweit das kontext-orientierte Kom-munikationsmodell zur Erklärung von Mißverständnisentstehung in compu-tervermittelten Situationen geeignet ist und wie darausGestaltungsvorschläge für computervermittelte Kommunikationsunterstüt-zung angegeben werden können. Eine ausführliche Darstellung der Studiefindet sich in [Misch (1997)].

1.6 Aufbau der ArbeitIn Kapitel 2 werden die in der Arbeit benötigten Grundlagen aus den Berei-chen Kommunikation, Lernen und Wissensmanagement entlang derwesentlichen Grundbegriffe vorgestellt. Dabei wird eine zusammenfas-sende Betrachtung Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen kollabo-rativen Lernumgebungen und Wissensmanagementsystemen zeigen.

Kapitel 3 gibt einen Überblick über heute eingesetzte Systeme und derenAnwendungen. An Hand ausgewählter Beispiele werden typische System-funktionalitäten vorgestellt. Dieser wird durch empirische Arbeiten aus derLiteratur ergänzt, die bestehende Erfahrungen im Umgang mit solchenSystemen zeigen.

Kapitel 4 widmet sich der explorativen Studie zum betrieblichen Wissens-management, während in den folgenden Kapiteln die Anforderungen anintegrierte Systeme zusammengefasst (Kapitel 5) und die Umsetzungeines integrierten, technischen Systems (Kapitel 6) sowie dessen Erpro-bung (Kapitel 7) im universitären Umfeld und durch die Benutzung vonArbeitsgruppen dargestellt werden.

In Kapitel 8 werden die Ergebnisse aus den beschriebenen Studien kritischreflektiert und zur Gesamtkonzeption eines sozio-technischen Systemtyps,

empirische Basis

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4-7

Kapitel 8

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14 Einleitung

der die Kommunikation und Bereitstellung von Materialien (und damitwesentliche Konzepte des kollaborativen Lernens und des Wissensmana-gements) integriert, genutzt. Zudem wird auf notwendige Voraussetzungenund Aktivitäten einer ausgezeichneten Rolle, die den Kommunikationspro-zess zwischen Lernenden begleitet, eingegangen.

Im abschließenden Kapitel 9 werden die wesentlichen Ergebnisse derArbeit dargestellt und weiterer Forschungsbedarf abgeleitet.

Kapitel 9

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Kapitel 2. Grundbegriffe und Grundlagen

In diesem Kapitel werden an Hand wichtiger Grundbegriffe die für dieseArbeit wesentlichen theoretischen Grundlagen aus den Bereichen Kom-munikation, Lernen und organisationalem Lernen bzw. Wissensmanage-ment vorgestellt. Dabei steht Wissensmanagement als einbetriebswirtschaftlich-orientierter Ansatz zur Gestaltung und Unterstüt-zung von Wissensarbeit und organisationalem Lernen auf einer überge-ordneten Ebene (Metaebene). Es soll hier dennoch im Zusammenhangmit organisationalem Lernen als Basis für die Beschäftigung mit Wis-sensmanagement-Systemen (WM-Systemen) erläutert werden. In derzusammen-fassenden Betrachtung werden Gemeinsamkeiten undUnterschiede der Einsatzbereiche von KL-Umgebungen und WM-Syste-men herausgearbeitet. Erst diese Differenzierung ermöglicht das Auffin-den von Integrationspotenzialen.

Zunächst widmet sich dieses Kapitel Forschungen zu Kommunikation,dem zentralen Element sozialer Systeme. Zudem ist die Betrachtung vonRollen wichtig. Eine Rolle ist im Sinne der Systemtheorie [Luhmann(1987)] eine Menge spezifischer Kommunikationsakte. Diese Betrach-tung leitet über zu dem sozialen System des kollaborativen Lernens.Schließlich soll auf das Zusammenspiel der Elemente des sozio-techni-schen Systems eingegangen werden, indem auf Basis von Literaturana-lyse mit der Betrachtung von Szenarien ein Prozessmodell kollaborativenLernens erarbeitet wird. Für dieses und für alle weiteren Modelle dieserArbeit wird die Modellierungsmethode SeeMe (vgl. [Herrmann & Loser(1999)], [Herrmann et al. (1999)]) verwendet, die die Darstellung, Ana-lyse und partizipative Entwicklung sozio-technischer Systeme erlaubt.Einen kurzen Überblick über diese Methode findet sich in Anhang D.Wegen des besonderen Augenmerks auf technisch unterstützte Kommu-nikationsprozesse werden abschließend Anforderungen an Kommunika-tionsunterstützungen, die aus der theoretischen Betrachtung resultieren,zusammengefasst.

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16 Grundbegriffe und Grundlagen

2.1 Kommunikation

2.1.1 Kommunikationstheorien

Vielfach wird Kommunikation an Hand des Sender-Empfänger Modellsnach Shannon und Weaver erklärt, das ursprünglich zur Verdeutlichung dertelegrafischen Vermittlung von Botschaften diente [Shannon & Weaver(1949)]. Dementsprechend steht die Übertragung einer Nachricht im Vor-dergrund, während die Kommunikationspartner, die Nachricht selbst odersoziale Aspekte keine Berücksichtigung finden. Im Folgenden soll näherauf Kommunikationstheorien mit Fokus auf zwischenmenschliche Aspekteeingegangen werden.

So wird in der Systemtheorie Kommunikation als Voraussetzung zur Bil-dung sozialer Systeme verstanden. Luhmann spricht von Kommunikation

als „spezifische Operation [...], deren autopoietischer1 Prozess zur Bildungsozialer Systeme in entsprechenden Umwelten führt“ [Luhmann (1997), S.80].

Maturana & Varela betrachten vor dem Hintergrund ihrer neuro-biologi-schen Position Kommunikation als „eine besondere Klasse von Verhaltens-weisen“ [Maturana & Varela (1987), S. 208]. Für sie entstehtKommunikation nicht aus einem Mechanismus, der sich von anderem Ver-halten unterscheiden lässt, sondern tritt immer im Bereich sozialen Verhal-tens auf. Die Autoren gehen sogar so weit, dass sie alle Verhaltensweisen,die in sozialen Kopplungsbereichen auftreten, als kommunikativ ansehen.

Auch Watzlawick und andere bezeichnen „nicht nur die Sprache, sondernalles Verhalten“ als Kommunikation [Watzlawick et al. (1990), S. 23]. DieseDefinition bildet die Grundlage zu dem Watzlawickschen Axiom: „Man kannnicht nicht kommunizieren“. Eine Besonderheit der Kommunikationsbe-schreibung bei Watzlawick ist die Betrachtung von Inhalts- und Bezie-hungsaspekt eines Kommunikationsausdrucks [Watzlawick et al. (1990), S.57 ff]. Dies impliziert die Betrachtung der Kommunikationspartner und ihrerBeziehung zueinander.

Stärker noch als Watzlawick geht Schulz von Thun in seiner Darstellungmenschlicher Kommunikation auf die Kommunikationspartner und derenBeziehung untereinander ein, indem der Beziehungsaspekt einer Nachricht

1. autopoiesis = selbst erzeugend; griechisch: auto = selbst; poiesis = machen, hervorbringen

Shannon/Weaver

Kommunikation als Voraus-setzung sozialer Systeme

Kommunikation als Verhalten

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Kommunikation 17

unterteilt wird in Selbstoffenbarung, Beziehung und Appell [Schulz vonThun (1981), S. 25 ff].

Neben dieser psychologischen Betrachtung existiert die soziologische Her-angehensweise, die Kommunikation als Handlung sieht. So widersprichtRusch in seinen Arbeiten dem Watzlawickschen Axiom und definiert Kom-munikation als Orientierungshandeln. Für Rusch hat Watzlawick „Kommu-nikation mit subjektiver Informationserzeugung und beliebiges Verhaltenbzw. Handeln mit Orientierungshandeln verwechselt“ [Rusch (1994), S.66], [Rusch (1992)]. Deshalb schlägt er die Orientierungsintention alsunterscheidendes Merkmal zwischen Kommunikation und subjektiver Infor-mationserzeugung vor. Nach dieser Definition wird es auch möglich, dassman nicht kommuniziert.

Auch Köck stellt in seiner Definition die Orientierungsintention in den Vor-dergrund und beschreibt Kommunikation als „Klasse spezifischer intentio-naler Interaktion zwischen Lebewesen, die [...] vermittelt mit Hilfe vonZeichen ablaufen“ [Köck (1996), S. 359]. Genauer spricht er von Kommuni-kation als „semiotischer Interaktion aller Art“ [Köck (1996), S. 359]. Mit die-ser Definition der Kommunikation als Interaktion betont Köck, dass sich dieHandlung „Kommunikation“ wechselseitig auf andere bezieht. Als Interak-tion kann man in Anlehnung an diese Definition für die vorliegende Arbeitfesthalten:

Interaktion: Menschliche Handlungen, die wechselseitig aufein-ander bezogen sind. Die Bezugnahme dabei ist intentional.

Als Grundelemente von Interaktion werden Blicke, Gesten, Haltungen undsprachliche Äußerungen genannt [Goffman (1971)]. Kommunikation istdann als eine spezielle Art von Interaktion zu verstehen, bei der die Bedeu-tung von Zeichen offensichtlich wird. Auch der Anfang der 1930er Jahreaufgekommene symbolische Interaktionismus beschäftigt sich mit durchSymbole vermittelter Interaktion. Diese Interaktion ist dadurch gekenn-zeichnet, dass sie „im Individuum, das sie ausführt, die gleiche Haltungsich selbst gegenüber auslöst wie in den anderen Individuen“ [Mead(1978), S. 85]. Mead weist in diesem Zusammenhang auf die besondereBedeutung von Sprache hin: „...drückt man aber durch seinen eigenenvokalen Prozess etwas Signifikantes aus, so sagt man es zu sich selbstgenauso wie zu jedermann innerhalb der Reichweite der eigenen Stimme,weil man nur bei der vokalen Geste so wie andere Personen reagiert, oderzumindest dazu neigt“ [Mead (1978), S. 107].

Kommunikation als Handeln

Kommunikation als Interaktion

Kommunikation = durch Zeichen vermittelte Inter-aktion

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18 Grundbegriffe und Grundlagen

Zeichen sollen hier in Anlehnung an die Arbeiten von Peirce zu Anfang des20. Jahrhundert als „triadische Relation“ von Repräsentnamen, Objekt undInterpretanten verstanden werden [Peirce (1998), S. 63]. Diese Betrach-tung weist mit dem Interpretanten auf eine besondere Eigenschaft mensch-licher Kommunikation hin: In der Kommunikation werden Repräsentnamenvermittelt, die von den Kommunizierenden zu interpretieren sind. DieseEigenschaft wurde bereits in den 1930er Jahren in der phänomenologi-schen Soziologie aufgegriffen: „Der Deutende entwirft die wahrgenom-mene Setzung gedeuteter Zeichen als ein von ihm zu setzendes Handeln[...] Ähnliches gilt für den Zeichensetzenden. Dieser setzt seine Zeichen,um vom Sinndeutenden verstanden zu werden.“ [Schütz (1974), S. 177].Auf Basis der Arbeiten von Schütz untersucht die Ethnomethodologie inden 1960er Jahren mit empirischen Methoden den Einfluss der Umgebungauf die Interpretation von Personen [Garfinkel (1967)].

Dies weist auch darauf hin, dass der Interpretant abhängig vom Kontext ist:„In der Kommunikation überlebt eine Interpretation als Bedeutung derNachricht, wenn sie in der begrifflichen Umwelt Sinn ergibt, die der Inter-pret aus den gegebenen Wörtern und ihrem situativen Kontext ableitet.“[von Glasersfeld (1996), S. 232.] Im weiteren Verlauf der Arbeit wirdgezeigt, dass Kommunikationsmissverständnisse als Folge unterschiedli-cher Interpretationen der Kommunikationspartner aufgefasst werden kön-nen.

Die von von Glaserfeld genannte Bedeutung des Kontextes wird auch vonUngeheuer aufgegriffen. Er betrachtet unter dem Begriff des äußeren Kon-textes die wahrnehmbare Situation, ermöglicht aber keine Differenzierungder Kontextbetrachtung abhängig von den unterschiedlichen Kommunikati-onspartnern [Ungeheuer (1982)]. Das kontext-orientierte Kommunikations-modell ([Herrmann & Misch (1999)], [Herrmann (2001)], [Misch (2001)])kombiniert die Betrachtung des Kontextes und der Kommunikationsaktivi-täten. Dieses Modell baut auf den Arbeiten von Ungeheuer auf und gehtvon Maturana und Varelas neuro-biologischen Forschungsergebnissen derinformationalen Geschlossenheit lebendiger Systeme aus [Maturana &Varela (1987)]. Dies bedeutet, dass das menschliche Gehirn sich die Vor-stellungen über seine Umgebung nach der Maßgabe des eigenen Erkennt-nisapparates konstruiert. So wie dasselbe Phänomen von zwei Menschen

Bedeutung des Kontextes

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Kommunikation 19

unterschiedlich erfahren und verstanden wird, so wird auch derselben Mit-teilung niemals ein und dieselbe Bedeutung zugewiesen.

Abbildung 2. zeitliche Einordnung der Forschungen zum Bereich Kommunikation

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20 Grundbegriffe und Grundlagen

Das kontext-orientierte Kommunikationsmodell ist mit dem Ziel entstanden,ein Instrument zur Aufdeckung von Kommunikationsmissverständnissen zuentwickeln. In der Vorstudie zu dieser Arbeit (vgl. Kapitel 1) wurde diesesModell genutzt, um die E-Mail Kommunikation der untersuchten Forscher-gruppe zu analysieren, Ursachen für Missverständnisse zu identifizierenund Maßnahmen zu deren Vermeidung anzugeben.

In Anlehnung an die vorgestellten Definitionen wird in dieser Arbeit Kom-munikation wie folgt verstanden:

Kommunikation: Durch Zeichen vermittelte Interaktion, wobei auf gemeinsamen Kontext Bezug genommen wird.

In der Kommunikationsforschung wird versucht, kommunikative Ereignissein Kategorien einzuteilen. So wird in der Sprechakttheorie ([Austin (1955)],[Searle (1971)]) unterschieden, welche verschiedenen übergeordnetenSozialhandlungen jeweils mit einer kommunikativen Äußerung vollzogenwerden. Typische Sprechakte sind z.B. Aufforderungen, Fragen, Begrün-dungen oder Versprechen.

Im folgenden Abschnitt wird auf den Kontext und seine Bedeutung für dieKommunikation eingegangen, bevor in Abschnitt 2.1.3 das kontext-orien-tierte Modell als Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit ausführlichdargestellt wird. Zur Übersicht fasst Abbildung 2 die hier genannten Arbei-ten zu Kommunikation und Kontext zusammen. Die eingetragenen Pfeilemarkieren das Erstveröffentlichungsjahr der vorgestellten zentralen Ideenauf der Zeitachse.

2.1.2 Der Kontext einer Kommunikation

Kommunikation ist immer eingebettet in einen Kontext, der die Kommuni-kationspartner in der Regel in ihren Handlungen stark beeinflusst. So kön-nen die Kommunikationssituation, insbesondere auch kultureller oderorganisatorischer Kontext, die Kommunikation abstützen. Sproull und Kies-ler betrachten beispielsweise die Wirkung des organisatorischen Kontextesin Verbindung mit Perspektiven auf den geografischen Kontext und diejeweilige Kommunikationssituation [Sproull & Kiesler (1988), S. 688 ff.].

Fehlender Kontext dagegen kann die Kommunikation erschweren. Watzla-wick und andere beschreiben Schwierigkeiten bei Kommunikationspart-nern unterschiedlicher Kulturkreise, die sich den kulturellen Kontext nicht

Sprechakttheorie

organisatori-scher Kontext

kultureller Kon-text

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Kommunikation 21

bewusst machen, da solche Verhaltensformen „meist völlig außerbewusstablaufen“ [Watzlawick et al. (1990), S. 20].

Der Kontext eines Kommunikationsgeschehens, hier wie auch in anderenPublikationen „äußerer Kontext“ genannt, setzt sich aus verschiedenen Tei-len zusammen. Zum einen sind Ausschnitte der Umwelt, in der sich dieKommunizierenden befinden, als Kontext anzusehen. Scherer spricht indiesem Zusammenhang von der physikalischen Dimension der Situation,die er zusammen mit der sozialen und informatorischen Dimension als diedrei Grunddimensionen des situationalen Raumes aufführt [Scherer(1984), S. 51ff].

Zum anderen bildet das Verhalten der Kommunizierenden selbst einen Teildes Kontextes [Ducrot & Todorov (1987), S. 333 ff.]. Dabei ist das extra-kommunikative und das kommunikative Verhalten zu unterscheiden. AllesVerhalten, das nicht kommunikativ gemeint, also nicht als Mitteilung konzi-piert ist, wird extra-kommunikatives Verhalten genannt. Es bildet den Teildes Kontextes, der unmittelbar zur Überprüfung des Verständigungserfol-ges herangezogen werden kann. Äußerungen, die einem aktuellen kom-munikativen Ausdruck vorangehen, bilden dessen kommunikativenKontext. Die Kommunizierenden können nicht den gesamten Kontextwahrnehmen und von dem Wahrnehmbaren nehmen sie auch nur einenTeil wirklich wahr.

Wahrgenommener Kontext bildet den inneren Kontext. Der innere Kontext,in einigen Publikationen auch innere Erfahrungen genannt, eines Kommu-nikationspartners ist für andere unzugänglich. „Diese inneren Erfahrungen,die nicht unter das beschriebene Arrangement der äußeren Erfahrungengebracht werden können, machen jenes ´Fürsichsein und Innesein‘ dermenschlichen Individuen aus“ [Ungeheuer (1982), S. 307].

Nur solche Teile des äußeren Kontextes können die Kommunikation unter-stützen, die von allen Kommunikationspartnern gemeinsam wahrgenom-men werden bzw. wurden und somit zu deren jeweiligen inneren Kontextgehören. Clark und Brennan sprechen vom gemeinsamen Kontext als„common ground“ einer Kommunikation [Clark & Brennan (1991)], Aktivitä-ten, die zur Annäherung der inneren Kontexte der Kommunikationspartnerführen, als „grounding“. Auch die Entwicklung eines gemeinsamen Ver-ständnisses von Begriffen oder Symbolen, so wie sie im kommunikativenAusdruck verwendet werden, entwickelt sich erst in solchen sozialen Hand-

äußerer Kontext

Verhalten der Kommunizieren-den als Kontext

innerer Kontext

Entstehung eines gemeinsa-men Kontextes

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22 Grundbegriffe und Grundlagen

lungen [Stryker (1976)]. Dadurch wird betont, dass auch vergangene Kom-munikationsausdrücke zu dem Kontext einer Kommunikation gehören.

Kurz zusammengefasst lässt sich für den Kontext folgende Definition ange-ben:

Kontext: Ausschnitt der Umwelt, der menschliche Individuen während der Interaktion in ihren Handlungen beeinflusst und zur Verständigungserleichterung und -sicherung herangezogen werden kann.

Soll Verständigung gelingen, so muss immer der Kontext beachtet undgegebenenfalls auch explizit auf ihn verwiesen werden. Menschliche Kom-munikation bietet die Möglichkeit zu non-verbaler Kommunikation, sowie zusemantisch und pragmatisch uneindeutigen, indirekten oder verkürztenÄußerungen. So umfangreich sie auch sein mögen, sie können oder sollennie den gesamten, den Inhalt betreffenden Kontext darstellen, sondern denRezipienten auf das Wesentliche lenken: „No representation is either com-plete or permanent. Rather any description is a snapshot of historical pro-cesses in which different viewpoints, local contingencies and multipleinterests have been temporarily reconciled.“ [Gerson & Star (1986), S.257].

2.1.3 Das kontext-orientierte Kommunikationsmodell

In dem kontext-orientierten Kommunikationsmodell wird die besondereRolle des Kontextes beachtet, indem zunächst zwischen innerem undäußerem Kontext differenziert wird. Zudem werden Elemente des äußerenKontextes wie gemeinsamer Kontext, wahrnehmbarer und wahrgenomme-ner Kontext unterschieden. Zum äußeren Kontext gehört also auch das,was in der Vergangenheit kommuniziert wurde. Neben der Differenzierungdes Kontextes wird in diesem Modell auch das Wechselspiel zwischen denAktivitäten der Kommunikationspartner und den verschiedenen Arten desKontextes beachtet.

Abbildung 3 gibt einen Überblick über die Elemente dieses Modells. Dabeiwird die Modellierungsmethode SeeMe verwendet, die in Anhang D einfüh-rend beschrieben wird. Einer Kommunikation liegt immer ein Prozess derEntwicklung von Vorstellungen bei den Kommunikationspartnern (hierdurch die Rollen A und B symbolisiert) zu Grunde. Es wird zunächst einKommunikationskonzept entwickelt (1), bevor ein Kommunikationsaus-druck erzeugt wird (2). Das Kommunikationskonzept bezieht sich auf eine

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Kommunikation 23

Idee, die der Mitteilende zu kommunizieren versucht. Ungeheuer spricht inseinem Ansatz von einem „Plan“ [Ungeheuer (1982), S. 316]. Der Mittei-lende nutzt zur Mitteilungskonzeption seinen inneren Kontext, der seineeigenen Einschätzungen und Erfahrungen beinhaltet (3).

Abbildung 3. Elemente im kontext-orientierten Kommunikationsmodell

Der Rezipient folgt zunächst dem Ausdruck. Die Idee von B (das, was derRezipient glaubt, was eigentlich vermittelt werden soll), entsteht aus derKombination von Erzeugung eines Eindrucks (4) und der Entwicklung einerVorstellung (5). Zur Vorstellungsentwicklung zieht der Rezipient nun sei-nerseits seinen inneren Kontext heran (6).

Dialog

Umwelt

Umwelt

äußerer KontextKon von A

wahrnehmbarer KonKon von B

gemeinsamer Konwahrgenommener Kon

wahrnehmbarer Kon

wahrgenommener Kon

B

aufnehmendes Handeln

Vor-stellung

ent-wickeln

aufnehmen

Ein-druck

er-zeugen

demAus-druckfolgen

Idee von BAusdrucks-abbild

RollentauschA

mitteilendes Handeln

mitteilen

Ideevon A

Kommunika-tionskonzept

Aus-druck

er-zeugen

Aus-druck

Vor-stellung

ent-wickeln

innerer Kontext von B

Partnerbild

Wissen

extra-kommunikativesVerhalten

extra-kommunikativesVerhalten

innerer Kontext von A

Partnerbild

Wissen

1 2 3 4 5 6

Mittei-lung

konzi-pieren

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24 Grundbegriffe und Grundlagen

Im Folgenden wird differenzierter auf die im Modell enthaltenen Aktivitätender Kommunikationspartner eingegangen. Die Differenzierung ist einErgebnis der empirischen Vorstudie und lässt sich zudem teilweise auchaus der Literatur heraus begründen. Sie ermöglicht zudem eine Analysebesonderer Probleme computervermittelter Kommunikation (vgl. Abschnitt2.1.5).

Aktivitäten des Mitteilenden

Die Aktivitäten des Mitteilenden werden in Abbildung 4 dargestellt. ZurKonzeption einer Mitteilung ist es notwendig, dass die Kommunikationsteil-nehmer das Vorwissen der Kommunikationspartner einschätzen. Der Mit-teilende macht sich ein Bild über den inneren Kontext des Rezipienten, dashier Partnerbild genannt wird. Abhängig vom Partnerbild entscheidet derMitteilende, was er in seinem Ausdruck expliziert und was er auslässt, weiler meint, dass dies bereits Teil des inneren Kontextes des Rezipienten ist.Je besser das Partnerbild ist, desto passender kann hier die Auswahlgetroffen werden. Durch das Auslassen kann sich die Kommunikation aufdas Wesentliche konzentrieren.

In der Regel gibt es zu einer Idee eine Menge von potenziellen Ausdrük-ken, mit denen diese mitgeteilt werden kann. Für eine konkret zu vermit-telnde Idee muss der Mitteilende deshalb aus einer Fülle von Möglichkeiteneine Beschreibung auswählen. Neben diesem Aspekt, der sich auch aufden Inhalt (Inhaltsaspekt) bezieht, spielt auch der Beziehungsaspekt[Watzlawick et al. (1990)] eine Rolle. Dieser Beziehungsaspekt ist eng mitdem wechselseitigen Aufbau von Partnerbildern verwoben. Dabei wird ein-geschätzt, in welchem sozialen Verhältnis man zum anderen steht. Dieshat Auswirkungen auf das Kommunikationskonzept; so werden beispiels-weise bei sozialer Gleichrangigkeit andere Ausdrücke verwendet als beisozialer Abhängigkeit. Wird die Beziehung falsch eingeschätzt, so kanndies wiederum Auswirkungen auf die Mitteilung des Inhalts haben. Auchvon Glasersfeld misst dem Partnerbild Bedeutung für die Kommunikationbei: „In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dienen Wörter als Werk-zeuge, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. [...] Sie sind auf die begriffli-chen Strukturen des Rezipienten gerichtet.“ [von Glasersfeld (1996), S.235] .

In seinem Ausdruck muss der Mitteilende auch Kontext thematisieren. InFace-to-Face Situationen kann der Mitteilende die physikalische Situation

Vorwissen des Rezipienten ein-schätzen

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Kommunikation 25

gut einschätzen, da sich die Kommunikationspartner zur selben Zeit amgleichen Ort befinden. Dennoch kann die Thematisierung des Kontextesnicht übergangen werden. Soll beispielsweise auf vergangenen KontextBezug genommen werden, muss dieser entsprechend im Ausdruck expli-ziert oder referenziert werden.

Abbildung 4. Aktivitäten des Mitteilenden in Face-to-Face Situationen

Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Rezipient die für den Mit-teilenden wirklich wichtigen Informationen auch aufnimmt, kann es hilfreichsein, die Aufmerksamkeit zu steuern und ggf. den Verständniserfolg zu prü-fen: „Allerdings haftet dieser Strategie - den Kommunikationserfolg mittelsweiterer Kommunikation zu überprüfen - prinzipiell die Möglichkeit unent-deckter Missverständnisse an“ [Herrmann (2001), S.17]. Diese Verständ-

nisunsicherheit wird durch die Begleitung extra-kommunikativen Handelns2

gemildert, da an Hand dessen Verständigungserfolg geprüft werden kann.Schließt der Rezipient beispielsweise nach der Aufforderung „Schließebitte das Fenster“ das Fenster, so kann der Mitteilende daran Verständi-gungserfolg erkennen.

Aktivitäten des Rezipienten

Auch der Rezipient einer Kommunikation hat einen aktiven Anteil an derKommunikation. Maturana und Varela bringen dies auf den Punkt: „DasPhänomen der Kommunikation hängt nicht von dem ab, was übermittelt

2. extra-kommunikatives Handeln = nicht kommunikativ gemeinte Handlungen

Mitteilung konzipieren

Vorwissen des Rezipienten einschätzen

Bekanntes und Unwesentlichesauslassen

geeignete Beschreibung finden

Aufmerksamkeit steuern

ggf. Verständniserfolg prüfen

Kontext thematisieren

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26 Grundbegriffe und Grundlagen

wird, sondern von dem, was im Empfänger geschieht.“ [Maturana & Varela(1987), S. 212]. Abbildung 5 gibt einen Überblick über die Aktivitäten desRezipienten.

Abbildung 5. Aktivitäten des Rezipienten in Face-to-Face-Situationen

Zunächst folgt der Rezipient dem Ausdruck. Dabei gilt es, die vom Mittei-lenden unterstellten Kontextbezüge zu identifizieren.

Im Zuge der Eindruckserzeugung hat der Rezipient die Aufgabe, den Aus-druck zum Kontext in Bezug zu setzen. Dabei wird einerseits der aktuelleund auch der vergangene äußere Kontext beachtet. Anderseits muss derRezipient auch seinen inneren Kontext einbeziehen. In die Idee von B, alsodas, was der Rezipient glaubt, was eigentlich vermittelt werden sollte, flie-ßen so nicht nur die Resultate des „Aufnehmens“, sondern auch der per-manenten „Vorstellungsentwicklung“ ein. Hier sollte der Rezipient auch dasWissen, das er über den Mitteilenden hat, mit einbeziehen und den Aus-druck vor diesem Hintergrund interpretieren. Bereits in den 1950er Jahrenwurde von Gerber erkannt, dass der Reiz, den ein Individuum erfährt,durch den Abgleich mit seinen internen Mustern eine Bedeutung erhält (in[Fiske (1990)]). Eine passende Interpretation zu finden, ist entscheidendauch von den Aktivitäten des Rezipienten abhängig. „In jedem Fall erfor-dert erfolgreicher Sprachgebrauch die Anstrengung des Rezipienten, einegeeignete Interpretation zu konstruieren“ [von Glasersfeld (1996), S. 235].

Sofern der Rezipient der Auffassung ist, dass er einen Zusammenhangnicht erkennt oder die Möglichkeit sieht, dass er Kontextbezüge falsch

aufnehmen

Eindruck erzeugen

ggf. weitere Informationenanfordern (statt Imagination!!)

Partnerbild beachten

inneren Kontext einbeziehen

zu äußerem Kontextin Bezug setzen

dem Ausdruck folgen

Kontextbezügeidentifizieren

Ausdruck folgen

Kontextinforma-tionen heranzie-hen

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Kommunikation 27

interpretieren könnte, sollten diese Bedenken explizit formuliert werden,damit der Mitteilende durch weitere Informationen Missverständnissen vor-beugen kann. Als ein Grund für Missverständnisse wird das Fehlen vonKontextinformationen angesehen, das durch Imagination seitens des Rezi-pienten ersetzt wird.

Im Alltag ist den Kommunikationspartnern die Trennung zwischen den Akti-vitäten „Ausdruck folgen“ und „Eindruck erzeugen“ häufig nicht bewusst.Jedoch mag dem Lehrenden die Situation vertraut sein, dass ein Lernen-der als Rezipient häufig in der Lage ist, eine Aufgabenstellung zu wieder-holen und die Bewältigung der Aufgabe zu versichern, was dem Folgendes Ausdrucks entspricht. Dabei hat der Lernende die Aufgabenstellungaber noch nicht zu seinem eigenen Kontext in Bezug gesetzt, so dass derLernende eventuell erst bei der Bearbeitung der Aufgabe feststellt, dassentscheidende Kontextinformationen, z.B. Hintergrundwissen zu demgestellten Thema, fehlen.

Auch bei der gemeinsamen Bearbeitung einer Aufgabe in einem Projekt-team eines Unternehmens kann ein Teilnehmer durchaus in der Lage sein,die Abmachung in der Gruppe zu wiederholen, eine bestimmte Teilaufgabebis zum nächsten Tag zu erledigen. Wenn er diese Zusage aber nicht zueventuell vorher geschlossenen Verabredungen (Teile des inneren Kontex-tes) in Bezug gesetzt hat, ist er nicht in der Lage, seine Zusagen zu erfül-len. Man kann die Verständigung also als nicht erfolgreich bezeichnen (dieTeilaufgabe ist am nächsten Tag nicht bearbeitet), obgleich die Aktivität„Ausdruck folgen“ missverständnisfrei durchgeführt werden konnte.

Für Rusch ist Kommunikation dann erfolgreich, wenn der Rezipient „einerOrientierungserwartung entspricht“ [Rusch (1992), S. 224)], d.h. so han-delt, wie es der Mitteilende erwartet. In computervermittelten Situationen istdieses „Entsprechen der Erwartung“ mitunter wegen räumlicher und/oderzeitlicher Trennung nur schwer nachzuvollziehen. Auf diese Problematikwird weiter unten eingegangen.

2.1.4 Die Moderation von Kommunikation

Das kontext-orientierte Kommunikationsmodell bezog sich bislang auf dieKommunikation zweier Teilnehmer und versucht, den Prozess der Verstän-digung zu erläutern. In vielen Situationen wie z.B. auch in kollaborativen

Ausdruck folgen und Eindruck erzeugen

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28 Grundbegriffe und Grundlagen

Lernprozessen sind an der Kommunikation jedoch mehr als zwei Kommu-nikationspartner beteiligt.

Abbildung 6. Moderation im kontext-orientierten Kommunikationsmodell

Dabei übernimmt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein Beteiligter die Rolledes Mitteilenden und es gibt mehr als einen Rezipienten. Dies ist in Abbil-dung 6 durch „Rollenübernahme“, abgekürzt „RÜ“ gekennzeichnet. In sol-chen Situationen werden die Aktivitäten der Aufmerksamkeitssteuerungund kommunikativen Lenkung von einer ausgezeichneten Rolle, einemModerator, übernommen. Die Übernahme einer Rolle bedeutet, dass dementsprechenden Individuum bestimmte Kommunikationsakte zufallen, dievon anderen beteiligten Rolle entsprechend erwartet werden. So wird bei-spielsweise von der Rolle des Mitteilenden erwartet, dass er einen Aus-druck produziert, von der Rolle des Moderators, dass er die kommunikativeLenkung übernimmt.

Abbildung 6 zeigt die Ergänzung des kontext-orientierten Kommunikations-modells um die Rolle des Moderators und seine Aktivitäten. Der Moderatorhat die besondere Aufgabe, durch mitteilendes Handeln (1) die Kommuni-

Dialog

aufnehmendes Handelnmitteilendes HandelnAusdruck

Umwelt

äußerer Kontext

Mitteilender

Kommunikation strukturieren

gemeinsamer Kon

strukturierenderBeitrag

visualisiertes/rKommunikationsergebnis

und -verlauf

Rollen-Übernahme

Moderator

1 2

3

1...nKommunikations-teilnehmer

1...nRezipient

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Kommunikation 29

kation durch Kommunikationsausdrücke zu strukturieren (2) und dies gege-benenfalls zu visualisieren (3). Hier wird deutlich, dass Rollen im Sinne derSystemtheorie als eine Menge spezifischer Kommunikationsakte (für denModerator die gerade genannten) verstanden wird. Auf die Rolle desModerators sowie auf weitere ausgezeichnete Rollen zur Unterstützungkollaborativen Lernens wird in Abschnitt 2.2.6 eingegangen.

2.1.5 Computervermittelte Kommunikation

Das besondere Problem computervermittelter Kommunikation im Vergleichzur Face-to-Face Kommunikation besteht darin, dass die unmittelbareSituation, in die die Kommunikationspartner jeweils eingebunden sind,weniger stark wahrnehmbar ist. Abbildung 7 fasst die Situation computer-vermittelter Kommunikation vor dem Hintergrund des kontext-orientiertenKommunikationsmodells zusammen. Die nicht ausgefüllten Elemente deu-ten dabei an, dass es die Elemente gibt, ohne dass diese näher spezifiziertwerden.

Abbildung 7. computervermittelte Kommunikation, modifiziert aus [Herrmann (2001)]

Wegen der Reduktion des direkt gemeinsam wahrnehmbaren Kontextes istmehr Aufwand zu betreiben, wenn die Kommunikation gelingen soll: „Indistributed work settings, there is a much greater need for refining and pak-kaging information into a meaningful context, in order to maximise the like-lihood that the intent of the message is received appropriately, and the

Reduktion des gemeinsamen Kontextes

aufnehmendes Handelnmitteilendes Handeln

innerer Kontext

Umwelt

äußerer Kontextdirekt von

A wahr-nehmbar

direkt vonB wahr-nehmbar

direkt gemeinsam wahr-nehmbar; abhängig vom

Medium reduziert

innerer KontextIuK-System

mitteilen

extra-komm.

Verhalten

aufnehmen

Ausdruck

online vermitteln extra-komm.

Verhalten

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30 Grundbegriffe und Grundlagen

recipient is also required to expend some effort in order to unpack this infor-mation, and hopefully be able to re-create the context of its transmission.“[Bannon & Bødker (1997), S. 87]. Hier sind zusätzliche Aktivitäten notwen-dig, um den kommunikativen Ausdruck in den „passenden“ Kontext zu stel-len. Diese Aktivitäten der Kontextualisierung konnten aus den Ergebnissender eigenen empirischen Studie abgeleitet werden und sind Gegenstandder folgenden Betrachtung. Dabei geben die textbegleitenden Abbildung 8und Abbildung 9 einen Überblick über die Aktivitäten der Kommunikations-partner in computervermittelten Situationen. Die Aktivitäten, die spezifischfür computervermittelte Kommunikation sind, werden fett umrandet darge-stellt.

Insgesamt muss der Mitteilende mehr Kontextinformationen als in einerFace-to-Face Kommunikation geben. Dazu ist genau abzuschätzen, wel-che Teile des Kontextes der Kommunikationspartner wahrnehmen bzw.wahrgenommen haben kann und welche Teile zu explizieren sind. Die Ein-schätzung des Vorwissens des Rezipienten bzw. des von ihm wahrgenom-menen Kontextes erhält dabei einen erhöhten Stellenwert, da derMitteilende wegen häufig mangelnder Möglichkeit zu direktem Feedbackmöglichst das explizieren sollte, was der Rezipient an Informationen zumNachvollzug des Ausdrucks benötigt.

Die Möglichkeit zur Wahrnehmung anderer in computervermittelten Situa-tionen ist Gegenstand einer Forschungsrichtung, die auch in Deutschlandmit dem Begriff „Awarenessforschung“ bezeichnet wird. Auch in der vorlie-genden Arbeit soll dieser englische Begriff verwendet werden, um die Ver-bindung zu dieser Forschungsrichtung zu verdeutlichen. Dourish undBelotti beschreiben Awareness als Verständnis von Aktivitäten anderer, dieden Kontext für die eigenen Aktivitäten erweitern [Dourish & Belotti (1992)].In Ergänzung dazu wird in [Sohlenkamp (1998)] Awareness definiert alsdas Wahrnehmen oder Verständnis eines Zustandes, der Aktivitäten derVergangenheit, den Gegenwartsstatus und zukünftige Optionen beinhaltet.Tollmar und Sundbald definieren Awareness über technische Objekte, diez.B. gerade von anderen bearbeitet werden [Tollmar & Sundbald (1995)].Rauschenbach interpretiert Awareness als eine spezielle Form von Kom-munikation: „use of implicitly existing information channels with the goal tocapture past and present activities“ [Rauschenbach (1996)]. AllenBeschreibungen von Awareness ist gemein, dass mit Awareness die Wahr-nehmung von Informationen über einen gewissen Zustand gemeint ist. In

Aktivitäten des Mitteilenden

der Begriff der Awareness

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Kommunikation 31

der Terminologie des kontext-orientierten Kommunikationsmodells gespro-chen beschreibt Awareness die Möglichkeit zur Wahrnehmung des kom-munikativen Handelns und des extra-kommunikativen Verhaltens derKommunikationspartner.

In computervermittelten Situationen ist vor allem jenes extra-kommunika-tive Verhalten wahrnehmbar, das sich auf die Nutzung des zu Grunde lie-genden technischen Systems bezieht. Sogenannte Awarenessdienste (vgl.Kapitel 3.2.4) sind technische Unterstützungen, die Informationen überAktivitäten der Nutzer zur Verfügung stellen und damit zur Verbesserungder Awareness der Nutzer beitragen. Solche Awarenessinformationen kön-nen z.B. Informationen über das Einstellen von oder die Suche nach Inhal-ten sein. Eine weitere wichtige Information bezieht sich darauf, wann undwie sie andere Mitglieder der Gruppe „treffen“ können [Mynatt et al.(1999)]. Diese Awarenessinformation erlaubt es, zwischen synchroner undasynchroner Kommunikation zu wechseln [Broll et al. (1999)] und erzeugtbei den Teilnehmern ein Gefühl der Verbundenheit („connectivity“) [Kiesler(1997)]. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird gezeigt, dass Awarenessauch die Steuerung kollaborativer Prozesse ermöglicht (vgl. Abschnitt2.2.5, S. 48 ff.)

Welche Kontextanteile zu explizieren sind, ist stark vom jeweiligen Kommu-nikationspartner abhängig. Während für den einen der Zusammenhang zubereits behandelten Inhalten explizit ausgedrückt werden muss, kann esbei einem zweiten ausreichen, auf entsprechende Kapitel bzw. Dokumenteoder auf bereits Erwähntes zu verweisen. Die Bestimmung der zu explizie-renden Anteile, die für die Verständigung notwendig sind, ist dabei mitUnsicherheit behaftet: „Mit Hinblick auf computergestützte Vermittlung istfestzuhalten, dass das Identifizieren des Korrelationsdefizits nur approxi-mativ und mit entsprechenden Unsicherheiten möglich ist“ [Herrmann(1991), S. 87]. Unter Korrelation werden in dieser Literaturquelle Ähnlich-keiten von Ausdruck eines Mitteilenden und Eindruck eines Rezipientenverstanden.

Der Mitteilende kann durch explizite Verweise auf weitere Informations-quellen dazu beitragen, den für den Nachvollzug notwendigen Kontext fürden Rezipienten erschließbar zu machen. Mynatt und andere fanden inihren Untersuchungen, dass Gruppen Verweise nutzten und zur Abgren-zung zum kommunikativen Ausdruck andere Farben verwendeten [Mynattet al. (1999)].

Awareness in computervermit-telten Situatio-nen

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32 Grundbegriffe und Grundlagen

Abbildung 8. Aktivitäten des Mitteilenden in computervermittelten Situationen

Das Verstehen von Kommunikationsbeiträgen wird umso leichter, je besserdem Rezipienten Informationen zugänglich sind: „There are lots of caseswhere this task is trivial, when the source of information is ‘close‘ enough,but when the distance grows along of any of the dimensions between thereceiver and the origin of information, the more difficult it will be to make aproper interpretation.“ [Kuutti (1999), S. 293]. Aus diesem Grunde wird dieNotwendigkeit gesehen „to store some contextual information about theinformation itself together with the information proper“ [Kuutti (1999), S.293]. Mit dem „general model of contextual information“ schlägt Kuutti des-halb einen Rahmen vor, bei dem zu jedem Kommunikationsbeitrag Verbin-dungen zu notwendigen Kontextinformationen geboten werden, die dieFragen „what, how, why and history“ beantworten. Diese Sichtweise, Kon-textinformationen zu Kommunikationsbeiträgen in Bezug zu setzen, ist eineVariante des fließenden Übergangs zwischen Bereitstellung von Materia-lien und adressierte Kommunikation, so wie dies in der Lösungsidee inKapitel 1 formuliert wurde. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit (vgl. Kapitel 3)wird der Ansatz der Annotationen behandelt, der Kommunikationsbeiträgein vorhandenes Material integriert, so dass das vorhandene Material alsKontextinformation dienen kann.

Hiltz und Turoff fordern darüber hinaus eine nutzerdefinierte Sortierungvergangener Kommunikationsbeiträge, da Nutzer eigene Such- und Orga-nisationsstrategien entwickelten und diese zu unterstützen seien [Hiltz &

Mitteilung konzipieren

Vorwissen des Rezipienten einschätzen

Aufmerksamkeit steuern

verschiedene Darstellungen anbieten

Kontext explizieren

Kontext erschließbar machen

Bekanntes und Unwesentlichesauslassen

ggf. Verständigungserfolg prüfen

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Kommunikation 33

Turoff (1985)]. Diese Sortierung sollte flexibel sein, da in unterschiedlichenSituationen verschiedene Kommunikationsbeiträge benötigt werden.

Letztlich muss auch vermehrt Aufwand getrieben werden, damit der Rezipi-ent eines Ausdruckes die entscheidenden Teile zur Kenntnis nimmt. Des-halb kommt der Aktivität „Bekanntes auslassen“ hier besondere Bedeutungzu.

Abbildung 9. Aktivitäten des Rezipienten in computervermittelten Situationen

Ähnlich wie in Face-to-Face Situationen muss sich der Mitteilende auseiner Fülle von Möglichkeiten entscheiden, welche Informationen er wieumsetzt. Dabei stehen jedoch bei computervermittelter Kommunikationhäufig reduzierte Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung (wie beispiels-weise bei E-Mail Kommunikation, die lediglich Text zur Verfügung stellt),die durch verschiedene Sichten kompensiert werden müssen. Da insbe-sondere asynchrone Kommunikation langwierig sein kann, sind in einemKommunikationsschritt möglichst mehrere verschiedene Ausdrucksvarian-ten (Paraphrasen) der gleichen Mitteilung anzubieten, wobei auch multime-diale Elemente sinnvoll sind. Auch Journalisten, die sich meist an einbreites Publikum wenden, verbinden häufig Text mit Bildern, um so eineVereinfachung der Interpretation bei den Rezipienten zu erreichen [Fiske(1990), S. 16]. Dies erleichtert dem Rezipienten den Nachvollzug des vomMitteilenden Gemeinten. Auch bei sprachlichen Varianten und indirektenSprechakten wie etwa Ironie ist vom Mitteilenden genau zu prüfen, ob dem

aufnehmen

Eindruck erzeugen

ggf. weitere Informationenanfordern (statt Imagination!!)

Partnerbild beachten

eigenen Kontext einbeziehen

Kontext rekonstruieren

dem Ausdruck folgen

Kontextbezüge identifizieren

vermittelten Kontextidentifizieren

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34 Grundbegriffe und Grundlagen

Rezipienten diese Feinheiten bekannt sind und dieser eine Chance hat, sieals solche wahrzunehmen.

Die Identifikation kontextrelevanter Informationen und die Verbindung zubereits Bekanntem sind besonders wichtige Aufgaben auf Seiten des Rezi-pienten, da wegen der Reduktion des direkt gemeinsam wahrnehmbarenKontextes in computervermittelten Situationen Kontext rekonstruiert wer-den muss. In der eigenen empirischen Vorstudie hat sich als größtes Pro-blem herausgestellt, dass Rezipienten versuchten, mitKontextinformationen auszukommen, die jedoch zum Nachvollzug nichtausreichten. Die Aktivitäten der Überprüfung auf ausreichend Kontextinfor-mation ist gerade in computervermittelten Situationen von besondererBedeutung. In der Studie wurden fehlende Informationen durch Imaginationersetzt. Dies ermöglicht nur scheinbare Verständigung, weil Informations-defizite nicht erkannt wurden. Langfristig wird die Verständigung dadurcherschwert; oftmals treten Missverständnisse auf, die zunächst nicht als sol-che erkannt werden.

Durch die Reduzierung der Ausdrucksvielfalt bei computervermittelterKommunikation wächst die Möglichkeit zu Missverständnissen. So kann esvorkommen, dass der Mitteilende meint, sein Ausdruck sei in seinem Sinneverstehbar, ohne dass dies der Fall ist. Auf der Rezipientenseite scheint esbesonders problematisch, wenn dem Rezipienten Kontextwissen fehlt, daser dann durch seine Vorstellungskraft kompensiert [Herrmann (1993)].Zudem kann es zu Missverständnissen kommen, wenn der Rezipient Teiledes Ausdrucks nicht richtig erkennt und dies unbemerkt bleibt oder wennsich der Rezipient nicht auf das konzentriert, was dem Mitteilendenwesentlich war. Schließlich können auch dann Probleme auftreten, wennder Rezipient die Mitteilung nicht so in seine Erfahrenswelt einordnet, wiees der Mitteilende erwartet hat.

Theorien zur Klassifizierung von Kommunikationsunterstützungen

In der Vergangenheit wurden zahlreiche Theorien wie z.B. die Media Rich-ness Theory (MRT) oder die Media Synchronicity Theory (MST) entwickelt,die unterschiedliche Kommunikationsunterstützungen abhängig von ihrenEigenschaften zu klassifizieren versuchen. Diese Theorien sind mit demZiel entstanden, für unterschiedliche Situationen geeignete Kommunikati-onsunterstützungen angeben zu können. In dieser Arbeit ergeben sich aus

Aktivitäten des Rezipienten

Auftreten von Missverständnis-sen

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Kommunikation 35

den Erfahrungen mit diesen Ansätzen weitere Anforderungen an eine tech-nische Kommunikationsunterstützung.

Daft und Lengel klassifizieren in der Media Richness Theory (MRT), eineder ältesten und am häufigsten modifizierte Theorie in dem Bereich derKlassifikation computervermittelter Kommunikation, Kommunikationsunter-stützungen an Hand von vier Faktoren, die die „Media Richness“ beeinflus-sen [Daft & Lengel (1986)]. Diese Faktoren sind:

• die Möglichkeit des unmittelbaren Feedbacks• die Anzahl der verwendeten Kommunikationskanäle und Kommuni-

kationselemente (z.B. auch nicht-sprachbasierte Kanäle wie Gestik,Mimik)

• die persönliche/unpersönliche Atmosphäre• die Vielfalt der Sprache

Untersucht man Medien nach diesen vier Faktoren, hat die Face-to-FaceKommunikation die höchste „Media Richness“. Sie bietet eine Vielzahl par-alleler Kanäle (Sprache, Tonfall, Gestik, Mimik, ...), ermöglicht unmittelba-res Feedback, stellt ein reiches Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten zurVerfügung und erlaubt auch die Vermittlung und unmittelbare Wahrneh-mung persönlicher Stimmungslagen und Emotionen. Die niedrigste „MediaRichness“ hingegen besitzen Statistiken.

Diese Klassifikation wird genutzt, um die Medienwahl mit der Aufgabe, diedie beteiligten Akteure gemeinsam lösen wollen, zu begründen. Aufgabenwerden danach eingeteilt, wie unsicher (uncertainty) und wie mehrdeutig(equivocality) sie sind. Unsichere Aufgaben könnten optimal gelöst werden,wenn alle Informationen vorhanden wären. Mitunter können Lernende erstdann die gestellten Aufgaben lösen, wenn sie mehr Informationen, z.B. inForm von Nachschlagewerken, hinzuziehen. Unsicherheit ist gleichzuset-zen mit dem Fehlen von Informationen.

Für mehrdeutige Aufgaben lassen sich auch durch sehr viele Informationenkeine eindeutigen Lösungen finden. Sie unterliegen der Interpretationsfä-higkeit der Akteure, die zu einem gemeinsamen Verständnis eines Sach-verhaltes kommen müssen: „equivocality can be seen as a measure of theinability to reduce uncertainty, or a measure of the absence of knowledgeabout a given task" [Kock (1998), S. 297]. Beispielsweise ist das Verfasseneines Thesenpapiers zu einem vorgegebenen Thema eine mehrdeutigeAufgabe, weil sich die Akteure dabei auf ein gemeinsames Verständnis des

Media Richness Theory

Unsicherheit und Mehrdeutigkeit

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36 Grundbegriffe und Grundlagen

Themenfokus verständigen und die dafür relevanten Grundlagen erst defi-nieren müssen. Bei mehrdeutigen Aufgaben sucht man Variablen, bei unsi-cheren Aufgaben Variablenwerte.

Daft und Lengel schlagen nun vor, für unsichere Aufgaben Kommunikati-onsarten zu wählen, die viel Informationen vermitteln (z.B. schriftlicheBerichte) und für mehrdeutige Aufgaben ein reiches Medium zu wählen(z.B. Face-to-Face Meetings). Die Verwendung von besser geeignetenMedien führt zu höherer Effektivität bei der Aufgabenerfüllung [Daft & Len-gel (1986), S. 561].

El-Shinnawy und Markus konnten in ihren Untersuchungen die Media-Richness Theorie nur partiell bestätigen. So fanden sie in einer Studie zumUnterschied von E-Mail und Voice-Mail (V-Mail) heraus, dass E-Mail V-Mailsowohl für die Reduktion von Unsicherheiten als auch für das Ausräumenvon Mehrdeutigkeiten vorgezogen wird [El-Shinnawy & Markus (1997)].Während ersteres den Aussagen von Daft und Lengel entspricht, ist diesbei Zweiterem nicht der Fall. Das Ausräumen von Mehrdeutigkeiten durchV-Mail ruft El-Shinnawy und Markus zufolge weitere Mehrdeutigkeiten her-vor. Die Ergebnisse konnten sie in einer Folgestudie bestätigen [El-Shin-nawy & Markus (1998)]. Dort fanden sie, dass E-Mail vor allem deshalbbevorzugt wird, weil sie mehr Funktionalitäten der Ablage biete. Dies sei fürRezipienten zum Nachvollzug von Kommunikationsbeiträgen von entschei-dender Bedeutung. Ein Vorteil von V-Mail wird in der Erstellung von Kom-munikationsbeiträgen gesehen, da die Erzeugung von gesprochenem Wortleichter sei als Text zu schreiben.

Nach diesen Untersuchungen, in denen sie die Media-Richness Theoryinsgesamt nicht bestätigt sahen, entwickelten El-Shinnawy & Markus dieMedia Featured Theory (MFT). Danach ist nicht allein der Reichtum einerKommunikationsart für die Wahl entscheidend, sondern die angebotenen„Features“ [El-Shinnawy & Markus (1998)]. Gerade bei Herstellung, Sen-den, Empfang, Verwaltung und Auswahl von Nachrichten sind die technolo-gischen Features von großer Bedeutung. Die Features eines Mediumsspielen dabei eine stärkere Rolle bei der Medienwahl als die Ausdruckviel-falt des Mediums. Features betreffen:

• Funktionalität (Möglichkeiten, eine bestimmte Nachricht zu versen-den)

• Brauchbarkeit (Ausmaß, in dem das Medium die Übertragung undAufnahme einer Nachricht gewährleistet)

Media Featured Theory

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Kommunikation 37

• Handhabung (Anstrengungen, die zur Nutzung des Mediums not-wendig sind)

Insbesondere das Kriterium der Handhabung unterscheidet hier die MediaFeatured Theory von der Media Richness Theory. Eine leichte Handhab-barkeit beeinflußt also positiv die Auswahl eines Mediums.

In [Camino et al. (1998)] hingegen wird eine Unterscheidung angebotenerKommuninationsunterstützungen nach der „social richness “ vorgeschla-gen. Dieser soziale Reichtum eines Kommunikationsmediums kanngemessen werden an der Häufigkeit des Gebrauchs. Damit wird betont,dass die Wahl einer Kommunikationsunterstützung abhängig von derjeweiligen Situation ist und auch von der kritischen Masse abhängt: dereinzelne wählt die Kommunikationsunterstützung, die von der Mehrheit deranderen Gruppenmitglieder genutzt wird.

Auch Rice schlägt mit seiner Arbeit eine ähnliche Richtung ein [Rice(1992)]. Er nennt eine große Zahl an symbolischen und situationsbeding-ten Einflüssen auf die Auswahl eines Mediums, z.B. Normen des Informati-onsgebrauchs, Status eines Mediums in der Organisation oder in Bezugauf die individuelle Ebene die Hierarchiestufe des Nutzers. Als Ratschlaggibt Rice an, neue Kommunikationsunterstützungen immer im Vergleich mitanderen zu testen. So kann ein neues Medium favorisiert werden, obwohles in der Theorie nicht zu den Anforderungen für die jeweilige Aufgabepasst.

Der Ansatz von Rice wird auch in [Hinds & Kiesler (1995)] unterstützt. Sie

führten eine Studie zum lateralen, vertikalen und diagonalen3 Kommunika-tionsaufkommen bei technischen und administrativen Angestellten ineinem Telekommunikationsunternehmen durch. Dabei fanden sie heraus,dass gerade bei diagonaler Kommunikation viele Kanäle wichtig sind, weiles im allgemeinen schwache Verbindungen zwischen den Beteiligten gibtund deshalb die Vermittlung sozialer Werte wichtig ist. Da jedoch der Anteilder diagonalen Kommunikation verhältnismäßig gering ausfiel (21 % beiadministrativen Angestellten, 10 % bei technischen Angestellten), wurde indieser Studie nicht für die Einführung „reicher“ Medien in Unternehmen plä-diert, sondern empfohlen, die jeweilige Arbeitssituation zu beachten. Bei

3. lateral = auf einer Hierarchieebene; vertikal= in einer Weisungskette; diagonal = zwischen den Ebenen, nicht in einer Weisungskette

Social Richness

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38 Grundbegriffe und Grundlagen

den Technikern beispielsweise überwog der Anteil lateraler Kommunikation(71%), für die das Telefon verwendet und als passend bezeichnet wurde.

Dennis und Valacich bescheinigen der Media-Richness-Theory zwar einhohes Maß an Plausibilität, verweisen aber ebenso wie El-Shinnawy undMarkus darauf, dass die empirischen Untersuchungen bislang nicht über-zeugend waren [Dennis & Valacich (1998)]. Sie argumentieren, dass derAnsatz der Media-Richness-Theory zu grob war: es ist weniger die Auf-gabe, die die Medienwahl bestimme, sondern vielmehr der Kooperations-prozess. Ausgehend von dieser Prämisse entwickelten sie die MediaSynchronicity Theory (MST), in der zwei generische Kooperationsprozesseunterschieden werden: konvergente und divergente Prozesse. In divergen-ten Prozessen werden Informationen verteilt, in konvergenten Prozessenverdichtet, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen. Damitsind divergente Prozesse für die Reduktion von Unsicherheit geeignet,während konvergente Prozesse zur Reduktion von Mehrdeutigkeit beitra-gen.

Kommunikationsmedien werden nach fünf Faktoren beschrieben, mitdenen sich Medien charakterisieren lassen:

• Geschwindigkeit des Feedbacks• Symbolvarietät• Parallelität der Kommunikation (auf wie vielen Kanälen können wie

viele Personen gleichzeitig kommunizieren)• Überarbeitbarkeit der Nachricht oder des Beitrages bevor er abge-

schickt wird• Wiederverwendbarkeit der Nachricht oder des Beitrages

Nicht die „richness“ eines Mediums, sondern seine Synchronität ist ent-scheidend. Dabei spielen die Faktoren Feedback und Parallelität eine ent-scheidende Rolle. Eine hohe Geschwindigkeit des Feedbacks und einegeringe Parallelität eines Mediums ermöglichen eine hohe Synchronität.Medien mit diesen Eigenschaften (also einer hohen Synchronität) eignensich für konvergente Prozesse, für divergente Prozesse sind Medien mitgeringer Synchronität geeignet. In der eigenen Vorstudie zeigt sich, dassbei einigen Missverständnissen fehlende Synchronität als Grund für dieEntstehung genannt wurden. Generell führen Medien mit einer höherenÜberarbeitbarkeit zu einer besseren Leistung. In konvergenten Prozessenführen Medien mit einer höheren Wiederverwendbarkeit zu einer besserenLeistung. Etablierte Gruppen benötigen weniger Synchronität als noch

Media Synchro-nicity Theory

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Kollaboratives Lernen 39

nicht etablierte Gruppen. Im Laufe des Gruppenentwicklungsprozessesnimmt der Bedarf an Synchronität ab, da sich ein gemeinsames Grundver-ständnis entwikkelt hat.

2.2 Kollaboratives LernenNachdem im vorangegangenen Abschnitt Grundlagen der (computerver-mittelten) Kommunikation vorgestellt wurden, soll in diesem Abschnitt aufkollaboratives Lernen in Institutionen wie z.B. Schulen, Universitäten oderanderen Bildungseinrichtungen eingegangen werden. Da es sich bei kolla-borativem Lernen um gemeinsames Lernen in Interaktion handelt, spieltdie zuvor diskutierte Kommunikation eine besondere Rolle. Für dieseArbeit interessieren hier weniger spezifische Unterschiede zwischen denverschiedenen Bildungsinstitutionen als vielmehr die Betrachtung kollabo-rativen Lernens als sozio-technisches System. Zunächst werden verschie-dene Lerndefinitionen betrachtet, bevor sich die Arbeit auf kollaborativesLernen konzentriert. Dazu wird der Begriff kollaborativen Lernens erläutertund die Bedeutung der Kommunikation für (computervermitteltes) kollabo-ratives Lernen herausgestellt. Anschließend wird auf Rollen beim und Pro-zesse des kollaborativen Lernens eingegangen, deren Bedeutung für dassozio-technische System bereits zu Beginn dieses Kapitels herausgestelltwurde.

2.2.1 Der Begriff des Lernens

Lernen wird in der Literatur zur Pädagogik in den meisten Fällen als „relativdauerhafte Änderung“ beschrieben und ist stark von der jeweils zu Grundeliegenden Lehr- und Lerntheorie geprägt. Die angesprochenen Änderun-gen bedeuten hier nach Heid nicht immer eine Verbesserung, so wie diesbei dem Begriff der Erziehung der Fall ist [Heid (1994), S. 44].

Vor dem Hintergrund des Behaviourismus wird Lernen beschrieben als„relativ dauerhafte Änderung von Verhalten aufgrund von Erfahrung, d.h.von Interaktionen eines Organismus mit seiner Umwelt“ [Skrowonek(1991), S. 183].

Dagegen wird aus kognitionstheoretischer Sicht Lernen als „relativ dauer-hafte Änderung kognitiver Strukturen“ [Schiefele (1996), S. 13] bezeichnet.Dabei umfasst Lernen nicht nur auf das beobachtbare Verhalten, sondernauch „unsichtbares“ Wissen, dauerhafte Verhaltensänderungen von men-

behaviouristi-scher Lernbegriff

kognitionstheo-retischer Lernbe-griff

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40 Grundbegriffe und Grundlagen

talen Prozessen und kognitive Veränderungen. Der Begriff der kognitivenStruktur bezieht sich dabei „sowohl auf deklaratives als auch auf proze-durales Wissen“ [Schiefele (1996), S. 11].

Unter der Annahme, dass der Prozess des Lernens ein mentaler Vorgangund nicht direkt beobachtbar ist, wird vom Lernen als „relativ überdauerndeÄnderung der Verhaltensmöglichkeit“ gesprochen [Bredenkamp & Wippich(1977), S. 19]. Vor dem Hintergrund der Anthropologie wird Lernen als„Gesamtheit aller Veränderungen der Persönlichkeiten, soweit diese nichtdurch biologische Reifung angeborener Anlagen erklärt werden können.“[Geulen (1994), S. 100]. Das, was gelernt wird, hängt von den Erfahrungenund deren inneren Verarbeitung ab. Danach sind Lernende aktiv, indem sieeinerseits der Welt „handelnd gegenübertreten“ und anderseits die erlebtenEindrücke in den Köpfen weiterverarbeitet und organisiert werden. „Es han-delt sich also um eine Wechselwirkung (Interaktion) von äußeren, d.h.objektiven, und inneren, d.h. subjektiven Bedingungen.“ [Geulen (1994), S.100].

Eng damit zusammen hängt auch die vom Konstruktivismus geprägte Defi-nition von Lernen als aktive Aufnahme von Wissen in den eigenen Erkennt-nisapparat (Internalisierung): „Conventional explanations view learning asa process by which a learner internalizes knowledge, whether ‚discovered‘,‚transmitted‘ from others or ‚experienced in interaction‘ with others.“ [Lave& Wenger (1991), S. 47].

In der systemtheoretischen Literatur schließlich wird Lernen verstanden als„Ausdruck einer Strukturkopplung, in der die Verträglichkeit zwischen derArbeitsweise des Organismus und der Umgebung aufrechterhalten wird.“[Maturana & Varela (1987), S. 187]. Auch hier wird wie bei der konstruktivi-stischen Sichtweise auf die vergangenen Interaktionen hingewiesen. DieAutoren erachten Verhaltensweisen als erlernt, wenn sie nur beim Vorlie-gen einer besonderen Geschichte von Interaktionen entstehen [Maturana& Varela (1987), S. 188].

Vor dem Hintergrund dieser Definitionen wird in dieser Arbeit unter Lernenfolgendes verstanden:

Lernen: Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, die eine relativ dauerhafte Änderung in den Verhaltensmöglichkeiten hervorru-fen können

anthropologi-scher Lernbegriff

konstruktivisti-scher Lernbegriff

systemtheoreti-scher Lernbegriff

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Kollaboratives Lernen 41

Es soll an dieser Stelle nicht von „dauerhafter Änderung“ gesprochen wer-den, da Erlerntes auch wieder vergessen werden kann. „Relativ dauerhaft“deutet hier an, dass die Änderung in den Verhaltensmöglichkeiten über dieDauer des „Erwerbes“ hinausgeht. Diese Begriffsdefinition lehnt sich andas Verständnis des Konstruktivismus an und ist konform mit der system-theoretischen Sichtweise der operationalen Geschlossenheit psychischerSysteme. Abbildung 10 verdeutlicht diese Definition des Lernens, die Ler-nen als eine Wahrnehmungshandlung versteht. Dabei wird „Lernen“ in daskontext-orientierte Kommunikationsmodell integriert (für weitere Erläute-rungen der Elemente in Abbildung 10 sei auf die Beschreibung des Kom-munikationsmodells, S. 22 ff. verwiesen).

Abbildung 10. Lernen als Veränderung des inneren Kontextes

Wahrnehmen kann hier, anders als in der ursprünglichen Version des kon-text-orientierten Kommunikationsmodells, sowohl die Bobachtung anderer,als auch das Lesen eines Buches oder das Aufnehmen eines kommunika-tiven Ausdrucks sein. In jedem Falle setzt es einen aktiven Lernenden vor-aus, der die Handlungen ausführt. Der Begriff der Verhaltensmöglichkeitdeutet an, dass durch das Lernen Änderungen im inneren Kontext des Ler-ners entstehen. Die Änderungen des inneren Kontextes ermöglichen

Kon von B

wahrnehmbarer Kon

wahrgenommener Kon

B

aufnehmendes Handeln

Vor-stellung

ent-wickeln

aufnehmen

Ein-druck

er-zeugen

wahr-nehmen

Idee von BAbbild

innerer Kontext von B

Wissen

lernen

Information

Fähigkeiten

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42 Grundbegriffe und Grundlagen

potenziell anderes Verhalten, da Handlungen, insbesondere auch kommu-nikative Handlungen, auf dem inneren Kontext basieren. „Vergessen“ ent-steht in dem Sinne dieses Modells durch Überlagerungen von Eindrükkenim inneren Kontext.

Auch Wilke begreift in seiner Aussage „Lernen ist der Prozess, Wissen dasErgebnis“ [Willke (2001), S. 39] Lernen als eine Abfolge von Handlungen,fasst allerdings das Ergebnis im Vergleich zu dieser Arbeit enger. FürWillke ist lediglich Wissen, nicht aber andere Bereiche des inneren Kontextwie z.B. „Fähigkeiten“ das Ergebnis.

Mit der vorliegenden Definition wird es auch möglich, Lernen von anderenHandlungen abzugrenzen. Jede Aktivität, die eine Änderung im innerenKontext nach sich zieht, soll hier als Lernen verstanden werden. EinZusammenhang zur Definition des Lernens entsteht, wenn man bedenkt,dass Wissen und Fähigkeiten Teile des inneren Kontextes sind (vgl. Abbil-dung 10). Alle anderen Handlungen sind kein Lernen, auch wenn dieseden inneren Kontext nutzen können.

2.2.2 Kollaboratives Lernen

Eine besondere Art des Lernens ist das Lernen in Gruppen. Für Hesse undandere ist der Lernprozess zwar im „engeren Sinne immer individuell“[Hesse et al. (1997), S. 253] und vollzieht sich innerhalb einer Person.Allerdings kann die Situation, in der Lernen stattfindet, „sozial gestaltet“sein, d.h. andere Personen einschließen. Viele deutschsprachige Autoren(vgl. beispielsweise [Hesse et al. 1997)], [Wessner et al. (1999b)]) bezeich-nen dieses Lernen als Gruppenlernen, kooperatives Lernen oder kollabora-tives Lernen und verwenden in ihren Arbeiten diese Begriffe synonym.

Dagegen wird in englischsprachigen Veröffentlichungen ein klarer Unter-schied zwischen kooperativem und kollaborativem Lernen gezogen. Demkollaborativem Lernen liegt das Ziel des Erreichens eines gemeinsamenVerständnisses zu Grunde. Kollaboratives Lernen setzt auch ein gemein-sames Verständnis der Aufgabe voraus, die sich mitunter erst während derBearbeitung selbst bildet: „Collaboration is a coordinated, synchronousactivity that is the result of a continued attempt to construct and maintain ashared conception of a problem“ [Roschelle & Teasley (1995), S. 70].

Der Begriff der Kooperation hingegen beschreibt lediglich, dass Personenin Interaktion stehen und sie sich bei der Erreichung der individuellen Ziele

Abgrenzung von Lernen zu ande-ren Handlungen

Lernen in Grup-pen

kollaborativ vs. kooperativ

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Kollaboratives Lernen 43

in einer nicht näher definierten Art und Weise unterstützen: „Cooperationdepends upon a supportive community of actors who agree to help oneanother in activities aimed at attempting the goals of each person involved“[Lewis (1996)]. So ist beispielsweise das Arbeiten mit dem Material andererals Kooperation unter den Lernenden zu betrachten, während der Prozessder Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis im Sinne dieser Arbeit als kol-laboratives Lernen bezeichnet wird.

In einigen Veröffentlichungen wird auf Schwierigkeiten mit dem Begriff „col-laborative learning“ hingewiesen [Stahl (2002)]. Dies wird vor allem damitbegründet, dass Lernen individuell, nicht beobachtbar und nur schlechtmessbar sei. Statt dessen wird vorgeschlagen, den Begriff „collaborativeknowledge building“ zu verwenden, der erstmals in [Scardamalia & Bereiter(1991)] benutzt wurde. Dieser Begriff betreffe eher den Gruppenprozess,der beobachtbar und damit auch analysierbar sei.

In dieser Arbeit soll der Begriff des kollaborativen Lernens verwendet wer-den, der wie folgt verstanden wird:

Kollaboratives Lernen: Lernen in Interaktion mit dem Ziel der Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses

An kollaborativen Lernprozessen sind mehrere interagierende Personenbeteiligt. Während dieser Interaktion lernen die Beteiligten, d.h. sie erwer-ben Wissen und Fähigkeiten, die eine relativ dauerhafte Änderung in ihremVerhaltensmöglichkeiten hervorrufen können. Dabei ist zu betonen, dassjeder Beteiligte mit dem Ziel des Lernens und der Herausbildung einesgemeinsamen Verständnisses an der Interaktion partizipiert. Lehrer-Schü-ler-Beziehungen im klassischen Sinne fallen nicht unter den Begriff kolla-borativen Lernens, da in der Regel nicht beide Beteiligten lernen. Inkollaborativen Lernsituationen übernimmt ein Lehrender eher moderie-rende Aktivitäten und weniger die Rolle, Informationen für Lernende bereit-zustellen und anschließend den Lernerfolg zu prüfen (zur Beschreibungder Rollen vgl. Abschnitt 2.2.6). Die Interaktion zwischen den Lernendenbasiert nicht notwendigerweise auf Zeichen, sondern ist auch durchgemeinsames Beobachten und Handeln möglich.

Ziel dieser Interaktion ist neben dem Lernen des Einzelnen das Herausbil-den eines gemeinsames Verständnisses. So entwickeln die Lernendenjeweils Verständnis für einen Lerninhalt. Durch Interaktion und Kommuni-kation wird versucht, eine Annäherung der jeweiligen Verständnisse bis hin

collaborative knowledge buil-ding

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44 Grundbegriffe und Grundlagen

zu einem gemeinsamen Verständnis zu erzielen. Clark und Brennan nen-nen den Prozess der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses„grounding“, das gemeinsame Verständnis „common ground“ [Clark &Brennan (1991)]. Dabei weisen sie auch darauf hin, dass man nur Hin-weise darauf erhält, wenn das Verständnis bei den Beteiligten unterschied-lich ist: „...all we need to look for is negative evidence - evidence that wehabe been misheard or misunderstood“ [Clark & Brennan (1991), S. 131].Auf das kontext-orientierte Kommunikationsmodell bezogen bedeutet dasHerausbilden eines gemeinsamen Verständnisses die Vergrößerung einerSchnittmenge der inneren Kontexte (vgl. Abbildung 11). Dieses gemein-same Verständnis wiederum zeigt sich in Interaktion. Das Erreichen einesgemeinsamen Verständnisses wird auch Bildung von Konvergenz genannt.

Abbildung 11. gemeinsames Verständnis im kontext-orientierten Kommunikationsmodell

Als Vorteile des kollaborativen Lernens werden die hohe Involviertheit derLernenden und eine dadurch bewirkte aktive Verarbeitung des Wissensgenannt [Hesse et al. (1997)]. So kann die Integration verschiedener Sicht-weisen dazu führen, dass die Lernenden sich gegenseitig korrigieren undsomit Fehlkonzepte erkennen und gegebenenfalls gemeinsam verändern[Henri (1995)]. Der Vergleich der Herangehensweisen anderer Lernendermit der eigenen schafft Bewusstsein und führt ggf. zu Veränderungen imeigenen Vorgehen [Collins & Brown (1988)]. Eine aktive Verarbeitung ent-steht durch den Austausch von Wissen. So ist die „Artikulation des eigenenWissens und das gemeinsame Argumentieren mit tiefen Verarbeitungspro-zessen verbunden, die in engem Zusammenhang mit Verstehen und Ler-nen gesehen werden können“ [Gräsel et al. (1997), S.5].

Dies weist auf die besondere Bedeutung der Kommunikation für kollabora-tives Lernen hin und wurde in der Psychologie bereits Anfang der 1970erJahre proklamiert. So heisst es bei Haselhoff und Jorswieck: „es über-rascht nicht, dass bei der Untersuchung und wissenschaftlichen Analyse

gemeinsamesVerständnis

mitteilendes Handeln aufnehmendes Handeln

innerer Kontext von A innerer Kontext von B

Vorteile kollabo-rativen Lernens

die Bedeutung der Kommunika-tion für das kol-laborative Lernen

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Kollaboratives Lernen 45

der Bedingungen, durch die die Strukturen des Verhaltens und Erlebenslangfristig geändert werden, in zunehmendem Umfang auch sozial-kom-munikative Einsichten und Verfahrensweisen berücksichtigt werden“[Haselhoff & Jorswieck (1971), S. 213]. Aus Sicht der Kommunikations-theorie ist die Kommunikation die Voraussetzung, um das Ziel des gemein-samen Verständnisses zu erreichen. In neueren Veröffentlichungen konnteschließlich der positive Einfluß der Kommunikation auf das Lernen gezeigtwerden. Lernende können von vorgegebener Information besser abstrahie-ren und diese daher tiefer verarbeiten, wenn sie mit einem Lernpartner dar-über kommunizieren [Schwartz (1995)].

2.2.3 Computervermitteltes kollaboratives Lernen

Für die computervermittelte Unterstützung kollaborativen Lernens werden

sogenannte CSCL4-Systeme eingesetzt: „This developing paradigm, forwhich the acronym CSCL has been coined, focuses on the use of techno-logy as a mediational tool within collaborative methods of instruction“[Koschmann (1996), S. 2]. CSCL-Systeme werden auch als „(collaborative)learning environments“ [Scardamalia & Bereiter (1996b)], „knowledge buil-ding environments“ [Stahl & Herrmann (1999)] oder „kollaborative Lernum-gebungen“ [Herrmann & Misch (1999)] bezeichnet und werden häufig in

einem Zuge mit CSCW5-Systemen genannt. CSCL- und CSCW-Systemenist die Unterstützung der Interaktion in Gruppen gemein, Teilnehmer dieserGruppen können räumlich oder zeitlich verteilt sein und Kommunikation,Kooperation und Koordination finden computervermittelt statt.

Allerdings können auch Unterschiede an Hand der verschiedenen Einsatz-situationen benannt werden. Während CSCL-Systeme in Lernsituationenzum Einsatz kommen, werden CSCW-Systeme zur Unterstützung der Auf-gabenbearbeitung eingesetzt. Durch CSCW-Systeme soll der mentale Auf-wand eher reduziert werden, in Lernsituationen die aktive Verarbeitungdagegen angeregt werden. Crawley bringt dies auf den Punkt: „CSCWaims at reducing mental effort, CSCL aims at increasing mental effort“[Crawley (1997), S. 2].

In der Literatur kommt den Gruppen, die durch CSCL-Systeme unterstütztwerden sollen, einige Beachtung zu. Sie werden als „Knowledge Building

4. CSCL = Computer Supported Collaborative Learning5. CSCW = Computer Supported Cooperative Work [Schwabe et al. (2001)]

CSCL- vs. CSCW-Systeme

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46 Grundbegriffe und Grundlagen

Communities“ [Scardamalia & Bereiter (1996b)] oder „Communities ofinterest“ [Lave & Wenger (1991)] bezeichnet. Das Besondere an diesenGruppen ist, dass die Teilnehmer in der Gruppe aktiv und gemeinsam Wis-sen erarbeiten. Scardamalia und Bereiter bringen dies durch das Wort„building“ zum Ausdruck und ergänzen bezogen auf das Ergebnis: „a col-lective product and not merely a summary report of what is in individualminds or a collection of outputs from group work“ [Scardamalia & Bereiter(1996b), S. 254].

Zudem sind diese Gruppen, im Gegensatz zu Arbeitsgruppen in Unterneh-men, häufig nicht nur räumlich und zeitlich getrennt, sondern haben auchwechselnde Teilnehmer. Die Gruppen definieren sich also eher über dasInteresse als über organisatorische Regeln: „Nor does the term communityimply necessarily co-presence, a well-defined, identifiable group, or sociallyvisible boundaries. It does imply participation in an activity system aboutwhich participants share understandings concerning what they are doingand what that means in their lives and for their communities“ [Lave & Wen-ger (1991), S. 98].

2.2.4 Kommunikation bei computervermitteltem kollaborativem Ler-nen

Für computervermitteltes kollaboratives Lernen ist die Unterstützung derKommunikation von zentraler Bedeutung, weil das direkte Erleben einergemeinsamen Situation wegen räumlicher und/oder zeitlicher Trennungentfällt. Dementsprechend findet in computervermittelten Situationen keinkollaboratives Lernen durch direkte Beobachtung statt, sondern entstehtnur durch Kommunikation.

Kommunikation beim kollaborativen Lernen ist gekennzeichnet durch dieMerkmale „potenziell dialogisch“ und „adressiert“. Die Eigenschaft potenzi-ell dialogisch, d.h. jeder Kommunikationspartner kann potenziell die Rollendes Mitteilenden oder des Rezipienten übernehmen, ist notwendig, damitjeder Beteiligte Ideen vor dem Hintergrund seines inneren Kontextes mittei-len kann. Durch die Eigenschaft der Adressierung ist der Teilnehmerkreisidentifizierbar, mit dem gemeinsames Verständnis erreicht werden soll.

Dabei beziehen sich die in Abschnitt 2.1.5 beschriebenen vermehrten Auf-wände bei computervermittelter Kommunikation auch auf die Kommunika-tion beim computervermittelten kollaborativen Lernen. Hammond fand beiseiner Untersuchung von Lerngruppen heraus, dass dieser erhöhte Auf-

Knowledge Buil-ding Communi-ties und Communities of Practice

computervermit-teltes kollabora-tives Lernen nur mittels Kommu-nikation

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Kollaboratives Lernen 47

wand auch Teilnehmern von Lerngruppen bewusst ist [Hammond (1999)].Insbesondere ist zu beachten, dass Lernende gemäß ihres Vorwissensund ihrer bisherigen Erfahrungen lernen [Feltovich et al. (1996)]. Glanceund andere weisen darauf hin, dass Kenntnisse über Interessen der Mit-glieder unterstützend wirken können, da so schneller gemeinsame Hinter-gründe deutlich werden [Glance et al. (1999)]. Dabei werden für dieHerausbildung eines gemeinsamen Verständnisses mitunter alternativeBeschreibungen zum Lerngegenstand oder die schnelle Rückmeldung zumgerade kommunizierten Ausdruck benötigt [Clark & Brennan (1991)].

In anderen Untersuchungen werden die Eigenschaften computervermittel-

ter Kommunikation als Vorteil beschrieben: „CMC6 provides an opportunityto enrich the learning process, because of the many advantages it canoffer“ [Henri (1995), S. 148]. Insbesondere betont Henri, dass asynchroneKommunikation mehr Zeit zur aktiven Verarbeitung des Kommuniziertengebe.

Auch gemeinsames Verständnis kann in computervermittelten Situationennur mit erhöhtem Aufwand erzielt werden [Krauss & Fussell (1991)].Gemeinsames Verständnis kann sich dabei auch auf Ziele und Vorgehens-weisen in einer Gruppe beziehen und die Koordination der Gruppe positivbeeinflussen [Fussell et al. (1998)]. Krauss und Fussell stellen fest, dass eskeine Mechanismen gibt, um dieses gemeinsame Verständnis zu identifi-zieren. Deshalb stellen die Kommunikationspartner unterschiedliche Hypo-thesen bezüglich des gemeinsamen Verständnisses auf, indem sieunterschiedliche Informationsquellen, wie z.B. frühere Erfahrungen undFeedback des Interaktionspartners, einbeziehen [Krauss & Fussell (1991)].Die Kommunikationspartner sind darauf angewiesen, über das mutmaßlichgemeinsam Bekannte Schlussfolgerungen zu ziehen. Das Gelingen einerKommunikation und damit auch des kollaborativen Lernens, hängt von derKorrektheit dieser Annahmen ab.

Auch wenn Schwierigkeiten zur Identifikation gemeinsamen Verständnis-ses festgestellt wurden, sind doch Aktivitäten denkbar, die zur Herausbil-dung eines gemeinsamen Verständnisses führen. Es kommt nicht nurdarauf an, dass kommuniziert wird, am Ende soll ein Konsens, ein gemein-sames Ergebnis, stehen. „Ein solcher Entscheidungsprozess bedarf in derRegel mehrerer Verständigungs- und Aushandlungsschritte“ [Herrmann &

6. CMC = Computer Mediated Communication, dt.: computervermittelte Kommunikation

Vorteile compu-tervermittelter Kommunikation für die Lernen-den

Aushandlung

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48 Grundbegriffe und Grundlagen

Stahl (1998)]. Für diesen Prozess ist wiederum Kommunikation notwendig:„Consensus demands communication“ [Pea (1996), S. 174]. Aushandlungist also in enger Kombination mit Kommunikation zu unterstützen.

Insgesamt soll hier festgehalten werden, dass die in Abschnitt 2.1.5 vorge-stellten Kommunikationsaufgaben auch beim computervermittelten kolla-borativen Lernen von zentraler Bedeutung sind. Andererseits hat dieForderung nach der Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisseszur Folge, dass Aushandlung als Teil des Prozesses des kollaborativenLernens angesehen werden muss. Es lohnt sich an dieser Stelle eine diffe-renzierte Betrachtung kollaborativer Lernprozesse vorzunehmen.

2.2.5 Der Prozess (computervermittelten) kollaborativen Lernens

Die Gestaltung von Lehr-/Lernprozessen stellt eine wesentliche Aufgabevon Pädagogen dar. Unter Prozessen sollen in dieser Arbeit in Anlehnungan Forschungsansätze des Informationsmanagement folgendes verstan-den werden: „eine Menge logisch miteinander verbundener, meßbarerTätigkeiten, die für die Schaffung eines spezifischen Ergebnisses [...]durchgeführt werden“ [Heinrich (1999), S. 276]. Folglich geht es in diesemAbschnitt um die Verknüpfung der Tätigkeiten beim kollaborativem Lernen.

Die Gestaltung solcher Lehr- und Lernprozesse hängt dabei von derjeweils zu Grunde liegenden Lerntheorie ab: „Je nach reklamiertem lehr-und entwicklungspsychologischen Ansatz kommt man zu ganz unter-schiedlichen Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung. Die Hoffnung,aus Erkenntnissen über Lernen zu klaren und eindeutigen Vorgaben für dieGestaltung von Unterrichtsprozessen zu gelangen, erweisen sich also alstrügerisch.“ [Terhart (1994), S. 146]. Die Betrachtung in dieser Arbeit wirdsich auf die Gestaltung von Prozessen des kollaborativen Lernensbeschränken.

Der Anfangspunkt eines jeden Lernprozesses ist eine (fiktive) Aufgaben-stellung. Ein ganzer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Frage, wieAufgaben so gestaltet werden können, dass die Teilnehmenden schon ausder Aufgabe heraus die unterschiedlichen Phasen des vorangegangenenLernprozesses durchlaufen und es der ausgezeichneten Rolle, dem Tutor,möglich ist, diesen Prozess zu leiten. Diese Forschungen sind unter demStichwort Problem Based Learning bekannt geworden (vgl. z.B. [Kosch-mann (2001)]).

Prozesse

Startpunkt eines Lernprozesses: Aufgabenstel-lung

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Kollaboratives Lernen 49

Lernen kann dann problemorientiert sein, wenn die Aufgabenstellung einzu lösendes Problem vorgibt. In kollaborativen Lernprozessen sollen Ler-nende angeregt werden, gemeinsam zu arbeiten, z.B. durch Verteilung vonUnteraufgaben an Kleingruppen [Kimball (1998)]. In [Harasim et al. (1995)]und [Hiltz & Wellman (1997)] finden sich darüber hinaus Hinweise, dassLernende auch Moderationsaufgaben übernehmen und gemeinsam einErgebnis erarbeiten sollen. Generell beinhalten Aufgabenstellungen inhalt-liche („was“) und methodische („wie“) Aspekte. Wenn Aufgabenstellungenkollaboratives Lernen, also Kommunikation und die Herausbildung einesgemeinsamen Verständnisses, anregen soll, dann müssen sie:

• Recherche erfordern, die eine individuelle Aufbereitung für dasjeweilige Thema nach sich zieht

• anregen, in der Kleingruppe (z.B. innerhalb eines bestimmten The-menkomplexes) zu diskutieren

• anregen, auch Fortschritte anderer Kleingruppen zu beobachten• in einem übergeordneten Themenblock gemeinsame Inhalte einer

Gruppe fordern, um Kommunikation mit dem Ziel der Konvergenz-bildung anzuregen

• Diskussionen zu allen Themen fordern. Damit soll die Entwicklungvon Diskussionen schon aus der Aufgabenstellung heraus angeregtwerden.

Zur Beschreibung der Abläufe von Gruppenlernen existieren sequenzielleund zyklische Modelle. So beschreiben beispielsweise Hesse und anderefünf Phasen [Hesse et al. (1997)]. Nach der Aufgabenstellung (1) folgen indiesem Ansatz Phasen der Festlegung von Zielen (2) und der Vorgehens-weise (3), Recherchen (4) sowie die Erarbeitung eines gemeinsamenErgebnisses (5). Auch Tulodziecki beschreibt ähnliche Aktivitäten, zudenen teilweise auch der Bezug zur Computerunterstützung dargestelltwird [Tulodziecki (1997)]. Demgegenüber schlagen Rötting und Bruder eindidaktisches Konzept mit vier Phasen vor, die nicht in chronologischer Rei-henfolge ablaufen [Rötting & Bruder (2000)]:

• Vorbereitung• Wissensvermittlung (auch Zusammenschließen von Aufgabenteams

und deren Arbeiten im Internet)• Vertiefung (auch Erfahrungsaustausch über die Arbeit der Teams im

Internet, gemeinsames Aushandeln)• Anwendung

Eigenschaften der Aufgaben-stellung

kollaborative Lernprozesse nach Hesse et al.

kollaborative Lernprozesse nach Rötting & Bruder

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50 Grundbegriffe und Grundlagen

Dieses Konzept beruht auf dem sogenannten „Learning cycle“ nach[Mayes et al. (1994)], der die drei Phasen „Conceptualisation“, „Construc-tion“ und „Dialogue“ in einem Zyklus anordnet (vgl. Abbildung 12). DieserZyklus wird auch zur Bestimmung notwendiger Funktionalitäten in techni-schen Systemen genutzt. Die Konzeptionsphase wird dabei schwerpunkt-mäßig von einer ausgezeichneten Person übernommen. Mit der Phase desDialogs wird hier der Kommunikation in kollaborativen Lernprozessen einebesondere Bedeutung beigemessen. Ergebnisse dieser Phase fließen wie-derum in die weitere Konzeptionalisierung ein.

Abbildung 12. Learning Cycle nach [Mayes et al. (1994)]

Für jede dieser Phasen schlagen die Autoren Möglichkeiten der Computer-unterstützung vor. So wird für die Phasen Konzeptionalisierung und Kon-struktion eine geeignete Unterstützung in Aufbereitung und Selektion vonInhalten gefordert, während für die Dialogphase ein „Need for communica-tion with persons from local site“ [Mayes et al. (1994), S. 45] ausgemachtwird.

In dem Modell des „knowledge building process“ [Stahl (2000a)] wird dasWechselspiel zwischen individuellem und kollaborativem Lernen verdeut-licht. In diesem Modell (vgl. Abbildung 13) wird mit den Aktivitäten, die in

Learning Cycle nach Mayes et al.

Conceptualisation

Orientation

Exploration

Experimentation

Construction

Selecting

Linking

Classifying

Dialogue

Discussion

Reflection

Reification

The Learning Cycle

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Kollaboratives Lernen 51

[Stahl (2000a)] als Transformationsprozesse bezeichnet werden, auf dieBedeutung der Kommunikation für den kollaborativen Lernprozess einge-gangen, die, wie auch schon bei den Modellen zuvor, zu einer Aushand-lung führt.

Abbildung 13. Knowledge Building Process in Anlehnung an [Stahl (2000a)]

Dieses Modell wird zur Gestaltung kollaborativer Lernumgebungen heran-gezogen: „It thereby provides a conceptual framework for the design, useand assessment of collaborative Knowledge-Building Environments“ [Stahl(2000a)]. So werden beispielsweise die Unterstützung durch adressierteKommunikationsmöglichkeiten und des Aushandlungsschrittes gefordert.

Bei der Betrachtung computervermittelter kollaborativer Lernprozesse istzunächst festzustellen, dass die Aktivitäten des Lernprozesses vor allemmittels Kommunikation stattfinden (zur Bedeutung der Kommunikation vgl.Abschnitt 2.2.4). Daneben können insbesondere zwei Problemfelder identi-fiziert werden: die Wahrnehmung des Prozessfortschrittes und sowie dieSteuerung des Aktivitätenablaufes.

So ist bei Face-to-Face Situationen die Wahrnehmung des Rollenwechselsvon Mitteilendem zum Rezipienten und umgekehrt während eines Kommu-nikationsprozesses auf Grund der gegenseitigen Wahrnehmbarkeit zuerkennen. Beim computervermittelten Prozess hingegen ist eine Rollenver-teilung und der Ablauf der Lernprozesse mitunter nur schwer nachvollzieh-bar. So beschreiben Mynatt und andere Schwierigkeiten, beicomputervermittelter Kommunikation einen Rhythmus zu finden, in dem

personalcomprehension

accept as one‘s own

tacit pre-understanding

publicstatements

other people‘spublic

statementsmake

problematic

clarifymeanings

discussalternatives

articulateIn words

argumentation& rationale

explicateimplications

use in activity

negotiateperspectives

collaborativeknowledge

sharedunderstanding

formalize &objectify

culturalartifacts

personalbelief

collaborativelearning

individuallearning

computervermit-telte Lernpro-zesse

Wahrnehmung des Rollenwech-sels erschwert

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52 Grundbegriffe und Grundlagen

sich die Teilnehmer an der Kommunikation beteiligen [Mynatt et al. (1999)].Dementsprechend ist für einen Lernenden nicht ersichtlich, wann mit einemBeitrag eines anderen Gruppenmitgliedes gerechnet werden kann, so dassKommunikationsprozesse ins Stocken geraten können. Zudem kann dieWahrnehmung des Prozesses auch die Entwicklung des für die Kommuni-kation notwendigen Partnerbildes unterstützen. So kann beispielsweise einMitteilender beim Rezipienten Wissen zu einem bestimmten Inhalt voraus-setzen, wenn dieser an der Erstellung des Inhaltes beteiligt war. Hier zeigtsich, dass Erkenntnisse der in Abschnitt 2.1.5 angesprochenen Awaren-essforschung nicht nur auf die Wahrnehmung der Aktivitäten einzelnerKommunikationspartner abzielt. Vielmehr können diese auch für die Wahr-nehmung der Aktivitäten innerhalb des kollaborativen Prozesses genutztwerden. Darauf soll im folgenden Kapitel 3 näher eingegangen werden.

Nicht nur die Wahrnehmung, auch die Organisation von Gruppenprozes-sen ist in computervermittelten Situationen schwieriger als in Face-to-FaceSituationen [Hammond (1999)]. Bezogen auf die Strukturierung computer-vermittelter kollaborativer Lernprozesse kommen einige Autoren zu demSchluss, dass zusätzliche Aktivitäten für ausgezeichnete Rollen einzufü-gen sind: „To media-based learning we must add activities which provideguidance and support for the learner: thus an opportunity is provided for thelearner to share the knowledge he has acquired and to enrich it throughcontact with the tutor and other learners.“ [Henri (1995), S. 147]. Einedetaillierte Beschäftigung mit den Aktivitäten unterstützender Rollen findetsich in Abschnitt 2.2.6.

So kann durch Festlegung von Themen und Zeiträumen im Vorfeld des kol-laborativen Lernens eine themen- und zeitbezogene Strukturierung erreichtwerden, die den Lernenden die Zuordnung von Informationen erleichtert.„Effective online teamwork requires clearly defined tasks, principles fordecision making, roles, labor distribution, and timelines, which should beestablished in advance by the students, or the teacher or both." [Harasim etal. (1995), S. 130]. Auch in [Rötting & Bruder (2000)] wird darauf hingewie-sen, dass die Verteilung von Aufgaben, Mechanismen zur Terminüberwa-chung und Absprachenvereinbarungen gut unterstützt werden müssen.Lipponen erwähnt darüber hinaus die Notwendigkeit zu generellen Nut-zungsanleitungen, die sich insbesondere auf den Austausch in kollaborati-ven Prozessen beziehen: „general guidelines for effective participation anddiscourse in CSCL environments; these included dense interaction, decen-

Strukturierung der Lernpro-zesse durch eine ausgezeichnete Rolle

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Kollaboratives Lernen 53

tralized participation, reflective, and constructive communication“ [Lippo-nen (2001), S.41].

Auch in computervermittelten Situationen ist der Ausgangspunkt kollabora-tiver Lernprozesse eine Aufgabenstellung. Lipponen warnt in diesemZusammenhang davor, lediglich Aufgabenstellungen aus bekannten „Face-to-Face Settings“ zu übernehmen; vielmehr sollten systematisch neue Auf-gabenstellungen entwickelt werden, die den neuen Möglichkeiten kollabo-rativer Lernumgebungen gerecht werden [Lipponen (2001)].

Neben der Strukturierung auf Basis zusätzlicher Aktivitäten der Teilnehmerexistieren auch Ansätze, bei denen Aufgaben der Steuerung des Prozes-ses an das technische System übergeben werden [Masterson (1998)].Auch im deutschsprachigen Raum sind Überlegungen zur computerge-stützten Steuerung von Lernprozessen zu finden. Diese beschäftigen sichmit der Entwicklung und Umsetzung von Lernprotokollen, die auf der ausder Psychologie stammenden Skript-Theorie basieren [Pfister et al.(1998)], [Wessner et al. (1999a)].

Eine Steuerung von kollaborativen Lernprozessen durch das technischeSystem, die eine Abbildung der Prozesse im System bedeuten würde,scheint dabei wenig erfolgversprechend, da unterstellt wird, dass es einevom System bestimmbare Menge an bereitzustellenden Kontextinformatio-nen und einen „richtigen“ Weg zur gemeinsamen Erarbeitung von Wissengibt. Da aber Lernende als autonome Systeme unterschiedliche Wege zurErarbeitung und zum Austausch von Wissen verfolgen, benötigen sie eineauf sie zugeschnittene Menge an Kontextinformationen. In einigen system-gesteuerten Ansätzen wurden diese Probleme erkannt und dadurchumgangen, dass ein Prozessschritt „session“ eingeführt werden kann, indem die Teilnehmer zu einer Diskussionsrunde zusammen kommen [Miao(2000)]. Austausch und Aushandlung finden dabei in diesem einen Pro-zessschritt statt, so dass faktisch die kollaborativen Aktivitäten nicht struk-turiert und gesteuert werden.

Zudem ist zu hinterfragen, ob durch einen systemgesteuerten Ablauf derLernprozesse eine Verbesserung der gemeinsamen Erarbeitung von Wis-sen erzielt wird. Denn auch der Einfluss des Lernenden auf den Lernpro-zess kann als aktive Auseinandersetzung mit dem zu erlernenden Wissenbegriffen werden, würde aber bei einer Steuerung durch das System einge-schränkt. Diese Tendenz zeigt sich auch bei der Unterstützung von Arbeits-

Ansätze zu com-putergestützter Prozesssteue-rung

Grenzen compu-tergestützter Prozesssteue-rung

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54 Grundbegriffe und Grundlagen

prozessen. So wurde als entscheidender Nachteil vonWorkflowmanagementsystemen immer wieder die unflexible, vollständigeSteuerung der Prozesse ohne Einfluss der Beteiligten genannt [Saastamoi-nen (1995)]. Ziel sollte es hier sein, computervermittelt und nicht computer-gesteuert zu strukturieren. Dies bedeutet, dass das technische SystemFunktionalitäten zur Unterstützung der Aktivitäten des Prozesses anbietet,ohne durch eine Steuerung die Möglichkeit zur Nutzung der Funktionalitä-ten einzuschränken bzw. zu sequenzialisieren.

Zur Erarbeitung eines computervermittelten kollaborativen Lernprozesseswurden ergänzend zu der Literaturstudie Szenarien eingesetzt. Der Einsatzvon Szenarien während der Softwareentwicklung erfolgt vor allem zurErhebung von Anforderungen aus Nutzersicht: „Scenarios might bedeveloped to help envision various further aspects of the user´s activity andexperience“ [Carroll (1995), S. 3]. Auf der anderen Seite wird davorgewarnt, dass Szenarien keine vollständige Anforderungsliste ermögli-chen, da dadurch größere Zusammenhänge häufig nicht erkannt werden:„Scenarios, by themselves, are unsufficient tools with which to think aboutlarger issues such as: [...] How should technology be used in the class-room?“ [Nardi (1995), S. 398]. Aus diesen Gründen wird hier eine Kombi-nation aus Literaturstudie und Szenarien angewendet. Diese Kombinationermöglicht die Beachtung von Anforderungen aus Nutzersicht (durch dieSzenarien) bei gleichzeitigem Einbezug größerer Zusammenhänge (durchdie Literaturstudie).

Ausgegangen wurde dabei von klassischen Szenarien mit hohem Anteil anFace-to-Face Veranstaltungen, die sich auf die bestehende Veranstal-tungsarten Übung, Seminar und Projektgruppe beziehen. Die Komplexitätdes jeweiligen Szenarios nimmt dabei von Übung über Seminar hin zurProjektgruppe zu. Diese klassischen Szenarien bilden den Ausgangspunkt,sie zeigen „valuable information about how users actually go about doingtheir work“ [Nardi (1995), S. 397]. Zusätzlich werden mögliche Modifikatio-nen, die ein Computereinsatz nach sich ziehen könnte, in innovativen Sze-narien erarbeitet. Dies scheint notwendig, da mit der Entwicklung einerintegrierten Umgebung neue Formen von Nutzungsprozessen möglichwerden: „New technology requires us to rethink these dynamics becausewe do not have the option to use familiar approaches“ [Kimball (1998), S.26]. Eine vollständige Übersicht über die Szenarien befinden sich inAnhang B.

Szenarien als Grundlage

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Kollaboratives Lernen 55

Die Szenarien machten besonders deutlich, dass sowohl individuelles alsauch kollaboratives Lernen Bestandteil des Prozesses sind. Dabei ist nichtnur die Kommunikation, sondern auch die Erarbeitung und Modifikationeigenen Materials zu unterstützen. Auch Stahl erwähnt in dem KnowledgeBuilding Process (vgl. Abbildung 13 in dieser Arbeit) und in seinem theore-tischen Rahmen für CSCL die Notwendigkeit zu individuellen und Grup-penperspektiven auf Lerninhalte [Stahl (2002)]. Auf die Notwendigkeit zurUnterstützung sowohl des individuellen Lernens (also das Lernen am eige-nen Material) als auch des gemeinsamen Lernens (Lernen mit dem Mate-rial anderer und Kollaboration) wird auch in [Hoadley & Enyedy (1999)]hingewiesen.

Auf Basis der durchgeführten Literaturanalyse und der Auseinanderset-zung mit verschiedenen Lernszenarien wurde ein Prozessmodell compu-tervermittelten kollaborativen Lernens mit drei Phasen entwickelt, die nichtsequenziell ablaufen müssen. In Abbildung 14 ist dies durch Relationen,die die Kanten der Aktivitäten schneiden, gekennzeichnet. Die Abbildunggibt einen detaillierten Überblick über die Aktivitäten dieser Phasen, denenzusätzlich die Phase der Vorbereitung, die von einem Lehrenden durchge-führt wird, vorangestellt wird. Die nicht ausgefüllten Halbkreise deuten an,dass es weitere Aktivitäten geben kann, die in diesem Zusammenhangaber nicht von Relevanz sind.

Während des Lernens am eigenen Material geht es darum, Inhalte für sichzu erarbeiten, zu strukturieren und zu explizieren. Durch die Hinzunahmeweiterer Empfänger können auch andere mit diesem Material lernen. Jedifferenzierter dabei Rechte vergeben werden können, desto eher kannProzesssteuerung gelingen, da an Hand der Empfängergruppe einge-schätzt werden kann, in welchem Stadium sich das erarbeitete Material desanderen befindet. Zugleich sind andere Beteiligte aufgefordert, auf Bei-träge des Lernenden zu achten. Dies als eigene Aktivität zu kennzeichnenist für computervermittelte Lernprozesse wegen des oben skizzierten Pro-blems der erschwerten Wahrnehmung des Prozessfortschrittes notwendig.

Durch Suchen und Filtern wird es möglich, bestimmte Ausschnitte aus demMaterial anderer nachvollziehen zu können. Kopieren und Verknüpfenerlauben die Verbindung individueller Bestände. Bewerten und Anmerkun-gen anfügen sind erste Schritte auf dem Weg zum Erlangen eines gemein-samen Verständnisses, da es sich dabei um (adressierte) Kommunikationbezogen auf bestehende Inhalte handelt. Durch Nachfragen, Diskussion

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56 Grundbegriffe und Grundlagen

und Aushandlung schließlich werden Argumente ausgetauscht und eingemeinsames Ergebnis erzielt.

Abbildung 14. Prozess computervermittelten, kollaborativen Lernens

Als Grundlage zur Unterstützung der Einigung auf ein gemeinsamesErgebnis kann das in [Herrmann (1995)] vorgeschlagene Konzept system-gestützter Aushandlung herangezogen werden. Dieses Konzept sieht vor,Veränderungen von Systemeigenschaften oder von Informationen auchdann vornehmen zu können, wenn sie potenziell mit den Interessen ande-rer kollidieren. Für den kollaborativen Prozess sind in der Phase der Ver-ständigung auf ein gemeinsames Ergebnis weniger Systemeigenschaftenals vielmehr Informationen auszuhandeln. Eine Änderung einer Systemei-genschaft oder einer Information wird in einem ersten Schritt von einemNutzer vorgeschlagen. Mit Hilfe des gleichen Systems, mit dem dieseÄnderung vorbereitet und durchgeführt wird, werden auch die von dieser

Kollaborative Lernumgebung

am eigenen Material lernen mit dem Material derLernpartner lernen

Lerngruppe

vorbereiten

Ergebnisse editieren

verknüpfenkopieren

Lernender

Aufgabenerstellen

Materialerstellen

Gruppeneinteilen

Anmerkungen anfügen

nachforschen

Ergebnisse darstellen

weitere Empfänger zulassen

auf Beiträge anderer achten

Anmerkungen anfügen

weitere Informationsquellen

Lehrender

suchen filtern bewerten

kollaborieren

auf Beiträge anderer achten

Untergruppen bilden

Anmerkungenanfügen

fragen

aushandelnvorschlagen

fehlendeZustimmungdiskutieren votieren

antworten

Aushandlungs-konzept nach Herrmann

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Kollaboratives Lernen 57

Änderung Betroffenen informiert und in die Lage versetzt, auf den Vor-schlag zu reagieren. Dabei sind folgende Reaktionsmöglichkeiten vorgese-hen:

1. der Vorschlag wird akzeptiert, 2. der Vorschlag wird auf Widerruf akzeptiert, 3. der Vorschlag wird abgelehnt, 4. der Vorschlag wird modifiziert, 5. Abbruch der systemgestützten Verhandlung mit dem Vorschlag,

die Kommunikation auf direkterem Wege zu führen (z.B. Face-to-Face oder telefonisch),

6. Jede der vorangegangenen Reaktionsmöglichkeiten kann zusätzlich kommentiert werden.

Dieses Konzept wurde für Situationen entwickelt, in denen zwei Systembe-nutzer darüber verhandeln, ob eine Systemanpassung bei Gruppenunter-stützungssystemen erfolgen darf oder nicht. Die Aushandlung kann inmehreren Zyklen stattfinden, indem der Vorschlagende wiederum auf dieReaktion des Betroffenen reagiert. Es sind Aushandlungsregelungen fest-zulegen, die bestimmen, wie viele Aushandlungszyklen stattfinden können,wie viel Zeit bis zu einer Reaktion verstreichen kann, was passiert, wenndas Zeitlimit überschritten ist, etc.. Zweck dieses Aushandlungskonzeptesist es, möglichst schnell die Routinefälle von Ablehnung, Zustimmung odereinfachen Modifikationen der Vorschläge zu erledigen und gezielt heraus-zufinden, zu welchen Vorschlägen ein intensiverer Kommunikationspro-zess stattfinden muss. Auf diese Art und Weise erhält man einegemeinsame Ausgangsbasis, auf der der Diskussionsprozess aufbauenkann.

Nachdem nun für diese Arbeit ein Prozessmodell computervermittelten kol-laborativen Lernens erarbeitet wurde, werden im folgenden Abschnitt Rol-len vorgestellt, deren Aufgabe in der Unterstützung oder Lenkung diesesProzesses liegt.

2.2.6 Rollen beim kollaborativen Lernen

Eine Rolle wird in der Systemtheorie als eine Menge von spezifischenKommunikationsakten beschrieben [Luhmann (1987)]. Andere Rollenerwarten erwarten von einer Rolle, dass diese entsprechend der jeweiligenMenge von spezifischen Kommunikationsakten handelt. Daraus lässt sichdie knappere Definition von Rollen als „Menge von Rechten und Pflichten“

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58 Grundbegriffe und Grundlagen

ableiten. An kollaborativen Lernprozessen können, neben den kollaborativlernenden Gruppenteilnehmern, meist Lernende genannt, andere Rollenbeteiligt sein, die in diesem Abschnitt beschrieben werden sollen. DieseRollen zeichnen sich durch unterschiedliche Aufgaben aus. Dabei handeltes sich in Anlehnung an [Harasim et al. (1995)] im Wesentlichen um fol-gende Rollen:

• Bereitsteller von Inhalten, auch Electurer genannt [Harasim et al.(1995), S. 125]: vermittelt Informationen durch (hypermedial aufbe-reitete) Inhalte

• Tutor: organisiert und leitet den Prozess des kollaborativen Lernens,verfügt meist auch über Wissen zu inhaltlichen Fragen

• Moderator: unterstützt die Kommunikation zwischen den Lernenden(vgl. auch Abschnitt 2.1.4)

• Experte: unterstützt die Lernenden in inhaltlichen Fragen• Mentor: inhaltlicher Experte, der zusätzlich Wissen über den Ablauf

des Lernens hat

Mehrere dieser Rollen werden mitunter von einer Person übernommen. Soist beispielsweise ein Professor an einer Universität meist Bereitsteller vonInhalten, Experte und ggf. auch Mentor zugleich. Im Folgenden wird näherauf die Aufgaben und notwendige Voraussetzung dieser Rollen eingegan-gen und ein Bezug zur Kommunikationsunterstützung hergestellt.

Die Rolle des Bereitstellers besteht vor allem darin, die zu vermittelndenInhalte auszuwählen und didaktisch aufzubereiten. Mit der Problematik derdidaktischen Aufbereitung von Inhalten sind viele Psychologen und Päd-agogen beschäftigt (vgl. Kapitel 1). Dieses Thema soll in der vorliegendenArbeit aber nicht weiter vertieft werden.

Für die Betrachtung des kollaborativen Lernens in dieser Arbeit ist dieseRolle jedoch beachtenswert, weil die aufbereiteten Inhalte Teile desgemeinsamen Kontextes der Lernenden sein können. Diese Inhalte kön-nen die Kommunikation unter den Lernenden unterstützen, indem dieseentsprechend auf die Inhalte verweisen. Diese Inhalte müssen entspre-chend so aufbereitet sein, dass es möglich ist, auch auf Teile verweisen zukönnen. Dies erlaubt es dem Mitteilenden, eine Eingrenzung der Kontextin-formationen gemäß seiner Mitteilungskonzeption vorzunehmen und soauch nur auf die wirklich relevanten Informationen zu verweisen.

Ein Tutor organisiert und leitet den Prozess des kollaborativen Lernens.Dabei fallen folgende Aufgaben an:

Bereitsteller von Inhalten

Tutor

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Kollaboratives Lernen 59

• Vorbereiten der Lernsituation (z.B. Seminar), dabei Festlegung vonTeilnehmern, Inhalten, Zeitraum etc..

• Überprüfen, ob Informationen fehlen. Dies lässt sich nur aus Fragender Lernenden oder an deren Verhalten im System ableiten. Gege-benenfalls muss der Tutor vor dem Hintergrund seines Wissensüber die Lerninhalte weitere Informationen einstellen.

• aktuelle Phase des Lernprozesses transparent machen. Die Trans-parenz über den Stand des Lernprozesses ist ein Teil des gemein-samen Kontextes.

Diese Aufgaben können meist nur durchgeführt werden, wenn der Tutorauch über Wissen zum Lerninhalt verfügt.

Ein Moderator unterstützt in dem Kontext dieser Arbeit die Kommunikationzwischen den Lernenden. Da zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeitkaum spezielle Literatur zu Moderation von Lerngruppen zur Verfügungstand, wird hier auf allgemeinere Literatur zu Moderation von Gruppen incomputervermittelten Situationen zurückgegriffen. McCreary bezeichnetden Moderator als „the lead player in a jazz ensemble“ [McCreary (1990),S. 121]. In computervermittelten Situationen sind dabei mindestens zweiArten denkbar. Eine sehr restriktive Art der Moderation ist die Zusendungvon Beiträgen an den Moderator, der diese filtert und gegebenenfalls modi-fiziert, eher sie an andere Teilnehmer weitergegeben werden. Eine offenereArt besteht darin, dass Kommunikationsbeiträge immer allen zur Verfügunggestellt werden, ein Moderator dann auf inhaltliche Lenkung und gegebe-nenfalls Zusammenfassung achtet.

Allgemein kann als Aufgabe eines Moderators die Strukturierung einerKommunikation genannt werden. In Anlehnung an [Collins & Berge (1997)]und [Bremer & Fechner (1999)] umfasst die Kommunikationsstrukturierungfolgende Aktivitäten:

• neue Diskussionsstränge eröffnen• zur Diskussionsteilnahme anregen: Beobachtungen, dass das Auf-

kommen in computervermittelten Situationen ohne einen Moderator„enttäuschend sein könne" [Hammond (1999), S. 365], deshalb sindStrategien zur Anregung von Diskussionen notwendig.

• Diskussionen inhaltlich lenken: Interpretation bestehender Kommu-nikationsbeiträge und gegebenenfalls Veröffentlichen neuer Bei-träge; in [Hammond (1999)] wird auf die Schwierigkeit hingewiesen,dass der Moderator in computervermittelten Situationen weniger

Moderator

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60 Grundbegriffe und Grundlagen

Kontrolle über den Verlauf der Diskussion hat als in Face-to-FaceSituationen

• inhaltliche (Zwischen-)Ergebnisse veröffentlichen (vgl. auch [Kimball(1998)]): gegebenenfalls Explikation von Teilen verangegangenerBeiträge

Als Gründe für die Notwendigkeit zur Moderation werden vor allem dasEinhalten von Kommunikationsnormen und die Überwachung der Fokusie-rung einer Diskussion: „keeping the discussion focused within the topic“[Berge & Collins (2000), S. 81] genannt. Einige Probanden dieser Untersu-chung lehnten eine Moderation allerdings ab, weil sie sich in ihrer Redefrei-heit eingeschränkt sahen. Eine Notwendigkeit zur Moderation hängt nachderen Untersuchung von der Größe der Gruppe und dem erwarteten Auf-kommen an Kommunikationsbeiträgen ab.

Besonders erwähnenswert ist, dass ein Moderator nach den Untersuchun-gen von [Berge & Collins (2000)] auch die Rolle eines Experten einnimmt.Ein Moderator verfügt also nicht nur über spezielles Wissen zu den Abläu-fen von Kommunikation, sondern auch über Wissen zu den Lerninhalten.Kontext entsteht für den Moderator in erster Linie über den Prozessstand,kann aber auch durch Wissen über den Inhalt entstehen.

Experten und Mentoren sind für die Lernenden Kommunikationspartner,mit denen Lerninhalte diskutiert werden können. Ein Experte begleitet nichtden ganzen Prozess, sondern kommuniziert punktuell mit den Lernenden.Dementsprechend ist der gemeinsame Kontext in der Regel gering. Kon-text muss von den Lernenden ggf. expliziert werden oder es muss demExperten möglich sein, auf Ausschnitte des Kontextes der Lernenden, etwaauf bestimmte Bereiche innerhalb der eingesetzten KL-Umgebung, zugrei-fen zu können.

Ein Mentor hingegen begleitet Lernende während des gesamten Prozes-ses. So ist er nicht nur inhaltlicher Experte, sondern hat zusätzlich Wissenüber den Ablauf des Lernprozesses. Damit stehen ihm einerseits mehrKontextinformationen aus vergangenen Lernphasen, aber auch der thema-tische Zusammenhang seines Beitrages abhängig von der konkretenPhase zur Verfügung.

[O´Neill & Gomez (1998)] fanden in ihrer Untersuchung allerdings Pro-bleme beim Einsatz von Mentoren in computervermittelten Situationen,weil die Mentoren den Verlauf der Aktivitäten der Lernenden nicht gut

Experte

Mentor

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Kollaboratives Lernen 61

genug verfolgen konnten. In einer Vielzahl der Fälle wurde der Dialog zwi-schen Lernenden und Mentor abgebrochen, weil die Probleme mit diesenfehlenden Kontextinformationen unüberwindbar schienen. Nur in einigenFällen, in denen die Mentoren explizit nach Kontext bezüglich des Fort-schrittes im Lernprozess fragten, wurde die Kommunikation aufrechterhal-ten.

Abbildung 15 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Aktivitä-ten der in diesem Abschnitt beschriebenen unterstützenden Rollen, dieaus Gründen der Übersichtlichkeit für diese Abbildung unter der Bezeich-nung „Unterstützer“ zusammengefasst werden.

Abbildung 15. Aufgaben der unterstützenden Rollen

Abhängig von der jeweiligen Rolle ist unterschiedliches Wissen zu demkonkreten Thema (1) (Mentor und Experte, zum Teil aber auch Tutor undModerator) oder dem Prozess (2) (Tutor und Moderator, zum Teil auchMentor) notwendig. So werden inhaltliche Ergänzungen eher von einemExperten, Mentor und teilweise auch vom Tutor vorgenommen, währenddie Aktivität der Strukturierung von Tutor und Moderator übernommen wird.

Dialog

aufnehmendes Handeln

Innerer Kontextvon B

mitteilendes Handeln

Innerer Kontextvon A Ausdruck

Lernender BRollentausch

Umwelt

äußerer Kontext

Lernender A

Unterstützer

begleiten

ergänzen strukturieren anregen überprüfen

innerer Kontext von U ProzesswissenInhaltswissen

Kon von Agemeinsamer Kon

Kon von B

Kon von U

unterstützenderBeitrag

1 2

3

4

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62 Grundbegriffe und Grundlagen

Da kollaboratives Lernen in computervermittelten Situationen vor allem mit-tels Kommunikation stattfindet, ist auch die Aktivität der Unterstützung alsmitteilendes Handeln zu verstehen. Dies wird in Abbildung 15 durch dieDarstellung der Aktivität „unterstützen“ als Vererbung (3) von „mitteilendesHandeln“ verdeutlicht. Die Bedeutung der Vererbung in SeeMe wird aus-fühlich in Anhang D dargestellt. Ergebnis jeder Unterstützungsaktivität istein unterstützender Beitrag (4), der zur inhaltlichen Ergänzung oder Struk-turierung beiträgt und der Anregung oder Überprüfung dient. Für die Unter-stützungsaktivitäten werden gegebenenfalls auch Ausdrücke derLernenden genutzt. Im Verlaufe dieser Arbeit wird zu klären sein, welchebesonderen kommunikativen Aktivitäten im Rahmen dieser unterstützen-den Aktivitäten notwendig sind.

Auch der gemeinsame Kontext der Lernenden und des Vermittlers ist vonentscheidender Bedeutung für die Verständigung. Besonders in computer-vermittelten Situationen ist darauf zu achten, dass auch die Rollen, dienicht in den Forschritt des Prozesses eingebunden sind, ausreichend Kon-textinformationen erhalten, um ein Partnerbild herauszubilden und so aufdie Rezipienten bezogen agieren zu können.

2.3 Organisationales LernenNachdem im vorangegangenen Abschnitt wesentliche Begriffe zu Lernenin Institutionen vorgestellt wurde, soll hier das Lernen in Unternehmenbeleuchtet werden. Dabei wird der Begriff des organisationalen Lernenserläutert und auf die Bedeutung der Kommunikation eingegangen. Zudemwird der Zusammenhang zu den Begriffen Wissensarbeit, Wissenspro-zesse und Wissensmanagement dargestellt. Abschließend werden betei-ligte Rollen vorgestellt.

2.3.1 Organisationales Lernen und die lernende Organisation

Organisationales Lernen, d.h. gemeinsames Lernen in Unternehmen, wirdin einem Zug mit dem Begriff der lernenden Organisation genannt [Argyris& Schön (1996)]. Dabei ist die lernende Organisation zunächst ein Leitbildfür die gesamte Unternehmung. In lernenden Organisationen - so dieVision - findet gemeinsames Lernen statt, individuell gewonnene Erfahrun-gen kommen dem gesamten Unternehmen zu Gute, und jeder versucht einVerständnis für die Vorgehensweisen des anderen zu entwickeln. Dies istfür das Unternehmen von Vorteil, da die lernende Organisation schneller

die Idee der ler-nenden Organi-sation

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Organisationales Lernen 63

und flexibler auf neue Anforderungen reagieren und schneller innovativeProdukte, Dienstleistungen oder Verfahren entwickeln kann. Ziel organisa-tionalen Lernens ist nach Kluge und Schilling „alles Wissen (insbesonderedas zunächst nicht zugängliche individuelle Wissen) in ‘von allen geteiltesWissen‘ zu überführen, um es für die Organisation nutzbar zu machen“[Kluge & Schilling (2000), S. 182].

Tabelle 1. Organisationales Lernen und die lernende Organisation nach [Kluge & Schilling (2000)]

Die Konzepte „Organisieren“ und „Lernen“, die in den Wortpaaren „organi-sationales Lernen“ und „lernende Organisation“ enthalten sind, sind dabeinach [Weick & Westley (1996)] nicht immer miteinander vereinbar. Wäh-rend Lernen eher bedeute, Vielfalt zu erzeugen und Ergebnisse zu disku-tieren, bedeute Organisieren implizit Standardisieren und Vielfaltreduzieren. Insoweit sprechen die beiden Begriffe antithetische Prozesse

an; dementsprechend wird „Organisationales Lernen“ als „Oximoron7“[Weick & Westley (1996), S. 442] bezeichnet. Kluge und Schilling greifendiese Diskussion auf und versuchen diesen (scheinbaren) Widerspruchzwischen den Begriffen „Organisieren“ und „Lernen“ durch Bezug zur insti-tutionalen und instrumentalen Perspektive auf Organisationen zu erklären[Kluge & Schilling (2000)] (vgl. Tabelle 1).

Abhängig davon, welcher Grundauffassung der Begriff Organisation zuge-ordnet werde, werde auch das Lernen unterschiedlich erklärt. Bei der insti-tutionalen Perspektive wird die Organisation als soziales System

institutionale Perspektive instrumentale PerspektivePerspek-tive

Organisation als soziales System mit einer Struktur zur Koordination von Aufgaben

Organisation als ein die Interaktion der Mitglieder steuerndes Regelwerk

Organisa-tionales Lernen

kollektives Lernen (im Gegensatz zum individuellen) Lernen in einem sozialen System

geregeltes, methodisches (im Gegensatz zum unsystematischen) Lernen

Lernende Organisa-tion

als Lerngemeinschaft (im Gegensatz zu lernenden Individuen), wobei das soziale System als Gesamtheit - und nicht nur einzelne Personen - Nutzen aus dem Lernen zieht

Vorstellungen über ein formales Regelwerk (im Gegensatz zu einer spontanen ad hoc-Ordnung), das sich in Gedanken der Veränderung trägt und kontinuierliche Weiterentwicklung ermöglicht

7. Oximoron: Redefigur aus zwei sich widersprechenden Begriffen [Kluge & Schilling (2000)]

Organisation und Lernen

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64 Grundbegriffe und Grundlagen

verstanden und damit das organisationale Lernen als kollektives Lernen indiesem sozialen System bezeichnet. Argyris & Schön stützen diese Sicht-weise: „Its conception of a learning organization focuses on the idea of col-lective participation by teams of individuals, especially workers, indeveloping new patterns of work“ [Argyris & Schön (1996), S. 181]. Demge-genüber wird in der instrumentalen Perspektive Organisation als steuern-des Regelwerk definiert und Lernen als geregeltes Vorgehen erklärt. DasOximoron löse sich nach [Kluge & Schilling (2000)] insofern, als dass dieUnterschiede in den beiden Perspektiven das jeweils andere Wort desBegriffspaares „Organisationales Lernen“ in den Vordergrund stellen. Istdies bei der instrumentalen Perspektive eher das „Organisieren“ im Sinnevon Regeln, so ist es bei der institutionalen Perspektive eher das „(gemein-same) Lernen“. Die Organisation ist bei der institutionalen Perspektivedann eher zu verstehen als „behavioral settings of human interactions“[Argyris & Schön (1996), S. 7].

In dieser Arbeit soll im Wesentlichen das Verständnis der Begriffe aus derinstitutionalen Perspektive verwendet werden, da sie thematisch der Blick-richtung auf Kommunikation und Lernen entsprechen. Kollaboratives Ler-nen in Unternehmen wird also als organisationales Lernen bezeichnet, dieGruppe von Lernenden als lernende Organisation. Dabei werden mit demTerminus „Lernende“ nicht Personen, die an Schulungsmaßnahmen teil-nehmen, angesprochen. Vielmehr sind hier diejenigen gemeint, die imRahmen ihrer Arbeitstätigkeiten an kollaborativen Lernprozessen teilneh-men. Als Startpunkt organisationalen Lernens beschreibt Stahl in seinemModell einen „breakdown“, an dem vorhandenes Wissen nicht ausreicht.Während der Phase einer expliziten Reflektion versucht zunächst ein Indi-viduum dieses Problem zu lösen. Erst durch Artikulation und Teilung desArtikulierten sind Innovationen möglich: „The personal reflection and colla-borative articulation of shared perspectives make innovation possible“[Stahl (2000b), S. 79].

Mit den Ansätzen zur Strukturierung von Prozessen (vgl. Abschnitt 2.2.5)wird in dieser Arbeit auch unterstellt, dass (durch Teilnehmer vereinbarte)Regeln für gemeinsames Lernen notwendig sind. Diese Regeln aber kön-nen, etwa wie bei [Senge (1990)] erwähnt, in der Gruppe entstehen undGrundlage für das Bestehen des sozialen Systems sein. Auch im Modelldes organisationalen Lernens in Anlehnung an [Spieß & Winterstein(1999)] wird mit der Notwendigkeit zu einem lernförderlichen Umfeld auf

Weiterentwick-lung von Regeln

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Organisationales Lernen 65

die Notwendigkeit zur Festlegung von Struktur und Regeln des Lernenshingewiesen (vgl. Abbildung 16).

Abbildung 16. Modell des organisationalen Lernens in Anlehnung an [Spieß & Winterstein (1999)]

Mit dieser Betrachtungsweise, bei der Regeln nicht vom Management, son-dern von den Beteiligten festgelegt werden, werden die Regeln von denBeteiligten ständig evaluiert und angepasst. So konnte Orlikowski in ihrerStudie zeigen, dass Gruppen ihre Regeln den Bedürfnissen entsprechendweiterentwickeln und dadurch Veränderungen ermöglichen [Orlikowski(1996)]. Durch die Veränderungen in der Struktur der Zusammenarbeit sindauch Veränderungen bzw. Weiterentwicklungen für das Unternehmen mög-lich. In der Systemtheorie wird in diesem Zusammenhang der Begriff derEmergenz verwendet. Von Emergenz spricht man „wenn durch mikroskopi-sche Wechselwirkungen auf einer makroskopischen Ebene eine neueQualität entsteht, die nicht aus den Eigenschaften der Komponenten her-leitbar (kausal erklärbar, formal ableitbar) ist, die aber dennoch allein in derWechselwirkung der Komponenten besteht“ [Krohn & Küppers (1992), S.389]. Dadurch gelingt es der lernenden Organisation, auf sich veränderndeAnforderungen zu reagieren.

2.3.2 Kommunikation als Bestandteil organisationalen Lernens

Mit dem zuvor erwähnten Modell des organisationalen Lernens weist Stahlauf die Bedeutung individueller Reflektion und Kommunikation für dasorganisationale Lernen hin. Auch in dem Modell nach [Spieß & Winterstein

Kommunikation

speichern und vernetzen

lernförderliches Umfeld

Struktur und Regeln

Führungsverhalten

Organisationskultur

Wissensmanagement

individuellesLernen

organisationalesLernen

gemeinsameWissensbasis

organisationaleEinbettung

Organisation

Mitarbeiter

Bestandteile des organisationa-len Lernens

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66 Grundbegriffe und Grundlagen

(1999)] sowie in [Heijst et al. (1998)] werden individuelles Lernen und Kom-munikation als wesentliche Bausteine organisationalen Lernens genannt.Damit entstehen starke Parallelen zu der Definition kollaborativen Lernens.Senge differenziert in seinem systemtheoretisch orientierten Ansatz denÜbergang zwischen individuellem und organisationalem Lernen in fünfSchritten, die er die fünf Disziplinen der Gestaltung einer lernenden Organi-sation nennt [Senge (1990)]. Dabei wird nicht nur auf die unterschiedlichenArten des Lernens in einer Organisation eingegangen, sondern mit derfünften Disziplin, dem systemischen Denken, auch die Kommunikation alswichtige Voraussetzung für organisationales Lernen hervorgehoben.

Um den Zusammenhang zwischen individuellem Lernen, Kommunikationund organisationalem Lernen zu verdeutlichen, entwickelten Nonaka undTakeuchi den Ansatz der „Wissensspirale“ [Nonaka & Takeuchi (1995)].Dabei wird zwischen implizitem und explizitem Wissen unterschieden.Während sich explizites Wissen in formaler, systematischer Sprache wei-tergeben lässt (Verstands-, digitales Wissen), ist implizites Wissen persön-lich und kontextspezifisch und daher nur schwer kommunizierbares Wissen(Erfahrungswissen).

Der Ausgangspunkt der Wissensspirale liegt zunächst beim Individuumund seiner Option, durch Erfahrungsbildung Wissen zu generieren. DurchInteraktion und Kommunikation verschiedener Individuen in kollektivenZusammenhängen gibt der Einzelne sein eigenes Wissen preis (Externali-sierung), so dass es für andere zugänglich wird. Auf der anderen Seiteinternalisiert er wiederum den Erfahrungshintergrund dieser Individuenrespektive die sozialen Normen im Unternehmen (Internalisierung). Implizi-tes Wissen kann potenziell externalisiert werden, expliziertes Wissen kanninternalisiert werden. Mit Bezug zu Abschnitt 2.2 und hier im Speziellen derDefinition von Lernen nach [Lave & Wenger (1991)] ist mit „Internalisieren“eine Änderung im inneren Kontext und damit Lernen gemeint.

Unterstützt wird dieser Prozess durch die explizite Erfassung von bislangnur implizit vorhandenem Wissen. Durch das Wechselspiel von Externali-sierung und Internalisierung wird neues Wissen bei den Einzelnen, aberauch für die Organisation generiert. Insgesamt können dabei vier Modi derWissensgenerierung unterschieden (vgl. Tabelle 2) werden.

Internalisierung und Externalisie-rung im Wech-selspiel

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Organisationales Lernen 67

Tabelle 2. Modi der Wissensgenerierung nach [Nonaka & Takeuchi (1995)]

Engeström beschreibt das Wechselspiel zwischen Internalisierung undExternalisierung an Hand des „Expansive Cyle“ [Engeström (1999)]. Wäh-rend am Anfang die Internalisierung den Hauptteil einnimmt, nimmt im Ver-laufe dieses Zykluses der Anteil der Externalisierung zu. Während derExternalisierung tauschen die Beteiligten Wissen aus und verständigensich auf Gemeinsamkeiten. Die Externalisierung hat Veränderungen z.B. inneuen Vorgehensweisen zur Folge: „Externalization reaches its peak whena new model for the activity is designed and implemented“ [Engeström(1999), S. 34]. Anschließend erfolgt wiederum eine Phase der Internalisie-rung, die sich auf die externalisierten Inhalte bezieht: „As the new modelstabilizes itself, internalization of its inherent ways and means again beco-mes the dominant form of learning and development.“ [Engeström (1999),S. 34].

Gerade das Wechselspiel zwischen Internalisierung und Externalisierungermöglicht organisationales Lernen: Auf der einen Seite regt explizites Wis-sen Individuen zu Internalisierung an. Das Individuum kann daraufhindurch Verknüpfung mit bereits vorhandenem Wissen neues Wissen gene-rieren. Dieses neue Wissen auf der anderen Seite kann dann wiederumggf. durch Externalisierung für andere Beteiligte zur Verfügung gestellt wer-den.

Mit der Externalisierung von Wissen kommt man dem Ziel des organisatio-nalen Lernens, Wissen einzelner möglichst vielen zugänglich und für diesenutzbar zu machen, ein Stück näher. Alles externalisierte Wissen, z.B. inForm von Papierdokumenten, aber auch elektronischen Dateien, wird alsexterne Wissensbasis bezeichnet. Argyris & Schön sprechen von „environ-ments for knowledge“ [Argyris & Schön (1996), S. 12]. Zunehmend werdenin Unternehmen technische Systeme eingesetzt, die eine strukturierteAblage und Verknüpfung von explizitem Wissen ermöglichen. Solche tech-nischen Systeme werden in Kapitel 3 genauer beleuchtet.

Übergang von

zu implizitem Wissen zu explizitem Wissen

implizitem Wissen

Sozialisation Externalisierung

explizitem Wissen

Internalisierung (vgl. auch den Lernbegriff von Lave und Wenger)

Kombination explizierten Wissen

externe Wissens-basis

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68 Grundbegriffe und Grundlagen

Aber nicht nur die Bereitstellung von Wissen, sondern auch seine Ver-wendbarkeit sind für das organisationale Lernen wichtig: „Merely makingknowledge available is not transfer. Access is necessary by no means suf-ficient to ensure that knowledge will be used.“ [Davenport & Prusak (1998),S. 101]. Hier können die Überlegungen zum kontext-orientierten Kommuni-kationsmodell (vgl. Abschnitt 2.1.3) Antworten auf die Frage geben, wieprinzipiell explizierbares Wissen so explizit gemacht wird, dass es fürandere nachvollziehbar und damit nutzbar wird. Im Gegensatz zu kollabo-rativem Lernen in Institutionen bezieht sich die Kommunikation hier aufreale Probleme. So kann sich die Kommunikation mitunter daraufbeschränken, dass Inhalte eines Ausdrucks vom Rezipienten ausprobiertwerden und so etwaige Missverständnisse direkt erkannt werden können.Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass Wissen des anderen zur eige-nen Anwendung zwar expliziert, aber kaum diskutiert werden muss. Gene-rierung, Bereitstellung und Austausch von Wissen, die als wesentlicheBestandteile organisationalen Lernens herausgestellt wurden, können alsAktivitäten der Wissensarbeit verstanden werden. Im Folgenden soll ver-vollständigend auf die Begriffe Wissensarbeit, Wissensprozesse und Wis-sensmanagement eingegangen werden.

2.3.3 Wissensarbeit, Wissensprozesse und Wissensmanagement

Der Begriff Wissensarbeit kennzeichnet die Anwendung und Weiterent-wicklung des Wissens Einzelner, also alle „Tätigkeiten (Kommunikation,Transaktion, Interaktion), die dadurch gekennzeichnet sind, dass das erfor-derliche Wissen nicht einmal im Leben durch Erfahrung, Initiation, Lehre,Fachausbildung oder Profession erworben und dann angewendet wird.Vielmehr erfordert Wissensarbeit [...], dass das relevante Wissen (1) konti-nuierlich revidiert, (2) permanent als verbesserungsfähig angesehen, (3)prinzipiell nicht als Wahrheit, sondern als Ressource betrachtet wird und(4) untrennbar mit Nichtwissen gekoppelt ist, so dass mit Wissensarbeitspezifische Risiken verbunden sind“ [Willke (2001), S. 21]. Auch Probstund andere blicken auf diese Aktivitäten der Wissensarbeit. In ihren Bau-steinen unterscheiden sie zwischen Wissen gewinnen, explizieren, struktu-rieren, darstellen, verteilen, kommunizieren, und suchen [Probst et al.(1998)]. Zur Erläuterung des Begriffes der Wissensarbeit ist die Beschäfti-

Wissensarbeit

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Organisationales Lernen 69

gung mit dem Begriff Wissen hilfreich, der in vielen Literaturstellen gegendie Begriffe Daten und Informationen abgegrenzt wird.

Abbildung 17. Daten, Information und Wissen

Im Verständnis dieser Arbeit werden Daten in Zahlen, Sprache, Farben o.ä.kodiert, können transportiert und physikalisch verarbeitet werden. Bei Kom-munikation werden Daten im Ausdruck ausgetauscht. Abbildung 17 stellteinen Zusammenhang zwischen dem kontext-orientierten Kommunikati-onsmodell und Daten, Informationen sowie Wissen dar. Aus Daten werdenInformationen, wenn es eine erste Interpretation gibt. Im Kommunikations-modell ist dies das Resultat der Eindruckserzeugung. In der Literatur istebenfalls ein enger Bezug zu dem Empfänger zu finden: Informationenwerden beschrieben als „Daten, welche in einem gewissen Kontext inter-pretierbar sind und damit für den Empfänger Information darstellen“ [Probstet al. (1998), S. 34]. Auch systemtheorie-orientierte Publikationen tragendiese Definition mit, da „jede Information nur systemrelativ sein kann“[Willke (2001), S. 8].

Kon von Bwahrnehmbarer Kon

wahrgenommener Kon

B

aufnehmendes Handeln

Vor-stellung

ent-wickeln

aufnehmen

demAus-druckfolgen

Idee von BAusdrucks-

abbild

Aus-druck

innerer Kontext von B

Partnerbild

Wissen

Information

Daten

Ein-druck

er-zeugen

Daten, Informa-tionen und Wis-sen

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70 Grundbegriffe und Grundlagen

Aus Information wird Wissen, wenn die Information relativ dauerhafte Rele-vanz hat und mit vorhandenem Wissen verflochten wird. In der Terminolo-gie des kontext-orientierten Kommunikationsmodells ist Wissen Teil desinneren Kontextes. Der Übergang von Information zu Wissen wurde in die-ser Arbeit bereits als Lernen definiert (siehe Abschnitt 2.2.1, S. 39 ff.).Damit wird an Hand des Begriffes „Wissen“ verdeutlicht, dass zwischenLernen und Wissensarbeit ein enger Zusammenhang besteht.

Unter dem Begriff der Wissensprozesse wird versucht, die Aktivitäten derWissensarbeit zu strukturieren. Unter Wissensprozessen versteht manalso die Prozesse, in denen Wissen weiterentwickelt, verteilt, gesichert,wiederverwendet oder evaluiert wird. Wissensprozesse erzeugen Zwi-schenergebnisse und können in Teilaktivitäten zerlegt werden. Dabei ste-hen bei der Prozessbetrachtung in Unternehmen bislang wenigerWissensprozesse als vielmehr wertschöpfende Geschäftsprozesse [Hein-rich (1999)] im Vordergrund. Anders als bei der Betrachtung von Lernen inInstitutionen wird in Unternehmen bislang keine explizite Betrachtung undStrukturierung der Prozesse der gemeinsamen Erarbeitung und Verteilungvon Wissen vorgenommen.

Erst neuere Publikationen befassen sich mit Wissensprozessen (siehestellvertretend [Abecker et al. (2002)]). Dabei zeigt sich, dass Tätigkeitender Wissensarbeit zum überwiegenden Teil in der Ausführung vonGeschäftsprozessen und in Geschäftsprozessarbeit begleitende Aktivitätenaufgehen: „Our results indicate that companies focus on specific businessprocesses to implement knowledge management“ [Heisig (2000), S. 21].Die begleitenden Aktivitäten sind Unterstützungstätigkeiten, die zur erfolg-reichen Wissensarbeit ggf. mit Kommunikationstätigkeiten verknüpft wer-den müssen. Als kontinuierliche Unterstützungstätigkeit kannbeispielsweise die Pflege des expliziten Wissensbestandes (auch organi-sationale Wissensbasis genannt) verstanden werden. Das Ineinandergrei-fen der verschiedenen Aktivitäten zeigt folgendes Beispiel:

Ein Mitarbeiter, dessen Aufgabe in der kontinuierlichen Pflege der organi-sationalen Wissensbasis besteht, kann Wissensarbeit unterstützen, indemer Wissen aufbereitet, vernetzt oder verteilt [Bach (1999)]. Damit ein Erfah-rungswert in einer ähnlichen Situation einem anderen Bearbeiter Nutzenspenden kann, reichen jedoch die „puren“ Aktivitäten des Geschäftspro-zesses und des Unterstützungsprozesses nicht aus. Damit beide Prozesseineinander greifen können, müssen sich die betroffenen Mitarbeiter koordi-

Wissenspro-zesse

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Organisationales Lernen 71

nieren. So wird im Zuge der Aktivitäten der Geschäftsprozesse häufig Wis-sen expliziert und in einem technischen System abgelegt, ohne dievordergründig nicht notwendige Koordination mit anderen anzustoßen.Durch diese Koordination wird es möglich, dass das explizierte Wissenauch in anderen Geschäftsprozessen bekannt ist und ggf. genutzt wird.

Bei Nachfragen oder Missverständnissen fallen außerdem zusätzlicheKommunikationstätigkeiten zwischen den Bearbeitern in den Geschäfts-prozessen oder zwischen den Bearbeitern in den Geschäftsprozessen undden Unterstützungsprozessen an [Hoffmann et al. (2002)]. Während dieAktivitäten aus den Geschäftsprozessen zur Erfüllung der eigentlichenArbeitsaufgabe notwendig sind, sind die Unterstützungs- und Kommunika-tionsaktivitäten additiv.

Hauptaufgabe des Wissensmanagements ist es nun, die Wissensarbeitdurch geeignete organisatorische und technische Maßnahmen sicherzu-stellen. Wissensmanagement besteht also nicht in der Ausführung vonWissensarbeit, sondern in deren Gestaltung und Unterstützung. Daher sollWissensmanagement als „Metaprozess der Wissensarbeit“ verstandenwerden (vgl. auch [Hoffmann et al. (2002), S.166]).

Das Vorgehensmodell des Wissensmanagements (vgl. Abbildung 18) ver-eint die Begriffe des Wissensmanagements und der Wissensarbeit undverdeutlicht die Anwendung dieser zwei Begriffe auf den unterschiedlichenEbenen. Dabei wird auch die Wissensarbeit als ein Kreislauf dargestellt,der sich aus den Aktivitäten der Analyse, Entwicklung, Nutzung und Eva-luation von Wissen zusammensetzt.

Als wesentliche Prozesse des Wissensmanagements werden im Zyklusder kontinuierlichen Verbesserung die Konzeption und Implementierungtechnischer Unterstützung, die Gestaltung von Abläufen und Arbeitsvertei-lung bei der Wissensarbeit und die Analyse der Wissensarbeit genannt.Begleitet wird dieser Zyklus durch Maßnahmen zur Förderung von Beteili-gung und Motivation, Qualifizierung und Schulung sowie der Evaluationdes Erfolgs dieser Maßnahmen.

Zudem werden in diesem Modell zwei Ebenen des Wissensmanagementsunterschieden, einerseits die Planungsebene, auf der die Reflektion vonDefiziten in Unternehmen sowie die anschließende Planung und Beauftra-gung von Wissensmanagementmaßnahmen stattfinden und andererseitskonkrete Schritte, um diesen Auftrag auszuführen. Durch die Darstellung

Wissensmanage-ment

Wissensmanage-ment vs. Wis-sensarbeit

Wissensmanage-ment auf zwei Ebenen

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72 Grundbegriffe und Grundlagen

dieser beiden Ebenen in Form von Kreisläufen werden ständige Verände-rungen in Planung und Durchführung möglich.

Abbildung 18. Vorgehensmodell des Wissensmanagements nach [Herrmann et al. (2001), S. 66])

Diese Unterscheidung macht auch deutlich, dass der Begriff „Wissensma-nagement“ eher eine Perspektive aus den Betriebswissenschaften darstelltund auf einer im Vergleich zu Kommunikation oder kollaboratives Lernenübergeordneten Ebene steht. Er beschreibt weniger das Lernen in einerOrganisation und damit die Organisation als eine lernende Organisation.Vielmehr spricht Wissensmanagement die Meta-Ebene an, die das Lernen

Wissensarbeit kontinuierlich verbessern

Wissensarbeit ausüben

Qualifizierung /Schulung

Wissenanalysieren

Wissennutzen

Wissenentwickeln

Wissenevaluieren

Technik konzipieren und implementieren

Organisato-rische Regeln

festlegen

Wissensarbeit analysieren

Wissensarbeit gestalten

Kontinuierlich erheben und evaluieren

KontinuierlicheBeteiligung

Wissensmanagement durch Unternehmensführung planen und verbessern

Reflektieren

Projekt initiieren

PlanenFeedback PlanenFeedback

Wissensmanagementumsetzen

AdhocAnpassungen

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Organisationales Lernen 73

in der Organisation zu lenken versucht: „Wissensmanagement meint dieGesamtheit organisationaler Strategien zur Schaffung einer intelligentenOrganisation“ [Willke (2001), S. 39]. Da eingesetzte technische Systemeals „technische Maßnahme“ zur Unterstützung von Wissensarbeit undorganisationalem Lernen verstanden werden, hat sich dafür der Begriff„Wissensmanagement-Systeme“ (WM-Systeme) etabliert. Dadurch ist häu-figer der Begriff computervermitteltes Wissensmanagement als computer-vermittelte Wissensarbeit oder computervermitteltes organisationalesLernen zu finden. Da im Folgenden Rollen in Situationen mit Computerun-terstützung betrachtet werden sollen, wird auch dort von computergestütz-ten Wissensmanagementanwendungen gesprochen.

2.3.4 Rollen bei computergestützten Wissensmanagementanwendun-gen

Als Rolle in computergestützten Wissensmanagementanwendungen tretenin erster Linie Nutzer des technischen Systems auf, die gleichzeitig Auto-ren und Leser sind. Diese Eigenschaft von WM-Systemen wird immer wie-der als ein Vorteil im Vergleich zu Content-Management-Systemengenannt, da dadurch schneller aktuelle Informationen von jedem an alleweitergegeben werden können. Bei Content-Management-Systemen ver-öffentlicht eine kleine Menge von Redakteuren Inhalte an eine großeMenge von Nutzern, so dass Wissen eines Mitarbeiters nur über denUmweg Redakteur in das System gelangen kann. In speziellen Fällen, inder Regel in Großunternehmen, werden auch in Wissensmanagementan-wendungen Themenverantwortliche eingesetzt, die für die Aktualitätbestimmter Bereiche zuständig sind: „Die technische und inhaltlicheGesamtverantwortung wurde zwei eigens geschaffenen Stellen [...] über-tragen“ [Bach (1999), S. 41]. Die Verantwortlichen bestimmen dann selbst,ob sie Redakteursarbeiten selbst übernehmen oder andere Teilnehmerbenennen, die Inhalte einstellen.

Nur in einigen Veröffentlichungen lassen sich andere Rollen finden, dieähnlich wie die ausgezeichneten Rollen beim kollaborativem Lernen unter-stützend wirken. So wird in [Davenport & Prusak (1998)] eine Rolle desWissensbrokers bzw. Wissensmanagers eingeführt, der sich um dieSammlung und Strukturierung vorhandenen Wissens kümmern soll. Vorallem in neueren Wissensmanagementanwendungen, die das Lernen inder Organisation in den Vordergrund der Anwendung stellen, werden Rol-

Nutzer und The-menverantwortli-che

Unterstützende Rollen: Wissens-broker und The-menexperte

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74 Grundbegriffe und Grundlagen

len wie beispielsweise ein Themenexperte eingesetzt, der auf Fragen inDiskussionsforen antwortet oder ein Redakteur, der Inhalte für Lernendepassend aufbereitet [Misch et al. (2001)].

Betrachtet man den Wissensmanagementprozess, so kommen hier Rollenwie etwa Einführer oder ein Schulungsteam vor, die auch während der Nut-zung, etwa durch eine Kontaktmöglichkeit über das System, als Experte fürdie Nutzung angesehen werden können. Schließlich hat auch die Unter-nehmensleitung im Wissensmanagement insofern eine eigene Rolle, alsdass sie mit ihrer Nutzung des und der Haltung gegenüber dem Systemmotivierend auf die Mitarbeiter einwirken kann.

2.4 Zusammenfassende Betrachtung

2.4.1 Einsatzgebiete von KL-Umgebungen und WM-Systemen - ein Vergleich

In diesem Kapitel wurden Grundbegriffe aus den Bereichen Kommunika-tion, Lernen und organisationales Lernen bzw. Wissensmanagement vor-gestellt. Dabei zeigt sich, dass in dieser theoretischen Betrachtungkollaboratives Lernen in Institutionen und organisationales Lernen das-selbe Ziel haben: es soll ein gemeinsames Verständnis erreicht werden.Aber nicht nur an Hand des Zieles, sondern auch in den Definitionen derbeiden Begriffe zeigen sich Ähnlichkeiten. So ist beim kollaborativen Ler-nen von „Lernen in Interaktion“ und als Ziel die „Herausbildung einesgemeinsamen Verständnisses“ die Rede (vgl. S. 43). Beim organisationa-len Lernen wird von „kollektivem Lernen“ und als Ziel „gemeinsam geteiltesWissen“ gesprochen (vgl. S. 63).

Diese Beobachtung erhält weitere Bestätigung bei der Betrachtung vonProzessen kollaborativen Lernens (vgl. S. 56) und Wissensprozessen (vgl.S. 70), die starke Parallelen in den auftretenden Aktivitäten erkennen lässt.So ist beispielsweise die Phase des Lernens am eigenen Material mit derGewinnung und Explikation von Wissen gleichzusetzen, während das Ler-nen am Material anderer mit der Bereitstellung und Verwendung des Wis-sens korreliert. In beiden Prozessen ist auch die Kommunikation überInhalte von Bedeutung; während sie in Wissensprozessen als kommunika-tive Aktivitäten bezeichnet wird, existiert im Prozess des computervermit-telten kollaborativen Lernens eine Aktivität der Diskussion. Was im

Parallelen in den Zielen

Parallelen in den Prozessen

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Zusammenfassende Betrachtung 75

kollaborativen Lernprozess als Aushandlung bezeichnet wurde, ist in Wis-sensprozessen implizit in der Evaluation enthalten.

Tabelle 3. Einsatzgebiete für KL-Umgebungen und WM-Systeme im Vergleich

Einsatzgebiete für KL-Umgebungen Einsatzgebiete für WM-SystemeEinsatzge-biete (bisher)

Institutionen (Universität,Schule,...)Private Anbieter (Schulungsunternehmen)

Beteiligung der Lernenden wird häufig über einen vermeintlichen Druck von außen erreicht (Nachweise, Geld)

Unternehmen oder Organisationen

Beteiligung entsteht aus der Arbeitsaufgabe heraus.

Einsatz-zeitraum

Einsatz ist häufig auf einen begrenzten Zeitraum angelegt

Ein längerer Zeitraum; als integraler Bestandteil der Arbeit

Ziele des Einsatzes

Lernen (meist auf Vorrat)

diskursiver Austausch

Unterstützung von aktuellen ArbeitsaufgabenExplizierung vorhandenen Wissens

Rollen Es gibt mind. eine ausgezeichnete Rolle (Tutor, Veranstalter, ...), die Wissen hat über:mögliche Lernprozesse und/oderden Lerngegenstand

Meist gibt es keine ausgezeichneten Rollen, die Wissen über Prozesse oder Inhalte hat

Kommu-nikation

je mehr Kommunikation, desto besser (vgl. Ziel)triadisch (es gibt eine ausgezeichnete Rolle)

je weniger Kommunikation, desto besser;eher dyadischkaum diskursiver Austausch, pragmatische Erprobung

Nutzer-gruppe

Von den Teilnehmern einer Lerngruppe wird angenommen, dass sie über ähnliches Vorwissen verfügen

Gruppenbildung findet (wenn überhaupt) während der Nutzung statt

Problem fiktiv realKontext fiktiv realInhalte Bezug zu einem (vorher

festgelegten) LerngegenstandEin Großteil der Inhalte wird von einer ausgezeichneten Rolle produziert

Inhalte meist nicht festgelegt; Bezug zur ArbeitsaufgabeInhalte werden von allen Beteiligten produziert

Prozess-struktur-ierung

Eher Strukturierung der Lernprozesse- Ziel: Computervermittlung statt Computersteuerung

Eher Strukturierung der Arbeits- und Geschäftsprozesse

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76 Grundbegriffe und Grundlagen

Trotz dieser starken Parallelen sind auch Unterschiede zu erkennen. Diesebeziehen sich auf beteiligte Rollen und den Schwerpunkt der jeweiligenAnwendung. So sind Unterschiede in dem Auftreten von Kommunikation,der Aufgabenstellung und der daraus resultierenden Ablage von Materia-lien zu erkennen. Kommunikation und ihre Strukturierung durch eine aus-gezeichnete Rolle treten eher beim kollaborativen Lernen in Institutionenals beim organisationalen Lernen auf. Denn beim organisationalen Lernenkönnen Hinweise anderer (als Kommunikationsbeiträge) pragmatisch ander jeweiligen realen Aufgabenstellung erprobt werden, so dass es wenigerzu diskursivem Austausch kommt.

Bezüglich der Gestaltung von Aufgaben kann kollaboratives LernenAspekte organisationalen Lernens übernehmen. Die Probleme im Wis-sensmanagement sind realer Natur, während beim kollaborativen Lernenviel Aufwand in die Gestaltung solcher Aufgaben investiert werden muss.

Während der Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben explizieren Mitarbeiter Wis-sen, das in einer Wissensbasis gesammelt werden kann. OrganisationalesLernen ist also im Anwendungsfall verbunden mit der Ablage von Materia-lien durch die Mitarbeiter. Dies wird auch als ein Ziel organisationalen Ler-nens genannt (vgl. S. 62). Demgegenüber wird beim kollaborativen LernenMaterial bislang vornehmlich von der ausgezeichneten Rolle erstellt und intechnischen Systemen abgelegt. Tabelle 3 fasst wesentliche Unterschei-dungsmerkmale und ihre Ausprägungen für die Einsatzgebiete von KL-Umgebungen und WM-Systemen zusammen.

Bezogen auf die Unterstützung der Prozesse soll schließlich festgehaltenwerden, dass die Wissensprozesse wenig explizite Beachtung finden, wäh-rend Lernprozesse durch ausgezeichnete Rollen aber auch durch entspre-chende technische Systeme unterstützt werden. Dabei wurde besonderserwähnt, dass Prozesse eher vermittelt als gesteuert werden sollen. Fürdie weitere Betrachtung bestehender Systeme und ihrer Anwendung sollder bereits in Abschnitt 2.2.5 vorgestellte Prozess dienen, der an dieserStelle um weitere Aspekte aus dem Wissensmanagement ergänzt wurde(vgl. Abbildung 19). Gleichzeitig werden die Erkenntnisse aus der Betrach-tung ausgezeichneter Rollen zur Unterstützung des kollaborativen Lernpro-zesses aufgenommen. Die unterstützenden Tätigkeiten werden dabei invorbereitende und begleitende Aktivitäten unterteilt, da hier der Prozessge-danke im Vordergrund steht. Der Übersichtheit halber wird in Abbildung 19nur die Verfeinerung der Aktivität „Vorbereiten“ dargestellt, während bei der

Unterschied: Auftreten von Kommunikation

Unterschiede: Gestaltung von Aufgaben und Ablage von Material

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Zusammenfassende Betrachtung 77

Aktivität „Begleiten“ durch den schwarzen Halbkreis angedeutet wird, dassan anderer Stelle (Abbildung 15) eine Verfeinerung dargestellt ist.

Abbildung 19. Prozess computervermittelten, kollaborativenLernens mit Bezug zur Kommunikationstheorie

Als ein Aspekt des Wissensmanagement wurde hier z.B. eine Rolle Unter-stützungsgruppe (1) eingefügt, um die Situation in Unternehmen, beidenen mehrere Rollen an der Vorbereitung und Begleitung kollaborativenLernens beteiligt sind, zu modellieren. Unter nicht weiter spezifiziertenBedingungen (nicht ausgefülltes Sechseck) gehört dieser Gruppe auch einLehrender an. Dies könnte z.B. dann der Fall sein, wenn auf kollaborativesLernen in Schulen geblickt wird. Die Unterstützungsgruppe zusammen mitder Lerngruppe werden an einigen Stellen der Arbeit als „Teilnehmende“

Integrierte KL/WM-Umgebung

Lerngruppe

kollaborieren

auf Beiträge anderer achten

Weitere Informationsquellen

Unterstützungsgruppe

vorbereiten

Aufgabekonzipieren

am Material lernen und arbeitenKb: extra-kommunikatives Verhalten

am eigenen Materialarbeiten und lernen

mit Material derLernpartner arbeiten und lernen

Material editierenverknüpfen

suchen filtern

kopieren

bewerten

Lernender

Anmerkungen anfügen

Material einstellen

weitere Empfänger zulassen

auf Beiträge anderer achten

Anmerkungen anfügen(für den eigenen Bedarf)

Wissen erarbeiten

Wissen weiterentwickeln

kopieren

navigieren

suchen

Anmerkungen für andere anfügenKommunikationsbezug: mitteilendes Handeln

fragenKb: mH

antwortenKb: mH

diskutierenKb: Dialog

aushandeln

Untergruppen bilden

votierenFehlendeZustimmung

vorschlagenKb: mH

navigieren

Aufgabebeschreiben

Kb: mH

Wissen explizieren

Arbeitsbereichevorbereiten

Kb: ekV

Inhalteeinstellen

Gruppeneinteilen

Inhalts-struktur

vorbereiten

1

2b

3

4

5

Lehrender

2a

begleitenKb: mH

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78 Grundbegriffe und Grundlagen

des kollaborativen Prozesses zusammenfasst; in Passagen, in denen ihreNutzung eines technischen Systems interessiert, werden sie auch als „Nut-zer“ bezeichnet.

In dem Modell werden zwei Sichten auf die Aktivität „am eigenen Materiallernen und arbeiten“ vorgestellt, die durch eine wagerechte Linie voneinan-der getrennt werden. Die eine Sicht (2a) mit „Material einstellen“, „navigie-ren“ etc. beschreibt Subaktivitäten, die der Nutzer während des Umgangsmit dem eigenen Material vollzieht. Die andere Sicht (2b) mit den Subaktivi-täten wie „Wissen erarbeiten“ etc. beschreibt die Zielsetzungen derGesamtaktivität.

Zusätzlich zu der Integration von Wissensmanagement und kollaborativemLernen soll in diesem Modell auch die Verbindung zu den Überlegungenzum kontext-orientierten Kommunikationsmodell einfließen. Diese Verbin-dung wird hier durch Attribute an den Aktvitäten dargestellt. Die vorhande-nen Aktivitäten werden im Wesentlichen in kommunikative Aktivitäten wiez.B. „mitteilendes Handeln“ (3) und Aktivitäten des extra-kommunikativenVerhaltens (z.B. Lernen und Arbeiten am Material (4)) eingeteilt.

Der Übersichtlichkeit halber wurde in diesem Modell verstärkt mit Abkür-zungen gearbeitet, die unterstrichen dargestellt werden und derenBeschreibung sich an anderer Stelle im Modell teilweise unterstrichen wie-derfindet. So steht z.B. die Abkürzung „Kb: mH“ (5) für „Kommunikations-bezug: mitteilendes Handeln“. Die Unterscheidung zwischenkommunikativen und extra-kommunikativen Aktivitäten ist an dieser Stellewichtig, weil bei der Gestaltung der integrierten Umgebung bzgl. der Kom-munikation besondere Anstrengungen unternommen werden müssen.Diese wurde bereits eingangs diese Grundlagenkapitels deutlich und sollim folgenden Abschnitt zusammengefasst werden.

2.4.2 Unterstützung der Kommunikation

Die herausragende Bedeutung der Kommunikation für kollaboratives undorganisationales Lernen gerade in computervermittelten Situationen wurdein diesem Kapitel deutlich gemacht (vgl. Abschnitt 2.2.4. bzw. Abschnitt2.3.2). Im vergangenen Abschnitt wurde darüber hinaus die Verbindungzwischen Kommunikationstheorie und dem entwickelten kollaborativenProzess verdeutlicht. Aus der Beschäftigung mit dem kontext-orientiertenKommunikationsmodell, den Arbeiten zur Awarenessforschung und zur

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Zusammenfassende Betrachtung 79

Klassifikation von Kommunikationsunterstützungen in Abschnitt 2.1 erge-ben sich Anforderungen an ein technisches System, das die Kommunika-tion in den Vordergrund stellt. Dabei ist zu beachten, dass das eingesetztetechnische System zur Unterstützung kontext-orientierter Kommunikationfolgendes elektronisch vermittelt:

• sprachlichen Ausdruck • Teile des (wahrgenommenen) Kontextes, z.B. schon ausgetauschte

Äußerungen • extra-kommunikatives Verhalten (z.B. Einstellen von Dokumenten)• Informationen über Kommunikationspartner, inkl. Zugehörigkeit zu

einer organisatorischen Einheit

Tabelle 4 gibt zudem einen Überblick über zu fordernde Funktionalitäten,die über die bloße Vermittlung von Informationen hinausgehen. Zu diesenFunktionalitäten werden in der rechten Spalte der Tabelle Begründungenhinzugefügt.

Tabelle 4. Anforderungen an eine Kommunikationsunterstützung

Die Aktivitäten des kollaborativen Prozesses aus Abbildung 19 könnenauch aus kommunikationstheoretischer Sicht betrachtet werden. Dann ent-steht ein Modell, das die Trennung von Aktivitäten des kommunikativenHandelns und des extra-kommunikativen Verhaltens verdeutlicht (vgl.

Anforderung BegründungWahrnehmung der Kommunikationspartner ermöglichen

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell: Einschätzen der KommunikationspartnerAwarenessforschung: Wahrnehmung als Unterstützung von (Kommunikations-) Aktivitäten

Ausdrucksvielfalt ermöglichen (z.B. multimediale Elemente);

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell: verschiedene Darstellungen anbietenMedia Richness Theory: viele Kanäle

Verbindung zu Kontextrepräsentation ermöglichen

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell: Kontext explizieren/referenzierenMedia Featured Theory: Ablage vergangener Kommunikationsbeiträge

Wiederverwendbarkeit von Kommunikationsbeiträgen

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell: Kontext explizieren/referenzierenMedia Sychronicity Theory: bessere Leistung in konvergenten Prozessen

Aufmerksamkeitssteuerung unterstützen

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell: auf Wesentliches lenken

Interaktion ermöglichen Media Sychronicity Theory: Synchronität für konvergente Prozesse

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80 Grundbegriffe und Grundlagen

Abbildung 20). Kommunikationsausdrücke (1) können dann beispielsweiseAnmerkungen, Diskussionsbeiträge, Bewertungen oder Aushandlungsvor-schläge sein, die aus den Aktivitäten während des kollaborativen Prozes-ses entstehen. Diese Ausdrücke werden online vermittelt (2) und sind Teilder Ablage der integrierten Umgebung (3).

Abbildung 20. Computervermittelte Kommunikation bei Einsatz einer integrierten KL/WM-Umgebung

Wahrnehmbares extra-kommunikatives Verhalten bezieht sich in orts- undzeitverteilten Situationen auf Aktivitäten im Umgang mit Material wie z.B.das Einstellen von Materialien, Suchen oder Kopieren. Diese Aktivitätenwerden durch Online Vermittlung (4) Teil der Ablage. Die Ablage kanndann, ebenfalls durch Online-Vermittlung realisiert (5), von den Teilneh-menden genutzt werden, um z.B. das extra-kommunikative Verhaltenanderer Gruppenmitglieder wahrnehmen zu können (5). Dies ermöglicht

Online-Dialog

aufnehmendes Handelnmitteilendes Handeln

innerer Kontext

Umwelt

äußerer Kontext

direkt vonA wahr-

nehmbar

direkt vonB wahr-nehmbar

direkt gemeinsam wahrnehmbar:Dokumente im System (abhängig von den

Rechten!)

extra-kommunikativesVerhalten

Ausdruck

online vermitteln

Nutzungsaktivitäten darstellen

Integrierte Umgebung

Verbindung zu Kontext-informationen ermöglichen

am Material lernen

Materialeinstellen

suchen

navigieren

Information:Materialien von A eingestellt

kopieren

filtern

wahrnehmen

auf Beiträge anderer achten

wahrnehmen

auf Beiträge anderer achten

mitteilenaufnehmen

innerer Kontext

fragen

diskutieren

Ablage

Awarenessinformationen

Informationen über andere

Materialien

extra-kommunikativesVerhalten

am Material lernen

1

2

3

4

5

2

5

4

6

Materialeinstellen

suchen

navigieren

kopieren

filtern

Anmerkung

Bewertung

Diskussionsbeitrag

Aushandlungsvorschlag

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Zusammenfassende Betrachtung 81

unter anderem eine bessere Einschätzung der Kommunikationspartner.Schließlich wird in diesem Modell auch darauf hingewiesen, dass Verbin-dungen zu Kontextinformationen zu ermöglichen sind (6).

In der integrierten Umgebung sind nicht nur Kommunikationsausdrückevorhanden, sondern es sollten auch Informationen über die Kommunikati-onspartner oder Materialien zur Verfügung stehen. Die Unterscheidungzwischen Material und Kommunikationsbeiträgen ist dabei nicht immer ein-deutig. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass die Teilnehmer kom-munikative Ausdrücke mit dem Ziel erzeugen, dass andereKommunikationspartner diese verstehen. Folgendes Beispiel soll dies ver-deutlichen: Ein Dozent stellt Material bereit, an Hand dessen sich dasgemeinsame Lernen einer Gruppe von Studierenden entwickeln soll; z.B.stellt er ein etwas verworrenes Interviewtransskript zur Verfügung undergänzt es durch eine Ablaufskizze - beides soll die Anforderungen doku-mentieren, die ein Auftraggeber an ein Software-Entwicklungsteam stellt.Die Studierenden sollen in einer gemeinsamen Diskussion lernen, dasssolche Anforderungen unterschiedlich interpretiert werden und zu unter-schiedlichen Resultaten führen können. Die Diskussion soll elektronischerfolgen, damit sie dokumentiert ist. Das Bereitstellen des Interviewmateri-als ist kein kommunikativer Akt - im Gegenteil, der Dozent ist nicht daraufbedacht, dass es besonders gut verständlich ist, sondern er bemüht sicheher einen Fall auszuwählen, der Verständnisprobleme provoziert. Wenner allerdings die zum Material dazugehörende Aufgabe beschreibt, so istdies eine Kommunikationsaufgabe und er muss darauf achten, dass er vonden Studierenden gut verstanden wird.

2.4.3 Nächste Schritte

Auf Grundlage der zuvor skizzierten Parallelen wird in dieser Arbeit dafürplädiert, Anwendungen zur Unterstützung des kollaborativen Lernens inInstitutionen und Unternehmen zusammen zu betrachten. Diese integrierteBetrachtung ermöglicht die Verbindung der Vorteile aus beiden Entwick-lungsrichtungen. So könnte ein stärkeres Gewicht auf (moderierten) diskur-siven Austausch beim organisationalen Lernen das Wechselspiel zwischenInternalisierung und Externalisierung intensivieren und so die Weiterent-wicklung unternehmensweiten Wissens befördern. Auf der anderen Seitekönnen an der Realität orientierte Aufgabengestaltungen positiv für denkollaborativen Lernprozess in Institutionen sein, da dies eher auf spätere

Vorteile einer integrierten Betrachtung

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82 Grundbegriffe und Grundlagen

Arbeitsaufgaben vorbereitet. Dies kann auch die Erstellung und Ablage vonMaterialien durch Lernende umfassen, die ebenso wie der diskursive Aus-tausch eine aktive Verarbeitung von Wissen bedeutet. So werden sowohlbei dem Ansatz des kollaborativen als auch des organisationalen Lernensdie Aspekte der Kommunikation und der Materialerstellung beachtet, diedurch Aushandlung ergänzt werden.

In Kapitel 3 wird sich zeigen, dass diese unterschiedliche Nutzung sichauch auf die Entwicklung technischer Systeme zur Unterstützung aus-wirkte. So ist beispielsweise die Unterstützung der Kommunikation in KL-Umgebungen bereits vorgesehen, während WM-Systeme Stärken in derUnterstützung einer gemeinsamen Wissensbasis haben.

Zusammenfüh-rung der Ent-wicklung technischer Systeme

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Kapitel 3. Funktionalitäten von KL-Umge-bungen und WM-Systemen

Ein besonderes Augenmerk der vertiefenden Betrachtung der techni-schen Systeme sowie der Nutzungserfahrungen liegt auf der Unterstüt-zung der Kommunikation, die im vorangegangenen Kapitel alswesentliche Voraussetzung für kollaboratives Lernen in Institutionen undUnternehmen herausgestellt wurde. Abschnitt 3.1 stellt deshalb techni-sche Möglichkeiten zur Kommunikationsunterstützung und damit gewon-nene Erfahrungen voran. Anschließend werden zur Betrachtung derFunktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen überblicksar-tig ausgewählte Systeme vorgestellt, bevor entlang des im vorangegan-genen Kapitels entwickelten kollaborativen Prozesses innovativeUnterstützungen detaillierter beschrieben werden (Abschnitt 3.2). DieseVorstellung wird ergänzt durch Erfahrungen mit dem Einsatz der vorge-stellten Systeme, die aus Literaturquellen hervorgehen bzw. auf eigenerNutzung basieren. Zudem sollen vertiefend eine KL-Umgebung und einWM-System genauer vorgestellt werden, indem wesentliche Funktionenentlang des kollaborativen Prozesses erläutert und dadurch ihr Zusam-menspiel verdeutlicht werden (Abschnitt 3.3). In Abschnitt 3.4 wird eineMöglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensma-nagement vorgestellt, die auf dem Konzept der Annotationen als Kom-munikationsunterstützung beruht.

3.1 Unterstützung der KommunikationIn diesem Abschnitt soll zunächst auf Eigenschaften computervermittel-ter Kommunikationsunterstützungen eingegangen und ein Bezug zu denAnforderungen aus Kapitel 2 hergestellt werden (Abschnitt 3.1.1).Anschließend werden empirische Ergebnisse zu Kommunikationsunter-stützungen vorgestellt (Abschnitt 3.1.2). Diese wurden vornehmlich inUntersuchungen von KL-Umgebungen gefunden, an Ergebnissen zuWM-Systemen bzgl. der Unterstützung der Kommunikation fehlt es bis-lang.

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84 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

3.1.1 Eigenschaften computervermittelter Kommunikationsunterstüt-zungen

Zur Vermittlung des kommunikativen Ausdrucks werden verschiedenecomputervermittelte Kommunikationsunterstützungen mit unterschiedli-chen Eigenschaften angeboten. Kommunikationsunterstützungen werdenhinsichtlich verschiedener Kriterien wie synchron vs. asynchron, verteilteRäume vs. ein Raum oder die Menge der Ausdrucksmöglichkeiten unter-schieden (vgl. z.B. [Misch (1997), S. 67 ff.].

Tabelle 5. Vermittlungsmöglichkeiten in bestehenden computervermittelten Kommunikationsunterstützungen

Je nach Kommunikationsunterstützung ist mehr oder weniger Kontextgemeinsam wahrnehmbar, der ohne Referenzierung oder Explizierung vonbeiden Kommunikationspartnern direkt wahrgenommen werden kann.Tabelle 5 gibt einen Überblick über bekannte computervermittelte Kommu-nikationsunterstützungen und deren Eigenschaften zur Vermittlung desAusdrucks und des extra-kommunikativen Verhaltens. Außerdem werdenMöglichkeiten zur Kontextrekonstruktion sowie zur Vermittlung von Infor-mationen über Kommunikationspartner vorgestellt.

Audiokon-ferenz (V-Mail)

Chat E-Mail Instant Messag-ing (ICQ)

News-groups

Video-kon-ferenz

Vermittlung des sprach-lichen Ausdrucks

Ton Text Text und Anhänge

Text Text Ton und Bild

Vermittlung des extra-kommuni-kativen Verhaltens

bedingt in der Kom-muni-kations-situation

-- -- Angabe von Status (online, away...)

-- bedingt in der Kom-muni-kations-situation

Möglich-keiten zur Kontext-rekonstruk-tion

-- bedingt durch Speichern vonPro-tokollen

(struk-turierte) Ablage in Ordnern

-- -- --

Informatio-nen über Kommuni-kations-partner

-- Name Name bedingt, z.B. in „User Details“

Name bedingt in der Kom-muni-kations-situation

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Unterstützung der Kommunikation 85

Wegen der Reduzierung des gemeinsam wahrnehmbaren Kontexteswurde die Möglichkeit zur Kontextrekonstruktion als besonders wichtigeEigenschaft herausgestellt. Dabei erhält auch die Ablage vergangenerKommunikationsbeiträge als Teil des wahrgenommenen Kontextes einebesondere Bedeutung. Zahlreiche empirische Untersuchungen belegen dieNotwendigkeit zum Zugriff auf vergangene Kommunikationsbeiträge. In derStudie von [Te‘eni et al. (2001)] wird die Ablage und der Zugriff auf dieseKommunikationsbeiträge als eine Strategie zur expliziten Haltung notwen-diger Kontextinformationen dargestellt. Dies sei gerade in computervermit-telten Situationen von zentraler Bedeutung. El-Shinnawy und Markusfanden in ihrer Untersuchung heraus, dass E-Mail gegenüber V-Mail vorallem deshalb bevorzugt wird, weil sie mehr Funktionalitäten zur Ablagebiete [El-Shinnawy & Markus (1998)]. In dieser Untersuchung wurdenebenso wie in der Studie von [McCarthy & Monk (1994)] vor allem die Vor-teile für den Rezipienten beim Nachvollzug von Kommunikationsbeiträgenherausgestellt, da dieser vergangene und ebenso aktuelle Beiträge beiBedarf mehrmals nachvollziehen kann.

In der eigenen Vorstudie zu E-Mail Kommunikation in einer Arbeitsgruppe(vgl. Kapitel 1) wurde ebenfalls die Notwendigkeit zur strukturierten Ablagevergangener Beiträge gefunden. Zusätzliche Strukturierungsmöglichkeitenergaben sich hier durch eine organisatorische Regel, dass pro Thema eingesonderter Kommunikationsbeitrag (E-Mail) verfasst wurde. Dies erhöhtezwar die Anzahl der versendeten E-Mails, erleichterte aber die Zuordnungzu einer thematisch passenden Ablage. Da in dem E-Mail Text nur Inhaltezu dem im Betreff-Feld genannten Thema zu finden waren, wurde zusätz-lich die Aufmerksamkeitssteuerung verbessert.

McCarthy und Monk weisen darauf hin, dass auch Informationen über denVerlauf einer Kommunikation als Kontextinformation zu einem möglichenKommunikationsergebnis abgelegt werden sollten [McCarthy & Monk(1994)]. Dies erleichtere ebenfalls das Verstehen. Auch in der eigenen, vor-angegangenen Studie wurde diese Notwendigkeit gesehen: „Bei einergetroffenen Entscheidung, die von anderen nachvollziehbar sein soll, soll-ten sich der oder die Entscheider der fehlenden Kontextinformationenbewußt sein und versuchen, diese Informationen zu vermitteln“ [Misch(1997), S. 146].

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass fehlende Wahrneh-mung der Kommunikationspartner nicht per se negativ zu bewerten ist. So

Ablage vergan-gener Kommuni-kationsbeiträge

Informationen zum Kommuni-kationsprozess

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86 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

stellten beispielsweise Sproll und Kiesler oder Markus in ihren Untersu-chungen zur Nutzung von E-Mail und deren sozialen Auswirkungen fest,dass in manchen Situationen gerade Medien mit geringer Wahrnehmungder Kommunikationspartner genutzt werden, um z.B. schlechte Nachrich-ten zu überbringen [Sproull & Kiesler (1991)], [Markus (1994)].

3.1.2 Empirische Ergebnisse zu computervermittelter Kommunikation

Ein Großteil der empirischen Arbeiten zum computervermittelten kollabora-tiven Lernen bezieht sich auf die Unterstützung der Kommunikation, derenbesondere Bedeutung bereits im vorangegangenen Kapitel herausgestelltwurde. In diesem Abschnitt soll auf einige dieser empirischen Arbeiten ein-gegangen werden, die an geeigneten Stellen um Studien zur Kommunikati-onsunterstützung ohne die Integration in eine KL-Umgebung ergänztwerden.

So erforschte Taylor in ihrer Untersuchung textbasierte, computervermit-telte Kommunikation in einem Seminar für Psychologiestudierende [Taylor(1998)]. Dazu wurde INFORUM eingesetzt, ein asynchrones Konferenzsy-stem mit strukturierter Ablage. In Bezug auf Gruppenarbeit fand sie, dassvermehrt individuelles Lernen bevorzugt wurde und es nur sehr selten zumAustausch zwischen den Lernenden kam. Computervermittelte Kommuni-kation wurde zum Austausch von Inhalten oder Diskussionsbeiträgenakzeptiert, Konfliktlösungen oder die Kontaktaufnahme mit anderen hinge-gen waren nicht auf dem computervermittelten Wege zu beobachten. AlsGründe wurde von den Teilnehmern der fehlende soziale Kontext genannt.

Lee und andere verglichen im Vicarious Learner Project das Aufkommenvon computervermittelter Kommunikation in zwei Kursen, in denen zurUnterstützung Hypernews eingesetzt wurde [Lee et al. (1998)]. Während indem ersten Kurs anfangs einige Diskussionen vom Tutor initiiert wurden,im Laufe der Zeit diese Aufgabe aber den Lernenden überlassen wurde,wurden im zweiten Kurs die Aufgaben der Initiierung und Strukturierung derDiskussionen über die ganze Laufzeit vom Tutor übernommen. Bei demzweiten Kurs war die Teilnahme darüber hinaus verpflichtend. Die Ergeb-nisse zeigen, dass eine Verpflichtung zur Teilnahme kollaboratives Lernennicht fördert. Zwar nahmen an der Diskussion im zweiten Kurs alle teil,während sich im ersten Kurs nur etwa die Hälfte beteiligte. Dafür wurde indem ersten Kurs mehr Diskussion zu den Themen gefunden, die dem vor-her erhobenen Interesse der Lernenden entsprach. Zudem betrafen diese

zur Beteiligung an Diskussionen

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Unterstützung der Kommunikation 87

Diskussionen eher das tiefergreifende Verständnis des Lernstoffes, wohin-gegen sich Beiträge im zweiten Kurs eher auf die Reproduktion des Lern-stoffes bezogen.

Diese Befunde decken sich mit den in [Scardamalia & Bereiter (1996b)]dargestellten Ergebnissen. Dabei wird hier ergänzt, dass die Ergebnissedes gemeinsamen Herausbildens von Wissen besser werden, je länger dieStudenten mit dem System arbeiten [Scardamalia & Bereiter (1994)]. Leeund andere sehen als Ergebnis ihrer Studie die Notwendigkeit, Studentenin ihrem Lernstil umzuerziehen, da sie eher passives Lernen gewöhnt sind:„reeducating the students in the techniques of learning“ [Lee et al. (1998),S. 222)]. In dieser Arbeit wird dafür plädiert, das computervermittelte kolla-borative Lernen selbst zum Lernziel selbst zu machen und dadurch diesogenannte „Medienkompetenz“ [Heller et al. (1999)] zu fördern. Dazu wer-den neuartige Aufgabenstellungen notwendig, die beispielsweise alle Pha-sen des Prozesses kollaborativen Lernens abdecken. Zudem ist einebesondere Betreuung durch die Tutoren gefordert, die sich auch auf dieNutzung der kollaborativen Lernumgebung durch die Lernenden bezieht.

Dass in computervermittelten Situationen eher das aus Face-to-FaceSituationen bekannte Muster, bei dem der Lehrende eine Frage stellt, aufdie ein Lernender antwortet, kopiert wird, wurde in [Henri (1995)] gefunden.Bei dieser Untersuchung einer Gruppe mit 11 Teilnehmern, die an einerTelekonferenz teilnahmen, bestanden die meisten Diskussionssträngelediglich aus zwei bis drei Beiträgen. Ein Großteil der Diskussionssträngewurde dabei von einem Lehrenden initiiert. Diese Art der Nutzung wird als„quasi-interactive“ [Henri (1995), S. 159] bezeichnet. Henri beschreibt dieLernprozesse als eigentlich individuell und sieht hier einen klaren Unter-schied zu Prozessen des gemeinsamen Arbeitens: „Our research indicatesthat the learning process using CMC is not like the collective process ofgroup work (e.g. CSCW). It seems to be rather an individual process, inwhich the learner wishes to reach personal objectives.“ [Henri (1995), S.160]. Guzdial und Carroll bestätigten diese Ergebnisse und begründen siedamit, dass viele Lerner bereits durch die Rezeption vorhandener Beiträgelernten und sich nicht aktiv an den Diskussionen beteiligten [Guzdial & Car-roll (2002)].

Als einen weiteren Grund für eine eher passive Rolle der Lernenden nenntRobinson die fehlende Möglichkeit zur Einschränkung der Empfänger-gruppe [Robinson (2000)]. Die Befragten verglichen hier das Verfassen von

passive Ler-nende

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88 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Beiträgen, die alle lesen konnten, mit der Situation, in der man vorne vorder Klasse stehe und Fragen aller standhalten müsse. Deshalb ist eineMöglichkeit zur Einschränkung der Rezipientengruppe notwendig. Dieskann auch bedeuten, dass nur ausgezeichnete Rollen (z.B. Experten oderTutoren) angesprochen werden können, von denen der Mitteilendeannimmt, dass sie über Wissen zu Inhalt oder Prozess verfügen.

Lipponen konnte in seinen Untersuchungen zu CSILE in Schulen dieBefunde des häufigen Auftretens nur kurzer Diskussionsstränge aus [Henri(1995)] bestätigen [Lipponen (2001)]. Er fand darüber hinaus, dass kaumVerbindungen zwischen Diskussionssträngen hergestellt wurden: „Theseresults appear to indicate that, regardless of the educational level, there isoften a lack of sustained and connected discussion in CSCL environments“[Lipponen (2001), S.40]. Hierzu wurde mehr Unterstützung seitens derLernumgebung gefordert. Lakkala und andere fanden in ihren Untersu-chungen ähnliche Ergebnisse und nannten dies als Begründung dafür,dass im Verlaufe des Diskussionsprozesses der Anteil an organisatori-schen Beiträgen wuchs [Lakkala et al. (2002)]. Inhalte dieser organisatori-schen Beiträge waren genau der Versuch, Diskussionssträngezusammenzubringen.

Auf diese Problematik beziehen sich auch Studien zum Vergleich vonFace-to-Face und Chat-Kommunikation. Diese belegen, dass in computer-vermittelter Kommunikation, insbesondere in asynchronen Situationen,häufig die sequenzielle Natur von Konversationen verloren ginge und meh-rere Themen parallel diskutiert werden [McDaniel et al. (1996)]. Dadurchentstehen Schwierigkeiten bei der Kommunikation, weil die Zuordnung vonKommunikationsbeiträgen zu den Diskussionssträngen erschwert werde.Auch in der eigenen Vorstudie konnten mehrere parallele Diskussions-stränge als Gründe für Mißverständnisentstehung nachgewiesen werden.Smith und andere versuchen in ihrem Ansatz zu Threaded Chats diesesProblem zu beheben, indem sie Kommunikationsbeiträge zu den jeweiligenSträngen zusammenfassen und in mehreren Fenstern darstellen [Smith etal. (2000)]. Hier zeigte sich, dass die parallele Wahrnehmung von Diskussi-onssträngen zu Problemen hinsichtlich der Aufmerksamkeit der Nutzerführte. Dies macht mehr Kommunikation über die Strukturierung der Kom-munikation, also organisatorische Beiträge, notwendig.

Die Rolle eher passiver Lernender konnte bei der Forschung zum „Asyn-chronous Learning Network“ (ALN), eine Lernumgebung zur Unterstützung

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Unterstützung der Kommunikation 89

des orts- und zeitunabhängigen Lernens über Netzwerke [Hiltz & Wellman(1997)] nicht bestätigt werden. In einer dreijährigen Studie, in der Hiltz undWellman 692 Studierende zum Thema gemeinsames Lernen befragten,fühlten sich lediglich 16 % der Befragten nicht aktiv beteiligt. Lediglich 10 %fanden Beiträge anderer nicht hilfreich und 55 % der Studierenden gabenan, dass sie sich deshalb motiviert fühlten, weil sie das Gefühl hatten, dassandere ihre Beiträge lesen würden. Als ein Problem wurde dargestellt,dass auf Grund der vielen aktiven Teilnehmer ein „information overload“vorherrsche. Gefordert wurde hier eine Software, die Kategorisierung, Sor-tierung und Annotation unterstütze. Benbunan-Fish und Hiltz verglichenFace-to-Face Situationen mit ALN-gestützten Situationen und fanden, dassdie Teilnehmer mit der ALN-gestützten Situation weniger zufrieden waren,weil sie Schwierigkeiten mit Interaktion konstatierten: „one of the challen-ges for designers of ALN´s is to provide effective coordination tools (...) forstructuring asynchronous interaction and overcome the inherent limitationsof the medium.“ [Benbunan-Fich & Hiltz (1999), S. 11].

Zusammenfassend wird deutlich, dass sich eine aktive Kommunikation bis-lang nur in wenigen Ausnahmefällen eingestellt hat. Die Studien weisen aufVerbesserungspotenziale hin, die sich einerseits auf die Aufgabenstellungund eine geeignete Unterstützung des Prozesses durch einen Lehrendenbeziehen. Anderseits wurde deutlich, dass technische Unterstützungennotwendig sind, die die Strukturierung von Kommunikationsabläufenerleichtern, sowie Verbindungen zwischen Kommunikations-strängen undeine Einschränkung der Empfängergruppe ermöglichen.

Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich mit der Erforschung derKommunikationsunterstützung auf einen kleinen Ausschnitt des kollaborati-ven Prozesses. Um weitere Anforderungen an eine integrierte Umgebung,die den gesamten Prozess unterstützen soll, aufzunehmen, sollen im wei-teren Verlauf dieses Kapitels entlang der Aktivitäten des kollaborativenProzesses Funktionalitäten betrachtet und, soweit vorhanden, durch empi-rische Ergebnisse ergänzt werden. Empirische Ergebnisse zum Einsatzvon KL-Umgebungen, die über die hier vorgestellte Evaluation der Kommu-nikation hinausgehen, sind rar. Ebenso ist zu bemerken, dass in der Litera-tur, anders als bei KL-Umgebungen, wenig Quellen zu wissenschaftlichenEvaluationen bzgl. der Nutzung von WM-Systemen und ihre Auswirkungenauf die Arbeitsgestaltung zu finden sind. Damit erhält auch das folgendeKapitel 4 dieser Arbeit einen besonderen Stellenwert in Bezug auf die Ent-

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90 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

wicklung einer integrierten KL/WM-Umgebung, die die Kommunikation inden Vordergrund stellt.

3.2 Funktionalitäten bestehender SystemeIn diesem Abschnitt werden überblicksartig zum Zeitpunkt der Erstellungdieser Arbeit aktuelle Systeme vorgestellt (Abschnitt 3.2.1), die als KL-Umgebungen oder WM-Systeme im Einsatz sind. Da nicht alle zur Verfü-gung stehenden Systeme beschrieben werden können, wurde hier eineAuswahl getroffen, die im folgenden Abschnitt begründet wird. Insbeson-dere wurden die vielen im Einsatz befindlichen, aber nicht beforschtenSysteme, wie z.B. der Electronic Workspace (EWS) an der UniversitätDortmund [Universität Dortmund (2002)], nicht weiter betrachtet. Die Gül-tigkeit der Aussagen, die sich auf die betrachteten Systeme beziehen,haben durch die rasante technische Entwicklung vergleichsweise wenigHaltbarkeitswert, stellen aber den Stand der Dinge dar und beleuchten denAusgangspunkt für die eigene Entwicklung einer integrierten Umgebung.Dabei werden diese Systeme beschrieben und ihre Funktionalitäten ineiner Tabelle gegenübergestellt. Entlang des kollaborativen Prozesseswerden anschließend herausragende Funktionalitäten zur Unterstützungder Aktivitäten ausführlicher vorgestellt (Abschnitt 3.2.2 - Abschnitt 3.2.5)und abschließend zusammengefasst (Abschnitt 3.2.6). Diese Funktionalitä-ten wurden zum Großteil in den betrachteten Systemen gefunden und wer-den an geeigneten Stellen durch innovative Konzepte, die inForschungsprototypen umgesetzt wurden, ergänzt.

Auf einen wesentlichen Unterschied zwischen den Einsatzgebieten vonKL-Umgebungen und WM-Systemen sei bereits an dieser Stelle hingewie-sen. In Schulen bzw. Universitäten wurden zu dem Zeitpunkt der Einfüh-rung einer KL-Umgebung meist kein technisches System zurUnterstützung gemeinsamen Lernens eingesetzt. Folglich muss auf Anpas-sung an bestehende Systeme und die Übernahme vorhandener Datenbe-stände keine Rücksicht genommen werden. Bei WM-Systemen hingegenbesteht die Notwendigkeit zur Anknüpfung an ursprüngliche Systeme, dadiese mit unterstützenden und unverzichtbaren Funktionen vielfach bereitsin Unternehmen eingesetzt wurden. In vielen WM-Systemen werden zurUnterstützung möglichst vieler Aktivitäten oder Prozesse unterschiedlicheFunktionen kombiniert. Mit WM-Systemen wird keine neue Technologieangeboten, es geht vielmehr um eine geeignete Kombination bestehender

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Funktionalitäten bestehender Systeme 91

Technologien wie z.B. Datenbanken, Suchmechanismen und Diskussions-foren in einem System. Als Ursprünge von WM-Systemen werden Doku-menten-Management-Systeme (DMS), Content-Management-Systeme(CMS), Storage & Retrieval-Technologien (S&RT), Groupware (GW) undWorkflow-Management-Systeme (WfMS) genannt [Herrmann et al. (2001)].Einen guten Überblick über Tools und Produkte, die zum Wissensmanage-ment eingesetzt werden, geben auch [Hoffmann (2001)] und [Böhmann &Krcmar (1999)].

3.2.1 Übersicht über die betrachteten Systeme

Allen hier betrachteten Systemen ist gemein, dass sie webbasiert sind undohne zusätzlichen Aufwand an netzwerkfähigen Lern- und Arbeitsplätzenzum Einsatz kommen können. Insgesamt werden hier acht Systeme einbe-zogen. Dies sind mit CSILE, Vital und WebGuide drei KL-Umgebungen, diedurch Gentle, einem Derivat des WM-Systems Hyperwave, ergänzt wer-den. Als WM-Systeme wurden Hyperwave und Livelink als umfassendeLösung zur Unterstützung vieler Aktivitäten sowie Techknowledgy als Ver-treter mit innovativen Konzepten in Bezug auf Kommunikation, ausgewählt.Diese Liste wird ergänzt um BSCW, einem System, das als Dokumenten-ablagesystem entwickelt und heute auch als System zur Lernunterstützungeingesetzt wird. Im Folgenden werden diese Systeme in alphabtischer Rei-henfolge vorgestellt und auf ihre Relevanz für diese Arbeit begründet.Tabelle 6 stellt die Funktionalitäten dieser Systeme gegenüber. Mit X ver-merkt ist dabei das Vorhandensein dieser Funktionalität, (X) bedeutet Ein-schränkungen, die im jeweiligen Beschreibungstext erläutert sind.

BSCW, Basic Support for Cooperative Work

BSCW [Appelt & Mambrey (1999)] wurde als zu betrachtendes Systemausgewählt, weil es sich um einen interessanten Fall „zwischen den Stüh-len“ handelt: Als System zur Unterstützung von Gruppenarbeit entwickelt,wird BSCW aktuell in vielen Schulen und Universitäten zur Lernunterstüt-zung eingesetzt. Dies liegt vornehmlich darin begründet, dass BSCW fürForschungs- und Weiterbildungszwecke kostenlos zur Verfügung steht.Gleichzeitig dokumentiert dieser Fall aber wie nah beieinander benötigteFunktionalitäten zur Unterstützung des Lernens und Arbeitens liegen.

Da BSCW ursprünglich als System zur Dokumentenablage entwickeltwurde, ist es auf einfache Art und Weise möglich, Dokumente unterschied-

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92 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

licher Dateitypen (z.B. MS-Word, JPEG etc.) in BSCW abzulegen und inOrdnerstrukturen zu organisieren. Durch die Anzeige von Informationenwie Typ, Name, Autor, Einstellungs- bzw. Änderungsdatum und ggf. eineVersionsnummer wird Transparenz bzgl. der eingestellten Dokumenteerzielt und gemeinsames Arbeiten an den Dokumenten unterstützt [Bentleyet al. (1997)]. Mit Möglichkeiten zur Bildung von Gruppenordnern, Informa-tionen über Mitglieder einer Gruppe und einfaches Einladen weiterer Mit-glieder wird gezielt Teamarbeit unterstützt. Durch diese Funktionalitätenzur Gruppenbildung sowie Möglichkeiten zur Bewertung von Dokumentenoder das Anheften von Notizen (in der Tabelle als Quasi-Möglichkeit zumAnfügen von Anmerkungen (X) gekennzeichnet) lassen BSCW zu einemSystem zur Unterstützung gemeinsamen Arbeitens (CSCW-System) wer-den.

BSC

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Tech

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Vita

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VorbereitungInhalte einstellen X X X X X X X XBenutzerverwaltung X X X X X X X XGruppeneinteilung X X X X X X X XArbeiten am eigenen MaterialMaterial einstellen

- Dateiupload X X X X- HTML X

- Formular X X- berechtigt: jeder X X X X (X) X

- berechtigt: nur ausgezeichneteRollen

X X X

Material editieren- Versionskontrolle X X X

Darstellung von Inhalten- Dateinamen X X X X

- Inhalte X X X X X X XStrukturierung von Inhalten

- Ordnerstrukturen X X X X- Gruppenbereiche X X X X X

- individuelle Bereiche X X X X X- Perspektiven X

Anmerkungen einfügen (X) X (X) (X)

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Funktionalitäten bestehender Systeme 93

Tabelle 6. Funktionalitäten ausgewählter Systeme

CSILE, Computer-supported intentional learning environment

CSILE [Scardamalia & Bereiter (1994)] wurde in die Liste zu betrachtenderSysteme aufgenommen, weil es als eines der ersten Systeme mit demAnspruch der Unterstützung kollaborativen Lernens gilt und seit 1986 stän-dig weiterentwickelt und erprobt wird. CSILE liegt die Annahme zu Grunde,dass die gemeinsame Entwicklung von Wissen ein wesentlicher Bestand-teil der Ausbildung ist. Durch Dialoge zwischen den Lernenden wirdgemeinsam erarbeitetes Wissen ständig verfeinert. Der größte Teil derInhalte stammt dementsprechend von den Lernenden selbst. Ideen werdendurch Produktion von textlichen und grafischen Beiträge entwickelt, dienicht über eine zentrale Autorität verteilt werden. Um das gemeinsameArbeiten und Lernen an den Diskussionsbeiträgen der Lernenden zu unter-stützen, stellt CSILE eine Benachrichtigung für Autoren zur Verfügung, dieüber das Lesen ihrer Beiträge informiert. Zudem wird eine Klassifizierungder Beiträge unterstützt, in dem die Lernenden ihre Beiträge als „Problem“(P), „meine Theorie“ (MT), „das muss ich noch verstehen“ (intu = in need tounderstand) oder „neue Information“ (NI) kennzeichnen. Da sich CSILE vor

Arbeiten am Material andererAwarenessinformationen

- Neu X X X X- Autor X X (X) X (X) X X

- Erstellungsdatum X (X) X X X (X) X- Infos über andere X X X X

- Wer ist online XBenachrichtigung X X X XKopieren X (X) X X X (X)Verknüpfen (X) X X (X)Suchen X X X X XFilternBewerten XKollaborationDiskussionsforum X X X X X X X XAushandlung (X)

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94 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

allem um die Unterstützung der Kommunikation kümmert, beziehen sichFunktionalitäten des Kopierens, Verknüpfens und Suchens auf eben solcheKommunikationsbeiträge, so dass sie in der Tabelle mit (X) gekennzeichnetwerden.

Gentle

Gentle [Dietinger & Maurer (1998)] stellt als Hyperwave-Derivat eine KL-Umgebung dar, die aus einem WM-System heraus entwickelt wurde. Damitberührt sie beide in diesem Kapitel zu betrachtende Entwicklungssträngetechnischer Systeme und erhält Relevanz für diese Arbeit. Im Gegensatzzu Hyperwave (vgl. folgenden Abschnitt) bleibt es in Gentle einer kleinenNutzergruppe, den Lehrenden, vorbehalten, hyper- und multimediale Mate-rialien einzustellen. Als Nutzer von Gentle nehmen Lernende eher einerezipierende Rolle ein, in dem sie sich mit dem vom Lehrenden eingestell-ten Material auseinandersetzen. Herausragend ist die hier für Lernende zurVerfügung gestellte Möglichkeit, an beliebigen Stellen des MaterialsAnmerkungen hinzufügen zu können. Zudem können Lernende Kommuni-kationsbeiträge in Diskussionsforen ablegen.

Hyperwave

Hyperwave [Maurer (2001)] wurde für diese Arbeit ausgewählt, weil es alseines der zur Zeit gängigen WM-Systeme gilt. Es bietet Funktionalitätenzur Bereitstellung, Suche und Austausch von Wissen. Wie viele andereWM-Systeme auch baut Hyperwave (ebenso wie Livelink, vgl. folgendenAbschnitt) auf Dokumentenmanagement auf und zeigt deshalb gerade imEinstellen und der strukturierten Ablage von Inhalten ihre Stärken [Böh-mann & Krcmar (1999)]. Dokumentenmanagementsysteme (DMS) unter-stützen mit einem zentralen Archiv die Ablage, Verteilung und Verwaltungvon elektronischen Dokumenten auch bei großen Mengen. Ein besonderesAugenmerk liegt hier, wie auch bei anderen WM-Systemen, auf einer einfa-chen Möglichkeit zur Einstellung von Materialien, die hypermedial organi-siert und multimedial im System präsentiert werden. Durch dieStrukturierung können ähnliche Inhalte zueinander in Bezug gesetzt und soleichter aufgefunden werden. Dies wird durch eine Suchfunktion weiterunterstützt. Ähnlich wie in anderen gängigen WM-Systemen werden auchhier Diskussionsforen zum Austausch von Wissen angeboten, die neben

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Funktionalitäten bestehender Systeme 95

den eingestellten Inhalten stehen und schlechter als das Einstellen vonMaterialien in den alltäglichen Arbeitsablauf integriert sind

Livelink

Auch Livelink (vgl. z.B. [Opentext (2002)], [Hoffmann (2001)]) wurde fürdiese Arbeit ausgewählt, weil es eines der zur Zeit gängigen WM-Syste-men ist. Ein besonderes Augenmerk liegt hier, wie auch bei anderen WM-Systemen, auf einer einfachen Möglichkeit zur Einstellung von Materialien.Diese werden hypermedial organisiert und multimedial im System präsen-tiert. Auch hier ist es möglich, durch die Strukturierung ähnliche Inhaltezueinander in Bezug zu setzen. Dies und eine sehr differenzierte Such-funktion unterstützen Nutzer beim Auffinden benötigter Informationen. Ähn-lich wie in anderen gängigen WM-Systemen werden auch hierDiskussionsforen zum Austausch von Wissen angeboten. Diese stehenebenso wie bei Hyperwave neben den eingestellten Inhalten und sinddadurch schlechter als das Einstellen von Materialien mit dem alltäglichemArbeitsablauf verwoben sind.

TechKnowledgy

TechKnowledgy [Misch et al. (2001)] als ein WM-System wurde für dieseArbeit ausgewählt, weil es zum einen auch zur Unterstützung der Weiterbil-dung in Unternehmen eingesetzt wird und dadurch auf seine Art Aspektevon Wissensmanagement und kollaborativem Lernen verbindet. Zudemlegt es ein Hauptaugenmerk auf die Unterstützung der Kommunikationunter den Mitarbeitern und trifft damit das Hauptaugenmerk dieser Arbeit.Inhalte werden von einem Redaktionsteam eingestellt und multimedial prä-sentiert. Ursprünge dieses Systems können also im Bereich der Content-Management-Systeme (CMS) gesehen werden. Mitarbeiter haben hier dieMöglichkeit, sich mittels textbasierter Beiträge an inhaltsspezifischen Dis-kussionsforen zu beteiligen. Dadurch soll gezielt die Kommunikation unter-stützt werden. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in Abschnitt3.3.2.

Vital, virtual teaching and learning

Die KL-Umgebung Vital [Wessner et al. (1999b)] basiert auf einer Raum-metapher und stellt Möglichkeiten zur Verfügung, in der Lernende Materia-lien in Form von Hypertextdokumenten lesen und manipulieren sowie

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96 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

miteinander per Audiokonferenz kommunizieren können. Vital wurde fürdiese Arbeit ausgewählt, weil es zum Zeitpunkt der Recherche bestehen-der Systeme als einzige Entwicklung in Deutschland den Anspruch derUnterstützung von Präsentation von Lernmaterialien und Kommunikationunter den Lernenden hat. Als Räume stehen neben individuellen Räumenauch Gruppenräume (gleichberechtigte Diskussion) oder Auditorien (vomLehrenden geleitete Präsentation) zur Verfügung. Da Anmerkungen unddas Einstellen von Materialien nur in individuellen und Gruppenräumen undnicht in Auditorien möglich sind, wird dies in der Tabelle mit (X) gekenn-zeichnet. Für die Autoren ermöglichen erst diese Räume unterschiedlicheAktivitäten im Sinne des kollaborativen Prozesses dieser Arbeit: „DieRaummetapher erlaubt fließende Übergänge zwischen synchronem undasynchronem, zwischen individuellem und kooperativen Lernen: Die Artder Kooperationssituation wird bestimmt durch den Aufenthaltsort in dervirtuellen Lernwelt und die dort ebenfalls Anwesenden“ [Wessner et al.(1999b), S. 90].

WebGuide

WebGuide [Stahl & Herrmann (1999)] wurde als eine KL-Umgebung fürdiese Arbeit ausgewählt, weil sie aufbauend auf dem Konzept von Per-spektiven den gesamten hier vorgeschlagenen kollaborativen Prozessunterstützt. WebGuide wird in Abschnitt 3.3.1 genauer vorgestellt.

3.2.2 Unterstützung der Vorbereitung

Zur Vorbereitung stehen Lehrenden in KL-Umgebungen Autorensystemezur Verfügung, mit denen sie Inhalte darstellen können, mit Aufgaben ver-knüpfen und an definierte Gruppen weitergeben können. [Zekl (1995)] teiltdie Bausteine von Autorensystemen in zwei Gruppen ein. Während dieeinen der Präsentation und Vermittlung von Inhalten dienen, sind die ande-ren der Lernkontrolle gewidmet, die jedoch meist lediglich Multiple-ChoiceAufgaben mit vorgegebenen Antworten realisieren.

Als Autorensystem zur Unterstützung der Präsentation und Vermittlung vonInformationen sei an dieser Stelle beispielsweise auf Macromedia verwie-sen, das mit dem Coursebuilder einen Baukasten anbietet, an Hand des-sen ein Lehrender Schritt für Schritt durch die Erstellung webbasierterInhaltsseiten geführt wird [Macromedia (2002)]. Dabei werden jeweils Infor-mationen z.B. zu den zu erstellenden Inhalten oder zur Art der gewünsch-

Autorensysteme

Beispiel Macromedia Coursebuilder

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ten Übung abgefragt. Am Ende des Prozesses wird lauffähiger HTML-Code erzeugt, durch den Lernenden Inhalte zur Verfügung gestellt werdenkönnen. Durch solche Autorensysteme können auch ohne große Program-mier- und Konfigurierarbeit didaktisch aufbereitete Inhalte erstellt werden.In anderen Systemen erfordert die Aufbereitung von Materialien Kennt-nisse in HTML.

Gerade in computervermittelten Situationen können Lehrende auf beste-hende Informationen zurückgegreifen. Durch einen Filter auf vorhandeneInformationen legt der Lehrende eine Menge an Inhalten fest [Rötting &Bruder (2000)]. Zum Einstellen von Inhalten sind Lehrende in einigenSystemen auf dieselben Funktionalitäten der eingesetzten KL-Umgebungangewiesen wie die Lernenden auch. Diese werden im folgenden Abschnittdargestellt.

Für die Gestaltung von Inhalten werden Lehrenden theoretische Anleitun-gen aus dem Bereich der Mediendidaktik bereitgestellt. Eine technischeUnterstützung hingegen findet kaum statt. Keine Unterstützung erhaltenLehrende bei der Frage, wie eine Strukturierung der Arbeitsbereiche für dieLernenden zur Unterstützung kollaborativen Lernens auszusehen hat.

Praktisch alle zur Verfügung stehenden KL-Umgebungen unterstützenLehrende oder beauftragte Administratoren in der Definition von Benut-zern, so dass personalisierte Zugänge möglich sind. Lotus Notes LearningSpace beispielsweise bietet ausgefeilte Sicherheitsfeatures [Hazemi et al.(1998)]. In einigen Systemen wie z.B. BSCW können zudem Gruppenangelegt werden, so dass Inhalte nur für einige ausgewählte Gruppenmit-glieder zur Verfügung gestellt werden können. Bei WM-Systemen stehenähnliche Funktionalitäten zur Verfügung, die von Administratoren (z.B. fürdie Einrichtung von Gruppen) oder Inhaltsverantwortlichen (z.B. zum Auf-bau von Inhaltsbereichen) genutzt werden.

3.2.3 Unterstützung des Lernens am eigenen Material

In diesem Abschnitt werden Funktionalitäten vorgestellt, die sich auf dasEinstellen und Editieren von Materialien, das Darstellen und Strukturierenvon Inhalten sowie das Anfügen von Anmerkungen beziehen.

Inhalte einstellen

Defizit: Keine Unterstützung der Vorberei-tung einer Inhaltsstruktur

Benutzerverwal-tung

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Einstellen und Editieren von Materialien

Zur Unterstützung der Nutzer beim Einstellen von Materialien bieten insbe-sondere WM-Systeme Editoren bzw. Autorenwerkzeuge an, mit denenMaterialien (z.B. Fragen, Erklärungen oder Erfahrungen) mit möglichstgeringem Aufwand zur Verfügung gestellt werden können. Zudem beste-hen Bemühungen, Anwendungssysteme, die zur Unterstützung der eigent-lichen Arbeit eingesetzt werden (z.B. Textverarbeitungs- oder Mailsystem)und ein WM-System zu integrieren. Besteht beispielsweise die Möglichkeit,„auf einen Knopfdruck“ E-Mails oder Faxe in die Struktur des WM-Systemseinfügen zu können, entfällt ein zusätzlicher Schritt der Wissensexplikation.Von dieser Integration, die beispielsweise in Livelink möglich ist, versprichtman sich, dass mehr Inhalte im WM-System expliziert werden. Mit Funktio-nalitäten wie z.B. Versionierung können vor allem in WM-Systemen auchgeänderte Inhalte abgelegt werden, ohne dass vorherige Inhalte gelöschtwerden.

Demgegenüber sind viele der existierenden KL-Umgebungen vor allem zurUnterstützung des Austausches und weniger zur Ablage eigener Inhaltekonzipiert. Materialien werden damit häufig nur von Lernenden eingestellt,das als Ausgangspunkt für die Diskussion unter den Lernenden genutztwird. So überlässt Gentle hier den Lernenden Materialien zur Kommentie-rung, während sich andere Systeme wie etwa WebGuide oder CSILE aufden Austausch (textbasierter) Nachrichten beziehen, ohne größere Einhei-ten (multimedialer) Materialien zur Verfügung zu stellen bzw. den Lernen-den zu ermöglichen, solche Materialien einzustellen. Hier steckt das größteVerbesserungspotenzial von KL-Umgebungen: ein einfaches Einstellenvon Inhalten für alle Beteiligten, die in der KL-Umgebung sichtbar sind.

Darstellen und Strukturieren von Inhalten

Zur Darstellung von Inhalten stehen zwei unterschiedliche Varianten zurVerfügung, von denen in KL-Umgebungen meist nur eine Variante realisiertist. Entweder werden die Inhalte als größere Einheiten (etwa in Form vonDateien, z.B. in BSCW) abgelegt, die nicht im System selbst angezeigtwerden oder es werden Inhalte im System sichtbar (in Form von Websei-ten, z.B. in Vital) dargestellt. Beide Varianten ermöglichen prinzipiell dasEinstellen von Inhalten mit unterschiedlichen Repräsentationen wie Text,Audio, Video etc., so dass Materialien in mehreren Beschreibungsvarian-ten zur Verfügung stehen können. Vor dem Hintergrund des kontext-orien-

Integration von Anwendungssy-stem und WM-System

Verbesserungs-potenzial bei KL-Umgebungen: Einstellen von Materialien für alle Nutzer

Darstellung von Inhalten

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tierten Kommunikationsmodells werden hiermit verschiedene Sichten bzw.Ausdrucksvarianten möglich.

Bei der ersten Variante dienen die Dateinamen als Referenzpunkte zu denInhalten. Sollen diese Inhalte wahrgenommen werden, so wird in eineandere Anwendung gewechselt. Dadurch erfolgt die Wahrnehmung losge-löst vom größeren Zusammenhang, der in der KL-Umgebung ersichtlichist. Allerdings ermöglichen Systeme, die diesen Weg verfolgen, allen Nut-zern das Einstellen von Materialien. Durch die Darstellung der Materialienim System (zweite Variante) wird es möglich, dass Inhalte direkt wahr-nehmbar sind und so als Kontextinformationen genutzt werden können.Zum Einstellen von Inhalten sind bei der zweiten Variante allerdings wenig-stens HTML-Kenntnisse notwendig, so dass für Lehrende und Lernendehäufig eine Hürde existiert, erarbeitete Inhalte in die KL-Umgebung einzu-stellen.

In vielen WM-Systemen (z.B. Livelink oder Hyperwave), werden beide Vari-anten unterstützt. Damit wird einerseits das einfache Einstellen von Mate-rialien durch alle Nutzer und andererseits die direkte Anzeige derMaterialien im System ermöglicht. Um einen einheitlichen Zugang zuermöglichen, werden Dokumente in einheitliche Formate (zur Zeit HTMLoder XML) umgewandelt. Dass hier diese Kombination realisiert ist, liegt inder Schwerpunktsetzung von WM-Systemen, der Ablage und Wahrnehm-barkeit von Materialien, begründet.

Neben der Darstellung von Inhalten ist auch ihre Strukturierung einebesondere Eigenschaft von WM-Systemen. Dabei stehen unterschiedlicheMöglichkeiten zur Verfügung. So werden in Livelink oder Hyperwave Datenzunächst in einer hierarchischen Ordnerstruktur abgelegt. Eine andereMöglichkeit zur Strukturierung und Kategorisierung sind Metadaten, alsoEigenschaften- und Strukturinformationen über die gespeicherten Datenund Dateien, z.B. das Erstelldatum, der Dateityp, der Autor oder Schlag-worte. Livelink bietet auch hier Unterstützungen an. Über Metadaten lassensich Daten flexibler strukturieren als über Ordnerstrukturen. Durch die Pro-tokollierung von Verhalten der Nutzer (Profiling) können ebenfalls Struktu-rierungen innerhalb des Systems aufgebaut werden. Beispielsweisekönnen häufig benutzte Dokumente als „Favoriten“ markiert werden.

Auch über Hyperlinks können Informationen flexibel in Beziehung zueinan-der gebracht werden. So können z.B. verschiedene Versionen oder Varian-

Strukturierung über Ordner-struktur, Metada-ten

Strukturierung über Verlinkung

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ten eines Dokumentes miteinander vernetzt werden. Hyperwavebeispielsweise bietet hier strukturelle und referenzielle Hyperlinks an. Linkssind dabei bidirektional, d.h. es ist auch möglich, die Quelle eines Verwei-ses von seinem Zielpunkt aus zu finden.

Ein ganz anderer Ansatz zur Strukturierung ist die Prozessmodellierung.Durch die Darstellung von Prozessen in Unternehmen können Daten mitAufgaben und Personen grafisch in Beziehung gesetzt werden. DerartigeBeziehungen sind bei der Suche von Informationen hilfreich, da über dieSymbole im Modell die dazu passenden Informationen gebündelt werden.Andererseits können sie auch ein wichtiges Medium für die Darstellung undKommunikation von Organisationswissen sein [Goesmann & Hoffmann(2000)]. Solche Ansätze werden in einer WM-Anwendung auf Basis vonLivelink in einem mittelständischen IT-Beratungsunternehmen erprobt [Die-fenbruch et al. (2002)].

Zur thematischen Zuordnung von Inhalten und auch zur Unterstützungunterschiedlicher Arbeitsschritte werden in vielen WM-Systemen und auchKL-Umgebungen individuelle und gruppen- bzw. unternehmensweite Berei-che angeboten. Dabei kann unterschieden werden, ob Inhalte in individuel-len Bereichen von anderen gelesen werden können (z.B. Vital) oder nicht(z.B. Livelink). Die Systeme, die für die Nutzer individuelle Bereiche anbie-ten, auf deren Inhalte nur der Besitzer zugreifen kann, scheinen zur Unter-stützung des Arbeitens am eigenen Material besonders geeignet. Nutzerkönnen hier zunächst für sich Inhalte sammeln und diese gegebenenfallszu einem späteren Zeitpunkt für andere zur Verfügung zu stellen.

Noch einen Schritt weiter geht das Konzept der Perspektiven [Stahl & Herr-mann (1999)], wobei eine Perspektive abhängig ist von der Rolle, demInhalt und der Aufgabe. Wegen der Abhängigkeit der Aufgabe stellt dasKonzept der Perspektiven gleichzeitig eine Unterstützung der verschiede-nen Phasen des Lernprozesses dar, da zunächst individuell Inhalte erar-beitet werden können, die später anderen sichtbar gemacht und mit ihnendiskutiert werden können. Einer der prominentesten Vertreter der Perspek-tivenumsetzung ist WebGuide, in dem mit verschiedenen Perspektiven dieBeobachtung des Fortschrittes im Lernprozess möglich ist und zudem dieTeilnehmer gute Möglichkeiten haben, das Wissen der anderen einzu-schätzen. Ein genauerer Blick auf WebGuide ist unter Abschnitt 3.3.1 zufinden.

Darstellung der Inhaltsstruktur durch Pro-zessmodelle

individuelle Bereiche

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Anmerkungen anfügen

Eine spezielle Funktionalität, die das Anfügen von Anmerkungen an Mate-rialien von Lernenden erlaubt, ist bislang kaum umgesetzt. Bei KL-Umge-bungen liegt dies darin begründet, dass vielfach kaum Materialien derLernenden in der KL-Umgebung abgelegt werden. Eine Notwendigkeit zueiner solchen Funktionalität konnte aber in Untersuchungen mit Prototypenvon KL-Umgebung in Aussagen von Studierenden gezeigt werden: „Sehrpositiv wurde die Möglichkeit beurteilt, individuelle Verweise auf wichtigeInformationen innerhalb und außerhalb des Integral Systems zu sammelnund mit Kommentaren zu versehen“ [Rötting & Bruder (2000), S. 48]. Auchvon Paulsen wurde für die Gestaltung von KL-Umgebungen gefordert, dassKommunikation in das Kursmaterial integriert wird. Als Grund führt er an,dass später noch nach den Kommunikationsbeiträgen gesucht werdenkann und insbesondere Lernende auch später von diesen Beiträgen profi-tieren können [Paulsen (1997)]. Er sieht dies als ersten Schritt des gemein-samen Lernens an.

Die Umsetzung der Annotierbarkeit ist unter den betrachteten Systemen inGentle am besten gelöst, da hier an den betreffenden Abschnitten desInhalts Annotationen angefügt werden können [Dietinger & Maurer (1998)].Wie bereits oben erwähnt haben lediglich Lehrende, nicht aber Lernende,die Berechtigung, annotierbare Inhalte einzustellen. Dies ist hier negativ zubewerten, da der kollaborative Prozess (vgl. Kapitel 2) in der Phase desindividuellen Lernens das Einstellen und Editieren von Material durch dieLernenden vorsieht. Dies ist aber in Gentle auf Grund der eingeschränktenRechte nicht möglich.

In einigen anderen Systemen, auch WM-Systemen (z.B. BSCW oder Tech-Knowledgy) können Anmerkungen angefügt werden, die aber nicht inunmittelbarer Nähe zum Material, sondern in getrennten Bereichen abge-legt werden. So werden in Livelink beispielsweise mit einem Kommentie-rungsfeld zu jedem abgelegten Dokument Anmerkungen ermöglicht. Diesewerden jedoch nur in einem separaten Fenster und ohne Angabe einesAutors dargestellt.

Durch die Möglichkeit, Anmerkungen zu bestehenden Materialien anzufü-gen, werden gezielt Kommunikationsbeiträge in Materialien integriert.Bereits in Kapitel 2.1.5 wurde mit der Forderung, dass Materialien als Kon-textinformationen Kommunikationsbeiträgen hinzufügbar sein sollten, dieNotwendigkeit zur Integration beschrieben, die sich allerdings auf die

empirisch gefun-dene Notwendig-keit zur Annotierbarkeit

Annotieren an Abschnitten des Inhalts

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andere Richtung der Integration bezog. Ein System, das auf dem Konzeptder Annotationen beruht, scheint geeignet, um die Materialablage, dieUnterstützung der Kommunikation und ihre Integration zu unterstützen undwird deshalb in einem separaten Abschnitt am Ende dieses Kapitels einge-hender erläutert (vgl. Abschnitt 3.4).

3.2.4 Unterstützung des Lernens am Material anderer

In diesem Abschnitt werden Funktionalitäten vorgestellt, die das Achten aufBeiträge anderer, Kopieren und Verknüpfen sowie Suchen, Filtern undBewerten betreffen.

Auf Beiträge anderer achten

Die im vorangegangenen Kapitel genannten Möglichkeiten zur Strukturie-rung von Inhalten unterstützen auch die Möglichkeit, auf Beiträge andererzu achten, da dadurch Aufmerksamkeitssteuerung und kontextualisierteDarstellung von Inhalten realisiert wird. Interessieren neue Inhalte einesanderen Lernenden aus der Lerngruppe, so sind diese auf einfache Weisedurch einen Besuch in seinem Bereich nachzuvollziehen. Durch dasgegenseitige Inspizieren individueller Bereiche können sich die Teammit-glieder so ein Partnerbild aufbauen und das Vorwissen einschätzen, umdarauf aufbauend ihre Kommunikationsausdrücke zu formulieren.

In Vital werden, ähnlich wie bei einigen WM-Systemen (z.B. Livelink), Infor-mationen über die Teilnehmer in Form von Namen und Fotos abgelegt. DieIdee zusätzlicher Informationen zu den Inhalten in KL-Umgebungen istnicht neu. Bereits Anfang der 90er Jahre wurde in [Alexander (1991)] einSystem beschrieben, in dem zu jedem Teilnehmer einer Lerngruppe eineBeschreibung der Person inkl. Foto und Hintergrund und der Aufgaben, diesie innerhalb der Gruppe lösen soll, abrufbar sind. Zudem ist ein Gruppen-überblick möglich, der die Teilnehmer der Gruppe und deren Beiträge (inForm von Text) zu der jeweils gerade anstehenden Aufgabe anzeigt. DieseBeiträge können kommentiert werden, die Kommentare werden ebenfallsin der Übersicht dargestellt.

Die Wahrnehmung der Beiträge anderer wird in KL-Umgebungen und auchin WM-Systemen durch sogenannte Awarenessdienste unterstützt. Diessind technische Unterstützungen, die Informationen über Aktivitäten derNutzer zur Verfügung stellen und damit zur Verbesserung der Awareness

Anmerkungen zu Kommuninkati-onsausdrücken

Anzeige von Informationen über die Lern-partner

Awarenessdien-ste

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(vgl. Kapitel 2.1.5) der Nutzer beitragen. Awarenessdienste ermöglichenbeispielsweise die Wahrnehmung neuer Beiträge durch eine „neu“-Kenn-zeichnung oder die Anzeige von Metadaten wie Autor oder Erstellungsda-tum (vgl. auch Tabelle 6). Viele Awarenessdienste konzentrieren sich aufeine aufgabenorientierte Awareness (Informationen, wer gerade an wel-cher Aufgabe arbeitet) und weniger auf „social awareness“, die sich damitbeschäftigt, wer (gerade) was im kooperativen Prozess macht [Broll et al.(1999)]. Gerade für die Unterstützung der Kommunikation scheint „socialawareness“ wichtig, da z.B. durch individuelle Repräsentation Anwesen-heit, Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und aktuelles Engagement der Koopera-tionspartner wahrgenommen werden können. Dieser Ansatz der sozialenAwareness wird z.B. in dem technischen System Nessie verfolgt [Broll etal. (1999)]. In diesem System wird jeder Teilnehmer symbolhaft durcheinen Avatar (z.B. Icons von Strichmännchen) dargestellt und es tauchenaus der realen Welt bekannte Aktionen auf (z.B. bewegen zwischen Räu-men, lesen und bearbeiten von Dokumenten). Nutzer können sich so einenschnellen und intuitiven Überblick verschaffen und erhalten Gelegenheiten,sich spontan zu treffen bzw. zu koordinieren und gemeinsam synchron zuarbeiten.

Während Awarenessdienste auf die Wahrnehmung der Nutzer abzielen,informieren sogenannte Benachrichtigungsdienste, „Notifications“, gezieltbei Änderung. In einigen Systemen vorwiegend aus der Gruppe der WM-Systeme, aber auch bei BSCW, kann eingestellt werden, bei welchenÄnderungen (Material einstellen, verändern etc.) eine Benachrichtigungerfolgen sollte. Zum Beispiel können Nutzer von Livelink Inhaltsbereicheoder bestimmte Aktivitäten wie einstellen oder ändern angeben, zu denensie informiert werden möchten. Hyperwave stellt Funktionalitäten zur Verfü-gung, die das Abspeichern von Anfragen bezogen auf einen bestimmtenInhaltsbereich unterstützen. Bei Neuerungen zu diesen Anfragen werdenNutzer per E-Mail benachrichtigt. KL-Umgebungen bieten, wenn über-haupt, Benachrichtigungen an, die sich auf fest eingestellte Aktionen bezie-hen.

Kopieren und Verknüpfen

Das Kopieren und Verknüpfen von Materialien ist eng verbunden mit derMöglichkeit, auch Inhalte einstellen zu können. Dementsprechend könnenNutzer von WM-Systemen wie Livelink oder Hyperwave, deren Inhalte

Benachrichti-gungsdienste

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104 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

hypermedial organisiert sind, Inhalte zwischen verschiedenen Arbeitsberei-chen verknüpfen oder kopieren. BSCW arbeitet in diesem Zusammenhangmit der Koffermetapher: Inhalte werden in einem sogenannten Kofferzusammengesammelt, um sie zusammen an einer Stelle abzulegen oderspäter weiterzubearbeiten. Hinter dieser Koffermetapher, eine Umschrei-bung für die Zwischenablage, verbergen sich die Aktionen Ausschneiden,Kopieren und Einfügen, die innerhalb des Systems durchgeführt werden.

KL-Umgebungen mit dem Fokus auf der Diskussion bieten dementspre-chend keine Unterstützung in Bezug auf Kopieren und Verknüpfen vonMaterialien an. Gleichwohl wird das Kopieren oder Verknüpfen mit anderenDiskussionsbeiträgen unterstützt, um dadurch Verbindungen zwischen denverschiedenen Beiträgen anzudeuten. So besteht in CSILE die MöglichkeitVerbindungen zu anderen Beiträgen herzustellen. Eine solche Verlinkungliegt in der Hand des Lernenden, d.h. es handelt sich nicht um Verbindun-gen, die vom System übernommen werden. Dadurch entsteht für die Auto-ren die Möglichkeit, gemeinsames Wissen zu entwickeln: „referencing andbuilding on facilities help them create a multidimensional, knowledge-buil-ding framework for their ideas“ [Scardamalia & Bereiter (1996a), S. 36].WebGuide verfolgt ein ähnliches, aber weiterentwickeltes Konzept zur Ver-linkung bzw. zum Kopieren von Beiträgen, indem es die Lernenden unter-stützt, Beiträge anderer in ihre eigene Perspektive zu übernehmen.Ausführlicher wird darauf in Abschnitt 3.3.1 eingegangen.

Suchen, Filtern und Bewerten

Eine Suche ist in fast allen Systemen realisiert. Sie betrifft sowohl Inhalteals auch Metadaten wie Einstellungsdatum, Autor oder Dateityp und unter-stützt die Lernenden darin, gezielt Informationen aufzufinden, um beispiels-weise Kommunikationsbeiträge besser nachvollziehen zu können.Fortgeschrittene Such-Technologien entstammen dabei dem BereichStorage & Retrieval-Techniken (S&RT), die z.B. eine semantische Sucheoder Volltextsuche unterstützen und häufig auf speziell aufgebaute Struktu-ren zurückgreifen. Dadurch wird ein Auffinden von geeigneten Informatio-nen in wenigen Schritten ermöglicht [Thiesse & Bach (1999)].

Im Gegensatz zu WM-Systemen werden in KL-Umgebungen eingestellteMaterialien oder Kommunikationsbeiträge meist nicht mit Stichworten oderKategorien, in deren Zusammenhang die Inhalte entstanden sind, verse-hen. Folglich ist eine Suche nach diesen Kriterien nicht möglich. Eine

Suchen

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besonders zukunftsweisende Realisierung der Suche im Bereich des kolla-borativen Lernens wird mit dem System Livemarks, eine Erweiterung zuBSCW, angeboten. In Livemarks wurde die Systemsuche mit Suchmaschi-nen verbunden, um genauere Ergebnisse zu erzielen. Die Suche wird mitHilfe von Agenten durchgeführt, die nicht nur die Suchanfrage an die Such-maschinen weitergeben, sondern auch die Ergebnisse um eigene Vor-schläge und Bewertungen anderer Nutzer ergänzen. Zudem ist dieSpeicherung der Suchanfrage möglich, um diese zu einem späteren Zeit-punkt erneut zu starten. So können auch neuere Inhalte zu der jeweiligenSuchkombination gefunden werden. Zusätzlich können Suchabfragenanderen zur Verfügung gestellt werden, um eine gemeinsame Konzentra-tion auf ausgewählte Inhalte vorzubereiten.

Eine weitere Möglichkeit, die Ansicht auf bestehende Inhalte einzuschrän-ken, besteht in der Funktionalität der Filter. An Hand bestimmter Filterei-genschaften (z.B. Autor oder Erstellungsdatum) werden nur die Inhalte mitden betreffenden Eigenschaften angezeigt. Filterfunktionalitäten wurden inden betrachteten Systemen jedoch kaum gefunden. So wird beispielsweisein Livemarks „Social filtering“ ermöglicht, indem die Teilnehmer Suchergeb-nisse bewerten und damit Einfluss auf die Darstellung der Suchergebnissenehmen, weil die am besten bewerteten oben in der Liste der Suchergeb-nisse angezeigt werden.

Zur Bewertung von Inhalten werden nur in einigen Systemen Funktionalitä-ten vorgesehen. Beim BSCW wird eine Funktionalität zur Bewertung vonInhalten auf einer 5-wertigen Skala angeboten und bei der Bewertungeines Inhalts durch mehrere Nutzer ein Mittelwert angezeigt. Dies ist einevereinfachte Variante. Spezialanwendungen ermöglichen differenzierter dieBerechnung von Zustimmung oder Ablehnung, indem Nutzer z.B. eine vor-gegebene Anzahl von Punkten über die Vorschläge verteilen können. DieVorschläge, die die meisten Punkte erhalten, gelten dann als diejenigen,auf die sich eine Gruppe geeinigt hat. Um solche Abstimmungen gerechtzu organisieren, sind verschiedene Randbedingungen zu beachten. Einenguten Überblick und Lösungsdiskussionen finden sich in [Ephrati et. al.(1994)]. Die Bewertung von Inhalten bereitet den Prozess der Einigung aufein gemeinsames Ergebnis vor, da hier auf einem formalisierten WegZustimmung oder Ablehnung zu einem Inhalt ausgedrückt wird.

Filtern

Bewerten

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106 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

3.2.5 Unterstützung der Kollaboration

In diesem Abschnitt werden Funktionalitäten vorgestellt, die sich auf dieUnterstützung von Diskussion und Aushandlung beziehen.

Diskussion

Praktisch alle Systeme bieten Möglichkeiten zur freien Formulierung vonKommunikationsbeiträgen an. Zur Zeit wird in der Mehrzahl der Umgebun-gen vor allem textbasierte Kommunikation unterstützt, da beispielsweisefür Video- oder Audiokonferenzen Eingabegeräte gerade bei Lernendennicht zur Verfügung stehen. Zudem wird eher asynchrone als synchroneKommunikation unterstützt. Empirische Untersuchungen von KL-Umge-bungen beziehen sich meist auf diesen Ausschnitt des kollaborativen Pro-zesses (vgl. Abschnitt 3.1.2).

In den KL-Umgebungen, die ihr Hauptaugenmerk auf die Unterstützung derKommunikation legen (z.B. WebGuide oder CSILE), stehen Funktionalitä-ten zur Verfügung, mit denen Lernende auf einfache Art und Weise Bei-träge generieren können. Diese Beiträge können einen neuenDiskussionsstrang eröffnen oder einen bestehenden Strang weiterführen.Durch die Verlinkung oder das Kopieren können Beziehungen zwischenden Beiträgen hergestellt werden, so dass die Einigung auf ein gemeinsa-mes Ergebnis, das Ziel kollaborativen Lernens, vorbereitet wird.

Als Zusatzinformationen zu Kommunikationsbeiträgen werden Autor undDatum, in einigen KL-Umgebungen auch dazugehörige Diskussions-stränge, angegeben. Dadurch wird es den Lernenden möglich, kommuni-kative Handlungen anderen Teilnehmern zuzuordnen und durch Angabevon Diskussionssträngen, Kontext zuzuordnen oder vergangene Beiträgeerneut nachvollziehen zu können. In einigen Systemen (WebGuide oderCSILE) können Kommunikationsbeiträge darüber hinaus als Frage, Kom-mentar oder Antwort klassifiziert werden, die dem Rezipienten die Ein-schätzung eines Beitrages erleichtern. Diese können allerdings nicht nachden Zusatzinformationen sortiert werden.

Wie bereits mehrfach erwähnt, liegt der Schwerpunkt von WM-Systemenanders als der von KL-Umgebungen meist nicht auf der Unterstützung vonKommunikation. Eine Ausnahme ist der Prototyp Answer Garden 2, der als„collective memory system or as a collaborative help system“ [Ackerman &McDonald (1996), S. 101] verstanden wird. Answer Garden 2 stellt Infor-

angebotene Kommunika-tionsunter-stützungen

Zustzinformatio-nen zu Kommuni-kationsbeiträgen

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mationen zu Softwareanwendungen bereit. Falls die bestehenden Informa-tionen nicht ausreichen, kann der Mitarbeiter eine Frage stellen, die ineinem Chatraum plaziert wird. Nach einigen Minuten wird der Nutzergefragt, ob er eine Antwort auf seine Frage erhalten habe. Falls dies nichtgeschieht, wird die Frage an ein asychrones Kommunikationsmedium wei-tergereicht, wenn der Nutzer dies wünscht. Wenn hier innerhalb einesTages ebenfalls keine Antwort gegeben wird, wird mit Hilfe einer Experten-datenbank ein Experte kontaktiert, von dem auf Grund seiner Rolle ange-nommen werden kann, dass er antwortet. Answer Garden unterstütztdarüber hinaus Aktivitäten wie das Sammeln, Auswählen, Organisierenund Verdichten von Informationen. Auf diese Art und Weise wächst dasexplizite und aufbereitete Wissen ständig weiter.

In allen anderen WM-Systemen werden zwar Diskussionsforen oder Chat-räume angeboten, in denen sich die Mitarbeiter textbasiert asynchron bzw.synchron austauschen können. Wie in einigen KL-Umgebungen stehendiese Foren zum Austausch und die Ablage von Materialien relativ unab-hängig nebeneinander; ein Wechsel von der Materialablage zum Diskussi-onsforum ist i.d.R. nur über mehrere Schritte und den Umweg übermehrere Fenster möglich. Zudem wird die Kommunikationsunterstützungzu wenig in die alltägliche Arbeit integriert, so wie es bei der Ablage vonMaterialien mit der Anbindung an die Anwendungssysteme (wie z.B. Micro-soft Word) der Fall ist. An dieser Stelle zeigt sich bezogen auf Funktionali-täten von WM-Systemen das größte Verbesserungspotenzial: eine bessereIntegration der Kommunikationsunterstützung in den Bereich der Materiali-enablage und täglichen Arbeitsabläufe. Weiteres Verbesserungspotenzialergibt sich, wenn man auf die Unterstützung der Aushandlung zum Errei-chen eines gemeinsamen Ergebnisses schaut. Hier bietet keines derbetrachteten WM-Systeme Unterstützung an.

Aushandlung eines gemeinsamen Ergebnisses

Zur Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses werden bislangkaum Funktionalitäten in WM-Systemen oder KL-Umgebungen angeboten.So ist in WebGuide vorgesehen, durch Aushandlung eine Verschränkungvon Perspektiven zu erzielen. Dabei werden Inhalte zur Übernahme in einesogenannte Ergebnisperspektive vorgeschlagen. Durch Zustimmung zudiesem Vorschlag signalisieren die anderen Teammitglieder, dass sie die-sen Vorschlag als gemeinsames Ergebnis akzeptieren (vgl. auch Abschnitt

Verbesserungs-potenzial für WM-Systeme: Kommunika-tionsunter-stützung

Aushandlung zur Entwicklung eines gemeinsa-men Verständ-nisses

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3.3.1). Hier wird auf das in Kapitel 2.2.5 vorgestellte Aushandlungskonzeptaufgesetzt. Dabei zeigt sich, dass noch Entwicklungsbedarf besteht, dadas theoretische Konzept nur für zwei Aushandelnde entworfen ist. Sokann bei der Erweiterung für mehrere Teilnehmer beispielsweise mehr Zeitverstreichen, bis es zu einer Einigung auf ein gemeinsames Ergebniskommt. Das ursprüngliche Aushandlungskonzept, das vor dem Hinter-grund von Modifikationen von Systemfunktionalitäten entwickelt wurde,sieht vor, dass so lange nicht mit der geänderten Version gearbeitet wer-den kann, bis der Aushandlungsprozess abgeschlossen ist. Diese Erweite-rung ist für eine integrierte Umgebung zur Unterstützung kollaborativerProzesse entscheidend, da dort potenziell mehr als zwei Nutzer über eingemeinsames Ergebnis aushandeln. Gleichzeitig wird an dieser Stelle auchdeutlich, dass eine Empfängergruppe gezielt und flexibel auswählbar seinmuss, da nicht immer alle zugangsberechtigten Nutzer von einer solchenAushandlung betroffen sind.

Ähnlichkeiten zu dem Konzept systemgestützter Aushandlung zeigen Deci-sion Support und Meeting Support Systeme (vgl. [Geibel (1993)], [Rangas-wamy & Shell (1997)]). Hier kann auf Vorschläge, die von anderenunterbreitet wurden, durch die Ergänzung eigener Vorschläge modifizie-rend reagiert werden. Zudem ist es möglich, Kommentare an die Vor-schläge anzuhängen. Ein großer Nachteil dieser Systeme besteht darin,dass sie ausschließlich für die Unterstützung des Entscheidungsprozesseseingesetzt werden, so dass Gruppen in computervermittelten Situationen,die für ihre sonstigen Tätigkeiten ein anderes System im Einsatz hatten,zum Zwecke der Entscheidungsfindung das Medium wechseln mussten.

Eine andere Möglichkeit, die Herausbildung eines gemeinsamen Verständ-nisses in einem integrierten Anwendungssystem zu unterstützen, ist dieIntegration der Erzeugung eines automatischen Glossars, so wie es bei-spielsweise in Dynasites [DePaula et al. (2001)] vorgestellt wird. Hier kannüberprüft werden, welches Verständnis andere Teilnehmer von bestimmtenBegriffen haben und gegebenenfalls ein Austausch über unterschiedlicheVorstellungen initiiert werden. Das Glossar übernimmt hier die Funktion,Verständnisse von Begriffen zusammenzustellen und damit besser ver-gleichbar zu machen.

Group Decision Support Systeme

gemeinsames Glossar zur Ent-wicklung eines gemeinsamen Verständnisses

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Funktionalitäten bestehender Systeme 109

3.2.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Abbildung 21 gibt einen Überblick über zentrale Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen sowie ihre Verbindung zum kollaborati-ven Prozess. Der Übersichtlichkeit halber wurden dabei die Funktionalitä-ten von KL-Umgebungen rechts und links, die Funktionalitäten der WM-Systeme über und unter den bereits aus Kapitel 2 bekannten kollaborativenProzess angeordnet. Die Relationen geben an, welche Aktivitäten unter-stützt werden.

Dabei zeigt sich auf der einen Seite, dass sich ein Großteil bestehenderKL-Umgebungen entweder auf die Darstellung von Inhalten, die durcheinen Lehrenden erstellt wurden oder auf die Unterstützung der Diskussionunter den Lernenden beschränkt. Die meisten KL-Umgebungen beziehensich dabei auf die Unterstützung der Diskussion. Eine Integration dieserbeiden Ansätze konnte nicht gefunden werden. Verbesserungspotenzialergibt sich also vor allem in der Integration der Darstellung von Materialienund der Unterstützung der Diskussion. Allen Beteiligten sollte es in einemersten Schritt ermöglicht werden, auf einfache Weise Inhalte in verschiede-nen Präsentationen wie Text, Audio oder Video einstellen zu können. DieseMaterialien sollten in der KL-Umgebung selbst sichtbar sein und nicht, wiedies beim BSCW der Fall ist, als herunterladbare Dateien eingestellt wer-den. Eine Kategorisierung der Inhalte würde eine differenziertere Sucheerlauben.

Auf der anderen Seite konnte festgestellt werden, dass WM-Systeme ihreStärken in der strukturierten Ablage und Darstellung von Materialienhaben, die die individuelle Arbeit besonders gut unterstützen. Diese gutunterstützte Ablage mit Metadaten, Hyperlinks und Ordnerstrukturen erlau-ben gleichzeitig eine sehr differenzierte Suche, die die Mitarbeiter imUmgang mit den Materialien anderer unterstützt. Großes Verbesserungs-potenzial liegt hier in der Unterstützung der Kommunikation. Diese wirdzwar angeboten, es zeigt sich jedoch, dass wenig Integration zu derAblage von Inhalten vorhanden ist.

Für eine Umgebung, die die Materialablage und kontext-orientierte Kom-munikation (wie in Kapitel 2 gefordert) unterstützt, scheint es nach diesemStand der Erkenntnis allein nicht auszureichen, die Vorteile beider Entwick-lungsrichtungen zusammenzubringen. So reicht es nicht aus, beispiels-weise das einfache Einstellen von Materialien, eine geeigneteStrukturierung und Kategorisierung (als besondere Merkmale von WM-

Eigenschaften von KL-Umge-bungen

Eigenschaften von WM-Syste-men

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110 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Systemen) sowie die Unterstützung der Kommunikation in Form von Noti-zen oder in Foren (als Merkmale von KL-Umgebungen) in einem Systemzusammenzubringen.

Abbildung 21. Funktionalitäten und ihre Zuordnung zum kollaborativen Prozess

Zusätzlich erscheint es sinnvoll, diese Möglichkeiten zu integrieren und flie-ßende Übergänge zwischen Material und Kommunikationsbeiträge zuermöglichen. Dies wurde bereits im Abschnitt zu Möglichkeiten des Anfü-gens von Anmerkungen (vgl. S. 101) angesprochen und wird in Abschnitt

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Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter Anwendungen 111

3.4 vertiefend behandelt. Abschließend soll hier festgehalten werden, dassder Aushandlungsschritt bislang kaum unterstützt wurde und hier weitererForschungsbedarf notwendig ist. Eine KL-Umgebung, die diesen Schrittandenkt, ist WebGuide. Darauf soll im folgenden Abschnitt näher einge-gangen werden.

3.3 Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter AnwendungenIn diesem Abschnitt sollen die zuvor skizzierten Systeme WebGuide undTechKnowledgy ausführlicher vorgestellt werden. Diese beiden Systemewurden nicht ausgewählt, weil sie „einen typischer Vertreter“ der jeweiligenEntwicklungsrichtung von KL-Umgebungen und WM-Systemen darstellenwürden. Vielmehr stehen sie in besonderer Verbindung zu der Idee dieserArbeit. So basiert die Konzeption von WebGuide als eine KL-Umgebungauf einem ähnlichen Prozess wie dem in dieser Arbeit entwickelten kollabo-rativen Prozess. Zudem liegt das Hauptaugenmerk bei WebGuide auf demAustausch von Wissen und der Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis.TechKnowledgy, als WM-System im Einsatz, konzentriert sich auf dieUnterstützung der Kommunikation und kommt damit der Betrachtungs-weise dieser Arbeit am nächsten.

3.3.1 Die KL-Umgebung WebGuide

Die KL-Umgebung WebGuide unterstützt durch das Konzept der Perspekti-ven und der Aushandlung den gesamten in dieser Arbeit vorgestellten kol-laborativen Prozess. Wegen der Einmaligkeit der Integration individuellenund kollaborativen Lernens sowie der Aushandlung zum Erlangen einesgemeinsamen Ergebnisses können hier Hinweise auf die Gestaltung derintegrierten Umgebung gewonnen werden.

Zur Unterstützung des kollaborativen Prozesses werden insgesamt sechsPerspektiven eingeführt:

• Klassenperspektive (Aufgabenstellung und prinzipielle Struktur)• Individuelle Perspektive (eigene Beiträge zusammenstellen)• Teamperspektive (Zusammenstellen der zu diskutierenden Beiträge)• Ergebnisperspektive (Zusammenstellung der Beiträge als Ergebnis)• Vergleichsperspektive (alle Perspektiven zusammen)• Archiv-Perspektive (alle bisherigen)

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112 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

An Hand der unterschiedlichen Aktivitäten des kollaborativen Prozessessollen in diesem Abschnitt detailliert diese Perspektiven und Funktionenvon WebGuide vorgestellt werden. Abbildung 22 gibt einen Überblick überdie Funktionalitäten und die eingesetzten Perspektiven.

Vorbereitung

Ein Lehrender bereitet eine WebGuide Lerneinheit vor, indem er die ober-sten Inhaltsbereiche festlegt. Analog zu diesen Inhaltsbereichen könnensich Untergruppen bilden. Zudem kann der Lehrende auch Unterbereicheund anleitende Beispiele für Lesezeichen (sogenannte Bookmarks) oderSuchhinweise vorbereiten. Diese Vorgaben werden in der Klassenperspek-tive abgelegt.

Abbildung 22. WebGuide-Nutzungsprozess nach [Stahl & Herrmann (1999)]

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preparing a task

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Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter Anwendungen 113

Eigenes Material erarbeiten

Informationen können in WebGuide in kleinen Einheiten (im FolgendenItem genannt) dargestellt und gesammelt werden. Damit wird den Lernen-den ermöglicht, schon in einem frühen Stadium des Prozesses Inhalte ein-zustellen. Dies ist eine der Voraussetzungen für eine spätere Aushandlung,da nur mit Bezug auf kleine, überschaubare Informationseinheiten ausge-handelt werden kann, welche Items übernommen, geändert oder gelöschtwerden sollen.

Den Lernenden stehen Notizbücher (sogenannte Notebooks) zur Verfü-gung, die im Wesentlichen aus Lesezeichen (Bookmarks), Kategorien oderSuchhinweisen bestehen. In diesen Notebooks halten die LernendenErgebnisse ihrer Recherchen fest. Einem Bookmark kann ein selbstgewählter Titel zugeordnet werden. Bei Bedarf kann ein NOTIZ-Symbolhinzugefügt werden, das einen Link zu einer anderen Webseite repräsen-tiert, auf der Lernende zum Beispiel ein Exzerpt oder ein Abstrakt oderErgänzungen aus anderen Quellen, wie etwa Büchern oder Gesprächen,ablegen kann. Weiterhin sind Kategorien möglich, mit denen Bookmarksund Suchhinweise klassifiziert werden können. An dieser Stelle steckt, wiebei allen KL-Umgebungen, das größte Optimierungspotenzial, da nebenText und URLs keine weiteren Inhalte im System abgelegt und diskutiertwerden können.

WebGuide ist so konzipiert, dass die Lernenden in einem ersten Schritt inden ihnen zugänglichen Informationsquellen (neben dem WWW könnendies natürlich auch Bücher, Gespräche oder andere Quellen sein) recher-chieren. Zudem können die Inhalte der Klassen- und Teamperspektivesowie andere individuelle Perspektiven zur Kenntnis genommen werden,die zu diesem Zweck alle in der Vergleichsperspektive nebeneinandergestellt werden. Aus der Recherche übernehmen die Lernenden die Daten,die ihnen interessant erscheinen, in ihre eigene individuelle Perspektive.Zu diesen übernommenen Daten können dann im dritten Schritt eigeneDaten, wie etwa Kommentare, eigene Bookmark-Titel, etc. hinzugefügtwerden. Durch die Kommentierung können potenziell Diskussionen entste-hen.

kleine Einheiten von Inhalten zur Unterstützung von Einstellen und Aushandeln

Inhalte in „Note-books“

erster Schritt: eigene Recher-che

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114 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Generell stehen den Lernenden folgende Funktionen zur Verfügung:

• „hide & show“ (selektives Aus- und Einblenden von Inhalten durchden Nutzer)

• kopieren in die individuelle Perspektive• ein neues Item hinzufügen• den Text eines Items ändern• ein Item verschieben oder löschen• ein Item zur Aushandlung vorschlagen• zu einem Item abstimmen

Der Hide- und Show-Mechanismus ist für jedes Item in jeder Perspektivemöglich und bedeutet, dass man sich zum Beispiel nur die Kategorienanzeigen lassen kann, die Kommentare ausblenden kann oder man sichalle Details ansieht. Hierdurch soll das Browsen und die Orientierungerleichtert werden. In der Vergleichsperspektive ist kein Editieren möglich;hier besteht nur die Möglichkeit, Items oder eine Gruppe von Items in dieeigene individuelle Perspektive zu kopieren.

Vorschläge diskutieren und aushandeln

Kollaboratives Lernen in WebGuide besteht im Wesentlichen darin, ingemeinsamer Diskussion Informationen zusammenzutragen, Vorschlägefür die Teamperspektive zu unterbreiten, die Vorschläge zu verhandeln unddie problematischsten Fälle wiederum in gemeinsamer Diskussion zu klä-ren. Dieser Ablauf deckt sich mit der Definition kollaborativen Lernens inKapitel 2 dieser Arbeit, die das Erreichen eines gemeinsamen Verständnis-ses als Ziel kollaborativen Lernens sieht. Jeder Lernende kann aus seinerindividuellen Perspektive heraus mittels der Funktion „Vorschlagen“ Vor-schläge für die Teamperspektive unterbreiten, die in dem Team ausgehan-delt werden. Auf diese Weise kann eine Informationseinheit in dieTeamperspektive neu eingefügt werden. Ein Lernender kann auch Itemsaus der Perspektive anderer vorschlagen, indem er sie zuerst in seine Per-spektive übernimmt. Zudem ist es möglich, auch mehrere Items gleichzei-tig vorzuschlagen. Gegenstand der Teamperspektive sind dannVorschläge, auf die sich die Teammitglieder verständigt haben.

Soll ein bereits bestehender Eintrag der Teamperspektive geändert wer-den, so muss er in eine individuelle Perspektive übernommen werden, dortgeändert und dann wieder zur Aufnahme in die Teamperspektive vorge-

Funktionen

vorschlagen

Änderungen an Items in der Teamperspektive

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Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter Anwendungen 115

schlagen werden. Die Änderung muss nachvollziehbar bleiben, indem mitdurchgestrichenem Text gearbeitet wird. Dieses Vorgehen erfordert zwarviele Arbeitsschritte, ermöglicht dadurch aber das Nachvollziehen vonÄnderungen. Gleichzeitig können Änderungen an Items vorgeschlagenwerden, auch wenn das Ergebnis der ersten Aushandlung noch nicht vor-liegt.

Nachdem ein Vorschlag unterbreitet wurde, wird zunächst überprüft, ob zudem Item eine laufende Aushandlung existiert. Wenn nicht, wird eineWWW-Seite mit Formularfenster geöffnet, in dem man unter anderem eineListe der Lernenden sieht, die an der jeweiligen Aushandlung beteiligt seinsollen. Dieser Schritt existiert bislang nur konzeptionell: „Wer das ist, ist imRahmen der Aushandlungsphilosophie festzulegen, die möglichst mittelsParameter steuerbar sein sollte, um sie von Fall zu Fall variieren zu kön-nen.“ [Herrmann & Stahl (1998), S. 107].

Im eigentlichen Aushandlungsschritt werden zwei Fenster geöffnet: Dabeibesteht im ersten Fenster die Möglichkeit, abzustimmen. In dem zweitenFenster kann man die bereits erfolgten Aushandlungsentscheidungen undKommentare anderer Teammitglieder sehen. Zu dem Vorschlag sind nunfolgende Aushandlungsreaktionen möglich (vgl. Abbildung 22):

• „accept/reject“: Annahme bzw. Ablehnung• „abstain“: Der Aushandelnde tut kund, dass er an der Aushandlung

nicht teilnehmen möchte• „Let us talk“: der Aushandelnde teilt mit, dass er über den Vorschlag

in der Gruppe sprechen möchte. Daraus kann eine automatischgeführte Agenda von Diskussionspunkten der Gruppenbespre-chung automatisch erweitert werden.

• „modify“: Ein Vorschlag kann über den Umweg über die individuellePerspektive modifiziert und erneut zur Aushandlung gestellt werden(s.o.). Sofern einer dieser Vorschläge akzeptiert wird, werden alleanderen Vorschläge automatisch auf abgelehnt gesetzt. In diesemZusammenhang ist auch ein Benachrichtigungsdienst sinnvoll.

Nach dem Schließen des Aushandlungsfensters erhalten die Lernendendie Möglichkeit, die eigene Auswahl zu kommentieren. Es wird für alleanderen nachvollziehbar die Auswahl und ggf. ein dazugehöriger Kom-mentar dargestellt. Reaktionen auf Reaktionen sind nicht zugelassen, dasonst der Aushandlungsprozess sehr schnell unüberschaubar werdenwürde.

abstimmen

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116 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Allerdings können Reaktionen kommentiert werden. Auch wenn man seinVotum schon abgegeben hat, kann man immer wieder das Aushandlungs-fenster öffnen, um Reaktionen anderer zu kommentieren oder das eigeneVotum zu ändern. Im günstigsten Falle endet eine Aushandlung also miteinem akzeptierten Vorschlag in der Teamperspektive.

Eine Aushandlung zu einem Vorschlag kann nur über einen im Vorfeld fest-gelegten Zeitraum erfolgen. Nach Ablauf der Zeit wird festgestellt, ob derVorschlag bzw. eine der Alternativen akzeptiert oder abgelehnt ist. Hier istauch ein Mehrheitsmodus (z.B. Zwei-Drittel oder einfache Mehrheit) festzu-legen. Falls keine Zustimmung gemäß des Mehrheitsmodus zustandekommt, wird der Vorschlag mit „proposed for talk“ gekennzeichnet und zurDiskussion auf die Besprechungsagenda genommen. Hier zeigt sich einekonzeptionelle Lücke; Gruppen, die ihre räumliche und/oder zeitliche Tren-nung nicht aufgeben können, können wegen des Ausweges über eineFace-to-Face Diskussion ihre Aushandlung möglicherweise nicht zumAbschluß bringen.

Während der gesamten Aufgabenbearbeitung können der Lehrende, aberauch die Lernenden, das Geschehen beobachten und Hinweise geben. AufBasis der in der Teamperspektive zusammengefassten Ergebnisse kanndann eine weitere Aufgabe vorbereitet werden, wobei die Lernenden u.U.mitwirken können.

3.3.2 Das WM-System TechKnowledgy

Das WM-System TechKnowledgy wird als WM-System zur Schulung ein-gesetzt und ermöglicht es Mitarbeitern, zu vorhandenen Inhalten in Diskus-sion zu treten. Abbildung 23 gibt einen Überblick über denNutzungsprozess, an dem unmittelbar die drei Rollen Nutzer [1], Nutzer [2]und Experte beteiligt sind. Da der Schwerpunkt von TechKnowledgy aufder Rezeption multimedialer Inhalte und der Beteiligung an Kommunikationliegt, werden Funktionalitäten hier nicht entlang des kollaborativen Prozes-ses beschrieben. Vielmehr konzentriert sich die Darstellung auf die Unter-stützung der Kommunikation.

TechKnowledgy setzt in der Phase an, in der ein Nutzer ein Problem bei-spielsweise mit Standardsoftware hat. Dazu und auch zu anderen Inhaltenstellt das WM-System Techknowledgy Informationen zur Verfügung. ZurLösung dieses Problems stehen dem Nutzer unterschiedliche Lösungs-

Entscheidungen kommentieren

Festlegung von Zeitraum und Mehrheitsmodus

Problemlösung durch vorhan-dene Inhalte

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Das Zusammenspiel von Funktionalitäten am Beispiel zweier konkreter Anwendungen 117

wege zur Verfügung: Antworten erhält der Nutzer einerseits durch dieAnzeige einer in der verfügbaren Fachdatenbank vorhandenen, multime-dial präsentierten Antwort, andererseits durch das Erteilen einer Antwortvon anderen Nutzern oder einem Experten. Dies wird in Abbildung 23durch das gedrehte Quadrat, das ein „exklusives Oder“ symbolisiert, ver-deutlicht. Zunächst kann durch die Verwendung der Suchmaschine oderbloßes Navigieren in den Inhalten ein passender Inhaltsbereich gefundenwerden. Die Inhaltsbereiche stellen kurze Filme zur Verfügung, in denen anHand von Screenshots die Schritte vorgeführt werden, die zur Lösung desProblems notwendig sind.

Abbildung 23. Nutzungsprozess des WM-Systems TechKnowledgy

Zusätzlich stellt das System Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung:reicht die im WM-System gelieferte Hilfestellung nicht zur Lösung des aktu-ellen Problems aus, kann der Nutzer sein Problem in einem Textbeitrag mitangehängten Dokumenten oder Screenshots veröffentlichen. Das Anhän-gen von Screenshots erlaubt eine gute Explikation des Problems ohne wei-teren Formulierungsaufwand. Eine weitere Eingrenzung des Problemskann durch die Zuordnung des Diskussionsbeitrags zu einem bestimmtenInhaltsbereich vorgenommen werden.

Tech-Knowledgy

Redaktion

DB-basierteAntwort,

multimedialpräsentiert

Eine Frage veröffentlichen

Screenshot befügen

Antwort erteilenMarkieren:„beantwortet“

Zusatzinfos

Fachbücher

Aufzeichnungen

Nutzer [1]

Nutzer [2]Experte

Kompetenz

Experte

Kompetenz

Antwortauswerten

Lösungssuchemittels TechKnowledgy

navigieren

suchen

Suche

Fach-DB(multimediale Inhalte)

Kommunikationsystem

Inhalteaufbereiten

Antwortdokumentieren

MuttelsFach-DB

beantwortbar

Nicht muttelsFach-DB

beantwortbarAntwortausreichend

18.00-8.00

Aufgabebearbeiten

Problemlösungsuchen

Einstellen von Fragen im Dis-kussionsbereich

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118 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Nach dem Einstellen des Beitrags sind andere Beteiligte aufgerufen, Ant-worten oder Hinweise zu dem Beitrag hinzuzufügen. Dazu können alle Fra-gen und Antworten im gesamten Forum oder zu speziellen Bereichenangezeigt werden. Zudem ist eine Selektion der Beiträge nach bestimmtenAutoren möglich. Beiträge in den Foren können als Frage, Antwort oderKommentar gekennzeichnet werden. Dabei werden noch offene Fragenund Fragen, die als ausreichend beantwortet gelten, unterschiedlichgekennzeichnet. Dies erleichtert den Lesenden das Auffinden von Fragen,zu denen noch Antworten benötigt werden.

Ein besonderes Merkmal von TechKnowledgy ist die Garantie, dass eineAntwort bis spätestens zum nächsten Tag erfolgt, sofern die Frage vor 18Uhr des Vortages eingestellt wurde. Falls von Nutzern keine Antwort einge-stellt wurde, wird die Frage von einem Expertenteam beantwortet. Beob-achtungen haben ergeben, dass ein Großteil der Fragen bereits vor demAbend von anderen Nutzern beantwortet wurde und der Einsatz des Exper-tenteams nur in wenigen Fällen notwendig war (vgl. Ergebnisse im folgen-den Kapitel). Hier unterscheidet sich TechKnowledgy von Answer Garden2, da dort einerseits erst nach einer gewissen Zeit Experten kontaktiertwerden. Andererseits werden diese gezielt ausgewählt, so dass mit einerAntwort zu rechnen ist.

Falls der Anfragende die erhaltenen Antworten als ausreichend empfindet,ist die Frage entsprechend zu kennzeichnen. Darüber wird Feedbackgegeben, zu welchen Fragen noch Antworten erwartet werden und welcheAntworten ausreichend waren. War die Antwort nicht ausreichend, so kannder Anfragende darauf entsprechend mit einem weiteren Kommentar odereiner Rückfrage reagieren. So entstehen in TechKnowledgy Diskussions-stränge.

Neben den Experten gibt es eine weitere ausgezeichnete Rolle in diesemWM-System. Eine Redaktion kann Inhalte bestimmter Fragen, die beson-ders häufig gestellt oder besonders intensiv diskutiert werden, in denInhaltsbereich aufnehmen und multimdedial präsentierte Antworten dazuentwickeln. Unter welchen Bedingungen diese Dokumentation stattfindet,ist in Abbildung 23 nicht weiter spezifiziert. Dies wird durch ein leeresSechseck in symbolisiert. Auf diese Art und Weise wird der explizierte Wis-sensbestand im System ständig weiterentwickelt. Im Verlaufe eines Jahreswurden auf diese Art und Weise bestehende Themenbereiche weiterent-

Antwortgarantie

Kennzeichnung beantworteter Fragen

Entwicklung der Wissensbasis

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Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensmanagement 119

wickelt. Wegen des großen Zuspruchs wurden zudem ständig zu neuenThemen Inhaltsbereiche in das System integriert.

3.4 Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensmanage-mentIn den vergangenen Abschnitten wurde deutlich, dass KL-Umgebungengute Kommunikationsunterstützung bieten, aber Schwächen bei dem Ein-stellen und der Darstellung von Materialien zeigen. WM-Systeme hingegenhaben ihre Stärken in der Darstellung von Inhalten. Das größte Verbesse-rungspotenzial liegt hier in der Unterstützung der Kommunikation. Auch beider Beschreibung von Groupware-Systemen wird auf die beiden Extreme„Konzentration auf Darstellung von Material“ [Schwabe (2001a)] und„Unterstützung von Kommunikation“ [McCarthy & Monk (1994)] hingewie-sen. Die Idee ist es hier, Annotationen zu nutzen, um diese beiden Stärken,Darstellung von Materialien und die Unterstützung der Kommunikation zukombinieren. Annotationen liegen damit zwischen den beiden Extremender Konzentration auf Material und der reinen Unterstützung der Kommuni-kation.

In diesem Abschnitt wird auf den Begriff der Annotation eingegangen(Abschnitt 3.4.1) bevor Einsatzsituationen von Annotationen und ein Ver-gleich mit den anderen beiden Ansätzen (Konzentration auf Material bzw.reine Kommunikationsunterstützung) (Abschnitt 3.4.2) dargestellt werden.Schließlich soll auf Systeme, die das Konzept der Annotationen umsetzen,beschrieben werden (Abschnitt 3.4.3), bevor abschließend Anforderungenan ein integriertes System, das auf dem Konzept der Annotationen beruht,erarbeitet werden (Abschnitt 3.4.4).

3.4.1 Der Begriff der Annotation

Unter Annotationen werden im allgemeinen Sprachgebrauch ergänzendeHinweise, Kommentare oder Anmerkungen verstanden:

• Annotation [aus lat.] die, -/-en, erläuternde Anmerkung, Aufzeich-nung; kurze Charakterisierung eines Buches für bibliothekar.Zwecke. (Brockhaus - Die Enzyklopädie: in 24 Bänden)

• annotation: a note added by way of comment or explanation (Mer-riam-Webster´s Collegiate Dictionary

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120 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

In dem Zusammenhang dieser Arbeit können Annotationen genutzt wer-den, um Anmerkungen in den verschiedenen Phasen des kollaborativenProzesses anzufügen. Während solche Anmerkungen in den Phasen desUmgangs mit dem eigenen Material für den Mitteilenden selbst verwendetwerden können, können sie in der Phase der Kollaboration auch zum Aus-tausch genutzt werden.

Zum besseren Verständnis der Vorgehensweise bei der Nutzung vonAnnotationen in computervermittelten Situationen soll hier das Beispiel desHinzufügens eines neuen Eintrags zu einer gemeinsamen Literaturlisteherangezogen werden. Dabei wird das Vorgehen bei der Nutzung vonAnnotationen neben die Konzentration auf Material oder auf die Kommuni-kationsunterstützung gestellt:

• Konzentration auf Material: neben die bestehende Liste wird eineneue Literaturliste gestellt, die den neuen Eintrag enthält. Hier ent-stehen häufig Schwierigkeiten, die beiden Listen zu vergleichen umso die Neuerung zu erkennen. Eine andere Variante ist, dass direktÄnderungen im Material vorgenommen werden. Dies setzt voraus,dass die Person entsprechende Rechte haben muss. Ein Problemist hier die Nachvollziehbarkeit.

• Kommunikationsunterstützung: es wird eine Nachricht (z.B. E-Mail)an den Autor der Literaturliste geschrieben, dass eine neue Litera-turstelle ergänzt werden muss. Hier entscheidet der Autor ob dieÄnderungen durchgeführt wird.

• Annotation: die neue Literaturstelle kann in der Literaturliste ergänztwerden. Dabei werden die Annotationen häufig anders als derbestehende Inhalt dargestellt, so dass die Änderung nachvollzogenwerden kann. Zudem wird hier keine weitere Aktivität des Autorsdes bestehenden Materials notwendig. Eine solche Annotationkann als Vorschlag zur Hinzunahme der bestehenden Literaturlisteverstanden werden, zu der andere Gruppenmitglieder Stellung neh-men können. Dazu werden dann weitere Funktionalitäten wie bei-spielsweise Aushandlungen notwendig. Dann können allebeteiligten Gruppenmitglieder entscheiden, ob die Neuerung Teilder gemeinsamen Liste werden soll oder nicht.

Heute bestehende Systemen mit dem Schwerpunkt auf Umgang mit Mate-rial wie Textverarbeitung (z.B. Microsoft Word) bieten Funktionalitäten, dieAnnotationscharakter haben. So werden z.B. Änderungen markiert, die vonanderen akzeptiert oder abgelehnt werden können. In Abschnitt 3.4.3 wird

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Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensmanagement 121

auf Möglichkeiten und Defizite solcher Systeme eingegangen. Zuvorjedoch sollen Einsatzsituationen von Annotationen erläutert werden.

3.4.2 Einsatzsituationen von Annotationen

Annotationen werden immer dann eingesetzt, wenn gemeinsam Materia-lien (weiter-)entwickelt und diskutiert werden sollen. Der Weiterentwicklunggeht dabei immer eine Diskussion voraus, die sich auf bereits bestehendeMaterialien bezieht. Dies unterscheidet die Einsatzgebiete von Annotatio-nen von den Einsatzgebieten von Systemen, die sich auf Materialerstellungkonzentrieren; dort werden entweder von Einzelnen Materialien entwickelt,die anderen zur Verfügung gestellt werden oder Ergänzungen vorgenom-men werden, die keiner Diskussion bedürfen. Systeme mit Fokus auf derKommunikationsunterstützung hingegen ermöglichen den Austausch vonArgumenten aber kaum die Entwicklung gemeinsamer Materialien.

Annotationen ermöglichen sowohl die Bezugnahme auf Materialien alsauch auf andere Annotationen. Damit wird im hohen Maße Kontextualisie-rung möglich, so wie dies auch bei Systemen mit Fokus auf der Kommuni-kationsunterstützung der Fall ist. Tabelle 7 vergleicht Einsatzsituationender drei beschriebenen Ansätze von Groupwaresystemen und stellt Vor-und Nachteile der jeweiligen Richtungen heraus.

Tabelle 7. Einsatzsituationen von Annotationen und anderen Ansätzen

Einsatzsituation Vorteil NachteilKonzentration auf Material

Erstellung größerer Materialien durch Einzelneoder Hinzufügen von Inhalten, die nicht zu diskutieren sind

Austausch großer Datenmengen

schlechte Vergleichbarkeitmeist kein Bezug zwischen den verschiedenen Materialien oder schlechte Nachvollziehbarkeit

Konzentration auf Kommu-nikation

Austausch von Argumenten

Bezug zwischen den Beiträgen

keine Entwicklung gemeinsamer Materialien

Annotation Austausch von Argumenten mit Bezug auf beste-hende Materialien und auf andere Annotationen

Bezugnahme der BeiträgeEntwicklung gemeinsamer Dokumente

Diskussion als Ausgangspunkt für die Weiterent-wicklung von Materialien

Annotationen ermöglichen Bezugnahme

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122 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

An dieser Beschreibung wird deutlich, dass Annotationen für die Unterstüt-zung kollaborativer Prozesse ein vielversprechender Ansatz sind. Sie bie-ten den Vorteil, dass sie sowohl die Erarbeitung und Ablage vonMaterialien, aber auch die Diskussion daran unterstützen. Insbesonderebieten sie den Vorteil, die Ablage von Material und die Kommunikation zuintegrieren: in Annotationen werden Kommunikationsbeiträge abgelegt undin die Materialien integriert. Damit wird einerseits die Möglichkeit zu Anmer-kungen zu Materialien geboten. Andererseits können Materialien als Kon-textinformationen genutzt werden und setzen so gleichzeitig kontext-orientierte Kommunikation und konkreter die in Kapitel 2 formulierte Anfor-derung nach dem Zugang zu Kontextinformationen um. Sofern Annotatio-nen selbst annotierbar sind, können diese auch als Unterstützung derKommunikation (z.B. nachfragen, antworten oder diskutieren) genutzt wer-den. Damit erweisen sich Annotationen als ein gutes Vehikel für die Inte-gration von Wissensmanagement und kollaborativem Lernen.

3.4.3 Annotationen in bestehenden Systemen

Annotationen werden bislang in Systemen umgesetzt, die die Diskussionan bestehenden Inhalten und die gemeinsame Erstellung und Überarbei-tung von Texten unterstützen. Darüber hinaus werden Ansätze zu Annota-tionen in Forschungsprototypen von KL-Umgebungen sowie in den beidenbereits vorgestellten KL-Umgebungen BSCW und Gentle angeboten (vgl.Abschnitt 3.2.3). Im Folgenden sollen diese Umgebungen hinsichtlich derUmsetzung des Annotationsansatzes vorgestellt und um Ansätze aus Text-verarbeitungsprogrammen ergänzt werden. Dabei soll es sowohl um dasVorgehen während des Annotierens als auch die Darstellung und Platzie-rung von Annotationen gehen.

Im BSCW sind Annotationen zu eingestellten Dateien mittels der Notizfunk-tion möglich. Dazu exisitert ein Menüpunkt „Notiz“, der ein Dialogfensteröffnet, in dem der Notiztext eingetragen werden kann. Der Titel der Notizwird mit einem Notizsymbol neben dem Dateinamen platziert. Als Nachteilist hier anzumerken, dass die Notizen nicht gleichzeitig mit dem angemerk-ten Material wahrgenommen werden können, weil die Notizen und dasMaterial in unterschiedlichen Fenstern angezeigt werden. Daher ist esweder für den Mitteilenden möglich, während des Verfassens auf dieInhalte Bezug zu nehmen, noch kann es dem Rezipienten gelingen, eineNotiz vor dem Hintergrund des angemerkten Inhalts zu verstehen.

BSCW

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Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensmanagement 123

In Gentle dagegen ist das Annotieren im Material selbst möglich. Hier wirddie zu annotierende Textpassage markiert und ein Menüpunkt zur Anmer-kung ausgewählt. Es öffnet sich ein neues Fenster, in dem der zu annotie-rende Text wiederholt wird, so dass der Nutzer während des Schreibensder Annotation die betreffende Textpassage wahrnehmen kann. Das Mate-rial dient hier als Kontextinformation; in der Annotation kann auf diesesMaterial Bezug genommen werden, ohne dass es expliziert werden muss.Zudem kann der Nutzer seine Annotation als Frage oder Kommentar kenn-zeichnen.

Die Annotationen werden als Symbole in den Text des Materials integriert,wobei für Fragen und Kommentare unterschiedliche Symbole verwendetwerden. Der Inhalt einer Annotation wird in einem kleinen Fenster ange-zeigt, wenn der Nutzer seine Maus auf dem Symbol platziert. Dieses kleineAnnotationsanzeigefenster kann an beliebiger Position neben das eigentli-che Textfenster platziert werden. So können Annotation und Materialgemeinsam wahrgenommen werden. Der Nachteil dieses Systems liegtdarin, dass die Materialien nicht von allen Teilnehmern, sondern von einerausgezeichneten Rolle (meistens einem Lehrenden) eingestellt werdenkönnen. Damit wird hier zwar die Annotierbarkeit, aber nicht die gemein-same Erstellung von Materialien unterstützt.

Als Systeme, die die Diskussion an bestehenden Inhalten unterstützen,werden CoNote [Davis & Huttenlocher (1995)], CaMILE [Guzdial & Turns(2000)] und WebAnn [Bernheim Brush et al. (2002)] genannt. Diese alsPrototypen im Einsatz befindlichen Systeme konzentrieren sich auf dieMöglichkeit, Kommunikationsbeiträge und Materialien zu verknüpfen.Zudem besteht in allen drei Systemen die Möglichkeit, auch Annotationenzu annotieren. Dadurch wird auch die Kommunikation unterstützt. AlleSysteme wurden zudem als Unterstützungen in kollaborativen Lernprozes-sen genutzt. So unterstützen CoNote oder CaMILE Verbindungen zwi-schen Kommunikationsbeiträgen, indem sie Diskussionsforen mitbestehenden Webseiten verknüpfen. In CoNote werden dabei im Diskussi-onsforum Links zu den diskutierten Webseiten (Material) abgelegt. CaMILEfügt die Annotationen am Ende der betreffenden Webseite ein. In beidenSystemen bezieht sich die Verbindung jedoch nur auf Webseiten als Gan-zes und nicht auf einzelne Inhaltsabschnitte. Zudem werden Materialienhier, ähnlich wie bei Gentle, nicht von den Lernenden eingestellt.

Gentle

Systeme zur Dis-kussionsunter-stützung

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124 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

WebAnn ermöglicht differenziertere Annotierbarkeit von Inhalten auf Web-seiten. Dieses System ermöglicht durch Markierung beliebiger Textbau-steine auf einer Webseite die Verknüpfung zwischen Annotation und Inhalt.Ein Webfenster ist dabei zweigeteilt: Auf der einen Seite werden Diskussi-onsstränge, die aus Annotationen bestehen, dargestellt, in dem anderenFenster der zu diskutierende Inhalt. Es wird annotiert, in dem ein bestimm-ter Text ausgewählt und in dem zweiten Fenster eine Nachricht eingetra-gen wird. Andere Nutzer können diese Verbindung erkennen, in dem siemit der Maus in einen markierten Bereich fahren und der dazugehörigeAnnotation im nebenstehenden Fensterteil hervorgehoben wird. In diesemSystem ist noch nicht vorgesehen, dass die Lernenden auch Inhalte ein-stellen können. Zudem werden Annotationen für alle sichtbar, Gruppenbil-dung ist hier nicht möglich.

Zudem existieren in Textverarbeitungsproprammen, wie z.B. MicrosoftWord, Kommentierungsfunktionen, die die Annotation bestehender Texteermöglichen. Dazu wird die Kommentierungsfunktion ausgewählt. Darauf-hin wird das Fenster unterteilt, der Text des Materials erscheint in der obe-ren Hälfte, Kommentare werden im unteren Bereich eingetragen. Nachdemdie Annotation eingetragen wurde, wird der betreffende Text farbig mar-kiert.

Zur Anzeige des Inhalts einer Annotation bestehen zwei Möglichkeiten.Entweder wird der Inhalt einer Annotation in einem kleinen Fenster ange-zeigt, wenn der Nutzer seine Maus über der Markierung platziert. Annota-tionen sind dabei direkt im Text möglich, so dass auch hier das Materialund der Kommentar gemeinsam wahrgenommen werden können. Eineandere Möglichkeit ist es, die Annotationen in einem Kommentarfenster amunteren Rand des Textfensters anzusehen. Ist dieses Fenster geöffnet, sowerden die Kommentare nummeriert, um den Nutzer die Zuordnung zuerleichtern. Diese Nummerierung wird auch in den Text des Materials über-nommen. Zudem bieten diese Anwendungen Möglichkeiten der Bearbei-tung des Textes. Dies wird farblich markiert im Text selbst eingetragen.

Negativ zu bemerken ist, dass hier kein Rechtesystem für Einschränkun-gen im Umgang mit Kommentaren und auch Änderungen sorgt. So könnenbeispielsweise Kommentare anderer gelöscht und Überarbeitung durchAblehnung für alle unwiderbringlich entfernt werden, was dem Prozess dergemeinsamen Erarbeitung nicht dienlich ist. Zudem können Annotationen

gemeinsame Texterstellung und -kommentie-rung

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Annotationen als Möglichkeit der Verbindung von kollaborativem Lernen und Wissensmanagement 125

hier nicht annotiert werden, so dass die Kommunikation nicht unterstütztwird.

Das System Jime (Journal of Interactive Media in Education) wird inReviewphasen für Zeitschriftenartikel eingesetzt. Hier werden Inhalte nachAbschnitten segmentiert dargestellt, um direkt an einzelnen Abschnittendes Inhalts kommunizieren zu können [Sumner & Buckingham Shum(1998)]. Durch Anmerkungen an Anmerkungen kommen Diskussionen zuStande. Es ist aber wiederum eine ausgezeichnete Rolle, der Veröffentli-cher, der aus einem eingereichten Artikel ein Dokument einstellt, das struk-turiert in HTML vorliegt.

Die vorgestellten Systeme zeigen Stärken in unterschiedlichen Bereichen.So existieren Möglichkeiten der feingranularen Annotierbarkeit (Gentle,Microsoft Word) und Unterstützung der Wahnehmbarkeit der Verbindungenzwischen Annotation und des annotierten Materials. Zudem existierenSysteme, die jedem Nutzer das Einstellen von Materialien erlauben (z.B.BSCW) und andere, die die Annotierbarbeit von Annotationen zulassen(CaMILE, CoNote, WebAnn). In keinem der hier vorgestellten Systembesteht die Möglichkeit, Annotationen zu adressieren, d.h. einem ausge-wählten Empfängerkreis zur Verfügung zu stellen. Zur Unterstützung deskollaborativen Prozesses sind all diese Funktionalitäten wichtig, wie imnachfolgenden Abschnitt dargelegt wird.

3.4.4 Anforderungen an Annotationen in integrierten Umgebungen

Annotationen als Basis für ein integriertes System vorzuschlagen, ent-stammt den Überlegungen zur Integration von Material und Kommunika-tion. Ihre Verwendung liegt aber auch in den kommunikations-theoretischen Überlegungen begründet. Das Konzept der Annotationenermöglicht besonders die Verbindung von Kommunikationsbeiträgen (inForm von Annotationen) und Kontextinformationen (in Form von Materia-lien), die möglichst gemeinsam wahrnehmbar sein sollten. Gleichzeitig wirdhier vorgeschlagen, Annotationen bei Bedarf einzublenden, so wie diesauch schon bei einigen der existierenden Systeme umgesetzt wurde.Dadurch wird den Nutzern die Möglichkeit gegeben, Materialien auch ohneAnnotationen rezipieren zu können. Dies führt zu der Anforderung:

• hohes Maß an Direktheit der Annotation: Annotationen und dazu-gehörige Materialien sollen gemeinsam sichtbar sein. Annotationensollen ggf. auch ausblendbar sein.

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126 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

Um eine enge Verbindung zwischen Annotationen und Material zu erzielen,muss eine integrierte Umgebung für die Segmentierbarkeit der Materialiensorgen. Dabei ist zur Unterstützung des gesamten kollaborativen Prozes-ses zu bedenken, dass diese Materialien von allen Nutzern eingestellt wer-den können. Die Anforderung lautet dementsprechend:

• Segmentierbarkeit des Materials: Material muss in kleinen Einhei-ten in der integrierten Umgebung dargestellt werden, damit dieAnnotierbarkeit der Materialien möglich wird. Um alle Phasen deskollaborativen Prozesses zu unterstützen, müssen Materialien vonallen Nutzern eingestellt werden können.

Annotationen sollen einerseits die enge Verbindung zum Material ermögli-chen, um in allen Phasen des kollaborativen Prozesses das Anfügen vonAnmerkungen zu unterstützen. Andererseits sollten sie auch zur Kommuni-kation genutzt werden können, um insbesondere die Phase der Kollabora-tion zu unterstützen. Zudem sollten auch Inhalte aus Annotationen in dasMaterial übernommen werden können, um so die Entwicklung des gemein-samen Materials auf Basis der Diskussion zu ermöglichen. Dies führt zufolgenden Anforderungen:

• Anschlussfähigkeit der Annotationen: durch das Annotieren vonAnnotationen wird Kommunikation im integrierten System unter-stützt.

• Übernahme von Kommunikationsinhalten in das Material: umWeiterentwicklung zu gewährleisten, müssen Inhalte der Annotatio-nen potenziell in die Materialien aufgenommen werden können.

Schließlich erfordern die verschiedenen Phasen des kollaborativen Pro-zesses und auch die Forderung nach Aufmerksamkeitssteuerung bei (com-putervermittelter) Kommunikation, dass Annotationen flexibel Rechtezugeordnet werden können. Nur so ist es möglich, Inhalte in einem erstenSchritt nur für sich selbst zu erarbeiteten und dazu sukzessive weitereEmpfänger zuzulassen und adressierte Kommunikation unterstützt wird.Dies mündet in der letzten Anforderungen an die Umsetzung des Konzep-tes der Annotationen:

• Einschränkung der Rechte: mit Annotationen soll die Kommunika-tion unter den Teilnehmenden unterstützt werden. Zur Aufmerksam-keitssteuerung muss es auch möglich sein, Annotationen nur füreine bestimmte Teilnehmergruppe zuzulassen.

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Zusammenfassung 127

Mit diesen Anforderungen wurde ein erster Schritt in die Richtung einerintegrierten Umgebung auf Basis des Annotationskonzeptes unternom-men. Im weiteren Verlaufe dieser Arbeit werden die Anforderungen weiterdetailliert und mit anderen Anforderungen, die sich aus der Beschäftigungmit dem kollaborativen Prozess ergeben, kombiniert (vgl. Kapitel 5).

3.5 ZusammenfassungIn diesem Abschnitt wurden technische Unterstützungen für Kommunika-tion, kollaboratives Lernen und Wissensmanagement vorgestellt. Dabei kri-stallisierte sich heraus, dass KL-Umgebungen vor allem dieKommunikation und WM-Systeme vor allem die Ablage von Materialienunterstützen. Eine Unterstützung der Aushandlung wurde in keinem deruntersuchten Systeme vollständig technisch realisiert. Darauf aufbauendwurden Verbesserungspotenziale identifiziert, die bei kollaborativem Ler-nen und Wissensmanagement jeweils den anderen Bereich betreffen.

Zur Verbindung der Stärken von Wissensmanagement und kollaborativemLernen wurde dabei die Integration der Materialablage und der Kommuni-kationsunterstützung vorgeschlagen. Diese Integration ist zudem aus kom-munikationstheoretischer Sicht zu empfehlen, da durch eine Integrationbestehende Materialien als Kontextinformation genutzt werden können.Eine mögliche Realisierung dieser Integration ist in der Verwendung vonAnnotationen zu sehen. Definition und Einsatzgebiete von Annotationenwurden in Abschnitt 3.4 vorgestellt.

Im Folgenden soll der Ansatz der Annotationen zur Integration von kollabo-rativem Lernen und Wissensmanagement weiter verfolgt werden. Im weite-ren Verlauf sind hier besonders folgende Anforderungen zuberücksichtigen:

• hohes Maß an Direktheit der Annotation• Segmentierbarkeit des Materials• Anschlussfähigkeit der Annotationen• Übernahme von Kommunikationsinhalten in das Material• flexible Rechtevergabe

Notwendigkeit zur Integration von Materialab-lage und Kom-munikations-unterstützung

Anforderungen an Annotationen in integrierten Umgebungen

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128 Funktionalitäten von KL-Umgebungen und WM-Systemen

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Kapitel 4. Studie zum betrieblichen Wis-sensmanagement

Ausgehend von den zuvor dargestellten Grundlagen ergeben sich Anfor-derungen an die Gestaltung eines integrierten Systems zur Unterstüt-zung kollaborativen Lernens, das vorzugsweise die Kommunikation inden Vordergrund stellt. In diesem Kapitel werden die theoretisch erarbei-teten Anforderungen in zentrale Fragestellungen überführt. Diese Frage-stellungen bilden die Grundlage eines Interviewleitfadens, an Handdessen eine Studie zur Nutzung von WM-Systemen bei 5 Unternehmendurchgeführt wurde. In Interviews mit Mitarbeitern konnten Informationenzu Nutzungssituationen von WM-Systemen sowie zu Verbesserungspo-tenzialen hinsichtlich technischer und organisatorischer Gestaltunggesammelt werden. Diese Studie wurde mit dem Ziel durchgeführt, Aus-sagen zum Thema Wissensaustausch aus dem Praxisumfeld aufzuneh-men, die als Ergänzungen zu den theoretisch erarbeitetenAnforderungen zu sehen sind. Diese Aussagen sind für die vorliegendeArbeit von großer Relevanz, da hier ein bedarfsgerechtes System ent-worfen werden soll. Zudem wird die in Kapitel 3 identifizierte Lücke bzgl.empirischer Ergebnisse aus dem Bereich Wissensmanagementgeschlossen. Zudem wird es möglich, die gewonnenen Erkenntnisse ausden vorangegangenen Kapiteln zu bestehenden organisatorischen Kon-texten in Beziehung zu setzen. In diesem Kapitel soll der Begriff des Wis-sensaustausches verwendet werden. Dabei ist Wissensaustausch alsmetaphorische Abkürzung für den Informationsaustausch zur gegenseiti-gen Anregung von Wissensentwicklung zu verstehen.

4.1 Erarbeitung zentraler FragestellungenIn diesem Abschnitt werden die für diese Studie zentralen Fragestellun-gen formuliert, an Hand derer die Unterstützung des Wissensaustau-sches in Unternehmen untersucht werden soll. Dabei wird sowohl auf dieGestaltung technischer Systeme als auch auf organisatorische Maßnah-men eingegangen. Wie bereits in Kapitel 2 gezeigt wurde, ist die Vermitt-lung von Kontextinformationen wesentlich für das Gelingencomputervermittelter Kommunikation. Daraus kann geschlossen werden,dass ein System so gestaltet sein muss, dass es Vermittlung von Kontex-

der Begriff „Wis-sensaustausch“

bestehende Inhalte als Kon-textinformatio-nen

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130 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

tinformationen unterstützt. Eine grundlegende Frage ist, in wie weit die imSystem existierenden Informationen Verständigung ermöglichen. Falls diezur Verfügung stehenden Inhalte nicht ausreichend sind, so sollte zumin-dest eine einfache Verbindung zu Kontextinformationen (etwa durch einenLink ins World Wide Web) ermöglicht werden, damit das leichte Auffindenvon Kontextinformationen unterstützt und damit die Wahrscheinlichkeit zurVerständigung erhöht wird. In wie weit bestehende WM-Systeme solcheMöglichkeiten unterstützen und wie diese von Nutzern wahrgenommenwerden, wird in der ersten Fragestellung thematisiert:

(F1): Welche Informationen und Verknüpfungsmöglichkei-ten bieten bestehende Systeme, um die Verständigungabstützen zu können?

Im vorangegangenen Kapitel wurden Annotationen als Möglichkeit zur Inte-gration von Materialdarstellung und Kommunikation vorgestellt. UnterAnnotieren wurde das Anhängen von Kommunikationsausdrücken direktan bestehenden Inhalten (z.B. Arbeitsmaterialien) verstanden. Diesebestehenden Arbeitsmaterialien können so als direkt wahrnehmbare Kon-textinformationen dienen und die Explikationsaufgaben des Mitteilendenunterstützen.

Auf der anderen Seite bedeutet eine Integration der Kommunikationsbei-träge in den Inhalt, dass andere Kommunikationsstränge nicht mehr unmit-telbar als Kontextinformationen genutzt werden können. Die z.B. inNewsgroups vorhandene Nähe zwischen verschiedenen Diskussionssträn-gen würde durch das Prinzip der Annotationen wegfallen und so andereDefizite mit sich bringen: es können zwar die Inhalte, nicht aber andereDiskussionsstränge als direkt wahrnehmbare Kontextinformationen dienen.Wie das Prinzip der Annotationen im betrieblichen Wissensmanagementgenutzt bzw. bewertet wird, ist Gegenstand der zweiten Fragestellung:

(F2): Welchen Einfluss haben Annotationen direkt an Inhal-ten auf den Wissensaustausch?

Die Einschätzung des Partners wurde in Kapitel 2 als notwendige Voraus-setzung für das Gelingen der Verständigung herausgestellt. Die Herausbil-dung eines Partnerbildes verläuft gerade in großen, mitunter auch räumlichverteilten Gruppen nicht immer in Face-to-Face Situationen. Dementspre-chend muss ein technisches System Möglichkeiten zur Herausbildungeines Partnerbildes zur Verfügung stellen, indem aktuelle Informationenüber die Teilnehmer beispielsweise bezüglich ihrer Qualifikationen oder

Partnerbild

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Erarbeitung zentraler Fragestellungen 131

ihres Einsatzgebietes vorhanden sind. Insbesondere die Information überdie Aktivitäten eines Kommunikationspartners als Darstellung seines extra-kommunikativen Verhaltens gibt einem Kommunizierenden Hinweise aufden Kommunikationspartner und ermöglicht die Herausbildung eines Part-nerbildes. Wie sich solche Informationen auf den Wissensaustausch inUnternehmen auswirken, ist Gegenstand der dritten Fragestellung:

(F3): Welchen Einfluss haben die Informationen überandere Kommunikationspartner und ihre Aktivitäten imSystem auf den Wissensaustausch?

Da die Beachtung des Partnerbildes eine entscheidende Rolle spielt, wirdes mit wachsender Gruppengröße schwieriger, einen solchen Ausdruck zugenerieren, der allen Beteiligten die Erzeugung eines Eindrucks ermög-licht. Gerade beim Lernen, also in Situationen, in denen häufig jene Infor-mationen ausgetauscht werden, die für mindestens einen Beteiligtenunbekannt sind, ist es wegen fehlender Kenntnis um die Zusammenhängeschwierig, Kontext zu dem Ausdruck zu explizieren. Das Gegenargument,dass die Gruppe nur genügend groß sein muss, damit es einen Rezipien-ten gibt, der z.B. eine Frage auch ohne großen Aufwand an Kontextexpli-kation versteht und beantworten kann, wird durch die Notwendigkeit zurAufmerksamkeitssteuerung insbesondere bei computervermittelter Kom-munikation entkräftet. Gerade durch die Möglichkeit zur Einschränkung derGruppe wird die Anzahl der Beiträge, die jeder Einzelne lesen kann, gerin-ger und erhöht dadurch die Aufmerksamkeit bei den Rezipienten. Bezogenauf den in den vorangegangenen Kapiteln entworfenen kollaborativen Pro-zess wird durch die Möglichkeit zur Einschränkung der Rezipientengruppedarüber hinaus der Übergang vom Arbeiten am eigenen Material zumArbeiten am Material anderer ermöglicht. Nur so wird es möglich, dassErgebnisse des Arbeitens am eigenen Material in einem ersten Schritt nurfür eine sehr kleine Gruppe sichtbar ist, die sukzessive erweitert werdenkann.

Hinzu kommt, dass es in manchen Anwendungen (z.B. hierarchischgeprägten Unternehmen) nicht immer erwünscht ist, an die gesamteGruppe einen Ausdruck zu vermitteln (z.B. an den Vorgesetzten), weil mannegative Konsequenzen erwartet. Auf der anderen Seite sollen WM-Systeme auch den Wissensaustausch zwischen Personen über beste-hende Gruppengrenzen hinweg fördern. Eine Möglichkeit zur Einschrän-kung der Rezipientengruppe birgt das Problem in sich, dass das System

Einschränkung der Rezipienten-gruppe

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132 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

die bestehende Gruppenstruktur eines Unternehmens zementiert. DieseBeobachtungen führen zu folgender Fragestellung:

(F4): Welchen Einfluss hat die Möglichkeit zur Auswahleiner Rezipientengruppe auf den Wissensaustausch?

Bereits in Kapitel 2 wurden im Bereich des kollaborativen Lernens ausge-zeichnete Rollen wie beispielsweise Moderatoren vorgestellt, die die Auf-gabe haben, den Kommunikationsprozess zu strukturieren undvoranzutreiben. Im Bereich des Wissensmanagements, in dem derSchwerpunkt eher auf der Ablage von Materialien und weniger auf derUnterstützung der Kommunikation liegt, finden Kommunikationsprozesseund ihre Unterstützung bislang wenig Beachtung. Um dennoch Möglichkei-ten der Strukturierung des Kommunikationsprozesses in betrieblichen Wis-sensmanagementanwendungen in dieser Studie zu erfassen, wirdfolgende Fragestellung behandelt:

(F5): Welchen Einfluss haben ausgezeichnete Rollen zurStrukturierung der Kommunikationsprozesse auf den Wis-sensaustausch?

Bei der Diskussion um die Aufgaben des Rezipienten wurde deutlich, dassMissverständnisse häufig dann auftreten, wenn der Eindruck hauptsächlichauf Grundlage von Imagination gewonnen wird. Dies ist immer dann derFall, wenn nicht ausreichende Kontextinformationen vorhanden sind unddem Rezipienten die Anforderung weiterer Informationen (typischerweisein Form von Nachfragen) als eine zu große Hürde erscheint. Eine solcheHürde scheint der Einsatz einer asynchronen Kommunikationsunterstüt-zung zu sein, bei der eine Reaktion auf die Anforderung weiterer Informa-tionen als zu lang eingeschätzt wird. So hat die eigene Vorstudie gezeigt,dass bei der E-Mail-Kommunikation auf Grund der Asynchronität häufigkeine weiteren Informationen angefordert werden. Nicht zuletzt auch dieStudien zur Media-Richness-Theory und verwandter Theorien (vgl.Abschnitt 2.1.5), führen zu folgender Fragestellung:

(F6):Welchen Einfluss hat eine synchrone Kommunikati-onsmöglichkeit auf den Wissensaustausch?

synchrone Kom-munikationsun-terstützung

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Methode 133

4.2 Methode

4.2.1 Erhebungs- und Auswertungsmethoden

Bei der geplanten Studie, die mehrere Fallstudien in Unternehmen zusam-menfasst, handelt es sich um qualitative Erhebungen, da weniger verallge-meinerungsfähige Gesetzmäßigkeiten gefunden werden sollen. Vielmehrgeht es darum, eine möglichst detaillierte Beschreibung von WM-Anwen-dungen und deren Defiziten besonders in Situationen des Wissensaustau-sches zu erhalten. Rosenstiel fasst das Anliegen qualitativer Studien wiefolgt zusammen: „um eine differenzierte Beschreibung des Phänomensbemühten und dies u.a. aus der Sicht der handelnden Subjekte zu interpre-tieren suchten“ [von Rosenstiel (2000), S. 224].

Als Grundlage für die Studie werden fokussierte Interviews gewählt, beidenen vorab ein Gesprächsgegenstand bzw. Gesprächsanreiz bestimmtwird, in denen aber gleichzeitig versucht wird, Aussagen bzgl. diesesGesprächsgegenstandes in relativ offener Form zu erheben. Konkret wirdein Interviewleitfaden vorbereitet, der eine grobe Richtung auf denGesprächsgegenstand vorgibt, ohne den Interviewpartner in seinen Ant-wortmöglichkeiten einzuschränken. Durch diese grobe Richtungsgebungwird ein Mittelweg zwischen Eingrenzung der Antwortmöglichkeiten undbeliebigen Antworten eingeschlagen; diese Interviewtechnik ist „dadurchanderen Interview-Varianten überlegen“ [Hopf (2000), S. 351].

Der Gesprächsgegenstand wird in allen Interviews der Studie das jeweilseingesetzte WM-System sein, an Hand dessen die Interviewpartner Nut-zungserfahrungen schildern. Bei der Terminvereinbarung zu dem Interviewwerden die Interviewpartner darauf vorbereitet, dass sich das Gespräch umdie Nutzung des WM-Systems und die eigenen Erfahrungen dreht. Da dieInterviews immer an den Arbeitsplätzen der Interviewpartner stattfinden, andenen ein direkter Zugang zum technischen System gegeben ist, bietetsich auch während des Gesprächs die Möglichkeit, das System zu nutzenoder auf Elemente der Bildschirmanzeigen zu deuten. Zur Durchführungder Interviews wurde ein Leitfaden erarbeitet, der eine Operationalisierungder oben genannten Fragestellungen darstellt (vgl. Abschnitt 4.2.2).

Unter Verwendung von Zusammenfassung und Kategorisierung der erho-benen Daten im Sinne von [Mayring (2000)] findet eine inhaltliche Analysestatt. Während der Zusammenfassung werden dabei in mehreren Schrittendie wesentlichen Aussagen herausgearbeitet. Die Kategorien entstehen

qualitative Erhe-bung

Erhebung durch fokussierte Inter-views

Auswertung durch Zusam-menfassung und Kategorisierung

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134 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

durch Zusammenfassung adäquater Aussagen und werden während derAuswertung ggf. überarbeitet. Dabei können ggf. unterschiedliche Ausprä-gungen der Kategorie gefunden werden. Für weitere Informationen zurAnalyse von Leitfadeninterviews sei an dieser Stelle auf [Schmidt (2000)]verwiesen. Durch die Kategorien, die als „Ausprägungen der interessieren-den Variablen“ [Diekmann (1995), S. 489] verstanden werden, wird die dif-ferenzierte Beantwortung der Fragestellungen möglich.

4.2.2 Operationalisierung der Fragestellungen

Da der Interviewleitfaden in einem größeren Zusammenhang eingesetztwerden sollte, bezieht er sich nicht ausschließlich auf den Wissensaus-tausch, sondern berührt auch die Themenbereiche Einführung des WM-Systems, allgemeine Nutzung des Systems, und organisationsweites Ler-nen. Zu jeder Frage werden Unterfragen formuliert, die sich auf spezielleAspekte des angesprochenen Themas beziehen und damit eine Konkreti-sierung bedeuten. Dieses Kapitel soll sich auf die Darstellung der Fragenauf oberster Ebene beschränken, soweit sie sich auf die Fragestellungenbeziehen. Eine Gesamtansicht des Interviewleitfadens befindet sich inAnhang A.

Tabelle 8. ausgewählte Fragen zur Nutzung

Um die Fragestellung zum Vorhandensein ausreichender Informationen(F1) sowie zur Beschreibung von Funktionalitäten in WM-Systemen (F2-F6) zu beantworten, wurden in dem Leitfadenabschnitt zur Nutzung Fragenintegriert. Zunächst wurde nach vorhandenen und gewünschten Funktiona-litäten des jeweils eingesetzten bzw. gewünschten WM-Systems gefragt.Hier kann sich zeigen, ob die Interviewpartner beispielsweise von Möglich-keiten zur Verbindung von Kommunikationsbeiträgen mit Dokumenten wis-

Fragen im Interviewleitfaden FragestellungIII.1) Über welche Funktionalitäten verfügt das WM-System? Was leisten diese Funktionalitäten ?

F1

III.2) Über welche Funktionalitäten sollte ein WM-System zusätzlich verfügen?

F1

III.3) Schildern Sie bitte Situationen, in denen Sie sich nur schwer vorstellen können, auf das System zu verzichten!

F1

III.4) Schildern Sie bitte Situationen, in denen die Nutzung eher zu Schwierigkeiten führte!

F1

III.8) Wie verändert die Nutzung des Systems Ihre alltägliche Arbeit? F1

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Methode 135

sen oder sich solche Funktionalitäten wünschen. Andere Fragen beziehensich auf die Möglichkeit des WM-Systems zur Unterstützung der alltägli-chen Arbeit sowie auf Situationen, in denen das WM-System hilfreich bzw.hinderlich ist. Die Fragen sind in Tabelle 8 zusammengefasst. An Handderer entsteht ein ausreichendes Geflecht von Aussagen zu im WM-System vorhandenen Inhalten und der Umgang mit ihnen. Zudem konntenan Hand der Aussagen erste Hinweise auf die Fragestellungen F2-F6gefunden werden.

Der vierte Block des Interviewleitfadens befasst sich konkret mit der Kom-munikation mittels des konkret eingesetzten WM-Systems (vgl. Tabelle 9).Dazu wurden die Interviewpartner zunächst nach einer Beschreibung desBegriffes Wissensaustausch gefragt. Dadurch entsteht eine Basis, auf deraufbauend die folgenden Aussagen interpretiert werden können. AmAnfang dieses Interviewteils stand die Frage nach der Qualität des vorhan-denen Wissensaustauschs. Diese Frage (IV.1) soll bei der Auswertung inBeziehung zu den oben genannten Fragen gesetzt werden und bietetgleichzeitig den Einstieg in den Abschnitt.

Tabelle 9. Fragen zum Wissensaustausch

Im Anschluss daran wurden Fragen zu Wünschen bzgl. des Wissensaus-tausches und damit verbundener Auswirkungen sowie zu Bedingungen fürdie Beteiligung am Wissensaustausch formuliert. Bei diesen Fragen wur-den gegebenenfalls nach den Informationen über die Kommunikationspart-ner (F3), der Möglichkeit zur Einschränkung der Rezipientengruppe (F4),einer Rolle zur Strukturierung des Wissensaustauschs (F5) sowie der Mög-lichkeit zur zeitgleichen Kommunikation (F6) nachgefragt.

Frage im Interviewleitfaden FragestellungIV.0) Was verstehen Sie unter Wissensaustausch?IV.1) Wie gut funktioniert der Wissensaustausch zur Zeit in Ihrer Abteilung, im Unternehmen?

F1

IV.2) Was wünschen Sie sich für die Unterstützung des Wissensaustauschs?

F2-F6

IV.3) Welche Auswirkungen hätte das? F2-F6IV.4) Unter welchen Bedingungen würden Sie sich am Wissensaustausch mittels eines WM-Systems beteiligen?

F2-F6

IV. 5) Wenn Sie eine Bemerkung oder einen Kommentar zu den Inhalten im WM-System ablegen möchten, wie würden Sie vorgehen?

F2

IV. 6) In welchen Situationen wäre eine solche Möglichkeit hilfreich? F2

Fragen mit Bezug zu (F3), (F4), (F5), (F6)

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136 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

Zur besseren Verständlichkeit wurde in den Fragen des Interviewleitfadensbzgl. der Fragestellung (F5) nicht der Terminus „ausgezeichnete Rolle zurStrukturierung“ genannt, sondern der Begriff „Moderator“ verwendet. Die-ser Begriff schien an dieser Stelle geeignet, weil ein Moderator im allgemei-nen Sprachgebrauch gerade die Funktion der Strukturierung vonWissensaustauschprozessen hat. Dieses Verständnis zeigte sich auch beiden Interviewpartnern, wie im Folgenden noch ausführlicher dargelegtwird.

In der Befragung im ersten Unternehmen wurde darüber hinaus damitexperimentiert, zu den jeweiligen Themen der Fragestellungen wie bei-spielsweise Einschränkung der Empfängergruppe oder synchrone Kommu-nikation zusätzlich noch weiter ausdifferenzierte Fragen zu stellen. Diesbewährte sich jedoch nicht. Vielmehr zeigte es sich, dass Aspekte aus denzuvor gestellten Fragen wiederholt wurden. Deshalb wurde auf diesenAnsatz verzichtet und im Folgenden darauf geachtet, dass die Themenaller Fragestellungen bei den Fragen IV.2-IV.4 behandelt wurden.

Eine Ausnahme ist die Fragestellung (F2), zu der auch in dem beschriebe-nen allgemeinem Interviewleitfaden zwei eigene Fragen existieren. Diesliegt darin begründet, dass der Ansatz der Annotationen für diese Arbeiteinen besonderen Stellenwert hat, da er eine Möglichkeit zur Integrationvon kollaborativem Lernen und Wissensmanagement darstellt. Deshalbinteressieren die Aussagen der Nutzer betrieblicher WM-Systeme inbesonderem Maße und soll während der Interviews eingehender themati-siert werden.

4.3 Untersuchte UnternehmenDie Studie stützt sich auf Untersuchungen in fünf Unternehmen unter-schiedlicher Größe aus den Branchen IT-Beratung (3 Unternehmen), Pro-duktion von Waschmittel und Kosmetik (1 Unternehmen) sowie Mobilfunk(1 Unternehmen). Die Nummerierung der Unternehmen erfolgte dabeichronologisch nach den Erhebungszeiträumen. Tabelle 10 gibt einen Über-blick über diese Unternehmen. Hier wird auch ersichtlich, dass in denersten beiden Unternehmen größere Studien durchgeführt wurden, wäh-rend in den anderen drei Unternehmen kleinere Studien stattfanden. Ausdiesem Grunde werden bei der Ergebnisdarstellung die ersten beidenUnternehmen ausführlicher dargestellt.

Fragestellung zu (F2)

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Untersuchte Unternehmen 137

In 4 der 5 Unternehmen werden bereits WM-Systeme eingesetzt. Im fünf-ten Unternehmen werden unterschiedliche Plattformen zur Unterstützungvon Ablage und Verteilung von Informationen genutzt, die aber nicht alsWM-System bezeichnet werden. Hier sollten Anforderungen für die Gestal-tung eines technischen WM-Systems gesammelt werden. In einem Unter-nehmen wird das in Kapitel 3 ausführlich beschriebene WM-SystemTechKnowledgy eingesetzt, 2 Unternehmen haben WM-Systeme auf Basisvon Livelink (vgl. Kapitel 3) im Einsatz, ein Unternehmen verwendet eineigenentwickeltes WM-System. Funktionalitäten, die die Kommunikationunterstützen bzw. Möglichkeiten zur Ablage von Informationen zur Abstüt-zung der Kommunikation anbieten, werden als Ergebnisse zur Fragestel-lung 1 dargestellt.

Tabelle 10. Übersicht über untersuchte Unternehmen

Die Fallstudien wurden in unterschiedlichen Phasen des jeweiligen WM-Projektes durchgeführt (vg. Tabelle 10, 5. Spalte). Dabei wurde in demersten Unternehmen zu zwei Zeitpunkten, unmittelbar nach der Einführungsowie ein halbes Jahr danach erhoben. Zudem konnte hier auf die Diskus-sionsforen in diesem Zeitraum zugegriffen werden, so dass auch eine Ana-lyse der Kommunikation möglich war. Im zweiten Unternehmen wurdeunmittelbar nach der Einführung erhoben, in den anderen beiden Unter-nehmen mit WM-System im Einsatz jeweils ca. ein halbes Jahr nach derEinführung. Da die Interviewpartner bis zum Zeitpunkt des Interviewsunterschiedlich lange Erfahrung mit dem System sammeln konnten, kann

Unter-nehmen

Branche Größe (in MA)

Eingesetzte WM-Systeme

Zeitraum Einführung bis Erhebung (Monate)

Anzahl Interview-Teilnehmer

U 1 Waschmittel & Kosmetik

6000 TechKnowledgy 1 + 7 16+6

U 2 IT-Beratung 200 Livelink 1 14U 3 Mobilfunk 2000 Livelink 8 6U 4 IT-Beratung &

Forschung30 Württembergisches

Intranetsystem (WIS)

4 5

U 5 Systemhaus/IT-Beratung

70 (Abteilung)

kein ausgezeich-netes System

1 5

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138 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

davon ausgegangen werden, dass deswegen unterschiedliche Aspekteangesprochen werden. Dies liegt darin begründet, dass die Befragten vorallem ihre zu dem jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Probleme und Einsatzsi-tuationen schildern. Insgesamt wurden 52 Interviews geführt.

4.4 Ergebnisse der StudieIm Folgenden werden die Ergebnisse der Studie hinsichtlich der Beantwor-tung der einzelnen Fragestellungen dargestellt. Dabei wird zunächst aufdie Ergebnisse in den einzelnen Unternehmen eingegangen, bevor zujeder Fragestellung eine abschließende Zusammenfassung vorgestelltwird. In Abschnitt 4.5 werden diese Ergebnisse diskutiert und Gestaltungs-anforderungen für die Unterstützung des Wissensaustauschs aus Sichtvon Mitarbeitern in Unternehmen dargestellt. Entgegen geltender Konven-tionen wird in diesem Abschnitt auch für Zahlen kleiner 12 die Ziffern-schreibweise anstatt des ausgeschriebenen Wortes verwendet. Dies dientder Übersichtlichkeit und schnellen Erfassung der Ergebnisse.

4.4.1 Ergebnisse zu (F1): Informationen zur Verständnisabstützung

Unternehmen 1

Das WM-System, dass im ersten Unternehmen zum Einsatz kam, wurdebereits sehr ausführlich in Kapitel 3.3.2 beschrieben. In dieser Anwendungkann nicht jeder Nutzer beliebige Inhalte, sondern lediglich Kommunikati-onsbeiträge einstellen. Dementsprechend ist es ihm nicht möglich, Zusatz-informationen abzulegen; er ist darauf angewiesen, diese in seinemKommunikationsausdruck zu explizieren. Auf positiver Seite ist dem entge-genzuhalten, dass durch das Hinzufügen von Screenshots zu einem Aus-druck eine Möglichkeit geschaffen wurde, Verbindungen zu dembestehenden Problem (bei Fragen) bzw. zu Lösungsmöglichkeiten (beiAntworten) zu dem Ausdruck hinzuzufügen. Zudem können Beiträge the-menspezifisch in den dazugehörigen Diskussionsforen abgelegt werden,so dass dadurch der Beitrag thematisch eingeordnet wird.

In den Interviews unmittelbar nach der Einführung des Systems wurdenvon vielen Nutzern (11 von 16) die Existenz der unterschiedlichen Diskussi-onsforen genannt. Nur wenige (4 von 16) sprachen die Möglichkeit an,durch das Hinzufügen von Screenshots mehr bzw. einfacher Informationenhinzuzufügen.

Funktionalitäten in Unternehmen 1

Kenntnis dieser Funktionalitäten bei den Inter-viewpartnern

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Ergebnisse der Studie 139

Die Analyse der Beiträge in den Diskussionsforen zeigte, dass die meistenBeiträge eher in allgemeineren Diskussionsforen eingetragen wurden.Zudem wurden nur in wenigen Fällen Screenshots gefunden. In der zwei-ten Interviewrunde wurde gezielt nach diesen Beobachtungen gefragt. DieInterviewpartner antworteten, dass die Zuordnung zu den themenspezifi-schen Diskussionsforen Kenntnis über das jeweilige Thema des Diskussi-onsforums erfordert hätte. Da dies zusätzlichen Rechercheaufwandgekostet hätte, wurden die Beiträge auf oberem thematisch kaum eingren-zenden Level eingefügt. Hier wurde eine bessere Unterstützung gefordert,die die automatische Zuordnung zu den themenbezogenen Diskussionsfo-ren unterstütze. Die Ergänzung um Screenshots wurde von 3 der 6 Inter-viewpartner der zweiten Interviewrunde als überflüssig empfunden; 3weitere gaben an, dass sie nicht mehr wußten, wie ein Screenshot hinzu-gefügt werden könne.

Bezogen auf den Nachvollzug von Beiträgen in den Diskussionsforen ant-worteten die Interviewpartner, dass sie an einigen Stellen Schwierigkeitenhatten, Fragen nachvollziehen zu können, so dass Nachfragen notwendigwurden bzw. von den Fragenden Einwände auf die Antworten kamen, dassdiese nicht ihrem Problem entsprachen. Hier zeigt sich eine klare Diskre-panz zwischen dem Verfassen eines Beitrages, in dem die Möglichkeitenzur Ergänzung von Ausdrücken (durch Screenshots) zum Teil als überflüs-sig empfunden wurden und dem Nachvollzug von Beiträgen, in denengewünscht wurde, dass diese Funktionen Verwendung gefunden hätten:„Teile aus dem Problemkontext sollten mit der Nachricht mitgeschickt wer-den, das macht es leichter, das zu verstehen“.

Unternehmen 2

In dieser Anwendung werden viele Möglichkeiten zur Kommunikationsab-stützung angeboten. So sind zunächst Informationen über Mitarbeiter imWM-System selbst zu finden, so dass Informationen über die Kommunika-tionspartner mit einbezogen werden können. Dies wird zudem dadurchunterstützt, dass Beiträge eines bestimmten Autors gesucht werden kön-nen, so dass auch dadurch ein Partnerbild entstehen kann. Durch soge-nannte Aliases, also virtuelle Verbindungen, ist es möglich, Verknüpfungenzu bereits bestehenden Inhalten im WM-System anzulegen. Zudem habenin dieser Anwendung alle Nutzer die Möglichkeit, Inhalte einzustellen, so

Funktionalitäten in Unternehmen 2

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140 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

dass dadurch zusätzliche, den Kommunikationsausdruck unterstützendeInhalte angeboten werden können.

In dieser Anwendung existieren offene und geschlossene Bereiche, sodass sowohl unternehmensweite Kommunikation als auch die Kommunika-tion innerhalb abgeschlossener Gruppen möglich ist. Bezogen auf dieUnterstützung der Kommunikation ist zu bemerken, dass zu jedem Projekt-bereich automatisch auch ein Diskussionsforum angelegt wird. Dadurchentsteht einerseits eine Zuordnung der eingestellten Beiträge zu dem Pro-jektkontext. Andererseits ist zu bemerken, dass die Kommunikationsbei-träge durch das Anlegen des Bereiches „Diskussionsforum“ eine Ebenetiefer in der Hierarchiestruktur eingestellt werden als die Inhalte, so dassein direkter Bezug zu bestimmten Inhalten nur über die Funktion Aliasesmöglich ist.

Da in diesem Unternehmen die Interviews unmittelbar nach der Einführungdes WM-Systems geführt wurden, konnten wenig Aussagen über die Nut-zung dieser Funktionalitäten erhoben werden. Die Interviewpartner gingenjedoch auf einige Möglichkeiten zur Verbindung von Kommunikationsbei-trägen mit bestehenden Inhalten ein. Sie erwähnten in diesem Zusammen-hang das Einstellen von Dokumenten und die Suche als Funktionalitätendes WM-Systems. Die Möglichkeit zum Anlegen eines Aliases wurde nichtgenannt.

Unternehmen 3, 4 und 5

Da die Anwendung in Unternehmen 3 auf der gleichen Basissoftware Live-link aufbaut wie in Unternehmen 2, bestehen hier prinzipiell die gleichenMöglichkeiten zur Kommunikationsabstützung. Bezogen auf die Unterstüt-zung der Kommunikation sei allerdings darauf hingewiesen, dass dieAnwendung in Unternehmen 3 ausschließlich abgeschlossene Projektbe-reiche unterstützt. Dadurch wird zwar die Einschätzung potenzieller Kom-munikationspartner erleichtert, weil dies nur die abgeschlossene Gruppeder zumeist bekannten Projektmitarbeiter sein kann. Andererseits verhin-dert dies den unternehmensweiten Wissensaustausch.

In den Interviews wurden in diesem Zusammenhang im Wesentlichen zweiProblempunkte genannt. Einerseits wünschten sich 4 der 6 Mitarbeiter,dass auch die Kommunikation über Projektgrenzen hinweg möglich seinsollte, da sie hier hilfreiche Informationen für die eigene Projektarbeit

Kenntnis dieser Funktionalitäten bei den Inter-viewpartnern

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Ergebnisse der Studie 141

erwarteten. Zum anderen wurden in vielen Projektbereichen keine Informa-tionen über die Mitarbeiter abgelegt. Auf die Frage „Welche Informationenwünschen Sie sich über die anderen Nutzer?“ gaben 3 der 6 Teilnehmeran, dass sie mehr über die Aktivitäten und aktuellen Aufgaben der anderenwissen möchten. Diskussionsforen wurden hier nur für virtuelle Teams undverteilte Projekte als sinnvoll eingeschätzt (3 Teilnehmer). Für den Wis-sensaustausch innerhalb nicht virtueller Projektteams sahen diese Teilneh-mer die Diskussionsforen als weniger sinnvoll an, weil etabliertere, nichtcomputervermittelte Wege existierten.

In Unternehmen 4 wird ein WM-System eingesetzt, das zur Zeit lediglichFunktionalitäten zur Ablage von Inhalten anbietet. Die Kommunikation fin-det deshalb per E-Mail, Telefon etc. statt, so dass kaum Verbindungsmög-lichkeiten zwischen Kommunikationsbeiträgen und den Inhalten im WM-System bestehen. Damit stehen wenig Informationen zur Kommunikations-abstützung zur Verfügung. In den Interviews wurde von 4 der 5 Interview-partner gewünscht, dass das WM-System neben der Inhaltsablage aucheine Kommunikationsunterstützung anbieten sollte.

In Unternehmen 5 wird kein als solches bezeichnetes WM-System einge-setzt. Statt dessen werden unterschiedliche Systeme für die Ablage, Vertei-lung oder Kommunikation von Informationen genutzt. Diese sehenaußerhalb der standardmäßig umgesetzten Funktionen, wie beispielsweiseE-Mail-Attachments mit Dokumenten des zentralen Servers, keine Verbin-dung zwischen Inhalten unterschiedlicher Systeme vor. In den Interviewswurde jedoch eine stärkere Integration von Dokumentenablage und Kom-munikation gewünscht. Dies wurde begründet mit Schwierigkeiten in dercomputervermittelten Kommunikation mit Bezug zu bestehenden Inhalten.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Bezogen auf die Fragestellung 1 lässt sich zusammenfassend sagen, dassnur in einigen WM-Systemen Informationen zur Verständnisabstützung zurVerfügung stehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das System eineKommunikationsunterstützung anbietet, wenn alle Nutzer Inhalte zurAbstützung der Kommunikation in dem WM-System ablegen können undwenn das WM-System zudem über einfache Verknüpfungsmöglichkeitenoder Suchmöglichkeiten verfügt. Das in den Unternehmen 2 und 3 einge-setzte WM-System Livelink stellt all diese Funktionalitäten zur Verfügung.Bemerkenswert ist hier, dass die Interviewpartner dieser beiden Unterneh-

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142 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

men meist auf die Ablage von Informationen und auf die Suche Bezug nah-men, während die Verbindungsmöglichkeiten weitestgehend außer Achtgelassen wurden. In den anderen Unternehmen wurde vor allem für dieSituation des Nachvollzugs von Beiträgen gewünscht, dass Verbindungs-möglichkeiten genutzt (Unternehmen 1) bzw. angeboten werden (Unter-nehmen 4). Für die Gestaltung einer integrierten Umgebung sind nachdiesen Ergebnissen Mechanismen zur Suche, zur strukturierten Ablagevon Inhalten sowie Möglichkeiten zu deren Verknüpfung vorzusehen.

4.4.2 Ergebnisse zu (F2): Annotationen als Möglichkeit zum Wis-sensaustausch

Bislang wird die Annotierbarkeit von Inhalten nicht als eine so bezeichneteFunktionalität in WM-Systemen unterstützt. Deshalb wurde in den Inter-views danach gefragt, wie bei Kommentierung zur Zeit vorgegangen wird,an welcher Stelle der Inhaltsstruktur die Inhalte sichtbar sein sollen und fürwelche Situationen Annotationen sinnvoll sind. Während der Interviewskonnte insgesamt der Eindruck gewonnen werden, dass die Integrationvon Kommunikationsbeiträgen in die Inhalte mittels des Konzeptes derAnnotationen auf reges Interesse und Zustimmung stieß. Nicht alle Inter-viewpartner äußerten sich zu diesem Bereich, so dass die Anzahl der Bei-träge in der Summe nicht immer die Anzahl der Interviewpartner ergibt. Zurbesseren Verständlichkeit für die Interviewpartner wurden die Begriffe„Kommentar“ und „Bemerkung“ statt Annotation verwendet. Da sich dasKonzept der Annotationen im vorangegangenen Kapitel als ein passenderAnsatz für den fließenden Übergang zwischen der Bereitstellung von Mate-rialien und der Kommunikationsunterstützung im kollaborativen Prozessherausstellte und dadurch für diese Arbeit einen besonderen Stellenwerterhält, werden die Ergebnisse zu der Fragestellung (F2) hier ausführlicherdargestellt.

Unternehmen 1

Da in diesem Unternehmen die Mitarbeiter keine Möglichkeit hatten, selbstInhalte einzustellen, bezog sich Kommentierung von Inhalten hier auf Kom-mentierung von Kommunikationsbeiträgen der anderen. Diese Möglichkeitsteht jedoch nur sehr entfernt in Zusammenhang mit der Fragestellung (F2)und soll deshalb auch in der weiteren Darstellung der Ergebnisse zu dieserFragestellung nicht weiter berücksichtigt werden. Dennoch seien hier der

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Ergebnisse der Studie 143

Vollständigkeit halber Ergebnisse bzgl. der zur Verfügung stehenden „Kom-mentierungsmöglichkeit“ erwähnt. So wurden die dafür vorgesehenen Dis-kussionsforen wurden als hilfreich empfunden, weil dadurch Nachfragenmöglich seien und Verständnisschwierigkeiten beim Nachvollzug desLerninhaltes ausgeräumt werden könnten. Bezogen auf Kommentierungvon Inhalten wurde bemerkt, dass die eingestellten Inhalte einen Lernge-genstand darstellten, der inhaltlich von den Nutzern in der Rolle der Ler-nenden kommentiert, aber nicht verändert werden können sollte. Fürdiesen Zweck wurde der Einsatz der thematisch zuordnenbaren Diskussi-onsforen als Unterstützungsmöglichkeit genannt.

Unternehmen 2

6 der 14 Interviewpartner nannten als bestehendes Vorgehen für die Kom-mentierung von Inhalten die Nutzung von direkten Kommunikationswegen(Telefon oder E-Mail), über die sie den Autor von Inhalten erreichen könn-ten. Interessant zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Nut-zer hinsichtlich der Verfügbarkeit ihrer Bemerkungen einen Unterschiedzwischen positiven und negativen Inhalten machten. Während positiveBemerkungen „ruhig alle sehen können“, wurde bei Negativem, z.B. dieRichtigstellung eines Inhaltes oder das Aufmerksammachen von Fehlerndie direkte Adressierung an den Autor des Inhalts gefordert.

Bezogen auf die Frage der Platzierung von Kommentaren zu den Inhaltenantworteten 8 der 14 Interviewpartner mit „direkt an Inhalten“. Als Vorteilewurden hier vor allem das Erkennen der Beziehung zwischen Inhalt undKommentar sowie die Wahrnehmung „auf einen Blick“ genannt. 5 Nutzerhingegen bevorzugten eine Platzierung in einem separaten Forum oder ineinem Extrafeld. Sie befürchteten, dass durch Kommentare in den Projekt-ordnern zu viele Inhalte in dem Ordner zusammenkommen („unnötig auf-blähen“) und die Suche nach Inhalten erschweren würden.

Als Situationen, in denen Kommentare zu den Inhalten zum Einsatzkämen, wurde vor allem die Vermittlung der Werthaltigkeit der Information(6 von 14 Interviewpartner) und an zweiter Stelle der Austausch von Wis-sen (3 von 14 Interviewpartner) genannt.

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144 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

Unternehmen 3

In diesem Unternehmen wurde bezogen auf das Vorgehen beim Einstellenvon Kommentaren von 4 der 6 Personen geäußert, dass sie zur Zeit meistE-Mails an die betreffenden Autoren schreiben würden. Einige von ihnengaben an, nicht zu wissen, ob eine Kommentierungsfunktionalität im WM-System vorhanden sei. Unabhängig von dem Vorgehen bei der Kommen-tierung wiesen 4 Interviewpartner darauf hin, dass die Autoren der Inhaltebenachrichtigt werden müssten, damit sie auf die Annotationen aufmerk-sam würden.

Von 4 der 6 Interviewpartnern wurde eine Platzierung „direkt an Inhalten“vorgeschlagen. Die anderen 2 Teilnehmer fanden Kommentare direkt anInhalten nicht sinnvoll, da diese meist subjektiv seien und deshalb nicht aufder selben Stufe erscheinen sollten wie die Inhalte. Als Einsatzsituationenwurden hier, ähnlich wie auch schon in Unternehmen 2, die Erhöhung derQualität eingestellter Inhalte (2 Nennungen), Meinungsaustausch (2 Nen-nungen) und Situationen, in denen alle Informationen auf einen Blick zusehen sein sollten (4 Nennungen), erwähnt.

Unternehmen 4

Da in diesem Unternehmen das WM-System zur Zeit lediglich zur Ablagevon Dokumenten genutzt wird und für die Unterstützung der Kommunika-tion andere Wege eingesetzt werden, wurden hier zu dem Bereich derKommentierung wenig Aussagen getroffen. So wurde von einer Persongeäußert, dass sie bei dem Vorgehen in jedem Falle wünschte, dass Infor-mationen über den Autor eines Kommentars hinzugefügt werden sollten,damit der Kommentar eingeordnet werden könne.

Bezogen auf die Platzierung der Annotationen wurden von 3 Interviewpart-nern die Platzierung direkt an den Inhalten gewünscht. Hier wurde vorge-schlagen, dass die Annotationen über einen Button bei Bedarf abrufbarsein sollten, damit sie den Lesefluss nicht störten. Als Einsatzsituationenwurde hier, ähnlich wie schon bei den vorangegangenen Unternehmen,von 2 Personen geäußert, dass durch Kommentierung die Zuverlässigkeitund Qualität der eingestellten Inhalte erhöht werden könne. Von einer Per-son wurde geäußert, dass für sie die Kommentierung gleichbedeutend mitWissensaustausch sei.

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Ergebnisse der Studie 145

Unternehmen 5

In diesem Unternehmen wurde bezogen auf das Vorgehen zur Kommentie-rung bestehender Inhalte geäußert, dass zur Zeit ein direkter Kommunikati-onsweg wie E-Mail oder Telefon (3 von 5 Nennungen) bzw. dasbestehende Diskussionsforum (1 Nennung) genutzt wurde. Dies sind dieMöglichkeiten, die die Interviewpartner auch als Unterstützung der Vertei-lung von Inhalten und der direkten Kommunikation nannten.

Als Platzierung von Kommentaren in einem WM-System wurden von 4 der5 befragten Personen eine Ablage direkt an Inhalten genannt. Dadurchkönne eine Verbindung zwischen Inhalten und Kommunikationen herge-stellt werden (2 Nennungen). Lediglich eine Person sah in der direktenPlatzierung einen Nachteil, da es dadurch „schnell zur Überfrachtung“komme. Als Einsatzsituationen von Annotationen wurde von 3 Personender direkte Wissensaustausch genannt.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

In bestehenden WM-Systemen wird keine ausgezeichnete Funktionalitätder Annotation angeboten. Gefragt nach dem Vorgehen bei der Kommen-tierung wurde deshalb von 13 der 30 in diesem Unternehmen befragtenPersonen geäußert, dass ein direkter Kommunikationsweg zur Kommuni-kation mit dem Autor des Inhalts gewählt werde (vgl. Tabelle 11). Nur von 4Personen wurde geäußert, dass ein Beitrag in ein bestehendes Forum ein-gestellt werde.

Tabelle 12 gibt einen Überblick über Aussagen zur Platzierung von Annota-tionen. Von 19 der 30 in diesem Unternehmen Befragten wurde dabeigeäußert, dass Kommentare direkt an Inhalten zu platzieren seien. Als Vor-teile wurden hier genannt, dass dadurch eine Beziehung zwischen Inhaltenund Kommentaren hergestellt werden könne (8 Nennungen). Zudem habeauch der Rezipient durch eine solche Platzierung Vorteile, weil beides aufeinen Blick sichtbar sei (6 Nennungen) und keine weitere Navigation zwi-schen Inhalt und Kommentar notwendig sei (2 Nennungen.)

Von 8 Personen wurde genannt, dass sie Anmerkungen nicht an den Inhal-ten platzieren würden. Als ein Grund wurde hier angeführt, dass dadurchInhalte schnell unübersichtlich werden würden (6 Nennungen). Zudem soll-ten wegen des subjektiven Charakters Kommentare nicht auf die gleicheStufe wie Inhalte gestellt werden (2 Nennungen).

Vorgehen bei Kommentierung

Platzierung von Annotationen

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146 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

Tabelle 11. Bestehendes Vorgehen bei Kommentierung

Tabelle 12. Aussagen zu Platzierung von Annotationen in WM-Systemen

Kategorie U2 U3 U4 U5 Su Typische AussageAnzahl der Befragten 14 6 5 5 30 n gesamtdirekter Kommunikationsweg - besonders bei negativem Feedback

6

3

4 0 3 13 „Zur Zeit nutze ich E-Mail. Innerhalb des Systems weiss ich gar nicht, ob das geht“ (U3)

Beitrag in das Forum stellen 3 0 0 1 4 „Ich würde es im Forum ansprechen“ (U2)

Notwendig, dass der Autor auf die Kommentare aufmerksam gemacht wird

0 4 0 0 4 „Der andere muss auch mitkriegen, wenn ich da was reingeschrieben habe, vielleicht eine Nachricht oder so“ (U3)

Notwendigkeit zum Wissen über den Autor des Kommentares

0 0 1 0 1 „Es wäre für die Einschätzung hilfreich, wenn man etwas über die Person weiß“ (U2)

Kategorie U2 U3 U4 U5 Su Typische AussageAnzahl der Befragten 14 6 5 5Direkt an Inhalten 8 4 3 4 19- Vorteil: Herstellen einer Beziehung zwischen Inhalten und Kommentaren

6 0 0 2 8 „es ist dann schnell klar, wozu der Kommentar gehört“ (U2)

- Vorteil: Alles auf einen Blick

4 2 0 0 6 „wie z.B. Rezensionen im Web; man sieht das Buch und die Rezensionen auf einen Blick“ (U2)

- keine weitere Navigation zwischen Inhalt und Kommunikation notwendig

0 2 0 0 2 „dann muss man nicht immer hin- und herspringen“ (U3)

Nicht direkt an Inhalten 5 2 0 1 8- Unübersichtlichkeit der Inhalte

5 0 0 1 6 „es gibt die Gefahr der Überfrachtung, man findet dann nichts wieder“ (U5)

- Kommentare sind meist sehr subjektiv, deshalb andere Ebene als Inhalte

0 2 0 0 2 „Bemerkungen können verdammt subjektiv sein“ (U3)

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Ergebnisse der Studie 147

Besonders zur Entkräftung des Arguments der Unübersichtlichkeit wurde inUnternehmen 4 bereits von den Interviewpartnern selbst eine Lösungs-möglichkeit genannt: Kommentare müssten hinter Buttons verborgen sein,um die Übersicht über die Inhalte zu gewährleisten. Dies würde auch diesubjektiveren Kommentare auf eine andere Stufe stellen als die Inhalte.

Bezogen auf den Einsatz von Kommentaren konnten vor allem zwei Situa-tionen gefunden werden: Erhöhung der Qualität eingestellter Inhalte (10Nennungen) und Unterstützung des Meinungsaustauschs (9 Nennungen).Tabelle 13 fasst die Situationen zusammen.

Tabelle 13. Aussagen zu Einsatzsituationen von Annotationen in WM-Systemen

Die Ergebnisse dieser Studie stützen die Überlegungen zu Annotationenim vorangegangenen Kapitel. Für die Gestaltung einer integrierten Umge-bung ist deshalb diese Funktionalität vorzusehen. Dabei ist darauf zu ach-ten, dass Annotationen in bestehende Inhalte integriert werden können,diese aber bei Bedarf auch ausblendbar sind. Gleichzeitig sind Annotatio-nen zu Annotationen und eine Adressierung zur Unterstützung adressierterKommunikation vorzusehen.

4.4.3 Ergebnisse zu (F3): Informationen über andere

Unternehmen 1

Zunächst kann hier bzgl. dieser Fragestellung festgehalten werden, dassüber die Nutzer keine Informationen im System abgelegt sind und dement-sprechend die Einschätzung des Kommunikationspartners erschwert wird.

Kategorie U2 U3 U4 U5 Su Typische Aussagen Befragte 14 6 5 5Erhöhung der Qualität eingestellter Inhalte

6 2 2 0 10 „Kommentare würden anzeigen, dass jemand den Inhalt interessant fand oder Verbesserungsvorschläge hat. Dadurch wird die ’Fehlerquote’ verbessert, Falschaussagen werden reduziert“ (U2)

Meinungs-austausch

3 2 1 3 9 „sowas wie Gegendarstellungen in Zeitungen“ (U2)

Alle Inhalte auf einen Blick notwendig

0 4 0 0 4 „wenn man gleich und ohne Umschweife alles sehen möchte“ (U3)

Einsatzsituatio-nen

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148 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

Zu Kommunikationsbeiträgen werden in diesem System Namen angege-ben und die Rolle (Nutzer oder Experte) angezeigt.

Eine Besonderheit der WM-Anwendung in diesem Unternehmen ist derEinsatz von Experten, die bei Bedarf innerhalb eines gewissen Zeitraumesoffen gebliebene Fragen beantworteten (vgl. Kapitel 3.3.2). Im System wer-den dabei Experten als solche gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrundwurden von den Interviewpartnern auch bezogen auf diese Fragestellunggeantwortet. So wurde von 4 Personen geäußert, dass sie Expertenant-worten deshalb gut fänden, „weil man sich darauf verlassen kann, dass sierichtig sind“. Dies zeigt, dass das Wissen über die Expertise Einfluss aufdie Einschätzung des Beitrags hat.

Von 5 Personen wurde geäußert, dass es ihnen „egal“ sei, wer die Fragebeantworte „Hauptsache, die Antwort hilft“. Für diese Personen sind Infor-mationen über die Kommunikationspartner zweitrangig. Von 6 Personenwurden Informationen darüber gewünscht, ob potenzielle Beantworter ihrereingestellten Frage über ausreichend Zeit zum Einstellen einer Antwortverfügten. Eine Person forderte Informationen über die Kommunikations-partner, die sich vor allem auf die vermutete Qualifikation zur Beantwortungder Frage bezogen: „Was machen die Leute? Hatte der Beantwortendeschon mal eine Schulung?“ Von einem weiteren Interviewpartner wurde alsAusweichstrategie zur Einschätzung der Kommunikationspartner ein Tele-fonverzeichnis zur Hand genommen, in dem die Abteilungen aller Mitarbei-ter verzeichnet sind.

Interessant zu erwähnen ist darüber hinaus die Möglichkeit, Beiträge auchanonym einstellen zu können. Dadurch wird auch noch die letzte und ein-zige im WM-System verfügbare Information über den Kommunikationspart-ner, der Name, entzogen. Während der ersten Interviewrunde unmittelbarnach der Einführungsveranstaltung antworteten 14 von 16 Teilnehmern,dass Anonymität nicht wichtig sei. In der zweiten Interview-runde hingegenwurde von 3 der 6 befragten Personen, erwähnt, dass „Anonymität wichtig“sei, da man nicht immer seine Identität preisgeben wolle.

Unternehmen 2

In diesem Unternehmen wurde bezogen auf die Informationen über dieKommunikationspartner vor allem hinsichtlich der Arbeitssituation geant-wortet. So erwähnten 9 von 14 Personen, dass sie über die Auslastung und

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Ergebnisse der Studie 149

Know-How der anderen Mitarbeiter Bescheid wissen möchten. Von 4 Per-sonen wurden alle wichtigen Informationen zur Kontaktaufnahme genannt,um gegebenenfalls gemeinsame Arbeitsprozesse auch außerhalb desWM-Systems organisieren zu können. Nach den Auswirkungen gefragt, diesolche Informationen über andere Teilnehmer haben, wurde vor allem dieMöglichkeit zur gezielten Informationsverteilung genannt (4 Nennungen).

Als Voraussetzungen für den Wissensaustausch nannte ein Großteil derNutzer (8 Nennungen) bezogen auf diese Fragestellung persönliches Ken-nen. Darüber hinaus wurde von 5 Personen die Wahrnehmung der Aktivitä-ten anderer als hilfreich eingestuft. Von einer Person wurde gewünscht,„dass man weiß, was andere machen“. Als Bedingung für die Teilnahme anDiskussionsforen wurde von 3 Personen genannt, dass keine Anonymitätvorhanden sein sollte. Sie wünschten sich, dass zumindest der Name derKommunikationspartner bekannt sei.

Unternehmen 3, 4 und 5

Auch in Unternehmen 3 wurden vor allem Informationen bzgl. der Arbeitssi-tuation genannt. Dabei entfielen bei 6 Befragten 3 Nennungen auf Arbeits-und Kompetenzschwerpunkte der Kommunikationspartner, 2 Nennungenauf die Zugehörigkeit zur jeweiligen Abteilung. 2 der 6 Interviewpartner ant-worteten darüber hinaus, dass sie wissen wollten, wie andere das WM-System nutzen oder welche Inhalte sie betrachten.

Da sich die Interviews in Unternehmen 4 schwerpunktmäßig auf das einge-setzte WM-System bezogen, das z.Zt. keine Kommunikationsunterstüt-zung anbietet, wurden Informationen über die Kommunikationspartnernicht thematisiert. In Unternehmen 5 wurde erwähnt, dass die Beteiligungam Wissensaustausch von den Beteiligten abhänge. Hier wurdegewünscht, dass vor allem mit denjenigen Leuten Wissensaustausch statt-finde, die sich bezogen auf das jeweilige Thema auskennen würden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Bezogen auf die Fragestellung (F3) lässt sich zusammenfassend sagen,dass für die Interviewteilnehmer vor allem Informationen über die Expertiseder Kommunikationspartner interessant sind. Eine Einschätzung derExpertise ist nach Aussagen der Interviewteilnehmer auch durch die Abtei-lungszugehörigkeit möglich. Abhängig von den zur Verfügung stehenden

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150 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

Informationen wird ein Beitrag als mehr oder weniger glaubwürdig einge-stuft. Von den Mitarbeitern wird meist der Wissensaustausch mit Personenmit hoher Expertise gewünscht. Eine integrierte Umgebung sollte alsodiese Informationen über Nutzer zur Verfügung stellen.

4.4.4 Ergebnisse zu (F4): Auswahl einer Rezipientengruppe

Unternehmen 1

In diesem Unternehmen wird das WM-System vor allem zur Unterstützungvon Schulungsorganisation und zum Arbeiten mit Schulungsinhalten einge-setzt (vgl. Kapitel 3.3.6). Dementsprechend wurden von den Interviewpart-nern hier keine Einschränkung einer Rezipientengruppe etwa zurUnterstützung von Projektarbeit gefordert, in der vertrauliche Inhaltebehandelt werden. Von 10 der 16 Personen wurde während der erstenInterviewphase explizit geäußert, dass sie die umgesetzte, offene Varianteals passend empfanden. Dadurch bestehen einerseits viele potenzielleAntwortende auf die Fragen, so dass die Wahrscheinlichkeit zu einerschnellen Antwort erhöht werde. Die Analyse der Beiträge im Systemzeigte, dass die meisten Antworten von Nutzern kamen und nur in einigenFällen Experten Antworten geben mussten. Andererseits könnte durch dasLesen der Beiträge selbst weiteres gelernt werden.

2 der 6 Personen erwähnten während der zweiten Interviewphase, dass siegerne „manchmal Fragen nur an Experten“ stellen möchten oder einen„Pool mit Ansprechpartnern“ wünschten, in dem sie Probleme diskutierenkönnten. Als Gründe gaben sie an, dass Personen, die sich viel an denDiskussionen beteiligten, als „Leute, die Langeweile bei ihrer Arbeit haben“eingeschätzt werden, weil die Beteiligung an den Diskussionsforen im WM-System „neben der Arbeit“ liege und dafür entsprechend Zeit benötigt wer-den würde.

Unternehmen 2

Anders als in Unternehmen 1 wird hier mit dem WM-System unter anderemdie Projektarbeit unterstützt, in der auch vertrauliche Informationen im WM-System abgelegt werden. Basierend auf dieser Tatsache trennen sich dieMeinungen der Interviewpartner in zwei Lager. Nach Sicht von 11 der 14Befragten sollten WM-Systeme offen sein; für sie widerspricht die Ein-

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Ergebnisse der Studie 151

schränkung einer Rezipientengruppe der Idee des Wissensmanagements,da „relevantes Wissen für alle Mitarbeiter zugänglich“ gemacht werden soll.

Auf der anderen Seite wurde für die Einschränkung der Rezipientengruppe9 Nennungen gezählt. Als Vorteile wurden hier vor allem die Möglichkeitzum Austausch auch vertraulicher Informationen mit einem ausgewähltenKreis sowie eine gezieltere Verteilung von Informationen genannt. An die-ser Stelle sei betont, dass 6 Personen die Einschränkung der Rezipienten-gruppe von der jeweiligen Situation abhängig machten und beideMöglichkeiten wünschten.

Unternehmen 3, 4 und 5

In Unternehmen 3 wurde bezogen auf diese Fragestellung von 4 der 6befragten Personen in einem ersten Schritt gefordert, dass das WM-System für den Wissensaustausch über die Projektgrenzen hinweg geöff-net wird. Gleichzeitig sollten jedoch die geschlossenen Projektbereiche fürdie Unterstützung der Projektarbeit weiter Bestand haben.

Von den Interviewpartnern in Unternehmen 4, dessen WM-System sowohlgeschlossene als auch offene Bereiche für die Ablage von Material anbie-tet, wurde die Unterstützung der Kommunikation für beide Bereichegewünscht. Dadurch wäre hier, ähnlich wie in Unternehmen 2, eine Ein-schränkung der Rezipientengruppe auch in Bezug auf die Kommunikati-onsunterstützung möglich.

Auch in Unternehmen 5 wurde von 3 Interviewpartnern die Möglichkeit zurEinschränkung der Rezipientengruppe als gute Möglichkeit zur Unterstüt-zung sowohl einer gruppeninternen als auch einer unternehmensweitenKommunikation angesehen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Eine Möglichkeit zur Einschränkung der Rezipientengruppe wurde in allenUnternehmen als sinnvoll angesehen. Diese Möglichkeit ist in dem Sinnezu verstehen, dass nur in bestimmten Situationen eine Einschränkung vor-genommen wird. Die Unterstützung der Kommunikation ohne Einschrän-kung ist eingeschlossen. Als Grund wurde hier die Möglichkeit zurUnterstützung der Projektarbeit und insbesondere der Austausch von ver-traulichen Informationen genannt. In Unternehmen 2 fanden sich darüberhinaus explizite Aussagen zu dem Argument, dass durch die Einschrän-

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152 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

kung der Rezipientengruppe die Aufmerksamkeitssteuerung und gezieltereVerteilung ermöglicht wird. Für die Gestaltung einer integrierten Umgebungbedeutet dieses Ergebnis, dass eine möglichst differenzierte Einschrän-kung der Rezipientengruppe ermöglicht werden sollte, um so unterschiedli-che Nutzungsfälle wie unternehmensweiter Wissenstausch oderProjektarbeit zu unterstützen.

4.4.5 Ergebnisse zu (F5): ausgezeichnete Rolle zur Strukturierung

Unternehmen 1

In diesem Unternehmen wurden zur Beantwortung der Fragen Experteneingesetzt, die gegebenenfalls auch eine strukturierende Aufgabe über-nehmen sollten. Während der Analyse der Beiträge in den Diskussionsfo-ren zeigte sich, dass sich Experten in sehr wenigen Diskussionssträngenbeteiligten.

Im Verlaufe der Nutzung zeigte sich, dass die Nutzer immer weniger Fra-gen als beantwortet kennzeichneten. Hier bleibt unklar, ob die Fragen nichtbeantwortet wurden oder ob die Fragenden vergaßen, ihre Frage alsbeantwortet zu markieren. Zudem zeigte sich im Verlaufe der Zeit immerweniger Beteiligung. In den Interviews wurden auf Grund dieser beidenBeobachtungen als mögliche Aufgaben eines Moderators das Erinnern andas Abhaken einer beantworteten Frage sowie das Anstoßen von Diskus-sionen genannt.

Unternehmen 2

Von 11 der 14 befragten Personen wurde in diesem Unternehmen die Not-wendigkeit zur Moderation der Diskussionen im WM-System gesehen. EinModerator sei eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Diskussionsbe-reich „wirklich lebt“. Als Aufgaben eines Moderators wurden genannt: „Dis-kussion besonders in der Anfangsphase anzustoßen“ (8 Nennungen) und„Inhalte zu pflegen“ (7 Nennungen). Bei der Pflege wurde neben der Kon-trolle hinsichtlich der Aktualität auch die Überprüfung auf Verständlichkeiterwähnt.

8 Personen äußerten sich kritisch zu einer generellen Moderation, 5 davonwünschten eine Moderation nur in bestimmten Fällen, 3 lehnten eineModeration völlig ab. Sie befürchteten vor allem, dass die Moderation eine

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Ergebnisse der Studie 153

Art „Kontrollinstanz“ darstelle, die der freien Meinungsäußerung nicht dien-lich sei. Besonders in abgeschlossenen Projektbereichen wurde die Mode-ration abgelehnt.

Unternehmen 3, 4 und 5

In diesen drei Unternehmen wurde die Moderation, ähnlich wie auch schonin Unternehmen 2 kontrovers diskutiert. So äußerten sich im 3. Unterneh-men 2 der 6 Interviewpartner positiv zur Einführung einer ausgezeichnetenRolle zur Strukturierung der Diskussion. Hier wurden, ähnlich wie auch inUnternehmen 2, das Anstoßen von Diskussionen (1 Nennung) sowie diePflege von Inhalten (2 Nennungen) genannt. Ein Interviewpartner äußertesich kritisch zu einem Moderator, da dieser Kosten verursachen würde.

In Unternehmen 4 wurde von einer der 5 befragten Personen die Notwen-digkeit zu einer ausgezeichneten Rolle zur Strukturierung gesehen. Diesesollte weniger Moderation von Diskussionen als vielmehr eine geeigneteStrukturierung von Inhalten übernehmen. Alle 5 in Unternehmen 5 befrag-ten Interviewpartner äußerten sich zur Moderation. Hier zeigte sich dasgleiche kontroverse Bild wie auch schon in Unternehmen 2. Dabei nannten3 Personen, dass ein Moderator hilfreich sei. Nach Aussagen dieser Inter-viewpartner fiele dem Moderator die Aufgabe zu, Diskussionen zu einemEnde zu führen und dabei gegebenenfalls zusätzliche Fragen zu stellen. 2Nutzer äußerten sich kritisch zu einer Moderation, weil dadurch die Gefahrbestehe, dass sich die Teilnehmer an Diskussionen beobachtet fühlen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Die ausgezeichnete Rolle zur Strukturierung wurde von wenigen Interview-partnern angesprochen. Dabei zeigte sich ein kontroverses Bild. So äußer-ten sich 17 der insgesamt 52 befragten Nutzer positiv zu einem Moderator.Als Aufgaben wurden hier Inhalte pflegen (10 Nennungen insgesamt), Dis-kussionen anstoßen (9 Nennungen) und Inhalte zusammenfassen (3 Nen-nungen) erwähnt. Insbesondere in den Unternehmen, in denen dastechnische System durch Unterstützung der Projektarbeit in die alltäglicheArbeit integriert ist und gleichzeitig unternehmensweiten Wissensaus-tausch ermöglicht, werden große Mehrheiten gefunden. 10 Nutzer äußer-ten sich kritisch zu einem Moderator. Von insgesamt 5 Nutzern wurdedabei befürchtet, dass dieser Moderator eine Kontrollinstanz darstelle, dieeinen offenen Wissensaustausch behindere. Die Ergebnisse dieser Studie

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154 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

zeigen die Notwendigkeit zu weiterer Forschung, die sich mit den Fragenbeschäftigt, inwiefern ein Moderator den Wissensaustausch positiv beein-flussen kann, welche Aufgaben ein Moderator übernehmen sollte und undwie diese durch das eingesetzte technische System zu unterstützen sind.

4.4.6 Ergebnisse zu (F6): synchrone Kommunikation

Unternehmen 1

In diesem Unternehmen wurde mit der organisatorischen Regel, dassExperten innerhalb eines Tages antworten sollten, ein erster Schritt in Rich-tung „schnellem“ Wissensaustausch beschritten, ohne dass hier von syn-chroner Kommunikationsunterstützung gesprochen werden kann. Von 7der 16 Interviewpartner wurde dieser Zeitraum als ausreichend empfun-den, 5 andere Nutzer erwähnten für einige Situationen die Notwendigkeitzu „sofortigen Lösungen“. In diesen Situationen würde man zur Lösung die-ses Problems „eher über den Flur laufen“.

Eine synchrone Unterstützung innerhalb des Systems wurde von einigenInterviewpartnern mit einer Telefonhotline verglichen. Da die bestehendeHotline in diesem Unternehmen häufig überlastet war, wurde von den Inter-viewpartnern eine synchrone Unterstützung als wenig hilfreich bewertet.Von 3 Nutzern wurde vorgeschlagen, zu den Beiträgen Dringlichkeitenangeben zu können, um dadurch dringende von nicht dringenden Beiträ-gen unterscheiden zu können.

Unternehmen 2

Eine synchrone Kommunikationsunterstützung wurde in diesem Unterneh-men in den Fragen des Interviewleitfadens zur Wichtigkeit für den Wis-sensaustausch und den Bedingungen zur Teilnahme amWissensaustausch thematisiert. Während bei der Wichtigkeit für den Wis-sensaustausch 4 Nutzer eine synchrone Kommunikation als wichtigeBedingungen nannten und weitere 4 Nutzer von einer „guten Idee“ spra-chen, wurde synchroner Wissensaustausch bei den Bedingungen zur Teil-nahme von noch weniger Interviewpartnern angesprochen (2 Nennungen).

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Zusammenfassung: Diskussion der Ergebnisse 155

Unternehmen 3, 4 und 5

In diesen Unternehmen werden bislang keine synchronen Kommunikati-onsunterstützungen angeboten. In Unternehmen 3 antworteten 2 der 6Interviewpartner, dass eine synchrone Kommunikationsunterstützung vorallem für Antwortende eine Schwierigkeit darstelle, da dadurch ein Zwangentstehe „sofort antworten zu müssen“. Auch in Unternehmen 4 wurde einesynchrone Kommunikationsunterstützung von 2 der 5 Interviewpartner alskritisch angesehen, da dies „bei der alltäglichen Arbeit stört“. Anders als inden beiden Unternehmen schätzten die Interviewpartner des Unterneh-mens 5 synchrone Kommunikationsunterstützung als wichtig ein. Hiernannten 3 der 5 Befragten, dass die Geschwindigkeit des Austauschs rele-vant sei: „je schneller, desto besser“.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Insgesamt lässt sich feststellen, dass von einigen Nutzern eine synchroneKommunikationsunterstützung als sinnvoll angesehen wird. Als Gegenar-gumente wurden vor allem auf der Seite von Rezipienten der entstandeZwang zur Antwort bzw. die Unterbrechung der laufenden Arbeit angese-hen. Auf der anderen Seite wurde vor allem in den ersten beiden Unterneh-men bezogen auf Mitteilende Situationen genannt, in denen sehr schnelleAntworten notwendig seien. Auch in Unternehmen 2, in dem synchroneKommunikation in zwei Fragen des Interviewleitfadens thematisiert wurde,wurde eine synchrone Kommunikationsunterstützung von wenigen Perso-nen angesprochen. Für die Gestaltung einer integrierten Umgebung isteine synchrone Kommunikationsunterstützung nach den Ergebnissen die-ser Studie nicht von zentraler Bedeutung.

4.5 Zusammenfassung: Diskussion der ErgebnisseIn dieser Zusammenfassung werden Gestaltungsanforderungen an einsozio-technisches System mit besonderem Fokus auf den Wissensaus-tausch formuliert, die auf den Ergebnissen der vorgestellten Studie basie-ren. Einige ausgewählte Gestaltungsanforderungen sollen im weiterenVerlauf dieser Arbeit in einem integrierten System umgesetzt und erprobtwerden. Tabelle 14 gibt einen Überblick über diese Anforderungen.

Bezogen auf die Fragestellung 1 konnte beobachtet werden, dass nur ineinigen WM-Systemen Funktionalitäten zur Verständnisabstützung zur Ver-

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156 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

fügung stehen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn alle Nutzer auchInhalte zur Abstützung der Kommunikation in dem WM-System ablegenkönnen und das WM-System zudem über einfache Verknüpfungsmöglich-keiten oder Suchen verfügt. Besonders in den Anwendungen, in denen sol-che Möglichkeiten nicht angeboten werden, werden diese von den Nutzernexplizit gewünscht. Bei der Gestaltung einer integrierten Umgebung istgezielt darauf zu achten, solche Möglichkeiten anzubieten, da hier ein posi-tiver Einfluss auf den Wissensaustausch erwartet werden kann.

Tabelle 14. Anforderungen an eine integrierte Umgebung

Bezogen auf den Einsatz von Annotationen (Fragestellung 2) wurden hiervor allem die Erhöhung der Qualität eingestellter Inhalte sowie die Unter-stützung des Meinungsaustauschs genannt, so dass auch hier ein positiverEinfluss festgestellt werden kann. Annotationen sind nach Meinung einesGroßteils der Interviewpartner direkt an Inhalten zu platzieren. Als Vorteilewurden hier genannt, dass dadurch eine Beziehung zwischen Inhalten undKommentaren hergestellt werden könne. Zudem wurde, ähnlich wie bereitstheoretisch hergeleitet, erkannt, dass auch der Rezipient durch eine solchePlatzierung Vorteile habe, da Inhalt und Kommentar direkt gemeinsam

Anforderung BegründungSuche Fragestellung (F1): Auffinden von

Kontextinformationenstrukturierte Ablage (F1): Auffinden von KontextinformationenVerbindungsmöglichkeiten (F1): Verbindung zu KontextinformationenAnnotationen in Material integrieren (F2): Platzierung von KommentarenAnnotierbarkeit von Annotationen (F2): auch Diskussionen an den InhaltenAnnotationen direkt adressierbar (F2): Möglichkeit zur

Aufmerksamkeitssteuerung (Unternehmen 3)

Annotationen ausblendbar (F2): unterschiedliche Qualität von Inhalt und Kommentar

Informationen über andere: Expertise und Vorwissen

(F3): Informationen zur Einschätzung von Kommunikationsbeiträgen

flexible Zuordnung von Zugriffsrechten (F4): geschlossene und offene Bereiche unterstützen

Moderation: Motivation zur und Strukturierung von Kommunikation

(F5): Aufgaben einer ausgezeichneten Rolle zur Strukturierung

Angaben zur Dringlichkeit von Bearbeitung (F6): Alternative zu synchroner Kommunikation

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Zusammenfassung: Diskussion der Ergebnisse 157

wahrnehmbar seien und dadurch weitere Navigation zwischen beidemwegfiele. Dabei ist mit Blick auf die Kritiker einer solchen Realisierung zubeachten, dass diese Annotationen bei Bedarf ausblendbar sein müssen,damit nur der eigentliche Inhalt sichtbar ist. In einer integrierten Umgebungsind Annotationsmöglichkeiten direkt an Materialien vorzusehen, die direktadressiert werden können, annotierbar und bei Bedarf ausblendbar sind.

Informationen über Kommunikationspartner (Fragestellung 3) bezogen sichin den Interviews dieser Studie vor allem auf arbeitsrelevante Informatio-nen wie Auslastung und Know-How der Mitarbeiter. Aufbauend auf diesenInformationen wird auch die Qualität von Beiträgen der Kommunikations-partner eingeschätzt. Hier kann lediglich positiver Einfluss vermutet wer-den, eindeutige Hinweise konnten jedoch nicht gefunden werden.

Eine Möglichkeit zur Einschränkung der Rezipientengruppe (Fragestellung4) ist nach den Ergebnissen dieser Studie zu unterstützen. Als Gründe wur-den in den untersuchten Unternehmen die Möglichkeit zur Unterstützungder Projektarbeit und insbesondere der Austausch von vertraulichen Infor-mationen genannt. Übertragen auf den kollaborativen Prozess bedeutetdies, dass die Unterstützung der Arbeit in kleinen Gruppen, also das Arbei-ten mit dem Material anderer Gruppenmitglieder, auch in WM-Systemeneine Rolle spielt. Nur über die Einschränkung der Rezipientengruppe wirdder Wissensaustausch auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht. In derintegrierten Umgebung ist deshalb eine möglichst differenzierte Möglichkeitzur Einschränkung der Rezipienten vorzusehen.

Bezogen auf die ausgezeichnete Rolle zur Strukturierung (Fragestellung 5)zeigte sich ein kontroverses Bild. Während einige Nutzer einem Moderatorpositiv gegenüber standen und als Aufgaben vor allem Inhalte pflegen undDiskussionen anstoßen genannt wurden, äußerten sich andere Interview-partner kritisch. Als Grund wurde hier genannt, dass dieser Moderator eineKontrollinstanz darstelle, die einen offenen Wissensaustausch behindere.Hier ist weiterer Forschungsbedarf notwendig, der sich in einem erstenSchritt mit den Aufgaben einer ausgezeichneten, strukturierenden Rolle insozio-technischen Systemen und in einem zweiten Schritt deren Unterstüt-zung durch das technische System bezieht.

Bzgl. synchroner Kommunikationsunterstützung (Fragestellung 6) wurdevor allem bezogen auf die Rezipienten kritisch reagiert, da diese sichdadurch zu einer Reaktion gezwungen sehen und dadurch in ihrer alltägli-

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158 Studie zum betrieblichen Wissensmanagement

chen Arbeit gestört werden könnten. Auf der anderen Seite wurden bezo-gen auf Mitteilende Situationen geschildert, in denen eine synchroneKommunikationsunterstützung zur Beantwortung zeitkritischer Fragensinnvoll sei. Der theoretisch hergeleitete Zusammenhang bzgl. der Interak-tivität wurde in dieser Studie nicht bestätigt. Weitere Beobachtungen schei-nen notwendig, die sich mit der Notwendigkeit synchronerKommunikationsunterstützungen auseinandersetzt.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Ansatz der Annotationen als eineMöglichkeit des fließenden Übergangs zwischen Materialbereitstellung undKommunikationsunterstützung mit den hier gefundenen Charakteristikaumgesetzt werden. Dies soll kombiniert werden mit einer differenziertenUmsetzung des Konzeptes der Einschränkung der Rezipienten, um gezieltverschiedene Phasen des kollaborativen Prozesses zu unterstützen.Zudem soll in einem Experiment mit der zu entwickelnden Umgebung derUmgang einer strukturierenden Rolle mit dem technischen System beob-achtet werden, um daraus ggf. Aktivitäten ableiten zu können.

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Kapitel 5. Anforderungen an eine integrierte Umgebung

In den vergangenen Kapiteln wurden aus verschiedenen PerspektivenAnforderungen an ein technisches System herausgearbeitet, das beson-ders Funktionalitäten von KL-Umgebungen (vornehmlich die Unterstüt-zung der Kommunikation) und WM-Systemen (vornehmlich dasEinstellen und die strukturierte Ablage von Materialien) verbindet.

Die Notwendigkeit zur Verbindung ergab sich bei der Entwicklung deskollaborativen Prozesses, der unter anderem auf der Betrachtung vonSzenarien beruhte. Dabei zeigte die Auseinandersetzung mit den Ein-satzbereichen von KL-Umgebungen, dass Kommunikationsunterstützun-gen wesentlich für das gemeinsame Lernen sind. Anforderungen an dieAblage von Materialien ergeben sich vornehmlich aus der Beschäftigungmit den Einsatzbereichen von WM-Systemen.

Die Betrachtung der kontext-orientierten Kommunikation zeigt, dassnicht nur eine Verbindung, sondern eine Integration von Materialien undder Kommunikationsunterstützung notwendig ist, um so die Materialienals Kontextinformationen nutzen zu können und dadurch kontext-orien-tierte Kommunikation zu unterstützen. In Kapitel 3 wurde das Konzeptder Annotationen als eine Möglichkeit der Integration von Materialablageund Kommunikationsunterstützung vorgestellt, das als Basis für dieGestaltung integrierter Umgebungen dienen soll. Weitere Anforderungenan die Unterstützung der Kommunikation auf Basis des Annotationskon-zeptes konnten während der Studie zum betrieblichen Wissensmanage-ment (vgl. Kapitel 4) gewonnen werden. Auch hier zeigte sich, dass eineIntegration von Materialablage und Kommunikationsunterstützunggewünscht wird.

In diesem Kapitel sollen die zuvor erarbeiteten Anforderungen an eineintegrierte Umgebung strukturiert und zusammengefasst werden. InAbschnitt 5.1 werden Anforderungen an ein technisches System darge-stellt, das die Integration von Material und Kommunikationsbeiträgenermöglichen und den gesamten, in Kapitel 2 erarbeiteten Prozess unter-stützen soll.

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160 Anforderungen an eine integrierte Umgebung

Neben diesen technischen Anforderungen konnten während der Betrach-tung der Einsatzbereiche von KL-Umgebungen und WM-Systemen aucheinige Anforderungen zur Organisation des kollaborativen Lernprozessesgefunden werden. Diese beziehen sich auf die Begleitung des kollaborati-ven Prozesses durch eine ausgezeichnete Rolle. Sie werden in Abschnitt5.2 dargestellt, bevor Abschnitt 5.3 eine Zusammenfassung der Anforde-rungen darstellt.

5.1 Anforderungen an ein technisches SystemViele der gefundenen Anforderungen beziehen sich auf mehrere Phasendes kollaborativen Prozesses. Deshalb wurden für die Darstellung derAnforderungen hier nicht die Phasen des kollaborativen Prozesses alsGliederungssstruktur gewählt. Statt dessen wurden Anforderungs-Gruppengebildet, die aus dem Einstellen und Darstellen von Inhalten sowie weite-ren Anforderungen bzgl. des Umganges mit den Inhalten, die aus derBeschäftigung mit dem kollaborativen Prozess resultieren, bestehen. EineAusnahme bildet die Zusammenfassung der Anforderungen, die sich spe-ziell auf die Vorbereitung einer Lerneinheit durch einen Lehrenden bezie-hen. Diese werden an den Anfang dieses Kapitels gestellt.

Die anschließenden Anforderungen beziehen sich auf das Einstellen unddie Darstellung von Inhalten, wobei unter Inhalten sowohl Materialien alsauch Kommunikationsbeiträge verstanden werden. Insbesondere werdenhier Anforderungen aufgenommen, die die Integration von Materialien undKommunikationsbeiträgen betreffen. Zudem werden weitere Anforderun-gen bezüglich des Umgangs mit Inhalten zusammengestellt, die aus derBeschäftigung mit dem kollaborativen Prozess (vgl. Kapitel 2) resultieren.Dabei gilt es auch, den Aushandlungsschritt zu unterstützen, der inSystemkonzeptionen immer wieder berücksichtigt wird, in technischenRealisierungen bislang aber kaum zu finden ist. Tabelle 15 fasst alle Anfor-derungen an das technische System zusammen und gliedert diese nachdem zuvor beschriebenen Muster. Alle Anforderungen werden in dieserTabelle aus den bisherigen Betrachtungen heraus begründet. Die Tabellezeigt durch ein „X“ in der betreffen Spalte auch, für welche Phasen dieseAnforderungen relevant sind. Dabei ist P1 die Phase der Vorbereitung, P2die Phase des Lernens am eigenen Material, P3 das Lernen am Materialanderer und P4 schließlich die Phase der Kollaboration.

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Anforderungen an ein technisches System 161

Anforderungen Begründungen P1

P2

P3

P4

Vorbereitungerleichtertes Einstellen von Aufgabenstellungen

KL:- künstliche Aufgabenstellungen- ohne technische Kenntnisse

X

Aktivitäten in der Zukunft planen

KL: Vorbereiten/Bereitstellen von Aufgaben Aufgabe der Rolle Tutor

X

Benutzerverwaltung Kommunikation: adressierte KommunikationWM und KL: individuelle Zugänge

X

Inhalte einstellen Inhalte = Material und Kommuni-kationsbeiträge (Annotationen)

Erleichtertes Einstellen von Materialien

KL/WM: Wissen explizieren- von allen Nutzern- ohne technische Kenntnisse

X X

Material ändern KL-Prozess: Wissen weiterentwickeln X XSegmentierbarkeit der Materialien

KL-Prozess: Wissen weiterentwickelnKommunikation: Kontext explizieren/referenzierenAnnotationskonzept:hohes Maß an DirektheitÜbernahme von Kommunikationsinhalten in das Material

X X X X

erleichtertes Einstellen von Annotationen

WM/KL: Anmerkungen anfügen- von allen Nutzern- ohne technische Vorkenntnisse

X X X X

Anschlussfähigkeit von Annotationen

Annotationskonzept: Annotieren von Annotationen als eine KommunikationsartWM-Studie: auch Diskussion an den Inhalten

X

Wiederverwendbar-keit von Kommunikations-beiträgen

Kommunikation:Kontext explizieren/referenzierenAblage vergangener Kommunikationsbeiträgebessere Leistung in konvergenten Prozessen

X X

synchrone Kommunikations-unterstützung

Kommunikation: Synchronität für konvergente Prozesse

X

Eigenschaften von Inhalten

Inhalte = Material und Kommuni-kationsbeiträge (Annotationen)

freie Formulierungs-möglichkeiten

Kommunikation:- Kontext verfügbar machen- Ausdrucksvielfalt

X X X X

Multimediaelemente Kommunikation:- reduzierte Ausdrucksmöglichkeiten kompensierenKL: Mediendidaktik

X X

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162 Anforderungen an eine integrierte Umgebung

Metadaten WM: zur Einschätzung der Beiträge X X X Xflexible Zuordnung von Rechten

Kommunikation: Aufmerksamkeitssteuerung; auf das Wesentliche lenkenAnnotationskonzept: Annotationen direkt adressierbarKL-Prozess: Übergang vom individuellen zum kollaborativen LernenWM-Studie: geschlossene und offene Bereiche unterstützenKL/WM: Definition von Lern-/Arbeitsgruppen

X X X

Darstellung von Inhalten

Inhalte = Material und Kommuni-kationsbeiträge (Annotationen)

Strukturierung von Inhalten

Kommunikation:Beitrag für andere nachvollziehbar machenWM-Studie: Auffinden von Kontextinformationen

X X X

Struktur der Inhalte anzeigen

Kommunikation: Zusammenhänge erkennen und in einen Kontext bringenWM: schnelles Auffinden von Problemlösungen

Hide & Show Mechanismen

Kommunikation:- Bekanntes auslassen- Unwichtiges verbergenAnnotationskonzept: ggf. Annotationen ausblendbarWM-Studie: unterschiedliche Qualität von Inhalt und Kommentar

X X X X

verschiedene Präsentationstypen anzeigen

Kommunikation: verschiedene SichtenAnnotation und Material unterscheidbarKL: Mediendidaktik

X X X X

integrierte Darstellung von Materialien und Kommunikations-beiträgen

Kommunikation: Kontext explizieren/referenzierenAnnotationskonzept: hohes Maß an DirektheitWM-Studie:- bessere Nachvollziehbarkeit von Inhalten- Verbindung von Kommunikationsbeiträgen und Kontextinformationen- geeignete Platzierung von Kommentaren

X X X X

Umgang mit Inhalten Inhalte = Material und Kommuni-kationsbeiträge (Annotationen)

einfacher Zugriff auf vorhandene Materialien

Kommunikation:eigenes Wissen einbeziehenKontext rekonstruierenVorwissen des Kommunikationspartners einschätzenKL: Möglichkeit zur Rezeption vorhandener Materialien

X X X

Anforderungen Begründungen P1

P2

P3

P4

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Anforderungen an ein technisches System 163

Tabelle 15. Anforderungen an eine integrierte Umgebung

5.1.1 Die Unterstützung der Vorbereitung

Eine integrierte Umgebung soll einer ausgezeichneten Rolle ermöglichenMaterialien und ggf. Aufgabenstellungen ohne weiterführende technischeKenntnisse zur Verfügung zu stellen. Dabei ist auch die Möglichkeit zurEinstellung von multimedialen Materialien vorzusehen, die vom Lehrendenggf. auch geändert oder ergänzt werden können. Zum Einstellen und Dar-stellen von Inhalten sollen Lehrenden und Lernenden die gleichen Funktio-nalitäten zur Verfügung gestellt werden. Damit zusammenhängendeAnforderungen werden in den folgenden Abschnitten ausführlicher darge-stellt.

Zudem muss das integrierte System personalisierte Zugänge durch eineBenutzerverwaltung zur Verfügung stellen, um darauf aufbauend gezielt

Awarenessdienste Kommunikation:- Wahrnehmung des extra-kommunikativen Verhaltens anderer- Awarenessforschung

X X

Informationen über andere anzeigen

Kommunikation:- Einschätzung des Kommunikationspartners- Herausbildung eines PartnerbildesWM-Studie: Informationen zur Einschätzung von Beiträgen anderer

X X

Verlinken KL: - von anderen lernen- gemeinsames Ergebnis erarbeiten- kollaborativer Lernprozess

X X

Kopieren KL: - von anderen lernen- gemeinsames Ergebnis erarbeiten- kollaborativer Lernprozess

X X

Suche Kommunikation und WM-Studie: Auffinden von KontextinformationenKL-ProzessWM: schnelles Problemlösen

X X

Filter KL-Prozess XBewertung KL-Prozess X XAushandlung unterstützen

KL: gemeinsames Ergebnis als Ziel kollaborativen Lernens, Konvergenz

X

Anforderungen Begründungen P1

P2

P3

P4

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164 Anforderungen an eine integrierte Umgebung

Zugriffsrechte auf Inhalte im System zuweisen zu können. Ein Lehrenderkann diese Funktionalitäten nutzen, um die Lernenden in Gruppen einzu-teilen und seine Materialien für bestimmte Gruppen von Lernenden zurVerfügung zu stellen.

5.1.2 Einstellen von Inhalten

In diesem Abschnitt wird auf Anforderungen eingegangen, die sich auf dasEinstellen von Inhalten, also Materialien und Kommunikationsbeiträgen,beziehen.

In einer integrierten Umgebung soll es sowohl Lehrenden als auch Lernen-den möglich sein, Materialien einstellen zu können. Dieses betrifft dieersten beiden Phasen des kollaborativen Prozesses. In Tabelle 15 wird von„erleichtertem Einstellen“ gesprochen und meint das Einstellen ohne wei-tere technische Kenntnisse wie etwa die HTML-Programmierung. Im ein-fachsten Fall muss die integrierte Umgebung eine formularbasierteEingabe ermöglichen. Wie bei Lehrenden auch müssen diese Materialienänderbar sein. Diese Anforderung gilt auch für das Einstellen von Annota-tionen, die je nach Verwendung unterschiedliche Phasen betrifft (Anmer-kungen für sich selbst P2/P3, für andere P4, vom Lehrenden P1).

Wie bereits einleitend erwähnt, soll auch die Kommunikation unter den Teil-nehmern durch Annotationen realisiert werden. Neben den gerade formu-lierten Anforderungen zum Einstellen von Inhalten kommt zusätzlich hinzu,dass Annotationen anschlussfähig sein müssen, d.h. dass Annotationen zuAnnotationen zu unterstützen sind. Zudem ist eine synchrone Kommunika-tionsunterstützung vorzusehen, die schnelles Nachfragen z.B. bei fehlen-den Kontextinformationen erlaubt. Diese Anforderungen betreffen diePhasen der Kollaboration (P4).

Das Annotieren in den Materialien wird dann möglich, wenn das Systemdie Segmentierung schon existierender größerer Einheiten von Inhaltunterstützt. Dies betrifft die Phasen P2 und P3. Als Segmente werden hierAbsätze vorgeschlagen, so wie dies auch aus den Systemen, die auf demKonzept der Annotationen beruhen, bekannt ist. Hier wird vermutet, dassdiese Segmentgröße ein guter Mittelweg ist zwischen Dokumenten alsMonolith im System (so wie bei Systemen, bei denen auch Lernende dieBerechtigung zum Einstellen von Materialien haben) und Wörter (so wiedies bei Textverarbeitungsprogrammen verwendet wird), so dass das Ein-

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Anforderungen an ein technisches System 165

stellen für alle bei gleichzeitiger kontext-orientierter Kommunikation umge-setzt werden kann. Die Unterteilung in Segmente erlaubt auch dieWeiterentwicklung vorhandenen Materials (P2).

5.1.3 Elemente von Inhalten

Um Ausdrucksvielfalt anbieten zu können, sind Multimediaelemente sowiefreie Formulierungsmöglichkeiten als Repräsentationsmöglichkeiten vonInhalten zu unterstützen.

Damit Inhalte aufgefunden und in einen Zusammenhang gebracht werdenkönnen, sind im System Metadaten wie Autor, Einstell- und Änderungsda-tum vorzusehen. Diese sind von der integrierten Umgebung automatischhinzuzufügen und müssen für Nutzer sichtbar sein. Zudem sollten dieseMetadaten auch mit einer Suche (vgl. folgenden Abschnitt) kombiniert wer-den können. Eine flexible Zuordnung einer Gruppe von Rezipienten zu denMaterialien ist für eine integrierte Umgebung notwendig, um sowohl indivi-duelles als auch gemeinsames Lernen in unterschiedlichen Gruppenkon-stellationen zu unterstützen. Erst diese flexible Zuordnung ermöglicht dieunterschiedlichen Phasen des kollaborativen Prozesses.

Die Anforderungen an das Einstellen von Materialien und Annotationenähnelt sich sehr: Ebenso wie bei Materialien ist auch bei Anmerkungendafür zu sorgen, dass freie Formulierungsmöglichkeiten und eine Möglich-keit zur Multimedialität zur Verfügung stehen. Trotz dieser starken Paralle-len wird in dieser Arbeit dafür plädiert, Annotationen und Material für dieNutzer unterscheidbar darzustellen, da Annotationen als Kommunikations-beiträge gelten sollen, auf deren Basis auch Austausch zwischen den Teil-nehmern stattfindet. Um eine Adressierung der Anmerkungen zu erzielen,ist es hier von besonderer Relevanz, dass flexibel Empfänger bestimmtwerden können. Dies ist für Kommunikationsunterstützungen wie z.B.E-Mailprogramme eine Selbstverständlichkeit, wird aber bei solchen tech-nischen Systemen, die sich auf die Ablage von Materialien konzentrieren,mitunter nicht beachtet.

5.1.4 Darstellen von Inhalten

Das System sollte eine strukturierte Ablage der Inhalte unterstützen unddie Inhalte gemäß dieser Struktur auch anzeigen. Gleichzeitig ist die Dar-stellung unterschiedlicher Präsentationstypen zu unterstützen, damit die

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166 Anforderungen an eine integrierte Umgebung

eingestellten, ggf. auch multimedialen Materialien von den Lernenden indem System wahrgenommen werden können. Dies erlaubt in allen Phasendes kollaborativen Prozesses die Orientierung in den Inhalten (durch dieStruktursicht) sowie die Wahrnehmung der Inhalte in ihrer Darstellungsart,z.B. multimediale Materialien (durch die Darstellungssicht). Um den Ler-nenden eine Wahl zu geben, welche Teile des Materials sie angezeigtbekommen und welche zunächst verborgen bleiben sollen, sind darüberhinaus Funktionalitäten zur flexiblen Ein- und Ausblendung durch den Nut-zer (sogenannte Hide & Show-Mechanismen) zu unterstützen. Zudem kön-nen Hide & Show-Mechanismen in Situationen, in denen Materialien undAnnotationen vorhanden sind, dafür sorgen, dass Lernende bei Bedarfzunächst die Inhalte rezipieren und anschließend durch Einblenden auchdie Anmerkungen angezeigt bekommen.

Eine zentrale Anforderung ist hier die integrierte Darstellung von Materia-lien und Kommunikationsbeiträgen, die eine bessere Nachvollziehbarkeitvon Materialien ermöglicht und die gemeinsame Wahrnehmung von Kom-munikationsbeiträgen und der Kontextinformationen in Form von Materia-lien oder anderen Kommunikationsbeiträgen unterstützt.

5.1.5 Umgang mit Inhalten

Die integrierte Umgebung soll Möglichkeiten anbieten, auf Beiträge ande-rer achten und diese wahrnehmen zu können, indem sie Zugriff auf vorhan-dene Materialien (abhängig von den Rechten) und solche Funktionalitäten,die die Möglichkeit zur Wahrnehmung der Aktivitäten anderer (sogenannteAwarenessdienste, vgl. Kapitel 3) zur Verfügung stellt. Solche Awaren-essdienste sind im einfachsten Falle z.B. die Anzeige neu eingestellter Bei-träge oder das Lesen von Beiträgen durch andere. Damit unterstützt dieintegrierte Umgebung besonders die Phase des Lernens am Materialanderer (P3), aber auch die anderen Phasen, in denen auf Inhalte zugegrif-fen wird (P2/P4).

Zudem sollten Informationen über andere abrufbar sein, um die Einschät-zung von Materialien und Kommunikationsbeiträgen zu erleichtern. Ebensosind Funktionalitäten des Suchens, Filterns und Bewertens zur Unterstüt-zung des kollaborativen Prozesses und insbesondere der Phase des Ler-nens am Material anderer (P3) zu unterstützen. Die Suche sollte dabeiauch auf den bereits zuvor geforderten Metadaten operieren, d.h. es sollte

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Anforderung an die Organisation des kollaborativen Prozesses 167

beispielsweise die Suche nach Inhalten eines bestimmten Autors möglichsein.

Um den gesamten kollaborativen Prozess zu unterstützen, dessen Ergeb-nis die Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis ist, muss die integrierteUmgebung auch den Schritt der Aushandlung unterstützen. Eine weitereAusdifferenzierung dieser Anforderung ist zu diesem Zeitpunkt nicht mög-lich, da bislang keine praktischen Erfahrungen mit der Unterstützung dieserPhase existieren. Es wird aber erwartet, dass dies im weiteren Verlauf die-ser Arbeit während der Konzeption oder Evaluation einer integriertenUmgebung möglich sein wird.

5.2 Anforderung an die Organisation des kollaborati-ven ProzessesAuf die Notwendigkeit einer ausgezeichneten Rolle, die den kollaborativenProzess organisatorisch begleitet, wurde bereits in Kapitel 2 hingewiesen.Diese Notwendigkeit bestätigte sich in den Untersuchungen zu Kommuni-kationsaufkommen in kollaborativen Lernprozessen (vgl. Kapitel 3.1.2).Einige der hier zu fordernden Aktivitäten zur Organisation des kollaborati-ven Prozesses werden durch technische Funktionalitäten, sowie sie im ver-gangenen Abschnitt gefordert wurden, unterstützt. Andere dieserAktivitäten sind mit Hilfe der für alle zur Verfügung stehenden Funktionalitä-ten auszuführen.

Tabelle 16. Anforderungen an die Organisation des kollaborativen Prozesses

Im Wesentlichen teilen sich die notwendigen Aktivitäten in Aktivitäten derVorbereitung (z.B. Aufgaben einstellen) und in Aktivitäten zur Begleitungder Lernenden (z.B. Diskussionen anstoßen). Dabei wird hier Unterstüt-

Anforderungen BegründungenAufgaben einstellen KL: fiktive Aufgabenstellung

WM: Aufgabe vorhandenInhaltsstruktur vorbereiten KL:

- kollaborativer Prozess- Rollen: Bereitstellen von Inhalten/Tutor

Diskussion anstoßen WM-Studie: geforderte AufgabeDiskussionsprozess strukturieren Kommunikation: mehrere Beteiligte

koordinierenKL: Rolle Moderator

Fragen beantworten KL: Rolle ExperteWM-Studie: Anwendung in Unternehmen 1

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168 Anforderungen an eine integrierte Umgebung

zung sowohl bei der Strukturierung des kollaborativen Prozesses als auchbei den inhaltlichen Problemen gefordert, da nach den Analysen in Kapitel2 von beiden positive Auswirkungen auf den kollaborativen Prozess erwar-tet werden. Eine weitere Differenzierung ist an dieser Stelle genauso wenigmöglich wie bei der technischen Gestaltung der Aushandlungsfunktionali-tät. Auch hier wird aber erwartet, dass eine Detaillierung im Verlauf dieserArbeit möglich sein wird.

5.3 ZusammenfassungDie Anforderungen an die integrierte Umgebung lassen sich einem odermehreren der Bereiche Kommunikation (K), kollaboratives Lernen (KL)und/oder Wissensmanagement (WM) zuordnen. Dabei ist zentral, dasseinfaches Einstellen auch multimedialer Inhalte (K, KL) mit dazugehörigenMetadaten (WM) möglich sein muss. Eine strukturierte Ablage der Inhalte(WM) und ihre flexible Darstellung mittels Hide & Show-Mechanismen (KL,K) muss den einfachen Zugriff auf bestehendes Material (KL, K, WM), unteranderem auch durch eine Suche (WM, KL) unterstützen.

Eine Besonderheit stellt die Integration von Kommunikation und Materialdar. Zur kontextualisierten Kommunikation ist die Segmentierbarkeit derInhalte zu beachten (K). Zudem ist eine synchrone Kommunikationsunter-stützung vorzusehen, die Interaktivität ermöglicht (K). In jedem Falle sindfreie Formulierungsmöglichkeiten vorzusehen. Zusätzlich sind Informatio-nen über andere bereitzustellen (WM) und die Wahrnehmung ihrer Aktivitä-ten (Awarenessdienste, K) zu ermöglichen.

Ergänzt werden diese Forderungen nach einfachem Einstellen und einerintegrierten Darstellung von Material und Kommunikationsbeiträgen umForderungen nach einem differenzierten Rechtekonzept, das zur Aufmerk-samkeitssteuerung (K), zur Unterstützung der Diskussion auch in kleinerenGruppen (WM) und zur Unterstützung der unterschiedlichen Phasen deskollaborativen Prozesses (KL) von zentraler Bedeutung ist. Zur Erreichungdes Ziels kollaborativer Prozesse ist der Aushandlungsprozess zu unter-stützen (WM, KL).

Bezüglich der Organisation des kollaborativen Prozesses konnten Aktivitä-ten zusammengestellt werden, die sich auf die Vorbereitung und dieBegleitung beziehen. Eine weitere Differenzierung dieser Aktivitäten wirdim weiteren Verlauf dieser Arbeit erwartet.

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Kapitel 6. Entwicklung der integrierten Umge-bung KOLUMBUS

In diesem Kapitel wird die Entwicklung der integrierten UmgebungKOLUMBUS beschrieben (Abschnitt 6.1). KOLUMBUS verbindet kolla-boratives Lernen und Wissensmanagement, indem das in Kapitel 3 vor-gestellte Konzept der Annotationen umgesetzt wird. An Hand derAktivitäten des kollaborativen Prozess des Lernens und Arbeitens wer-den in Abschnitt 6.2 die wesentlichen Funktionalitäten von KOLUMBUSund ihr Zusammenspiel vorgestellt. Abschließend werden besondersstark diskutierte Funktionalitäten zusammengefasst (Abschnitt 6.5), aufdie ein besonderes Augenmerk bei der dann folgenden Evaluation gelegtwerden soll.

6.1 Realisierung der integrierten Umgebung KOLUMBUS Die integrierte Umgebung KOLUMBUS setzt auf dem technischen Standder Forschung zum Zeitpunkt der Entwicklung (2000/2001) auf. DieAutorin dieser Arbeit gab nicht nur durch die Zusammenstellung derAnforderungen wesentlichen Input bei der konzeptionellen Arbeit, son-dern begleitete auch den gesamten Entwicklungsprozess von der Aus-wahl der Plattform bis zur Testphase. Die Programmierung wurde voneinem studentischen Projekt geleistet.

Wegen der Fülle der gefundenen Anforderungen wurde in diesem erstenSchritt eine Selektion vorgenommen. Die realisierten Funktionalitätenkonzentrieren sich auf die Möglichkeit zur vereinfachten Einstellung vonMaterialien und der Unterstützung der Kommunikation sowie deren Inte-gration auf Basis des Annotationskonzeptes. Zudem sollte Aushandlungbesonders beachtet werden, da sie als notwendiger Schritt des hier ent-wickelten kollaborativen Prozesses erkannt, aber bislang in bestehendenSystemen nicht umgesetzt wurde. Mit Hilfe dieses Prototypen solleneinerseits Erfahrungen bzgl. der Eignung des Annotationskonzeptes fürdie Integration von Material und Kommunikation gesammelt werden.Andererseits soll erprobt werden, wie der gesamte kollaborative Prozesseinschließlich der Aushandlung technisch unterstützt werden kann. Mit

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170 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Hilfe der gewonnenen Erfahrungen sollen weitere Verbesserungspoten-ziale für die Gestaltung einer integrierten Umgebung gefunden werden.

6.1.1 Technische Anforderungen

Am Anfang des Entwicklungsprozesses standen neben den zuvor darge-stellten inhaltlichen Anforderungen auch technische Anforderungen, wel-che die integrierte Umgebung KOLUMBUS erfüllen sollte. DieseAnforderungen entstanden teilweise aus den vorherigen inhaltlichen Über-legungen:

• Es sollte sich um eine Plattform handeln, die ohne weiteren Installa-tionsaufwand das zeit- und ortsunabhängige kollaborative Lernenunterstützt. KOLUMBUS sollte zudem so entwickelt sein, dass esweitestgehend unabhängig von verwendetem Browser und einge-setzter Plattform ist. Hier liegt eine webbasierte Umgebung nahe,die auf Basis der Hypertext-Markup-Language (HTML), einer zumZeitpunkt der Entwicklung standardisierten Sprache, die den Zugriffauf und die Erweiterung von Inhalten ermöglicht, aufsetzt. Als Pro-tokoll bietet sich hier das meistverwendete Protokoll zum Datenaus-tausch im Internet, das Hypertext-Transfer-Protocol (HTTP), an.

• In der integrierten Umgebung sollen Inhalte abgelegt werden, dievon jedem Teilnehmer eingestellt werden können. Diese Inhalte sol-len zudem in kleinen Einheiten, hier Items genannt, verwaltet wer-den. Dabei entsteht eine große Menge von Objekten, dieuntereinander in Beziehung stehen, so dass es sich hierbei ummehr als ein Filesystem handeln muss. Hier liegt die Verwendungeiner zentralen Datenbank nahe.

• Um die Entwicklung im Rahmen der zur Verfügung stehendenResourcen bewältigen zu können, ist eine weitere Voraussetzung,dass das System möglichst auf bestehende Plattformen aufsetzt,welche Grundfunktionalitäten zur Verfügung stellen und sich dieEntwicklung so auf die Umsetzung innovativer Konzepte konzen-trieren kann.

6.1.2 Verwendete Plattform und Sprachen

Vor dem Hintergrund der theoretischen und technischen Anforderungenwurde als Basis der Web-Applikation-Server Zope verwendet. Damit wurdeeine Open-Source Plattform ausgewählt, auf der einerseits dynamische

der Web-Applika-tion-Server Zope

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Realisierung der integrierten Umgebung KOLUMBUS 171

HTML-Seiten für potenzielle Nutzer erzeugt werden können und die ande-rerseits Entwicklern ein hohes Maß an Erweiterbarkeit für eine Vielzahl dergeforderten Funktionen bietet. Der integrierte Webserver ermöglichtschnelle Anfragen auf die gespeicherten Inhalte, so dass keine langenWartezeiten für die Nutzer entstehen. Mit der Entscheidung für Zope wurdezugleich eine Datenbank ausgewählt. Zope verwendet eine eigene, objekt-orientierte Datenbank (ZODB) zur Ablage der Daten. Nutzer greifen überein Webinterface, das eigens für KOLUMBUS entwickelt wurde, auf denWeb-Applikation-Server zu, der ihnen die gewünschten Daten liefert.

Zur Erweiterung der bestehenden Funktionalität von Zope kommen wäh-rend der Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS die DynamicTemplate Markup Language (DTML), Python und Javascript zum Einsatz.Dabei ist DTML eine Skriptsprache, die Zope standardmäßig zur Darstel-lung dynamischer Inhalte anbietet. Ähnlich wie in anderen Skriptsprachen(z.B. PHP) werden Befehle oder Kontrollstrukturen in den HTML-Code derSeiten eingebunden. Wird eine solche Seite vom Browser des Clientsangefordert, so prüft der Web-Applikation-Server zunächst eventuell vor-handene DTML-Blöcke. Diese werden auf dem Server ausgeführt, bevorder Server die Seite in regulärem HTML-Format an den Browser sendet.

Die objektorientierte Skriptsprache Python wurde gewählt, weil Zope inPython entwickelt wurde und dadurch systemnahe Erweiterungen leicht zurealisieren waren. Zudem standen zum Zeitpunkt der Entwicklung umfang-reiche Bibliotheken, z.B. für Netzwerkaufgaben, zur Verfügung. Eine dyna-mische, strukturierte Sicht auf die Inhalte sowie die Entwicklung des Menüswurde durch Javascript realisiert, einer Standardsprache, um interaktiveInhalte im Internet browserübergreifend darzustellen. Javascript wird vonden meisten zum Zeitpunkt der Entwicklung gängigen Browsern unter-stützt.

Um das vereinfachte Einstellen von Materialien zur Verfügung stellen zukönnen, die in kleine Einheiten unterteilt werden, wurde die eXtensibleMarkup Language (XML) eingesetzt. XML befand sich zur Zeit derKOLUMBUS-Entwicklungsphase auf dem Weg zur Standardisierung. DenNutzern wird vom System eine KOLUMBUS-eigene Document-Type-Defi-nition (DTD) zur Verfügung gestellt (vgl. folgenden Abschnitt). Zudemwurde für Microsoft Word ein Template in Visual Basic entwickelt, das Vor-lagenformate erkennt und ein XML-Dokument gemäß der Kolumbus.dtderzeugt.

DTML

Python und Javaskript

Materialien ein-stellen auf Basis von XML und Word-Template

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172 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

6.1.3 KOLUMBUS-Umsetzung

Mit dem Web-Applikation-Server Zope ist eine Menge an Grundfunktionali-täten bereits vorhanden. So bestand das Entwicklungsprojekt vornehmlichaus der Sichtung dieser bereits vorhandenen Komponenten und derErgänzung um notwendige eigene Klassen bzw. Python-Routinen, welchedie geforderten Funktionalitäten umsetzten. Abbildung 24 gibt einen Über-blick über die Architektur der integrierten Umgebung KOLUMBUS.

Dabei konnte zur Unterstützung der Entwicklung der grafischen Benutzer-oberfläche das vorhandene Zope-Produkt ZStyleSheet genutzt werden. Indiesem Produkt werden alle in KOLUMBUS verwendeten StyleSheetszusammengefasst. Zur Entwicklung einer Suche wurde auf das ProduktZCatalog zurückgegriffen; es stellt die Zope-Funktionen zur Verfügung, diefür die Ausführung einer Suchanfrage benötigt werden.

Abbildung 24. KOLUMBUS-Architektur

Zusätzlich wurden vier KOLUMBUS-Klassen auf DTML-Basis ergänzt(eine Übersicht über die Methoden dieser Klassen finden sich in AnhangB). Mit diesen Klassen wird es zunächst möglich, mit beliebigen Inhalten inder integrierten Umgebung umzugehen, diese z.B. hinzuzufügen, zu kopie-ren, zu ändern oder zu löschen. Kommunikationsbeiträge in Form vonAnnotationen werden aus dieser technischen Sicht als eine spezielle Formvon Items angesehen, die sich nur durch ihre Darstellung von anderen

KOLUMBUS

ZOPE

ZServer

ZODBZODB

ZOPECORE

ClientJavascript VBA XMLJava

ZProducts

kFolderClass

kNegotiationClass

kTaskClass

kUserClass

ZCatalog

ZStyleSheet

Python DTML

ZClasses

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Realisierung der integrierten Umgebung KOLUMBUS 173

Items, die Materialien repräsentieren, unterscheiden. Auf der Systemseitehat also eine vollständige Integration von Kommunikationsbeiträgen undMaterialien stattgefunden.

Durch eine sogenannte Benutzerklasse werden personalisierte Zugängemöglich. Außerdem bildet die Benutzerklasse die Basis zu einem differen-zierten Rechtekonzept. Zusätzlich wird der Aushandlungsschritt in einereigenen Klasse gekapselt und eine Klasse zur Planung zukünftiger Aufga-ben vorgesehen. Nachfolgend werden die einzelne Klassen detaillierterdargestellt.

kFolderClass

Sämtliche Objekte in der ZODB, die den eigentlichen Inhalt in Form vonItems darstellen, sind Instanzen dieser Klasse. Die kFolderClass bietet diemeisten und gleichzeitig zentralen Methoden wie beispielsweise Naviga-tion, Hinzufügen, Ändern und Löschen. Damit ist diese Klasse auch für dieDarstellung der Internetseiten verantwortlich und realisiert eine Ansicht aufdie Struktur der Inhalte (sog. Baumansicht) sowie eine Ansicht, die Inhaltein ihrer Präsentationsart zeigt und Text, Grafik o.ä. kombiniert (sog. Zei-tungsansicht). Eine detaillierte Beschreibung der Baum- und Zeitungsan-sicht, so wie sie sich dem Nutzer präsentieren, findet sich auf S. 183.Zwischen den verschiedenen Itemtypen differenziert die kFolderClass überein entsprechendes Attribut „ktype“. Insbesondere bedeutet dies, dass alleüber kFolderClass instanziierten Items die gleichen Attribute haben.KOLUMBUS stellt folgende Itemtypen zur Verfügung:

• kItem: Text, der über ein Formular eingegeben wird und im Systemangezeigt werden

• kDocument: kennzeichnet den Wurzelknoten eines Dokuments

• kBinary: Binärdateien, für die KOLUMBUS ein Download anbietet

• kPicture: Bilder, die zusammen mit anderen Items wie Text, Anno-tationen etc. in KOLUMBUS angezeigt werden

• kURL: Hyperlinks, die sich dem Benutzer als aktive Links inKOLUMBUS präsentieren

• kAnnotation: Annotationen, die im System angezeigt werden

Wegen dieser Menge an unterschiedlichen Item Typen wurde in der kon-kreten Umsetzung von KOLUMBUS auf eine weitere Differenzierung von

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Kommunikationsbeiträgen wie z.B. die Unterscheidung von Fragen undAntworten oder inhaltlicher und organisatorischer Beiträge verzichtet.

kUserClass

Diese Klasse stellt einen dem System bekannten Benutzer dar. In ihr wer-den alle Daten des Benutzers abgelegt und verwaltet. KOLUMBUS stelltdrei unterschiedliche Rollen mit verschiedenen Rechten zur Verfügung.Nutzer können über zur Verfügung stehende Menüpunkte Daten einstellenund modifizieren (kopieren, ändern, aushandeln), vorhandene Inhalte rezi-pieren (navigieren, suchen, filtern) und Gruppen anlegen. Veranstalter kön-nen darüber hinaus Veranstaltungen anlegen, neue Benutzer eintragenund Gruppen definieren. Administratoren haben direkten Zugriff auf denWebapplikationserver und den KOLUMBUS-Sourcecode.

kNegotiationClass

Diese Klasse bildet Aushandlungen im System ab und stellt die zur Durch-führung der Aushandlung benötigten Funktionen bereit. Eine Instanz dieserKlasse wird durch eine Methode aus der kFolderClass erzeugt, die auchdie an einer Aushandlung beteiligten Personen identifiziert und für dieseInstanzen der Klasse kParticipant erzeugt. Instanzen der Klasse kPartici-pant stellen die an einer Aushandlung beteiligten Personen dar. Neben derzur Identifikation des Nutzers notwendigen Attribute wird hier vor allem dieabgegebene Stimme personalisiert gehalten.

kTaskClass

Ein kTask ist ein geplantes Event, das durch ein Datum und eine auszufüh-rende Aktion gekennzeichnet ist. Objekte dieser Klasse werden im „Task“-Ordner des KOLUMBUS-Systems abgelegt. Sobald das Datum erreicht ist,wird die Aktion durchgeführt und der Task gelöscht. Diese Klasse unter-stützt z.B. Lehrende dabei, Inhalte vorzubereiten und diese zu unterschied-lichen Zeitpunkten zu veröffentlichen oder zu sperren.

Erweiterungen

Zusätzlich zu den oben genannten Klassen wurden erweiternde Python-Routinen hinzugefügt, die im Gegensatz zu den Klassen systemnähereImplementierungsarbeit bedeuten und eine ZOPE-Erweiterung darstellen.Python-Routinen werden auch von den Klassen genutzt; so ruft beispiels-weise die Aushandlungsklasse (kNegotiationClass) eine Python-Routine

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auf, die E-Mails an Teilnehmer der Aushandlung versendet. Eine Übersichtüber diese Routinen finden sich in [PG 356 (2001)] und in Anhang B. Soexistieren Routinen zur Erzeugung eines Objektes der Klasse kFolder bzw.kItem, die faktisch neue Inhalte in der ZODB anlegen. Zudem existierenRoutinen zur Auswertung von Bewertungen von Items oder das Anlegengeplanter Aktionen. Auch das Einstellen von XML-Dokumenten wurde inPython-Routinen realisiert.

Eine Python-Routine „awareness.py“ bezieht sich auf die Wahrnehmungneuer Beiträge. Neue Items werden mit einem Flag als „Neu“ gekennzeich-net. Wegen der starken Segmentierung der Inhalte wurde dafür plädiert,die „Neu“-Kennzeichnung nicht an den Vaterknoten hochzureichen, daschon bei Änderung eines einzelnen Abschnittes (Segmentes) der Vaterals „Neu“ markiert werden würde. Dies hätte zur Folge, dass Items aufhöheren Ebenen ständig als „Neu“ gekennzeichnet seien und damit derZweck dieser Kennzeichnung verfehlt werde. Mit dieser Entscheidung wirdin Kauf genommen, dass Änderungen innerhalb eines Unterbereiches aufder obersten Ebene nicht gekennzeichnet werden.

Zudem wurde im Verlaufe des Entwicklungsprozesses in der Entwickler-gruppe für die Sichtweise gestimmt, dass das bloße Anklicken einesbestimmten Inhaltes nicht mit dem Wahrnehmen des Inhalts gleichsetzbarsei. Dies hatte Auswirkungen auf den Umgang mit der „Neu“-Kennzeich-nung, die in vielen Systemen bereits beim Anklicken eines Items erlischt. InKOLUMBUS soll ein Nutzer dagegen selbst entscheiden, ab wann einInhalt nicht mehr als „Neu“ gekennzeichnet werden soll. Dafür werdendurch die Routine „awareness.py“ für einen Nutzer durch Nutzung derFunktion „Änderung“ unbestätigte Änderungen ab einem bestimmten Kno-ten in einer Liste zusammengestellt. Diese Änderungen können ebenfallsmit Hilfe dieser Routine von dem Nutzer bestätigt werden. Dieses Verfah-ren hat zwar zur Folge, dass durch die Bestätigung ein zusätzlicherArbeitsschritt bei den Nutzern entsteht. Dafür erhält der Nutzer eine bes-sere Übersicht darüber, welche Inhalte er schon wahrgenommen und ent-sprechend bestätigt hat.

Das verwendete HTTP-Protokoll ermöglicht eine Verbindung zwischenServer und Client nur dann, wenn diese vom Client initiiert wird. Es wirdinsbesondere keine serverseitige Push-Strategie unterstützt. Eine stetigeAnfrage der Clientseite nach dem auf dem Server gehaltenen Online-Sta-tuses würden einen zu hohen Netzwerkverkehr nach sich ziehen. Eine

Neu-Kennzeich-nung

Awareness

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andere Strategie wäre es, über andere Protokolle einen Server-Push zurealisieren. Dies jedoch erfordert eine Installation von Software auf demClientrechner. Da KOLUMBUS wie geplant auf dem HTTP-Protokoll basie-ren und keine weitere Softwareinstallation oder auch das Ausführen vonApplets auf den verwendeten Rechnern notwendig machen sollte, wurdefür KOLUMBUS entschieden, eine Anzeige angemeldeter Nutzer nichtumzusetzen.

Andere Python-Routinen realisieren das Ändern von Urheber- bzw. Emp-fängergruppen. Mit dem Urheber- und Empfängerattribut werden unter-schiedliche Perspektiven auf den Inhalt umgesetzt. So besitzt jedes Item inKOLUMBUS die Attribute Urheber und Empfänger. Als Standardeinstel-lung wird hier die Kombination Urheber=Empfänger=Einsteller gewählt.Dies realisiert den Ansatz, dass in einem ersten Schritt Lernende Inhaltefür sich selbst erarbeiten. Durch den Aufruf der Python-Routinen könnendiese Attribute verändert werden. Mit den Attributen sind folgende Einstel-lungen verbunden:

• Attribut Urheber: Nutzer, die als Urheber eines Items eingetragensind, dürfen dessen Inhalt verändern, haben das Recht das Item zulöschen und können bei der Festlegung der Empfängerliste mitwir-ken. Der Urheber eines Items ist gleichzeitig immer Empfänger.

• Attribut Empfänger: Benutzer, die als Empfänger eines Items ein-getragen sind, dürfen dessen Inhalt lesen und können neue(eigene) Items als Kinder des jeweiligen Items erstellen. Sie dürfenden Inhalt des Items jedoch nicht verändern.

Die Zuweisung unterschiedlicher Urheber und Empfänger stellt eine Mög-lichkeit zur Realisierung des allgemeinen und abstrakten Modells der ver-schiedenen Perspektiven dar. Diese Realisierung wurde gewählt, weil dieMetapher der Zuordnung von Urhebern und Empfängern für Studierendeleichter verständlich als das Perspektivenkonzept nach [Stahl & Herrmann(1999)] schien, da diese beispielsweise der Benutzung von E-Mailanwen-dungen, bei denen mit Sendern und Empfängern operiert wird, eherbekannt und leichter adaptierbar sei. Zudem ermöglicht diese Umsetzungdurch die Erweiterung des Empfängerkreises auf einfache Art und Weiseden Übergang von individueller zu gemeinsamer Arbeit.

Auch die kNegotiationClass, die die Aushandlung umsetzt, operiert auf die-sen Attributen. Eine Aushandlung bedeutet in KOLUMBUS entweder das

Perspektiven in KOLUMBUS

Aushandlungs-parameter

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Realisierung der integrierten Umgebung KOLUMBUS 177

Zustimmen zu der Menge von Urhebern bzw. zu der Erweiterung derMenge von Empfängern. Bei Erweiterung der Urhebergruppe wird von Ver-antwortungsaushandlung gesprochen; die Erweiterung der Empfänger-gruppe wird Publikationsaushandlung genannt. Im Verlaufe desEntwicklungsprozesses wurde nach kontroversen Diskussionen entschie-den, dass hier die Aushandlung getrennt vom eigentlichen Diskussionspro-zess zu sehen sei und damit Diskussionen bzw. inhaltliche Beiträge bei derAushandlung nicht weiter zu unterstützen seien. Das stärkste Gegenargu-ment zeigte sich in den Forschungsarbeiten zur Aushandlung in WebGuide[Stahl & Herrmann (1999)], bei der eine Begründung der abgegebenenStimmen vorgesehen wurde. Für diese Entscheidung sprach vor allem dasArgument, dass eine Integration von Abstimmung und Kommunikationzusätzlich zu der schon vorhandenen Integration von Material und Kommu-nikation zur Verwirrung der Nutzer führen könnte. Es wurde aber davonausgegangen, dass sich bereits während des vorgelagerten Diskussions-prozesses eine Entscheidung herauskristallisiere, die während des eigent-lichen Aushandlungsschrittes nicht modifiziert werde. Der eigentlicheAushandlungsschritt ist hier also als formaler Abschluss des Diskussions-prozesses zu verstehen, bei dem die Teilnehmer einmal ihr Votum abge-ben. Zudem sollte das Prinzip einer geheimen Wahl, so wie man es etwavon politischen Wahlen kennt, umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass dieWahl weder für andere sichtbar ist noch wieder zurückgenommen werdenkann. Als wesentlicher Grund wurde hier genannt, dass sich die Teilneh-mer einer Aushandlung nicht gegenseitig beeinflussen sollten. Das Zurück-nehmen erschien nicht notwendig, da die Abstimmung als formalerAbschluß des Aushandlungsprozess gesehen wurde.

Zur Einstellung größerer Inhalte, die in kleinere Teile segmentiert und in dieKOLUMBUS-Inhaltsstruktur eingefügt werden sollen, wurden zwei Wegeumgesetzt. Einerseits wurde eine Word-Vorlage „Kolumbus.dot“ in VisualBasic programmiert, die aus einem Microsoft-Word-Dokument auf Basisder „Kolumbus.dtd“ selbstständig ein XML-Dokument generiert.

Dabei werden drei Vorlagenformate erkannt und in das DTD lesbare For-mat übertragen. Zusätzlich wird auch das Einstellen von Tabellen unter-stützt. Auf Basis der „Kolumbus.dtd“ können andererseits auch XML-Dokumente „von Hand“ bearbeitet und eingestellt werden. Dabei legt dieDocument-Type-Definition „Kolumbus.dtd“ fest, in welcher Weise ein gülti-ges XML-Dokument für KOLUMBUS aufgebaut sein muss.

Word-Vorlage und XML

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Tabelle 17. KOLUMBUS-DTD: Bestandteile und Erläuterung,aus [PG 356 (2001)]

Die DTD für KOLUMBUS-Dokumente ist eher klein gehalten, arbeitetjedoch an zentraler Stelle mit rekursiver Verschachtelung, so dass prinzipi-ell beliebig große Verschachtelungstiefe in den Dokumenten erreicht wer-

Bestandteil der DTD Erläuterung<?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?> Angabe der vorausgesetzten XML-Version und

des Zeichensatzes der Datei

<!ELEMENT kolumbus-document (p | html-body | newcol | image | binary)*><!ATTLIST kolumbus-documenttitle CDATA #IMPLIED>

Definition eines Top-Level-Elements, das wie ein Rahmen alle anderen Elemente beinhaltet;erlaubt die Einbettung von Paragraphen, HTML-Teilen, Spaltenwechseln, Bildern und Binärdateienein Attribut: Titel

<!ELEMENT p (p | html-body | newcol | image | binary)*><!ATTLIST pheading CDATA #IMPLIEDseparator (bar | line | none) #IMPLIED>

Definition eines inhaltstragenden Elements: der Paragraph; erlaubt die Einbettung der gleichen Elemente wie das kolumbus-documentkann weitere Paragraphen beinhalten; mittels rekursiver Verschachtelung kann so prinzipiell beliebig tiefe Dokumenten-Baumstrukturen ermöglicht werden.zwei Attribute: Überschrift und Trennlinie

<!ELEMENT html-body (#PCDATA)> Definition des vorrangigen inhaltstragenden Elements html-body

<!ELEMENT newcol EMPTY> nur in der Form <newcol/> angewandt signalisiert einen Spaltenwechsel in der KOLUMBUS-Zeitungsansichtermöglicht strukturierte Darstellung von Inhalten, z.B. die Aufteilung in Spalten

<!ELEMENT image EMPTY><!ATTLIST imagename CDATA #REQUIREDdescription CDATA #IMPLIED>

Einfügen monolithischer, referenzierter Inhalte, die auf der Webseite angezeigt werdenein Benutzer muss Referenz angeben und getrennt einstellenzwei Attribute: Name und Beschreibung

<!ELEMENT binary EMPTY><!ATTLIST binaryname CDATA #REQUIREDdescription CDATA #IMPLIED>

Einfügen monolithischer, referenzierter Inhalte, die zum Download angeboten werdenein Benutzer muss Referenz angeben und getrennt einstellenzwei Attribute: Name und Beschreibung

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Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUS 179

den können. Tabelle 17 gibt einen Überblick über Bestandteile der DTD,die um Erläuterungen ergänzt werden.

Zusammenfassend wurde mit KOLUMBUS eine webbasierte Umgebunggeschaffen, die es den Nutzern ermöglicht, multimediale Inhalte abzule-gen. Diese Inhalte werden vom System in kleine Einheiten, die hier Itemsgenannt werden, segmentiert, um dadurch die Grundlage für Annotationenim Material und damit eine Integration von Materialablage und Kommunika-tionsunterstützung zu erzielen. Ein differenziertes Rechtekonzept und eineRealisierung des Aushandlungsschrittes sorgen für die Unterstützung derverschiedenen Phasen des kollaborativen Prozesses.

6.2 Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUSIn diesem Abschnitt werden die wesentlichen Funktionalitäten vonKOLUMBUS und ihr Zusammenspiel an Hand der Aktivitäten des kollabo-rativen Prozesses dargestellt. Eine kürzere Fassung ist zudem in [Kienle &Herrmann (2002)] zu finden. In der vorliegenden Arbeit wird auch Bezuggenommen zu den zuvor zusammengefassten Anforderungen an eine inte-grierte Umgebung. Dieser Beschreibung wird die Darstellung des Menüsund die Gestaltung der Oberfläche vorangestellt.

Der Inhalt zeigt sich dem Betrachter als hierarchische Struktur von Items.Items können auf der gleichen Ebene oder als Kind eine Ebene tiefer ein-gefügt werden. Alle existierenden Funktionen können an jedem Item aufge-rufen werden. So ist es auch möglich, Kommunikationsbeiträge in Formvon Annotationen direkt an den Items zu plazieren, indem die Funktion„Annotation“ ausgewählt wird. Bestehender Inhalt kann so als Kontextinfor-mation genutzt werden, ohne erneut expliziert werden zu müssen. Durchdie Auswahl einer bestimmten Position in der Struktur macht ein Nutzerbereits deutlich, in welchem Zusammenhang seine Annotation zu sehenist. Diskussionen entwickeln sich, indem Annotationen von anderen anno-tiert werden.

6.2.1 Überblick über die Funktionalitäten

KOLUMBUS präsentiert sich den Nutzern zunächst über die Kopfleiste(vgl. Abbildung 25).

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Abbildung 25. KOLUMBUS-Kopfleiste

Mittels des Top Items wird angezeigt, in welchem Inhaltsbereich sich derNutzer aktuell befindet. Zudem wird jederzeit der Pfad zu diesem aktuellenInhaltsbereich angezeigt. Diese Pfadanzeige kann zur Navigation in eineandere Ebene genutzt werden. Es ist weiterhin ersichtlich, in welcher Rollesich ein Nutzer angemeldet hat und es wird eine Funktion angeboten, mitwelcher der komplette Baum des Bereiches auf- oder zugeklappt werdenkann. In der Kopfzeile werden dem Nutzer fünf globale Funktionen zur Ver-fügung gestellt:

• Chat: synchrone Kommunikationsmöglichkeit, die hier ebenso wieAnnotationen kontextgebunden eingesetzt wird. Bezogen auf dasoberste Item wird ein Chat-Raum eröffnet, in dem dann das jewei-lige Item bzw. der jeweilige Teilbaum diskutiert wird. Der Chat setztdie Anforderungen nach der Unterstützung von Interaktionsmöglich-keiten um.

• Aktenkoffer: ein Konzept, das dem BSCW entstammt. Im Aktenkof-fer erscheinen alle Items, die aktuell in die Zwischenablage kopiertbzw. per Hyperlink verknüpft wurden, um ggf. an einer für den Nut-zer zentralen Stelle wieder ausgepackt zu werden.

• Glossar: unterstützt die Entwicklung eines gemeinsamen Verständ-nisses von Begriffen. In dieser Version gibt es keine weitere Funk-tionalität als eine zentrale Ablage.

• Suche: sowohl über Inhalte als auch über Metadaten wie Autor,Itemtyp etc. möglich. Sie setzt damit die Anforderungen aus Kapitel5 um.

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Neben diesen globalen Funktionen steht den Teilnehmenden das KOLUM-BUS-Menü (vgl. Abbildung 26) zur Verfügung, das an jeder Position in derInhaltsstruktur an einem Dreieck ausgewählt werden kann. Dadurch wirdauf einfache Weise die Überarbeitung, Erweiterung und Kommentierungkleiner Einheiten von Inhalten ermöglicht. In dem Menü stehen den Teil-nehmern folgende Funktionen zur Verfügung:

• Bearbeiten: Funktion zum Einstellen, Erweitern oder Ändern vonMaterialien. Der Untermenüpunkt „Neu“ ermöglicht das formular-ori-entierte Einstellen neuer Inhalte; „XML einfügen“ das Einfügen vonXML-Dokumenten (vgl. Abschnitt Einstellen von Inhalten). Hier kön-nen zudem Inhalte kopiert bzw. verlinkt werden, um sie an eineranderen Stelle wieder einzufügen

Abbildung 26. KOLUMBUS-Menü „Neu“

• Rechte: hinter dieser Funktion verbirgt sich die Benutzung desRechtekonzepts von KOLUMBUS (vgl. Abbildung 27). Über einenMenüpunkt „Rechte ändern“ können weitere Empfänger zu Itemshinzugefügt werden, mit der Funktion „Aushandlung“ können Aus-handlungen gestartet werden (vgl. Abschnitt Aushandlung). Damitwird die geforderte flexible Zuordnung von Rezipienten möglich(vgl. Kapitel 5).

• Annotation: die Möglichkeit zur kontext-orientierten, asynchronenKommunikation. Sie erlaubt es, Anmerkungen in das Material zuintegrieren, so wie dies im vorangegangenen Kapitel gefordertwurde.

• Änderungen: mit dieser Funktion werden alle Änderungen in demjeweiligen Bereich angezeigt. Diese Änderungen sind von den Teil-nehmern zu bestätigen.

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182 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Abbildung 27. KOLUMBUS-Menü „Rechte“

• Zeitungsansicht: mit diesem Menüpunkt wechselt man von derStruktursicht auf die Inhalte in eine gut lesbare Ansicht, die ver-schiedene Präsentationstypen wie z.B. Text, Abbildungen oder Dia-gramme anzeigt (vgl. Abschnitt 6.2.3).

• Bewertung: ruft ein Fenster auf, in dem der betreffende Inhaltbewertet werden kann.

• Aktionen planen: mit dieser Funktion können zukünftige Aktionengeplant werden, z.B. die Veröffentlichung einer Menge von Items aneine bestimmte Empfängergruppe. Mit dieser Funktion wird die For-derung „Aktivitäten in der Zukunft planen“ umgesetzt, die einenLehrenden bei der Vorbereitung bzw. Bereitstellung einer Aufgabeunterstützt.

• Eigenschaften: zeigen Metainformationen zu dem Item an (Auto-rengruppe, Empfängergruppe, Einstelldatum, Änderungsdatum,Bewertung, Typ des Items, gesamter Text).

6.2.2 Vorbereitung von Lerneinheiten

Zur Vorbereitung einer Veranstaltung kann ein Lehrender KOLUMBUS nut-zen, um Gruppen vorzubereiten, eine Inhaltsstruktur anzulegen sowieMaterialien und Aufgaben einzustellen. Im Sinne des Wissensmanage-mentprinzips, Wissen über die Nutzer in der Umgebung abzulegen, kannbei der Vorbereitung der Inhaltsstruktur auch ein Bereich vorgesehen wer-den, in dem Nutzer Wissen über sich ablegen, um dadurch auch die Ent-stehung eines Partnerbildes zu unterstützen.

In KOLUMBUS werden in Bezug auf diese vorbereitenden Aktivitäten kei-nerlei Vorschriften gemacht; es handelt sich um eine offene Umgebung, in

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Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUS 183

der zunächst prinzipiell alles möglich ist. Dementsprechend stehen fürdiese Aktivitäten keine gesonderten Funktionalitäten zur Verfügung; derLehrende verwendet hier die gleichen, weiter unten beschriebenen Wegewie die Lernenden auch. Einzige Ausnahme ist die Funktion „Aktionen pla-nen“. Diese kann dazu dienen, unterschiedliche, auf die Zukunft angelegteSchritte vorzubereiten. Der Lehrende kann so beispielsweise Inhalte vorbe-reiten und einstellen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Lernendenzugänglich gemacht werden.

6.2.3 Lernen am eigenen Material

6.3 Darstellung von Inhalten

Zur Betrachtung der Inhalte stehen in KOLUMBUS zwei Ansichten zur Ver-fügung, die die Forderungen nach strukturierter Ablage von Inhalten undeiner dazugehörigen Anzeige sowie die Darstellung unterschiedlicher Prä-sentationstypen realisiert. Die Baumansicht (vgl. Abbildung 28) zeigt dieStruktur der Items, in der Teile oder der gesamte Baum expandiert oderminimiert werden können. Dadurch können die Kommunikationspartnerden Ausschnitt des Inhalts wählen, den sie zum Nachvollzug benötigen. Inder Baumansicht werden unterschiedliche Typen mit unterschiedlichenkleinen Symbolen (Icons) dargestellt. So lassen sich Annotationen, Text,Bild oder Überschrift unterscheiden.

Abbildung 28. KOLUMBUS-Baumansicht

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184 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Die Baumansicht soll es den Nutzern ermöglichen, einen Überblick überdie Inhalte zu bekommen. Deshalb wird in dieser Ansicht nicht der vollstän-dige Inhalt der Items angezeigt. Handelt es sich beispielsweise um länge-ren Text, so wird dieser nach einer bestimmten Zeichenanzahlabgeschnitten. Um dennoch diesen gesamten Text sehen zu können, exi-stiert hinter jedem Item ein Informations-„i“. Damit wird schneller Zugriff aufden gesamten Text und mit Autorgruppe, Empfängergruppe, Einstellung-und Änderungsdatum zusätzlich auch auf die wichtigsten Metadatenermöglicht. In Abbildung 28 ist ein solches Informationsfenster geöffnet.

Abbildung 29. KOLUMBUS-Zeitungsansicht

Die Zeitungsansicht (vgl. Abbildung 29) zeigt den Inhalt in einer gut lesba-ren Ansicht, in der auch unterschiedliche Präsentationstypen wie Text,Abbildung oder Diagramme angezeigt werden können. Dadurch unterstütztKOLUMBUS die Ansicht auf didaktisch aufbereitete Materialien. Auch inder Zeitungsansicht besteht die Möglichkeit, Teile des Inhalts zu verbergenoder zu expandieren und das Menü zu verwenden, um z.B. Inhalte oderAnnotationen anzufügen.

Annotationen werden in der Zeitungsansicht in einer anderen Farbe darge-stellt als Text. Zudem wird der Annotation der Name des Autors in Klam-mern vorangestellt. Dadurch wird der kommunikative Charakter dieses

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Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUS 185

Beitrages betont. Wechselt ein Nutzer von der Baum- in die Zeitungsan-sicht, so bleiben die Annotationen zunächst hinter einem Icon („A“) verbor-gen. Dies ermöglicht den Nutzern zunächst das Material wahrzunehmen,bevor Annotationen gelesen werden.

6.4 Einstellen von Inhalten

Eine wesentliche Anforderung war es, alle Inhalte in einem einzigenSystem zu halten und das Einstellen auch für Lernende zu ermöglichen.Deshalb ist das einfache Einstellen von Inhalten ein weiterer zentralerBestandteil von KOLUMBUS. Teilnehmende benötigen hierzu keine Pro-grammier- oder HTML-Kenntnisse. Durch die Benutzung des webbasiertenFormulars, das über die Funktionen „Neu“ erreicht werden kann, könneneinzelne Items eingestellt werden. Diese Items können Text, Bilder, Binär-dateien uvm. sein und werden an der Stelle davor, dahinter oder als Kindpositioniert, an welcher der Teilnehmende das Menü über das Dreieck hin-ter dem Item aufgerufen hat. Dadurch wird die flexible Erarbeitung, Erwei-terung und Überarbeitung eigener Materialien möglich. DurchAusschneiden und Einfügen an einer anderen Stelle kann darüber hinausdie Struktur des Materials flexibel geändert werden.

Um auch das Einstellen größerer Inhaltsblöcke zu ermöglichen, die eben-falls in kleine Einheiten unterteilt werden, stehen zwei Möglichkeiten zurVerfügung. Auf Basis der KOLUMBUS-DTD (vgl. Abschnitt 6.1.3) kann einXML-Dokument erzeugt werden, mit dessen Hilfe einzelne Abschnitte alsItems in KOLUMBUS dargestellt werden. Zudem kann eine Microsoft-Word-Vorlage genutzt werden, auf deren Grundlage ein XML-Dokumenterzeugt wird, das Überschriften, Abschnitte oder Tabellen aus dem Micro-soft-Word-Dokument erkennt und als Items in Kolumbus entsprechendabbildet.

Durch diese drei Möglichkeiten wird es den Lernenden erleichtert, in ihrerRolle als Mitteilende anderen Rezipienten einfachen Zugang zu unter-schiedlichen Beschreibungen zu ermöglichen. Beim Einstellen von Itemsist jeder Teilnehmende aufgefordert, eine Gruppe von Rezipienten anzuge-ben. Dieses Konzept erlaubt es den Teilnehmern, in einem ersten SchrittInformationen für sich selbst zu sammeln, in dem die Rezipientengruppelediglich aus dem Autor selbst besteht. Durch Erweiterung der Rezipienten-gruppe wird ein Item oder ein Baum an andere veröffentlicht. Durch die

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186 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Kombination einer Gruppe von Autoren und einer Gruppe von Empfängernentstehen Perspektiven auf diese Inhalte.

6.4.1 Lernen mit dem Material anderer

Durch die Erweiterung der Empfängergruppe wird das Arbeiten mit demMaterial anderer möglich. Andere können erst dadurch das Material sehen.Neue Inhalte werden mit einem „Neu“-Zeichen markiert. Dadurch könnenneue Beiträge anderer leicht wahrgenommen werden.

Zudem bietet KOLUMBUS eine Suche an, mit der sowohl nach Inhalt alsauch nach Autoren, Typ des Items (z.B. Text, Bild, Annotation) etc. gesuchtwerden kann. Durch die Suche nach dem Itemtyp „Annotation“ wird einÜberblick über alle Kommunikationsbeiträge möglich.

Andererseits können durch die Suche nach Personen gezielt Inhalte dieserPersonen wahrgenommen werden. Darüber hinaus wird ein Filter angebo-ten, der nur Inhalte mit einer bestimmten Autoren/Empfängerkombinationdarstellt. Auf diese Art und Weise bietet KOLUMBUS Möglichkeiten zurEntstehung eines Partnerbildes an.

Materialien anderer können kopiert oder verlinkt werden, um in einem eige-nen Bereich der Inhaltsstruktur an diesen Inhalten weiterzuarbeiten (vgl.Beschreibung des Menüs). Durch die Funktionen „Bewertung“ und „Anno-tation“ kann erstes Feedback, Nachfragen oder Ergänzungen zu den ein-zelnen Abschnitten gegeben werden. Zudem können über den Chat leichtZusatzinformationen eingeholt bzw. Inhalte diskutiert werden.

6.4.2 Kollaboration

Durch das Annotieren von Annotationen entstehen Diskussionen am Inhalt.Sie bereiten den Schritt der Aushandlung vor.

Gruppenergebnisse werden mit KOLUMBUS erzielt, indem gemeinsamVerantwortung für ein oder mehrere Items übernommen wird. Auf diesemWege wird Aushandlung umgesetzt, die auf der Veränderung von Rechtenbasiert, so wie dies während des Designprozesses entschieden wurde (vgl.Abschnitt 6.1.3). Um dies zu erreichen, sind folgende Schritte notwendig:

• ein Urheber oder eine Person, die Urheber eines oder mehrererItems werden möchte, startet eine Verantwortungsaushandlung, indem er einem oder mehreren Teilnehmern vorschlägt, auch Urhe-

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Kollaboratives Lernen mit KOLUMBUS 187

ber zu werden. Dazu wird ein Name für die Aushandlung angege-ben, ein Endedatum gewählt sowie die Liste potenzieller neuerAutoren aus der Liste der Rezipienten ausgewählt.

• Es wird ein Aushandlungsobjekt im KOLUMBUS-Baum angelegt.Zudem werden alle vorgeschlagenen Teilnehmer per E-Mail zu demAushandlungsprozess eingeladen.

• Die Teilnehmer können für oder gegen den Vorschlag stimmen, siekönnen sich enthalten und weitere Diskussionen fordern. DurchAnklicken auf das Aushandlungsobjekt im KOLUMBUS-Baum kön-nen sie überprüfen, ob und wenn ja, wie sie abgestimmt haben. Esist nicht vorgesehen, diese Auswahl ändern zu können oder sie zubegründen. Auch kann nicht eingesehen werden, wie andere Teil-nehmer abgestimmt haben. Hier wurde entschieden, das Prinzipeiner geheimen Abstimmung umzusetzen (zur Begründung vgl.Abschnitt 6.1.3).

Abbildung 30. Ablauf einer Publikationsaushandlung in KOLUMBUS

• Stimmt ein bestimmter Prozentsatz dem Vorschlag zu, wird dieGruppe der Autoren erweitert. Dieser Prozentsatz ist in der augen-blicklichen Realisierung auf 100% festgesetzt, da während der Ent-wicklung entschieden wurde, dass jeder einzelne zustimmen muss,wenn er Urheber werden möchte und damit auch Verantwortung fürdiesen Inhalt übernimmt. Auf diesem Weg erreicht eine GruppeKonvergenz hinsichtlich einer bestimmten Menge von Items.

KOLUMBUS

Dokument

Urheber

AC

B

...

Empfängervorschlagen

AushandlungAushandlung auswerten Rechte setzenx

abstimmenabstimmen

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188 Entwicklung der integrierten Umgebung KOLUMBUS

• Ist eine Gruppe Urheber eines bestimmten Items, das an weiterePersonen veröffentlicht werden soll, so bedarf dies der Zustimmungeines gewissen Prozentsatzes der Urhebergruppe, der auch hierauf 100% festgelegt ist. Hier wird eine Publikationsaushandlungnotwendig. Bei der Publikationsaushandlung wird über die Hinzu-nahme von Personen in die Empfängergruppe verhandelt. Abbil-dung 30 gibt einen Überblick über den Ablauf einerPublikationsaushandlung. Der Ablauf einer Urheberaushandlung istimmer identisch; einziger Unterschied ist die Aktivität des Vorschla-gens, die bei einer Urheberaushandlung „Urheber vorschlagen“heißen würde.

6.5 ZusammenfassungIn diesem Kapitel wurde eine webbasierte Umsetzung der im vorangegan-genen Kapitel zusammengefassten Anforderungen an eine integrierteUmgebung vorgestellt, die auf dem Web-Applikation-Server Zope aufbaut.Diese Plattform war zum Stand der Entwicklung in den Jahren 2000/2001Stand der Technik und versprach die Unterstützung orts- und zeitunabhän-gigen kollaborativen Lernens ohne aufwendige Installation an den Plätzender Lernenden.

Dabei wurde in diesem Kapitel zunächst auf die technische Realisierungeingegangen, bevor wesentliche Funktionalitäten des Systems und seinZusammenwirken an Hand des in dieser Arbeit entworfenen kollaborativenProzesses dargestellt wurden. Eine Besonderheit bei dieser technischenRealisierung ist es, dass Inhalte und Kommunikationsbeiträge technischgleich behandelt werden, dass das Einstellen ohne Kenntnisse von HTMLrealisiert und dass die Unterstützung der Aushandlung umgesetzt wurde.

Während der Entwicklung wurden einerseits die verschiedenen Möglichkei-ten des Einstellens von Materialien sowie ihre unterschiedlichen Darstel-lungen diskutiert. Andererseits bestand auch bei der Auswahl der zurVerfügung stehenden Items und ihre integrierte Darstellung keine Einigkeit.Schließlich wurden bis zum Ende unterschiedliche Auffassungen für dieUmsetzung der Aushandlung auf Basis der Urheber/Empfänger-Attributesowie für die Entscheidung über eine geheime Wahl vertreten. Auf dieseDiskussionspunkte soll in der Evaluation der integrierten UmgebungKOLUMBUS besonderes Augenmerk gelegt werden (vgl. folgendes Kapi-tel).

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Kapitel 7. Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

In der integrierten Umgebung KOLUMBUS werden die in der Literaturund den Fallstudien zum betrieblichen Wissensmanagement gefundenenAnforderungen umgesetzt (vgl. Kapitel 5).

In einem Piloteinsatz und der damit verbundenen Evaluation diesesSystems soll die Nutzung während einer kollaborativen Lernsituationuntersucht werden. Die integrierte Umgebung wird zunächst im institutio-nellen Umfeld, konkreter in einem Seminar für Studierende, erprobt.Diese Studien haben experimentellen Charakter, weil hier neue Kombi-nationen aus Aufgabenstellung, Einführungsveranstaltung und der Inte-gration von Wissensmanagementprinzipien in die integrierte Umgebungeingesetzt werden (Abschnitt 7.2). Besonderes Augenmerk wird hier ein

weiteres Mal auf den Wissensaustausch1 gelegt, d.h. dass alle Elementein diesem Piloteinsatz so angelegt sind, dass der Wissensaustauschangeregt oder unterstützt wird.

Ziel der Untersuchung ist es, Erfahrungen für allgemeine Konzeptions-vorschläge eines Systems zu sammeln, welches das Konzept der Anno-tationen umsetzt sowie Prinzipien des Wissensmanagements und desgemeinsamen Lernens berücksichtigt. Zudem gilt es hier, die technischeRealisierung der Anforderungen zu überprüfen. Dies gilt insbesonderefür die während der Entwicklung viel und kontrovers diskutierten Umset-zungen. Besonders dieser letzte Aspekt macht es notwendig, dass auchdie Evaluation in der Informatik verankert ist, da es hier speziell um denFeinschliff einzelner, technischer Umsetzungen geht. Auch wenn dieFunktionalitäten getestet und in einer Pre-Evaluation mit drei Lehrendenauf die prinzipielle Benutzbarkeit überprüft wurde, kann es während derNutzungsphase zu erheblichen Schwierigkeiten kommen, die eventuellsogar Eingriffe in die Realisierung notwendig machen können.

Die Ergebnisse zur Evaluation im Seminar machten eine weitere Unter-suchung von KOLUMBUS zur Unterstützung von Aushandlungsprozes-

1. Wissensaustausch ist hier, ebenso wie bereits in Kapitel 4, als metaphorische Abkürzung für den Informationsaustausch zur gegenseitigen Anregung von Wissensentwicklung zu verstehen.

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190 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

sen notwendig. Diese Untersuchung wurde als Experiment inArbeitsgruppen durchgeführt. Dabei wurden vier Projektteams mit je dreibis fünf Mitarbeitern bei der Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis beob-achtet. Die Ergebnisse der verschiedenen Teams wurden in einem zweitenSchritt zu einem Ergebnis der gesamten Gruppe systemgestützt zusam-mengefasst. Dieser Untersuchung ist Abschnitt 7.3 gewidmet.

Bei beiden Erhebungen handelt es sich um qualitative Studien, die sich imVergleich zu quantitativen Studien durch eine relativ geringe Probanden-zahl auszeichnen. Gerade wegen der geringen Probandenzahl ist einedetaillierte Beschäftigung mit der Nutzung des zu evaluierenden techni-schen Sytems durch die Probanden (in Form von Beobachtung in Experi-mentsituationen) und der Einschätzungen der Probanden zumuntersuchten Gegenstand (in Form von Interviews) möglich. Eine solcheVorgehensweise ist immer dann sinnvoll, wenn ein relativ neuer Ansatz (indieser Arbeit der Einsatz einer integrierten Umgebung zu Unterstützungdes gesamten kollaborativen Prozesses) evaluiert werden soll, zu dem eswenig Vorerfahrung gibt und zu denen keine fundierten Hypothesen alsGrundlage einer quantitativen Studie aufgestellt werden können. Für dieseArbeit wird erwartet, dass dieser qualitative Ansatz für das Auffinden vonVerbesserungsmöglichkeiten für die Gestaltung integrierter Umgebungenhilfreich ist. In Abschnitt 7.4 werden schließlich die wichtigsten Ergebnisseder beiden Fallstudien zusammengefasst.

7.1 FragestellungenZunächst soll allgemein die Nutzung der Funktionalitäten während des kol-laborativen Nutzungsprozesses hinterfragt werden. Jede Funktion hat zwarihre theoretische oder empirische Fundierung, es bleibt aber zu prüfen, wiediese Funktionalitäten in der Realität zum Einsatz kommen. Hierzu sollgefragt werden, wie beispielsweise das Konzept der Annotationen denWissensaustausch unterstützt. Dies schlägt sich in folgender Fragestellungnieder:

(F1): Welche Funktionalitäten werden während des Lernpro-zesses genutzt? Wie werden sie zur Bearbeitung von Auf-gaben eingesetzt?

• Funktionen des kommunikativen Handelns: z.B. Annotationen• Funktionen des extra-kommunikativen Verhaltens (Gruppenbil-

dung, Dokumentenarten, Suchfunktion) ?

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Fragestellungen 191

Eine Fragestellung während der Fallstudien zum betrieblichen Wissensma-nagement bezog sich auf die Annotierbarkeit der Inhalte. Die integrierteUmgebung KOLUMBUS setzt dieses in konsequenter Weise um, indem anjedem Inhalt die Möglichkeit zur Annnotation besteht. Damit werden unteranderem die bei der Fallstudie zum betrieblichen Wissensmanagementgefundenen Platzierungspräferenzen unterstützt (Kapitel 4). Wie dies inder Realität genutzt wird, ist in dieser Pilotstudie zu überprüfen und führt zufolgender Fragestellung:

(F2): An welchen Stellen in der Inhaltsstruktur entwickeltsich Wissensaustausch?

Darüber hinaus sollen Konstellationen gefunden werden, die den Wis-sensaustausch begünstigen bzw. hemmen. Der Konzeption von KOLUM-BUS liegt zwar eine intensive Anforderungssammlung durch Aufarbeitungder Literatur und die Ergebnisse aus den Fallstudien zum betrieblichenWissensmanagement zu Grunde. Trotzdem können auch in dieser Fallstu-die Konstellationen zu Tage gefördert werden, die vorher nicht vorausseh-bar waren. Insbesondere steht hier das Konzept der Annotationen auf demPrüfstand. Zudem sollen während der Untersuchung auch einige Prinzipiendes Wissensmanagement eingesetzt werden, deren Wirkung im Rahmenvon integrierten Umgebungen bislang noch nicht untersucht wurden. Sokommt es zu den sehr offen gehaltenen Fragestellungen:

(F3): Welche Konstellationen begünstigen den Wissensaus-tausch? Bei welchen Konstellationen treten Probleme beimWissensaustausch auf?

Eine große Schwachstelle vieler bestehender Lernumgebungen ist diemangelnde Unterstützung der Konvergenzbildung. In der integriertenUmgebung KOLUMBUS werden dazu Möglichkeiten zur Aushandlungsun-terstützung angeboten. Auch hier spielen Annotationen eine Rolle, die dieDiskussion vor dem eigentlichen Aushandlungsschritt unterstützen. Esbleibt zu überprüfen, wie diese Funktionalitäten von den Nutzern verwen-det werden:

(F4): Wie wird mit Hilfe des Systems Konvergenz gebildet?Welche Funktionalitäten werden dazu genutzt? Wie wirdvorgegangen?

Neben diesen eher auf die Technik bezogenen Fragestellungen wird es beider Erprobung der integrierten Umgebung KOLUMBUS auch um eine aus-gezeichnete Rolle zur Strukturierung des Wissensaustausches gehen. Hier

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192 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

entsteht ein großer Unterschied zu den Fallstudien des betrieblichen Wis-sensmanagements, da dort diese Rolle nicht eingesetzt wurde, und sichdie Probanden nur mit Schwierigkeiten die Wirkung einer solchen Rollevorstellen konnten. In der hier durchzuführenden Fallstudie zur integriertenUmgebung KOLUMBUS tritt eine solche Rolle, zwei Veranstalter einesSeminars, in Erscheinung. Dies führt zu folgender Fragestellung:

(F5): Wie wirkt sich eine ausgezeichnete Person auf denWissensaustausch aus?

Die folgenden zwei Fragestellungen beziehen sich auf wichtige Punkte, dieEinfluss auf die Nutzung des Systems haben, sich aber nicht unmittelbarauf den Wissensaustausch beziehen: die Einführung des Systems und dieAufgabenstellung. Sie sind bei der Gestaltung eines sozio-technischenSystems als Gesamtheit mit zu beachten und haben wesentlichen Anteil andem erfolgreichen Einsatz eines technischen Systems. Der Zusammen-hang zum Wissensaustausch und damit zu der angebotenen Annotations-funktionalität besteht darin, dass sowohl die Einführung als auch dieAufgabenstellung den Wissensaustausch anregen oder unterstützen soll.Im Rahmen der Pilotstudie soll die Wirkung der einzelnen Elemente derEinführungsveranstaltung untersucht werden. Dies führt zu folgender Fra-gestellung:

(F6): Wie wirken sich die Elemente der Einführungsveran-staltung auf die Nutzung aus?

Auch die Aufgabenstellung ist in den vorangegangenen Kapiteln immerwieder als wichtige, einflussnehmende Größe herausgestellt worden.Dabei wurde als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen kollabo-rativem Lernen und Wissensmanagement die in einer kollaborativen Lern-situation eher fiktive Aufgabe herausgestellt. Für die Aufgabe im Rahmender Pilotstudie wurde eine Fragestellung entwickelt, die zum Wissensaus-tausch anregen soll (vgl. Abschnitt 7.2.2) aber auch die Entwicklung(gemeinsamer) Materialien beinhaltet. Sie spricht in ihren Bestandteilen dieverschiedenen Phasen des kollaborativen Prozesses an und impliziertdadurch ein Vorgehen nach diesem Prozess. Hier interessiert der Zusam-menhang zwischen der Aufgabenstellung und der tatsächlichen Nutzungder angebotenen Funktionalitäten:

(F7): Wie wirken fiktive Aufgabenstellungen auf das Vorge-hen während des Lernprozesses?

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 193

7.2 Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation

7.2.1 Vorbereitung der Fallstudie

Erhebungsmethode

Tabelle 18. Auswertungsmöglichkeiten der Logfiles

Weil sich ein Großteil der Fragestellungen auf die Nutzung der System-funktionalität bezieht, bietet sich hier die Analyse von Logfiles an. In diesenLogfiles wird bei jeder Aktion gespeichert, wer wann was und wo gemachthat. Durch unterschiedliche Sortierung können dabei wichtige Hinweise aufdie individuellen Nutzungsprozesse, aber auch über die Kooperationspro-zesse sowie die Auswahl der verschiedenen Funktionalitäten gewonnenwerden. Tabelle 18 gibt einen Überblick über die Auswertungsmöglichkei-ten.

Durch Interpretation von Zusammenhängen in Verbindung mit der Aufga-benstellung und der Einführungsveranstaltung können Antworten auf dieFragen F4-F7 gefunden werden. Beispielsweise lassen die Zeitpunkte derVerwendung bestimmter Funktionalitäten Rückschlüsse auf die Wirkungder verschiedenen Bestandteile der Aufgabenstellung zu, von der man diefestgelegten Zeiträume der Unteraufgaben kennt.

Zusätzlich zur Logfileanalyse werden „fokussierte Interviews“ [Hopf (2000),S.353] mit Studierenden und Lehrenden durchgeführt. Bei den Studieren-den-Interviews wird erneut die Nutzung des Systems im Vordergrund ste-hen, da die Logfiles einerseits keine Rückschlüsse auf lesenden Zugriffermöglichen und andererseits auch Gründe für die Nutzungshäufigkeit the-

Sortierung nach ermöglicht Hinweise aufAutor (wer) individuelle Nutzungsprozesse

insbesondere auch welche FunktionalitätenHinweise zu F1, F2

Aktion (was) "Hitliste" der genutzten Funktionen,Hinweise zu F1

Zeit (wann) Reihenfolge der Nutzung von FunktionalitätenKooperationsprozesse

an welchem Item (wo)

wie bildet sich die Inhaltsstruktur?an welchen Stellen in der Inhaltsstruktur bilden sich Annotationen?Hinweise zu F2

Auswertung von Logfiles

fokussierte Inter-views

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194 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

matisiert werden sollen. Dabei geht es vor allem darum, wie die Teilneh-menden den Prozess des kollaborativen Lernens und insbesondere desWissensaustausches wahrnehmen. Schließlich soll hier auch nach Verbes-serungsvorschlägen gefragt werden. Als Fokus für die Interviews werdendurch Analyse der Inhalte im System Informationen über die vom jeweili-gen Interviewpartner eingestellten Materialien und Annotationen, die Kon-stellation seiner Gruppe etc. gesammelt und die Interviewfragendahingehend konkretisiert. Die Interviews mit den Lehrenden geben nebenweiteren Hinweisen zur Nutzbarkeit des System auch Antworten auf dieFragestellung (F5).

Operationalisierung der Fragestellungen

Aufbauend auf den Fragestellungen wurde ein Interviewleitfaden entwik-kelt, der sich am Nutzungsprozess der Studierenden orientiert. Zu den ein-zelnen Phasen der Aufgabenbearbeitung wurden die Studierenden nachihrem Vorgehen sowie nach aufgefallenen Problemen und Verbesserungs-möglichkeiten gefragt. Dadurch entstand ein Interviewleitfaden mit 6 Berei-chen:

• Bereich 1: Einleitende Fragen• Bereich 2: Nutzung von KOLUMBUS für die Arbeit am Material• Bereich 3: Arbeiten mit dem Material anderer• Bereich 4: Wissensaustausch (Kommunikation)• Bereich 5: gemeinsame Thesen finden (Konvergenz bilden)• Bereich 6: Zusammenfassende Einschätzung

Tabelle 19 zeigt einen Überblick über ausgewählte Fragen des Interview-leitfadens, die sich auf (F1), (F2) und (F3) beziehen. An dieser Stelle seibezüglich der Formulierung im Interviewleitfaden darauf hingewiesen, dasszwischen der Autorin dieser Arbeit und den Studierenden im Seminar die„Duzform“ verwendet wurde. Zudem wurden Begriff wie Kurzbeschreibungoder Review verwendet, die der Aufgabenstellung entstammten und denStudierenden damit bekannt waren. Der Leser dieser Arbeit möge für wei-tere Informationen zu diesen Begriffen die Erläuterung in Abschnitt 7.2.2,S. 196 ff. heranziehen.

Das große Gewicht der Fragen zu (F1) entsteht dadurch, dass sowohlInformationen über die Nutzung des Systems zum Wissensaustausch alsauch zur Wirkung der integrierten Wissensmanagementprinzipien (S. 200

Operationalisie-rung (F1), (F2), (F3)

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 195

ff.) gesammelt werden sollen. Als ein Beispiel dieser Wissensmanage-mentprinzipien seien hier die in Frage IV.6 angesprochenen people-Seitengenannt, die Informationen über die Lehrenden und Lernenden des Semi-nars zur Verfügung stellen.

Tabelle 19. Ausschnitt aus dem Interviewleitfaden zur Evaluation von KOLUMBUS

Zudem geben Antworten zu den Fragen zu (F1) potenziell auch Hinweisezur Fragestellung (F2) und (F3), wenn die Interviewpartner sich auf dieInhaltsstruktur oder auf begünstigende bzw. hemmende Situationen beimWissensaustausch beziehen.

Der Fragestellung (F4) wurde der Bereich 5 gewidmet, da das Thema derFragestellung auch eine separate Phase der Aufgabenbearbeitung war.Hier wurde danach gefragt, wie vorgegangen wurde, um gemeinsame The-sen zu finden und welche Kolumbusfunktionen dabei zum Einsatz kamen.

Fragen zur Fragestellung (F5) wurden in allen Bereichen integriert. Insbe-sondere wurde eine explizite Frage in den Bereich 4 (Kommunikation) auf-genommen. Eine explizite Frage zu (F6), die sich auf die Tipps zur Nutzungvon KOLUMBUS und das damit verbundene Erlernen des Systems bezog,wurde dem Bereich 3 (Arbeiten mit dem Material anderer) zugeordnet.

Fragen im Interviewleitfaden (F n) inhaltlicher AspektII.1Wie hast Du KOLUMBUS für die Bearbeitung Deiner Aufgaben genutzt?

F1

II.2 Wie hast Du sichergestellt, dass es keine Doppelungen zu den anderen Themen gibt?

F1 Kom

II.3 Wie bist Du mit älteren Versionen Deiner Kurzbeschreibung umgegangen?

F1 WM

III.1 Welche Bereiche hast Du Dir angeschaut? F1 WMIII.2 Wie bist Du bei Deinem Review vorgegangen? F1 KomIII.3 An welchen Stellen hast Du Annotationen einge-fügt?

F2

III.4 Wie bist Du mit den Reviews zu Deiner Kurzbe-schreibung umgegangen?

F1 WM

IV.1 Was hast Du anderen zur Verfügung gestellt? F1 WMIV.2 Wie lief die Zusammenarbeit in Deiner Teil-gruppe?

F3

IV.4 Was hast Du von der KOLUMBUS-Nutzung deranderen Teilnehmer wahrgenommen, wenn Du selbstin KOLUMBUS warst?

F3

IV.5 Was hättest Du gerne mitbekommen? F3IV.6 Hast Du eine people-Seite angelegt? Warum(nicht)?

F1 WM

Operationalisie-rung (F4)

Operationalisie-rung (F5), (F6), (F7)

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196 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Auch die Fragen zu (F7) wurden über die Bereiche verteilt. So wurdegefragt, ob die Themenstellung zur Zusammenarbeit angeregt habe(Bereich 4) und wie der Interviewpartner vorgegangen sei, um Doppelun-gen in den Arbeiten zu vermeiden (Bereich 2). Eine vollständige Übersichtüber den Interviewleitfaden ist dem Anhang C zu entnehmen.

7.2.2 Elemente zur Unterstützung kollaborativen Lernens mit KOLUM-BUS

Wie bereits einleitend erwähnt, wird in dem KOLUMBUS-Piloteinsatz mitneuen Kombinationen aus Aufgabenstellung, Einführung der integriertenUmgebung und Begleitung der Nutzung experimentiert. In diesemAbschnitt sollen die Aufgabenstellung, die Darstellung von Prozessen zurUnterstützung der Einführungs- und Nutzungsphase sowie aus dem Wis-sensmanagement übertragene Elemente vorgestellt werden. Auf die Ver-wendung dieser Elemente in den unterschiedlichen Phasen des Seminarswird in Abschnitt 7.2.3 eingegangen.

Aufgabenstellung

Bereits in Kapitel 2 wurde während der Betrachtung kollaborativer Lernpro-zesse auf die besondere Bedeutung der Aufgabenstellung eingegangen.Dort wurde besonders hervorgehoben, dass die Aufgabenstellung anregensollte, in Gruppen zu arbeiten, auf Arbeiten anderer zu achten sowie denWissensaustausch zu erfordern.

Während des KOLUMBUS-Piloteinsatzes wurden vier Themenkomplexeausgewählt, zu denen jeweils drei Vorträge entstehen sollten. Die Aufgabefür die Studierenden umfasste folgende Bestandteile:

• Erstellung einer Gliederung für eine Kurzbeschreibung zu einemgewählten Thema.

• Erstellung der Kurzbeschreibung auf Basis der Gliederung. EineKurzbeschreibung stellt die wichtigsten Inhalte des Vortrages inTextform zusammen.

• Durchführung eines Reviews einer Kurzbeschreibung eines anderenStudierenden aus dem gleichen Themenkomplex. Unter einemReview versteht man die Kommentierung der Kurzbeschreibungbzgl. inhaltlicher und formaler Aspekte.

• Erstellung einer gemeinsamen Liste von Diskussionsthesen der Stu-dierendengruppe, die innerhalb eines Themenkomplex arbeitet.

Bestandteile der Aufgabenstel-lung

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 197

• Erstellung eines Foliensatzes für den Vortrag, der in einem Präsenz-blockseminar gehalten wird.

• Erstellung einer Ausarbeitung nach dem Blockseminar. Die Ausar-beitung ist eine Langform der Kurzbeschreibung und enthält auchAspekte der Diskussion im Seminar.

Die Vorträge innerhalb eines Themenkomplexes sollen sich aufeinanderbeziehen und keine Aspekte doppelt darstellen. Innerhalb einer Themen-gruppe war durch das gegenseitige Review der Kurzbeschreibungen sowieeine gemeinsam erarbeitete Liste von zehn Thesen die Konvergenzbildunggefordert. Deshalb ist ein hoher Aufwand an Wissensaustausch notwendig.Zudem gibt es auch Bedarf, andere Themenkomplexe auf eventuelle Über-schneidungen z.B. in der Darstellung theoretischer Hintergründe, zu über-prüfen.

Abbildung 31. Übersicht über die Themen

Alle Anforderungen wurden in einer Leistungsanforderungsliste zusam-mengestellt, die sowohl während der Einführungsveranstaltung vorgestelltwurde als auch für alle Teilnehmenden in KOLUMBUS einzusehen war(vgl. Anhang C).

Abbildung 31 gibt einen Überblick über die Themen, so wie sie sich in derintegrierten Umgebung KOLUMBUS darstellen. Zu jedem Thema wurden

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198 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

weitere Informationen zur inhaltlichen Ausgestaltung in KOLUMBUS abge-legt, ohne dass sie in der Einführungsveranstaltung vorgestellt wurden.

Modelle zum kollaborativen Lernen

Neben dem Problem, dass die Nutzung des technischen Systems für alleBeteiligten neu ist, kommt mit der Einführung der integrierten UmgebungKOLUMBUS ein unbekannter Lernprozess hinzu. Studien haben belegt,dass es zu Problemen bei den Teilnehmenden kommen kann, wenn miteinem neuen System gleichzeitig ein ungewohnter Prozess einhergeht [DePaula et al. (2001)].

Abbildung 32. Modell und entsprechende Screenshots in der Baumstruktur

Aus diesem Grund wurde zur Unterstützung der Aneignung und Nutzungvon KOLUMBUS eine Kombination aus einer vereinfachten Darstellungdes in dieser Arbeit entwickelten Modells (als Vermittlung des kollaborati-ven Lernprozesses) mit passenden Abbildungen der Bildschirmmasken(Screenshots, als Vermittlung der Nutzung von KOLUMBUS) gewählt undin KOLUMBUS zugänglich gemacht.

Es wurde also bezogen auf die jeweilige Aktivität im Prozess des kollabora-tiven Lernens die Nutzung von KOLUMBUS erläutert. So soll bereits wäh-rend der Einführung vermittelt werden, wie beispielsweise

Verbindung von innovativem Nut-zungsprozess mit Screenshots

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 199

Wissensaustausch2 auf Basis des Annotationskonzeptes mit Hilfe vonKOLUMBUS konkret unterstützt werden kann.

Abbildung 32 zeigt die Darstellung des Modells und der dazugehörigenScreenshots in der Baumansicht. Das Modell wurde bei der Einführungs-veranstaltung eingesetzt, um den Studierenden einen Überblick zu geben,wie der Prozess des gemeinsamen Lernens mit KOLUMBUS aussieht.

Modelle zum Seminarablauf

Neben der kollaborativen Nutzung des Systems ist auch die Organisationdes Seminars für viele Studierende neu. Erfahrungen zeigen, dass Anlei-tungen und Hinweise zur Unterstützung notwendig sind. Um zu diesemThema Hilfestellungen zu geben, wurde ein organisatorisches Modell ent-wickelt, das neben den Phasen des Seminars auch Termine und organisa-torische Regeln beinhaltet.

Abbildung 33. Seminarablauf - Erste Phase

Auch hier existiert, wie schon bei dem Modell zum kollaborativen Lernenmit KOLUMBUS, ein Übersichtsmodell, das in den einzelnen Aktivitätenverfeinert wurde. Abbildung 33 zeigt ein Übersichtsmodell der ersten Semi-narphase, in denen die schwarzen Halbkreise andeuten, dass weitere Ver-feinerungen vorhanden sind. In den Verfeinerungen derÜbersichtsaktivitäten wurde darauf geachtet, dass die Benennung der Akti-

2. zur Erinnerung: Wissensaustausch ist als metaphorische Abkürzung für den Informationsaustausch zur gegenseitigen Anregung von Wissensentwicklung zu verstehen.

organisatori-sches Modell als Vermittlung des Seminarablaufs

1. Phase

Themen finden

KOLUMBUS

Literatursammeln

undsichten

Gliederungerstellen

Kurz-beschreibung

erstellen

GemeinsameThesen

aufstellen

Teilnehmer des Seminars

bis 10.5.01 bis 10.6.01 bis 22.7.01 bis 22.7.01bis 10.6.01

Verbindung zum KOLUMBUS-Nut-zungsmodell

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200 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

vitäten mit der Benennung des KOLUMBUS-Nutzungsmodells korrespon-dierten. So heißt eine Unteraktivität von „gemeinsame Thesen aufstellen“beispielsweise „sich auf gemeinsame Thesen einigen“; die korrespondie-rende Aktivität im KOLUMBUS-Nutzungsmodell heißt „sich auf ein gemein-sames Ergebnis einigen“.

In jeder Verfeinerung des organisatorischen Modells wurde also unterstellt,dass einige oder alle Aktivitäten des KOLUMBUS-Nutzungsmodellserschienen. Dieser Zusammenhang wurde in der Struktur der Inhalte inKOLUMBUS deutlich gemacht, indem ein Link aus dem Ordner des organi-satorischen Modells direkt zum KOLUMBUS-Nutzungsmodell eingefügtwurde (vgl. Abbildung 34). So konnten Studierende direkt von dem organi-satorischen Modell zum KOLUMBUS-Nutzungsmodell springen.

Um den Zusammenhang noch zu verstärken, wurde während der Einfüh-rungsveranstaltung ein Ausschnitt aus dem organisatorischen Modell miteiner Demonstration von KOLUMBUS verknüpft und erläutert, wie dieseintegrierte Umgebung in den jeweiligen Phasen eingesetzt werden könnte.Dabei wurde mehrfach auf den Zusammenhang zwischen den beidenModellen hingewiesen.

Abbildung 34. Modell in der Baumstruktur

Prinzipien aus dem Bereich des Wissensmanagements

Während in WM-Systemen bestehendes Wissen verteilt wird, wird in KL-Umgebungen häufig „das Rad immer wieder neu erfunden“, d.h. Studieren-den wird in der Regel keine Möglichkeit gegeben, auf bestehende Ergeb-nisse zuzugreifen. In dem KOLUMBUS-Piloteinsatz sollte diese

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 201

Eigenschaft aus WM-Systemen übertragen werden. Dazu wurde ein Archivangelegt, in dem Ausarbeitungen vergangener Seminare abgelegt wurden.Der Zugriff auf dieses Archiv wurde nicht mittels der Aufgabenstellungengefordert, eine Verwendung erfolgte somit aus eigener Motivation der Stu-dierenden.

Im Rahmen des KOLUMBUS-Piloteinsatz wurden zwei Seminargruppenvon unterschiedlichen Veranstaltern zu den gleichen Themen betreut.Diese Gruppen griffen auf eine gemeinsame Grundlage (z.B. Materialien,Nutzungs- und Organisationsdiagramm) zu, die Bearbeitung der Inhaltefand in zwei Bereichen (in KOLUMBUS: Ordnern) statt. Jeder Teilnehmerkonnte auch den jeweils anderen Bereich besuchen, d.h. es war ihm mög-lich, Fortschritte anderer, die zum gleichen Thema arbeiteten, zu beobach-ten. Auch dies entspricht dem Einsatz eines WM-Systems, bei demmehrere Mitarbeiter an ähnlichen Projekten arbeiten und gegenseitig vonihrer Arbeit profitieren sollen.

Die Studierenden kennen sich meist gut aus anderen Veranstaltungen, diezu einem großen Teil in Face-to-Face Situationen stattfinden. Dementspre-chend wurde nicht vorgesehen, dass sich jeder z.B. mit einem Profil, so wiees auch in WM-Systemen bekannt ist, verpflichtend vorstellen muss. Umdennoch eine Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu geben, wurde ein Ord-ner „people“ eingerichtet, in dem sich jeder auf seine persönliche Art undWeise präsentieren konnte. Eine solche Möglichkeit wurde in der Literaturfür integrierte Umgebungen gefordert [Kimball (1998)], jedoch in denwenigsten Fällen umgesetzt.

7.2.3 Durchführung der Fallstudie

Konkrete Einsatzsituation

Der Piloteinsatz der integrierten Umgebung KOLUMBUS fand in zwei par-allel verlaufenden Seminaren (Folgen der Informationstechnik, IuG-FIT) imSommersemester 2001 am Fachgebiet Informatik und Gesellschaft des FBInformatik an der Universität Dortmund statt. Das für Ingenieurinformatikerim Hauptstudium verpflichtende Seminar hat die Folgen des Einsatzes vonIuK-Techniken auf die Arbeitswelt, auf das tägliche Leben und auf gesell-schaftliche Veränderungen zum Thema. Dies wird durch Vorträge inAnwendungsblöcken wie Gesundheitswesen oder Aus- und Weiterbildungrealisiert. Eine genauere Beschreibung des Konzeptes der Vermittlung der

Archiv

zwei Gruppen mit gleichen Auf-gabenstellungen

Personendarstel-lungen in der integrierten Umgebung

Thema: Folgen der Informations-technik

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202 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Themen aus Informatik und Gesellschaft findet sich in [Herrmann et al.(1998)].

Das Seminar fand in einer Präsenzveranstaltung in Blockform im Septem-ber 2001 statt. Die integrierte Umgebung KOLUMBUS wurde in der Phaseder Erstellung einer Kurzbeschreibung, zur gegenseitigen Abstimmung derThemenschwerpunkte und zur Verteilung organisatorischer Inhalte (Ter-mine, etc.) eingesetzt.

Die Einführungsveranstaltung für das Seminar fand Ende April statt. DenStudierenden wurden zunächst an Hand einer Beamer-Präsentation Zieledes Seminars, Termine und eine Übersicht über die zu erarbeitenden The-men gegeben. An dieser Stelle sei erwähnt, dass zu Beginn der Einfüh-rungsveranstaltung lediglich eine gedruckte Seite an die Studierendenausgeteilt wurde, die wesentliche Termine, den Zugang zu KOLUMBUSund Ansprechmöglichkeiten der Veranstalter beinhaltete. Für alle weiterenInformationen wiesen die Veranstalter auf den Inhaltsbereich von KOLUM-BUS hin. Direkt im Anschluss an diesen Teil der Organisation wurde eineEinführung in die Funktionalität und Nutzung der integrierten UmgebungKOLUMBUS gegeben.

Da es sich um einen Piloteinsatz handelte, konnte trotz aller Vorsichtsmaß-nahmen und Systemtests nicht vollständig ausgeschlossen werden, dasses zu größeren Schwierigkeiten während der ersten Wochen kommenkonnte. Als Auffangsituation wurde deshalb ein Treffen zwei Wochen nachder Einführungsveranstaltung vereinbart.

Schulung der Lehrenden

Eine Woche vor der Einführungsveranstaltung für die Studierenden fandeine Schulung der Lehrenden statt. Dazu wurde eine Beamer-Präsentationverwendet, die auch in der Einführungsveranstaltung für die Studierendengenutzt werden sollte. Inhalte dieser Präsentation bezogen sich auf dieEntstehung von KOLUMBUS, den implizierten Nutzungsprozess sowieeinen groben Überblick über die Funktionalität von KOLUMBUS. Zusätzlichwurde das System demonstriert.

Unmittelbar nach dieser Schulung wurde das System von den Veranstal-tern selbst genutzt. Sie bereiteten die Materialien wie Themenzettel, Zeit-plan etc. für das System auf und stellten diese Materialien ein. Diese erstenNutzungsschritte wurden unterstützt, indem eine systemerfahrene Person

Seminar als Blockveranstal-tung

Einführungsver-anstaltung

Auffangsituation

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 203

permanent für Fragen zur Verfügung stand. An Hand konkreter Problemewurde so die Nutzung des Systems erläutert. Gleichzeitig konnten sich dieLehrenden durch die Aneignung der Systemnutzung noch vor dem Startdes Seminars darauf vorbereiten, den Studierenden anschließend ggf.selbst bei Problemen helfen zu können. Kimball spricht hier von Vermitt-lung durch Schneeballeffekt [Kimball (1998)].

Einführung von KOLUMBUS bei den Studierenden

Ziel dieses Teils der Einführungsveranstaltung war das Erlernen einessozio-technischen Systems, d.h. es wurde nicht nur auf das technischeSystem, sondern auch auf organisatorische Maßnahmen eingegangen. Daes nicht möglich war, dass die Studierenden die integrierte Umgebungwährend der Einführung an Rechnern selbst ausprobierten, wurde wieauch schon bei der Schulung der Lehrenden, mit Beamer-Präsentation vonKOLUMBUS gearbeitet. Tabelle 20 gibt einen Überblick über die verschie-denen Inhalte, die während der Einführungsveranstaltung präsentiert wur-den.

In der Literatur (z.B. Kimball (1998)]) wurden Hinweise gefunden, dass einAnlass zu schaffen ist, das System direkt nach der Einführungsveranstal-tung zu nutzen. In dieser Seminarvorbesprechung wurden deshalb ledig-lich zu bearbeitende Seminarthemen genannt und der Hinweis gegeben,dass sich weitere Informationen in KOLUMBUS befanden. Diese weiterenInformationen bezogen sich auf nähere Erläuterungen zu den Themen, zuTerminen, zu Leistungsanforderungen, Erstellung einer Kurzbeschreibungetc.. Weil Studierende in der Regel bevorzugt Themen bearbeiten, die sieselbst auswählen, scheint bereits diese Ankündigung schon Anlass zuunmittelbarer Nutzung genug.

Hinzu kommt, dass sich die Studierenden innerhalb von zwei Wochen fürein Thema entscheiden, ihre Präferenzen in KOLUMBUS eintragen undbegründen sollten. Sofern sich mehrere Studierende für ein Thema interes-sierten, sollte mittels Diskussion eine Lösung erzielt werden. Hier findet,motiviert durch die Aufgabenstellung, das Erlernen der integrierten Umge-bung in Kollaboration statt. Die gemeinsame Aneignung ist nach Orlikowksieine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Erlernen von Groupwareoder anderen Systemen, die zur Unterstützung von Kooperation eingesetztwerden [Orlikowski (1992)].

Elemente der Einführungsver-anstaltung

Anlass zur sofor-tigen Nutzung

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204 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Tabelle 20. Elemente der Einführungsveranstaltung

Wer sich binnen zwei Wochen keinem Thema zuordnete, wurde vom Ver-anstalter einem noch nicht besetzten Thema zugewiesen. Bei nicht gelö-sten Fällen, d.h. es gab mehrere Interessenten für ein Thema und dieDiskussion in KOLUMBUS hat zu keinem Ergebnis geführt, wurde durchdie Veranstalter während der Auffangveranstaltung zwei Wochen nach derEinführungsveranstaltung gelost.

Begleitung der Nutzung

Alle Inhalte, die auch während der Einführungsveranstaltung präsentiertwurden, wurden in den Inhaltsbereich von KOLUMBUS eingestellt. Diesermöglichte den Studierenden, die während der Veranstaltung vermitteltenInhalte nachträglich noch einmal nachzuvollziehen. Die eingestellten

Inhalt EinsatzzweckTheorie gemeinsamen Lernens

zur Verdeutlichung: Lernen im Seminar erfolgt gemeinsamauch Vorteile des gemeinsamen Lernens für jeden Einzelnen, bei [Hazemi et al. (1998)] als notwendiges Element einer Einführung beschrieben

Modell zum kollaborativem Lernen mit KOLUMBUS

Als Zusammenfassung: wie unterstützt KOLUMBUS kollaboratives Lerneninsbesondere auch auf den veränderten Lernprozess hingewiesen. [Orlikowski (1992)] zeigte, dass beim Fehlen einer Darstellung veränderter Prozesse der Einsatz eines Groupwaresystems scheiterte.

Überblick über Systemfunk-tionalitäten

erste Vorstellung von der integrierten Umgebung vermittelnals Metapher: Informationssammlungen oder herkömmliche Ordner (auf einen realen Ordner zeigen!) Post-Its oder gelbe Klebezettelchen! Zur Bedeutung der Nutzung von Metaphern bei Aneignungsprozessen vgl. [Nake (1998), S. 211].

Modell zum Seminarablauf in Kombination mit einer Systemdemon-stration

Hilfestellung: wie kann die integrierte Umgebung die Arbeit während des Seminars unterstützen?erste Übersicht über bestehende Inhalte

Organisator-isches

Ansprechpartner bei ProblemenInhaltsbereich (Ordner) zur Ablage von Verbesserungsvorschlägen der Teilnehmerwissenschaftliche Begleitung, z.B. Piloteinsatz, Logfileanalyse, Interviews

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 205

Modelle sollten auch während der Nutzung Hilfestellungen zum Ablauf desSeminars und zum kollaborativen Lernen mit KOLUMBUS geben.

Neben diesen Inhalten wurde ein technischer Support eingerichtet. DerSupport konnte auch über E-Mail erreicht werden, falls sich so gravierendeProbleme ergeben, dass nicht mehr auf das System zugegriffen werdenkonnte. Zudem wurde in regelmäßigen Abständen überprüft, ob dasSystem noch erreichbar war und ggf. wurde hier eingegriffen. Zusätzlichwurde in KOLUMBUS ein Ordner „Anregungen“ aufgenommen. Hier wurdedeutlich gemacht, dass jeder Hinweis auf Probleme aufgenommen undschnellstmöglich darauf reagiert werde. Bei größeren Änderungen wäredies natürlich kaum während der Seminarlaufzeit möglich. So konnten Pro-bleme mit der XML-Konvertierung behoben werden, die trotz intensivenTests bei der Nutzung durch die Studenten auftraten. Hierzu war techni-scher Hintergrund notwendig.

Beobachtung der Nutzung

Die Erläuterung an Hand der Modelle in Kombination mit einer Live-Demonstration zeigte schon während der Einführungsveranstaltung ihreWirkung. In der Einführungsveranstaltung machte ein Student darauf auf-merksam, dass durch das Archiv und das Beobachten der anderen Semi-nargruppe „abschreiben Tür und Tor“ geöffnet werden würde. Dies istAusdruck der Diskrepanz zwischen gewohnten Organisationsformen undder hier gewählten WM-orientierten Form. Daraufhin wurde erläutert, dasszwar nicht das bloße Übernehmen vorhanderer Inhalte, aber die Weiter-entwicklung vorhandener Inhalte (bei Wissensmanagementanwendungender gängige Weg) eine legitime Möglichkeit zur Berabeitung der Aufgabesei. Durch den Einwand entwickelte sich eine Diskussion über diese neueVeranstaltungsform, die den Studierenden Gelegenheit zu Nachfragen undReflektion gab.

Interviews mit den Teilnehmern

Nach der Seminarphase wurden Einzelinterviews mit 16 Studierendendurchgeführt. Diese Interviews basierten auf dem in Abschnitt 7.2.1 vorge-stellten Interviewleitfaden und erstreckten sich über jeweils ca. eineStunde. Zusätzlich wurden auch Einzelinterviews mit den beiden Veranstal-tern des Seminars geführt.

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206 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

7.2.4 Ergebnisse der Untersuchung

Im Folgenden wird eine Zusammenfassung der Interviewergebnisse undder Analyse der Logfiles präsentiert, die nach den einzelnen Fragestellun-gen aus Abschnitt 7.1 sortiert sind. In Abschnitt 7.2.5 werden diese Ergeb-nisse diskutiert. Wie bereits in Kapitel 4 werden hier zur Übersichtlichkeitund schnellen Erfassung der Ergebnisse entgegen geltender Konventionenauch für Zahlen kleiner 12 die Ziffernschreibweise anstatt des ausgeschrie-benen Wortes verwendet.

11 Studierende nannten das Einstellen von Inhalten als ausschließlicheAnwendung des Systems, 8 bezeichneten KOLUMBUS als System zurInformations- oder Dokumentenablage, ein Studierender äußerte explizit,dass er KOLUMBUS nicht als Unterstützung des Austauschs mit den ande-ren Teilnehmern des Seminars empfunden habe. Lediglich ein Studieren-der sah auch die Unterstützung des Austauschs als eine wichtigeAnwendung von KOLUMBUS: „rein als Infoablage wäre es irgendwie witz-los, da könnte man auch einen ftp Server nehmen, das ist schon mit Kom-munikation verbunden, es ist schon wichtig, dass man im SystemFeedback bekommt und Kontakt mit den Betreuern zu haben“.

Ergebnisse zu (F1): Nutzung der Funktionalitäten

Abbildung 35 gibt einen Überblick über Einstell- und Änderungsoperatio-nen über den Seminarzeitraum. Hier zeigt sich, dass das Aufkommen wäh-rend der Phase des gegenseitigen Reviews besonders hoch war:einerseits wurden sehr viele neue Items erstellt (zwischen dem 1.8.01 und9.8.01 242 Items, davon 199 Annotationen), andererseits wurden Änderun-gen an bestehenden Items vorgenommen.

Das Erstellen eigener Materialien in der ersten Phase des Seminars verliefüber einen längeren Zeitraum ohne große Ausreißer. Die Daten zeigenauch, dass Studierende an unterschiedlichen Tagen das System nutztenund so eine zeitnahe Zusammenarbeit kaum möglich war. In den erstenTagen der Reviewphase ist ein Anstieg zu verzeichnen, der über dieWoche der Reviewphase anhielt. Hier belegen die Daten, dass viele Nutzerim System arbeiteten.

Bezüglich der Änderungsoperation können an drei Tagen (11.6.01, 2.9.01und 3.9.01) starke Ausreißer beobachtet werden. In der ersten Phase sinddies Änderungen an den Reihenfolgen und den Inhalten der eingestellten

Informationsab-lage oder Kom-munikations-plattform

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 207

Gliederungen. Hier wurden einige Items mehrfach kopiert, verschobenoder gelöscht, so dass bedeutend mehr Änderungen gezählt wurden alsItems vorhanden waren.

Abbildung 35. Anzahl der Einstell- und Änderungsoperationen

In dem zweiten betreffenden Zeitraum beziehen sich diese Änderungensowohl auf die Überarbeitung von Kurzbeschreibungen als Resultat derReviewphase als auch auf eingestellte Folien. Hier zeigt sich sehr deutlich,dass Studierende KOLUMBUS selten zur Zusammenarbeit nutzten und siesich im Gegenteil zeitweise sogar in sehr unterschiedlichen Phasen befan-den: während einige an diesen Tagen bei der Überarbeitung ihrer Kurzbe-schreibung waren, befassten sich andere mit der Erstellung bzw.Überarbeitung von Folien.

Funktionen des kommunikativen Handelns

Annotationen wurden vor allem in der Phase des gegenseitigen Reviewsgenutzt. 12 Studierende machten ihr Review per Annotation; 4 per pdf, weiles Probleme mit dem System gab. Hier zeigte sich, dass gerade diejenigenStudierenden keine Annotationen verwendeten, deren Betreuer seinReview ebenfalls nicht per Annotation gemacht hat (vgl. Ergebnisse zu F5).

Zur Formulierung von Annotationen lässt sich auf Grund inhaltlicherBetrachtung der Beiträge folgendes festhalten:

• Annotationen sind in der Regel sehr kurz (1-6 Zeilen)

07.0

6.20

01

21.0

6.20

01

05.0

7.20

01

19.0

7.20

01

02.0

8.20

01

16.0

8.20

01

30.0

8.20

01

13.0

9.20

01

27.0

9.20

01

11.1

0.20

01

25.1

0.20

01

08.1

1.20

01

22.1

1.20

01

06.1

2.20

01

kFolder_instance_edit kFolder_instance_add

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Anz

ahl p

roto

kolli

erte

r Ere

igni

sse

Datum

kFolder_instance_edit kFolder_instance_add

Nutzung von Annotationen

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208 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

• 11 der 12 Studierenden formulieren an einen bestimmten Adressa-ten: direkte Ansprache („Was meinst Du?“, „Ich finde“)

• 1 Studierender zieht sich auf eher unpersönliche Kommunikationzurück: „Annotationen finde ich gut für Reviews, besonders so wieich sie verwendet habe: unpersönlich, für Kritik passt das unpersön-liche irgendwie besser“

• Als Folge fehlender Auffindbarkeit (vgl. Ergebnisse zu F3) leitete einStudierender seine Annotationen mit dem Wort Review in großenBuchstaben ein; er erhoffte sich dadurch ein schnelleres Auffindenseiner Annotationen durch den Empfänger.

Als typische Einsatzsituationen von Annotationen im Vergleich zum Einstel-len anderer Items wurden Meinung zu bestimmten Inhalten abgeben (3Nennungen), fragen (2 Nennungen) und korrigieren (2 Nennungen)genannt. Items einstellen sei „eher die Generierung neuer Inhalte, die nichtdirekt zu schon vorhandenem passen“. Ein Studierender argumentiert überunterschiedliche Urheber und unterstreicht damit den kommunikativenCharakter einer Annotation, da diese verwendet werden, wenn man sichauf Items anderer Urheber beziehen möchte: „der Urheber ist das entschei-dende Unterscheidungsmerkmal, Annotationen zu Items mit fremden Urhe-bern, Items zu meinen eigenen“.

Die Studierenden stellen zum größten Teil ihre Inhalte direkt für alle zurVerfügung. 9 nannten dabei als Vorteil, dass das Eingestellte vielleichtauch für die anderen Teilnehmer von Interesse sein könnte, einer nannteals Grund, dass es der einfachste Weg war; ein anderer nannte, dass erkein so rechtes Vertrauen in das System hatte und deshalb nachträglichnicht mehr die Rechte ändern wollte. Lediglich in einem Themenblockwurde eine Teilgruppe angelegt.

Nach Einschätzung der Veranstalter wurde das Rechtekonzept „nicht sorichtig durchschaut“ und auch nicht verdeutlicht, warum die Rechte diffe-renziert vergeben werden sollten. Eine Veröffentlichung nur an eine Teil-gruppe könne nach Aussagen beider Veranstalter von Studierenden alsVerbergen von Informationen verstanden werden: „Nur an einige zu veröf-fentlichen vermittelt das Gefühl, man habe etwas zu verbergen.“.

Nur in einigen Ausnahmen wurden Inhalte für wenige zur Verfügunggestellt:

• Ein Studierender schilderte die Situation, dass er eine Zwischenver-sion nur für den Betreuer zur Verfügung stellte, weil er glaubte,

Einsatzsituatio-nen von Annota-tionen

an alle veröffent-lichen

an Teilgruppe veröffentlichen

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 209

diese sei noch nicht gut genug, um sie für alle zur Verfügung zustellen

• Ein anderer wollte eine Powerpoint-Datei nicht allen zur Verfügungstellen, weil er fürchtete, dass andere diese Datei dann verändernkönnten.

• Einer kritisierte sich selbst, dass er anfangs einen guten Gedankenzurückhalten wollte. Nachdem er sich jedoch vom Inhalt einesanderen Hinweise holen konnte, machte er auf Grund der Erfah-rung, dass die Veröffentlichung an andere Vorteile bietet, seineInhalte auch für alle sichtbar.

Funktionen des extra-kommunikativen Verhaltens

12 Studierende benutzten das Word-Makro und die XML-Konvertierungzum Einstellen ihrer Inhalte. 5 von ihnen stellten zusätzlich eine Binärdateiin Word-Format (3 Nennungen) oder pdf-Format (1 Nennung) ein; 1 Studie-render legte zusätzlich seine Abbildungen jeweils in einer Binärdatei ab. 4Studierende stellten ihre Kurzbeschreibung nur als pdf ein, weil sie die Pro-bleme, die durch die Word-Vorlage und XML-Konvertierung entstanden, fürunüberwindbar hielten. 10 der 12 Studierenden, die das Makro und dieKonvertierung verwendeten, stellten Probleme fest, die sich auf die Kon-vertierung der Umlaute (5 Nennungen), die Einbindung von Grafiken (3Nennungen) oder die Gliederungsebenen (2 Nennungen) bezogen. Hierwurde, wie bereits erwähnt eingegriffen und kleinere Verbesserungen vor-genommen, die diese Probleme lösten.

Die Erarbeitung der Inhalte fand bei vielen Studierenden auf den Rechnernzu Hause statt. 9 Studierende gaben an, auch ältere Versionen ihrer Kurz-beschreibung in ihrem privaten Datenarchiv zu halten. 12 Studierende stell-ten überwiegend Endversionen ihrer Kurzbeschreibung oder Folien ein. 2von ihnen nannten als Grund das mühsame, oft zeitaufwendige Einstellender Inhalte, die aus den Problemen mit der Word-Vorlage bzw. der DTDresultierte. 3 dieser 12 Studierenden stellen anfangs auch Zwischenversio-nen ein, passten sich nach kurzer Zeit jedoch dem Umgang der Mehrheitan. Interessanterweise ist einer dieser drei jemand, der seine Inhalte ledig-lich in pdf einstellte.

4 Studierende stellten mehrere Versionen ein, die sie meist zusätzlich miteinem Datum im Namen versahen, damit die anderen auf einen Blick dieneueste Version in der Baumansicht erkennen konnten. 2 dieser Studieren-den haben ihre Abgaben nur in pdf gemacht. Mit diesem Vorgehen sollte

verwendete For-mate

Zwischenver-sion vs. Endver-sion

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210 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

auch der Fortschritt im Entstehungsprozess der Inhalte dokumentiert wer-den: „dann konnte man die Entstehung besser nachvollziehen“. Ein Studie-render bemerkte, dass er seine Abgaben deutlich vor dem Abgabetermineingestellt hätte. Eine fehlende Rückmeldung seitens der Betreuer oderanderer Studierender hat ihn nicht in der Annahme bestätigt, dass bereitsim Vorfeld über abgelegte Inhalte diskutiert werden sollte. Tabelle 21 gibteinen Überblick über das Vorgehen während des Arbeitens am eigenenMaterial.

Tabelle 21. Erarbeitung von Inhalten (ZV = Zwischenversion, EV = Endversion)

Die Analyse der Logfiles bezogen auf einzelne Nutzer bestätigt die Aussa-gen der Studierenden. Insbesondere zeigte sich hier, dass die meisten Stu-dierenden wenige Versionen einstellten und für die Erstellung derKurzbeschreibung KOLUMBUS nicht regelmäßig nutzten. Die Veranstalternannten unterschiedliche Gründe für das überwiegende Einstellen vonEndversionen. Der eine Veranstalter erwähnte, dass die Studierenden nurdie verpflichtenden Aufgaben erledigten und das Einstellen von Zwischen-versionen keine explizit geäußerte Anforderung war. Der andere Veranstal-ter hingegen nannte als Grund die Verbindlichkeit geschriebener Spracheund die damit verbundene Gültigkeit der in KOLUMBUS eingestelltenInhalte: „da möchte ich mir relativ sicher sein, dass das, was ich da ein-stelle auch gültig ist“.

5 Studierende gaben an, Annotationen zu ihrer Kurzbeschreibung ausge-druckt zu haben, um mit deren Hilfe die Kurzbeschreibung zu überarbeiten.Für die Überarbeitung verwendeten 9 Studierende erneut die Word-Vorlageund stellten dann das gesamte Dokument ein. Es wurde nicht das Formularverwendet, weil das Ändern einzelner Items als zu mühsam und langwierigempfunden wurde (3 Nennungen), eine Exportfunktion fehlte (2 Nennun-gen) oder Änderungen item-übergreifend waren (1 Nennung). Die fehlendeExportfunktion würde keine Änderung des Dokuments auf dem Heimrech-

ZV anfangs ZV

EV gesamt zusätzliches Einstellen

Zerlegte Inhalte in Items (Erstellung mit word und xml)

2 2 8 12 word 3 pdf 1 Abb. (binär) 1

nur pdf 2 1 1 4

gesamt 4 3 9 16

Überarbeitung von Inhalten

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 211

ner bewirken, so dass Inkonsistenzen befürchtet wurden. 4 Studierendegaben explizit an, dass sie die ältere Version nicht löschten, um für dieanderen Teilnehmer zu dokumentieren, dass sie ihre Aufgabe der Überar-beitung erledigt hätten.

7 Studierende gaben an, dass sie die Baumansicht im Wesentlichen zurNavigation verwendeten, um anschließend in der Zeitungsansicht Inhaltezu lesen (6 Nennungen), auszudrucken (5 Nennungen), ein Review durch-zuführen (4 Nennungen) oder den Inhalt abzuspeichern (1 Nennung). DieBaumansicht wurde darüber hinaus auch genutzt, um Reviews durchzufüh-ren (5 Nennungen) oder Inhalte zu lesen (4 Nennungen). Das Reviewen inder Baumansicht wurde bei 3 Studierenden durch handschriftliche Anmer-kungen unterstützt, die sie zur Orientierung verwendeten.

Die übersichtliche Darstellung aller Inhalte auf einem Blick in der Zeitungs-ansicht wurde von 4 Studierenden positiv genannt. Nur die Darstellung derÜberschriften wurde von 1 Studierenden als störend empfunden. 1 weitererStudierender hob hervor, dass eine gute Gestaltung der Inhalte Vorausset-zung für die Lesbarkeit der Inhalte in der Zeitungsansicht sei.

Demgegenüber wurde bei der Baumansicht bemängelt, dass nur die ersteZeile des Inhalts sichtbar war (2 Nennungen) und dass Autor und Einstel-lungsdatum nicht sofort ersichtlich waren (2 Nennungen). Ein Studierendererwähnte, dass die Kennzeichnung der Annotationen in der Baumansichtdeutlicher war als in der Zeitungsansicht.

Von 4 Studierenden wurde die Struktur der Inhalte als ungünstig empfun-den, der Weg zu den Inhalten als mühsam (4 Nennungen) oder die Inhaltebei größerer Baumtiefe als nicht auffindbar (2 Nennungen) beschrieben. 3Studierende richteten sich einen Bookmark als „Abkürzung“ zu ihremBereich ein und hätten sich im System eine Portalseite gewünscht, die siezu diesem Bereich und zu anderen, für sie wichtigen Bereichen, direktführte. 1 Studierender nannte hier explizit einen „kurzen Weg“ zu dem glei-chen Thema im anderen Seminarbereich.

Insgesamt zeigte sich, dass ein flexibler Umgang mit Inhalten notwendigsowie abhängig von Benutzer und Situation ist. Die Gegenüberstellungzweier konträrer Aussagen soll dieses verdeutlichen:

• ein Studierender erwähnt das Wegklappen von Annotationen positiv:„was ich gut fand, ist, dass man die Annotationen wegklappenkonnte“

flexibler Umgang mit Dokumenten

Zeitungsansicht

Baumansicht

Struktur der Inhalte

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212 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

• ein anderer Studierender nennt negativ die voreingestellte Darstel-lung, dass Annotationen nicht ausgeklappt seien: „blöd war, dassAnnotationen nicht sofort angezeigt wurden“

Prinzipien des Wissensmanagements

9 Studierende gaben an, dass sie sich das Archiv mit den Kurzbeschrei-bungen vergangener Seminare angeschaut hätten. Alle nannten als Vorteil,dass sie dadurch einen Einblick an die Herangehensweise zu einemThema erhielten, was ihnen sehr bei der Bearbeitung ihrer eigenen Auf-gabe geholfen habe. Lediglich ein Studierender äußerte explizit, dass erdas Archiv als nicht hilfreich empfunden habe, weil er keine Verbindungzwischen seinem Thema und dem vorhandenen Material sah.

Alle Studierenden gaben an, in Bereichen anderer geschaut zu haben, umdavon etwas zu lernen. Dabei bezogen sich 10 Nennungen auf inhaltlichesInteresse, 10 Nennungen entfielen auf Interesse darauf, wie andere dieErstellung ihrer Kurzbeschreibung organisierten. Drei Studierende nann-ten, dass sie ihren eigenen Fortschritt mit dem anderer vergleichen wollten.Auch für das Vorgehen während der Reviewphase durch den Betreuerinteressierten sich 5 Studierende; 2 Studierende interessierten sich für dasVorgehen bei Annotationen von Kommilitonen.

Zum gegenseitigen Vorstellen wurde ein Bereich „people“ angelegt, in demdie Betreuer und Studierenden Beschreibungen von sich selbst anlegenkonnten. 4 Studierende gaben an, dass sie in den people-Bereich geschauthätten. Dabei war einer auf der Suche nach einer E-Mail-Adresse, die erdort sogar gefunden hat. Er selber habe dadurch zwar den Zweck erkannt,auf Grund des fortgeschrittenen Seminarstudiums sah er keinen Nutzendarin, selbst eine Seite anzulegen. Die anderen 3 haben keinen direktenNutzen darin gesehen und dementsprechend selbst keine Seite angelegt. 4Studierende äußerten, dass sie diesen Bereich nicht wahrgenommen hät-ten.

Neben den Betreuern legte ein Studierender eine people-Seite an. AlsGründe für das Nichteinstellen wurde genannt, dass dies als Zusatz ohnedirekten Nutzen empfunden wurde (2 Nennungen) und es an einer vorge-gebenen Struktur fehlte, die nur auszufüllen sei (2 Nennungen). 3 Studie-rende äußerten, dass sie keine Seite eingestellt hätten, weil das Ganze„wohl nicht so richtig akzeptiert wurde“ und sie nicht die ersten sein wollten,die was einstellten. Ein Studierender mutmaßte, dass ein solches Konzept

Archiv

Bereiche ande-rer inspizieren

people-Seiten anschauen

people-Seiten anlegen

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 213

nur funktioniere, wenn das System über einen längeren Zeitraum undintensiver genutzt werden würde. Ein weiterer Student nannte als sinnvolleAnwendung das Einstellen von Informationen zu externen Experten, die zuinhaltlichen Fragestellungen beraten könnten. Selbst den Lehrenden lagder Vorteil nicht unmittelbar auf der Hand; sie stellten zunächst einepeople-Seite ein, weil dies gefordert war und sie ein Vorbild in diesemPunkt sein wollten. Erst beim Lesen einer Annotation durch das Evaluati-onsteam wurde einem Veranstalter mögliche Vorteile durch die people-Sei-ten bewußt: „ein System darf nicht unpersönlich bleiben, denn dann lebt esnicht, deshalb sind auch die people-Seiten so wichtig, ein System ist immerunpersönlich, aber dadurch macht man es persönlicher.“

Ergebnisse zu (F2): An welchen Stellen der Inhaltsstruktur entwickelt sich Wissensaustausch?

10 der 12 Studierenden, die ihr Review per Annotationen leisteten, anno-tierten an Abschnitten. Als Vorteil dieser Vorgehensweise nannten die Stu-dierenden, dass sie weniger erklären müssen: „absatzweise, weil ich dannnicht so genau erklären musste, wozu ich was sagen wollte, das ist ebeneinfach Kontext, weil es da in den Kontext gepasst hat“. 2 der 12 Studieren-den annotierten am Anfang von Absätzen, weil sie nach eigener Aussageeher allgemeine Anmerkungen hätten.

Auch das Nachvollziehen von Beiträgen wurde nach Einschätzung derInterviewpartner bei der Verwendung von Annotationen erleichtert. Sonannten 5 Studierende ungefragt den Vorteil, dass das abschnittsweiseAnnotieren für das Nachvollziehen der Beiträge hilfreich ist: „für den, derdas liest ist das auch ganz gut, der kann noch mal seinen eigenen Textlesen und die Annotationen dazu, er muss dann nicht suchen im Text“.

Ein stark frequentierter Bereich waren die News, die von 12 Studierendenbesucht wurden. 6 von ihnen besuchten diesen Bereich regelmäßig, umsich über neue Termine zu informieren, sie waren sich auch einig darüber,dass dies wohl ein stark frequentierter Bereich gewesen sei: „news wurdeErsatz für die nicht genutzte Gruppe Diskussion mit Informationen: ichhabe da das und das eingestellt, weil die Leute nicht von allein in die ande-ren Bereiche geschaut haben“. 3 Studierende nannten die Organisationdes Newsbereichs als sehr unübersichtlich, einer äußerte dagegen, dassgerade wegen der flachen Struktur, die alle Einträge auf einer Ebene dar-stellt, der Newsbereich „gut zu überblicken“ ist.

Annotieren an Abschnitten

News

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214 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Probleme im Zusammenhang mit der Platzierung der Annotationen erga-ben sich hauptsächlich im Auffinden von Annotationen und die Ablage vonBeiträgen, die nicht unmittelbar zu einem Thema gehörten. Auf diese undandere Probleme wird im folgenden Abschnitt eingegangen.

Ergebnisse zu (F3): Welche Konstellationen fördern Wissensaus-tausch? Bei welchen Konstellationen treten Probleme beim Wis-sensaustausch auf?

Tabelle 22 fasst die wichtigsten Problembereiche zusammen, die im Fol-genden näher erläutert werden.

Tabelle 22. Problembereiche beim Wissensaustausch mittels KOLUMBUS

Als ein Problem wurde das Auffinden von Annotationen beschrieben.Annotationen an der eigenen Kurzbeschreibung wurden zu einembestimmten Zeitpunkt (am Ende der Reviewphase) erwartet, deshalbwurde zu diesem Zeitpunkt sehr genau in den entsprechenden Bereichendanach gesucht. Dadurch konnten Annotationen wahrgenommen werden.Studierende berichteten auch, dass sie nicht zu jedem Zeitpunkt alleInhalte so genau durchgesehen hätten. So würden Annotationen kaumwahrgenommen werden.

Selbst bei der zeitnahen und intensiven Suche im Bereich der eigenenKurzbeschreibung wurde berichtet, dass Annotationen übersehen wurden(5 Nennungen); die umgesetzten Awarenessdienste wie die Kennzeich-nung neuer Items und Informationen hinter dem „i“-Symbol (Urheber, Emp-fänger, Einstell- und Änderungsdatum) wurden als nicht ausreichendbezeichnet. Hier einige Beispiele:

praktische Sicht der Studierenden theoretische Sicht- 4 Studierende: fehlender Bereich zur Platzierung allgemeiner (oft organisatorischer) Beiträge

Einordnung in den Kontext

- Einschätzung anderer nur über die eingestellten Inhalte möglich- 11 Studierende: schlechte Wahrnehmung anderer

Einschätzung des Vorwissens des Rezipienten

- 5 Studierende: fehlende Adressierung bei Annotationen- Auffinden von Annotationen, Suche und Neu-Markierung nicht ausreichend

Aufmerksamkeits-steuerung

- 7 Studierende: es sind etabliertere Kommunikationswege vorhanden, die mehr frequentiert sind und zu einer schnellen Reaktion führen.

Medienwahl nach MST (vgl. Kapitel 2)

Problem: Auffin-den von Annota-tionen

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 215

• Neu: Die Kennzeichnung von neu, die in dieser Umsetzung nichtzum Vater-Item weitergereicht wird (vgl. Kapitel 6), wurde nichtimmer gefunden, weil es sehr tief im Baum versteckt war; eineSuche nach dem Attribut „neu“ zeigte alle neuen Items in einer nichthierarchischen Liste an, so dass unklar blieb, an welcher Stelle inder Inhaltsstruktur die gefundenen Items verortet sind; 6 Studie-rende empfanden dies als Problem.

• Übersicht: 6 der 12 Studierenden forderten eine Übersicht über alleAnnotationen, die es zu ihrer Kurzbeschreibung gab; dass in einersolchen Sicht Strukturinformationen enthalten sein sollten, wardabei klar: „wenn man dann im oberen Baum den Filter anwendet,muss man natürlich angeben, das befindet sich in dem und demPfad, bezieht sich auf den und den Unterpunkt, sonst kann man dasnicht verstehen, zum Beispiel: ‘hier genauer‘“.

• Benachrichtigung: 5 der 12 Studierenden wünschten sich eine E-Mail-Benachrichtigung, bei der man aber einstellen können sollte,für welche Bereiche sie gelte.

Die fehlende Wahrnehmung wurde als Grund für den Abbruch von Diskus-sionen angegeben. 4 Studierende antworteten auf die Annotationen ande-rer. Diese nahmen jedoch die Antworten nicht wahr, so dass sich keineDiskussion entwickelte.

Aus Sicht 4 Studierender beziehen sich nicht immer alle Kommunikations-beiträge auf schon bestehende Inhalte. Für solche Beiträge, die sich häufigauf Arbeitsorganisation beziehen, fehle ein zentraler Bereich zur Ablage,so dass auf andere Kommunikationswege ausgewichen wurde.

11 Studierende nannten die schlechte Wahrnehmung anderer als ein Pro-blempunkt von KOLUMBUS, 6 von ihnen wünschten sich eine Übersicht,wer gerade online sei. Dies wird als wichtige Voraussetzung für die Ver-wendung der Chat-Funktion genannt, diene aber auch bei der Verwendungvon Annotationen, da so eine ähnlich schnelle Antwort erwartet wird wiebeispielsweise bei einer E-Mail und nicht von einer Verzögerungszeit vonmehreren Tagen ausgegangen werde.

Neben der fehlenden Wahrnehmung anderer und der geringen Akzeptanzdes people-Bereichs konnte ein Partnerbild nur durch Inspektion des Teil-baums, den die Teilnehmer füllen, entstehen. Hier wirkt sich die Tatsache,dass fast alle Studierende ihre Inhalte immer für alle Teilnehmer des Semi-nars zur Verfügung stellten, positiv aus, da dadurch prinzipiell die Einschät-zung aller Teilnehmer möglich wurde.

Problem: Platzie-rung allgemei-ner Beiträge

Problem: feh-lende Wahrneh-mung anderer

Problem: Entste-hung des Part-nerbildes nur über eingestellte Inhalte

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216 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Als Gründe für die Einschätzung, dass KOLUMBUS jenseits des Review-prozesses nicht zur Unterstützung der Kommunikation genutzt wurde,wurde von 7 Studierenden das Vorhandensein etablierterer Kommunikati-onswege genannt, die entsprechend mehr frequentiert seien und zu einerschnelleren Reaktionen führten als beim Einstellen einer Annotation inKOLUMBUS. Bei diesen etablierteren Kommunikationswegen handelt essich sowohl um computervermittelte (z.B. E-Mail) als auch um andereWege (z.B. Telefon oder Face-to-Face Kommunikation).

Von 5 Studierenden wurde bemängelt, dass die Adressierung der Beiträgean ausgewählte Personen nicht möglich war: „Ich muss konkret danachsuchen, wo von den anderen Leuten was annotiert wurde. Wir hätten ehereine Möglichkeit zur direkten Personenkommunikation benötigt, wo mandie Leute ansprechen kann, ich habe ’ne Frage zu dem und dem, das wäresehr kompliziert gewesen. Ich hätte irgendwohin eine Annotation geschrie-ben und dann eine Mail geschrieben, er solle bitte da und da nachschauen,dann maile ich ihm lieber gleich.“ Diese direkte Adressierung müsste nachAnsicht eines Studierenden auch Implikationen auf der Rezipientenseitehaben. Eine Art Notifikation-Dienst sei nötig, der auf neue Nachrichten auf-merksam mache: „hey, da ist was für Dich! “.

Die Veranstalter nannten als Grund für das geringe Kommunikationsauf-kommen, dass kein Mehrwert durch die Nutzung von KOLUMBUS alsKommunikationsunterstützung entstünde. Schließlich wurde auch die man-gelnde Anbindung an etabliertere Kommunikationsunterstützungen wiebeispielsweise E-Mail als Hindernis erwähnt.

Ergebnisse zu (F4): Bildung von Konvergenz

In dieser Studie konnten keine Ergebnisse zur Nutzung der Aushandlungs-funktionalität gefunden werden, weil die Studierenden keine gemeinsamenThesen erarbeiteten. Als Gründe hierfür kann die Themenstellung (vgl.Abschnitt zu F7) angesehen werden. So wurde von beiden Veranstalterngeäußert, dass die Aufgabenstellung die Zusammenarbeit mit den anderennicht anregte, weil die Phase der individuellen Arbeit (Erstellung einerKurzbeschreibung) zu lang war. Darüber hinaus wurde von den Veranstal-tern erwähnt, dass die Aufgabenstellung völlig ungewohnt für die Studie-renden war und dadurch so wenig wie möglich gemeinsam gearbeitetwurde: „Studenten waren das nicht gewohnt gemeinsam und übergreifend

Problem: eta-bliertere Kom-munikations-wege vorhanden

Problem: keine Adressierung an Personen

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 217

zu arbeiten. In anderen Seminaren trifft man sich, verteilt Teilaufgaben undstellt dann die Ergebnisse ein.“

Konvergenzbildung konnte aber nach der Reviewphase beobachtet wer-den. Diese äußerte sich nicht in Diskussionen basierend auf Annotationen.Vielmehr wurden hier die Reviewanmerkungen in Form von Annotationengenutzt, um Materialien weiter zu entwickeln. So gaben 12 der 16 Studie-renden an, dass sie Änderungen ihrer Reviewer übernommen haben. 4äußerten explizit, dass sie versuchten, alle Anmerkungen umzusetzen, 4merkten an, dass sie nur einiges geändert hätten, was ihnen selbst alssinnvoll erschien: „wo ich es sinnvoll fand, habe ich es geändert, ich war aneinigen Stellen wohl etwas knapp“.

Ergebnisse zu (F5): Rolle der Veranstalter

Tabelle 23 gibt einen Überblick über die verwendeten Kommunikations-wege, die zum Austausch mit den Veranstaltern genutzt wurden.

Hier zeigt sich, dass Studierende ein Kommunikationsmedium wählten, beidem sie von den Betreuern eine schnelle Antwort erwarten bzw. bekom-men. Die Aussagen „ich hätte erwartet, dass sie annotiert“ oder „ich hätteerwartet, dass ich früher Feedback bekomme“ zeigen, dass die Studieren-den von den Veranstaltern erwarteten, dass sie regelmäßig Inhalte inKOLUMBUS überprüften. Da dies vielleicht nicht im erwarteten Umfanggeschah, wichen die Studierenden auf ein anderes Medium, meist E-Mail,aus. Ein Veranstalter äußerte, dass auch für ihn E-Mail das angenehmereKommunikationsmedium war und er deshalb sehr schnell die Bedenkender Studierenden annahm, um selbst die Kommunikation per E-Mail zulegitimieren.

Der Umgang der Veranstalter mit dem System hatte entscheidenden Ein-fluss auf den Umgang seitens der Studierenden. Während einer der beidenBetreuer alle Reviews per Annotationen machte, stellte der andere vierReviews als pdf ein. Dies hatte direkte Auswirkung auf das Vorgehen beiden Studierenden. Die 4 Studierenden, die ihr Review vom Betreuer als pdferhielten, machten ihrerseits ihre Reviews in pdf-Format und nannten alsBegründung: „wenn sie das so gemacht hat, kann das ja nicht so verkehrtsein“.

Kommunikation mit den Veran-staltern

Systemumgang erlernen durch Beobachten der Veranstalter

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218 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Tabelle 23. Kommunikation mit den Veranstaltern

Alle vom ersten Veranstalter Betreuten hingegen verwendeten Annotatio-nen für ihre Reviews. Bei 7 Studierenden waren bereits Annotationen vomVeranstalter vorhanden. Dies bot den Studierenden erneut den Anlass,vom Umgang des Veranstalters mit dem System zu lernen. Alle inspiziertenzunächst die schon vorhandenen Annotationen. 4 Studierende äußerten,dass sie das Lesen der Annotationen des Veranstalters hilfreich fanden,weil sie dadurch selbst eine Vorstellung für ihr Vorgehen entwickelten. Von5 Studierenden wurde als Vorteil genannt, dass sie dadurch weniger anno-tieren mussten, weil sie bereits Erwähntes nicht wiederholen wollten. Nurein Studierender erwähnte, dass er sich davon nicht beeinflussen ließe,weil er seine Anmerkungen schon auf Papier gemacht hätte; ein weiterermerkte kritisch an, dass er sich wegen der bereits vorhandenen Annotatio-nen weniger verantwortlich fühlte.

Beide Veranstalter sahen sich selbst als Vorbild in der Nutzung desSystems. Dabei wurde von einem explizit erwähnt, dass er seine Anmer-kungen immer gleich an alle veröffentlichte, weil er sich davon versprach,dass die Studierenden von seiner Nutzungsweise lernen könnten. Ein Ver-anstalter schlug vor, dass auch die Veranstalter in Bezug auf die Nutzungvon KOLUMBUS zum gemeinsamen Lernen ein Vorbild darstellen könnten:„Vielleicht hätten wir Veranstalter auch mehr machen sollen, so nach demMotto, seht her, wir machen auch was zusammen und wir haben wasdavon, ein Vorbild für die anderen zu sein auch in dem Punkt der Zusam-menarbeit.“

Kontakt zu Veranstaltern wurde von 10 Studierenden wegen des Aus-tauschs über erarbeitete Inhalte gesucht, die zum Teil stark mit den Pflicht-anforderungen zusammenhingen. Sie kontaktierten die Veranstalter aberauch, wenn sie ein Problem mit KOLUMBUS hatten (5 Nennungen) oder

Kommuni-kationsweg

Anz. Bemerkungen

E-Mail 13 4: bevorzugter Kommunikationsweg 1: schnelleres Feedback1: für organisatorische Fragen

treffen 9 „für die Überarbeitung von Diagrammen war das besser, da konnte ich direkt meine Frage stellen“

KOLUMBUS 5 2 Studierende nur „anfänglich“

Austauschsitua-tionen

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 219

ein fachliches Problem lösen wollten (2 Nennungen). 6 Studierende nann-ten explizit, dass sie sich die von den Veranstaltern zur Verfügung gestell-ten Literaturlisten anschauten.

Ergebnisse zu (F6): Einfluss der Einführungsveranstaltung

Zum Erlernen des Umgangs mit dem System wurde ein Bereich Tipps zurNutzung eingerichtet. 10 Studierende gaben an, nicht in die Tipps geschautzu haben, weil für sie die Einführungsveranstaltung ausreichend war (7Nennungen), insbesondere, wenn sie nur Grundfunktionen verwendeten (3Nennungen) und die Bedienung als intuitiv empfanden (3 Nennungen).

6 Studierende schauten sich die Tipps an, davon nannten 2 die Formatie-rungshinweise als hilfreich, 3 sagten explizit, dass die Modelle für dasErlernen zu abstrakt und wenig hilfreich seien. Vielmehr wurde einfachBedienhilfe gewünscht: „so ganz einfach: wie verwende ich das und das“.Hier wurde von 3 Studierenden die Erweiterung der Hilfe bzw. eine kontext-sensitive Hilfe als Verbesserung genannt.

Ein Studierender nannte die Erwartung, dass die Tipps im Verlaufe der Ver-anstaltung mit neuen Informationen gefüllt werden würden, ein weiterernannte als Unterstützung eine weiterführende Nutzerschulung in der Mitteder Vorbereitungszeit.

Bezogen auf die in Tabelle 20 auf Seite 204 genannten Elemente der Ein-führungsveranstaltung zeigte sich, dass der Überblick über die System-funktionalitäten sowie Inhalte zum Organisatorischen in diesem Fallunverzichtbar waren. Deren Inhalte hätten jedoch zusätzlich während derSeminarphase zur Verfügung stehen sollen. Die Modelle zum kollaborati-ven Lernen und zum Seminarablauf waren zur Erläuterung in der Einfüh-rungsveranstaltung hilfreich, wurden während der Seminarphase von denStudierenden jedoch als nicht hilfreich und zu abstrakt empfunden.

Ergebnisse zu (F7): Einfluss der Aufgabenstellung

Die Aufgabenstellung hatte direkten Einfluss auf den Umfang der Zusam-menarbeit. Beide Veranstalter sahen in der Aufgabenstellung den Grundfür das Scheitern der kollaborativen Phase. 7 Studierende bezeichnetendie jeweiligen Aufgabenstellungen, die von einzelnen Studierenden bear-beitet, aber zu einem Themenblock zusammengefasst wurden, als sehrunterschiedlich, so dass eine Zusammenarbeit nicht erforderlich war. 3 Stu-

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220 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

dierende äußerten explizit, dass die Themenstellung sie nicht zur Zusam-menarbeit angeregt habe. Wenn Zusammenarbeit erwünscht sei, so 1Studierender, dann müsste die Themenstellung Überschneidungen bein-halten. Von 1 Studierenden wurde vorgeschlagen, dass die Teilnehmereiner Gruppe zusammen ein Fallbeispiel bearbeiten sollten.

Den Ergebnissen zur Zusammenarbeit entsprechend wurde von 5 Studie-renden geäußert, dass sie nichts unternommen hätten, um Überschneidun-gen zu den anderen Themen zu vermeiden. Von anderen wurden Treffen(6 Nennungen) oder das Lesen in den Bereichen anderer als Strategien zurVermeidung von Doppelungen genannt (5 Nennungen).

7.2.5 Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse

In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Ergebnisse diskutiert. Dabeiwerden in den Tabellen die Nutzung der Funktionalitäten und die darausresultierenden Gestaltungskonsequenzen im Detail dargestellt, während imFließtext auf besondere Probleme eingegangen wird.

Betrachtet man den Einsatz der integrierten Umgebung KOLUMBUS inihrer Gesamtheit, so hat sich gezeigt, dass Funktionsfähigkeit, Geschwin-digkeit und leichte Bedienbarkeit wichtige Faktoren für die Akzeptanz unddamit auch für eine stark frequentierte Nutzung der Umgebung sind. Dieskorrespondiert mit dem software-ergonomischen Prinzip der Erreichbarkeitund Bedienbarkeit. Die Balance zwischen ausreichender Rückmeldungeinerseits und wenig Bearbeitungsschritten andererseits wurde in der inte-grierten Umgebung KOLUMBUS zu Gunsten der Rückmeldungen über-strapaziert, so dass sich bei den Studierenden ein Bild der schlechtenBedienbarkeit einstellte.

Insbesondere bei der Erarbeitung von Materialien muss genauer geprüftwerden, wie viele Bearbeitungsschritte notwendig sind, wann ein zweitesDialogfenster eingesetzt wird und wie schnell Inhalte in eine solche Formgebracht werden können, dass sie als Items in KOLUMBUS sichtbar sind.Zu viele Schritte während der Konvertierung führten in dieser Fallstudiedazu, dass häufig nur wenige Versionen von Materialien eingestellt wurdenund so nicht gegenseitig vom Material des anderen profitiert werdenkonnte. Tabelle 24 fasst die Nutzung der Funktionalitäten zum Umgang mitMaterialien zusammen, so wie dies den Antworten der Interviewpartner zuentnehmen war und leitet Gestaltungskonsequenzen ab. Die mittlere

Funktionsfähig-keit, Geschwin-digkeit und Bedienbarkeit

Anzahl der Bear-beitungsschritte

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 221

Spalte gibt dabei an, ob die betreffende Funktionalität genutzt wurde („X“)oder nicht („---“).

Tabelle 24. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zum Umgang mit Materialien

Eine geeignete Inhaltsstruktur ist häufig entscheidend für die Nutzung. Diesist auch ein Ergebnis aus den Fallstudien zum betrieblichen Wissensmana-gement (vgl. Kapitel 4). In der KOLUMBUS-Fallstudie hat sich gezeigt,dass von den Studierenden nicht erwartet werden kann, dass sie sich inallen Bereichen (z.B. people-Seite) eine eigene Struktur erarbeiteten.Sogar für die Bereiche zur Ablage der eigenen Materialien wurden vorge-fertigte Strukturen und Verknüpfungen zwischen den Bereichengewünscht.

Funktionalitäten GestaltungskonsequenzenEinstellen von Materialienerleichtertes Einstellen von Materialien: Formular, Wordvorlage, XML

X beibehalten,aber: weniger Bearbeitungsschritte

Material ändern --- auch Export vorsehenSegmentierbarkeit der Materialien (Mate-rial hinzufügen an allen Positionen)

X Segmentierbarkeit durch Wordvorlage oder XML-Dokument beibehalten

Multimediaelemente: Text, Bilder, Tabel-len, andere Binärdateien

X beibehalten

freie Formulierungsmöglichkeiten X beibehaltenMetadaten: Urheber, Empfänger, Einstel-lungs- und Änderungsdatum

X beibehalten

Auswahl von Rezipienten --- Voreinstellung durch den Nutzer ermög-lichen

Darstellen von MaterialienStrukturierung von Inhalten: beliebige Anordnung einer Hierarchie

X beibehalten

Struktur der Inhalte anzeigen: Bauman-sicht

X beibehalten zur Navigation in den Inhal-ten

verschiedene Präsentationstypen in der integrierten Umgebung anzeigen: Zei-tungsansicht

X beibehalten

Hide & Show-Mechanismen X beibehalten zur Navigationintegrierte Darstellung von Materialien und Kommunikationsbeiträgen

X beibehalten, besonders wegen der Unterstützung der Kommunikation

Suchen, Filtern, BewertenSuche --- an zentralerer Stelle, mehr InstruktionFiltern --- an zentralerer Stelle, mehr InstruktionBewertung --- an zentralerer Stelle, mehr Instruktion

vorgefertigte Inhaltsstrukturen

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222 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Zudem sollte eine einfache Exportfunktion dem Lernenden ermöglichen,neue Inhalte in der Baumstruktur auch für sich zu Hause sichtbar zumachen. Das Fehlen einer solchen Exportfunktion hat hier dazu geführt,dass Änderungen nicht in KOLUMBUS, sondern in dem Dokument auf demeigenen Rechner durchgeführt wurden, so dass die Inhalte in KOLUMBUSnicht immer auf dem neuesten Stand waren. Eine häufige Variante der Off-lineversion wurde in Ausdrucken gefunden.

Weitere Reduzierung der Bearbeitungsschritte erreicht man, wenn Studie-rende eigene Voreinstellungen vornehmen können. Hier könnte beispiels-weise eine Gruppe von Rezipienten angegeben werden oder dieInformation, ob Annotationen beim Wechsel in die Zeitungsansicht aufge-klappt erscheinen. Dies erspart den immer wiederkehrenden Schritt derAuswahl der Rezipientengruppe oder des Aufklappens jeder einzelnenAnnotation.

Zur Unterstützung der Kommunikation

Abgesehen von den oben erwähnten Problemen, die aus dem Vergleichmit bekannten Kommunikationswegen resultierten, erwiesen sich Annota-tionen in KOLUMBUS als ein gutes Vehikel zur webbasierten, kontextuali-sierten Kommunikation. Insbesondere wird die erleichterte Erstellung vonBeiträgen positiv genannt, da durch passende Einordnung in die Inhalts-struktur eine Kontextualisierung des Beitrages vorgenommen wird unddadurch viel Explizierung erspart bleibt. Tabelle 25 fasst die Nutzung derKOLUMBUS-Funktionalitäten zur Unterstützung der Kommunikationzusammen. Weiteres Optimierungspotenzial besteht darin, auch währendder Erstellung der Annotationen dem Mitteilenden die benachbarten Itemsanzuzeigen.

Auf der Rezipientenseite indes wurde bemängelt, dass das Auffinden vonAnnotationen eine große Hürde darstelle. Eine insgesamt verbesserteMöglichkeit zur Wahrnehmung neuer Inhalte, insbesondere neuer Kommu-nikationsbeiträge (also Annotationen) und der Aktivitäten anderer ist andieser Stelle notwendig. So wurde eine Benachrichtigungsdienstgewünscht, der z.B. über neue Annotationen oder Materialien informiert.Zudem erwies sich die hier umgesetzte Funktionalität der Neu-Kennzei-chung und die damit verbundene Bestätigung des Lesens neuer Beiträgedurch den Nutzer als nicht praktikabel, weil diese Bestätigung von den Nut-zern als ein zusätzlicher Arbeitsschritt empfunden wurde. Auch das Weiter-

Exportfunktion und Offlinever-sion

Nutzer-Vorein-stellungen

Wahrnehmung neuer Inhalte

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 223

reichen der Neu-Kennzeichung an das Item eine Ebene höher (Vater-Item)erscheint trotz der Gegenargumente, dass bei fein granularer Inhaltsstruk-tur ein Vateritem immer auch bei kleinster Änderung als neu gekennzeich-net wurde, als sinnvoll.

Tabelle 25. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zur Unterstützung der Kommunikation

Gleiches gilt für die Wahrnehmung der Aktivitäten anderer Teilnehmer.Diese erleichtert die Einschätzung des Vorwissens des Rezipienten.Zudem vermittelt sie den Studierenden nicht nur das Gefühl, in einerGemeinschaft zu lernen, sondern senkt gleichzeitig die Schwelle, eine syn-

Funktionalitäten GestaltungskonsequenzenAuf Beiträge anderer achteneinfacher Zugriff auf vorhandene Mate-rialien

X beibehalten

Awarenessdienste Neu-Kennzeichung mit Bestätigung und ohne Weiterreichen an das Vateritem

--- keine Bestätigung der Neu-Kennzei-chungWeiterreichen an das VateritemBenachrichtigungsdienste

Informationen über andere --- mehr Transparenz über die Aktivitäten der Nutzer („who ist online“)

KommunikationInteraktion ermöglichen: Chat --- notwendig: Anzeige: wer ist aktuell im

System angemeldet?erleichtertes Einstellen von Annotationen X Ergänzung: beim Einstellendialog mehr

als nur ein Item anzeigenAnschlussfähigkeit von Annotationen X beibehalten, unterstützt KommunikationSegmentierbarkeit der Materialien (Annotationen an Material anfügen)

X beibehalten, erleichtert Formulierung von Kommunikationsausdrücken

freie FormulierungsmöglichkeitenMetadatenAuswahl von Rezipienten --- Rechte setzen durch Funktionalitäten

(z.B. Antworten)Voreinstellung durch den Nutzer ermögli-chen

Hide & Show-Mechanismen X beibehaltenintegrierte Darstellung von Materialien und Kommunikationsbeiträgen

X Ergänzung: auch Übersicht über Kom-munikationsbeiträge

AushandlungAushandlung unterstützen --- stärkere Verankerung in der Aufgaben-

stellung

Wahrnehmung anderer Teilneh-mer

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224 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

chrone Kommunikationsunterstützung zur „direkten“ Kommunikation zunutzen oder eine Annotation einzustellen, weil eine schnellere Antworterwartet wird.

Das KOLUMBUS zugrundeliegende Rechtekonzept wurde von den Studie-renden nicht als Möglichkeit zur Aufmerksamkeitssteuerung genutzt. DieAuswahl der Rezipientengruppe zusammen mit der Erstellung des Annota-tionstextes in einem Schritt würde den kommunikativen Charakter desSystems unterstreichen. Eine Einschränkung der Rezipientengruppe aufGrund rechtlicher Bedenken oder konkurrierender Aufgabenbearbeitun-gen, die zu der Forderung nach abgeschlossen Bereichen in der Studiezum betrieblichen Wissensmanagement führte, war hier kein Thema.

Das Konzept der Annotationen stößt an seine Grenzen, wenn (noch) keinKontext vorhanden ist, zu dem der Beitrag unmittelbar in Bezug gesetztwerden kann oder wenn eher organisatorische Nachrichten ausgetauschtwerden sollen. Hier ist ein Bereich „Organisatorisches“ vorzusehen.

Die Integration der Erarbeitung von Inhalten und der Unterstützung derKommunikation war für viele Studierende fremd, so dass KOLUMBUS eherals Informationsablage denn als Kommunikationsplattform bezeichnetwurde. Gleichzeitig erwarteten die Studierenden bezogen auf die Annota-tionen ähnliche Funktionalitäten, wie sie sie von anderen Kommunikations-wegen kennen. Da es sich bei Annotationen um textbasierteKommunikation handelte, wurde am meisten mit der E-Mail-Kommunika-tion verglichen. So verwundert es zunächst nicht, dass „direkte Adressie-rung“ oder „alle Kommunikationsbeiträge (also Annotationen) auf einenBlick“ gewünscht wurden. Dass die Suche nach Annotationen in einembestimmten Bereich genau dieses geforderte Ergebnis geliefert hätte,wurde von den Studierenden nicht erkannt. Dieses Problem wird im folgen-den Abschnitt aufgegriffen.

Notwendigkeit zur Instruktion

Bei dem gerade skizzierten Problem der vermeintlich fehlenden Möglich-keit zur Annotationsübersicht spricht vieles dafür, dass KOLUMBUS zwarsehr viele Nutzungsmöglichkeiten offen lässt, aber wenig instruierend aufdie Teilnehmer wirkt und dass sich dies negativ auf die Nutzung desSystems auswirkt.

Die Instruktion kann hierbei auf unterschiedliche Arten erfolgen:

Rechtekonzept nicht ausrei-chend zur Auf-merksamkeits-steuerung

Notwendigkeit eines zentralen Kommunika-tionsforums

Integration von Kommunika-tionsplattformen und Informati-onsablage fremd

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Fallstudie zur Untersuchung von KOLUMBUS in einer kollaborativen Lernsituation 225

• entsprechend des konkret vorliegenden Szenarios werden Menü-punkte und Button so benannt, dass sie für die Nutzer passendsind. Dazu muss nicht auf die Implementationsebene zurückgegan-gen werden. So hätte hier beispielsweise ein Button „alle Annotatio-nen anschauen“ geholfen, hinter dem sich die allgemeinvorhandene „Suche: Annotationen“ verbirgt.

• Kombiniert werden kann dies mit einer Liste verschiedener Möglich-keiten, die ein Studierender in vordefinierten Phasen ausführenkann. So erhält schon das technische System selbst instruierendenCharakter.

• Eine ausgezeichnete Person weist regelmäßig auf Nutzungsmög-lichkeiten der Studierenden bezogen auf die jeweilige Seminar-phase hin und gibt auch Tipps, welche Menüpunkte dazu nötig sind.Das Einstellen solcher Tipps zu Beginn des Seminars scheint nichtausreichend, es fehlt an Aufmerksamkeitssteuerung.

Ein weiteres Beispiel für die Instruktion bezieht sich auf den flexiblenUmgang mit Dokumenten, der für Lernumgebungen von zentraler Bedeu-tung ist. Die Funktionalitäten von KOLUMBUS lassen die Hinzunahme vonLinks in einen bestimmten Bereich zu, so dass eine Liste von Links zugewünschten Inhaltsbereichen möglich ist. Dies können beispielsweiseNews der Veranstalter oder die Bereiche anderer Teilnehmer im selbenThemenblock sein. Erneut wurde dies von Studierenden nicht erkannt undstattdessen wurden während der Interviews Abkürzungen, eine Übersichtbestimmter Inhalte auf einer Seite (sog. Map) oder KOLUMBUS-Lesezei-chen gewünscht.

Prinzipien des Wissensmanagements

Positive Rückmeldung wurde zu den Prinzipien des Wissensmanagementsgegeben, die sich auf den Zugriff bereits vorhandenen Wissens (Archiv)und des in der Entwicklung befindlichen Wissens (Kurzbeschreibungenanderer Teilnehmer) beziehen. Die Studierenden bestätigten hier, dass siedurch diese Möglichkeiten vor allem für ihr eigenes Vorgehen, aber auchauf der inhaltlichen Ebene viel dazu gelernt haben.

Kritisch hingegen wurde in dieser Fallstudie die Verwendung des aus demWissensmanagement entnommenen Konzeptes der Beschreibung der Teil-nehmer (people-Seiten) gesehen. Hier wurden zwei Gründe genannt: Zumeinen würde dies eher in längerfristigen Anwendungen (über eine Seminar-

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226 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

phase hinaus) hilfreich sein, zum anderen müsste hier abermals eine vor-gefertigte Struktur angeboten werden.

Zur ausgezeichneten Person, Einführungsveranstaltung und Aufga-benstellung

Eine ausgezeichnete Rolle als Experte, so wie sie aus anderen KL-Umge-bungen bekannt ist, wurde auch hier als Vorbild und Ansprechpartner invielen Fällen angesehen. Dabei nannten die Studierenden explizit, dass sievon der Nutzung des Veranstalters lernten; so schauten sie sich beispiels-weise erst das Vorgehen beim Review durch den Veranstalter an, bevor sieselbst Kommentare einstellten. Solange der Veranstalter die von den Stu-dierende gewünschte Nutzung vorlebt (z.B. Review per Annotation), wirddies von den Studierenden ebenso gehandhabt. Wird jedoch anders vorge-gangen (z.B. Review als pdf), gehen die Studierenden ebenso vor.

Gleiches gilt für die Nutzung von Kommunikationsunterstützungen. Wirdeine frequentierte Nutzung von den Studierenden gewünscht, so mussauch in diesem Punkt der Veranstalter „mit gutem Beispiel voran“ gehen.Solange die Studierenden eine schnellere Nachricht vom Veranstaltererwarten können, wenn sie ihn per E-Mail kontaktieren, werden sie keineNachricht in die Lernumgebung einstellen.

In den vergangenen Abschnitten wurde bereits erwähnt, dass eine detail-lierte Inhaltsstruktur vorbereitet werden muss. Da dies nicht automatischvom System übernommen werden kann, ist hier der Veranstalter in seinerVorbereitungsarbeit besonders gefordert: neben der attraktiven Gestaltungvon Lehrinhalten ist auch eine Struktur vorzubereiten, in der die Studieren-den arbeiten können. Diese und andere gefundene Aufgaben einer ausge-zeichneten Rolle werden in Tabelle 26 zusammengefasst.

Das Erlernen des Umgangs mit dem System durch eine Einführungsveran-staltung hat sich hier als wichtig herausgestellt. Das Einstellen der Inhalteaus der Einführungsveranstaltung hat nicht viel Nutzen gezeigt, da die Stu-dierenden sich dieser Tipps im weiteren Verlauf des Seminars nicht erin-nerten. Hier wäre es hilfreich gewesen, dass sich die Tipps auch währendder Seminarphase weiterentwickeln. Dadurch wäre zum einen die Auf-merksamkeit der Studierenden besser gelenkt worden. Zum anderen hättedies auch instruierenden Charakter gehabt, da in den unterschiedlichenPhasen die jeweils passenden Funktionalitäten behandelt worden wären.Die Notwendigkeit zur Instruktion wurde bereits oben deutlich gemacht. Ob

Veranstalter als Vorbild

Vorbereitung der Inhaltsstruktur als Aufgabe des Veranstalters

Bedienhilfen während des Seminars weiter-entwickeln

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 227

das Füllen des Bereiches mit Tipps von dem Veranstalter oder von einerzweiten Rolle durchgeführt wird, ist organisatorisch zu regeln und hängtvon der jeweiligen Einsatzsituation ab.

Tabelle 26. Ergebnisse und Gestaltungskonsequenzen zur organisatorischen Unterstützung eines kollaborativen Lernprozesses

Die Aufgabenstellung hat sich als ein zentraler Faktor für die Förderung derZusammenarbeit herausgestellt. Da die Studierenden hier keinen unmittel-baren Vorteil dadurch erkannten und keine negativen Konsequenzen durchdie Einzelarbeit befürchteten, wurde in dieser Fallstudie kaum zusammen-gearbeitet. Ist das Erlernen des Vorgehens beim gemeinsamen Lernenselbst Ziel, muss noch stärker darauf geachtet werden, dass sich dieZusammenarbeit positiv auswirkt (z.B. Verteilung der Recherche zu einemThema auf mehrere Personen). Sich überschneidende Aufgaben sorgendafür, dass vermehrt Absprachen zu treffen sind.

7.3 Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aus-handlungsprozessenDa während des I&G-FIT-Seminar von den Studenten keine gemeinsamenThesen verhandelt wurden und deshalb die Aushandlungsfunktionalitätnicht evaluiert wurde, wurde eine weitere Untersuchung von KOLUMBUSzur Unterstützung von Aushandlungsprozessen notwendig. Dabei wurdenvier Projektteams mit je drei bis fünf Mitarbeitern bei der Einigung auf eingemeinsames Ergebnis beobachtet. Ziel war es, Informationen darüber zusammeln, wie KOLUMBUS zur Aushandlung eines gemeinsamen Ergeb-nisses genutzt wird und an welchen Stellen sich Verbesserungspotenzialeergeben. Es sollten also Antworten auf die in Abschnitt 7.1 vorgestellte Fra-gestellung (F4) gefunden werden:

organsatorische Ansätze GestaltungskonsequenzenInhaltsstruktur vorbereiten X Ergänzung: verfeinerte Stukturen für die

Bereiche der LernendenAufgaben stellen X Ergänzung: explizite (Teil-)Aufgabe zum

AushandlungsschrittÜberschneidung in den Aufgaben für Einzelne

an der Diskussion teilnehmen X ausgezeichnete Rolle und ihre Nutzung als Vorbild

Instruktionen während der Nutzung (Nut-zungstipps weiterentwickeln)

--- notwendig zum schrittweisen Erlernender des Umgangs mit dem System

Aufgabenstel-lung

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228 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

(F4): Wie wird mit Hilfe des Systems Konvergenz gebildet?Welche Funktionalitäten werden dazu genutzt? Wie wirdvorgegangen?

Gleichzeitig stellt diese Evaluation einen ersten Test für die Unterstützungvon Arbeitsprozessen dar und kann dadurch als Test für den Einsatz derintegrierten Umgebung als WM-System verstanden werden.

7.3.1 Vorbereitung des Experiments

Erhebungsmethode

Diese Untersuchung fand als „Feldexperiment“ statt. Unter einem Feldex-periment wird eine Untersuchung verstanden, die „alle Charakteristikaeines Experiments trägt, jedoch anstelle des Labors das ’freie Feld’, d.h.die natürliche Umgebung, als Untersuchungsrahmen beibehält.“ [Sarris(1999), S.170]. Insbesondere wird bei einem Feldexperiment auch ver-sucht, Störvariablen zu kontrollieren. Auch für das vorliegende Experimentwurden experimentelle Rahmenbedingungen vorgegeben und eine Instruk-tion der Teilnehmer vorangestellt; die Erhebung selbst fand jedoch nichtunter künstlichen Bedingungen (etwa in einem Labor), sondern an denArbeitsplätzen der Probanden statt. Im weiteren Verlauf dieses Abschnittssoll der Einfachheit halber der Terminus „Experiment“ verwendet werden.Folgende Rahmenbedingungen wurden für das Experiment vorgegeben:

• Den Gruppen wurde eine eigens entwickelte Aufgabe gestellt, aufderen Grundlage der Aushandlungsprozess ablaufen sollte.

• Die Teilnehmer des Experimentes wurde in einer Schulung nicht nurauf die bloße Nutzung der integrierten Umgebung KOLUMBUS vor-bereitet, sondern es wurde vielmehr an Hand des Experimentablau-fes die wesentlichen Funktionalitäten und ihr Zusammenwirkenerläutert.

• Es wurde in den Ablauf des Prozesses eingegriffen, indem in jederGruppe zwei Zeiträume vereinbart wurden, in denen die Teilnehmeram System arbeiteten. Dadurch wurde das im vorangegangenenKapitel dargestellte Awarenessproblem gelindert, da zu den verein-barten Zeiträumen mit Beiträgen anderer Gruppenmitgliedergerechnet werden konnte. Zudem konnte zu diesen Zeiträumen dietechnische Verfügbarkeit des Systems gewährleistet werden. Durchdie Vereinbarung dieser Zeiträume wird aus der asynchronen Kom-munikationsunterstützung durch Annotationen eine quasi-syn-

experimentelle Rahmenbedin-gungen

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 229

chrone Unterstützung, so dass eine parallele Unterstützung desChats nicht erwartet wird.

• Zu den vereinbarten Zeiträumen wurden die Teilnehmer durch dieExperimentleiterin an den Arbeitsplätzen besucht. Dies gab denTeilnehmern die Gelegenheit, Fragen zur Nutzung zu stellen undschon während des Nutzungsprozesses Rückmeldungen zu geben.

Daten wurden auf drei unterschiedlichen Wegen gesammelt. Während dervereinbarten Nutzungszeitpunkte der beobachteten Gruppen konnte Datenüber den Verlauf des Aushandlungsprozesses durch Protokollierung derNutzungsweisen gewonnen werden. Bei der Beobachtung der Nutzerbestand Gelegenheit, Fragen zur Nutzung zu stellen und direkt Verbesse-rungspotenziale zu äußern. Diese Gespräche wurden protokolliert und flie-ßen in die Darstellung der Ergebnisse ein. Zudem konnten die Beiträge inKOLUMBUS eingesehen und ausgewertet werden. In abschließendenInterviews der einzelnen Gruppen konnten Aussagen über den Aushand-lungserfolg, die Zufriedenheit der Experimentteilnehmer und die Eignungvon KOLUMBUS zur Unterstützung des Aushandlungsprozesses erhobenwerden.

Operationalisierung der Fragestellung

Zur Bewertung einer Entscheidung wird in [Boos (1996)] vorgeschlagen,statt des Ergebnisses den Prozess der Entscheidungsfindung zu messen.Auf diese Art und Weise untersuchte Boos Entscheidungsfindungen inGruppen, zu denen Teilnehmer nur für die Untersuchung mit einer Dauervon zwei Tagen zusammenkamen. Diese Gruppen wurden mit einerauthentischen und alltagsnahen Aufgabe konfrontiert, die in einer festge-legten Zeit zu bearbeiten war. Die untersuchten Gruppenprozesse wurdenan Hand der folgenden neun Merkmale bestimmt:

• Problemstrukturierung: Ausdifferenzierung und Vernetzung von Pro-blemelementen

• Lösungssuche: Ausdifferenzierung und Vernetzung von Vorschlä-gen

• Entscheidungsfindung: „Schicksal der Vorschläge“ [Boos (1996), S.19]. Häufigkeit der Diskussion der unterschiedlichen Vorschläge,Entscheidungen

• Gruppenklima: Streit und Sympathie

Erhebung der Daten

Merkmale von Gruppenent-scheidungspro-zessen nach Boos

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230 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

• Diskussionssteuerung: Regulation des Prozesses, wird gemessenan Beiträgen, die explizit auf die Lenkung des Diskussionsprozes-ses gerichtet sind

• Partizipation: Ausmaß der Beteiligung einzelner Gruppenmitglieder• Erfolg: wie erfolgreich haben Teilnehmer Vorschläge eingebracht?• Ergebnisbewertung: was sind die Ergebnisse? Einschätzung der

Teilnehmer der Gruppendiskussion bzgl. der Qualität des Verlaufsund der Ergebnisse der Diskussion und bzgl. ihrer Zufriedenheit mitdem Prozess

• Ressortbezogenheit der Argumentation: Ausmaß ressortbezogenenArgumentationsverhaltens. Gemeint sind hier für ein Fachgebiet(Ressort) spezifische Argumentationsstrukturen.

Auch für das KOLUMBUS-Experiment sind viele dieser Merkmale von ent-scheidender Bedeutung. Nicht auf das Experiment treffen die Merkmale (1)Problemstrukturierung, (4) Gruppenklima und (9) Ressortbezogenheit zu.Dies liegt vor allem darin begründet, dass in diesem Experiment Problemund Ablauf klar vorgegeben waren, die hier untersuchten Gruppen imGegensatz zu den Untersuchungen von Boos bereits einen längeren Zeit-raum bestanden, so dass sich Interaktionsstrukturen bereits im Vorfeld eta-bliert hatten, und unterschiedliche Ressorts bei den Teilnehmern nicht imBlickfeld der Untersuchung standen.

Die Merkmale, die sich auf den Prozess der Entscheidungsfindung bezie-hen, werden durch die Analyse der Beiträge in KOLUMBUS erreicht. Diessind die Merkmale (2) Lösungssuche, (3) Entscheidungsfindung, (5) Dis-kussionssteuerung und (6) Partizipation (vgl. Tabelle 27). Es wurde unter-sucht, wie viele organisatorische und inhaltliche Beiträge vorgefundenwurden. Organisatorische Beiträge bezogen sich dabei vor allem auf dieKoordination des Diskussionsprozesses bzw. auf Verteilung von Aufgabensowie auf solche Beiträge, die eine Metaebene berührten. Inhaltliche Bei-träge können sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen. Diese sindNachfragen und damit verbundene Zusatzinformationen bzw. zusätzlicheArgumente. Es kann sich um Wertungen (Zustimmung/Ablehnung) oderum solche Beiträge handeln, die Verweise auf andere Beiträge beinhalte-ten bzw. eine Reformulierung oder alternative Beschreibung eines Vor-schlags darstellten. Eine ausführliche Darstellung über dieAuswertungstabellen sowie eine detaillierte Beschreibung der Diskussions-und Aushandlungsprozesse der einzelnen Gruppen zeigt Anhang C. DieseAnalyse bezieht sich vor allem auf die Nutzung von KOLUMBUS-Funktio-

Auswertung der Prozesse mittels Analyse der Bei-träge

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 231

nalitäten während des Prozesses, z.B. an welchen Positionen in derInhaltsstruktur Diskussionen stattfinden oder Aushandlungen initiiert wer-den.

Tabelle 27. Merkmale von Gruppenentscheidungsprozessen nach [Boos (1996)] und die Implikationen für die KOLUMBUS- Experimentauswertung

Die Ergebnisbewertung und der Erfolg des Aushandlungsprozesses wer-den mittels Gruppeninterviews wenige Tage nach den vereinbarten Zeiträu-men thematisiert. Dazu wurde ein Interviewleitfaden entwickelt, der imWesentlichen aus drei Teilen bestand. Im ersten Teil wurde nach der Ein-schätzung des vorgeschlagenen Verfahrens und der Unterstützung durchKOLUMBUS gefragt. Hier wurden auch die Beweggründe der Abstimmungthematisiert sowie besonders nach der Güte der Unterstützung von Anno-tationen während des Aushandlungsprozesses allgemein, für den Aus-tausch von Argumenten und zur Organisation des Aushandlungsprozessesgefragt.

Der zweite Teil des Interviewleitfadens bezog sich auf das Ergebnis undseine Bewertung. Nachdem die Interviewpartner um die Schilderung desErgebnisses gebeten wurden, wurden sie nach ihrer Zufriedenheit mit demErgebnis sowie mit dem Verlauf der Diskussion und der Aushandlungbefragt. Im dritten Teil schließlich wurde der Aushandlungserfolg themati-siert. Hier wurde zunächst nach einer Einschätzung bzgl. der Bedingun-gen, unter denen eine Aushandlung als erfolgreich bewertet werden kann,gefragt. Kriterien dabei könnten beispielsweise sein: möglichst viele Über-einstimmungen, Durchsetzung eines Einzelnen, Lernfortschritt währendder Aushandlung, Profitieren des Einzelnen oder der Gruppe vom Ergeb-

Merkmale nach [Boos (1996)]

Aufgaben für die Analyse der Beiträge in KOLUMBUS

(2) Lösungs-suche

Beiträge mit gleichen/ähnlichen Inhalten zusammenstellenBeiträgen, die auf Ähnlichkeiten verweisen, zusammenstellenAusdifferenzierung der Vorschläge, z.B. zusätzliche Beiträge oder Reformulierung von Vorschlägen

(3) Entschei-dungsfindung

Anzahl der initiierten Aushandlungenabgelehnte Aushandlungsversuche; Darstellung von BegründungenAnzahl erfolgreicher Aushandlungsversuche

(5) Diskus-sionssteuerung

Beiträge mit Inhalten bzgl. Steuerungen zusammenstellen, Anzahl, Autor und Inhaltsposition protokollieren

(6) Partizipation Anzahl der Beiträge abhängig von den jeweiligen Autoren, aufgeschlüsselt nach Items, Annotationen, Aushandlungen etc.

Ergebnisbewer-tung und Aus-handlungserfolg als Themen des Interviewleitfa-dens

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232 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

nis. Abschließend wurden die Interviewpartner gefragt, ob die eigene Aus-handlung ein Erfolg war. Der vollständige Interviewleitfaden ist in Anhang Czu finden.

7.3.2 Durchführung der Fallstudie

Aufgabenstellung und Experimentablauf

Für dieses Experiment wurde eine eigene Aufgabe entwickelt, die folgen-den Anforderungen genügen sollte:

• Die Aufgabe soll realweltlich sein und muss sich auf etwas Vergan-genes beziehen.

• Es muss möglichst Überschneidungen zu den anderen Teamsgeben.

• Die Aushandlung muss einen Nutzen für die Teilnehmer haben.• Das Ergebnis darf den Teilnehmern nicht gleichgültig sein (zukunfts-

orientiert).

Die Realweltlichkeit und der Bezug zu Vergangenem stellt sicher, dass dieTeilnehmer in Bezug auf den schon vorhandenen Arbeitskontext kommuni-zieren und schafft darüber hinaus die Kommunikation an bereits vorhande-nen Inhalten. Durch die Überschneidungen zu den anderen Teams solltedas Inspizieren der Bereiche anderer gefördert werden. Solche themati-schen Überschneidungen stellten sich in der ersten Fallstudie als ein wich-tiges Merkmal von Aufgabenstellungen heraus. Um die Ernsthaftigkeit derDiskussion zu betonen, muss das Ergebnis der Aushandlung für den ein-zelnen Teilnehmer sowohl einen Nutzen als auch Auswirkungen auf seinezukünftige Arbeit haben. Aus diesen Überlegungen heraus entstand inZusammenarbeit mit einigen Teilnehmern des folgenden Experiments fol-gende Aufgabe:

„Auf meine Projektarbeit zurückblickend fällt mir auf, dassich mich über folgende drei Themen intensiver austau-schen möchte (z.B. an einer 2-Tages-Klausurtagung inBommerholz3).“

Diese Aufgabe, die auf den ersten Blick umgangssprachlich und unpräziseerscheinen mag, verwendet in der Teilnehmergruppe akzeptierte Begriffe,

3. Bommerholz = Tagungsstätte der Universität Dortmund, die unter anderem zu mehrtägigen Veranstaltungen genutzt werden kann.

Aufgabenstel-lung

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 233

so dass die gewählte Formulierung für diese spezielle Gruppe angemes-sen ist.

Als Rahmenbedingungen dieser konkreten Aufgabe galten:

• Auf dem 2-Tages-Seminar in Bommerholz können insgesamt nur 6Themen besprochen werden.

• An dem Seminar nimmt die gesamte Gruppe, also die Teilnehmeraller Teams, teil.

• Aus jedem Projektteam soll mindestens ein Thema behandelt wer-den.

• Die Themen sollen so aufbereitet werden, dass der Vorschlag eineChance hat, dass er von den anderen Teams akzeptiert werdenwird.

Dabei verkörpert „auf meine Projektarbeit bezogen“ die realweltliche undvergangene Komponente, während „über folgende drei Themen intensiveraustauschen möchte“ die Zukunftsorientierung in die Aufgabe bringt. Vonder zu planenden Diskussion erwarten sich die Teilnehmer persönlichenNutzen für ihre weitere Projektarbeit. Das Inspizieren der anderen Bereichewurde mit der Randbedingung, dass das zu planende 2-Tage-Seminar inder gesamten Gruppe stattfinden sollte, angesprochen. Damit erhieltenauch die Vorschläge der anderen Teams eine zentrale Bedeutung.

Zu der Aufgabe wurde in enger Anlehnung an den KOLUMBUS-Nutzungs-prozess ein konkreter Ablauf für dieses Experiment erarbeitet, bei demjeder Teilnehmer zunächst drei Themen vorschlagen soll, die er in den Pro-jektbereich seines Teams einstellt und im weiteren Verlauf mit den anderendiskutiert und aushandelt. Dieser Ablauf unterteilt sich in folgende Schritte:

• Jeder Teilnehmer stellt selbst 3 Themen in seinen Projektbereichein. Damit entsteht auch eine „Verhandlungsmasse“

• Die Themenvorschläge der Einzelnen sollen mittels KOLUMBUSdiskutiert und ausgehandelt werden.

• Jeder kann in seinem eigenen Teambereich, unter Umständen aberauch in allen anderen Bereichen lesen und annotieren. Die Themenwerden nur von den jeweiligen Teammitgliedern ausgehandelt.Dabei können nicht nur die Inhalte, sondern auch die Anzahl derThemen, die für Bommerholz vorgeschlagen werden, Teil der Aus-handlung sein.

Ablauf des Expe-rimentes

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234 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

• Nachdem sich die Gruppe auf die Themen geeinigt hat, werdendiese an eine ausgezeichnete Rolle, den Bommerholz-Koordinator,weitergegeben.

• Es entsteht eine Liste von Vorschlägen aus allen Teams; jeder kannfür diese Vorschläge über die „Bewerten“-Funktion eine Einschät-zung abgeben, damit der Bommerholz-Koodinator eine erste Rang-folge der favorisierten Themenvorschläge erstellen kann.

• Eine abschließende Diskussion über die 6 Themen in Bommerholzsoll auf Grundlage dieser „Bewertungen“ außerhalb des Experimen-tes geführt werden.

Für jedes Projektteam wurde ein eigener Projektbereich in KOLUMBUSeingerichtet; unter Umständen kann man auch die Bereiche der anderenTeams inspizieren und mitdiskutieren. Um auch schon bestehende Inhaltevorzufinden, wurden von der Experimentleiterin einige Denkanstöße zuden jeweiligen Projekten in deren Bereich eingestellt. Zudem wurden zweiBereiche mit Hintergrundinformationen zur Nutzung von KOLUMBUS undzur Durchführung des Experimentes ebenfalls in KOLUMBUS eingestellt.

Information durch Vorabinformation und Schulung der Teilnehmer

An alle Teilnehmer wurde vorab eine Beschreibung des Experimentes ver-schickt. In dieser Vorabinformation wurde das Ziel des Experimentes, dieAufgabe mit den dazugehörigen Randbedingungen sowie die einzelnenAblaufschritte erläutert. Zusätzlich zu der eigentlichen Nutzung wurde zurVorbereitung eine Schulung und zum Abschluss des Experiments eineNacherhebung in Form von Gruppeninterviews angekündigt. Ziel dieserVorabinformation war es auch, den Prozess der Verständigung auf diegemeinsamen Nutzungszeiten in den Gruppen anzustoßen.

Für die Teilnehmer wurde eine Schulung angeboten, in der, ähnlich wie beider vorangegangenen Fallstudie, zunächst an Hand von Folien die grund-sätzlichen Funktionalitäten von KOLUMBUS vorgestellt wurden, die ineiner Demonstration des Systems vertieft wurden. Dabei wurde auf denoben skizzierten Ablauf Bezug genommen, in dem für jeden Schritt erläu-tert wurde, welche KOLUMBUS-Funktionalitäten zum Einsatz kommenkönnen. Zur besseren Einordnung der in der Demonstration gezeigtenSchritte wurde ein SeeMe-Diagramm als Poster zur Hilfe genommen (vgl.Abbildung 36), das den vorher beschriebenen Ablauf des Experimentesdarstellt.

Beschreibung des Experimen-tes im Vorfeld

Schulung der Teilnehmenden

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 235

Dieses Diagramm zeigt exemplarisch den Ablauf des Vorschlagens undAushandelns eines Themenvorschlages im Team „Winn“, bei dem die Per-son P1 einen Inhalt einstellt (1) und durch Erweiterung der Empfänger-gruppe auch P2 und P3 als Empfänger zulässt (2). EineUrheberaushandlung des Themenvorschlages in der Gruppe Winn (3)erweitert die Urhebergruppe (4). Schließlich wird dieser Themenvorschlagerneut zur Aushandlung gestellt, um auch den Bommerholz-Koordinator(mit BomKo abgekürzt) und die Mitglieder der anderen Teams als Empfän-ger zuzulassen (5). Dass es sich bei dieser Aushandlung strukturell umeine Publikationsaushandlung handelt, ist durch den Aggregationspfeil (6)gekennzeichnet. Schließlich wird in diesem Modell auch noch angedeutet,dass andere Rollen aus der Gruppe „alle“ beliebige Aktivitäten (auch lesen,ändern, annotieren) durchführen (7) und insbesondere auch aushandeln(8).

Abbildung 36. Nutzungsprozess beim Aushandlungsexperiment

Zusätzlich wurde den Teilnehmern ein 3-seitiges Handout auf Papier über-reicht, auf dem neben Logins und URL auch eine Bedienhilfe zur Nutzungvon Rechtekonzept und Aushandlungsfunktion erläutert wurden. Zudemwar auch das Modell des Nutzungsprozesses Bestandteil dieses Handouts.Alle Inhalte der Vorabinformation und der Schulung wurden auch in separa-ten Ordnern des KOLUMBUS-Bereiches abgelegt, damit sie für die Teil-nehmer bei Bedarf zur Verfügung standen.

Schulung

annotierenlesenändern annotierenlesenändern

Inhalte einstellen

Formular nutzen

Wordvorlage nutzen

ThemenvorschlagUrheber: P1

Empfänger: P1

Nachinterviews Vorschläge andererTeams bewerten(Rating-Funktion)

alleWinnP1

ThemenvorschlagUrheber: P1

Empfänger: P1, P2, P3(alle)

Weitere Empfängerfür meinen Inhalt

bestimmen

an den BomKo veröffentlichen

BomKo und „Alle“ = Empfänger

einen Link in den Bereich„Liste für den

Bommerholz-Koordinator legen“) Liste für BomKo

Themenvorschlag

ThemenvorschlagUrheber: P1, P2, P3

Empfänger: alle + BomKo

aushandeln

weitere Urheber(Rechte ändern

Verantwortungsaushandlung)

weitere Empfänger(Rechte ändern

Publikationsaushandlung)

ThemenvorschlagUrheber: P1, P2, P3

Empfänger: P1, P2, P3

1

2

3

4

7

5

6

8

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236 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Begleitung des Nutzungsprozesses

Während der vereinbarten Experimenttermine wurden die Teilnehmer anihren Arbeitsplätzen besucht, um die Gelegenheit zu Fragen zu geben.Zudem wurden hier bereits erste Eindrücke bzgl. der Unterstützung desDiskussions- und Aushandlungsprozesses durch KOLUMBUS und Verbes-serungsmöglichkeiten protokolliert.

7.3.3 Darstellung und Diskussion der Ergebnisse

Die erhobenen Daten wurden durch das Nachverfolgen der Diskussions-und Aushandlungsprozesse für die einzelnen Gruppen strukturiert, indemauf die in [Boos (1996)] genannten Merkmale der Lösungssuche, Entschei-dungsfindung und Organisationssteuerung eingegangen wurde. Dazu wur-den die Aussagen aus der Beobachtung während des Nutzungsprozesses,die Analyse der eingestellten Beiträge sowie die Aussagen in den Grup-peninterviews kombiniert. Eine Beschreibung der Diskussions- und Aus-handlungsprozesse der einzelnen Gruppe sowie eine ausführlicheÜbersicht über die quantitative Auswertung der Beiträge befindet sich inAnhang C. In diesem Abschnitt soll ein Überblick über die Anzahl der ein-zelnen Beiträge, auf technische und organisatorische Probleme, die bei-spielhaft aus den Problembeschreibungen der einzelnen Gruppenextrahiert wurden, sowie auf daraus resultierende Gestaltungskonsequen-zen eingegangen werden.

Quantitative Angaben zur Nutzung

In den vier Gruppen fanden sich sehr unterschiedliche Ansätze zur Lösungder gestellten Aufgabe. Das unterschiedliche Vorgehen zeigt sich bereits inder Anzahl der unterschiedlichen Beiträge und ihrer Verteilung auf dieunterschiedlichen Bereiche. Tabelle 28 gibt einen zusammenfassendenÜberblick über die Anzahl der Beiträge in den verschiedenen Gruppen(Angaben durchschnittlich pro Person; Größe der Gruppen: Gruppe 1 und3 je vier Mitglieder, Gruppe 2 fünf Mitglieder, Gruppe 4 drei Mitglieder), diewährend des Einstellens von Vorschlägen, der inhaltlichen und organisato-rischen Kommunikation sowie der Aushandlungen entstanden sind.

Nicht nur an der Anzahl der eingestellten Beiträge, sondern auch an Handder Beobachtung der Teilnehmer während des Nutzungsprozesses undden Aussagen aus den Gruppeninterviews wurden unterschiedliche Vorge-hensweisen deutlich, die sich sowohl auf die Nutzung des technischen

Zusammenfas-sung der Bei-träge

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 237

Systems als auch auf die Organisation des Diskussions- und Aushand-lungsprozesses beziehen.

Beschreibung G1 G2 G3 G4 ge-samt

Produktion von InhaltenVorschlag 2,50 3,80 2,75 3,00 3,06Strukturierungsitem 0,50 0,80 0,25 0,67 0,56Summe Produktion von Inhalten 3,00 4,60 3,00 3,67 3,62

inhaltliche KommunikationNachfrage 0,25 1,20 0,25 0,33 0,56Zusatzinformation 0,50 0,60 0,00 0,67 0,43zusätz. Argument 1,50 1,20 1,25 1,00 1,25Wertung/Zustimmung 4,00 2,00 2,50 2,00 2,62Wertung/Gegenrede 2,75 2,40 2,75 1,00 2,31Beiträge mit Verweis zu anderen 1,00 1,80 1,5o 0,67 1,31Reformulierung 0,75 0,00 3,00 0,33 1,00altern. Vorschlag 0,50 0,20 0,00 0,00 0,18Summe inhaltliche Kommunikation 11,25 9,40 11,25 6,00 9,68

organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge 3,50 5,2 1,75 4,00 3,68Meta 1,75 0,2 0,00 0,00 0,50Summe organisatorische Kommunikation

5,25 5,40 1,75 4,00 4,18

AushandlungInitiieren von Aushandlungen 1,5 1,2 3,00 3,67 2,18Begründung zu Aushandlungen 1,00 0,20 0,00 0,00 0,31Summe Aushandlungsbeiträge 2,5 1,4 3,00 3,67 2,50

Summe der Beiträge gesamt 22,00 20,80 19,00 17,33 20,00

Ergebnisseerfolgreiche U-Aushandlung (Projektteam=Urheber)

0,50 0,20 0,50 1,00 0,50

erfolgreiche P-Aushandlung (Empfänger=Alle + BomKo)

0,00 0,20 0,25 0,33 0,18

Tabelle 28. Zusammenfassung der Beiträge in den verschiedenen Gruppen, durchschnittlich pro Person

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238 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

Im folgenden Abschnitt soll näher auf die Probleme und mögliche Lösun-gen eingegangen werden, die sich auf die technische Seite beziehen,bevor abschließend organisatorische Probleme und Lösungsmöglichkeitenvorgestellt werden.

Probleme auf Grund technischer Unzulänglichkeiten und Verbesse-rungspotenziale

Zur Übersichtlichkeit werden die gefundenen Probleme mit „TechnischesProblem n“ numeriert und in Tabelle 29 zusammengefasst dargestellt.Diese technischen Probleme beziehen sich auf das Einstellen und Darstel-len von Inhalten sowie auf die Unterstützung des Aushandlungsschrittes.

Die Tabelle zeigt auch, in welchen Gruppen die genannten Probleme auf-traten. Die Anzahl der Gruppen, in denen das jeweilige Problem vorgekom-men ist, soll hier nicht dazu genutzt werden, um eine „Rangfolge der amhäufigsten aufgetretenen Probleme“ zu erstellen, sondern soll lediglicheine Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse darstellen. Schon dasAuftreten eines Problems bei einer Gruppe ist Grund genug, Verbesserun-gen zu prüfen. Um Verbindungen in den Beschreibungen in Anhang C zuerleichtern, wurden dort an entsprechenden Stelle auf diese Nummern ver-wiesen.

In Gruppe 2 wurde zur Erstellung der Beiträge thematisiert, dass eine Vor-gabe für die Strukturierung fehle (TP 1). In dieser Gruppe zeigten sich sehrunterschiedliche Ansätze zur Strukturierung und Benennung von Vorschlä-gen bzw. Beiträgen. Während drei Teammitglieder mit Vorschlägen ineinem eigenen Teilbaum sowie ein Mitglied mit Vorschlägen auf obersterEbene ihre Vorschläge zusätzlich mit Namenskürzel und Nummerierungversahen, wurde von dem letzten Teammitglied keinerlei Strukturinforma-tion angegeben. Von einem Teammitglied wurde in dem Gespräch wäh-rend der Nutzung und auch während des Gruppeninterviews diemangelnde Unterstützung in dem Aufbau einer Inhaltsstruktur erwähnt. Erschlug vor, dass eine Struktur entweder von einer ausgezeichneten Personangelegt oder eine Systemunterstützung für das Anlegen der Struktur beiEinrichtung eines solchen Diskussionsbereichs angeboten werden müsse.Für die Gruppe stand am Ende des Gruppeninterviews fest, dass nur soeine einheitliche Struktur zu erreichen sei.

Fehlende Unter-stützung im Auf-bau der Inhaltsstruktur

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 239

Bei der Einstellung von Inhalten wurden zunächst genannt, dass zu vieleSchritte vom Inhalt ablenkten oder davon abhielten, auch kurze Beiträgeeinzustellen (TP 2). So wurde zur Formulierung der Beiträge von drei Per-sonen der Gruppe 1 angemerkt, dass das Einstellen von Annotationen zuviele Schritte erfordere. So könnten beispielsweise in einem Schritt Inhalteund eine Empfängergruppe angegeben werden, wobei die Auswahl einervoreingestellten und immer wieder zu verwendenden Empfängergruppenotwendig sei (TP 3). Die Notwendigkeit zur Voreinstellung einer Rezipien-tengruppe durch den Nutzer wurde auch in Gruppe 4 thematisiert. Die vie-len Schritte hielten die Mitglieder der Gruppe 1 einerseits davon ab,

technische Probleme Gr. 1 Gr. 2 Gr. 3 Gr. 4Einstellen von InhaltenTP 1: keine Vorgabe einer Struktur XTP 2: zu viele Schritte während des Einstellens X XTP 3: Voreinstellung der Empfängergruppe nicht wählbar

X X

Darstellung von InhaltenTP 4: Name+Zeit werden nicht im Baum angezeigt X XTP 5: Inhaltsstruktur unübersichtlich X X XTP 6: Probleme beim Nachvollzug von Diskussionssträngen (Reihenfolgeproblem)

X X

TP 7: Wahrnehmung neuer Beiträge problematisch X X XTP 8: fehlende Verlinkung von Beiträgen zwischen Diskussionssträngen

X X X

TP 9: fehlende Transparenz bei Änderung in Items X XTP 10: fehlende Unterscheidung zwischen organisatorischen und inhaltlichen Beiträgen

X X X X

AushandlungTP 11: Votum nicht zurücknehmbar X XTP 12: Votum nicht begründbar X XTP 13: fehlende Transparenz bzgl. der eigenen, noch nicht abgegebenen Voten (ToDo-Liste)

X X X

TP 14: fehlende Transparenz bzgl. Abstimmung anderer

X X

TP 15: fehlende Transparenz bzgl. laufender Aushandlung

X X

TP 16: fehlende Transparenz bzgl. Status von Aushandlungen

X X

Tabelle 29. Probleme auf Grund technischer Unzulänglichkeiten

zu hohe Anzahl der Bearbei-tungsschritte beim Einstellen

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240 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

kürzere Beiträge zu schreiben und verleite andererseits dazu, mehrereAspekte in einer Annotation zusammenzufassen:

• P1 in G1: „Da musste es jedes mal ein schwergewichtiger Inhaltsein, bevor ich mir die Mühe mache, mich durch diese drei Schrittezu klicken.“

• P2 in G1: „Ja, ich habe mich auch dabei erwischt, dass ich gedachthabe, dazu würdest Du auch mal schnell was schreiben wollen,aber habe gedacht, ach ne, komm lass!“

• P3 in G1: „Das führt dann auch dazu, dass man Dinge zusammen-fasst, etwa organisatorisches und inhaltliches.“

Die Beobachtung, dass mehrere Aspekte in einer inhaltlichen Annotationenbehandelt wurden, lässt sich auch durch die Auswertung der Beiträge inGruppe 1 belegen: insgesamt wurden in 11 von 48 Anotationen (ca. 23 %)Beiträge zu inhaltlichen und organisatorischen Themen gemischt, es wur-den 62 unterschiedliche Aspekte in den 48 Annotationen gezählt. DieseBeobachtung konnte dann in den anderen Gruppen nicht weiter bestätigtwerden.

Bei der Darstellung der Inhalte wurde zunächst die Unübersichtlichkeit desBaumes als Problem genannt. Hier wurde in 2 Gruppen bemängelt, dass indem Baum nicht der Autor und das Datum angezeigt werden, sondern sichhinter dem Informations-i verbergen (TP 4). Als Lösungsstrategie wurde inallen Gruppen an den Anfang des Beitrages der Name hinzugefügt, indemdie Nutzer diesen bei jedem Eintrag eintippten. Abbildung 37 zeigt einenAusschnitt aus den Diskussionen aus Gruppe 1 mit Autoreninformationen.Zudem wurde erwähnt, dass der Baum unkontrolliert wuchs (TP 5). AlsGrund wurde das Fehlen einer vorbereiteten Inhaltsstruktur genannt.

Abbildung 37. Autoreninformation durch Eintrag der Nutzer

Das Nachvollziehen von Diskussionen wird nach Aussage der Mitgliederder Gruppen 1-3 während des Gruppeninterviews dadurch erschwert, dass

Probleme bei der Darstellung

Reihenfolge der Beiträge

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 241

neue Annotationen an beliebigen Stellen in der Inhaltsstruktur eingefügtwerden können (TP 6). Dadurch gelingt es oft nicht, Beiträge in zeitlicherReihenfolge wahrzunehmen.

In den Gruppen 1, 2 und 4 wurde zudem bemängelt, dass die Wahrneh-mung neuer Beiträge sehr schwierig sei (TP 7). Dies werde dadurcherschwert, dass wegen der großen Menge an Vorschlägen an sehr vielenStellen der Inhaltsstruktur potenziell Diskussionen aufkommen konnten:„Ich arbeite in einem unteren Ordner, da kriege ich gar nicht mit, was obenso passiert!“ (Gruppe 2). Von 2 Mitgliedern der Gruppe 2 wurde hiererwähnt, dass sie die Funktion „Änderungen nachvollziehen“ verwendeten,um anschließend Neuerungen besser wahrnehmen zu können.

Zur Beschreibung der Problematik fehlender Verlinkungsmöglichkeiten,(TP 8) sei hier die Entstehung eines Problemfalls, der auf dieser Problema-tik beruht, erläutert. Abbildung 38 gibt einen Überblick über diesen Pro-zess.

Abbildung 38. Entstehung einer Problemsituation auf Grund fehlender Verlinkungsmöglichkeiten

In Gruppe 1 wurden von drei Mitgliedern ähnliche Vorschläge eingebracht,die im Folgenden an zwei Stellen der Inhaltsstruktur (1,2) diskutiert wurden.Dabei wurde in den Beiträgen textuell Bezug zu dem eigenen Vorschlaghergestellt, ohne dass hier etwa durch Verlinkung explizit KOLUMBUS

Probleme mit der Wahrnehmung neuer Beiträge

Problem: feh-lende Verlin-kungsmöglich-keiten

P1Projektgruppe 1

P2

Urheberaushand-lung zu Vorschlag 2

einstellen einstellen einstellen

Vorschlag 1 Vorschlag 3Vorschlag 2

diskutierenzu V1 diskutieren

zu V2

Vorschlag A

Urheber: Projektgr.Empfänger: Projektgr.

Einwände 4

Vorschlag P1+P2

Urheber-Aushandlung

Votum=„Diskussion“

begründetVorschlag

reformulierenreformulierterVorschlag P1,P2

P3 P4

1 2

3

5

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242 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

genutzt wurde. Im Verlaufe der Diskussion wurde ein neuer Vorschlag, dereine Reformulierung von V1 bedeutete (3), eingestellt und dazu eine Aus-handlung initiiert. Da wesentliche Einwände eines dritten Teammitglieds ander zweiten Stelle eingebracht wurden (4), wurde dem Aushandlungsvor-schlag zunächst nicht zugestimmt, sondern die Einwände als Annotationan die Aushandlung mit dem Verweis auf die Diskussionspunkte an derzweiten Stelle geschrieben (5). Nach erneuter Ergänzung und weiterer Dis-kussion dieser Ergänzung wurde eine weitere Urheberaushandlung initiiertund erfolgreich abgeschlossen. Hier wird deutlich, dass eine Möglichkeitzur Zusammenfassung von Diskussionssträngen das zweifache Initiiereneiner Aushandlung hätte verhindern können.

Auch die Auswirkungen fehlender Transparenz bzgl. der Änderung vonItems (TP 9) soll an einem Beispiel erläutert werden. In Gruppe 2 wurde einThema von 3 Teammitgliedern in ihren Vorschlägen angeführt (1,2,3). AnHand dieses Vorgangs können aufgetretene Probleme dargestellt werden.Abbildung 39 gibt einen Überblick über diesen Prozess. Umrandet sind hierdie wesentlichen Gründe für die Entstehung der Probleme.

Der Themenvorschlag wurde an einer Stelle in der Inhaltsstruktur diskutiert(4), bevor im weiteren Verlauf in einem ersten Konsensordner von 2 dieser3 Teammitglieder je ein neu formulierter Vorschlag zu diesem Thema ein-gestellt wurde (5,6). Beide vermeintlichen Konsensvorschläge wurden zurAushandlung gestellt, für Vorschlag A wurde die Urheberaushandlungerfolgreich durchgeführt (7). Vorschlag B wurde auf Grund der Formulie-rung sowie dem im Vergleich zu Vorschlag A schwächeren Abschneidenvon Mitglied 1 abgelehnt. Diese Ablehnung wurde in einer Annotationbegründet.

Nach dieser Aushandlung wurde weiter an Vorschlag A diskutiert, dasseinige Aspekte aus dem Vorschlag B zusätzlich in Vorschlag A aufgenom-men werden sollten. Daraufhin änderten beide Teammitglieder (P1 und P2)gleichzeitig Vorschlag A (8,9). Dies zog einige organisatorische Annotatio-nen nach sich, die versuchten, diese wechselseitigen Änderungen zuerklären bzw. wieder rückgängig zu machen. Hier zeigt sich, dass fehlendeTransparenz bzgl. der Änderungen (TP 9) zu Problemen bei der gemeinsa-men Bearbeitung führen kann.

Von dem Teammitglied P2, das die Änderungen an dem bereits ausgehan-delten Item vorgenommen hatte, wurde im weiteren Verlauf eine Annota-

Problem: feh-lende Transpa-renz bzgl. Änderung

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 243

tion eingestellt, in der nach Meinungen zu dieser Änderung gefragt wurde.Bis auf ein Mitglied (P4), das zu der betreffenden Zeit an einer anderenStelle in der Inhaltsstruktur arbeitete und nicht wahrgenommen hatte, dassdort Änderungen vorgenommen wurden, stimmten alle anderen durch ent-sprechende Bekundigungen in Annotationen zu (10). Das ändernde Team-mitglied 2 fühlte sich durch die Mehrheit an Zustimmungen bestätigt undinitiierte eine Publikationsaushandlung zu dem modifizierten Vorschlag.

Abbildung 39. Beispiel eines Diskussions- und Aushandlungprozesses

Durch die von KOLUMBUS im Rahmen von Aushandlungen initiierte E-Mail auf diese Publikationsaushandlung aufmerksam gemacht, ging dasbis dahin unbeteiligte Teammitglied P4 davon aus, dass sich Mitglied P2mit der Änderungsannotation auf Vorschlag B (also den, den P2 ursprüng-lich in den Konsensordner eingestellt hatte) bezog. P4 hatte keine Möglich-keit, die Änderungen, die an den Items vorgenommen wurden,wahrzunehmen, da in KOLUMBUS ursprünglich Texte überschrieben wur-den (TP 9). Dies wurde hier ein Problem, weil Mitglied 4 den Entstehungs-prozess nicht wie die anderen Teammitglieder verfolgte. Vermeintlichverbessert traf Vorschlag B nun die Zustimmung von Mitglied 4, so dassMitglied 4 erneut eine Urheberaushandlung zu Vorschlag B initiierte. Diesverursachte wiederum mehrere organisatorische Beiträge. Besonders Mit-glied 1, das Vorschlag B während der ersten Urheberaushandlung bereits

P1

Projektteam 2

P2 P3P5

Änderungen positiv annotieren

Urheberaushand-lung zu Vorschlag B

einstellen

ändern

einstellen einstellen

Vorschlag 1 Vorschlag 3Vorschlag 2

diskutierenzu V1

annotieren:Verbindung zu V1

Konsensordner

Vorschlag B

Vorschlag A

aushandelnzu Vorschlag A

zu Vorschlag B

Vorschlag A

Urheber: Projektteam 2Empfänger: Alle

Änderung annotieren

Publikationsaus-handlung zu V A initiieren

P4

31 2

4

5 67

8 9

10

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244 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

abgelehnt hatte und dem auf Grund seiner Beteiligung an den Änderungenbewusst war, dass an Vorschlag B nichts geändert wurde, zeigte Unver-ständnis für diesen erneuten Aushandlungsversuch von Mitglied 4.

In allen Gruppen wurde die fehlende Unterscheidung, zwischen organisa-torischen und inhaltlichen Beiträgen genannt (TP 10). In Gruppe 1 wurdedazu vorgeschlagen, dass sowohl inhaltliche als auch organisatorischeBeiträge in dem gleichen System möglich sein sollen, dass diese Beiträgeaber unterschiedlich dargestellt werden. Gegebenenfalls könnte man beiEingabe einer Annotation zwei Fenster anbieten, die die Eingabe vonOrganisatorischem und Inhaltlichem in einem Schritt erlauben und trotz-dem unterschiedlich dargestellt werden könnten. Auch die Gruppen 3 und4 plädierten dafür, inhaltliche und organisatorische Annotationen als unter-schiedliche Items anzubieten, die im Baum auch unterschiedlich dargestelltwerden. Insbesondere sollten organisatorische Beiträge auf einen Klickausblendbar sein, wenn man sich auf inhaltliche Beiträge konzentrierenwolle.

Gruppe 2 unterscheidet darüber hinaus noch zwischen Metaebene undkurzfristigen organisatorischen Beiträgen als Arbeitsaufgaben (z.B. „Duinitiierst jetzt mal eine Aushandlung“). Letztere resultieren für diese Gruppeaus der Metaebene. Sie sollten nach Ausführung dieser Aufgabe einfachlöschbar sein, z.B. durch einfaches Abhaken des Beitrages, so wie diesaus Aufgabenlisten in PDAs (Personal Digital Assistant, tragbare Computerim Taschenkalenderformat) bekannt ist. Ebenso wurde an dieser Stelleerwähnt, dass solche Aufgaben gegebenenfalls auch vergeben werdenmüssten.

Zudem wurde gewünscht, dass Voten begründbar (TP 11) und gegebenen-falls auch wieder zurücknehmbar (TP 12) sein sollten. Gruppe 2 erwähntewährend des abschließenden Gruppeninterviews das eine Begründungdas Aufdecken von Missverständnissen ermögliche. Die Möglichkeit desZurücknehmens ist für die Gruppe 3 vor allem dann wichtig, wenn Ände-rungen an den Items ohne Zustimmung aller Urheber möglich ist.

In der Aushandlungsphase wurde zudem in einigen Gruppen fehlendeTransparenz als Problem erkannt. Als Verbesserungsmöglichkeit wurde inGruppe 3 eine Liste über laufende Aushandlungen (TP 15) und deren aktu-ellen Status gefordert (TP 16), die auch anzeige, wer noch nicht abge-stimmt habe (TP 14). Für denjenigen, der noch eine Aushandlung offen

fehlende Unter-scheidung zwi-schen organisatori-schen und inhaltlichen Bei-trägen

Voten zurück-nehmbar und begründbar

Forderung: Liste laufender Aus-handlungen mit Status

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 245

hätte, wäre dies eine Art „To-Do-Liste“ (TP 13), für alle anderen würdedadurch die Möglichkeit bestehen, entsprechende Leute zu kontaktieren(TP 14). Dadurch würde auch verhindert werden, dass für einen Vorschlagmehrere Aushandlungen initiiert werden würden. In den Gruppen 3 und 4wurden für einige Vorschläge mehrfach Aushandlungen initiiert. Dies wurdein den Gruppeninterviews als eine Möglichkeit beschrieben, die anderenauf das auszuhandelnde Item aufmerksam zu machen und daran zu erin-nern, dass sich der Vorschlag in der Aushandlung befindet.

Abbildung 40. Initiieren mehrerer Aushandlungen

Abbildung 40 stellt drei Aushandlungen zu einem Vorschlag dar (die ent-sprechende Position in der Inhaltsstruktur zeigt der Pfeil an). Insgesamtkann das Verfahren und die Unterstützung durch KOLUMBUS als hilfreichfür die Bildung von Konvergenz betrachtet werden. Während am Anfangdes Diskussionsprozesses noch kontrovers diskutiert wurde, zeigte sich inallen Gruppen eine Entwicklung hin zu einem gemeinsamen Vorschlag,dem alle zustimmen konnten. So wurden bei dem Schritt des Votierens inden seltensten Fällen mit „nein“ oder „Diskussion“ abgestimmt.

Dass dennoch sehr viele Aushandlungen nicht zum Ziel (der Erweiterungder Urheber- oder Empfängergruppe) kamen, ist der fehlenden Transpa-renz bzgl. laufender Aushandlungen zuzuordnen: der technische Abstim-mungsschritt wurde nicht von allen durchgeführt. Die fehlende Transparenzbzgl. des Status von Aushandlungen verhinderte auch die Wahrnehmungabgeschlossener Aushandlungen. So existierten bei den Teilnehmern nachAbschluss des Experimentes unterschiedliche Vorstellungen bzgl. desErgebnisses.

Auf Grund dieser aufgetretenen Probleme lassen sich Verbesserungspo-tenziale für die Gestaltung integrierter Umgebungen nennen, die sich einer-

technische Ver-besserungen bei der Unterstüt-zung des Diskus-sionsprozesses

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246 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

seits auf die Unterstützung des Diskussionsprozesses und andererseits aufden Aushandlungsschritt beziehen. Bezogen auf die bessere Unterstüt-zung des Diskussionsprozesses sind dies:

• Vordefinierte Inhaltsstruktur: Das System muss bei der Erstellungeiner vordefinierten Struktur unterstützen. Für einen Diskussions-und Aushandlungsprozess müssten beispielsweise Ordner für dieVorschläge jedes einzelnen Teammitglieds, ein Ordner für die Vor-schläge, die ausgehandelt werden sollen und schließlich ein Ergeb-nisordner angelegt werden.

• Voreinstellung der Empfängergruppe: Die Eingabe von Beiträgenmuss in wenigen Schritten vonstatten gehen. Dabei muss insbeson-dere eine Voreinstellung einer Empfängergruppe möglich sein.Wenn das System beim Anlegen einer Struktur unterstützt, könntenfür diese Ordner auch Vorschläge für eine voreingestellte Empfän-gergruppe unterbreitet werden.

• Darstellung der Inhaltsstruktur: Eine Zeitungsansicht sollte fürTeilbäume auswählbar sein, die von den anderen Teilen des Bau-mes in der Baumansicht umrahmt werden. Dadurch wird Kontextin-formation gegeben, der gerade interessierende Teil wird dazu inleicht lesbarer Form angegeben. In der Zeitungsansicht solltenauch Aushandlungsobjekte angezeigt werden.

• Darstellung von Annotationen: Annotationen wurden in diesemExperiment einheitlich als Kommunikationsbeiträge bezeichnet. Zurbesseren Übersicht sollten Autor und Einstellungsdatum automa-tisch im Baum dargestellt werden, so wie dies auch aus anderentextbasierten Kommunikationsunterstützungen bekannt ist.Dadurch entfällt die zusätzliche Eingabe von Namenskürzeln durchdie Nutzer. Zudem sollte vorgesehen werden, dass bei Annotatio-nen ein Stichwort angegeben werden kann, das das Thema desBeitrags zusammenfasst. Dies erleichtert den Nutzern die Ver-gleichbarkeit von Beiträgen auch in der Baumansicht, da derSchwerpunkt des Beitrags nicht hinter den drei Punkten verschwin-det.

• chronologische Reihenfolge von Kommunikationsbeiträgen:Anders als bei der Erstellung von Materialsammlungen hat es sichbei Diskussionsprozessen nicht bewährt, dass an beliebigen StellenBeiträge hinzugefügt werden können. Dies erschwert den Nachvoll-zug des Diskussionsstranges, da die zeitliche Reihenfolge für dasVerstehen der Argumente zentral sein kann. Deshalb wird empfoh-len, Annotationen nur in chronologischer Reihenfolge zuzulassen

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 247

• Darstellung neuer Beiträge: Die Kennzeichnung neuer Beiträge,so wie sie in KOLUMBUS realisiert wurde, ist für Diskussionspro-zesse nicht optimal, da die Bestätigung einen zusätzlichen Arbeits-schritt darstellt. Denkbar ist statt dessen, dass der Baum an denStellen aufgeklappt wird, an denen neue Beiträge entstehen. Diesmuss vom Nutzer bei Bedarf ausschaltbar sein, damit er den vonihm gewählten Zustand des Baumes beibehalten kann. In jedemFalle sollte eine Neu-Kennzeichnung automatisch entfernt werden,wenn das Item angeklickt wurde. Für den Urheber eines Items solltedieses nicht als „neu“ gekennzeichnet werden.

• Unterscheidbarkeit organisatorischer und inhaltlicher Beiträge:Generell sollten beide Beitragsformen in einem System möglichsein, sie sollten jedoch beispielsweise durch verschiedene Farbenoder Symbole unterschiedlich dargestellt werden. Auch derUmgang mit organisatorischen und inhaltlichen Beiträgen ist unter-schiedlich zu unterstützen.

• Umgang mit organisatorischen Beiträgen: Organisatorische Bei-träge im Sinne von Arbeitsaufgaben haben meist nur begrenzteGültigkeit. Deshalb müssen sie leicht aus dem System zu löschensein. Idealerweise sollte man schon bei der Eingabe ein Ablaufda-tum einstellen können. Auf einfache Art und Weise müssen organi-satorische Beiträge ausblendbar sein, damit sich der Nutzer beiBedarf auf inhaltliche Beiträge konzentrieren kann.

• Verknüpfung von Beiträgen: Eine einfachere Verlinkung zwischenBeiträgen in unterschiedlichen Positionen der Inhaltsstruktur ist not-wendig, um den Prozess der Zusammenführung verschiedener Bei-träge zu unterstützen. So sollte es möglich sein, in den Beiträgenselbst Verlinkungen anzugeben und nicht zusätzlich Links angebenzu müssen. Diese Verknüpfung sollte bidirektional sein, so dassauch ein Rückschritt möglich ist.

• Transparenz bei Änderung von Items: Werden Items geändert, somuss dies im System z.B. durch Hervorhebung der geändertenStellen erkennbar sein. Insbesondere wenn mehrere Nutzer Urhe-ber sind, wird dadurch der Entstehungsprozess für alle Urheberdeutlich gemacht.

Bezogen auf den Aushandlungsschritt sind vor allem die Mängel bzgl. feh-lender Transparenz zu beheben sowie Begründungen zuzulassen. Darausergeben sich im Speziellen folgende Verbesserungspotenziale:

• Begründung eines Votums: Wenn Nutzer ihre Stimme abgeben,müssen sie diese auch begründen können. Das Bild der geheimenWahl, bei der die Nutzer nicht durch das Votum anderer beeinflusst

technische Ver-besserungen zur Unterstützung der Aushandlung

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248 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

werden sollen, hat sich für die vorliegenden Anwendungen eher alsunpassend herausgestellt.

• Änderung eines Votums: Es muss den Nutzern mindestens einmalmöglich sein, ihr Votum zurückzunehmen, falls, wie in Gruppe 3,versehentlich die falsche Auswahl getroffen wurde. Sofern Ergän-zungen bzw. Publikationen in dem System keiner Aushandlungbedürfen, sollte auch die Rücknahme von Voten möglich sein.Dadurch wird fehlende Zustimmung signalisiert.

• Ergänzungsaushandlungen: Werden Änderungen an einem Itemmit mehreren Urhebern vorgenommen, so muss sichergestellt wer-den, dass alle Urheber diese Änderung wahrnehmen. Dies kanneinerseits durch einen Benachrichtigungsdienst geschehen, eskann aber auch eine Ergänzungsaushandlung integriert werden.Wegen der Erwartungskonformität wird empfohlen, Änderungengenauso zu behandeln wie Publikationen. Solange für die Erweite-rung des Empfängerkreises eine Aushandlung notwendig ist, solltedies auch für Änderungen gelten. Für Löschen sollte das Gleichegelten wie für Ändern.

• Publikationsaushandlung: Es wird trotz mancher Kritik in denExperimentgruppen empfohlen, einen expliziten Schritt der Publika-tionsaushandlung beizubehalten, da dadurch eine offizielle Zustim-mung aller Betroffenen gegeben wird. Wenn der Umgang mitAushandlungen (z.B. Übersicht über laufende Aushandlungen)erleichtert wird, wird diese Aushandlung potenziell nicht mehr alsweitere Hürde im Prozess angesehen.

• Übersicht über laufende Aushandlungen: Es wird eine Übersichtüber laufende Aushandlungen und ihren aktuellen Status empfoh-len. In dieser Übersicht sollte auch angezeigt werden, welche Mit-glieder noch nicht abgestimmt haben. Für die Betroffenen ist dieseine Art To-Do-Liste, andere können diese Mitglieder entsprechendaufmerksam machen. So werden die Mitglieder darauf aufmerksamgemacht, dass sie formal noch zu dem vermeintlichen Ergebniszustimmen müssen.

• Benachrichtigung bei Aushandlungen: Ein Initiator einer Aus-handlung sollte nicht per E-Mail zu dieser Aushandlung eingeladenwerden. Ist eine Aushandlung beendet, so sollten die Mitglieder miteiner E-Mail über das Ergebnis der Aushandlung benachrichtigtwerden. Sofern eine Aushandlung nicht erfolgreich abgeschlossenwurde, kann dies ein Startpunkt für einen erneuten Diskussions-schritt sein. Dadurch wird Konvergenz in der Gruppe dokumentiert.

• keine Initiierung von Aushandlungen in folgenden Situationen:Zu einem Item sollte keine Aushandlung gestartet werden, wenn

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 249

sich dieses Item bereits in einer Aushandlung befindet. Damit wer-den die aufgetretenen Schwierigkeiten mit Mehrfachaushandlungenabgefangen. Es sollte auch keine Aushandlung gestartet werden,wenn der gewählte Urheber- bzw. Empfängerkreis nicht erweitertwurde. Ebenso sollte keine Aushandlung gestartet werden, wenndas Infofeld nicht ausgefüllt ist bzw. es sollte dann automatisch einName vergeben werden.

Probleme wegen organisatorischer Unzulänglichkeiten und Verbesse-rungspotenziale

Organisatorische Unzulänglichkeiten wurden vor allem in der fehlendenAbstimmung von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie in fehlen-der Lenkung durch die Phasen des Prozesses gesehen. Tabelle 30 gibteinen Überblick über diese Probleme.

Tabelle 30. Probleme auf Grund organisatorischer Unzulänglichkeiten

So wurde in Gruppe 1 gerade vor dem Hintergrund der diversen, über denInhaltsbereich verstreuten Diskussionen zu ähnlichen Themen von zweiPersonen explizit Verantwortliche für die Diskussionsstränge gefordert (OP1). Diese sollten Beiträge zusammenfassen, einen Gesamtvorschlag ausder Diskussion erarbeiten und zu diesem eine Aushandlung initiieren.

Gruppe 2 sah in der fehlenden Abstimmung von Zuständigkeiten denGrund dafür, dass Publikationsaushandlungen nicht abgeschlossen wur-den („dann gab es die klassische Diffusion der Verantwortung“) (OP 2).Zudem wurde bemängelt, dass der Prozess des Aushandelns mit Themen-vorschlägen und zwei Aushandlungsschritten so kompliziert sei, dass eineUnterstützung dieses Prozesses notwendig sei (OP 3). Dies könnte entwe-der durch das System geschehen, in dem nächste Prozessschritte angege-ben werden oder durch einen Moderator, der diese Aufgabengegebenenfalls zuweisen könne. Dies wurde auch durch Aussagen inGruppe 2 gestützt. Hier wurde erwähnt, dass es einen Verantwortlichen

organisatorische Probleme Gr. 1 Gr. 2 Gr. 3 Gr. 4OP 1: fehlende Festlegung von Verantwortlichkeiten für Teilbereiche

X

OP 2: fehlende Abstimmung von Zuständigkeiten X X X XOP 3: fehlende Leitung der Diskussionsphase X X XOP 4: fehlende Überleitung von einer Phase zur nächsten

X X

OP 5: fehlende Absprache der Vorgehensweise X

aufgetretene Probleme

fehlende Festle-gung von Verant-wortlichkeiten

fehlende Abstim-mung von Zuständigkeiten

fehlende Lei-tung des Prozes-ses

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250 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

geben müsse, der den Gesamtprozess leitet und von der Phase einesBrainstormings zu der Phase des Diskutierens und des Aushandelns über-leite (OP3). Im Gruppeninterview wurde erwähnt, dass die Phasen desNutzungsprozesses nicht klar waren und jeder nach seinem eigenen Emp-finden teilgenommen habe.

In Gruppe 3 fand sich ein Mitglied, das eine Art Moderation übernahm undauf dem Weg über ICQ (ein in der Arbeitsgruppe genutztes Instant-Messa-ging System, das unter anderem den Online-Status der Teammitgliederanzeigt und adressierte Textkommunikation erlaubt, vgl. Kapitel 3.1.1) dieanderen von der Phase der Diskussion in die Phase der Aushandlung füh-ren wollte (OP 4). Im Gruppeninterview wurde diese Maßnahme als sehrhilfreich für den Prozessfortschritt angesehen: „im Nachhinein glaube ich,dass es gar keine Aushandlung gegeben hätte, wenn nicht einer [...]gesagt hätte, so, jetzt machen wir mal Aushandlung, wir hätten einfachnoch ewig weiterdiskutieren können.“

In dieser Gruppe wurde darüber hinaus der Startpunkt des Diskussionspro-zesses thematisiert. Dazu wurden vor allem zwei Wege genannt: „Du hastzwei Möglichkeiten, den Prozess voranzutreiben: Du schmeißt 50 Vor-schläge rein, von denen sich einige auch ähnlich sind und irgendwann fin-dest Du drei, die alle gut finden oder Du diskutierst ganz lange an einemoder zwei Vorschlägen“. Dazu wurde Bedarf gesehen, sich im Vorfeld aufeine einheitliche Handhabung zu verständigen (OP 5). Die Gruppenmitglie-der hatten unterschiedliche Vorstellungen bzgl. des Prozessstarts, so dasseinige viele Vorschläge einstellten, während andere schon frühzeitig mitder Diskussion starteten.

Bezüglich der Abstimmung von Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten undder Absprache einer gemeinsamen Vorgehensweise sind drei Wege denk-bar:

• die Gruppe vereinbart im Vorfeld Zuständigkeiten und Verantwort-lichkeiten. Diese sollten aus Transparenzgründen im System fest-gelegt werden. Dieses Vorgehen wurde von Gruppe 3vorgeschlagen.

• es gibt einen Moderator, der Regeln zu Zuständigkeiten und Verant-wortlichkeiten kennt. Er vermittelt diese bei Bedarf an die anderenGruppenmitglieder und achtet auf die Einhaltung dieser Regeln.Gegebenenfalls wird er einzelne Mitglieder darauf aufmerksammachen, dass sie für den nächsten Schritt zuständig sind. Die Ver-

fehlende Überlei-tung

Notwendigkeit zu Absprachen von Vorgehenswei-sen

Lösungsmög-lichkeiten zur Lenkung von Prozessen

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Experiment zur Nutzung von KOLUMBUS in Aushandlungsprozessen 251

gabe solcher Aufgaben könnten durch das System unterstützt wer-den. Der Moderator bereitet durch das Anlegen einer geeignetenInhaltsstruktur den Diskussions- und Aushandlungsprozess vor.

• Das System bietet vorgefertigte Regeln an, die als eine Art Pro-zess-hilfe im System abgelegt werden. Wird durch das Systemzusätzlich eine Inhaltsstruktur angelegt (vgl. vorherigen Abschnitt),so können für diese einzelnen Bereiche Informationen zu Zustän-digkeiten und Regeln in den Bereichen selbst abgelegt werden.

Da Gruppen nicht immer zusammenkommen können, kann der erste Wegnicht allgemein empfohlen werden. Eine alleinige Unterstützung durch dasSystem kann nur insofern helfen, als dass Empfehlungen für Zuständigkei-ten und Verantwortlichkeiten gegeben werden können, deren Einhaltungjedoch nicht vom System überprüft werden kann. Insbesondere könnenAufgaben wie das Zusammenfassen von Beiträgen nicht vom Systemübernommen werden. Aus diesem Grunde wird für die Lenkung des Pro-zesses eine ausgezeichnete Rolle, ein Moderator, vorgeschlagen, dereinige der in Kapitel 5 genannten organisatorischen Anforderungenumsetzt. Diese ausgezeichnete Rolle übernimmt die unten angegebenenAufgaben, die die Anforderungen nach „Inhaltsstruktur vorbereiten“ und„Diskussionsprozess anstoßen“ bzw. „Diskussionsprozess strukturieren“umsetzt. Konkreter hat der Moderator zur Lenkung von Diskussions- undAushandlungsprozessen folgende Aufgaben zu erledigen:

• Anlegen einer geeigneten Inhaltsstruktur• Lenkung von einer Phase zur nächsten; dazu muss beispielsweise

auch ein auszuhandelnder Vorschlag mit den vorliegenden Rechtenin einen anderen Inhaltsbereich, der zur Aushandlung eingerichtetwurde, transferiert werden können

• Zusammenfassung von Diskussionen, gegebenenfalls auch Ände-rung von Vorschlägen

• Vorschläge einstellen, welche Items ausgehandelt werden könnten• gegebenenfalls Verteilung von Aufgaben, z.B. Initiieren von Aus-

handlungen• Vermitteln und Überprüfen von Diskussionsregeln, z.B: „wer fasst

die Diskussion zusammen“, „wer modifiziert einen diskutierten Vor-schlag“, „wer schlägt das Item zur Aushandlung vor“, „wann, wennüberhaupt, werden organisatorische Beiträge durch den Nutzergelöscht?“

Aufgabe eines Moderators in Diskussions- und Aushand-lungsprozessen

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252 Erfahrungen mit der integrierten Umgebung KOLUMBUS

7.4 ZusammenfassungIn den beiden Studien konnten mittels der detaillierten Beschäftigung mitdem Vorgehen der Probanden durch Beobachtung ihrer Nutzung sowieabschließenden Interviews zahlreiche Hinweise zur Verbesserung der inte-grierten Umgebung gefunden werden. Deshalb ist hier die geringe Proban-denzahl als ausreichend für die Erreichung des Ziels der Erhebung zubewerten.

Insgesamt scheint die Integration von Prinzipien des kollaborativen Ler-nens und des Wissensmanagements über Annotationen ein vielverspre-chender Ansatz für die Gestaltung technischer Systeme zu sein. Dieszeigte sich in der Fallstudie zum Einsatz von KOLUMBUS in dem Studie-rendenseminar. Insbesondere die durch Annotationen ermöglichte kontext-orientierte Kommunikation fördert den Austausch über vorhandene Inhalte.Für weitere Systeme ist Forschungsbedarf bzgl. der Frage notwendig, wieein System so gestaltet werden kann, dass es dem Benutzer als Kommuni-kationsplattform und als Informationsablage gegenübertritt. Gegebenen-falls muss die Integration in den Hintergrund treten und das Systemwahlweise als Kommunikationsunterstützung oder als Informationsablagejeweils mit leichtem Übergang zum anderen Ansatz fungieren. SolcheAnsätze sollen Gegenstand des nächsten Kapitels sein.

Im Aushandlungsexperiment zeigte sich deutlich, dass die integrierteUmgebung KOLUMBUS mit Annotationen und Aushandlungsfunktionalitäteine gute Unterstützung von Diskussions- und Aushandlungsprozessenanbietet. Auf technischer Seite ergeben sich hier vor allem Verbesserungs-potenziale in der Zusammenfassung von Ideen während der Diskussionund hinsichtlich der Transparenz während der Aushandlungsphase. Zudemsollte das System dahingehend verbessert werden, dass der Prozessdurch eine geeignete Inhaltsstruktur vorbereitet wird. Für die Steuerungdes Prozesses waren die angebotenen technischen Mittel nicht ausrei-chend. Es zeigt sich, dass allein durch das Angebot von differenzierendenRechten, Möglichkeiten zu Annotationen und Aushandlungen ein Diskussi-ons- und Aushandlungsprozess nicht gesteuert, sondern lediglich unter-stützt werden kann. Hier muss ein Moderator eingreifen, der dieZuständigkeiten festlegt, Aktivitäten überwacht und auf den Prozessfort-schritt achtet. Im folgenden Kapitel wird deshalb auch auf die bessereUnterstützung von Diskussions- und Aushandlungsprozessen durchSystem und Moderator eingegangen werden.

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Kapitel 8. Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Auf Basis der in Kapitel 5 erläuterten Anforderungen und der in Kapitel 7dargestellten Ergebnisse der KOLUMBUS-Evaluation werden in diesemKapitel Gestaltungsempfehlungen zusammengefasst. Diese Empfehlun-gen stellen eine Gesamtkonzeption eines sozio-technischen Systemtypszur Unterstützung gemeinsamen, computervermittelten, problemorien-tierten Lernens dar. Die Gestaltungsempfehlungen beziehen sich einer-seits auf die Gestaltung des technischen Systems (Abschnitt 8.1).Wesentliches Merkmal des technischen Systems ist die Integration derAblage von Materialien (als wesentliches Merkmal von WM-Systemen)und der Unterstützung der Kommunikation (als wesentliches Merkmalvon KL-Umgebungen) sowie die Unterstützung von Aushandlungspro-zessen. Die Idee der Integration zeigte sich in der Evaluation als eineerfolgversprechende Grundlage, da Materialien als Kontextinformationendienen, die das Verfassen und den Nachvollzug von Kommunikationsbei-trägen für die Beteiligten erleichtern. Diese Materialien sind gleichzeitigGegenstand der Diskussion und werden durch den Austausch in derGruppe weiterentwickelt sowie durch Aushandlung zu einem gemeinsa-men Ergebnis gebracht.

Andererseits wird hier auch auf organisatorische Gestaltungsempfehlun-gen eingegangen, die sich auf die Vorbereitung (hier speziell auf die Auf-gabenstellung und die Vorbereitung einer Inhaltsstruktur) sowie auf dieLenkung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses beziehen(Abschnitt 8.2). Dazu wird das Modell zur computervermittelten Kommu-nikation bei Einsatz einer integrierten KL/WM-Umgebung herangezogenund um diese organisatorischen Gestaltungsmaßnahmen ergänzt. InAbschnitt 8.3 wird eine Modifikation des kollaborativen Prozesses ausKapitel 2 vorgestellt, die den Erkenntnissen dieser Arbeit gerecht wird.

8.1 Empfehlungen für die Gestaltung des techni-schen SystemsIn diesem Abschnitt werden Gestaltungsempfehlungen für integrierteUmgebungen dargestellt, die in der Summe das Gesamtkonzept zurGestaltung des technischen Systems darstellen. Tabelle 31 gibt einen

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254 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Überblick über Gestaltungsempfehlungen integrierter Umgebungen zurUnterstützung gemeinsamen, problemorientierten Lernens. Nachdem ein-leitend auf die Basisidee integrierter Umgebungen eingegangen wird, wer-den die Gestaltungsempfehlungen entlang des kollaborativen Prozessesvorgestellt und an Hand einer beispielhaften Umsetzung erläutert.

Gestaltungsempfeh-lungen

Erläuterung

Vorbereitung und BegleitungUnterstützung beim Anlegen einer Inhaltsstruktur

automatisches Anlegen von dem Lernszenario angepasster Inhaltsstrukturen

Instruktionen in ggf. automatisch angelegten Bereichen der Inhaltsstrukturzeitabhängig zum jeweiligen Prozessschritt über einen Nachrichtenticker

Benutzerverwaltung identifizierbare NutzerBestimmung einer Gruppe von Urhebern und EmpfängernBildung von Benutzergruppen

Lernen am eigenen Materialpersonalisierte Zugänge

gezielte Zustellung von InhaltenBenutzervoreinstellungen- Empfängergruppe- Benachrichtigungsdienste- Anzeigeparameter bei Sichten

Einstellen und Ändern von Materialien

Segmentierbarkeit der Inhalteverschiedene Präsentationsformate (z.B. Text, Abbildungen, Tabellen, Diagramme)Einfügen an beliebigen Positionen in der InhaltsstrukturÄnderungen von MaterialienEinstellen und Ändern für alle NutzerKombination segmentierter Inhalte und Dateiablageauch Export von Inhalten

flexible Zuweisung von Rechten

über das Urheber/Empfängerkonzept; jedem Inhalt kann dabei eine Menge von Urhebern und Empfängern zugeordnet werden; ggf. ist dazu Aushandlung (siehe weiter oben) notwendig

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 255

Tabelle 31. Gestaltungsvorschläge für integrierte Umgebungen

Zur Umsetzung der Integration beziehen sich zwei wesentliche Empfehlun-gen für integrierte Umgebungen auf bestimmte Formen der Ablage vonMaterial und die Unterstützung der Kommunikation. Zum einem ist beson-ders die Segmentierung der Inhalte zu fordern. Für KOLUMBUS wurde auf-bauend auf Erkenntnissen aus der Beschäftigung mit Systemen zurgemeinsamen Texterstellung als Segmentgröße Abschnitte von Materialien

Darstellung von Inhalten

Struktursicht auf alle Inhalte (Material & Kommunikationsbeiträge integriert) (Baumansicht) mit Hide & Show-Mechanismen, Anzeige von Autor und Datum bei KommunikationsbeiträgenSicht auf alle Inhalte (Material & Kommunikationsbeiträge integriert) in ihrem Präsentationstyp Materialien (Zeitungsansicht) mit Hide & Show-Mechanismen, Anzeige von Autor und Datum bei KommunikationsbeiträgenSicht auf Kommunikationsbeiträge (Nachrichtensicht) als Links in die integrierte SichtSicht auf laufende Aushandlungen

Lernen am Material andererauf Beiträge anderer achten

Kennzeichnung neuer BeiträgeBenachrichtigungsdiensteAnzeige angemeldeter PersonenInformationen über andere Nutzer

Inhalte finden SuchenFiltern

BewertenKommunikation und AushandlungUnterstützung der Kommunikation

in Form von AnnotationenUnterscheidung organisatorischer und inhaltlicher BeiträgeAnzeige von Autor, Erstellungsdatum, Stichwortnur chronologische Reihenfolgekeine ÄnderungenVerbindungen zu Beiträgen in anderen Diskussionssträngenauch synchrone Unterstützung

Unterstützung des Aushandlungspro-zesses

über das Urheber/Empfängerkonzept offene Wahl mit BegründungenUrheberaushandlungPublikationsaushandlungÄnderungsaushandlungÜbersicht über laufende Aushandlungen

Gestaltungsempfeh-lungen

Erläuterung

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256 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

gewählt. Dies erwies sich in den Untersuchungen als geeignete Größe, sodass sie auch für diese Empfehlungen gelten soll. Zum anderen wird emp-fohlen, zur zentralen Unterstützung der Kommunikation Annotationen zuverwenden, da sie kontext-orientierte Kommunikation ermöglichen.

Während der Evaluation von KOLUMBUS im Seminar zeigte sich, dass derkommunikative Charakter von Annotationen nicht wahrgenommen wurde,weil etwa aus E-Mailkommunikation bekannte Funktionalitäten, wie z.B.eine Liste aller Kommunikationsbeiträge eines Autors, aus Sicht der Pro-banden in KOLUMBUS nicht möglich war. Zudem erwies sich der flexibleUmgang mit Annotationen, etwa nachträgliches Ändern und das Einfügenneuer Annotationen an beliebiger Stelle im Diskussionsstrang während desAushandlungsexperimentes als hinderlich, da dadurch Missverständnisseauftraten, die weitere Organisationsbeiträge notwendig machten.

Aus diesen Gründen ist es ein zentraler Bestandteil dieses Gesamtkonzep-tes, in einigen Punkten von der vollständigen Gleichbehandlung von Mate-rial und Kommunikationsbeitrag Abstand zu nehmen. Auf Grundlage derErgebnisse der KOLUMBUS-Evaluationen können Ansatzpunkte dieserunterschiedlichen Behandlung angegeben werden. So sollte beispiels-weise das Einstellen von Materialien an beliebiger Stelle möglich sein,während Kommunikationsbeiträge nur in chronologischer Reihenfolge ein-gestellt werden können. Auch das Ändern sollte nur für Materialien möglichsein. Im Folgenden sollen diese Unterschiede deutlich gemacht werden.Zur Unterstützung aller Phasen des kollaborativen Prozesses soll, hierebenso wie bei KOLUMBUS, eine sehr flexible Zuweisung von Rechtenüber das Urheber/Empfänger-Konzept empfohlen werden, das auch alsBasis der Aushandlung genutzt wird.

8.1.1 Unterstützung der Vorbereitung und Instruktion

Zur Vorbereitung einer kollaborativen Lernsituation ist für den Lehrendendie technische Unterstützung bei dem Anlegen einer Inhaltsstruktur gefor-dert. Beide KOLUMBUS-Untersuchungen haben gezeigt, dass eine vorde-finierte Inhaltsstruktur das Auffinden von Beiträgen erleichtert hätte. Hierkann eine Autorenkomponente helfen, die abhängig vom gewünschtenSzenario automatisch eine Inhaltsstruktur anlegt. Teilbereiche dieserInhaltsstruktur sollten sich auf die verschiedenen Prozessschritte desgewünschten Lernszenarios beziehen. Auf technischer Seite ist vorzuse-hen, dass Inhalte mitunter auch in bestimmte Ordner der Prozessschritte

Zur Unterschei-dung von Mate-rial und Kommunikati-onsbeiträgen

Unterstützung beim Anlegen einer Inhalts-struktur

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 257

kopiert werden. Wurde eine Aushandlung erfolgreich abgeschlossen, so istder ausgehandelte Vorschlag mit den entsprechenden Rechten in einemErgebnisbereich einzustellen. An Hand eines Beispiels soll dies erläutertwerden:

Soll gezielt ein Aushandlungsprozess wie in dem KOLUMBUS-Experimentdurch das System unterstützt werden, so ist für jeden Teilnehmer ein Ord-ner zur Sammlung eigener Inhalte, ein Konsensordner zur Diskussionsowie ein Ergebnisordner mit erfolgreich durchgeführten Aushandlungenanzulegen. Tabelle 32 gibt einen Überblick über eine Ordnerstruktur füreinen Aushandlungsbereich einer Gruppe (Team1) von drei Personen AA,BB, CC. Diese Gruppe hat die Aufgabe, eine Liste von 10 Thesen auszu-handeln und anschließend an den Seminarveranstalter zu veröffentlichen.Auf der technischen Seite muss hier unterstützt werden, dass Inhaltsberei-che auch automatisch gefüllt werden. Nach erfolgreicher Urheberaushand-lung in dem Ordner Vorschläge zur Aushandlung/Urheberaushandlungwürde beispielsweise die ausgehandelte These mit den geänderten Rech-ten in die Ordner Vorschläge zur Aushandlung/Publikationsaushandlungund in Ergebnisse/Urheberaushandlungen kopiert werden. In demursprünglichen Ordner würden Verweise auf diese beiden Ordner angelegtwerden.

Tabelle 32. Beispiel einer Inhaltsstruktur für einen Aushandlungsbereich

In diesem Vorschlag werden auch unterschiedliche Rechte für die angeleg-ten Ordner vergeben. Während die Bereiche für die Thesenvorschläge dereinzelnen Teammitglieder nur für das Team einsehbar sind, sind die Ordnerzu Aushandlungsvorschlägen und Ergebnissen auch für andere Teilneh-

Ordner Unterordner Urheber EmpfängerThesenvorschläge AA Dozent Team1Thesenvorschläge BB Dozent Team1Thesenvorschläge CC Dozent Team1Vorschläge zur Aushandlung

Urheberaushandlung Dozent alle

Publikationsaushandlung Dozent alleÄnderungsaushandlung Dozent alle

Ergebnisse Urheberaushandlungen Dozent allePublikationsaushandlungen Dozent alleÄnderungsaushandlungen Dozent alle

Beispielumset-zung

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258 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

mer der Veranstaltung vorgesehen. Den Teilnehmern werden beim Einstel-len von Materialien diese Empfänger als Voreinstellung empfohlen. Siekönnen diese jedoch beliebig ändern. Wird aus der Diskussion heraus ineinem der Thesenvorschlags-Ordner zu einem Item eine Aushandlung initi-iert, so wird in dem Menüfenster über eine Checkbox angeboten, diesenVorschlag mit entsprechend erweiterten Empfängerrechten in den Ordnerder folgenden Phase (Vorschläge zur Aushandlung/Urheberaushandlung)zu kopieren. Durch diese unterschiedlichen Einstellungen wird es möglich,dass sich auch andere Teilnehmer der Veranstaltung ab einem gewissenStatus des Items (z.B. beendete Urheberaushandlung, nach der alle Mit-glieder aus Team1 Urheber sind) über die Aushandlungen informieren kön-nen.

Mit einem automatisch angelegten Rahmen für eine Inhaltsstruktur könntenzudem Maßnahmen zur Instruktion verbunden werden. Mit jedem Inhalts-bereich werden bestimmte Arbeitsschritte verknüpft, die in diesen Ordnernselbst erläutert werden könnten. Diese könnten wegen der Nähe zu denOrdnern eher wahrgenommen werden als in einem Ordner, in dem Tippszum gesamten Prozess abgelegt werden. In beiden KOLUMBUS-Untersu-chungen wurden solche Tipps-Ordner angelegt, aber von den Teilnehmen-den nicht genutzt. Eine weitere Möglichkeit, solche Instruktionen an dieTeilnehmer zu bringen, wäre etwa ein sog. Newsticker (vergleichbar mitAnwendungen im World Wide Web oder bei Nachrichtensendungen imFernsehen, bei denen in einem textbasierten Laufband aktuelle Informatio-nen im Randbereich der Anzeige dargestellt werden). Abhängig von demjeweils aktuellen Prozessschritt werden nach und nach Hinweise an dieTeilnehmenden weiter gegeben. Auch diese würden mehr Aufmerksamkeitbei den Teilnehmenden erzeugen als ein Ordner mit Tipps.

8.1.2 Lernen am eigenen Material

Personalisierte Zugänge

Integrierte Umgebungen benötigen einen personalisierten Zugang zu denInhalten des Systems. Erst durch personalisierte Zugänge wird einegezielte Zustellung von Inhalten möglich.

Der personalisierte Zugang lässt zudem Voreinstellungen durch den jewei-ligen Nutzer zu. So sollten Nutzer in einer Benutzereinstellung Modifikatio-nen an ihrem Zugang vornehmen können. Dort sollten sie beispielsweise

Maßnahmen zur Instruktion

Benutzereinstel-lungen

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 259

Variationen des Benachrichtigungsdienstes und eine voreingestellte Emp-fängergruppe wählen sowie die Information zur eigenen Person ändernkönnen. Auch das Passwort muss an dieser Stelle modifizierbar sein.Zudem können angezeigte Felder in Nachrichten- und Aushandlungssich-ten (vgl. Abschnitt zur Darstellung von Inhalten) wie z.B. Benutzer, Nach-richten oder Aushandlungen ausgewählt werden.

Weiterhin werden hier „Hotlinks“ vorgeschlagen, in die ein Nutzer aus derBaumansicht ein Verweis auf einen bestimmten Ausschnitt der Inhalts-struktur ablegen kann, indem er das betreffende Item mit der Maus anfasstund auf den Bereich „Hotlinks“ zieht (sog. Drag-and-Drop). Diese bildenAbkürzungen zu den Bereichen, von denen der Nutzer ausgeht, dass er siehäufig besuchen wird und sich nicht immer durch die Baumstruktur klickenmöchte.

Umgang mit Materialien

Abgesehen von technischen Problemen erwies sich der Umgang mit Mate-rialien in der ursprünglichen KOLUMBUS-Version als geeignet. Deshalbwird auch hier empfohlen, dass allen Nutzern die Ablage von Materialien imSystem ermöglicht wird.

Tabelle 33. Vorschlag für das Kontextmenü, aufrufbar an Items

Dabei soll das Prinzip, Materialien an beliebiger Position in der Inhalts-struktur hinzufügen zu können, beibehalten werden, da erst dadurch dieflexible Ergänzung bzw. Überarbeitung bestehender Materialien möglich

Menüpunkte ErläuterungBearbeiten Bearbeitung von Materialien mit den Unterpunkten neu,

ändern, kopieren, verknüpfen, löschenAnnotieren Annotation anfügenAusblenden blendet bestimmte Itemtypen aus, mit den Unterpunkten

alle Annotationen, organisatorische Annotationen, inhaltliche Annotationen

Rechte Rechte und Aushandlungen mit den Unterpunkten: ändern, Aushandlung

Bewertung ermöglicht die Bewertung des ausgewählten Items auf einer Skala von 1-5

Eigenschaften zeigt die Eigenschaften des Items in einem neuen Fenster an: gesamter Text, Urheber und Empfänger, alte Versionen, Bewertungen

Hotlinks

Materialien an beliebiger Stelle einfügen

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260 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

wird. Um die flexible Erstellung und Überarbeitung von Materialien zugewährleisten, wird hier ein Kontextmenü an den Items selbst vorgeschla-gen, so wie es auch schon in KOLUMBUS umgesetzt wurde. Dies ermög-licht auch die Kommunikation im Kontext. Tabelle 33 zeigt einebeispielhafte Umsetzung eines solchen Menüs.

Mit Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Materialien und Kom-munikationsbeiträgen (Annotationen) ist dabei zu beachten, dass neuesMaterial nicht zwischen bestehendem Material und dazugehörigen Annota-tionen eingefügt wird. Soll also hinter dem Material (M1) mit Annotation(A1) weiteres Material (M2) eingefügt werden, so wird M2 in der Inhalts-struktur hinter A1 eingefügt, und nicht wie in KOLUMBUS zwischen M1 undA1 (vgl. Abbildung 41). Ferner soll Material nur zu Material und nicht zuAnnotationen hinzugefügt werden können.

Abbildung 41. Einfügen von Material

Zur Darstellung didaktisch aufbereiteter Materialien, bei denen beispiels-weise Texte mit Bildern, Diagrammen etc. kombiniert werden sollten [Ker-res (1998)], sollen auch hier unterschiedliche Präsentationstypen möglichsein. Verbesserungen in diesem Schritt sind durch die Auswahl einer flexi-bel voreinstellbaren Kombination aus Urheber/Empfängergruppe zu erzie-len.

Zusätzlich ist die Kombination aus der Ablage segmentierter Materialien,die in integrierten Umgebungen betrachtet, kommentiert und erweitert wer-den können und dem Einstellen von Dokumenten, die im Ganzen herunter-geladen werden können, vorteilhaft. Verbesserungen können gegenüberder ursprünglichen KOLUMBUS-Version hier erzielt werden, wenn techni-sche Unzulänglichkeiten behoben werden. Zudem wird empfohlen, dasEinstellen von zwei Versionen (segmentiert und ursprüngliches Format,z.B. Microsoft Word) in einem Schritt zu realisieren.

Weiterhin sollte in integrierten Umgebungen eine Exportfunktion vorgese-hen werden, die aus einer Menge von Items wieder ein Gesamtdokument,etwa in Microsoft Word, erstellt. Dies setzt die Schwelle herab, Änderungen

Material M1

Annotation A1M2 anfügen hinter M1

Material M1Annotation A1

Material M2

Segmentierte Inhalte und Dokumentenab-lage; Exportfunk-tion

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 261

an den Materialien in der integrierten Umgebung statt auf Heimrechnerndurchzuführen, da Inhalte später wieder auf den Heimrechner übertragenwerden könnten. Der Nutzer sollte dabei wählen können, ob er den Inhaltmit oder ohne Annotationen exportieren möchte.

Änderungen an Materialien sollten in integrierten Umgebungen möglichsein. Hier sind im Vergleich zur ursprünglichen KOLUMBUS-Version Ver-besserungen hinsichtlich der Nachvollziehbarkeit notwendig. So könntenbeispielsweise in den Metadaten Links zu vorherigen Versionen gehaltenwerden. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, wenn solche Materialiengeändert werden, zu denen Annotationen existieren. Hier muss der Anno-tation ein Hinweis hinzugefügt werden, dass sie sich auf eine ältere Versionbezieht. Diese ältere Version sollte über einen Link erreichbar sein. EineAnsicht auf Materialien, in denen Änderungen farblich hervorgehoben wer-den, kann ebenfalls zur Nachvollziehbarkeit beitragen. Solche Mechanis-men sind aus Textverarbeitungs-Programmen wie beispielsweise MicrosoftWord bekannt.

Flexible Zuweisung von Rechten

Wie auch schon in KOLUMBUS wird hier eine flexible Vergabe von Rech-ten mittels des Urheber/Empfängerkonzeptes vorgeschlagen. Anders alsbei KOLUMBUS jedoch wird hier empfohlen, dass als voreingestellter Wertfür die Empfänger nicht nur der Urheber des entsprechenden Items, son-dern die vom Benutzer voreingestellte Gruppe eingesetzt wird. Wird eineInhaltsstruktur vorgegeben, so kann auch bezüglich zu vergebener Rechteeine Empfehlung vom System gegeben werden. Beispielsweise würde füreinen Bereich „Organisatorisches“ in einem Seminar als Empfänger dieGruppe aller Teilnehmer vorgeschlagen, während für einen inhaltlichenUnterbereich die dafür vorgesehene Gruppe angegeben werden würde.

Darstellen von Inhalten

Zur Darstellung von Inhalten in einer Umgebung, die Materialablage undKommunikation integriert sowie den gesamten kollaborativen Prozess ein-schließlich der Aushandlung unterstützt, werden unterschiedliche Sichtenauf die Inhalte empfohlen. Dies sind einerseits die schon aus KOLUMBUSbekannten Sichten auf die Struktur aller Inhalte (Baumansicht) sowie aufInhalte in ihren jeweiligen Präsentationstypen (Zeitungsansicht). Dabei wirdvorgeschlagen, sowohl in der Baum- als auch in der Zeitungsansicht den

Änderungen von Materialien ermöglichen

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262 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Kommunikationsbeiträgen Autoren und das Erstellungsdatum voranzustel-len, um den kommunikativen Charakter dieses Itemtyps zu verdeutlichen.Andererseits werden hier Sichten auf Kommunikationsbeiträge (Nachrich-tensicht) sowie auf laufende Aushandlungen empfohlen. Dies resultiert ausder in den Studien bemängelten Möglichkeiten zur Übersicht über Kommu-nikationsbeiträge bzw. Aushandlungen. Im Folgenden soll eine beispiel-hafte Umsetzung dieser unterschiedlichen Sichten vorgestellt werden.

Abbildung 42 gibt einen Überblick auf die Inhaltsansicht einer neu gestalte-ten integrierten Umgebung. Wie bereits aus der ursprünglichen KOLUM-BUS-Realisierung bekannt, wird hier das oberste Item angezeigt sowie derPfad, der zu diesem Item führte. Inhalte sollen weiter in der Baum- und inder Zeitungsansicht dargestellt werden.

Abbildung 42. Gestaltungsbeispiel: Darstellung von Inhalten

Der Nutzer kann hier im oberen Bereich eine Ansicht wählen, wobei aucheine Kombination beider Ansichten in zwei Fensterhälften möglich seinsollte. Dabei wird empfohlen, dass in beiden Fenstern die Bäume an dengleichen Positionen ausgeklappt dargestellt werden. Dies bedeutet, dassbeim Aufklappen eines Teilbaumes in der Baumansicht der entsprechendeTeilbereich auch in der Zeitungsansicht aufgeklappt wird. Wichtig scheintdie Forderung, dass die Umgebung den Zustand des Baumes beibehält,

Umsetzungsbei-spiel: Baum- und Zeitungsansicht

Suche GlossarAushandlungNachrichten Benutzer Hilfe2

Bereich: ZeitungBaum

?

Hotlinks

Benutzereinstellungen

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 263

auch wenn der Nutzer das System verlässt. Dies bedeutet, dass der Nutzerbeim erneuten Einloggen in das System den gleichen Zustand der Expan-sion des Baumes sieht wie zum Zeitpunkt des Verlassens und so seineArbeit ohne weiteren Navigationsaufwand fortsetzen kann. Zudem werdenneue Inhalte entsprechend gekennzeichnet (zur Kennzeichnung neuerInhalte vgl. folgenden Abschnitt).

Über die allgemeine Funktion „Nachrichten“ am oberen Rand gelangt derNutzer zu einer Liste aller Annotationen (Nachrichtensicht). Sie stellt alleAnnotationen zusammen, bei denen der entsprechende Nutzer Empfängerist. Bei Verwendung dieser globalen Funktion wird ein zweites Fenstergeöffnet. Dieses zweigeteilte Fenster gleicht einer Kombination ausPosteingangs- und Postausgangsfenster eines E-Mail Programms. Zujeder Nachricht wird ein Pfad in der Inhaltsstruktur gegeben. Beim Anklik-ken des angezeigten Pfades wird der entsprechende Bereich in der inte-grierten Sicht (Baum- oder Zeitungsansicht) geöffnet. Der Nutzer hat imNachrichtenfenster zudem die Möglichkeit, nach den angezeigten Informa-tionsfeldern wie beispielsweise Autor, Nachricht, Datum oder Pfad zu sor-tieren. Organisatorische und inhaltliche Beiträge werden unterschiedlichdargestellt, neue Nachrichten werden gekennzeichnet.

Abbildung 43. Gestaltungsbeispiel: Sicht auf Aushandlungen

Auch die Sicht auf Aushandlungen ist in diesem Umsetzungsbeispiel durcheine globale Funktion „Aushandlung“ am oberen Rand zu erreichen (vgl.Abbildung 42). Durch Anklicken öffnet sich ein Fenster mit einer Liste allerAushandlungen, an denen der Nutzer beteiligt ist (vgl. Abbildung 43). Zu

Nachrichtensicht

Aushandlung

Status

ZurückOkay

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264 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

jeder Aushandlung wird neben dem Namen und dem auszuhandelndenItem der Initiator, die beteiligten Personen, sowie die Anzahl bereits abge-gebener Stimmen angegeben. Zudem kann man dort auch seine eigeneStimme sowie gegebenenfalls Begründungen einsehen. Durch Haken wirdverdeutlicht, wer sich bereits an der Aushandlung beteiligt hat. Die Aus-handlungen werden in dem vorgeschlagenen Fenster als Link repräsen-tiert; durch Anklicken wird an die entsprechende Stelle in der integriertenSicht (Baum- oder Zeitungsansicht) gesprungen.

Unterstützung des Lernens am Material anderer

Auf Beiträge anderer achten

Neue Inhalte sind durch ein „neu“-Symbol als solche zu kennzeichnen.Gegenüber der ursprünglichen KOLUMBUS-Version wird hier vorgeschla-gen, diese Kennzeichnung an die darüberliegenden Items (sog. Vater-Items) in der Baumstruktur hochzureichen, da dadurch auch auf den höhe-ren Ebenen angezeigt wird, dass sich in Unterbäumen neue Inhalte befin-den. In der Evaluation von KOLUMBUS hat sich herausgestellt, dass dieBestätigung der Rezeption neuer Inhalte (mit „neu“ gekennzeichneteInhalte) einen zusätzlichen Schritt bedeutet, der von vielen Nutzern ausPraktikabilitätsgründen nicht durchgeführt wird. Aus diesem Grunde wirddavon Abstand genommen und hier folgende Vorgehensweise vorgeschla-gen:

• die „neu“-Kennzeichnung wird bei Aufklappen eines Teilbaumes anseiner Wurzel sowie an den Blättern (Items ohne weitere Unter-bäume) entfernt, da ihre Existenz direkt sichtbar ist.

• mit „neu“ gekennzeichnete Unterbäume bleiben so gekennzeichnet,bis diese aufgeklappt werden.

• werden die Blätter in dem Teilbaum angeklickt (und damit in ihrerGesamtheit sichtbar), so werden diese in einer anderen Farbe dar-gestellt. Dies ermöglicht dem Nutzer eine Unterscheidung zwischender Wahrnehmung der Existenz eines Items (durch die erste Zeilein der Baumansicht) und dem Inhalt des Items (in seinem vollständi-gen Umfang).

• wird der Teilbaum anschließend wieder zugeklappt, so wird er nurdann mit dem „neu“-Symbol versehen, falls einer seiner Unter-bäume zu dem Zeitpunkt noch mit „neu“ gekennzeichnet war.

Neue und besuchte Inhalte kennzeichnen

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 265

Zudem sollte der Nutzer zwischen unterschiedlichen Benachrichtigungenüber neue Materialien, neue Kommunikationsbeiträge oder Änderungenwählen können. So wird hier vorgeschlagen, eine Möglichkeit anzubieten,bei erneutem Einloggen in einem separaten Fenster den Baum an denStellen expandiert darzustellen, an denen seit dem letzten Zugang Neue-rungen entstanden sind (1). Diese sind in dem Baum entsprechend hervor-zuheben. Eine weitere Möglichkeit ist ein E-Mail-Benachrichtigungsdienst,mit dem eine Linkliste der Neuerungen verschickt wird (2) oder ein Pop-UpFenster, das beim Anmelden an das System die Linkliste zeigt (3). Aus die-sen drei Benachrichtigungsdiensten soll der Nutzer in seinen Benutzerein-stellungen (vgl. vorangegangenen Abschnitt zu personalisierten Zugängen)auswählen können.

Zur Entstehung eines Partnerbildes könnten zudem Daten wie beispiels-weise Name oder Kontaktmöglichkeiten, die auch schon zur erstmaligenAnmeldung am System eingetragen werden, als Profil für alle Teilnehmerzugänglich sein. Dieses Profil sollte von dem betroffenen Nutzer änderbarsein. In integrierten Umgebungen sollte zudem angezeigt werden, welcheNutzer aktuell im System angemeldet sind. Durch die Anzeige neuer undbesuchter Items, ihrer Urheber und Empfänger sowie die Information überangemeldete Nutzer ermöglicht die integrierte Umgebung eine im Vergleichzur ursprünglichen KOLUMBUS-Version verbesserte Wahrnehmung derAktivitäten anderer; sie erhöht also im Vergleich zur ursprünglichenKOLUMBUS-Version die Awareness.

Abbildung 44. Gestaltungsbeispiel: Informationen über Nutzer

Benachrichti-gungsdienste

Benutzer

Mitgliederliste

StatusWeitere InfosGruppenVeranstaltungName

Eva Meier

Gerd Schulze

Seminar FIT nein

Adam Müller

Seminar FIT Büro

Seminar FIT

Gesundheit

Ausbildung

ja

ja X

X

X

Meine Gruppe

Neue Gruppe anlegen

Gruppe ändern

Menü Gruppe

Mit der Eigenschaft: Veranstaltung = Seminar FIT + Status == online

Neue Benutzer anlegen zurück

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266 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Abbildung 44 zeigt ein Beispiel über die Darstellung von Informationenüber andere Nutzer. Hier ist vorgesehen, in jeder Tabellenspalte eineSelektion über ein Pop-Up-Menü vornehmen zu können, so wie dies auchvom Auto-Filter in Microsoft-Excel bekannt ist. So können beispielsweisealle Mitglieder mit bestimmter Gruppenzugehörigkeit und/oder diejenigengefiltert werden, die gerade online sind. Eine Infozeile zeigt an, welcheAuswahl gerade aktiv ist. Dieses Fenster wird auch genutzt, um neueBenutzer oder Gruppen anzulegen bzw. Gruppeneinträge zu ändern odersich seine eigenen Gruppenzugehörigkeiten anzusehen.

Inhalte finden

Abbildung 45. Gestaltungsbeispiel: Suche

Es soll, wie auch in KOLUMBUS, eine Suche sowohl nach Inhalten alsauch nach Metadaten wie Autor, Datum, Itemtyp etc. möglich sein. DieAuswahl wird durch Pop-Up-Menüs erleichtert. Der Nutzer kann weiterhinauswählen, in welchem Bereich der Inhaltsstruktur gesucht werden soll.Zudem soll der Nutzer angeben können, in welcher Art und Weise dieErgebnisse seiner Suche angezeigt werden sollen. Hier können zwei Vari-anten vorgesehen werden: als Liste ohne Struktur oder als Ansicht auf diegesamte Inhaltsstruktur, in der Treffer hervorgehoben werden. Abbildung45 gibt einen Überblick über ein Suchfenster.

beispielshafte Umsetzung

SucheSuche

Michael

Text

Urheber

Empfänger

Itemtyp

Datum gestern

Annotation

Andrea

Andrea

Suche im ...Baum

Aktuellen Baum Veranstaltungsbaum

Suche im ...

Ergebnisanzeige

Liste ohne StrukturListe mit Struktur + Hervorhebung

ZurückSuchen

Suche

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 267

Weiterhin wird hier die Umsetzung von Funktionalitäten des Filterns undBewertens empfohlen. Diese wurden in den KOLUMBUS-Studien zwarnicht verwendet, sind aber in Unternehmen gängig und sollten deshalb mitBlick auf einen Einsatz der integrierten Umgebung in Unternehmen nichtfehlen. Eine zögerliche Nutzung in den KOLUMBUS-Studien wird auf vor-handene Schwächen in der Umsetzung zurückgeführt. So sollte beispiels-weise die Bewertung auch in den Schritt des Einstellens von Materialienoder Kommunikationsbeiträgen integriert werden, um diese Funktionalitätstärker in das Bewusstsein der Nutzer zu rücken.

8.1.3 Unterstützung der Kommunikation

Kommunikationsbeiträge werden in integrierten Umgebungen durch Anno-tationen repräsentiert. Bei der Eingabe eines Kommunikationsbeitragessollte ein Nutzer einen Adressaten angeben können. Dies ist gleichbedeu-tend mit dem Setzen entsprechender Rechte, symbolisiert aber den kom-munikativen Charakter. Zudem ist die Angabe eines Stichwortesvorzusehen, das den Inhalt eines Kommunikationsbeitrages zusammen-fasst. Dies ist ähnlich der Betreffzeile in E-Mail-Anwendungen.

Gleichzeitig sollten Nutzer ein Ablaufdatum angeben können, zu dem eineAnnotation gelöscht werden sollte. Dies ist besonders für organisatorischeAnnotationen, die nur kurze Gültigkeit haben, von besonderer Relevanz.Zudem sollte ein Nutzer angeben können, ob es sich um einen inhaltlichenoder organisatorischen Beitrag handelt. Diese sollten in der Baum- undZeitungsansicht unterschiedlich dargestellt werden. Organisatorische Bei-träge müssen bei Bedarf ausblendbar sein, damit sich die Nutzer aufInhaltliches konzentrieren können.

Zur Unterstützung des Prozesses wird vorgeschlagen, dass ein Schritt derZusammenführung von Vorschlägen durch die Integration von URLs inAnnotationen genutzt wird, um Zusammenhänge zwischen Teilbereichenkenntlich machen zu können.

Zur Wahrnehmung von Kommunikationsbeiträgen wurde bereits die Nach-richtensicht vorgestellt (vgl. vorangegangenen Abschnitt zur Darstellungvon Inhalten). Dadurch soll die kommunikative Seite der Umgebung betontund die Unterstützung des Austausch zwischen den Nutzern mittels derintegrierten Umgebung verbessert werden.

Filtern und Bewerten

inhaltliche vs. organisatori-sche Beiträge

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268 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Prinzipiell muss eine synchrone Kommunikationsmöglichkeit geschaffenwerden. Eine zusätzliche Chat-Funktionalität erfordert die Beobachtungeines weiteren Kommunikationskanals. Weil in integrierten Umgebungenneben neuen Kommunikationsbeiträgen auch die Arbeiten an den Materia-lien zu beobachten sind, soll auf einen zusätzlichen Kommunikationskanal„Chat“ verzichtet werden. Statt dessen kann in Verbindung mit der Informa-tion, wer gerade im System angemeldet ist, zur synchronen Kommunika-tion auch die Annotationsfunktion eingesetzt werden. Um andere Nutzerauf ein synchrones Kommunikationsbedürfnis aufmerksam zu machen,könnte hier beispielsweise eine Art Instant Messaging innerhalb einer Nut-zerliste verwendet werden. Dies ermöglicht prinzipiell eine sofortige Wahr-nehmung einer Kurznachricht beim Rezipiente, da ein Nachrichtenfensterauf dem Bildschirm in vorderster Ebene (einem sog. Pop-Up-Fenster)erscheint.

Im Folgenden soll hier erneut ein Umsetzungsbeispiel zur Erläuterung her-angezogen werden. Zur Erstellung eines Kommunikationsbeitrages inForm einer Annotation stehen dem Nutzer zwei Möglichkeiten zur Verfü-gung. Zum einen kann er die Funktionalität „annotieren“ im Menü hinterden Items nutzen. Zum anderen kann er auch in dem Nachrichtenfenstereinen Menüpunkt „Neue Nachricht“ auswählen. In beiden Fällen wird einneues Fenster geöffnet (vgl. Abbildung 46).

Verwendet der Nutzer das Menü, werden in den Feldern Empfänger undKontext die Gruppe der Autoren bzw. der Pfad und der Inhalt des letztenItems dargestellt. Über ein Pop-Up-Menü können Empfänger und Pfad ver-ändert werden. Dies hätte zur Folge, dass die Annotation an andere Teil-nehmer veröffentlicht wird bzw. an eine andere Stelle in der Inhaltsstruktureingetragen wird. In das Textfeld können neben einfachem Text auch perDrag-and-Drop Inhalte aus der Baumansicht integriert werden. Dadurchwird ein Link in der Nachricht eingetragen, der auf den dahingezogenenInhalt verweist. So wird es möglich, auch über Grenzen von Diskussions-strängen hinweg Verbindungen zu schaffen. Zudem kann angegeben wer-den, ob es sich um einen organisatorischen oder inhaltlichen Beitraghandelt und wann die Annotation wieder aus dem Inhalt gelöscht werdensoll. Zudem kann ein Verfasser einer Nachricht entscheiden, wie der Emp-fänger benachrichtigt werden soll. Sofern dieser die ausgewählte Benach-richtigungsform nicht ausgeschlossen hat, wird er entsprechendbenachrichtigt. Nach Versenden der Nachricht wird die Annotation in dem

synchrone Kom-munikationsun-terstützung

Umsetzungsbei-spiel

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Empfehlungen für die Gestaltung des technischen Systems 269

Baum zu dem Bezugs-Item eingefügt und in die Nachrichtenfenster derEmpfänger dieser Nachricht eingetragen

Abbildung 46. Gestaltungsvorschläge: Annotationen verfassen

Annotationen sollen nur in chronologischer Reihenfolge hinzugefügt wer-den können, um dadurch das Nachvollziehen von Diskussionssträngen zuerleichtern. Soll zu einem Materialitem (M1), zu dem bereits eine Annota-tion (A1) existiert, eine weitere Annotation (A2) angefügt werden, so wirddiese hinter A1 in die Inhaltsstruktur eingefügt, und nicht wie in KOLUM-BUS zwischen M1 und A1 (vgl. Abbildung 47). Annotationen sollen nurannotiert werden können. Das Hinzufügen von Materialien wird an dieserStelle nicht empfohlen. Dies verdeutlicht den Unterschied zwischen Mate-rial und Kommunikationsbeiträgen.

Abbildung 47. Einfügen von Annotationen

Nachricht senden

Michael

Text

Urheber

Empfänger

Itemtyp

Datum gestern

Annotation

Andrea

Andrea

Suche im ...Eigenschaften

Inhaltlicher Beitrag Organisatorischer Beitrag

Empfänger Benachrichtigung

KOLUMBUS2 Nachrichten FensterE-Mail

ZurückSenden

Text

Haltbar bis:

Gar nicht

Andrea

Hallo

KOLUMBUS

31.10.2002

X

Beitrag

An:

Pfad

Bezug

Text

Teilnehmergruppe

Seminar FIT / Ausbildung

In diesem Themenbereich werden neueste Entwicklungen von CSCL-Systemen behandelt

Mein Thema, weil ich schon eine CSCL-Umgebung entwickelt habe.

X

Stichwort

Material M1

Annotation A1M1 annotieren mit A2

Material M1Annotation A1

Annotation A2

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270 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

8.1.4 Unterstützung des Aushandlungsprozesses

Integrierte Umgebungen zur Unterstützung kollaborativer Prozesse solltenauch einen Aushandlungsschritt berücksichtigen. Dabei sollte statt desKonzeptes einer geheimen Wahl eher das Überzeugen anderer durch Aus-wahl eines Votums und seine Begründung verwendet werden. Dement-sprechend ist sowohl eine Begründung eines Votums während desAushandlungsprozesses als auch eine einmalige Änderung eines Votumsvorzusehen. Durch die Änderung eines Votums zeigt ein Beteiligter, durchBegründungen der Voten anderer überzeugt, seine Meinungsänderung.

Zudem wurde deutlich, dass bei einer Urhebergruppe mit mehr als einerPerson sowohl eine Publikationsaushandlung zur Erweiterung des Emp-fängerkreises als auch eine Änderungsaushandlung bei inhaltlicher Ände-rung und insbesondere auch bei Löschoperationen zu berücksichtigen ist.

Bezogen auf die Darstellung von Aushandlungen ist eine Übersicht überlaufende Aushandlungen vorzusehen, zu denen auch ein Status der Aus-handlung und bereits abgegebene Voten dargestellt werden. Es solltekeine Aushandlung initiiert werden, wenn an einem Item bereits eine Aus-handlung läuft, da dies zu Missverständnissen bei dem Beteiligten führenkann. Im Sinne einer Unterscheidbarkeit zwischen Material und Kommuni-kation (vgl. folgenden Abschnitt) kann es hilfreich sein, nur Materialien zurAushandlung zu stellen. Diese entsprächen einem Antrag zur Abstimmungin herkömmlichen Besprechungssituationen, bei denen mehrere Personenin einem Raum zusammenkommen.

An Hand eines beispielhaften Ablaufes soll die Unterstützung des Aus-handlungsschrittes verdeutlicht werden. Aushandlungen können sowohl zueigenen als auch zu fremden Items angelegt werden. Dazu wird der Menü-punkt „Rechte“ ausgewählt. Es öffnet sich ein Fenster, in dem ein Infofeldund ein Endedatum sowie eine Liste von Nutzern angegeben werden.Anders als in KOLUMBUS sollen hier auch Gruppen ausgewählt werdenkönnen. Es werden alle Beteiligten über eine E-Mail zu dieser Aushandlungeingeladen. Der Initiator soll dabei entscheiden können, ob er selbst eineE-Mailbenachrichtigung erhalten möchte (z.B. als Bestätigung, dass dasInitiieren der Aushandlung erfolgreich war) oder nicht. Nach Anlegen einerAushandlung wird einerseits ein Aushandlungs-Item im Baum abgelegt.Anderseits wird bei den Beteiligten der Aushandlung in deren Aushand-lungs-Liste ein Eintrag vorgenommen. In dieser Umgebung sollen nurMaterialien ausgehandelt werden können. Dazu werden die Nutzer beim

beispielhafter Ablauf einer Aushandlung

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 271

Übergang von Annotationen zu Material-Items unterstützt, indem hinterden Menüpunkt „Neu“ ein Unterpunkt „Neu aus bestehenden Inhalten“angeboten wird. Hier öffnet sich ein Fenster, auf das per Drag-and-Dropbeispielsweise eine Annotationen aus dem Baum gezogen werden kann.Dadurch wird der Inhalt der Annotation in dieses Fenster kopiert und kanndort editiert werden. Beim Abspeichern wird zu dem Material-Item auch einLink zur ursprünglichen Annotation abgelegt, um Transparenz über die Ent-wicklung dieses Vorschlages zu schaffen.

8.2 Organisation des Diskussions- und Aushand-lungsprozessesNeben den in Abschnitt 8.1 vorgestellten technischen Gestaltungsempfeh-lungen für integrierte Umgebungen können auch auf der organisatorischenSeite Vorschläge unterbreitet werden, die die Vorbereitung und Begleitungdes Diskussions- und Aushandlungsprozesses mittels einer integriertenUmgebung betreffen. Diese stellen eine Detaillierung der organisatorischenAnforderungen aus Kapitel 5 dar.

So hat die KOLUMBUS-Evaluation die Notwendigkeit zu einer Rollegezeigt, die sich für die Vorbereitung und Leitung des Diskussions- undAushandlungsprozesses verantwortlich sieht. Diese kann in Seminarsitua-tionen beispielsweise vom Lehrenden, einige Aktivitäten aber auch vonLernenden, übernommen werden. Die Rolle kann während des kollaborati-ven Prozesses auch von verschiedenen Personen übernommen werden(im Modell in Abbildung 48 durch „Rollenübernahme“ gekennzeichnet). Insolchen Situationen ist dann zu koordinieren, wer aktuell die Rolle desModerators einnimmt. In dem Rahmen dieser Rolle sind bestimmte Aktivi-täten zu übernehmen. Diese Rolle soll hier die Bezeichnung „Moderator“tragen, da eine wesentliche Aufgabe dieser ausgezeichneten Rolle in derSteuerung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses der Lernendenist.

Abbildung 48 gibt einen Überblick über diese Aktivitäten eines solchenModerators in computervermittelten Kommunikationssituationen. Dazuwurde das Modell zur computervermittelter Kommunikation bei Einsatzeiner integrierten KL/WM-Umgebung aus Kapitel 2.4.2 herangezogen (vgl.Abbilsung 20) und um die notwendigen Aktivitäten des Moderators sowieeine detaillierte Beschreibung des benötigten (Meta-)Wissens erweitert.

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272 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Abbildung 48. Moderation bei computervermittelter Kommunikation

Diese Erweiterung stellt sich vor allem in der oberen Hälfte der Abbildung48 dar. Der Übersichtlichkeit halber wurde hier auf die Darstellung der inAbbildung 20 detailliert beschriebenen Aktivitäten der Lernenden im kolla-borativen Prozess verzichtet. Statt dessen wurde als Zeichen der detaillier-ten Beschreibung an anderer Stelle schwarze Halbkreise eingefügt.

Das Modell hier stellt gleichzeitig eine Detaillierung des in Kapitel 2.2.7 vor-gestellten Modells der Aktivitäten ausgezeichneter Rollen in kollaborativenLernprozessen dar. Hier soll überblicksartig auf die Aktivitäten und das

Online-Dialog

aufnehmendes Handelnmitteilendes Handeln

innerer Kontext

Umwelt

äußerer Kontext

direkt vonA wahr-

nehmbar

direkt vonB wahr-nehmbar

direkt gemeinsam wahrnehmbar:Dokumente im System (abhängig von den

Rechten!)

extra-kommunikativesVerhalten

Ausdruck

Online vermitteln

Integrierte Umgebung

ergänzender Beitrag

organisatorischer B

inhaltlicher B

wahrnehmen wahrnehmen

innerer Kontext

Ablage

3

4

6

extra-kommunikativesVerhalten

begleiten

innerer Kontext von M

Partnerbild Meta-Wissen

mitteilendes Handeln

steuern

vermitteln

Aufgabe bereitstellenextra-kommunikatives Verhalten

Arbeitsbereiche bereitstellen

Aktivitäten anderer beobachten

Inhaltliches Wissen

Mitteilender

Rollen-Übernahme

Moderator

1...nTeilnehmer einerLernsituation

1...n

Rezipient

Verbindung zu Kontext-informationen ermöglichen

1 2

5

wahrnehmen

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 273

benötigte Wissen des Moderators eingegangen werden, bevor dieseanschließend detaillierter dargestellt werden. Die detailliertere Darstellungan anderer Stelle wird in Abbildung 48 durch die schwarzen Halbkreiseangekündigt.

In computervermittelten Kommunikationssituationen übernimmt ein Mode-rator Aktivitäten des mitteilenden Handelns und des extra-kommunikativenVerhaltens. Aktivitäten des mitteilenden Handelns sind hier die Bereitstel-lung einer Aufgabe, die Steuerung des Diskussions- und Aushandlungspro-zesses sowie der Vermittlung von Inhalten (1). Zudem fallen demModerator als extra-kommunikatives Verhalten die Aufgaben zu, Arbeitsbe-reiche bereitzustellen und Aktivitäten anderer zu beobachten, um daraufaufbauend seine geforderten Aktivitäten besser ausführen zu können (2).Diese Beobachtungsaktivität kann sich sowohl auf kommunikatives Han-deln (z.B. Einstellen von Annotationen) oder extra-kommunikatives Verhal-ten (z.B. Einstellen von Materialien) beziehen. Zur Durchführung seinerAktivitäten nutzt der Moderator Teile der integrierten Umgebung, die eronline vermittelt wahrnehmen kann (3). So zieht er beispielsweise vorange-gangene Ausdrücke der Lernenden heran, um darauf aufbauend Diskussi-onsstränge weiterzuentwickeln, zusammenzufassen oder neueDiskussionen zu eröffnen. Sein extra-kommunikatives Verhalten hat wie-derum Auswirkungen auf die Ablage der integrierten Umgebung (4).

Vor diesem Hintergrund entsteht im inneren Kontext genau wie auch beiden anderen Nutzern ein Partnerbild. Mit anderen Nutzern gleich ist auchdas benötigte inhaltliche Wissen, um sich an der Kommunikation beteiligenzu können. Die Durchführung der Aktivitäten eines Moderators setzt aberauch Wissen voraus, das über das Wissen anderer Nutzer hinausgeht (5).Insbesondere muss ein Moderator über Meta-Wissen verfügen, also jenesWissen, das Diskussions- und Aushandlungsprozesse beschreibt. Dieskann beispielsweise Wissen über die Abläufe des Diskussions- und Aus-handlungsprozesses oder über die damit verbundenen Aktivitäten sein.Zudem muss er in computervermittelter Situation auch über Wissen verfü-gen, welche Systemfunktionalitäten zur Unterstützung welcher Aktivitäteingesetzt werden können.

Aus den kommunikativen Aktivitäten des Moderators resultiert ein unter-stützender Beitrag (6), der ein organisatorischer oder inhaltlicher Ausdrucksein kann. Dieser unterstützende Beitrag wird, ebenso wie die Ausdrückeder Lernenden, online vermittelt und in der integrierten Umgebung abge-

Aktivitäten im Überblick

benötigtes Wis-sen im Überblick

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274 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

legt. Im Folgenden wird detaillierter auf die Aktivitäten des Moderators unddas benötigte (Meta-) Wissen eingegangen.

8.2.1 Aktivitäten eines Moderators

Abbildung 49 gibt einen detaillierten Überblick über die Aktivitäten einesModerators. Sie stellt eine systematische und weitestgehend umfassendeBetrachtung aller Aktivitäten eines Moderators dar, so wie sie teilweise ausder Literatur bekannt sind oder sich in den durchgeführten Studien zeigten.Eine Besonderheit dieser Zusammenstellung liegt darin, dass sie sich aufdie Begleitung des gesamten kollaborativen Prozess bezieht.

Da mit dieser Arbeit im Speziellen der Systemtyp zur Unterstützunggemeinsamen, problemorientierten Lernens angesprochen wird, fällt einemModerator hier ggf. auch die Vorbereitung in Form der Konzeption einerAufgabenstellung und das Einstellen dieser Aufgabe zu. Die Aufgabe ent-fällt nur in den Einsatzsituationen, in denen die Nutzer mit (realen) Aufga-ben konfrontiert sind, die sie in die kollaborative Lernsituation einbringen.Dies ist etwa in Wissensmanagementanwendungen der Fall. Generell gilt,dass alle Phasen des kollaborativen Lernprozesses durch Teile der Aufga-benstellungen angesprochen werden müssen. Dazu sind Aufgaben zu kon-zipieren, die sich in Teilaufgaben untergliedern lassen (individuellesLernen), deren Ergebnisse dann aber zu einem gemeinsamen Ergebnisund einem gemeinsamen Ziel führen (gemeinsames Lernen und Kollabora-tion). Konkreter werden folgende Bestandteile für eine Aufgabenstellungzur Unterstützung der Phasen des kollaborativen Lernprozesses empfoh-len:

• Lernen am eigenen Material: Recherche muss notwendig sein, dieauch eine individuelle Aufbereitung des Lerngegenstandes erfordert

• Lernen am Material anderer: Überschneidungen und gleichzeitigergänzende Recherche erfordernde Teilaufgaben für einzelne Ler-nende. Dadurch wird das Inspizieren der Bereiche anderer ange-regt. Wegen der Überschneidung werden Materialien andererrezipiert, um ggf. Doppelarbeit zu sparen. Hier entsteht ein echterNutzen für die Lernenden. Gleichzeitig motivieren die abgelegtenErgebnisse der Recherchen zu unterschiedlichen Teilgebieten zugegenseitigen Rezeption des Lernpartners, da dort u.U. für dieeigene Arbeit zusätzliche Informationen gefunden werden können.

• Kollaboration: Diskussion als Teil der Aufgabenstellung formulie-ren. Zudem sollten über die Teilaufgaben hinweg ein gemeinsames

Aufgabe konzi-pieren und ein-stellen

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 275

Ergebnis der Lernenden gefordert werden, die eine Einigung auf eingemeinsames Ergebnis erfordern.

Abbildung 49. Aufgaben eines Moderators

Die Hauptaufgabe eines Moderators während Diskussion und Aushand-lung ist die Steuerung des Prozesses. Der Ablauf dieses Prozesses kanndabei implizit (d.h. „nur in dem Kopf des Moderators“) oder explizit (z.B. alsProzessmodell in der integrierten Umgebung abgelegt) sein. Hier wirddafür plädiert, dass der Ablauf explizit zur Verfügung steht. Dies hat einer-seits den Vorteil, dass der Moderator den Lernenden an Hand des expli-zierten Modells die Abläufe, notwendigen Aktivitäten und Anwendungengeeigneter Systemfunktionalitäten vermitteln kann. Lernende könnenanderseits dieses Modell jederzeit zum Nachvollzug des Prozesses heran-ziehen. Zum einen ist hier der Moderator gefragt, auf Grund bestehenderKommunikationsausdrücke der Beteiligten Zusammenfassungen einzu-bringen und dadurch den Prozess weiterzuführen. Dieser zusammenfas-sende Ausdruck sollte so in der integrierten Umgebung abgelegt sein, dasseine Verbindung zu den Beiträgen der Beteiligten ersichtlich ist und die Ler-

begleiten

innerer Kontext von M

Partnerbild Meta-Wissen

mitteilendes Handeln

steuern

Überleiten zum folgenden Prozessschritt

vermitteln

Beiträge zusammenfassen

nächste Aktionen vorschlagen

Verantwortlichkeiten vergeben

Meta-Wissen

Systemfunktionalitäten

Aufgabe bereitstellen

Aufgabenstellung einstellen

Aufgabenstellung konzipieren

extra-kommunikatives Verhalten

Arbeitsbereiche vorbereiten

Aktivitäten anderer beobachten

Einhaltung vonKommunikationsregeln prüfen

Inhaltsstruktur gestalten

Inhaltsstruktur anpassen

Rechte setzen

steuern

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276 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

nenden beim Nachvollzug dieses Beitrages unterstützt werden. Dadurchkann das Herausbilden eines gemeinsamen Verständnisses unterstütztwerden. Das zuvor skizzierte Umsetzungsbeispiel zur Erstellung von Kom-munikationsbeiträgen in Form von Annotationen würde den Moderator hierunterstützen, indem ihm eine Verlinkungsmöglichkeit per Drag-and-Dropangeboten wird.

Während der Steuerung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses istder Moderator zudem aufgefordert, zu einem nachfolgenden Prozessschrittüberzuleiten. Dazu wird er in der Regel einen organisatorischen Beitrag miteinem entsprechenden Hinweis in der integrierten Umgebung ablegen.Dieser Ausdruck ist so zu gestalten und in der integrierten Umgebungabzulegen, dass er von den anderen Beteiligten auf einfache Art undWeise wahrgenommen werden kann, damit alle Beteiligten der Gruppe die-sen Übergang zum nächsten Schritt wahrnehmen. Hat der Moderator auchdie Inhaltsstruktur nach der Empfehlung angelegt, so existieren passendeBereiche für die unterschiedlichen Prozessschritte. Dann bedeutet eineÜberleitung zum nächsten Prozessschritt die Aufmerksamkeit der Beteilig-ten auf einen anderen Bereich der Inhaltsstruktur zu lenken.

Eine Weiterführung des Prozesses soll auf den Aushandlungsschrittzusteuern. Aus face-to-face Sitzungen ist bekannt, dass der letzte Schrittvor der eigentlichen Aushandlung die Formulierung von Anträgen ist. ImKOLUMBUS-Aushandlungsexperiment wurde demgegenüber meist aufdiesen Schritt verzichtet und statt dessen Kommunikationsbeiträge ausge-handelt. An dieser Stelle verschwimmt die Trennung zwischen Kommuni-kationsbeiträgen und Material. Der folgende Abschnitt wird zeigen, dass esauch bei der Möglichkeit zur Integration Gründe für eine Trennung gibt.Deshalb sollte ein Moderator an dieser Stelle insbesondere darauf achten,dass nur Anträge und nicht Kommunikationsbeiträge zur Aushandlunggestellt werden. Auch hier wurden in der konkreten Umsetzung Vorschlägegemacht, die vorsehen, neue Materialien auf Basis bestehender Kommuni-kationsbeiträge anlegen zu können.

Insbesondere wenn der Prozess ins Stocken gerät, hat der Moderator imRahmen seiner Steuerungstätigkeit die Aufgabe nächste Aktionen vorzu-schlagen. Solche Aktionen können beispielsweise der Vorschlag für eineAushandlung oder das Einbringen weiterer Beiträge zu einem bestimmtenThema sein. Diese Aktivität kann dadurch unterstützt werden, dass derModerator gezielt Verantwortlichkeiten an einzelne Personen vergibt, die

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 277

sich z.B. auf das Einstellen von Materialien oder die Übernahme einer Aus-handlungsinitiierung beziehen können. Scheitert eine Aushandlung, so hatder Moderator hier die Aufgabe, erneut zum Diskussionsprozess überzulei-ten und zunächst, ggf. mit den Teilnehmern, eine Bestandsaufnahme bzgl.des aktuellen Diskussionsstandes vorzunehmen.

Bezüglich des extra-kommunikativen Verhaltens wird hier zunächst emp-fohlen, dass die ausgezeichnete Rolle Moderator die Gestaltung derArbeitsbereiche übernimmt. Diese Gestaltung beinhaltet Vorbereitung undggf. Anpassung der Inhaltsstruktur sowie die Vergabe von Rechten zurinitialen Gruppenbildung. Die Notwendigkeit zur Gestaltung einer Inhalts-struktur liegt vor allem darin begründet, dass sich in beiden Evaluationenvon KOLUMBUS zeigte, dass eine vordefinierte Inhaltsstruktur den Nut-zern bei der Ablage von Materialien und auch bei der Orientierung in denInhalten geholfen hätte. Zu wenig Vorgaben führten zu sehr unterschiedli-chen Teilbereichen in dem Seminar und zu unkontrolliert wachsendenBereichen während des Aushandlungsexperimentes.

Es wird vorgeschlagen, beim Anlegen eines Veranstaltungsbereiches eineStruktur vorzubereiten, die für die unterschiedlichen Phasen des zu unter-stützenden Prozesses Teilbereiche berücksichtigt. So hätten beispiels-weise zu jedem Themenbereich im Seminar pro Thema Unterbereiche fürGliederung, Kurzbeschreibung, Folien etc. angelegt werden können. ImAushandlungsexperiment hätten dies Bereiche zu Vorschlägen einzelner,zu Aushandlungsobjekten und zu Ergebnissen sein können. Hier bestehteine enge Verbindung zu den technischen Gestaltungsempfehlungen, diefür diese Aktivität entsprechend eine technische Unterstützung vorsehen.

Eng mit der Steuerung des Prozesses hängt die Aktivität der Beobachtunganderer zusammen. Diese Aktivität stellte sich auch für die Lernenden inkollaborativen Lernsituationen als wichtig heraus und ist deshalb Bestand-teil des kollaborativen Lernprozesses (als Aktivitäten in den Phasen „amMaterial der Lernpartner arbeiten“ und „Kollaborieren“). Der Moderatorsollte jedoch zusätzlich dazu, welche Aktivitäten die Teilnehmer durchfüh-ren, auch beobachten, wie sie Kommunikationsbeiträge formulieren undwo diese abgelegt werden. Auf Grundlage seines Meta-Wissens (vgl. fol-genden Abschnitt) sollte ein Moderator hier in der Lage sein, Verbesse-rungsvorschläge unterbreiten zu können. Dabei können dieseVerbesserungsvorschläge an die ganze Gruppe vermittelt werden. Je mehrdie Nutzer selbst über solches Meta-Wissen verfügen, desto besser wird

Inhaltsstruktur anlegen

Aktivitäten ande-rer beobachten und Nutzungs-strategien ver-mitteln

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278 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

die Kommunikation unter den Teilnehmenden, da dadurch ein gemeinsa-mes Verständnis bzgl. der Kommunikationsregeln entsteht. Dies ist eben-falls ein Ergebnis der Studie zum betrieblichen Wissensmanagement, dieteilweise in Kapitel 4 dieser Arbeit vorgestellt wurde. Die Ergebnisse zumMeta-Wissen werden in naher Zukunft an anderer Stelle publiziert [Herr-mann et al. (2003)]. Das zu vermittelnde Meta-Wissen bezieht sich vorallem auf Aktivitäten, die zur Beteiligung an Diskussions- und Aushand-lungsprozessen notwendig sind, z.B. die Gestaltung von Kommunikations-beiträgen oder ihre Ablage an passenden Positionen der Inhaltsstruktur.Während des Aushandlungsexperimentes beispielsweise hätte dies eineVermittlung einer Vorgabe der Formulierung von Beiträgen mit Namen desAutors und einem Stichwort, das den Inhalt des Beitrags zusammenfasst,sein können. Anderes Meta-Wissen, das an die Nutzer weitergegeben wer-den könnte, ist das Wissen um das chronologische Einstellen von Kommu-nikationsbeiträgen, das den Nachvollzug von Diskussionssträngenerleichtert. Solche Kommunikationsregeln können explizit sein und ggf. mitdem zuvor genannten Modell zum Ablauf des Diskussions- und Aushand-lungsprozesses kombiniert werden.

Die im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten technischen Möglichkei-ten, wie beispielsweise die Ablage von unterstützenden Inhalten in denunterschiedlichen Bereichen oder über einen Newsticker, können dieseAktivität unterstützen. Zu dem Meta-Wissen des Moderators gehört auchdas Wissen darüber, in welchen Situationen welche Systemfunktionalitätverwendet wird. Besonders in integrierten Umgebungen stellt sich hier dieFrage, wie sich Kommunikationsbeiträge und Materialien unterscheidenlassen. Dies wird neben der detaillierten Beschreibung des (Meta-)WissensGegenstand des folgenden Abschnittes sein.

8.2.2 Benötigtes (Meta-) Wissen eines Moderators

Die gerade beschriebenen Aktivitäten setzen Meta-Wissen bei dem Mode-rator voraus. Verschiedene Ausprägungen dieses Meta-Wissens werden inAbbildung 50 dargestellt. So benötigt der Moderator eines computervermit-telten Kommunikationsprozesses, ähnlich wie ein Moderator jeder face-to-face-Situationen auch, zunächst Wissen darüber, welche Aktivitäten in wel-cher Reihenfolge für den konkreten Diskussions- und Aushandlungspro-zess notwendig sind. Dieses Meta-Wissen, das sich auf das Wissen umden kollaborativen Prozess bezieht, wird hier Prozesswissen genannt. Dies

Prozesswissen

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 279

umfasst auch das Wissen um die Konzeption einer Aufgabenstellung, dieals erster Schritt des computervermittelten, gemeinsamen und problemori-entierten Lernens verstanden wird. Wenn, wie hier vorgeschlagen, derModerator ein explizites Modell in der integrierten Umgebung bereitstellt,so wird dieses Wissen teilweise expliziert und steht den Teilnehmern zumNachvollzug zur Verfügung.

Abbildung 50. Benötigtes (Meta-) Wissen eines Moderators

Zusätzlich zu dem Prozesswissen ist Wissen über Kommunikationsregelnnotwendig. Diese umfassen sowohl Wissen über Formulierung von Beiträ-gen als auch über die Aktivitäten, die die Steuerung des Prozesses betref-fen. Bei der Formulierung von Beiträgen sollte dem Moderator nach denErgebnissen der KOLUMBUS-Fallstudien bewußt sein, dass Autor undErstellungsdatum sowie ein Stichwort am Anfang der Beiträge sichtbar seinsollten. Zur Steuerung des Prozesses muss der Moderator nicht nur wis-sen, dass und wie er zusammenfassen oder überleiten muss, sondernauch, wie und wann er entsprechende inhaltliche oder organisatorischeAusdrücke konzipiert.

In computervermittelten Situationen hängt dies eng mit dem Wissen dar-über zusammen, welche Funktionalitäten das technische System zur Ver-

innerer Kontext von M

Meta-Wissen

Prozesswissen

notwendige Aktivitäten

Reihenfolge der Aktivitäten

ZusammenhangSystemfunktionalitäten und

Aktivitäten

Wissen zu Kommunikationsregeln

Formulierung von Beiträgen

Steuerung

Überleiten

Zusammenfassen

Zuordnung von Zuständigkeiten

Aufbau einerInhaltsstruktur

Unterschied Material und Annotation

Inhaltliches Wissen Partnerbild

Verbindung org. Beitrag undkorrespondierenden Beiträgen

Name, Datum, Stichwort sichtbar

Aushandlungen nur am Material

Aufgabenstellung

Wissen zu Kom-munikationsre-geln

Wissen zu Nut-zung der Systemfunktio-nalitäten

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280 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

fügung stellt und in welchen Situationen diese genutzt werden. Dies istabhängig von dem konkret eingesetzten technischen System. Eine Auffor-derung, Beiträge mit Namen des Autors, Datum und einem Stichwort, dasden Inhalt des Beitrags zusammenfasst, zu formulieren, bezieht sich aufdie konkrete Anwendung KOLUMBUS. In anderen Systemen, die bei-spielsweise automatisch dem Beitrag einen Namen voranstellen, wäre einesolche Regel wenig sinnvoll. Von den technischen Möglichkeiten hängt esalso ab, wie Beiträge zu formulieren sind.

Bezüglich der Ablage von Kommunikationsbeiträgen ist es wünschenswert,ergänzende Ausdrücke in der integrierten Umgebung so abzulegen, dasseine Verbindung zu vorangegangenen Beiträgen ersichtlich ist. Um zu ent-scheiden, an welchen Stellen in der Inhaltsstruktur Beiträge abgelegt wer-den, ist Wissen über die Inhaltsstruktur selbst notwendig. Meta-Wissenbzgl. des Aufbaus der Inhaltsstruktur ist insbesondere dann notwendig,wenn die integrierte Umgebung keine Unterstützung bei der Erstellung die-ser Struktur anbietet. So sollte ein Moderator beispielsweise wissen, dassTeilbereiche (z.B. in Form von Ordnern) für die unterschiedlichen Phasendes jeweils zu unterstützenden Prozesses sinnvoll sind und welche Vorein-stellungen der Empfängergruppe für die verschiedenen Teilbereiche emp-fohlen werden kann.

Durch den Einsatz einer integrierten Umgebung wird die Möglichkeitgeschaffen, sowohl Kommunikationsbeiträge in Form von Annotationen alsauch Materialien in einem System abzulegen. In beiden Evaluationen vonKOLUMBUS waren die Probanden in der Lage anzugeben, in welchenSituationen die Funktionalität „Materialien einstellen“ und in welcher „anno-tieren“ ausgewählt wird. Dabei wurde insbesondere auch der kommunika-tive Charakter von Annotationen erkannt.

Hier sollen dennoch im Sinne einer theoretischen Unterscheidbarkeiteinige Merkmale aufgezeigt werden. Eine solche Unterscheidung kannauch hilfreich sein, um Moderatoren Meta-Wissen darüber vermitteln zukönnen, in welchen Situationen welche Funktionalität verwendet wird. Diesbegründet auch, warum Materialien und nicht Annotationen Aushandlungs-gegenstand sein sollten. Aus diesem Grunde werden hier einige Unter-scheidungsmerkmale genannt, die den jeweiligen Zweck, die Bezugnahmezu schon vorhandenen Inhalten, Empfänger, Formulierung und ihrenBezug zum Ergebnis des kollaborativen Prozesses betreffen. Sie werdenin Tabelle 34 zusammengefasst.

Unterscheidung von Material und Kommunikati-onsbeiträgen

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Organisation des Diskussions- und Aushandlungsprozesses 281

Tabelle 34. Unterscheidung von Material und Annotationen

Materialien beziehen sich dabei vor allem auf die Erarbeitung von Inhalten,die als ein Bestandteil eines gemeinsamen Ergebnisses über einen länge-ren Zeitraum Bestand haben und die sich nicht immer auf einen bestimm-ten Empfängerkreis beziehen. Kommunikationsbeiträge hingegenbeziehen sich eher auf einen bestimmten Adressatenkreis, sind aber imVergleich zu Materialien von kürzerer Bedeutung und bereiten lediglichmeist ein gemeinsames Ergebnis vor.

In dem KOLUMBUS-Experiment wurden während des Aushandlungsschrit-tes Diskussionsbeiträge behandelt. Dies unterscheidet sich von face-to-face-Situationen, in denen Anträge zur Abstimmung gebracht werden. Andieser Stelle verschwimmt die Trennung zwischen Kommunikationsbeiträ-gen und Material. Soll das ausgehandelte Ergebnis anschließend als Mate-rial weiterverwendet werden, so ist es sinnvoll, schon das Item, das zurAushandlung gestellt wird, als Material (im Sinne eines Antrages) zu formu-lieren und als solches in der integrierten Umgebung abzulegen. SolcheAnträge unterscheiden sich von Annotationen auch durch die vergleichs-weise neutrale Formulierung von Materialien. Hier ist der Moderator aufge-fordert, auf Grund seines Meta-Wissens über den Unterschied zwischen

Merkmal Material AnnotationenZweck Erarbeitung von Inhalten inhaltlich: Kommentierung,

Kommunikationorganisatorisch: Organisation des kollaborativen Prozesses

Bezug kein zwingender Bezug zu bestehenden Inhalten

inhaltlich: Bezug zu bestehenden Inhaltenorganisatorisch: kein Bezug

Empfänger nicht immer an einen bestimmten Empfängerkreis gerichtet

an einen bestimmten Empfängerkreis gerichtet

Formulierung neutral, sachlichnicht immer mit dem Ziel, Verständigung bei anderen zu erzielen

an einen Empfänger gerichtet, häufig umgangssprachlichum Verständlichkeit bemüht

Dauer längerer Zeitraum inhaltlich: Inhalte bei Übernahme in das Material von längerer Dauerorganisatorisch: meist nur kurze Dauer (Arbeitsanweisung)

Bezug zum Ergebnisses

Teil des Ergebnisses bereitet ein gemeinsames Ergebnis vor

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282 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Material und Annotationen darauf zu achten, dass beispielsweise Anträgein Form von Materialien formuliert und zur Aushandlung gestellt werden.

8.3 ZusammenfassungIn diesem Kapitel wurden Gestaltungsempfehlungen für eine integrierteUmgebung zusammengefasst und an einigen Stellen durch beispielhafteUmsetzung verdeutlicht. Es wurde weiter die Integration von Materialab-lage und Kommunikationsunterstützung vorgeschlagen, die an einigenStellen einen differenzierten Umgang mit Material und Kommunikationsbei-trägen beinhaltet.

Zur Unterstützung eines computervermittelten Diskussions- und Aushand-lungsprozesses wurde auf organisatorischer Seite schließlich auch dieRolle eines Moderators vorgeschlagen. Seine besonderen Tätigkeiten unddas dafür benötigte (Meta-)Wissen wurden in einer Erweiterung desOnline-Kommunikationsmodells vorgestellt.

Während der Beschreibung wurde auch das Wechselspiel zwischen tech-nischem System und der Rolle des Moderators deutlich. So kann beispiels-weise der Moderator bei dem Aufbau einer Inhaltsstruktur durch dasSystem unterstützt werden. Ist das technische System so gestaltet wie inAbschnitt 8.1 vorgeschlagen, so berücksichtigt es auch eine Menge anAnforderungen an die Gestaltung von Beiträgen (z.B. Autor, Datum, Stich-wort, Reihenfolge), die der Moderator nicht mehr überprüfen muss. Es wirdaber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht alle Aktivitäten desModerators auf das technische System übertragen werden können, son-dern dass das System nur unterstützend wirken kann. So sind beispiels-weise die Zusammenfassung von Beiträgen oder das Übertragen vonZuständigkeiten Aufgaben, die von einem menschlichen Moderator zuübernehmen sind.

Die Befunde dieser Arbeit, die sich in den Gestaltungsempfehlungen nie-derschlugen, haben auch Auswirkungen auf den Prozess des computer-vermittelten, kollaborativen Lernens, die hier abschließend erläutertwerden sollen (vgl. Abbildung 51). Dabei wird an dem generellen Aufbaumit den verschiedenen Phasen des kollaborativen Lernprozesses beibe-halten. Auch wird, wie beschrieben, die Integration von Material und Kom-munikation in einer Umgebung empfohlen. Ebenso wie im ursprünglichenModell wird hier deutlich gemacht, dass die ausgezeichnete Rolle, die die

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Zusammenfassung 283

Vorbereitungsaktivitäten übernimmt, auch begleitende Aktivitäten durch-führen sollte (1). In der Weiterführung der Betrachtung im ursprünglichenModell stellt Abschnitt 8.2.1 einen systematischen und detaillierten Über-blick über die Aktivitäten zusammen, die die Begleitung des gesamten kol-laborativen Prozesses betreffen. Dieser Detaillierungsgrad erlaubt inweiteren Forschungsarbeiten die Konzeption und Erprobung technischerSystemfunktionalitäten zur direkten Unterstützung der einzelnen Aktivitätendes Moderators.

Zudem wird in dem Modell darauf hingewiesen, dass die Rolle, die hierModerator genannt wird, auch Teil der Lerngruppe sein kann (2), d.h. dieRolle des Moderators auch von einer Person übernommen werden kann,die gleichzeitig Lernender ist. Unter welchen Bedingungen dies der Fall ist,kann an dieser Stelle nicht weiter differenziert werden und bedarf weitererForschung.

Auch bezüglich der Aktivitäten innerhalb der ursprünglichen Phasen lassensich auf Grundlage der Ergebnisse dieser Arbeit Modifikationen nennen.So ist in der Phase des Lernens und Arbeitens am eigenen Material eineAktivität „Material exportieren“ vorzusehen (3), die dann auch Konsequen-zen auf die Gestaltung des technischen Systems hatte (vgl. Abschnitt 8.1).In engem Zusammenhang damit steht die Markierung der Aktivität „Mate-rial editieren“ mit einem Fragezeichen. In den Evaluationen dieser Arbeitwurde das Editieren nur sehr selten durchgeführt. Da als Grund aber diefehlende Exportmöglichkeit genannt wurde, soll diese Aktivität zunächstbeibehalten bleiben. Ähnliches gilt für die Aktivitäten „Filtern“ und „Bewer-ten“ während der Aktivität des Lernens am Material der Lernpartner (4).Hier wurden in erster Linie technische Mängel in dem Prototypen KOLUM-BUS als Gründe genannt, was die Empfehlung einer zentraleren Anord-nung dieser Funktionen nach sich zog.

Schließlich konnten auch für den Schritt der Aushandlung Modifikationengefunden werden (5). So wurden hier, im Gegensatz zum ursprünglichenModell in Kapitel 2 alle Aktivitäten der Aushandlung als mitteilendes Han-deln gekennzeichnet, da mit der Umsetzung einer offenen Wahl das Votumein Ausdruck beispielsweise von Zustimmung oder Ablehnung sein kann.Zusätzlich wird hier deutlich gemacht, dass ein Votum ggf. auch kommen-tiert werden können sollte.

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284 Gestaltungsempfehlungen für integrierte Umgebungen

Abbildung 51. Modifikation des Prozesses computervermittelten, kollaborativen Lernens

Schließlich soll mit den Sub-Aktivitäten zur Aktivität „Anmerkungen anfü-gen“ die Notwendigkeit zur Unterscheidung organisatorischer und inhaltli-cher Kommunikationsbeiträge deutlich gemacht werden (6). DieseTrennung gilt auch für die anderen kommunikativen Aktivitäten dieserPhase (wie z.B. fragen, antworten, diskutieren). Der Übersichtlichkeit hal-ber wurde an dieser Stelle auf die vollständige Darstellung dieser Ausdiffe-renzierung verzichtet und statt dessen Halbkreise in das Modell eingefügt.

Integrierte KL/WM-Umgebung

Lerngruppe

kollaborieren

auf Beiträge anderer achten

weitere Informationsquellen

Moderator

vorbereiten

am Material lernen und arbeitenKb: extra-kommunikatives Verhalten

am eigenen Materialarbeiten und lernen mit Material der Lernpartner

arbeiten und lernen

Material editieren (?)

verknüpfen

suchen filtern ?

kopieren

bewerten ?

Lernender

Anmerkungen anfügen

Material einstellen

weitere Empfänger zulassen

auf Beiträge anderer achten

Anmerkungen anfügen(für den eigenen Bedarf)

Wissen erarbeiten

Wissen weiterentwickeln

kopieren

navigieren

suchen

Anmerkungen für andere anfügenKommunikationsbezug: mitteilendes Handeln

fragenKb: mH

antwortenKb: mH

diskutierenKb: Dialog

aushandelnKb: mH

Untergruppen bilden

votierenFehlendeZustimmung

vorschlagen

navigieren

Wissen explizieren

Arbeitsbereichebereitstellen

Kb: ekV

Inhalteeinstellen

Gruppeneinteilen

Inhalts-struktur

vorbereiten

1

2

4

5

Aufgabebereitstellen

Kb: mH

Aufgabekonzipieren

Aufgabeeinstellen

Material exportieren

begleiten

steuernKb: mH

vermittelnKb: mH

kommentieren

3

organisatorische Anm anf inhaltliche Anm anf

6

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Kapitel 9. Zusammenfassung und Aus-blick

In diesem Kapitel sollen die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit zusam-mengefasst werden (Abschnitt 9.1), bevor der Innovationsgehalt dieserArbeit vorgestellt und in Zusammenhang mit vergleichbaren Forschungs-arbeiten gestellt wird (Abschnitt 9.2). Abschließend wird weiterer For-schungsbedarf aufgezeigt (Abschnitt 9.3).

9.1 Zentrale Ergebnisse der ArbeitIn der vorliegenden Arbeit wurde die Konzeption eines sozio-technischenSystemtyps zum computervermittelten, problemorientierten, kollaborati-ven Lernen erarbeitet, der die Stärken von Wissensmanagement undkollaborativem Lernen verbindet. Diese Konzeption stellt einen erstenSchritt auf dem Weg zur Lösung des sehr komplexen Problems der Inte-gration von bestehenden Ansätzen des computervermittelten Lernens inInstitutionen und Unternehmen dar. Der hier vorgeschlagene Systemtypzeichnet sich durch Charakteristika eines technischen Systems, der inte-grierten Umgebung, und die Ausgestaltung einer ausgezeichneten Rollezur Strukturierung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses aus.Zur Beschreibung dieser Rolle wurden ihre Aktivitäten und ihr benötigtes(Meta-)Wissen an Hand des Modells computervermittelter Kommunika-tion dargestellt. Zudem unterstützt dieser Systemtyp den gesamten kolla-borativen Prozess, da die Anforderungsanalyse auf Basis einestheoretisch fundierten Modells computervermittelten, kollaborativen Ler-nens basierte.

Zur theoretischen Fundierung des Systemtyps wurde in Kapitel 2 aufbau-end auf Grundlagen aus dem Bereich Kommunikation, Lernen und Wis-sensmanagement einerseits ein Modell des Prozesses computer-vermittelten, problemorientierten, kollaborativen Lernens entworfen, dasdie Phasen „Vorbereiten“, „Lernen am eigenen Material“, „Lernen amMaterial anderer“ sowie „Kollaboration“ unterscheidet. Dieser Prozessbeinhaltet kommunikative und extra-kommunikative Aktivitäten. Einebesondere Stärke dieses Modells ist es, dass es einen Zusammenhang

Entwicklung des Modells des pro-blemorientierten kollaborativen Lernprozesses

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286 Zusammenfassung und Ausblick

zur Kommunikationstheorie schafft. Andererseits wurden die Aktivitätendes kollaborativen Prozesses in Zusammenhang zum kontext-orientiertenKommunikationsmodell gestellt, das sich bereits zur Definition von Anfor-derungen bewährt hat. Dieses Vorgehen erlaubte die Ableitung von Anfor-derungen an eine integrierte Umgebung mit speziellem Fokus auf dieKommunikationsunterstützung, deren besondere Relevanz für das kollabo-rative Lernen gezeigt wurde. Zudem wird durch diese Betrachtungsweiseeine kommunikationstheoretische Fundierung des Systemtyps erreicht.

Das Modell des problemorientierten, kollaborativen Lernprozesses bildetein Kapitel 3 die Struktur für die Betrachtung bestehender KL-Umgebungenund WM-Systeme. Hier konnte gezeigt werden, dass KL-Umgebungen undWM-Systeme unterschiedliche Stärken haben, deren Integration zur Unter-stützung des gesamten kollaborativen, problemorientierten Prozesses bei-trägt. Während die Stärke von KL-Umgebungen in der Unterstützung derKommunikation liegt, ist dies bei WM-Systemen der Umgang mit Materia-lien. Als eine Möglichkeit zur Integration der Stärken von KL-Umgebungenund WM-Systemen wurde das Konzept der Annotationen vorgestellt.

In einer qualitativen Studie (vgl. Kapitel 4) in fünf Unternehmen mit insge-samt 52 Interviews konnten weitere Hinweise für die Gestaltung der Kom-munikationsunterstützung in einer integrierten Umgebung gesammeltwerden. Grundlage dieser Fallstudie waren Fragestellungen, die aus dentheoretischen Fragestellungen heraus erarbeitet wurden. Die Studie warnotwendig, weil bislang keine empirischen Ergebnisse zum Wissensaus-tausch mittels WM-Systeme aus Sicht ihrer Nutzer vorliegen.

Die Anforderungen aus der theoretischen Betrachtung, der Beschäftigungmit Systemen und der Studie zum betrieblichen Wissensmanagement wur-den in Kapitel 5 in einem Gesamtanforderungskatalog zusammengefasst.Dieser Anforderungskatalog ermöglicht die Entwicklung einer integriertenUmgebung, die die Stärken von KL-Umgebungen und WM-Systemen ver-bindet und den gesamten kollaborativen Prozess unterstützt.

Dieser Anforderungskatalog wurde zur Konzeption und Realisierung derintegrierten Umgebung KOLUMBUS verwendet (Kapitel 6). Basierend aufdem Konzept der Annotationen verbindet KOLUMBUS Prinzipien des kolla-borativen Lernens (Kommunikation und Aushandlung) und des Wissens-managements (Ablage von Materialien in unterschiedlichen Dateiformatendurch alle Nutzer sowie Gruppenbildung).

weitere Anforde-rungen aus der betrieblichen Praxis

Gesamtanforde-rungskatalog

die integrierte Umgebung KOLUMBUS

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Zentrale Ergebnisse der Arbeit 287

Erfahrungen mit dem Einsatz von KOLUMBUS zur Integration von Materialund Kommunikation konnten im Sommersemester 2001 an der UniversitätDortmund in einem für Ingenieurinformatiker im Hauptstudium verpflichten-den Seminar „Folgen der Informationstechnik (IuG-FIT)“ gesammelt wer-den. In einem Feldexperiment in vier Arbeitsgruppen mit je drei bis fünfTeilnehmern konnten durch Beobachtungen sowie abschließende Grup-peninterviews im Dezember 2001 darüber hinaus Erfahrungen mitKOLUMBUS während des Einsatzes in Aushandlungsprozessen gewon-nen werden. Es zeigte sich, dass die Nutzung einer integrierten Umgebungneue Aspekte zu Tage förderte, die vorher nicht absehbar waren. Dadurchergaben sich weitere Hinweise für die organisatorische und technischeGestaltung integrierter Umgebungen (Kapitel 7).

Wesentliche Ergebnisse der Arbeit sind Empfehlungen für die technischeGestaltung und die damit verbundenen organisatorischen Maßnahmen, diegemeinsam eine Gesamtkonzeption des sozio-technischen Systemtypsdes computervermittelten, problemorientierten, kollaborativen Lernens dar-stellen. Die technischen Gestaltungsempfehlungen verbinden die Ablagevon Materialien mit Kommunikation und unterstützen den gesamten kolla-borativen Prozess einschließlich der Aushandlung. Die organisatorischenRahmenbedingungen wurden durch die Erweiterung des Modells compu-tervermittelter Kommunikation um Aktivitäten eines Moderators und das fürdiese spezielle Rolle benötigte (Meta-)Wissen angegeben. Abschließendwurde eine Modifikation des eingangs erarbeiteten Modells des kollaborati-ven, problemorientierten Lernens vorgestellt, die die gefundenen Ergeb-nisse berücksichtigt.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Ansatz der sozio-technischen Systemge-staltung, d.h. der integrierten Erarbeitung von technischen und organisato-rischen Empfehlungen, hilfreich war für das Anliegen dieser Arbeit, derKonzeption des Systemtyps des computervermittelten, problemorientier-ten, kollaborativen Lernens. Dies liegt darin begründet, dass diesesSystem technische Elemente (KL-Umgebungen) und soziale Systeme(Rollen) in einem sozio-technischen System kombiniert. Diese Elementesind bei der Gestaltung zu beachten. Durch die Betrachtung sowohl techni-scher als auch organisatorischer Gestaltungsmöglichkeiten konnte ent-schieden werden, welche Aspekte durch das technische System undwelche durch eine ausgezeichnete Rolle zu unterstützen sind. So kam bei-spielsweise die Entscheidung zustande, die Steuerung des Prozesses

Evaluation von KOLUMBUS

Gestaltungsemp-fehlungen für integrierte Umgebungen

Ansatz sozio-technischer Systemgestal-tung als Möglich-keit der Anforde-rungsanalyse

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288 Zusammenfassung und Ausblick

durch eine ausgezeichnete Rolle und nicht durch eine technische Steue-rung zu unterstützen sei. Letztere wäre bei Beschränkung auf die Technik-sicht möglicherweise das Ergebnis gewesen.

Zudem bedingen sich die Gestaltung der Organisation und der Technikgegenseitig. So sind beispielsweise bei computervermittelter Kommunika-tion Rollen der Steuerung besonders notwendig. Eine detaillierte Analyseder Aktivitäten der ausgezeichneten Rollen hat wiederum Konsequenzenfür die Technikgestaltung, in dem z.B. Möglichkeiten der Technikunterstüt-zung für die Aktivitäten des Moderators gesucht werden. Durch das Wissenum diese Aktivitäten kann Technik geeignet gestaltet werden. Nur durch dieintegrierte Betrachtung ist es möglich, den Systemtyp des computervermit-telten, problemorientierten Lernens weiter zu entwickeln.

9.2 Innovationsgehalt der ArbeitDer Innovationsgehalt dieser Arbeit erschließt sich direkt aus dem voran-gegangenen Abschnitt. Mit den Gestaltungsempfehlungen in Kapitel 8 wirdeine Grundlage für integrierte Umgebungen geschaffen, die alle Schrittedes kollaborativen Prozesses berücksichtigt. Auf die Realisierung einessolchen umfassenden Systems konnten bislang keine Hinweise gefundenwerden. Insbesondere wurden bislang keine Publikationen zu einem tech-nischen System mit Aushandlungsunterstützung gefunden. Gleichwohlwird der Bedarf einer solchen Unterstützung während des Aushandlungs-prozesses in Zusammenhang mit einer organisierenden Rolle gefordert[Hübscher-Younger & Narayanan (2002)]. Diese Arbeit bietet hier eine fun-dierte Konzeption an, die zur Umsetzung genutzt werden kann.

Die Konzeption der integrierten Umgebung beachtet Einstellen und Ablagevon Material und gleichzeitig die Unterstützung der Kommunikation. EineIntegration der Ablage von Materialien unterschiedlicher Präsentationsty-pen und der Unterstützung der Kommunikation in einem einzigen System,realisiert über das Prinzip der Annotationen, ist bislang einmalig. Auch inneueren Veröffentlichungen werden Ansätze beschrieben, die jedoch nureinen Teil der in dieser Arbeit entwickelten Gestaltungsanforderungen aneine integrierte Umgebung erwähnen und umsetzen. Diese beziehen sichz. B. auf Annotationen (z.B. WebAnn [Bernheim Brush (2002)]) oder daseinfache Einstellen von Materialien für alle Nutzer (z.B. CoWeb [Rick et al.(2002)]).

Unterstützung des gesamten kollaborativen Prozesses

Integration von Material und Kommunikation

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Innovationsgehalt der Arbeit 289

Zusammen mit der Darstellung notwendiger Aktivitäten eines Moderatorsund des dazu benötigten (Meta-)Wissens werden Ansätze zur Verbesse-rung von Vorbereitung und Durchführung der Diskussion und Aushandlungin kollaborativen Prozessen dargelegt. Diese Ansätze bieten Hilfestellun-gen bei der Bearbeitung empirisch gefundener Probleme wie z.B. die orga-nisatorische Leitung des Diskussions- und Aushandlungsprozesses oderdie technische Unterstützung der Ablage organisatorischer Beiträge, derVerknüpfung zwischen Diskussionssträngen sowie des Aushandlungs-schrittes. Von solchen Problemen ist auch in der aktuellen Literatur zulesen. Die in der vorliegenden Arbeit gefundenen Ergebnisse der KOLUM-BUS-Fallstudie gehen einher mit denen aus anderen, aktuellen Studien.Diese beziehen sich auf die Länge gefundener Diskussionsstränge [Guz-dial & Carroll (2002)] und einem vermehrten Aufkommen organisatorischerBeiträge, die technischer Unterstützung bedürfen [Lakkala et al. (2002)].Zur Unterstützung des Diskussionsprozesses wurde auch in anderenPublikationen eine fehlende Verbindungsmöglichkeit zwischen Diskussi-onssträngen festgestellt [Lipponen (2001)]. In diesen Studien werdenjedoch keine Lösungen für diese Probleme präsentiert.

Neben der Lösung der empirisch gefundenen, praktisch relevanten Pro-bleme zeichnen sich die hier dargestellten Ansätze auch durch eine Fun-dierung in der Kommunikationstheorie aus. Sie basieren auf dem kontext-orientierten Kommunikationsmodell [Herrmann & Misch (1999)], [Herrmann(2001)], [Herrmann & Kienle (2002)]. Die vorliegende Arbeit erweitert die-ses Modell um die besonderen Bedürfnisse während der Diskussion undAushandlung in kollaborativen Prozessen. Zudem entwirft die Arbeit einModell des computervermittelten, problemorientierten, kollaborativen Ler-nens, das für die Analyse und Gestaltung eines solchen Typs von Lernpro-zessen herangezogen werden kann.

organisatori-sche Gestaltung kollaborativer Prozesse

Erkenntnisse für die Theorie: Modifikation der Modelle

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290 Zusammenfassung und Ausblick

9.3 Weiterer ForschungsbedarfDie überarbeiteten Gestaltungsempfehlungen sollten in einer neuen Reali-sierung umgesetzt und in Experimenten erprobt werden. Dabei sind fol-gende Forschungsfragen relevant:

• Unterscheidung zwischen Kommunikationsbeiträgen und Mate-rial: Die Integration von Materialablage und Kommunikationsunter-stützung hat sich in dieser Arbeit als gute Möglichkeit zurUnterstützung des gesamten kollaborativen Prozesses und zur kon-text-orientierten Kommunikation herausgestellt. Weiterer For-schungsbedarf bezieht sich hier auf die Frage, inwieweit derUmgang mit Materialien und Kommunikationsbeiträgen zu unter-scheiden ist. In Kapitel 8 wurden Möglichkeiten der Unterscheidungin Bezug auf Awarenessdienste, Anordnungen in der Inhaltsstrukturoder die Anzeige von Metainformationen zu Kommunikationsbeiträ-gen oder Material vorgeschlagen. Diese sind in einem Protoypen zurealisieren und in Experimenten zu testen.

• Unterstützung der Aushandlung: Die Umsetzung der Aushand-lungsunterstützung in KOLUMBUS wurde in den Empfehlungenstark überarbeitet. Mit der neuen Realisierung sind weitere Experi-mente durchzuführen. Hier ist zu fragen, inwieweit die angebotenenFunktionalitäten, z.B. Transparenz über laufende Aushandlungenoder die Begründung von Voten, zur Erreichung eines gemeinsa-men Ergebnisses beitragen.

• Steuerung von Prozessen und Transparenz bzgl. dieser Pro-zesse: In KOLUMBUS wurde fehlende Transparenz bzgl. des Pro-zessfortschritts und fehlende Unterstützung beim Wechselzwischen den Phasen des kollaborativen Prozesses bemängelt. InKapitel 8 wurden Möglichkeiten der Verbindung zwischen Diskussi-onssträngen, Unterscheidung organisatorischer und inhaltlicherBeiträge, eine verbesserte Transparenz bzgl. Kommunikationsbei-trägen oder die Anzeige des Statuses laufender Aushandlungenvorgeschlagen. Hier ist zu fragen, wie diese Funktionalitäten beiTransparenz und Steuerung des Prozesses unterstützen. DieseForschung steht in enger Verbindung zu der Frage nach der Unter-stützung der ausgezeichneten Rolle, da auch die Ausgestaltung derModeratorenrolle zur Steuerung und Transparenz bzgl. dieser Pro-zesse beitragen kann.

• Unterstützung der ausgezeichneten Rolle durch das technischeSystem: In Kapitel 8 wurden Möglichkeiten zur Unterstützung desModerators, z.B. beim Anlegen einer Inhaltsstruktur, vorgestellt.

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Weiterer Forschungsbedarf 291

Hier ist zu fragen, inwieweit das technische System den Moderatordurch solche oder andere Funktionen unterstützen kann.

• Unterstützung der Lernenden durch die ausgezeichnete Rolle:Moderation hat sich als wichtig für die Organisation des Diskussi-ons- und Aushandlungsprozesses herausgestellt. Dazu wurden inKapitel 8 detailliert Aktivitäten dargestellt, deren Wirkung zu über-prüfen ist. Hier sind Experimente durchzuführen, in denen einModerator die Aktivitäten unterschiedlich ausgestaltet. Hier ist bei-spielsweise zu fragen, wie das System geeignet zur Aufmerksam-keitssteuerung genutzt werden kann und wie der Moderator Wissenz.B. über Kooperationsstrategien während des kollaborativen Pro-zesses an andere Nutzer weitergeben kann.

Generell scheint nach den ersten Experimenten eine breitere Erprobungim Praxisumfeld nicht nur im universitären Umfeld, sondern auch in ande-ren Bildungsinstitutionen (z.B. Schule) oder Unternehmen notwendig. Sol-che Pilotstudien sorgen dafür, die Praxistauglichkeit des Systems zuüberprüfen. Sofern sich die Möglichkeit bietet, können vergleichende Stu-dien zwischen verschiedenen Lern-/Arbeitsgruppen einer Gesamtgruppe(z.B. Projektgruppen in einem Klassenverbund) durchgeführt werden, beidenen unterschiedliche Varianten der Aufgabenstellung oder der Unterstüt-zung durch den Moderator geplant und miteinander verglichen werden.Dadurch können Erfahrungen mit der Nutzung der technischen Funktiona-litäten sowie die Wirkung einer konkreten Aufgabenstellung oder den Ein-satz eines Moderators gesammelt werden. Mit diesen Pilotstudien istzudem die weitere Arbeit an dem Modell des kollaborativen Lernens mög-lich.

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292 Zusammenfassung und Ausblick

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Anhang A. Anhang A zur Studie „Betriebli-ches Wissensmanagement“

A.1 Interviewleitfaden für die Erhebung bei Unternehmen Y - Nutzung des X beim Unternehmen Y

1 Einleitende Fragen

I.1) Was sind Ihre hauptsächlichen Aufgaben? Wem arbeiten Sie zu, werarbeitet Ihnen zu?

• Welche Rolle spielt Ihre Abteilung im Unternehmen?

I.2) Was tun Sie, um an benötigte Informationen heranzukommen?• Positive und negative Beispiele• Beispiele für fehlende Informationen• Bevorzugte Kommunikationswege• Welche Software wird eingesetzt?

I.3) Wie und wo legen Sie Informationen ab?• Ordner• Technisches System?

I.4) Wie gehen Sie vor, um Informationen zu verteilen?

I.5) Was verstehen Sie unter Wissensmanagement?• Informationen vs. Wissen• Aktivitäten des Wissensmanagements?• Einführung des Systems X (Kat.: Einführung)

2 Einführung des Systems X

II.1) Wie wurde das System X eingeführt?• Phasen• Welche Abteilungen/Standorte/Rollen• Informationsveranstaltungen, -blätter• Schulungen• Hotline• Beteiligung der Mitarbeiter

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294 Anhang A zur Studie „Betriebliches Wissensmanagement“

II.2) Wie gut wurden Sie auf die Benutzung von X vorbereitet?• An welche Inhalte der Schulung können Sie sich erinnern?• Von welchen Inhalten wissen Sie, dass sie in X zu finden sind?• Wurde ein Zusammenhang zu Ihren Erfahrungen und zu Ihrem beruflichen

Alltag hergestellt?• Was werden Sie verwenden?• Welche weitere Unterstützung wünschen Sie sich beim Erlernen von

System X?• Begleitung• Ansprechpartner

3 Umgang mit dem System X (Kategorie Nutzung)

III.1) Über welche Funktionalitäten verfügt X? Was leisten diese Funktionali-täten? (F1 - F6)

• Anbindung an vorhandenen Systeme• Elektronische Kommunikation (Messaging)• Suche• (strukturierte) Ablage• Diskussionsforen• Workflow-Funktionalität• Einschränkung der Empfängergruppe• Inhalte kommentieren können• Hilfe

III.2) Über welche Funktionalitäten sollte ein Wissensmanagementsystemzusätzlich verfügen? (F1 - F6)

III.3) Schildern Sie bitte Situationen, in denen Sie sich nur schwer vorstellenkönnen, auf das System X zu verzichten. (F1 - F6)

III.4) Schildern Sie bitte Situationen, in denen die Nutzung eher zu Schwie-rigkeiten führte. (F1 - F6)

III.5) Wie gut kann das System Ihre alltägliche Arbeit unterstützen? (F1)

III.6) Wie unterstützt das System die folgenden Aspekte der Projektarbeit?• Konzeption der Projekte• Management des Kundenkontaktes• Projektbearbeitung• Projektverwaltung• Interne Koordination

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Anhang A zur Studie „Betriebliches Wissensmanagement“ 295

III.7) Was soll das System zusätzlich leisten, um die Unterstützung Ihrer all-täglichen Arbeit zu verbessern?

III.8) Wie verändert die Nutzung des Systems Ihre alltägliche Arbeit? (F1 -F6)

• Ihre eigene Arbeit?

III.9) Waren Sie zufrieden mit dem Ergebnis der Nutzung? • Lösungen gefunden? • Mit der Dauer der Lösungsfindung?

4 Kommunikation mittels System X (Kategorie Wissensaustausch)

In diesem Abschnitt des Interviews handelt es sich darum, zu ermitteln, wiegut das System den Wissensaustausch unterstützt.

IV. 0) Was verstehen Sie unter Wissensaustausch?

Darunter verstehen wir den Austausch von Informationen und seine positiveAuswirkung auf die Informationsverfügbarkeit, gemeinsame Arbeit oder aufdas Verstehen des Vorgehens und der Konzepte anderer Mitarbeiter undAbteilungen.

IV.1) Wie gut funktioniert der Wissensaustausch zur Zeit in Ihrer Abteilung,im Unternehmen? (F1)

IV.2) Was würden Sie sich für die Unterstützung des Wissensaustauschswünschen? (F2 – F6)

• Wissen über andere Teilnehmer• Einschränkung einer Empfängergruppe• Wissensaustausch direkt an den Inhalten im WM-System • Zeitgleiche Kommunikation (wie Telefon oder mündliches Gespräch, sofor-

tige Beantwortung?)• Moderator?

IV.3) Welche Auswirkungen hätte das? (F2 – F6)

IV.4) Unter welchen Bedingungen würden Sie sich am Wissensaustauschmittels eines WM-Systems beteiligen? (F2 – F6)

• Bei welchen Gelegenheiten?• Zu welchen Themen würden Sie Beiträge lesen oder erstellen?• Mit welchen Teilnehmern, Experten oder Kollegen, würden Sie eher Wis-

sen austauschen?• Soll der Austausch durch eine Moderation unterstützt werden?

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296 Anhang A zur Studie „Betriebliches Wissensmanagement“

• Würden Sie lieber andere Wege zur Diskussion benutzen (z.B. Telefon)• Wie wichtig ist Anonymität für die Beteiligung?• Ist die Geschwindigkeit des Austausches ausschlaggebend?• Welche Rolle spielt dabei die Möglichkeit, ohne Zeitverzögerungen (zeit-

gleich) kommunizieren (wie am Telefon oder beim mündlichen Gesprächmit unmittelbarer Fragenbeantwortung) zu können ?

IV. 5a) Wenn Sie eine Bemerkung oder einen Kommentar zu den Inhalten imWM-System ablegen möchten, wie würden Sie vorgehen? (F2)

• Wo soll Ihr Kommentar erscheinen?

IV. 5b) In welchen Situationen wäre eine solche Möglichkeit hilfreich? (F2)• Was wird dadurch verbessert?

5 Organisationsweites Lernen

V.1a) Welches Ziel wurde durch die Einführung des Systems im Unterneh-men verfolgt?

V.1b) Wie werden Sie über das System und über die Möglichkeiten der Nut-zung des Systems informiert?

V.2) Was muss passieren, damit der unternehmensweite Wissensaustauschmit System X klappt?

• Welche Befürchtungen haben Sie diesbezüglich?

V.3) Könnten neue Mitarbeiter Ihres Unternehmens das System auch nutzen,um alles notwendige über Ihr Unternehmen zu lernen?

V.4) Ist ein solches System überhaupt sinnvoll? Wenn nicht für Sie, für wenkönnte es sinnvoll sein?

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Anhang B . Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS

B.1 Szenarien kollaborativen Lernens

B.1.1Szenario Übung

Aufgaben stellen: Tutor stellt Aufgabe an Studierende

Aufgabe(n) lösen

• Recherche in den Veranstaltungsunterlagen und anderen Hilfsmitteln• Erarbeitung einer Lösung mit Hilfe dieser Unterlagen• Dokumentation der Lösung• i.d.R. individuelle Bearbeitung• Lösungsdokument an den Tutor geben

Aufgabe bewerten

• Korrektur und Bewertung der Lösung durch den Tutor• den betreffenden Studierenden informieren

Lösungen vorstellen und diskutieren

• Ein Studierender stellt seine Lösung vor• Rückgriff auf das Lösungsdokument, evtl. auf Veranstaltungsmaterialien, die Kor-

rektur oder andere Materialien• Der Studierende kann sich dabei für seine Tätigkeit selbst gemeldet haben oder

vom Tutor vorgeschlagen sein• Gelegenheit zu Fragen oder Kommentaren• ggf. Ergänzung der Vorstellung durch den Tutor

Musterlösung zur Verfügung stellen

B.1.2 Szenario Seminar

Start: Präsentation und Auswahl bzw. Verteilung der Themen, zur Unterstützungwerden Kurzbeschreibungen der einzelnen Themen, Angabe grundlegenderLiteratur und Fundstelle einbezogen

Bearbeitung - 1. Phase (stark parallele Arbeitsschritte)

• Recherche - Identifizierung und Sichtung geeigneter Literatur, Recherche voninnen nach außen (was weiß ich selbst, was bietet der Lehrstuhl (Handapparat,WWW), die Bereichsbibliothek, die Zentralbibliothek, das WWW)

• Exzerpte erstellen - die zum Seminarthema passenden Inhalte notieren• Inhaltssammlung erstellen: Gliederung aufbauen und Inhalte zuordnen (ggf. Mehr-

fachzuordnung)

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298 Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS

• Zentrale Aussagen, zentrale Fragen und auch kontroverse Thesen zum Themagesondert festhalten

• Sich ggf. bei anderen Studenten oder beim Dozenten beraten lassen oder Informatio-nen besorgen

• Endgültige Gliederung aufstellen, ggf. Inhalte ergänzen und offene Fragen beantwor-ten, indem erneut recherchiert wird und die Inhalte gezielt herausgezogen und direktin die Gliederung einsortiert werden

• Thesenpapier anhand der wesentlichen Inhalte, zentralen Aussagen und kontrover-sen Thesen erarbeiten

• Literaturliste fertig machen• Thesenpapier und Literaturliste zum Review geben (Reviewer können neben dem

Dozenten auch andere Seminarteilnehmer sein)

Bearbeitung 2. Phase

• Anhand der Reviewergebnisse und der Art sowie der Inhalte anderer Thesenpapieredie eigene Gliederung und Thesenpapier ergänzen, ggf. neue Literatur hinzuziehen;insbesondere die Abgrenzung der Themen überprüfen

• Je nach Überarbeitungsanforderungen das Überarbeitungsergebnis noch mal rück-koppeln

• Vortrag vorbereiten, Folien erstellen (Gestaltungsvorschläge beachten) und mitDozenten rückkoppeln

• Vortragsunterstützende Unterlage erstellen (Folien sollen nicht die Gedächtnisstützesein), Vortrag üben, Zeitrahmen überprüfen,

• Anregung der Diskussion vorbereiten• Thesenpapiere vor dem Vortrag zugänglich machen

3. Phase

• Komplette Ausarbeitung erstellen - Diskussionsergebnisse, die sich im Seminar erga-ben, einarbeiten

• Ausarbeitungen anderer sichten

Zusatzaspekt: Referatserstellung im Team koordinieren

B.1.3 Szenario Projektgruppe (am Beispiel der Softwareentwicklung)

Start

• Vorstellung des Themas durch die Projektleitung• Einordnung in einen größeren Kontext• Angabe weiterführender Literatur ggf. eigener Materialien

Konsensbildung

• Diskussion des Themas• Ausloten des "Verhandlungsspielraums"• Ergebnis: Einigung auf eine verbindliche Aufgabenbeschreibung

State of the art

• Recherchieren nach vergleichbaren (Teil-)Lösungen• Erstellung von Präsentationsunterlagen oder Skripten• Vorstellung im Rahmen einer Präsenzveranstaltung (synchron) oder Diskussion des

Skriptes an "Schwarzen Brettern" (asynchron)

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Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS 299

• Überarbeitung der Materialien aufgrund der Rückmeldung

Definition von Funktionalitäten

• Anhand der untersuchten Lösungen werden einzelne Funktionalitäten im Hinblick aufihre Relevanz für unterschiedliche Anwendungsszenarien untersucht und von denTeilnehmern für das Gesamtsystem vorgeschlagen

• Alle Teilnehmer bewerten die vorgeschlagenen Funktionalitäten• Ergebnis: Einigung auf eine Liste von Funktionalitäten, die implementiert werden sol-

len

Strukturierung und Entwicklung eines Pflichtenheftes

• Entwicklung einer Grobstruktur• Verortung einzelner Funktionalitäten in die Grobstruktur• Fortlaufende Überprüfung des Strukturierungsprozesse anhand möglicher Anwen-

dungsszenarien• Entwicklung eines „Pflichtenheftes"

Aufteilung in Einzelaufgaben und Implementation

• Identifikation von Einzelaufgaben (z.B. Navigation, Datenbankstruktur, Backend,Frontend, Design etc.)

• Definition von Schnittstellen• Zuweisung von Aufgaben an Entwicklungsteams• Implementationsphase

Integrations- und Testphase

• Zusammenführen der einzelnen Module• Test des Systemfunktionalitäten

Anwendungsphase

• Einsatz des Produktes in einer Testumgebung• Fixierung der Erfahrungen während des Testlaufes• Befragung der Anwender nach dem Testlauf

B.1.4 Modifikationsmöglichkeiten durch Computereinsatz• Abkehr vom Frontalunterricht, es lenkt den Fokus auf selbständiges Arbeiten. Durch

den Umgang mit dem System kann auch Wissen über Methoden gruppenbezogenenLernens gewonnen werden (Erwerb von „Meta-Wissen“ über Strategien kollaborati-ven Problemlösens).

• Es können weitere Informationsquellen wie beispielsweise Digital Libraries erschlos-sen werden.

• Suchabfragen und deren Ergebnisse können archiviert und dadurch wiederverwendetwerden.

• Suchergebnisse können unter den Mitgliedern der Gruppe weitergegeben unddadurch geteilt werden; vgl. hierzu auch den Prozess des „Collaborative Filtering“von [Glance et al. (1999)]

• Diskussionen unter den Mitgliedern werden erleichtert.• Es können Zwischenergebnisse in einer KL-Umgebung abgelegt und anderen auch

schon vor Abgabeterminen zur Verfügung gestellt werden.

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300 Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS

• Durch Verlinkung einzelner Materialien miteinander wird der Aufbau von „Wissensnet-zen“ gefördert: Wissensbestände stehen zueinander in Beziehung, die Lernendenerstellen diese Netzwerke aktiv im Rahmen ihrer Arbeit und rezipieren nicht längerpassiv einzelne, unverbundene „Informationsbrocken“.

• Es gibt nicht mehr eine gültige Musterlösung, in der KL-Umgebung wird es vielmehrauf die Vernetzung des Erarbeiteten zu vorherigen Gruppensitzungen oder denArbeiten vorheriger Gruppen ankommen. Dabei kann auf Ergebnisse vorherigerGruppen zugegriffen werden. Dadurch wird „das Rad nicht immer wieder neu erfun-den“.

• Lehrende in der Rolle des Kooperationspartners: Die Lehrenden kooperieren mit denLernenden, sie treten bewertend und beratend auf, können durch die Arbeit der Ler-nenden eventuell sogar selbst zu neuen Erkenntnissen gelangen. Nicht mehr nur derLehrende tritt hier als Wissensvermittler auf. Es bestehen größere Möglichkeiten fürdie Lernenden, in eigener Verantwortung Lernprozesse zu regeln.

B.2 ZOPE Produkterweiterungen im Rahmen von KOLUMBUS

An dieser Stelle werden Methoden der Klassen dargestellt, die im Rahmen vonKOLUMBUS entwickelt wurden. Zur Beschreibung dieser Klassen sei auf Kapitel5.2 hingewiesen. Eine ausführliche Beschreibung findet sich in [PG 356 (2001)].

B.2.1 Methoden der Klasse „kFolderClass“Navigation / AnzeigefunktionenPaperView_html, rec_view_html, TreeFilter, childview, choose_next_html,func_view_html, hierArray.js, hierMenus.js, index2.html, index_html,itemview_html, itemview_quick_html, pathview2_html, pathview_html

Hilfsfunktionen, die für verschiedene Routinen benötigt werdenPunkte_tool, breadcrumbs, getColumnCount, getShortConten, getkicon, setID,setParentID

Add-Funktionen (allgemeine)kFolder_add_final_html, kFolder_add_html, kFolder_add_step2_html,kFolder_anno_add_final_html, kFolder_instance_add_html

Add-Funktionen im Speziellen: (für die einzelnen Items)kFolder_add_Glossar_html, kFolder_add_binary2_html, kFolder_add_negotiation_html,kFolder_add_picture2_html, kFolder_anno_back_html, kFolder_anno_html,kFolder_instance_add_negotiation_html

LöschfunktionenkFolder_delete_html, kFolder_delete_instance_html, kFolder_setDeleteProperty_html

Allgemeine EditierfunktionenkFolder_edit_html, kFolder_instance_edit_html

Steuerung von Ereignissen

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Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS 301

kFolder_instance_editevent_html

Steuerung der SicherheitkFolder_instance_security_html, kFolder_security_html, setze_Empfaenger_rekursiv,setze_Urheber_rekursiv

Steuerung von BewertungenkFolder_rate_html, rate_html

Kopieren/Verschiebencopy_html, paste, paste_html, paste_setAttribute, order_inc

B2.2.2 Methoden der Klasse „kNegotiationClass"Basisfunktioneniconimage, kFolder_delete_html

Methoden zur Durchführung einer Aushandlungacknowledge, change_user_vote, index_html

Methoden zur Auswertungcreate_discussion, end_negotiation

B.2.3 Methoden der Klasse „kTaskClass“

Ein kTask ist ein geplanter Event, er bekommt ein Datum sowie eine auszufüh-rende Aktion zugewiesen. Objekte dieser Klasse sollten normalerweise nur im´Tasks´ Ordner des KOLUMBUS Systems angelegt werden. Sobald das Datumerreicht ist, wird die Aktion ausgeführt und der Task gelöscht. Das Ausführen wirdgeschieht über folgende Methode:

run

B.2.4 Methoden der Klasse „kUserClass“

Diese Klasse stellt einen dem System bekannten Benutzer dar. In Ihr werden alleDaten des Benutzers abgelegt und verwaltet. Sie besitzt lediglich zwei Methoden:Benutzer_editieren_html, user_aendern_html

B.2.5 Erweiternde Python-Routinen

AddKFolder.py: Erzeugt eine neue Instanz der Klasse kFolder an der Positionder aufrufenden Funktion. Im Unterschied zu CreateFolder.py wird hier eine ID alsEingabe an die Funktion übergeben.

AddKItem.py: Erstellt eine neue Instanz der Klasse kItem an der Position der auf-rufenden Funktion.

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302 Anhang B zur Entwicklung von KOLUMBUS

awareness.py: Stellt alle unbestätigten Änderungen eines Benutzers ab einemKnoten (innerhalb des Treeviews) in einer Liste zusammen. Diese Liste wird ananderer Stelle optisch aufbereitet. Weiter bietet diese Funktion auch die Möglich-keit alle unbestätigten Änderungen eines Benutzers ab einem Knoten (innerhalbdes Treeviews) zu bestätigen.

browse.py: Eine zu Entwicklungszwecken eingebaute Funktion, um alle Metho-den und Properties eines beliebigen Zope-Objektes darzustellen.

changePermissionsOwner.py: Das Skript ändert das Attribut Urheber rekursivvon einem beliebigen Knoten ausgehend für diesen und alle darunter liegendenKnoten (hier: ausgehend von der Position der aufrufenden Funktion). SämtlicheUrheber-Attribute werden ohne vorherige Überprüfung modifiziert.

changePermissionsOwner.py_mitOwnerCheck: Das Skript erfüllt im Wesentli-chen die gleiche Aufgabe wie changePermissionsOwner.py, führt Änderungenaber nur dann durch, wenn das Urheberattribut des jeweils betrachteten Knotenseinen zur ursprünglichen Belegung des entsprechenden Attributs am Wurzelkno-ten identischen Wert aufweist.

changePermissionsRecipient.py: Das Skript ändert das Attribut Empfängerrekursiv von einem beliebigen Knoten ausgehend für diesen und alle darunter lie-genden Knoten (hier: ausgehend von der Position der aufrufenden Funktion).Sämtliche Empfänger-Attribute werden ohne vorherige Überprüfung modifiziert.

changePermissionsRecipient.py_mitRecipientCheck: Das Skript erfüllt imWesentlichen die gleiche Aufgabe wie changePermissionsRecipient.py, führtÄnderungen aber nur dann durch, wenn das Empfängerattribut des jeweilsbetrachteten Knotens einen zur ursprünglichen Belegung des entsprechendenAttributs am Wurzelknoten identischen Wert aufweist.

createFolder.py: Erzeugt einen neuen kFolder unter Verwendung einer zufälligvergebenen ID am Ort der aufrufenden Funktion.

createTask.py: Die Methode speichert eine vom Benutzer angegebene geplanteAktion im Ordner Kolumbus Tasks des Systems.

evaluate_rating.py: Berechnet den Durchschnitt der zu einem Item abgegebe-nen Bewertungen und liefert diesen an die aufrufende Funktion zurück.

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Anhang C . Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

C.1 Aufgabenstellung

C.1.1 Übersicht über die Themen

C.1.2 Beispiel einer detaillierteren Beschreibung eines Themas

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304 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

C.1.2 Ausschnitt der Mindestanforderungen

C.2 Leitfaden KOLUMBUS für Studierende

1 Einleitende FragenI.1) In welchen Phasen Deiner Arbeit hast Du Kolumbus genutzt?

• Themenfindung• Gliederung• Kurzbeschreibung• Review• Überarbeitete Kurzbeschreibung• Folien• Gemeinsame Thesen

2 Nutzung von KOLUMBUS für die Arbeit am MaterialII.1) Wie hast Du KOLUMBUS für die Bearbeitung Deiner Aufgaben genutzt?(F1)

• Erst lesen, dann Gliederung• Schrittweise Erstellung vs. in einem Schritt• XML vs. Upload von Dateien (Format?)

II.2) Wie hast Du sichergestellt, dass es keine Doppelungen zu den anderenThemen gibt? (F1/Kom) (F7)

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 305

II.3) Wie bist Du mit älteren Versionen Deiner Kurzbeschreibung umgegan-gen (F1/WM) II.4) Welche Probleme sind Dir während dieser Phase aufgefallen?

3 Arbeiten mit dem Material anderer (lesen und Review)III.1) Welche Bereiche hast Du Dir angeschaut? (F1 /WM)

• Andere Themen in meinem Seminar• Anderes Seminar• Tipps zur Nutzung von KOLUMBUS in IuG-FIT (F6)• Theoretischer Hintergrund zum kollaborativen Lernen• Modell zum Seminarablauf• Kollaboratives Lernen mit Kolumbus• Materialien (alte Thesenpapiere, wie erstelle ich ein Thesenpapier?)• News• Organisatorisches zur Kolumbusnutzung (Ansprechpartner, Ordner zur Verbesserung

des Systems,...)• In welchen Situationen?• Paper oder Treeview?

III.2) Wie bist Du bei Deinem Review vorgegangen? (F1/Kom)• Paper oder Treeview• erst alles lesen, dann kommentieren vs. sofort kommentieren

III.3) An welchen Stellen hast Du Annotationen eingefügt? (F2)• Warum gerade dort?• Was hältst Du von dem Konzept der Annotationen?• Für welche Situationen sind Annotationen sinnvoll?• Welche Funktionalität sollten die Annotationen noch haben?• In welchen Situationen hast Du Annotationen verwendet, wann Items?

III.4) Wie bist Du mit den Reviews zu Deiner Kurzbeschreibung umgegan-gen? (F1/WM)III.5) Welche Probleme mit Kolumbus sind Dir während dieser Phase aufge-fallen?III.6) Wie bist Du vorgegangen, wenn Du ein fachliches Problem hattest?

4 Wissensaustausch: KommunikationIV.1) Was hast Du anderen zur Verfügung gestellt? (F1/WM)

• In welcher Phase Deiner Arbeit?• Wem?• Hast Du Deine Inhalte erst für Dich bearbeitet?• Hast Du eine eigene Empfängergruppe gebildet?• Warum bist Du so vorgegangen?

IV.2) Wie lief die Zusammenarbeit in Deiner Teilgruppe? (F3)• Welche Kommunikationswege?

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306 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

• Welche Funktionen von KOLUMBUS wurden dabei genutzt? • Aus welchen Gründen lief die Zusammenarbeit so ab?

IV.3) Hat Dich die Themenstellung zur Zusammenarbeit mit anderen ange-regt? (F7)IV.4) Was hast Du von der Kolumbusnutzung der anderen Teilnehmer wahr-genommen, wenn Du selbst in Kolumbus warst? (F3)

• aus Deiner Teilgruppe• aus Deinem Seminar• aus dem zweiten Seminar?

IV.5) Was hättest Du gerne mitbekommen? (F3)IV.6) Hast Du eine people-Seite angelegt? Warum (nicht)? (F1/WM)IV.7) Auf welchen Kommunikationswegen hattest Du überwiegend Kontaktmit den Veranstaltern? (F5)

• Warum?• Welche Aktivitäten der Veranstalter hättest Du Dir noch gewünscht?

IV.8) Welche Probleme sind Dir bei der Kommunikation mit anderen mittelsKOLUMBUS aufgefallen?

5 Konvergenz bilden (gemeinsame Thesen finden) (F4) V.1) Wie seid Ihr vorgegangen, um in Eurer Teilgruppe gemeinsame Thesenzu finden?V.2) Welche Kolumbusfunktionen sind dabei zum Einsatz gekommen?V.3) Warum so?V.4) Hast Du die Aushandlungsfunktion angewendet?

6 Zusammenfassende EinschätzungVI.1) Ist Kolumbus für die Unterstützung eines Seminars hilfreich? VI.2) Welche Funktionen fallen besonders positiv auf?VI.3) Was sollte noch verbessert werden?VI.4) Wie bist Du vorgegangen, wenn Du Probleme mit Kolumbus hattest?(F4)VI.5) Was habe ich vergessen?

C.3 Leitfaden KOLUMBUS für Lehrende

1 Vorbereitung des SeminarsI.1) Wie bist Du bei der Vorbereitung des Seminars vorgegangen?I.2) Welche Probleme sind dabei aufgetreten?

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 307

2 Nutzung von KOLUMBUS für eigene ArbeitenII.1) Wie häufig warst Du im System?II.2) In welchen Situationen hast Du KOLUMBUS genutzt?

• Gelesen• Inhalte eingestellt (Welche? Für wen? Warum gerade dort?)• Organisatorisches vs. inhaltliches

II.3) Wie hast Du überprüft, ob etwas Neues in KOLUMBUS eingestelltwurde?II.4) Wann hast Du zu eingestellten Inhalten Bemerkungen gemacht?Warum?3 Arbeiten mit dem Material anderer (lesen und review)III.1) Welche Inhalte hast Du Dir angeschaut? In welchen Bereichen?III.2) META: Warum stellten die Studierenden Deiner Meinung nach so wenigZwischenversionen ein?III.3) Wie bist Du bei Deinem Review vorgegangen?

• Paper oder Treeview• erst alles lesen, dann kommentieren vs. sofort kommentieren

III.4) An welchen Stellen hast Du Annotationen eingefügt?• Warum gerade dort?• Für welche Situationen sind Annotationen sinnvoll?• Welche Funktionalität sollten die Annotationen noch haben?• In welchen Situationen hast Du Annotationen verwendet, wann Items?

III.5) Was hältst Du von dem Konzept der Annotationen?III.6) Was sollte noch verbessert werden?III.7) Warum hast Du Deine Annotationen immer allen zur Verfügung gestellt,oft vor Abgabe eines Reviews durch einen Studierenden?III.8) META: Warum haben die Studierenden Deiner Meinung nach fast immeran alle veröffentlicht?

4 Wissensaustausch: KommunikationIV.1) Auf welchen Kommunikationswegen hattest Du überwiegend Kontaktmit den Studierenden?IV.2) Warum hast Du auch andere Kommunikationswege genutzt? IV.3) Von wem ging die Initiative aus, auch andere Kommunikationswege zunutzen (von den Studierenden oder von Dir)?IV.4) META: Warum wurde Deiner Meinung nach so wenig über KOLUMBUSkommuniziert?IV.5) Was müsste noch verbessert werden?

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308 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

IV.6) Was hast Du von der Kolumbusnutzung der Studierenden oder demanderen Veranstalter wahrgenommen, wenn Du selbst in Kolumbus warst?IV.7) Was hättest Du gerne mitbekommen?IV.8) Du hast eine people-Seite angelegt. Warum?

5 Konvergenz bilden (gemeinsame Thesen finden) V.1) META: Warum wurden Deiner Meinung nach keine gemeinsamen The-sen gebildet?

6 Zusammenfassende EinschätzungVI.1) Ist Kolumbus für die Unterstützung eines Seminars hilfreich? VI.2) META: Glaubst Du, dass Du eine Art Vorbild für die Studierendenwarst?

• Hast Du daran gedacht, wenn Du irgendetwas in KOLUMBUS gemacht hast?

VI.3) Welche Funktionen fallen besonders positiv auf?VI.4) Welche Probleme sind während der Nutzung von KOLUMBUS aufgefal-len?VI.5) Was sollte noch verbessert werden?VI.6) Was habe ich vergessen?

C.4 Auswertung der Beiträge in KOLUMBUS während des AushandlungsexperimentesIn diesem Abschnitt werden ausführlich die Ergebnisse des Experimentes darge-stellt. Es soll der Verlauf des Diskussions- und Aushandlungsprozesses nachver-folgt werden sowie auf die in [Boos (1996)] genannten Merkmale derLösungssuche, Entscheidungsfindung und Organisationssteuerung eingegangenwerden. Dabei werden die Aussagen aus der Beobachtung während des Nut-zungsprozesses, die Analyse der eingestellten Beiträge sowie die Aussagen inden Gruppeninterviews kombiniert. Besondere Probleme der technischen oderorganisatorischen Gestaltung werden mit TP (Technisches Problem) bzw. OP(Organisatorisches Problem) und einer Nummer gekennzeichnet. Auf diese Pro-bleme und mögliche Lösungsmöglichkeiten wurde in Kapitel 7.3.3 eingegangen.

C.4.1 Gruppe 1Gruppe 1 umfasste vier Teilnehmer, die Lösungssuche fand in zwei vereinbartenZeiträumen statt. Dabei wurden lediglich von einem Teammitglied Vorschläge ineinem eigenen Teilbaum angelegt, die anderen drei legten ihre Vorschläge auf derobersten Ebene des Teamordners ab. Insgesamt wurden dabei 9 Vorschlägegeneriert.

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 309

In nur 4 Beiträgen wurden Bezüge zu anderen Vorschlägen erwähnt. Lediglich in3 bzw. 2 Fällen wurde eine Reformulierung vorgenommen oder ein neuer Vor-schlag generiert. Dies verdeutlicht, dass das Zusammenführen von Vorschlägennur bedingt stattgefunden hat. Zu diesen 45 inhaltlichen Beiträgen wurden 21 wei-tere organisatorische Beiträge gezählt (vgl. Abschnitt zur Diskussionssteuerung).

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 Durchschnitt

Produktion von InhaltenVorschlag Item 1 4 3 1 2,25

Anno 0 0 0 0 0,00Dok 1 0 0 0 0,25

Strukturierungsitem Item 0 0 0 0 0,00Anno 0 0 0 0 0,00Heading 0 0 2 0 0,50

Summe Produktion von Inhalten 2 4 5 1 3,00inhaltliche KommunikationNachfrage Anno 1 0 0 0 0,25Zusatzinformation Anno 0 1 0 0 0,25

Bin 1 0 0 0 0,25zusätz. Argument Anno 5 1 0 0 1,50Wertung/Zustimmung Anno 8 5 3 0 4,00Wertung/Gegenrede Anno 3 3 2 2 2,50

Item 0 0 0 1 0,25Beiträge mit Verweis zu anderen Anno 0 1 1 0 0,50

Link 0 0 2 0 0,50Reformulierung Anno 2 0 0 0 0,50

Item 0 1 0 0 0,25altern. Vorschlag Anno 0 1 0 0 0,25

Item 0 0 1 0 0,25Summe inhaltliche Kommunikation 20 13 9 3 11,25organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge Anno 4 5 3 1 3,25

Item 0 0 1 0 0,25Strukturierung d. Diskussion 0 0 0 0 0,00Meta Anno 2 3 1 0 1,50

Item 0 0 1 0 0,25Summe organisatorische Kommunikation

6 8 6 1 5,25

AushandlungTabelle 35. Beiträge in Gruppe 1

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310 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

In 45 Beiträgen (39 davon in Annotationen) wurden diese Vorschläge diskutiert(vgl. Tabelle 35). Dabei ist beachtenswert, dass 27 Beiträge (16 Zustimmungen,11 Ablehnungen) auf die Wertung bestehender Items (Vorschläge oder Annotatio-nen) entfielen. Dies macht ein hohes Maß an Bezugnahme auf andere Beiträgeinnerhalb der Diskussionsstränge deutlich. In der entstandenen Inhaltsstruktur istdiese Bezugnahme aber oft nur dadurch ersichtlich, dass diese Beiträge in demgleichen Teilbaum eines Vorschlages stehen; sie werden hier häufig nicht alsAnnotation einer Annotation angelegt. Dementsprechend ist die Tiefe der Diskus-sionsstränge meistens lediglich 2 oder 3, nur in einem Fall konnte die Tiefe 5gefunden werden. Durch 6 zusätzliche Argumente wurden hier Positionen verfe-stigt.

Zur Formulierung der Beiträge wurde von drei Personen dieser Gruppe ange-merkt, dass das Einstellen von Annotationen zu viele Schritte erfordere (Techni-sches Problem (TP) 2). So könnten beispielsweise in einem Schritt Inhalte undeine Empfängergruppe angegeben werden, wobei dringend die Auswahl einervoreingestellten und immer wieder zu verwendenden Empfängergruppe notwen-dig sei (TP3). Die vielen Schritte hielten sie einerseits davon ab, kürzere Beiträgezu schreiben und verleite andererseits dazu, mehrere Aspekte in einer Annotationzusammenzufassen:

• P1: „Da musste es jedes Mal ein schwergewichtiger Inhalt sein, bevor ich mirdie Mühe mache, mich durch diese drei Schritte zu klikken.“

• P2: „Ja, ich habe mich auch dabei erwischt, dass ich gedacht habe, dazu wür-dest Du auch mal schnell was schreiben wollen, aber habe gedacht, ach ne,komm lass!“

• P3: „Das führt dann auch dazu, dass man Dinge zusammenfasst, etwa orga-nisatorisches und inhaltliches.“

Diese Beobachtung lässt sich auch durch die Auswertung der Beiträge belegen: indieser Gruppe wurden in 11 von insgesamt 48 Annotationen (ca. 23 %) Beiträgezu inhaltlichen und organisatorischen Themen gemischt, es wurden 62 unter-schiedliche Aspekte in den 48 Annotationen gezählt.

Um Übersichtlichkeit zu wahren, wurde von einem Teammitglied bereits amAnfang des Diskussionsprozesses dazu aufgefordert, eingestellte Items mit einem

Initiieren von Aushandlungen Urheber 1 3 1 0 1,25Publik. 0 0 1 0 0,25

Begründung zu Aushandlungen Anno 1 0 2 1 1,00Summe Aushandlungbeiträge 2 3 4 1 2,50Summe der Beiträge gesamt 30 28 24 6 22,00ErgebnisseAnnotationen mit org. + them. Inhalten

6 3 2 0 2,75

Annotationen insgesamt 29 16 9 3 12,00

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 Durchschnitt

Tabelle 35. Beiträge in Gruppe 1Anzahl inhaltli-cher Diskussi-onsbeiträge

Formulierung von Beiträgen

Darstellung von Items

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 311

Namenskürzel zu versehen (TP4). Dies hatte nach Aussagen der Gruppenmitglie-der den Vorteil, dass in der Baumansicht der Urheber eines Beitrages sichtbar sei.Da dies nach eigenen Angaben der Teilnehmer im Gruppeninterview an einigenStellen vergessen wurde, wurde ein weiterer Hinweis mit erneuter Bitte um Struk-turinformationen eingestellt.

In der Beobachtung während der Nutzung konnte bei allen Teammitgliedern die-ser Gruppe beobachtet werden, dass sie Änderungen bestätigten, um so durchdie Neu-Kennzeichnung neue Beiträge schneller auffinden zu können. Trotzdemmüsste nach Aussagen zweier Personen in den Gesprächen während Nutzungund in dem Gruppeninterview die Transparenz über neue Beiträge deutlich ver-bessert werden (TP7). Eventuell könnte durch einen Button „Neues“ der Baumderart dargestellt werden, dass die Teilbäume mit neuen Items aufgeklappt wer-den. Eigene, neu eingestellte Dokumente hingegen müssten für den Autor nichtals neu gekennzeichnet sein. Die fehlende Wahrnehmung neuer Beiträge sowieder Aktivitäten der anderen Teammitglieder wurde auch im Gruppeninterview alsstörende Größe geschildert: „Für mich war die Direktheit nicht da, dass ich wasgemacht habe und andere haben reagiert oder waren auch im System aktiv, viel-leicht, weil es so umständlich war, die Neuheiten zu entdecken oder weil die anganz unterschiedlichen Stellen agiert haben. Es war so, als würden die Leutenebeneinander agieren, aber nicht miteinander, das hat mich genervt, dass ichnicht das Gefühl hatte, ich agiere mit anderen Leuten“.

Das Nachvollziehen von Diskussionen wird nach Aussage der Teammitgliederwährend des Gruppeninterviews dadurch erschwert, dass neue Annotationen anbeliebigen Stellen in der Inhaltsstruktur eingefügt werden können (TP 6). Dadurchgelingt es oft nicht, Beiträge in zeitlicher Reihenfolge wahrzunehmen.

Die Gruppe veröffentlichte an die Teammitglieder, nicht an alle Teilnehmer desExperimentes. Ein Mitglied eines anderen Teams legte daraufhin eine Nachricht indiesem Bereich ab, in der eine Veröffentlichung an andere Teams gefordertwurde.

Im Gruppeninterview wurden Annotationen als „zentrales Mittel zur Aushandlung“bezeichnet, weil sie Bezugnahme zulassen und damit den Austausch von Argu-menten ermöglichten. Hier wurde hinzugefügt, dass sich die Annotationen in die-sem Experiment vor allem auf andere Annotationen und weniger auf dieVorschläge und damit auf eingestellte Materialien bezögen. Negativ wurdebemerkt, dass die Bezugnahme über Diskussionsstränge hinweg nur mit erhöh-tem Aufwand möglich sei (TP 8). Damit würde auch das Zusammenführen vonVorschlägen entsprechend erschwert werden.

Diskussionssteuerung: Wie bereits oben erwähnt, wurden 21 organisatorischeBeiträge gezählt, 14 davon bezogen sich auf die Organisation des Prozesses, 7auf die Metaebene. Ein Teammitglied erwähnte während des Nutzungsprozesses,dass ein Kanal zur Metadiskussion notwendig sei. Zur Organisation des Prozes-ses wurden in dem Experiment andere Kommunikationswege (ICQ oder Rufenüber den Flur) genutzt.

Wahrnehmung neuer Beiträge und anderer Teil-nehmer

Reihenfolge der Beiträge

Problem: Bezug-nahme zwischen Diskussions-strängen

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312 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Im Gruppeninterview wurde vorgeschlagen, dass sowohl inhaltliche als auchorganisatorische Beiträge in dem gleichen System möglich sein sollen, dass dieseBeiträge aber unterschiedlich dargestellt werden (TP 10). Gegebenenfalls könnteman bei Eingabe einer Annotation zwei Fenster anbieten, die die Eingabe vonOrganisatorischem und Inhaltlichem in einem Schritt erlaubten und trotzdemunterschiedlich dargestellt werden könnten.

Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, dass organisatorische Beiträge (wiez.B. „lasst uns im Ordner X weiter diskutieren“) oft nur von zeitlich begrenzter Gül-tigkeit seien. Hier wurden Mechanismen gewünscht, die dafür sorgen, dass sol-che Beiträge nach einer bestimmten Zeit gelöscht werden. Dies könnte einerseitsdurch Eingabe eines Ablaufdatum technisch realisiert werden, oder über eineorganisatorische Regel, die Teilnehmer dazu auffordert, ihre organisatorischenBeiträge nach einer gewissen Zeit zu entfernen. Zudem müsse es auch möglichsein, die organisatorischen Beiträge auszublenden, damit eine bessere Übersichtüber inhaltliche Beiträge möglich sei. Die integrierte Darstellung ohne die Möglich-keit zur Ausblendung würde zur Unübersichtlichkeit der Inhaltsstruktur beitragen.

Entscheidungsfindung: An dieser Stelle soll näher auf die Betrachtung des„Schicksals“ der einzelnen Vorschläge eingegangen und dabei einige Problemfel-der im Diskussions- und Aushandlungsprozess vorgestellt werden. Von den 9 Vor-schlägen waren zwei Vorschläge ohne Bezug zu anderen. Diese wurdendiskutiert. Zu einem wurde eine Aushandlung initiiert, die zu Ende geführt wurde.

Ein Vorschlag wurde aus der Diskussion eines anderen heraus zu einem sehrspäten Zeitpunkt eingestellt. Ohne große Diskussion wurde dazu eine Urheber-aushandlung initiiert. Diese Aushandlung wurde ebenfalls nicht bis zum Endedurchgeführt.

3 bzw. 2 Vorschläge zielten auf ein ähnliches Thema ab und wurden sehr ausführ-lich behandelt. Da sich hieran auch einige Probleme im Aushandlungsprozessenzeigten, sollen diese hier stellvertretend erläutert werden. Abbildung 52 gibt dabeieinen Überblick über das erste Beispiel und zeigt in der umrandeten Bedingungdie Ursache für die gestrichelt umrandeten zusätzlichen Aktivitäten im Prozess,die durch fehlende Möglichkeit zur einfachen Verbindung zweier Diskussions-stränge verursacht wurde (TP 8).

Von drei Mitgliedern wurden dabei ähnliche Vorschläge eingebracht, die im Fol-genden an zwei Stellen der Inhaltsstruktur (1,2) diskutiert wurden. Dabei wurde inden Beiträgen textuell Bezug zu dem eigenen Vorschlag hergestellt, ohne dasshier etwa durch Verlinkung explizit KOLUMBUS genutzt wurde. Im Verlaufe derDiskussion wurde ein neuer Vorschlag, der eine Reformulierung von V1 bedeutete(3), eingestellt und dazu eine Aushandlung initiiert. Da wesentliche Einwändeeines dritten Teammitglieds an der zweiten Stelle eingebracht wurden (4), wurdedem Aushandlungsvorschlag zunächst nicht zugestimmt, sondern die Einwändeals Annotation an die Aushandlung mit dem Verweis auf die Diskussionspunkte ander zweiten Stelle geschrieben (5). Nach erneuter Ergänzung und weiteren Dis-kussion dieser Ergänzung wurde eine weitere Urheberaushandlung initiiert underfolgreich abgeschlossen. Hier wird deutlich, dass eine Möglichkeit zur Zusam-

Integration von inhaltlichen und organisatori-schen Beitägen

begrenzte Gültig-keit organisatori-scher Beiträge

Diskussion und Aushandlung eines Vor-schlags: Bei-spiel 1

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 313

menfassung von Diskussionssträngen das zweifache Initiieren einer Aushandlunghätte verhindern können.

Abbildung 52. Beispiel 1 eines Diskussionsprozesses in Gruppe 1

Bei einem weiteren Vorschlag, der von zwei Mitgliedern eingebracht wurde, ergabsich ein ähnliches Problem. An beiden Stellen beteiligten sich alle Teammitgliederan den zum Teil kontroversen Diskussionen. Eine Verbindung zwischen den Vor-schlägen wurde nur von einem Mitglied indirekt angedeutet, indem er das gleicheStichwort in den Diskussionsbeiträgen und in seinem Vorschlag verwendete. ImVerlaufe der Diskussion wurde von einem der beiden Autoren des Themas einKonsensordner angelegt, in dem ein reformulierter Vorschlag eingestellt und eineAushandlung initiiert wurde, die aber nicht bis zum Schluss durchgeführt wurde.Bemerkenswert ist hier, dass die Diskussion an den beiden anderen Stellen derursprünglichen Vorschläge weiterverlief, auch wenn durch einen Link die Verbin-dung zwischen ursprünglichem Vorschlag und Vorschlag im Konsensordner auchdurch KOLUMBUS gestützt verlief. Hier fehlt es nach Aussagen der Teammitglie-der an einem Moderator, der die Diskussion von den ursprünglichen Teilbäumenhin zum Konsensordner leiten müsste (Organisatorisches Problem (OP) 4).Zudem zeigte sich hier zum ersten Mal, dass der Inhaltsbereich vor allem beieinem gesamt expandierten Bereich unübersichtlich wurde (TP 5). In der Beob-achtung während der Nutzung wurde deutlich, dass sich die Teilnehmer dannschnell auf einen Teilbaum konzentrierten und andere außer Acht ließen.

Insgesamt wurden 5 Urheber- und 1 Publikationsaushandlung angelegt, vondenen 2 Urheberaushandlungen erfolgreich abgeschlossen wurden. Damiterreichten zwei Vorschläge den Status, dass alle Teammitglieder Urheber sind.Für keinen Vorschlag wurde der Bommerholz-Koordinator als Empfänger ausge-handelt. Gefragt nach dem Ergebnis ihrer Aushandlung nannten die Teammitglie-

P1Projektgruppe 1

P2

Urheberaushand-lung zu Vorschlag 2

einstellen einstellen einstellen

Vorschlag 1 Vorschlag 3Vorschlag 2

diskutierenzu V1 diskutieren

zu V2

Vorschlag A

Urheber: Projektgr.Empfänger: Projektgr.

Einwände 4

Vorschlag P1+P2

Urheber-Aushandlung

Votum=„Diskussion“

begründetVorschlag

reformulierenreformulierterVorschlag P1,P2

P3 P4

1 2

3

5

Diskussion und Aushandlung eines Vor-schlags: Bei-spiel 2

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314 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

der im Gruppeninterview, dass das Ergebnis nicht so klar vor Augen liege (TP16),sondern „irgendwo in den Inhalten verschwinde“.

Als Größen für eine erfolgreiche Aushandlung wurde zunächst die Erreichungeines Zieles genannt, aber auch das Zusammentragen von Argumenten. Vor demHintergrund der fehlenden Transparenz des Ergebnisses (TP16) wurde zudemgenannt, dass das Ergebnis für alle Teammitglieder sichtbar sein müsse. Die Aus-handlung wurde nur insofern als erfolgreich bezeichnet, als dass viele Argumentezusammengetragen und ausgetauscht wurden. In Bezug auf das Ziel, Vorschlägean den Bommerholz-Koordinator weiterzugeben und das Ergebnis sichtbar zuhaben, wurde die Aushandlung als nicht erfolgreich bewertet.

Bezogen auf den Prozess der Aushandlung wurde, gerade vor dem Hintergrundder diversen, über den Inhaltsbereich verstreuten Diskussionen zu ähnlichen The-men, von zwei Personen explizit Verantwortliche für die Diskussionsstränge gefor-dert (OP1), die Beiträge zusammenfassen, einen Gesamtvorschlag aus derDiskussion erarbeiten und zu diesem eine Aushandlung initiieren. Zudem müssees einen Verantwortlichen geben, der den Gesamtprozess leitet und von derPhase eines Brainstormings zu der Phase des Diskutierens und des Aushandelnsüberleite (OP3). Im Gruppeninterview wurde erwähnt, dass die Phasen des Nut-zungsprozesses nicht klar waren und jeder nach seinem eigenen Empfinden teil-genommen habe.

Als ein weiteres Problem bezogen auf den Aushandlungsprozess wurde im Grup-peninterview der Zeitpunkt des Anstoßens einer Aushandlung genannt. Es wurdeerwähnt, dass hier Aushandlungen vor allem zu den Vorschlägen initiiert wurden,die besonders viel diskutiert wurden. In dieser Gruppe wurden die Aushandlungenvon denjenigen initiiert, die den Vorschlag auch eingestellt hatten. Hier wurdeimplizit davon ausgegangen, dass die Vorschläge ohne Diskussion nicht auf Inter-esse stoßen. Im Gruppeninterview wurde diese Annahme kontrovers diskutiert.Für diese Annahme spricht, dass auch zustimmende Beiträge zu Vorschlägengenannt wurden, dagegen spricht, dass auch Vorschläge übersehen werdenkonnten.

Schließlich wurde in dem Gruppeninterview diskutiert, ob der explizite Schritteiner Aushandlung notwendig sei. Während ein Teammitglied darauf hinwies,dass die Einigung schon während der Diskussion stattfände, erwähnte ein ande-res Mitglied mit Bezug auf das oben erwähnte erste Beispiel, dass eine offizielleZustimmung durch den Schritt der technisch unterstützten Aushandlung hilfreichund notwendig sei, damit jedem Beteiligten noch mal die Möglichkeit zur Zustim-mung oder Ablehnung gegeben werde.

Hier sei allerdings unbedingt die Begründung von Entscheidungen notwendig(TP12), so wie dies auch schon während des Experimentes gehandhabt wurde.Es wurden 4 Annotationen zu Aushandlungen gefunden, die eine getroffene Ent-scheidung begründeten. Dementsprechend wurden im Gruppeninterview als Ver-besserungsvorschlag zur Unterstützung des AushandlungsschrittesBegründungen zum abgegebenen Votum gewünscht.

zum Erfolg der Aushandlung

Notwendigkeit zur Moderation

Zeitpunkt der Initiierung einer Aushandlung

implizites vs. explizites Aus-handeln

Begründungen zum abgegebe-nen Votum

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 315

Abschließend wurde auch deutlich, dass die Teammitglieder abhängig von denInhalten abstimmten. Dabei wurde von einem Teammitglied kritisch geäußert,dass nicht alle Diskussionen bis zum Ende durchgeführt wurden. Hier wurde wie-derum darauf hingewiesen, dass wegen der Menge an Schritten während der Ein-stellung ein Austausch über Kleinigkeiten verhindert wurde.

C.4.2 Gruppe 2Gruppe 2 umfasste fünf Teilnehmer, die Lösungssuche fand in zwei vereinbartenZeiträumen statt. Dabei wurden von drei Teammitgliedern Vorschläge in eigenenTeilbäumen angelegt, zwei weitere legten ihre Vorschläge auf oberster Ebene desTeamordners ab. Insgesamt wurden 17 Vorschläge eingestellt.

In 47 Beiträgen wurden diese Vorschläge diskutiert, 46 davon waren in Annotatio-nen zu finden (vgl. Tabelle 36). 22 Beiträge (10 Zustimmungen, 12 Gegenreden)bezogen sich dabei auf die Wertung bestehender Items. Ähnlich wie in der erstenGruppe wurden auch hier überwiegend Stränge der Tiefe 2 bzw. 3 gefunden, derBezug zwischen den Beiträgen ist ebenfalls nicht unmittelbar an der Inhaltsstruk-tur zu erkennen. Wiederum an einer Stelle wurde bis zur Tiefe 5 diskutiert.

Anders als in der ersten Gruppe ist hier eine vergleichsweise hohe Anzahl an Bei-trägen (9) mit Verweisen auf Beiträge an anderen Positionen der Inhaltsstruktur.Dies hängt nach Aussagen in den Gesprächen während der Nutzung mit derhohen Anzahl an Vorschlägen zusammen, die die Teammitglieder zusammenzu-bringen versuchten. Zudem konnten 6 Nachfragen und 9 Beiträge mit zusätzli-chen Informationen bzw. Argumenten gefunden werden. In den Gesprächenwährend der Nutzung stellt sich hier heraus, dass durch Diskussionen an vielenunterschiedlichen Stellen und zum Teil konkurrierender Änderungen an einemVorschlag nach erfolgreicher Urheberaushandlung vermehrt inhaltlicher Klärungs-bedarf notwendig war. Auf die Diskussion dieses Vorschlages soll im Abschnitt zurEntscheidungsfindung eingegangen werden. Das hier aufgetretene Problem kannauch ein Grund für die vergleichsweise hohe Anzahl an organisatorischen Beiträ-gen (27) sein.

In dieser Gruppe zeigten sich sehr unterschiedliche Ansätze zur Strukturierungund Benennung von Vorschlägen bzw. Beiträgen. Während drei Teammitgliedermit Vorschlägen in einem eigenen Teilbaum sowie ein Mitglied mit Vorschlägenauf oberster Ebene ihre Vorschläge zusätzlich mit Namenskürzel und Nummerie-rung versahen, wurde von dem letzten Teammitglied keinerlei Strukturinformationangegeben. Von einem Teammitglied wurde in dem Gespräch während der Nut-zung und auch während des Gruppeninterviews die mangelnde Unterstützung indem Aufbau einer Inhaltsstruktur erwähnt (Technisches Problem (TP) 1). Erschlug vor, dass eine Struktur entweder von einer ausgezeichneten Person ange-legt oder eine Systemunterstützung für das Anlegen der Struktur bei Einrichtungeines solchen Diskussionsbereichs angeboten werden müsse. Für die Gruppestand am Ende des Gruppeninterviews fest, dass nur so eine einheitliche Strukturzu erreichen sei.

Anzahl inhaltli-cher Diskussi-onsbeiträge

Fehlende Unter-stützung im Auf-bau der Inhaltsstruktur

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316 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Ähnlich wie in Gruppe 1 wurden auch hier bemängelt, dass die Wahrnehmungneuer Beiträge sehr schwierig sei (TP 7). Dies wurde hier dadurch erschwert,dass wegen der großen Menge an Vorschlägen an sehr vielen Stellen der Inhalts-struktur potenziell Diskussionen aufkommen konnten: „Ich arbeite in einem unte-ren Ordner, da kriege ich gar nicht mit, was oben so passiert!“. Von 2 der 5Teammitglieder wurde hier erwähnt, dass sie die Funktion „Änderungen nachvoll-ziehen“ verwendeten, um anschließend Neuerungen besser wahrnehmen zu kön-nen. Insbesondere wurde in dieser Gruppe auch bemängelt, dass Änderungen inItems nicht nachvollziehbar seien (TP 9). Im Gruppeninterview wurde die Inhalts-struktur als „nicht effektiv genug“ (TP 5) bezeichnet, um an mehreren Stellen ver-schiedene Vorschläge zu diskutieren.

Bezogen auf die Darstellung der Inhalte wurde zudem gefordert, dass man inner-halb der Baumansicht bei Bedarf für einen Teilausschnitt die Zeitungsansicht aus-wählen können müsste, die umrahmt von den davor- und dahinterliegendenTeilbäumen dargestellt werde sollte. Durch die Einbettung der Zeitungsansicht indie Baumansicht würden zusätzlich Kontextinformationen gegeben werden.

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 P5 Durchscnitt

Produktion von InhaltenVorschlag Item 4 3 8 3 0 3,60

Anno 0 0 0 0 0 0,00Dok 0 0 0 0 1 0,20

Strukturierungsitem Item 0 0 1 0 0 0,20Anno 0 0 0 0 0 0,00Heading 1 0 1 1 0 0,60

Summe Prod. von Inhalten 5 3 10 4 1 4,60inhaltliche KommunikationNachfrage Anno 3 2 0 0 1 1,20Zusatzinformation Anno 2 0 1 0 0 0,60

Bin 0 0 0 0 0 0,00zusätz. Argument Anno 0 3 1 0 2 1,20Wertung/Zustimmung Anno 2 5 1 0 2 2,00Wertung/Gegenrede Anno 2 4 4 0 2 1,60

Item 0 0 0 0 0 0,00Beiträge mit Verweis zu anderen

Anno 4 2 2 0 0 1,60

Link 0 0 1 0 0 0,20Reformulierung Anno 0 0 0 0 0 0,00

Item 0 0 0 0 00 0,00altern. Vorschlag Anno 0 0 1 0 0 0,20

Item 0 0 0 0 0 0,00Tabelle 36. Beiträge in Gruppe 2

Probleme mit der Wahrnehmung neuer Inhalte

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 317

Als ein weiteres Problem wurde auch in diesem Team die flexible Reihenfolge desEinstellens genannt, die das Nachvollziehen eines Diskussionsstranges erheblicherschweren würde (TP 6). Hier wurde eine chronologische Reihenfolge gefordert,die, ähnlich wie bei vielen E-mail-Anwendungen, flexibel auf- oder absteigend sor-tiert werde.

Schließlich wurde im Gruppeninterview sehr intensiv das Problem der Verbindungverschiedener Vorschläge diskutiert (TP 8). Hier wurde, wie auch schon in derersten Gruppe, bemängelt, dass Querverweise zu Items oder Annotationen ananderen Stellen der Inhaltsstruktur nur sehr schwer möglich seien. Als Verbesse-rungsvorschlag wurden in dieser Gruppe die Möglichkeit zu URLs als Bestandteilevon Annotationen (z.B. auch durch Anklicken der in Bezug zu setzenden Itemsoder Annotationen) genannt. Dadurch würde auch der Prozess von einzelnen zugemeinsamen Vorschlägen transparenter.

Zudem wurde im Gruppeninterview deutlich gemacht, dass die Unterschiede zwi-schen Annotationen und Items deutlich wurde: „der Begriff Annotation ist offen-sichtlich aussagekräftig genug, dass er anzeigt, wofür das eigentlich gut ist imAushandlungsprozess; nämlich Bemerkungen zu machen.“ Annotationen wurdenals passende Funktionalität zur Unterstützung von Diskussionen genannt, mit

Summe inhaltliche Kommunikation

13 16 11 0 7 9,40

organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge Anno 11 3 5 5 1 5,00

Item 0 0 1 0 0 0,20Strukturierung d. Diskussion 0 0 0 0 0 0,00Meta Anno 0 0 0 0 0 0,00

Item 0 1 0 0 0 0,00Summe org. Kommunikation 11 4 6 5 1 5,40AushandlungInitiieren von Aushandlungen Urheber 1 0 3 1 0 1,00

Publik. 0 0 1 0 0 0,20Begründung zu Aushandlungen

Anno 0 0 1 0 0 0,20

Summe Aushandlungbeiträge 1 0 5 1 0 1,40Summe der Beiträge gesamt 30 23 32 10 9 20,80ErgebnisseAnnotationen mit org. + them. Inhalten

0 0 0 0 0 0,00

Annotationen insgesamt 22 16 15 6 8 13,40

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 P5 Durchscnitt

Tabelle 36. Beiträge in Gruppe 2Reihenfolgen-problem

Problem: Bezug-nahme zwischen Diskussions-strängen

Annotationen zur Unterstützung des Aushand-lungsprozesses

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318 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

deren Hilfe Argumente im System hinterlegt werden könnten. Zudem wurden sieim Gruppeninterview einstimmig als Teil des Aushandlungsprozesses angesehen.

Diskussionssteuerung: Es wurden insgesamt 27 organisatorische Beiträgegezählt, 26 bezogen sich auf die direkte Organisation des Prozesses, 1 auf dieMetaebene. 14 organisatorische Beiträge bezogen sich auf die stark diskutierten,zuvor beschriebenen Vorschläge im Konsensordner.

In dem Gruppeninterview wurde bzgl. der Eigenschaft von Annotationen zurUnterstützung der Organisation des Aushandlungsprozesses die Schwierigkeitder Unterscheidung zwischen organisatorischen und inhaltlichen Beiträgenerwähnt (TP 10). Es wurde dafür plädiert, organisatorisches und inhaltliches nichtzu trennen, da die Organisation mitunter auch von den Inhalten abhängen kann.Als Lösungsmöglichkeit wurden hier „bijektive Verlinkung“ zwischen organisatori-schen und inhaltlichen Beiträgen genannt, um so auch Rückschritte und damitKontextualisierung zu unterstützen.

In diesem Team wurde im Gruppeninterview die Unterscheidung zwischenMetaebene und kurzfristigen organisatorischen Beiträgen als Arbeitsaufgaben(z.B. „Du initiierst jetzt mal eine Aushandlung“) diskutiert. Letztere resultieren fürdiese Gruppe aus der Metaebene. Sie sollten nach Ausführung dieser Aufgabeeinfach löschbar sein, z.B. durch einfaches Abhaken des Beitrages, so wie diesaus Aufgabenlisten in „Personal Digital Assistants“ (PDAs) bekannt ist. Ebensowurde an dieser Stelle eine Möglichkeit gefordert, dass solche Aufgaben gegebe-nenfalls auch vergeben werden können (Organisatorisches Problem (OP) 2). Fürdie beiden unterschiedlichen Ausprägungen wurden auch unterschiedliche Typenvorgeschlagen: während für Metadiskussionen eher Items verwendet werden, hät-ten Arbeitsaufgaben ihren Platz eher in Annotationen. Hier zeigte sich eine im Ver-gleich zu Items differenzierende Sicht auf Annotationen: „ich habe im Kopf, dassAnnotationen nicht so schwergewichtig sind.“

Entscheidungsfindung: Anders als in der ersten Gruppe gab es hier sehr vieleVorschläge, die im weiteren Verlauf keine große Relevanz mehr hatten. Dies liegtnach Aussagen der Teammitglieder vor allem daran, dass die Fülle an Vorschlä-gen nicht so gut zu überblicken gewesen sei und sich die Diskussion aus diesemGrunde auf einen Vorschlag konzentrierte.

2 der 17 Vorschläge wurde nicht diskutiert, 8 Vorschläge ohne Bezug zu anderenVorschlägen wurden zwar diskutiert, aber nicht bis zur Aushandlung gebracht.Von 2 Teammitgliedern wurde je ein Vorschlag zu einem ähnlichen Thema einge-bracht, es wurde zwar ein Bezug hergestellt, das Thema aber nicht weiter verfolgt.Ein anderer Vorschlag wurde ebenfalls von 2 Teammitgliedern vorgebracht, imLaufe der Diskussion wurde dieses Thema jedoch als unpassend für einen The-menvorschlag für die Bommerholz-Tage angesehen.

Ein Thema wurde von 3 Teammitgliedern in ihren Vorschlägen angeführt (1,2,3).An Hand dieses Vorgangs können aufgetretene Probleme dargestellt werden.Abbildung 53 gibt einen Überblick über diesen Prozess. Umrandet sind hier diewesentlichen Gründe für die Entstehung der Probleme.

Integration von inhaltlichen und organisatori-schen Beiträgen

Unterscheidung zwischen organi-satorischen Bei-trägen und Metaebene

Diskussion und Aushandlung eines Vorschla-ges: Beispiel

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 319

Der Themenvorschlag wurde an einer Stelle in der Inhaltsstruktur diskutiert (4),bevor im weiteren Verlauf in einem ersten Konsensordner von 2 dieser 3 Teammit-glieder je ein neu formulierter Vorschlag zu diesem Thema eingestellt wurde (5,6).Beide vermeintlichen Konsensvorschläge wurden zur Aushandlung gestellt, fürVorschlag A wurde die Urheberaushandlung erfolgreich durchgeführt (7). Vor-schlag B wurde auf Grund der Formulierung sowie dem im Vergleich zu VorschlagA schwächeren Abschneiden von Mitglied 1 abgelehnt. Diese Ablehnung wurde ineiner Annotation begründet.

Abbildung 53. Beispiel eines Diskussions- und Aushandlungprozesses in Gruppe 2

Nach dieser Aushandlung wurde weiter an Vorschlag A diskutiert, dass einigeAspekte aus dem Vorschlag B zusätzlich in Vorschlag A aufgenommen werdensollten. Daraufhin änderten beide Teammitglieder (P1 und P2) gleichzeitig Vor-schlag A (8,9). Dies zog einige organisatorische Annotationen nach sich, die ver-suchten, diese wechselseitigen Änderungen zu erklären bzw. wieder rückgängigzu machen. Hier zeigt sich, dass fehlende Transparenz bzgl. der Änderungen(TP9) zu Problemen bei der gemeinsamen Bearbeitung führen kann.

Von dem Teammitglied P2, das die Änderungen an dem bereits ausgehandeltenItem vorgenommen hatte, wurde im weiteren Verlauf eine Annotation eingestellt,in der nach Meinungen zu dieser Änderung gefragt wurde. Bis auf ein Mitglied(P4), das zu der betreffenden Zeit an einer anderen Stelle in der Inhaltsstrukturarbeitete und nicht wahrgenommen hatte, dass dort Änderungen vorgenommenwurden, stimmten alle anderen durch entsprechende Bekundigungen in Annota-tionen zu (10). Das ändernde Teammitglied 2 fühlte sich durch die Mehrheit anZustimmungen bestätigt und initiierte eine Publikationsaushandlung zu dem modi-fizierten Vorschlag.

P1

Projektteam 2

P2 P3P5

Änderungen positiv annotieren

Urheberaushand-lung zu Vorschlag B

einstellen

ändern

einstellen einstellen

Vorschlag 1 Vorschlag 3Vorschlag 2

diskutierenzu V1

annotieren:Verbindung zu V1

Konsensordner

Vorschlag B

Vorschlag A

aushandelnzu Vorschlag A

zu Vorschlag B

Vorschlag A

Urheber: Projektteam 2Empfänger: Alle

Änderung annotieren

Publikationsaus-handlung zu V A initiieren

P4

31 2

4

5 67

8 9

10

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320 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Durch die von KOLUMBUS im Rahmen von Aushandlungen initiierte E-Mail aufdiese Publikationsaushandlung aufmerksam gemacht, ging das bis dahin unbetei-ligte Teammitglied P4 davon aus, dass sich Mitglied P2 mit der Änderungsannota-tion auf Vorschlag B (also den, den P2 ursprünglich in den Konsensordnereingestellt hatte) bezog. P4 hatte keine Möglichkeit, die Änderungen, die an denItems vorgenommen wurden, wahrzunehmen, da in KOLUMBUS ursprünglichTexte überschrieben wurden (TP9). Dies wurde hier ein Problem, weil Mitglied 4den Entstehungsprozess nicht wie die anderen Teammitglieder verfolgte. Ver-meintlich verbessert traf Vorschlag B nun die Zustimmung von Mitglied 4, so dassMitglied 4 erneut eine Urheberaushandlung zu Vorschlag B initiierte. Dies verur-sachte wiederum mehrere organisatorische Beiträge. Besonders Mitglied 1, dasVorschlag B während der ersten Urheberaushandlung bereits abgelehnt hatte unddem auf Grund seiner Beteiligung an den Änderungen bewusst war, dass an Vor-schlag B nichts geändert wurde, zeigte Unverständnis für diesen erneuten Aus-handlungsversuch von Mitglied 4.

In dem Gruppeninterview wurde diese Situation nochmals thematisiert und vermu-tet, dass gerade bei asynchroner Nutzung das Problem der Nicht-Wahrnehmungvon Änderungen noch mehr zu Unstimmigkeiten führen könnte. Aus diesem Pro-blem resultierte im Gruppeninterview die Forderung, dass transparent seinmüsse, wo welche Änderungen vorgenommen werden würden und dass alte Ver-sionen weiter zum besseren Nachvollzug zur Verfügung stehen müssten.

Zudem sollten Ergänzungen nach Änderung nochmal ausgehandelt werden bzw.sollten Ergänzung des Vorschlages in einem eigenen Item hinzugefügt werden,das nochmals ausgehandelt werden müsste: „es ist ja dann im weitesten Sinnemein Vorschlag und nicht das Ergebnis der gesamten Gruppe, wenn da wasmodifiziert wird.“

Abschließend wurde in zwei weiteren Konsensordnern je ein Vorschlag einge-stellt, die beide unabhängig von den ursprünglich eingebrachten Vorschlägenwaren. Im Gruppeninterview wurde dieses Anlegen verschiedener Konsensordnerals ein Versuch der Sequentialisierung des Diskussionsprozesses bezeichnet. Zubeiden Vorschlägen im Konsensordner wurde eine Aushandlung angestoßen, dieaber beide nicht erfolgreich waren. Insgesamt wurden 5 Urheber- und 1 Publikati-onsaushandlung gestartet, von denen 1 Urheber- und 1 Publikationsaushandlungerfolgreich war. Damit erreichte ein Vorschlag den Status, dass alle Teammitglie-der Urheber und die Gesamtgruppe und der Bommerholz-Koordinator in der Emp-fängergruppe sind.

Als Ergebnis wurde im Gruppeninterview neben dem ausgehandelten Vorschlagauch genannt, dass der Austausch von Informationen Bestandteil dieses Ergeb-nisses sei. Ein Erfolg der Aushandlung wurde nicht gesehen, da bei der Modifika-tion nicht alle Mitglieder an dem endgültigen Vorschlag beteiligt waren. Zudemwar es im Rahmen der vereinbaren Experimentzeit nicht gelungen, zumindest füreinen Vorschlag eine Publikationsaushandlung erfolgreich abzuschließen. AlsGründe wurde hier genannt, dass einerseits niemand die Aufgabe der Initiierungeiner Publikationsaushandlung übernehmen wollte („dann gab es die klassischeDiffusion der Verantwortung“) (OP 2). Zudem wurde bemängelt, dass der Prozess

Notwendigkeit zum Nachvoll-zug von Ände-rungen

Notwendigkeit zur Aushand-lung von Ergän-zungen

zum Erfolg der Aushandlung

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 321

des Aushandelns mit Themenvorschlägen und zwei Aushandlungsschritten sokompliziert sei, dass eine Unterstützung dieses Prozesses notwendig sei (OP3).Dies könnte entweder durch das System geschehen, in dem nächste Pro-zessschritte angegeben werden oder durch einen Moderator, der diese Aufgabengegebenenfalls zuweisen könne.

Bezogen auf den Prozess wurden Schwierigkeiten bzgl. der Transparenz der ent-standenen Konsensvorschläge (TP 16) genannt. Hier wurde der Verweis in Beiträ-gen auf ähnliche Inhalte als nicht ausreichend bewertet, weil nicht deutlich sei, anwelcher Stelle in der Inhaltsstruktur diese Beiträge zu finden seien. Solche Bei-träge entsprechen einer Referenzierung auf Kontextinformationen, ohne einenReferenzpunkt anzugeben (TP 8). Dies könnte durch eine Möglichkeit zur Verbin-dung zwischen Items und/oder Annotationen umgangen werden.

Auch für den eigentlichen Aushandlungsschritt wurden in dieser Gruppe Verbes-serungspotenziale gesehen. So wurde auch hier gefordert, dass Transparenzüber die Voten (TP 14) sowie Begründungen zu einem Votum (TP 12) möglichsein müssten, auch wenn während der Nutzung hier nur von einem Teammitgliedeine Begründung eingestellt wurde. An Hand dieser Begründungen können nachMeinung der Teammitglieder auch Missverständnisse erkannt werden. Möglicher-weise wird durch diese Transparenz auch die Zurücknahme von Voten notwendig(TP 11). Zudem wurde das Versenden einer E-Mail gefordert, wenn Aushand-lungsprozesse abgeschlossen sind.

C.4.3 Gruppe 3Gruppe 3 umfasste vier Teilnehmer, die Lösungssuche fand in zwei vereinbartenZeiträumen statt. Dabei wurde von keinem Mitglied ein eigener Teilbaum angelegt,so dass in dieser Gruppe alle Vorschläge auf oberster Ebene des Projektberei-ches zu finden waren. Insgesamt wurden 11 Vorschläge eingestellt.

In 33 Beiträgen wurden diese Vorschläge diskutiert, 31 davon waren in Annotatio-nen zu finden (vgl. Tabelle 37). Diese Anzahl liegt unter der Anzahl der Beiträge inden ersten beiden Gruppen. 21 Beiträge entfielen auf die Wertung von Items oderAnnotationen (10 Zustimmungen, 11 Gegenreden). Die Tiefe der Diskussions-stränge waren auf maximal 3 beschränkt. In 6 Annotationen wurden Bezüge zuBeiträgen an anderen Stellen der Inhaltsstruktur gefunden. Die Bezugnahme vonAnnotationen auf Annotationen ist ein weiteres Mal nicht an der Inhaltsstruktur zuerkennen (Technisches Problem (TP) 8).

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 Durchschnitt

Produktion von InhaltenVorschlag Item 5 1 3 2 2,75

Anno 0 0 0 0 0,00Dok 0 0 0 0 0,00

Tabelle 37. Beiträge in Gruppe 3

Unterstützung zum Nachvoll-zug der Entste-hung von Vorschlägen

Begründung zu abgegebenen Voten und Aus-handlungstrans-parenz

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322 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Strukturierungsitem Item 0 0 0 0 0,00Anno 1 0 0 0 0,25Heading 0 0 0 0 0,00

Summe Produktion von Inhalten 6 1 3 2 3,00inhaltliche KommunikationNachfrage Anno 1 0 0 0 0,25Zusatzinformation Anno 0 0 0 0 0,00

Bin 0 0 0 0 0,00zusätz. Argument Anno 2 1 1 1 1,25Wertung/Zustimmung Anno 1 2 5 2 2,50Wertung/Gegenrede Anno 3 1 3 2 2,50

Item 0 2 0 0 0,50Beiträge mit Verweis zu anderen Anno 2 0 3 1 1,50

Link 0 0 0 0 0,00Reformulierung Anno 12 0 0 0 3,00

Item 0 0 0 0 0,00altern. Vorschlag Anno 0 0 0 0 0,00

Item 0 0 1 0 0,25Summe inhaltliche Kommunikation 21 6 12 6 11,25organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge Anno 4 5 3 1 3,25

Item 0 0 1 0 0,25Strukturierung d. Diskussion 0 0 0 0 0,00Meta Anno 2 3 1 0 1,50

Item 0 0 1 0 0,25Summe organisatorische Kommunikation

6 8 6 1 5,25

AushandlungInitiieren von Aushandlungen Urheber 1 3 1 0 1,25

Publik. 0 0 1 0 0,25Begründung zu Aushandlungen Anno 1 0 2 1 1,00Summe Aushandlungbeiträge 2 3 4 1 2,50Summe der Beiträge gesamt 33 7 22 14 19,00ErgebnisseAnnotationen mit org. + them. Inhalten

0 0 0 0 0,00

Annotationen insgesamt 21 3 11 12 11,75

Beschreibung Typ P1 P2 P3 P4 Durchschnitt

Tabelle 37. Beiträge in Gruppe 3

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 323

Während die eingestellten Vorschläge mit Namenskürzeln versehen wurden,wurde bei Annotationen darauf verzichtet. Von einem Gruppenmitglied wurdegeäußert, dass es ihm anfangs umständlich und überflüssig erschien, zusätzlichimmer das Namenskürzel anzugeben, dass aber bei wachsender Inhaltsstruktursogar die Notwendigkeit erkannt und auch für die Annotationen gewünscht wurde.Im Gruppeninterview wurde kritisch geäußert, dass man den Namen auch auto-matisch angeben könnte, da dieser wegen des Logins bereits im System verfüg-bar sei (TP 4). Im abschließenden Gruppeninterview wurde zudem bemängelt,dass die Vorschläge, über die diskutiert und die letztlich auch ausgehandelt wur-den, nicht als Vorschläge, sondern eher als Meinungen formuliert waren: „eswaren nicht so richtig Aushandlungsvorschläge, sondern eher so was wie mir istaufgefallen, was ich interessant fände“. Hier wurde ein Vergleich zu herkömmli-chen Sitzungen gezogen, in denen in einem Zwischenschritt der Antragsformulie-rung aus Meinungen gut formulierte Vorschläge entstünden, die anschließendausgehandelt werden. Da der Verhandlungsgegenstand nicht immer am Anfangstand, sondern mit Worten wie „ich meine, dass wir vor dem Hintergrund...“ einge-leitet wurde, wurde die überblickartige Wahrnehmung der Beiträge in der Bau-mansicht erschwert. Im Gruppeninterview wurde dafür plädiert, dass derVerhandlungsgegenstand möglichst weit am Anfang stehen sollte. In diesemZusammenhang wurde auch angemerkt, dass die Vorschläge nicht mehr modifi-ziert wurden, sondern in ihrem ursprünglichen Zustand zur Aushandlung vorge-schlagen wurden. Dies wurde damit begründet, dass nicht, wie in Face-to-Face-Sitzungen Anträge formuliert werden müssen, sondern dass, so wie in der vorlie-genden Diskussion geschehen, aus „Faulheit“ auch auf diesen Schritt verzichtetwerden könne.

Im Gruppeninterview wurde besonders der Startpunkt des Diskussionsprozessesdiskutiert; hier wurden vor allem zwei Wege genannt: „Du hast zwei Möglichkei-ten, den Prozess voranzutreiben: Du schmeißt 50 Vorschläge rein, von denen sicheinige auch ähnlich sind und irgendwann findest Du drei, die alle gut finden oderDu diskutierst ganz lange an einem oder zwei Vorschlägen“. Hier wurde Bedarfgesehen, sich im Vorfeld auf eine einheitliche Handhabung zu verständigen(Organisatorisches Problem (OP) 5). Die Mitglieder dieser Gruppe hatten unter-schiedliche Vorstellungen bzgl. des Prozessstarts, so dass einige viele Vor-schläge einstellten, während andere schon frühzeitig mit der Diskussion starteten.

Zusätzlich wurde mehr Unterstützung bei der Wahrnehmung über den Stand vonDiskussionen gefordert (TP 6). Im Gruppeninterview wurde erwähnt, dassdadurch mehr Themen vertiefend diskutiert und vielleicht sogar zur Aushandlunggebracht worden wären. Gleichzeitig wurde jedoch zu Bedenken gegeben, dassdies im Wesentlichen in der Verantwortung der Nutzer liege und nicht so gut vomSystem unterstützt werden könnte.

Annotationen wurden in dieser Gruppe als Vorbereitung für die eigentliche Aus-handlung angesehen, da kaum Annotationen auf Aushandlungen folgten. Sie wur-den hier, wie auch in den anderen Gruppen, als gute Möglichkeit zum Austauschvon Argumenten bezeichnet.

Formulierung von Vorschlägen

zwei Wege des Prozessstarts

Transparenz über Diskussi-onsfortschritt

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324 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Diskussionssteuerung: In dieser Gruppe wurden nur 7 organisatorische Bei-träge gefunden, es fand keine Metadiskussion in KOLUMBUS statt. Im Gruppen-interview wurde deutlich, dass in dieser Gruppe Organisatorisches über andereKommunikationswege, z.B. ICQ, stattfand. Ein Teammitglied fand es „nicht unge-wöhnlich“, dass für die Prozessorganisation das Medium gewechselt werde. Eswurde aber ergänzt, dass es sinnvoll sein könnte, wenn es ein zusätzliche Item„organisatorische Beiträge“ gebe, die man in die Inhaltsstruktur einstellen könnte(TP 10). Diese müssten Nutzer jedoch „auf einen Klick ausblenden können“, umsich bei Bedarf auf den Inhalt konzentrieren zu können.

In dieser Gruppe fand sich ein Mitglied, das eine Art Moderation übernahm undauf dem Weg über ICQ die anderen von der Phase der Diskussion in die Phaseder Aushandlung führen wollte (OP 4). Im Gruppeninterview wurde diese Maß-nahme als sehr hilfreich für den Prozessfortschritt angesehen: „im Nachhineinglaube ich, dass es gar keine Aushandlung gegeben hätte, wenn nicht einer [...]gesagt hätte, so, jetzt machen wir mal Aushandlung, wir hätten einfach noch ewigweiterdiskutieren können.“

Entscheidungsfindung: In dieser Gruppe wurden 10 der 11 Vorschläge disku-tiert. Nur zu einem Vorschlag, der thematisch ähnlich zu zwei anderen Vorschlä-gen war, wurden keine Annotationen hinzugefügt. Viele Vorschläge bezogen sichauf unterschiedliche Themen, nur ein Thema wurde von drei Mitgliedern vorge-schlagen. Auffällig ist hier die vergleichsweise geringe Anzahl an Beiträgen zuden einzelnen Vorschlägen. Bei den meisten Vorschlägen existieren 2-3 Beiträge,die Maximalanzahl an Beiträgen zu einem Vorschlag war 4 und kam genau einmalvor. Als Begründung wurde hier genannt, dass wegen der Kürze der Experiment-zeit nicht alles ausdiskutiert werden konnte. Ein Mitglied äußerte im Gesprächwährend der Nutzung Bedenken, dass niemand deutliche Ablehnung signalisiere,sondern immer versuche, durch Ergänzungen den Vorschlag zu modifizieren. ImVergleich zu Gruppe 2, in der ein Thema sehr ausführlich diskutiert wurde, wurdehier eine große Anzahl an Themen andiskutiert. In dieser Gruppe wurde kein her-ausragendes Problem gefunden, so dass auf die Darstellung eines Beispiels andieser Stelle verzichtet werden soll.

Nach dem ersten Experimentzeitraum wurde von einem Teammitglied eineZusammenfassung der bisherigen Vorschläge und Diskussionen eingestellt. InForm von Annotationen wurden hier drei Themenblöcke gebildet. Ein Block bezogsich dabei auf das von 3 Teammitgliedern vorgeschlagene Thema, zwei weitereauf jeweils nur einmal vorgeschlagene Themen. Die Ähnlichkeit konnte nur durchgenaues Lesen bzw. Nachfragen erkannt werden. Abermals wurden hier keineVerbindungen, zum Beispiel durch einen Link, eingestellt (TP 8).

Bemerkenswert ist, dass jenes Thema, das drei Vorschläge zusammenfasste, indiesem Konsensordner weiterdiskutiert und zur Aushandlung vorgeschlagenwurde, während Diskussion und Aushandlung zu einem zweiten Thema an demursprünglichen Vorschlag stattfand. Im Gruppeninterview wurde dementspre-chend darauf hingewiesen, dass diese Doppelung nicht günstig für den Aushand-lungsprozess sei: „oben dann die Wiederholung, unten das Original; dann ist esirgendwie irreführend, wo man dann aushandeln soll“. An dieser Stelle fehlte die

Moderator

Zusammenfas-sung von Vor-schlägen

Problem: feh-lende Verbin-dungsmöglichkeiten zwischen Beiträgen

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 325

schon sehr häufig genannte Möglichkeit zur einfachen Verbindung zwischen Bei-trägen an unterschiedlichen Positionen in der Inhaltsstruktur (TP 8).

Insgesamt wurden in 5 Urheber- und 7 Publikationsaushandlungen 4 Vorschlägezur Aushandlung gestellt. Dies ist im Vergleich zu den anderen Gruppen eine sehrhohe Anzahl an Aushandlungen. Dabei wurde zu einem Vorschlag eine Aushand-lung initiiert, der nur sehr kurz diskutiert wurde und keine Beachtung in den Vor-schlägen im Konsensordner fand. Dieser wurde von einem Mitglied abgelehnt,„versehentlich“ während der Urheberabstimmung jedoch mit „Ja“ gestimmt, sodass die Urheberaushandlung erfolgreich verlief. Hier wurde in dem Gesprächwährend der Nutzung bemängelt, dass man seine Stimme bei Bedarf nicht wiederzurücknehmen könne (TP 11). Bei der Publikationsaushandlung hingegenstimmte dieses Mitglied dann mit „Nein“, so dass diese Aushandlung nicht zumAbschluss kam. Dieses Votum wurde entsprechend in einer Annotation begrün-det.

Zudem wurden die drei Themen im Konsensordner zur Aushandlung gestellt, zuzweien davon wurde die Aushandlung selbst in dem Konsensordner angelegt.Beide Aushandlungen wurden nicht bis zum Ende durchgeführt. Für den drittenVorschlag wurden außerhalb des Konsensordners (an der Position der Inhalts-struktur, in der auch die Diskussion weitergeführt wurde) Aushandlungen initiiert.

Dieser dritte Vorschlag, der auch im Konsensordner Beachtung fand, bei dem dieDiskussion jedoch an dem ursprünglichen Vorschlag außerhalb des Konsensord-ners stattfand, wurde allein 5 mal zur Aushandlung vorgeschlagen: 1 Urheber-und 4 Publikationsaushandlungen. Im Gruppeninterview wurde dies damitbegründet, dass vielen Mitgliedern der Prozess nicht schnell genug zu Endegeführt wurde und darüber hinaus der Grund für eine ausbleibende Beendigungdes Diskussionsprozesses nicht transparent sei („hat jemand noch nicht abge-stimmt? Wer? Oder hat jemand mit nein gestimmt?“) (TP 15). Zudem wurde ver-mutet, dass andere den Aushandlungsversuch nicht mitbekamen. Durch dasStarten einer weiteren Aushandlung wurde die Hoffnung verbunden, dass andere,durch die automatisch zugestellte E-Mail veranlasst, die Aushandlung wahrneh-men und sich an der Aushandlung beteiligen. Letztendlich führte dies zu nochmehr Zurückhaltung, weil der Link in der E-Mail auf das auszuhandelnde Itemzeigte. Da dort mittlerweile mehrere Aushandlungen positioniert waren, wuchs dieUnsicherheit bei den Nutzern, welche der Aushandlung gemeint sei und damitauch die Unzufriedenheit über den Prozess. Ein Gruppenmitglied erwähnte imInterview, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt bei allen Aushandlungen mit Jaabgestimmt habe, weil er die mehrfache Initiierung von Aushandlungen als Druckseitens der anderen Gruppenmitglieder empfand, nun endlich zuzustimmen.

Eine der 4 Publikationsaushandlungen wurde schließlich bis zum Ende durchge-führt. Insgesamt wurden 2 Urheber- und 1 Publikationsaushandlung erfolgreichabgeschlossen. Damit erreichte der Vorschlag, zu dem 4 Publikationsaushandlun-gen initiiert wurde, den Status, dass das Projektteam Urheber und die Gesamt-gruppe und der Bommerholz-Koordinator Empfänger sind. Für den wenigdiskutierten Vorschlag wurde das Projektteam von einem Mitglied eher ungewolltals Urheber eingetragen.

Problem: feh-lende UnDo-Funktionalität

Aufmerksam-keitsgewinnung durch mehrfa-ches Initiieren von Aushandlun-gen

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326 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Als Verbesserungsmöglichkeit wurde eine Liste über laufende Aushandlungen(TP 15) und deren aktuellen Status gefordert (TP 16), die auch anzeige, wer nochnicht abgestimmt habe (TP 14). Für denjenigen, der noch eine Aushandlung offenhätte, wäre dies eine Art „To-Do-Liste“ (TP 13), für alle anderen würde dadurch dieMöglichkeit bestehen, entsprechende Leute zu kontaktieren (TP 14). Dadurchwürde auch verhindert werden, dass für einen Vorschlag mehrere Aushandlungeninitiiert werden würden.

Die Gruppenmitglieder erklärten im Interview als Ergebnis, dass Publikationsaus-handlungen für zwei Vorschläge erfolgreich abgeschlossen wurden, obwohl diesnur für den Vorschlag mit 5 Aushandlungen der Fall war. Ein Gruppenmitgliedäußerte Unzufriedenheit, nachdem er hörte, dass nur eine Publikationsaushand-lung erfolgreich abgeschlossen sei (TP 15). Er merkte an, dass seiner Meinungnach auch Konsens über ein weiteres Thema herrschte, bei dem nur die Urheber-aushandlung erfolgreich abgeschlossen wurde. In diesem Zusammenhang wurdeauch Unzufriedenheit darüber geäußert, dass keine Transparenz bzgl. des erziel-ten Ergebnisses herrsche. Zugleich wurde hier noch einmal kritisch angemerkt,dass ein Austausch von Argumenten und der Versuch der Zusammenführungnicht ausführlich stattgefunden habe. Da dies als Bestandteil des Ergebnissesgenannt wurde, wurde von einigen Mitgliedern geäußert, dass sie nicht zufriedenmit dem Ergebnis seien.

Bezogen auf den Prozess wurde auch zu Tage gefördert, dass von einem Team-mitglied Änderungen nach der Aushandlung der Urheberschaft vorgenommenwurde, ohne dass dies von den anderen wahrgenommen worden wäre (TP 9).Dies wurde als Defizit herausgestellt, weil die Änderung am Item ebenso schwerwiegen können wie die Erweiterung der Empfängergruppe, für die eine Publikati-onsaushandlung notwendig sei. Von einem Teammitglied wurde deshalb vorge-schlagen, auch bei Änderungen eine Aushandlung initiieren zu müssen. Dieswurde jedoch von den anderen mit dem Hinweis auf die bereits existierenden zweiAushandlungen abgelehnt. Statt dessen wurde vorgeschlagen, dass bei Ände-rung eine Benachrichtigung an alle Urheber versendet werden sollte, die beiBedarf widersprechen könnten. In diesem Falle müssten die Änderungen jedochnachvollziehbar und bei starkem Widerspruch ein Item auf die ursprüngliche Ver-sion zurücksetzbar sein. In diesem Zusammenhang wurde bezweifelt, ob mit derAbstimmung auch die Änderung der Rechte verbunden sein müsste. Zumindest,so wurde gefordert, müssten Regeln gefunden werden, wie mit diesen Rechtenumgegangen werden sollte, wer unter welchen Umständen was ändert könnensollte (OP 5).

Zudem wurde bezogen auf den Diskussions- und Aushandlungsprozess auch dis-kutiert, ob die zweite Aushandlung notwendig sei. Mit Blick auf den Vorschlag beiÄnderungen wurde einerseits argumentiert, dass diese Aushandlung überflüssigsei, solange eine Nachricht an alle Urheber versendet werden würde. Anderer-seits würde durch solche Aushandlungen auch eine verbindliche Zusage geschaf-fen werden. Zur Unterstützung des zweiten Arguments wurde nochmal Bezuggenommen auf das Beispiel, in dem ein Teammitglied zunächst „falsch“

Forderung: Liste laufender Aus-handlungen mit Status

zum Erfolg der Aushandlung

Forderung: Benachrichti-gung bei Ände-rungen

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 327

abstimmte und eine Veröffentlichung an den Koordinator nur wegen der Publikati-onsaushandlung verhindern konnte.

C.4.4 Gruppe 4Gruppe 4 umfasste drei Teilnehmer, die Lösungssuche fand in zwei vereinbartenZeiträumen statt. Dabei wurden von zwei Teammitgliedern eigene Teilbäume fürihre Vorschläge angelegt. Das dritte Mitglied stellte seine Vorschläge auf obersterEbene ein. Dabei wurde versehentlich ein Vorschlag als Kind eines anderen ein-gestellt. Insgesamt wurden 9 Vorschläge produziert.

In 18 Beiträgen (alle in Annotationen) wurden diese Vorschläge diskutiert (vgl.Tabelle 38). Diese Anzahl liegt weit unter den Beitragszahlen der anderen Grup-pen und kann nur zum Teil mit der Gruppengröße erklärt werden. Die Hälfte derinhaltlichen Beiträge entfiel in dieser Gruppe auf die Wertung bestehender Itemsoder Annotationen (3 Zustimmungen, 6 Gegenreden). Schon wegen der ver-gleichsweise wenigen Beiträge wurde keine große Tiefe in den Diskussionssträn-gen gefunden (maximal Tiefe 4). Interessant ist hier die im Vergleich zu deninhaltlichen Beiträgen hohe Anzahl organisatorischer Beiträge (11, vgl. Abschnittzur Diskussionssteuerung).

Bezüglich der Eingabe von Items wurden in dieser Gruppe, ähnlich wie auchschon in der ersten Gruppe, zu viele Schritte bemängelt. Abermals wurde hiergefordert, dass eine Empfängergruppe voreinstellbar sein müsse (TP 3), da einzusätzlicher Schritt zur Rechteabgabe „vom Inhalt ablenkt“ (TP 2). Ein Gruppen-mitglied erwähnte, dass es anfangs sehr lange für die Formulierung von Beiträgengebraucht hätte, weil diese möglichst verständlich für die anderen Gruppenmit-glieder sein sollten. Ein anderes Mitglied hingegen erwähnte, dass es nur bei derFormulierung der Vorschläge länger über Formulierungen nachgedacht habe, beiBemerkungen jedoch „einfach drauf los geschrieben“ habe.

Beschreibung Typ P1 P2 P3 Durchschnitt

Produktion von InhaltenVorschlag Item 3 3 3 3,00

Anno 0 0 0 0,00Dok 0 0 0 0,00

Strukturierungsitem Item 1 1 0 0,67Anno 0 0 0 0,00Heading 0 0 0 0,00

Summe Produktion von Inhalten 4 4 3 3,67inhaltliche KommunikationNachfrage Anno 0 0 1 0,33Zusatzinformation Anno 2 0 0 0,67

Tabelle 38. Beiträge in Gruppe 4

Anzahl inhaltli-cher Diskussi-onsbeiträge

Einstellen von Beiträgen

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328 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Von allen Mitgliedern dieser Gruppe wurde der gesamte Projektbaum aufgeklappt,um die Übersicht über alle Beiträge zu behalten. Dabei wurde, ähnlich wie auchschon in der Fallstudie zum KOLUMBUS-Einsatz im Seminar, bemängelt, dassder Baum nach Einfügeoperationen meist nicht in dem jeweiligen Zustand aufge-klappt bliebe und dass dadurch viel Aufwand entstehe, den Baum wieder in denZustand vor der Einfügeoperation zu bringen. Im Gruppeninterview begrüßten dieMitglieder, den vergleichsweise kleinen Inhaltsbereich mit wenigen Einträgen, weilsie die Inhaltsstruktur schon bei dieser Anzahl als sehr unübersichtlich empfanden(TP 5). Der Baum sei zum Teil sehr unstrukturiert gewachsen, so dass Verbindun-

Bin 0 0 0 0,00zusätz. Argument Anno 0 1 2 1,00Wertung/Zustimmung Anno 3 1 2 2,00Wertung/Gegenrede Anno 2 1 0 1,00

Item 0 0 0 0,00Beiträge mit Verweis zu anderen Anno 2 0 0 0,67

Link 0 0 0 0,00Reformulierung Anno 1 0 0 0,33

Item 0 0 0 0,00altern. Vorschlag Anno 0 0 0 0,00

Item 0 0 0Summe inhaltliche Kommunikation 10 3 5 6,00organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge Anno 7 2 2 3,67

Item 1 0 0 0,33Strukturierung d. Diskussion 0 0 0 0,00Meta Anno 0 0 0 0,00

Item 0 0 0 0,00Summe organisatorische Kommunikation

8 2 2 4,00

AushandlungInitiieren von Aushandlungen Urheber 2 2 0 1,33

Publik. 4 3 0 2,33Begründung zu Aushandlungen Anno 0 0 0 0,00Summe Aushandlungbeiträge 6 5 0 3,67Summe der Beiträge gesamt 28 14 10 17,33Ergebnisse 28 14 10 17,33Annotationen mit org. + them. InhaltenAnnotationen insgesamt 14 5 7 8,67

Beschreibung Typ P1 P2 P3 Durchschnitt

Tabelle 38. Beiträge in Gruppe 4Inhaltsstruktur

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 329

gen zwischen unterschiedlichen Beiträgen nur schwer zu erkennen gewesenseien. Erschwert werde die Wahrnehmung der Zusammenhänge dadurch, dassman an den ersten Zeichen in der Baumansicht nicht unbedingt auch das Themades Beitrags sehen könnte. Hier wurde, ähnlich wie in der dritten Gruppe, dafürplädiert, dass Stichworte am Anfang der Beiträge dargestellt werden sollten, dieden Themenschwerpunkt des Beitrages benennen.

Wie auch in anderen Gruppen wurde hier ebenfalls die schlechte Wahrnehmbar-keit neuer Beiträge als Problem genannt (TP 7). Bei allen drei Mitgliedern konntebeobachtet werden, dass die „Änderungen nachvollziehen“-Funktion nicht ver-wendet wurde. Im Gruppeninterview wurde berichtet, dass sich die Mitgliedernicht mehr an diese Funktion erinnern konnten. Von einem Mitglied wurdeerwähnt, dass durch das Auftauchen neuer „+“- Symbole ersichtlich wird, an wel-chen Stellen neue Beiträge vorhanden seien, da dann ein neuer Unterbaum ent-stünde.

Annotationen wurden im Gruppeninterview als gute Möglichkeit zum Austauschvon Argumenten bezeichnet. Im Gegensatz zu Items würden sie einen Diskussi-onsstrang ausdrücken. Annotationen werden nach Aussagen dieser Gruppeimmer dann verwendet, wenn eine Bemerkung zu bestehenden Inhalten gemachtwerde.

Diskussionssteuerung: Es wurden 11 organisatorische Beiträge gezählt, allewaren in Annotationen zu finden, das entspricht einem Anteil von 37% der Bei-träge in dieser Gruppe. Als eine Begründung wurde hier im Gruppeninterviewgenannt, dass ein Mitglied versuchte, die anderen durch seine Beiträge zu mehrDiskussion anzuregen. Zudem wurde hier versucht, die Phase der vielen zugleichinitiierten Aushandlungen zu koordinieren. Nicht zuletzt sorgte auch die verse-hentlich entstandene Kindbeziehung zwischen zwei Vorschlägen für erhöhtenKoordinationsbedarf, da hier zum Teil die Zuordnung von Annotationen missver-ständlich aufgefasst wurden. Der Tochtervorschlag wurde viel diskutiert, die Bei-träge dazu aber häufig neben diesen Vorschlag gestellt, weil dieAnnotationsfunktion fälschlicherweise an dem oberen Vater-Item ausgewähltwurde.

Im abschließenden Interview wurden auch erwähnt, dass bzgl. des Prozessfort-schrittes andere Kommunikationswege wie E-Mail oder Telefon verwendet wur-den. E-Mail wurde als der passendere Weg zum Austausch von Argumentengenannt, weil diese eher wahrgenommen werden würden als Beiträge in KOLUM-BUS (TP 7). In dieser Gruppe wurde, anders als in den vorherigen Gruppen,sogar eine strikte Trennung zwischen organisatorischen und inhaltlichen Beiträ-gen vorgeschlagen (TP 10). Wenn die Organisation hauptsächlich über KOLUM-BUS ablaufen würde, müssten inhaltliche und organisatorische Beiträgeunterschiedlich gekennzeichnet werden.

Entscheidungsfindung: In dieser Gruppe wurden alle 9 Vorschläge andiskutiert,2 Vorschläge wurden nach einem einmaligen Gegenargument nicht weiter ver-folgt. Zwischen 3 Vorschlägen zu einem gleichen Thema wurde durch Annotatio-nen auf Verbindungen hingewiesen. Daraufhin wurde an einer Stelle dieses

schlechte Wahr-nehmbarkeit neuer Beiträge

Annotationen als Ausdruck von Diskussions-strängen

alternative Kom-munikations-wege

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330 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

Thema diskutiert. In dieser Gruppe ließ sich eine große Einigkeit bzgl. der einge-stellten Vorschläge beobachten. Dies ist neben der Gruppengröße ein weitererGrund für die verhältnismäßig kleine Anzahl an inhaltlichen Diskussionsbeiträgen.Im Gruppeninterview wurde erwähnt, dass zu eigenen Vorschlägen keine Beiträgemehr eingestellt wurden, sondern lediglich auf Meinungen oder Ergänzungen deranderen Gruppenmitglieder gewartet wurde.

Wegen dieser Einigkeit und der geringen Gruppengröße, die verhältnismäßigwenig Beiträge produzierte, wurden in dieser Gruppe auch keine Versuche unter-nommen, Verweise zwischen Beiträgen, Konsensordner oder ähnliches einzustel-len. Im Gruppeninterview wurde deutlich gemacht, dass die Gruppenmitglieder dieNutzung von KOLUMBUS für diese geringe Anzahl an Beiträgen sehr gut fanden,dass sie sich die Nutzung mit einer größeren Gruppe und bedeutend mehr Beiträ-gen jedoch nur schwer vorstellen könnten.

Relativ schnell wurden hier Aushandlungen zu 3 Vorschlägen gestartet. Insge-samt wurden dabei 4 Urheber- und 7 Publikationsaushandlungen initiiert. Hiererkennt man ähnlich wie bei Gruppe 3 eine sehr hohe Anzahl an Publikationsaus-handlungen. Im Gruppeninterview wurde erwähnt, dass zwei Mal versehentlicheine Aushandlung initiiert wurde, obwohl eigentlich ein Votum abgegeben werdensollte. Zudem wurde die hohe Anzahl an Aushandlungen damit begründet, dassdie Teilnehmer wechselseitig das Gefühl hatten, dass die anderen die Aushand-lung nicht wahrnahmen. Nachdem auch Annotationen mit Aufruf zur Beteiligungan der Aushandlung keine weitere Konsequenzen hatten, jedes Mitglied aberunbedingt einen Prozessfortschritt erzielen wollte, wurden weitere Publikations-aushandlungen initiiert. So konnten bei einem Vorschlag allein 6 Aushandlungen(2 Urheber- und 4 Publikationsaushandlungen) gezählt werden. Die vielen initiier-ten Aushandlungen seien auch der Grund dafür, dass eher mal aus dem Gesichts-punkt des Prozessfortschrittes und nicht unbedingt abhängig vom Inhaltzugestimmt wurde.

Als Verbesserungsvorschlag wurde hier eine Liste über alle Aushandlungengenannt (TP 15). Dies hätte zum einen den Vorteil, dass nicht vorschnell weitereAushandlungen angestoßen werden würden. Würde diese Liste als ToDo-Listeverwendet, so würde diese auch den Fortschritt beschleunigen, da Gruppenmit-glieder auf noch offene Aushandlungen schneller hingewiesen werden würden(TP 13).

Abgeschlossen wurden 3 Urheberaushandlungen und 1 Publikationsaushand-lung. Damit erreichten 2 Vorschläge den Status, dass alle Projektmitglieder Urhe-ber waren, bei einem Vorschlag wurde neben der Team-Urheberschaft zudemauch noch erreicht, dass die Gesamtgruppe und der Bommerholz-Koordinator alsEmpfänger eingetragen wurden.

Bezogen auf das Ergebnis wurde von einem Mitglied genannt, dass eine Publika-tionsaushandlung erfolgreich verlaufen sei, ein Mitglied äußerte allerdings, dassdieses Ergebnis des Prozesses nicht transparent sei. Zufrieden waren die Grup-penmitglieder damit, dass gute Vorschläge zusammengetragen wurden. Unzufrie-denheit wurde darüber geäußert, dass lediglich eine Publikationsaushandlung bis

Aufmerksam-keitsgewinnung durch große Anzahl an Aus-handlungen

Liste über alle Aushandlungen zur besseren Transparenz

zum Erfolg der Aushandlung

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 331

zum Ende durchgeführt worden sei. Von einem Gruppenmitglied wurde genannt,dass es sehr unzufrieden damit sei, dass die anderen Personen der Gesamt-gruppe nicht auf diese Diskussion zugreifen konnten. Insgesamt wurde die Aus-handlung als nicht erfolgreich bewertet, weil es nicht gelungen sei, mehr als einenVorschlag an den Bommerholz-Koordinator zu veröffentlichen: „jeder kann mitsich zufrieden sein, weil er tolle Vorschläge gemacht hat, aber in der Gruppe kön-nen wir das nicht sein“.

Auch hier wurden an einem Vorschlag Umformulierungen nach der Urheberaus-handlung vorgenommen, auf die aber durch eine Annotation hingewiesen wurde.Der ursprüngliche Urheber zeigte sich einverstanden mit den Änderungen undmachte dies in einer weiteren Annotation deutlich. Vor dem Hintergrund diesereinheitlichen Blickrichtung mit wenig Streitpunkten zwischen den Teilnehmernwurde während des Gruppeninterviews auch die Meinung vertreten, dass diezweite (Publikations-) Aushandlung überflüssig sei. Wenn schon alle der gemein-samen Urheberschaft zustimmten, sollte es jedem einzelnen auch möglich sein,das Item für weitere Empfänger zugänglich zu machen. In dieser Gruppeherrschte Einigkeit darüber, dass zu viele Aushandlungen den Fortschritt behin-dern.

Zudem wurde bezogen auf den Prozess gefordert, dass entweder durch dasSystem oder durch einen Moderator gesteuert der Prozess vorangetrieben wer-den müsste. So wurde beispielsweise genannt, dass von einer Phase des Prozes-ses zur nächsten übergeleitet und auch Zwischenergebnisse zusammenfasstwerden sollten. Neben der Steuerung sollte auch der Prozess durch das Anlegeneiner Inhaltsstruktur vorbereitet werden.

Während der Nutzung wurde deutlich, dass zwei Teammitglieder die zuvor ver-teilte Anleitung neben dem Rechner liegen hatten. Im Gruppeninterview wurdediese Anleitung als hilfreich bezeichnet, da sie den Prozess deutlich mache: „ichhabe mich schon daran orientiert; ich habe da reingeguckt, was mache ich jetzt,nachdem alle Urheber waren.“ Ein Teammitglied erwähnte darüber hinaus, dasseine Hilfe sinnvoll gewesen wäre, die die nächsten möglichen Schritte abhängigvom Status des Prozesses erläutert hätte.

Forderung: weni-ger Aushandlun-gen im Prozess!

Unterstützung des Prozessfort-schritts

Papieranleitung zur Wahrneh-mung des Pro-zesses

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332 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

C.4.5 Zusammenfassung der Gruppenergebnisse

Beschreibung Typ G1 G2 G3 G4 Durchschnitt

Produktion von InhaltenVorschlag Item 2,25 3,60 2,75 3,00 2,90

Anno 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00Dok 0,25 0,20 0,00 0,00 0,12

Strukturierungsitem Item 0,00 0,20 0,00 0,67 0,18Anno 0,00 0,00 0,25 0,00 0,06Heading 0,50 0,60 0,00 0,00 0,31

Summe Produktion von Inhalten

3,00 4,60 3,00 3,67 3,62

inhaltliche KommunikationNachfrage Anno 0,25 1,20 0,25 0,33 0,56Zusatzinformation Anno 0,25 0,60 0,00 0,67 0,37

Bin 0,25 0,00 0,00 0,00 0,06zusätz. Argument Anno 1,50 1,20 1,25 1,00 1,25Wertung/Zustimmung Anno 4,00 2,00 2,50 2,00 2,62Wertung/Gegenrede Anno 2,50 1,60 2,50 1,00 2,12

Item 0,25 0,00 0,50 0,00 0,18Beiträge mit Verweis zu anderen

Anno 0,50 1,60 1,50 0,67 1,12

Link 0,50 0,20 0,00 0,00 0,18Reformulierung Anno 0,50 0,00 3,00 0,33 0,93

Item 0,25 0,00 0,00 0,00 0,06altern. Vorschlag Anno 0,25 0,20 0,00 0,00 0,12

Item 0,25 0,00 0,25 0,00 0,06Summe inhaltliche Kommunikation

11,25 9,40 11,25 6,00 9,68

organisatorische Kommunikationorganisatorische Beiträge Anno 3,25 5,00 3,25 3,67 3,43

Item 0,25 0,20 0,25 0,33 0,25Strukturierung d. Diskussion 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00Meta Anno 1,50 0,00 1,50 0,00 0,37

Item 0,25 0,00 0,25 0,00 0,12Summe organisatorische Kommunikation

5,25 5,40 5,25 4,00 4,18

AushandlungInitiieren von Aushandlungen Urheber 1,25 1,00 1,25 1,33 1,18

Tabelle 39. Zusammenfassung der Beiträge in den verschiedenen Gruppen, pro Person

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Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS 333

C.5 Leitfaden KOLUMBUS-Experiment

1. Einschätzung des Verfahrens und der Unterstützung durch KolumbusI.1 Ist das vorgeschlagene Verfahren (erst eigene Beiträge, dann Diskussion,Verantwortungs- und Publikationsaushandlung) geeignet, um eine einheitli-che Meinung finden zu können?

• Positive Merkmale• Negative Merkmale• Verbesserungen• Was habt Ihr anders gemacht?

I.2 Was hat Euch dazu bewegt, so abzustimmen?I.3 Welche Kolumbus-Funktionalitäten waren hilfreich für Euren Diskussi-ons- und Aushandlungsprozess?I.4 Was müsste verbessert werden?I.5 Inwiefern unterstützen Annotationen den Aushandlungsprozess?I.6 Inwiefern sind Annotationen geeignet für den Austausch von Argumen-ten?I.7 Sind Annotationen zur Organisation des Aushandlungsprozesses geeig-net? Warum (nicht)?I.8 Sind Annotationen für Euch Teil des Aushandlungsprozesses? Warum(nicht)?

Publik. 0,25 0,20 0,25 2,33 1,00Begründung zu Aushandlungen

Anno 1,00 0,20 1,00 0,00 0,31

Summe Aushandlungbeiträge

2,5 1,40 2,5 3,67 2,50

Summe der Beiträge gesamt 22,00 20,8 19,00 17,33 20,00ErgebnisseAnnotationen mit org. + them. Inhalten

2,75 0,00 0,00 0,00 0,68

Annotationen insgesamt 12,00 13,4 11,75 8,67 11,75

Beschreibung Typ G1 G2 G3 G4 Durchschnitt

Tabelle 39. Zusammenfassung der Beiträge in den verschiedenen Gruppen, pro Person

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334 Anhang C zur Evaluation von KOLUMBUS

2. ErgebnisbewertungII.1 Schildert mit bitte das Ergebnis Eurer AushandlungII.2 Inwiefern seid Ihr zufrieden mit dem Ergebnis?

• Bezogen auf die Gruppe• Bezogen auf den Teilnehmer• Entspricht das Ergebnis den Erwartungen?

II.3 Inwiefern seid Ihr zufrieden mit dem Verlauf der Diskussionen und Aus-handlungen?

3. AushandlungserfolgIII.1 Unter welchen Umständen würdet Ihr eine Aushandlung als erfolgreichbewerten?

• Wenn möglichst viele Übereinstimmungen vorhanden sind• Wenn der einzelne seine Meinung durchsetzen konnte• Wenn der einzelne etwas bei der Aushandlung gelernt hat• Wenn der Einzelne vom Ergebnis profitiert• Wenn die Gruppe vom Ergebnis profitiert • Wenn der Prozess der Aushandlung als „angenehm“ empfunden wurde

III.2 War Eure Aushandlung ein Erfolg?

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Anhang D . Anhang D zur Modellierungsme-thode SeeMe

Die Modellierungsmethode SeeMe unterstützt die Darstellung sozio-techni-scher und semi-strukturierter Aspekte von Kommunikations- und Kooperations-prozessen. Die Entwicklung von SeeMe geht auf Anforderungen anModellierungsmethoden aus dem Requirements Engineering und der Beschrei-bung sozio-technischer Systeme sowie auf eine Analyse vorhandener Modellie-rungsmethoden zurück.

Zum Ausdruck von Konzepten wird eine Notation mit Zeichen oder Symbolenvorgesehen, deren Grundlagen hier nur in dem Umfang erläutert werden sollen,wie sie für diese Arbeit notwendig erscheinen. Eine Besonderheit dieserMethode sind die Möglichkeiten, vage zu modellieren. Dies bedeutet, dass nichtalle Aspekte des zu modellierenden Phänomens in dem Modell spezifiziert wer-den müssen. Wesentliche Passagen dieses Anhangs sind aus dem SeeMe-Tutor „Einführung zur Modellierungmethode SeeMe“ von Thomas Herrmann(www.seeme2000.de) übernommen. Weitere Informationen finden sich in [Herr-mann & Loser (1999)], [Herrmann et al. (1999)] oder unter www.seeme2000.de.

D.1 Rollen, Aktivitäten und EntitätenAls Basiselemente stehen in SeeMe Rollen, Aktivitäten und Entitäten zur Verfü-gung. Mit ihnen werden soziale oder technische (Sub-)Systeme dargestelltsowie durch die Aktivitäten die Dynamik eines Systems. Tabelle 40 erläutertdiese Elemente.

Um Basis-Elemente näher zu beschreiben, kann man Attribute definieren undsie in das Basis-Element einbetten. Attribute werden als Text dargestellt. EinAttribut besteht aus einem Attributnamen und dem bzw. den Werten, die dasAttribut bezogen auf die Entität hat. In dieser Arbeit werden Attribute verwendet,um in Kapitel 2 den kollaborativem Lernprozess zum kontext-orientierten Kom-munikationsmodell in Bezug zu setzen (vgl. Abbildung 20 in Kapitel 2).

Attribute

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336 Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe

Tabelle 40. SeeMe-Basiselemente

D.2 RelationenRelationen werden in SeeMe durch Pfeile dargestellt. Wenn keine anderenAngabe gemacht sind, haben die Pfeile eine Standardbedeutung, die von den Ele-menten abhängt, die durch Pfeile verbunden sind. Es gibt neun einfache Standar-drelationen, die in Abbildung 54 erläutert werden.

Relationen, die mit dem Rand eines Basis-Elementes verbunden sind, beziehensich in ihrer Bedeutung immer auch auf alle Sub-Elemente dieses Basis-Elemen-tes, sofern sie den gleichen Typ haben. Eine Relation kann den Rand des Basis-Elementes auch schneiden, um direkt mit einem Sub-Element beliebigen Typsverbunden zu sein. Sie ist zwar dann auch mit dem Basis-Element verbunden,aber nur in dem Sinne, dass sie sich in ihrer Bedeutung auf das ausgewählte Sub-Element dieses Basis-Elements bezieht. Wenn man nicht angeben oder entschei-den will, ob sich eine Relation auf ein gesamtes Basis-Element oder nur auf einenTeil seiner Sub-Elemente bezieht, dann lässt man den Start- oder Endpunkt derRelation innerhalb des Basis-Elementes unspezifiziert. Dies bedeutet, dass die

Symbol ErläuterungRollen werden von sozialen (Sub-)Systemen (Personen, Organisationseinheiten, Institutionen) übernommen und sind durch eine Menge von Rechten und Pflichten gekennzeichnet. Diese Rechte und Pflichten ergeben sich durch die Erwartungen von Rollen an eine Rolle. Die Erwartungen beziehen sich auf die Aufgabe, die eine Rolle innerhalb des übergeordneten sozialen Systems (z. B. der Gesellschaft) wahrnimmt. Soziale (Sub-)Systeme verhalten sich, sie führen Aktivitäten aus, sind dabei aber nicht von anderen Systemen steuerbar, sondern höchstens beeinflußbar. Technische Systeme (etwa Agenten) können in SeeMe niemals eine Rolle einnehmen. Aktivitäten beschreiben Verhalten und rufen Änderungen in ihrer Umgebung hervor. Durch sie lässt sich die Dynamik eines Systems beschreiben. Aktivitäten können in eine Reihenfolge gebracht werden, sie repräsentieren dann Prozesse. Aktivitäten werden von Rollen ausgeführt oder von Entitäten unterstützt. Sie erzeugen oder verändern Entitäten oder benutzen sie.Eine Aktivität ist durch ihren Verlauf und möglicherweise durch ein Ziel, auf die sie orientiert ist, gekennzeichnet.

Eine Entität ist ein passives Phänomen. Entitäten repräsentieren die statischen Aspekte eines Systems. Entitäten werden von Aktivitäten verwendet und/oder verändert. Entitäten sind Ressourcen für Rollen und Aktivitäten. Entitäten sind den Entities der Entity-Relationship Modelle ähnlich. Entitäten repräsentieren nicht konkrete Objekte, sondern eine Menge von Objekten mit gleichen Eigenschaften.Soziale Systeme werden in SeeMe nie als Entitäten repräsentiert.

Rolle

Aktivität

Entität

schneidende Linien

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Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe 337

Relation innerhalb des Super-Elementes startet, ohne auf eine Kante eines Sub-Elementes positioniert zu sein. Dies ist eine der Möglichkeiten, vage mit SeeMezu modellieren. Diese Möglichkeit wird in dieser Arbeit sehr häufig verwendet,wenn nicht genau spezifiziert werden soll, welche Sub-Aktivitäten zweier Super-Aktivitäten miteinander in Relation stehen (vgl. z.B. den kollaborativen Prozess inAbbildung 15).

Abbildung 54. Relationen in SeeMe, entnommen aus dem SeeMe-Tutor

Basis-Elemente können, mit Relationen an Relationen annotiert werden, indemsie auf einen Spezifikator zeigen (Halbkreis, vgl. Abbildung 55). Diese sogenann-ten Annotations-Relationen sind von speziellem Typ mit folgender Bedeutung:

• Die annotierte Rolle hat das Interesse, dass der durch die Relation gekennzeichneteÜbergang zu Stande kommt, also die Relation instantiiert wird.

• Die annotierte Aktivität unterstützt die Instantiierung der Relation aktiv.• Die annotierte Entität ermöglichen die Instantiierung der Relation, indem sie als Res-

source oder Werkzeug dient.

Abbildung 55. Spezifizierung von Relationen durch Basis-Elemente, entnommen aus dem SeeMe-Tutor

Rolle [1]

Aktivität [1]

Entität [1]

Rolle [2]

Aktivität [2]

Entität [2]

Rolle [1]

Aktivität [1]

Entität [1]

Rolle [2]

Aktivität [2]

Entität [2]

wird be-

schrie-ben

durch

ist zugeordnet

hat Er-wartungen

an

wird benutzt

beeinflusst

wird gefolgt

von

gehörtzu

verändert

führt aus

Spezifizierung von Relationen durch Basis-Ele-mente

hat Interesse an ermöglichtunterstützt

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338 Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe

In dieser Arbeit wird diese Möglichkeit genutzt, um eine Verbindung zwischen kon-text-orientiertem Kommunikationsmodell und den Aktivitäten des kollaborativenProzesses zu verdeutlichen.

Ein häufig verwendetes Element in dieser Arbeit sind Modifikatoren. Mit Modifi-katoren kann man darstellen, dass bestimmte Basis-Elemente oder Relationennicht immer, sondern nur unter bestimmten Bedingungen und mit einer bestimm-ten Häufigkeit existieren werden. Modifikatoren modifizieren die Existenz eines imDiagramm gezeigten Elementes (Basis-Element oder Relation). Das Element exi-stiert in der Realität nicht in jedem Fall, sondern nur in den Fällen, die der Modifi-kator näher beschreibt. Die Beschreibung erfolgt, indem Bedingungen oderEreignisse angegeben werden, die den Fall kennzeichnen. Auf einer Relationkann genau ein Modifikator hinzugefügt werden. Er ist dann ihr fester Bestandteil.Er gibt eine Bedingung oder ein Ereignis an. Insbesondere kann bei SeeMe je einModifikator auch fest mit einem Basis-Element verbunden werden. Dieser gibt an,unter welchen Bedingungen oder bei welchen Ereignissen das dazugehörigeBasis-Element existiert und mit welcher Wahrscheinlichkeit.

Neben den genannten Standardrelationen verfügt SeeMe über weitere Relatio-nen. So übernimmt SeeMe die Relationen Vererbung und Aggregation, die sichbei der objekt-orientierten Modellierung als nützlich erwiesen haben (vgl. Abbil-dung 56). Auch in dieser Arbeit finden diese Relationen Anwendung (z.B. in derBeschreibung ausgezeichneter Rollen beim kollaborativem Lernen, Kapitel 2,Abbildung 16).

Der Vererbungspfeil zeigt auf das Element (A), von dessen Art das andere Ele-ment (B) ist. Das heißt, dass B die Eigenschaften und die Struktur von A erbt(Sub-Elemente und Attribute), sowie dessen Beziehungen (mittels Relationen dar-gestellt) zu anderen Elementen.

Abbildung 56. weitere Relationen in SeeMe, entnommen aus dem SeeMe-Tutor

Die Relation „Aggregation“ drückt aus, dass B Teil von A ist, also dieselben Eigen-schaften hat, als wenn es als Sub-Element von A dargestellt wäre (umgekehrt prä-sentiert aber nicht jedes Sub-Element eine Aggregation). Die Relationen, die mit Aals ganzem verbunden sind, gelten auch für B. Falls A schon Sub-Elemente hat,

Modifikatoren

Ausdruck

Antwortausreichend

Vererbung und Aggregation

B „ist ein“ AB „ist ein“ A

A

B

B ist Teil von AB ist Teil von A

A

B

Vererbung Aggregation

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Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe 339

wird mit der Aggregation von B u.U. eine neue Perspektive der Zerlegung einge-führt.

D.3 EinbettungenElemente können als Sub-Elemente in andere Basis-Elemente beliebigen Typseingebettet werden. Diese repräsentieren dann das Super-Element. Sub-Ele-mente können wiederum Sub-Elemente enthalten, wodurch ein Sub-System dar-gestellt werden kann. Die Einbettungstiefe dabei ist beliebig. Durch Einbettungkann die Struktur einzelner Elemente dargestellt werden. Ein Element sollte nureingebettet werden, wenn dessen Instantiierung davon abhängt, dass das über-geordnete Element ebenfalls instantiiert wird. Sonst sollte man es separat darstel-len. Die Beziehung zwischen eingebettetem und übergeordnetem Element kannverschiedene Bedeutungen haben (vgl. Tabelle 41).

Symbol ErläuterungEinbettung von Rollen in Rollen kann insbesondere genutzt werden, um die Binnengliederung einer Rolle, also ihre Organisationsstruktur zu beschreiben.

Es ist sinnvoll, eine Aktivität in Rollen einzubetten, wenn diese eine organisatorische Einheit repräsentieren, deren Fortbestand oder Hauptaufgaben durch diese Aktivität gewährleistet wird (z.B. Teambesprechung in Team einbetten). Aktivitäten werden insbesondere eingebettet, wenn sie nur von dieser Rolle ausgeführt werden und auch nur diese beeinflussen (z.B. Person und Denken). Entitäten kann man in Rollen einbetten, wenn sie für den Erhalt oder das Verhalten dieser Rolle benötigt werden und sie (bzw. eine Instantiierung der Entität) auch nicht in anderen Rollen enthalten sein kann. Das implizite Wissen einer Person oder eines Teams kann z.B. eingebettet werden, um auszudrücken, dass es nicht externalisiert vorliegt. Eine Rolle sollte in eine Aktivität eingebettet werden, wenn sie nur existiert, um diese Aktivität auszuführen oder in einer sonstigen engen semantischen Verbindung mit dieser Aktivität steht oder wenn sie für alle anderen Aktivitäten eines Modells irrelevant ist.

Mit den eingebetteten Sub-Aktivitäten werden alle Aktivitäten dargestellt, die (ggf. nur unter bestimmten Bedingungen) benötigt werden, damit die übergeordnete Super-Aktivität abgeschlossen werden kann. Sub-Aktivitäten, die nicht durch Relationen verbunden sind, können in beliebiger Reihenfolge ausgeführt werden, sie sind nebenläufig.

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340 Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe

Tabelle 41. Einbettungen in SeeMe

Einbettung kann als Relation verstanden werden, die nicht näher spezifiziert wer-den muss. Einbettung kann z.B. eine Zuordnung, ein Enthaltensein, Aggregationoder Vererbung bedeuten. Bei Bedarf kann man die Relation zwischen eingebet-tetem und übergeordnetem Element eintragen, um sie zu betonen oder ihreEigenschaft zu explizieren. In dieser Arbeit werden Einbettungen in fast allenModellen verwendet, um Strukturen anzuzeigen.

D.4 HalbkreiseHalbkreise sind eine Möglichkeit der vagen Modellierung. Es stehen unterschiedli-che Halbkreise zur Verfügung, deren Bedeutung hier erläutert werden soll.

Ein leerer Halbkreis im linken Diagramm symbolisiert, dass die Festlegung derSub-Elemente nicht vollständig ist. Die Festlegung weiterer Elemente des glei-chen Typs (z.B. eingebettete Enitäten in einer Entität) wird nicht als sinnvoll für

Eine Entität sollte in eine Aktivität eingebettet werden, wenn sie ausschließlich zur Durchführung dieser Aktivität benötigt wird oder ausschließlich von dieser verändert wird und wenn keine anderen Aktivitäten auf sie zugreifen, oder wenn sie in sonstiger enger semantischer Verbindung mit der Aktivität steht (z.B. Schreiben und Schreibmaschine). Eine Rolle bettet man zum einen in eine Entität ein, wenn sie nur mit dieser Entität in Zusammenhang steht und es ist nur die Entität (nicht die Rolle), die für die restlichen Elemente des Modells relevant ist.Zum anderen ist eine solche Einbettung sinnvoll, wenn die Entität einen Raum oder Ort repräsentiert (z.B. Büro, Schiff, Krankenhaus) innerhalb dessen die Rolle gemäß ihrer Definition aktiv ist.

Das Einbetten von Aktivitäten in eine Entität ist sinnvoll, wenn sie ausschließlich genutzt werden, um diese Entität zu verändern oder wenn die Aktivität ausschließlich von dieser Entität ausgeführt wird. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn Aktivität die Zustandsänderungen eines Computersystems beschreibt. Diese Art der Einbettung macht auch Sinn, wenn ein enger, ausschließlicher Zusammenhang zwischen Entität und Aktivität besteht.

Entitäten bettet man in eine Entität ein, wenn ein enger semantischer oder pragmatischer Zusammenhang zwischen den beiden besteht und die Sub-Entität nicht mit dritten Entitäten im selben Zusammenhang steht. Die Eigenschaft der übergeordneten Entität sollte die Einbettung der Sub-Entitäten rechtfertigen. Sie kann z.B. aus den Sub-Entitäten zusammengesetzt sein, sie als Container enthalten oder in die Sub-Entitäten unterteilt sein. Die Sub-Entitäten können auch Kategorien der übergeordneten Entität repräsentierten.

Symbol Erläuterung

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Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe 341

das Modell erachtet bzw. nicht gewollt. Es gibt verschiedene Gründe, warum manden leeren Halbkreis benutzt, zum Beispiel weil

• man keine weiteren Elemente für die Darstellung von Zusammenhängen im Modellbraucht,

• weitere Elemente das Modell unnötig überladen, • man absichtlich ungeklärt lassen möchte, dass eine Möglichkeit der dargestellten

gegebenen Vagheit zutrifft,• man nicht den Aufwand betreiben will, zu untersuchen, welche weiteren Sub-Ele-

mente es gibt.

Der leere Halbkreis wird in dieser Arbeit sehr häufig genutzt, da sich die Abbildun-gen meist auf einen bestimmten Aspekt beziehen und deshalb, um die Übersicht-lichkeit zu wahren, andere Aspekte nicht abgebildet werden sollen.

Weitere Halbkreise beziehen sich auf konkretere Angaben bzgl. der unvollständi-gen Modellierung. Dabei zeigen die ersten drei gegebene Vagheiten an, währenddie letzten beiden vom Modellierer gewollte Vagheit in dem konketen Modell kenn-zeichnen.

Der Halbkreis mit drei Punkten (...) zeigt an, dass die Menge der dargestelltenSub-Elemente, die vom gleichen Typ wie das Super-Element sind, sicherlichunvollständig ist. Der Modellierer weiß hier aber nicht genau, wie er sie vollständigspezifizieren könnte.

Den Halbkreis mit einem Fragezeichen (?) verwendet der Modellierer, wenn ervermutet, dass die gewählte Menge der Sub-Elemente bzgl. ihrer Struktur, ihreUmfanges oder bzgl. einzelner Sub-Elemente nicht korrekt ist. Mit diesem Halb-kreis wird also Unsicherheit ausgedrückt.

Der Halbkreis mit drei Fragezeichen (???) kombiniert die Faktoren der Unvollstän-digkeit (drei Punkte) und der Unsicherheit (ein Fragezeichen). Den Halbkreis mitdrei Fragezeichen verwendet man, wenn es sein kann, dass die Menge der fest-gelegten Sub-Elemente zu erweitern ist, um das Super-Element angemessen zubeschreiben. Man ist sich aber bzgl. dieser Erweiterungsnotwendigkeit nichtsicher.

Der Modellierer verwendet den Halbkreis mit Plus (+), wenn er zusätzliche Infor-mationen über Sub-Elemente hat. Diese zeigt er in dem Modell absichtlich nicht,er kann aber bei Bedarf mehr Auskunft geben.

Der schwarze Halbkreis beinhaltet Referenzen bzw. Links zu weiteren Informationüber das Super-Element. Bei computergestützten Präsentationssystemen kanndie schwarze Fläche aktiviert werden. In dieser Arbeit werden die schwarzenHalbkreise verwendet, um deutlich zu machen, dass es Verfeinerungen desbetreffenden Elements an anderer Stelle der Arbeit gibt (siehe z.B. in Kapitel 8Beschreibung der Aktivitäten eines Moderators).

...

?

???

+

?

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342 Anhang D zur Modellierungsmethode SeeMe

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Literaturverzeichnis

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360 Literaturverzeichnis

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Stichwortverzeichnis 361

A

Annotationen 101, 119, 130, 142, 186, 191, 207, 241, 267

asynchrone Kommunikation 84

Aufgabenstellung 48, 53, 192, 196, 219, 232, 274

Aushandlung 56, 107, 114, 167, 176, 186, 242, 270

äußerer Kontext 21

Awareness 30, 52, 102, 166, 175, 214, 241

C

computervermittelte Kommunikation 4, 29, 46, 86, 106, 207

computervermittelter kollaborativer Lernprozess 52

computervermitteltes kollaboratives Lernen 45

CSCL 3Systeme 45

E

e-learning 2

Erhebung, qualitative 133, 193, 228

Experte 118

G

gemeinsames Verständnis 47, 191, 216

I

innerer Kontext 21

Interaktion 17, 43

K

KL-Umgebungen 5, 45CSILE 93Gentle 94Vital 95WebGuide 96, 111

Knowledge Building Communities 45

kollaborativer Lernprozess 48

kollaboratives Lernen 3, 43

Kommunikation 10, 20, 44asynchrone 84computervermittelt 106computervermittelte 4, 29, 46, 86, 207synchrone 38, 84, 132, 154, 180

KommunikationspartnerInformationen über 24, 79, 102, 130, 147Mitteilender 23, 30Rezipient 23, 34

Kommunikationstheorien 16

Kontext 22äußerer 21innerer 21

kontext-orientiertes Kommunikationsmodell 18

Konvergenz 44, 191, 216

L

Lernen 39computervermitteltes kollaboratives 45kollaboratives 3, 43organisationales 1, 63problemorientiertes 3, 48

lernende Organisation 62

Lernprozess 48computervermittelter kollaborativer 52kollaborativer 48

Lernumgebungen, kollaborative 45, 90

M

Media Featured Theory 36

Media Richness Theory 35

Media Synchronicity Theory 38

Moderation 27, 59, 153, 275

O

organisationales Lernen 1, 63

P

problemorientiertes Lernen 3, 48

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362 Stichwortverzeichnis

Q

qualitative Erhebung 133, 193, 228

R

Rolleausgezeichnete 58, 132, 136, 192, 217Experte 60Mentor 60Moderator 27, 59, 249, 271Tutor 58

S

sozio-technische Systeme 7

Sprechakttheorie 20

symbolischer Interaktionismus 17

synchrone Kommunikation 38, 84, 132, 154, 180

Systeme, sozio-technische 7

W

Wissensarbeit 68

Wissensaustausch 129, 189, 199

Wissensmanagement 71

Wissensmanagement-Systeme 4, 90

Wissensprozesse 70

WM-Systeme 4, 90BSCW 91Hyperwave 94Livelink 95TechKnowledgy 95, 116

Z

Zeichentheorie 18