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Immer dann, wenn Ober- und Unterkie-fer nicht in der korrekten Position auf-einander treffen, kann es zu vielfältigen
Störungen und Schmerzen kommen, dievon Zähneknirschen, Nacken- und Schul-terverspannungen, Blockierungen derHalswirbelsäule bis zum Beckenschief-stand reichen. Bereits geringe Abwei-chungen tragen möglicherweise dazubei, dass das hochsensible und äußerstkomplexe Funktionieren des Kausystemsund der benachbarten Strukturen beein-trächtigt wird. Die Auswirkungen dieserFehlstellung zwischen Schädel (Cranium)und Unterkiefer (Mandibula) werden inder Medizin als Craniomandibuläre Dys-funktionen (CMD) bezeichnet.
Unerlässlich: interdisziplinäreZusammenarbeit
Dass die damit verknüpften Symptomevon manchen Ärzten auch heutzutageimmer noch nicht hinreichend erfasstwerden, ist für die Spezialisten der CMD-Clinic in Hamburg ein beklagenswerterSachverhalt. Dr. von Gadomski bedauert,dass zahlreiche Patienten immer noch ei-ne langwierige Odyssee zu Ärzten ver-schiedener Fachrichtungen auf sich neh-men müssen, ohne dass ihnen am Endedauerhaft geholfen wird. „Dabei fallenProbleme, die auf die Wechselbeziehungzwischen Kaufunktionsstörungen undneuromuskulärer Symptomatik zurück-zuführen sind, zunächst in die Zuständig-
keit der Zahnmedizin.“ Dr. Reitz muss lei-der einräumen, dass bislang nur relativwenige Zahnmediziner zu einer profes-sionellen CMD-Diagnostik und -Therapiein der Lage sind. Welche verheerendenFolgen eine falsche zahnmedizinischeBehandlung haben kann, wird unter an-derem durch Studien belegt, denen zu-folge so genannte Trigeminusneuralgienin bis zu 50 Prozent aller Fälle auf falschenoder mangelnden Zahnersatz zurückzu-führen sind. Daher hält er es für unerläss-lich, dass die interdisziplinäre Zu-sammenarbeit von HNO-Ärzten, Neuro-logen, Orthopäden, Allgemein- undZahnmedizinern deutlich verstärkt wird.
Die Strukturen des Kausystemsmüssen genau erfasst werden
Vor jeder CMD-Behandlung ist es notwen-dig, zunächst die individuelle Krankenge-schichte im ärztlichen Gespräch genau zuerfassen, um die auftretenden körper-lichen Probleme einordnen zu können. Dieerste Untersuchung dient dazu, eine Ur-sachenabklärung für die Beschwerdenvorzunehmen. Bei vorhandener Schmerz-symptomatik wird geprüft, ob es Zu-sammenhänge mit dem Kausystem gibt.Durch detaillierte Belastungstests wirdexakt ermittelt, inwiefern die Strukturendes Kausystems geschädigt sind. „Um
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MEDIZIN AKTUELL
Falscher Biss und schwacher
Stand mit fatalen Folgen
im BewegungsapparatDie Auswirkungen der Craniomandibulären
Dysfunktion (CMD) auf den Bewegungsapparat
Wenn jemand unter Spannungskopfschmerz, Tinnitus, Schlafstö-
rungen oder Rückenschmerzen leidet, kann das unter Umständen
darauf zurückzuführen sein, dass es ihm am „richtigen Biss“ man-
gelt. Dies hängt damit zusammen, dass die Muskeln des Kausystems
über zahlreiche Funktionsketten mit der Wirbelsäulenmuskulatur in
Verbindung stehen. Aus diesem Grunde arbeiten der Orthopäde
Dr. Dietrich von Törne (Timmendorfer Strand) sowie die zahnärzt-
lichen CMD-Spezialisten Dr. Bodo S. von Gadomski und Dr. Jürgen
Reitz von der CMD-Clinic in Hamburg grundsätzlich interdisziplinär
zusammen, was heute leider immer noch die Ausnahme darstellt.
genaue Aussagen über den Zustand desKausystems machen zu können, stehenuns heute moderne Verfahren zur Dia-gnostik von Muskel- und Gelenkproble-men zur Verfügung“, erläutert Dr. von Ga-domski. „Dazu zählen die Elektromyogra-phie (EMG), die der Ableitung der Muskel-aktivitäten dient, und die elektronische Ok-klusions- und Gelenkpositionsanalyse,mit deren Hilfe die Auswirkungen von Fehl-bisslagen ermittelt werden.“ Um eineexakte Kieferpositionsbestimmung vor-nehmen zu können, werden Gebissab-drücke von Ober- und Unterkiefer zur Her-stellung von Kiefermodellen angefertigt.Diese Modelle werden mit Hilfe einesÜbertragungsbogens sowie eines spe-ziellen Bissregistrates in neuromuskulärerKieferrelation in einen Bewegungssimula-tor eingesetzt und analysiert. „Es ist äu-ßerst wichtig, die korrekte Position desUnterkiefers zu ermitteln“, so Dr. Reitz, „daFehlbisslagen, z.B. infolge einer zu gerin-gen Bisshöhe, fehlender oder gekippterZähne sowie alten oder fehlerhaften Zah-nersatzes, häufig zu Funktionsstörungenführen. Eine einfache Testung mit einer Ok-klusionsfolie – einer Art Blaupapier – imMund genügt nicht, da muskuläre Kom-pensationen häufig einen scheinbar pas-senden Biss vortäuschen.“
Korrektur der Kieferposition durchAufbiss-Schienen
Sobald die erhobenen Befunde ausge-wertet wurden und eine Diagnose erstelltworden ist, erfolgt eine individuelle Be-handlungsplanung. Wenn im Rahmen derAnalyse ein Einfluss der Zähne und Kau-flächen auf die Funktionsstörung gefun-den wurde, kann der Fehlbiss durch Ein-gliederung einer herausnehmbarenKunststoff - Aufbiss - Schiene ausge-glichen werden. Dabei handelt es sich umeine künstliche Kaufläche, über die einekorrekte Kieferposition erzeugt wird. Je
nach Grad der Beschwerden muss dieseSchiene entweder nur nachts oder rundum die Uhr getragen werden. Falls eineleichte bis mittlere Form der Schlafapnoe(Atemaussetzer im Schlaf) vorliegt, kön-nen auch spezielle intraorale Atemthera-pieschienen eingesetzt werden. Damitbietet sich eine Alternative zu konventio-nellen Maskensystemen. Darüber hinaussteht den Patienten eine umfangreichePalette physiotherapeutischer Maßnah-men, z.B. spezielle Übungen zur Stärkungder Muskulatur, Dehnungen, Massagenoder Craniosacral-Therapie, zur Verfü-gung. Sinnvoll können auch bestimmteMethoden der physikalischen Therapie,beispielsweise Kälte- und Wärmeanwen-dungen oder eine Elektrotherapie zur Ent-spannung der Muskulatur oder Reduktionvon Entzündungen, sein.
Befunddokumentation durch 3-D-Wirbelsäulenvermessung
Neben der Kieferstellung spielen die Füßeeine tragende Rolle für die Aufrichtung desgesamten Bewegungsapparates. DieseZusammenhänge rücken für die Orthopä-den und Zahnärzte immer mehr ins Blick-feld der interdisziplinären Therapie. Fürden Orthopäden Dr. von Törne (Timmen-dorfer Strand) steht außer Zweifel, dassmuskuläre Fehlhaltungen der Halswirbel-säule, Fehlstellungen des Beckens, Beinachsenfehlstellungen und Fehlfor-men der Fußgewölbe gemeinsam mitFehlfunktionen der Kiefergelenke Schmer-zen des Bewegungsapparates mit mus-kulären Dysbalancen auslösen können. Durch die dreidimensionale Wirbelsäu-lenvermessung können sowohl orthopä-dische als auch zahnärztliche Patientenohne Röntgenstrahlen in ihrer Gesamt-haltung untersucht werden. Dabei wer-den Zusammenhänge der Körperstatikermittelt, die über die üblichen Röntgen-,Computertomographie- und Kernspinto-
mographieuntersuchungen hinausge-hen. Die 3-D-Wirbelsäulenvermessungwird von spezialisierten Orthopädenausgeführt. Dabei beschreiben die anfal-lenden Daten die Oberflächenkrüm-mung des gesamten Rückens, die exak-te Position des 7. Halswirbels, der Dorn-fortsatzreihe aller Wirbel und der Becken-knochen. Daraus wird eine exakte sta-tisch-funktionelle Beschreibung des je-weiligen Haltungsmusters des Patientenerarbeitet. Werden jetzt craniomandibu-läre Veränderungen während der Zahn-behandlung wirksam oder wenn Bein-längenausgleich oder Fußgewölbe stüt-zende Einlegesohlen benutzt werden,ändern sich die Wirbelsäulenbefunde inder dreidimensionalen Vermessung.
Die Füße spielen eine tragende Rolle
Funktionell gestörte Regelkreisläufe kön-nen nicht nur durch die Kieferstellungausgelöst werden, sondern auch durchgeschwächte Muskel- und Gelenksfunk-tionen. Hier erfolgt eine ursächliche Hal-tungskorrektur vor allem über die Stimu-lation von Fußreflexpunkten, die zuvor ki-nesiologisch ausgetestet wurden. Prall-elastisch gefüllte Spezialeinlagen nachFrau Prof. Fusco helfen dabei, dass sichder Fuß in seiner dreidimensionalen Ord-nung wieder aufrichtet und die Muskula-tur – und somit auch die miteinander ver-bundenen Gelenk- und Muskelfunk-tionsketten bis hin zu den Kiefergelen-ken – aktiviert wird.
Bereits kleinste
Fehlstellungen der
Kiefergelenke oder
der Füße haben
Auswirkungen auf
den gesamten
Bewegungsapparat.
Dr. Bodo S. von Gadomski (l.) und Dr. Jürgen
Reitz: „ Fehlbisslagen, z.B. infolge einer zu ge-
ringen Bisshöhe, fehlender oder gekippter
Zähne sowie alten oder fehlerhaften Zahner-
satzes, führen häufig zu Funktionsstörungen .“
10 ORTHOpress 1/2004
Organisation der Gesamtkörperhaltung
Für Dr. von Törne ergeben sich bei derDurchführung einer ganzheitlichen,funktionellen Untersuchung des Bewe-gungsapparats und der Wirbelsäule völ-lig neue Gesichtspunkte. „Ein Schulter-Arm-Syndrom beispielsweise wird zu-nächst nur als Schmerzsymptom aufge-fasst“, erläutert Dr. von Törne. „Die Ursa-che der Beschwerden stimmt möglicher-weise nicht mit dem Schmerzortüberein.“ Dabei muss die neurophysiolo-gische Organisation des Bewegungsap-parates berücksichtigt werden, die sichdadurch auszeichnet, dass alle Muskelnvon Nerven innerviert sind. Diese tretenan bestimmten Wirbelsäulensegmentenaus dem Rückenmark aus. So hat jedes Hautareal und jeder Muskel einen kon-kreten Bezug zum Nervensystem. Dem-entsprechend hat ein Patient mit Schul-ter-Arm-Syndrom möglicherweise eineunentdeckte Nervenreizung oder Ge-lenksblockierung der Halswirbelsäulezwischen dem vierten und fünften Wirbel.Das Schmerzsyndrom ist also in diesemFall nicht an der Schulter, sondern amHals zu behandeln. Um einen Zugriff aufdie Ursache der Fehlfunktion der Hals-wirbelsäule zu erlangen, kommen die di-agnostischen Methoden der Os-teopathie, Kinesiologie und Chirothera-pie zum Einsatz. Hierbei ist die Organi-sation der Gesamtkörperhaltung ein-schließlich der Muskelreflexe, dreidi-
mensionalen Sehfähigkeit, der Proprio-rezeption der Fußsohlen sowie der Kie-fergelenke entscheidend. Das bedeutetin diesem konkreten Fall, dass man zurVermeidung des Schulter-Arm-Syn-droms die Fehlfunktion der Halswirbel-säule analysieren muss. Möglich istauch, dass eine Fehlfunktion der Fuß-muskulatur vorliegt, die eine Fehlstel-lung des Beckens und der Iliosacralge-lenke hervorruft. Um den Beckenschief-stand auszugleichen, wird dann derKopf- und Halsbereich einseitig verla-gert, was seinerseits einen ausstrahlen-den Schulterschmerz hervorruft. Ziel derganzheitlichen Behandlung ist die Inte-gration der Funktionseinheiten von Kopfbis Fuß sowie die Wiederherstellung derharmonischen Gesamtkörperhaltung.
von Klaus Bingler
MEDIZIN AKTUELL
„Um Fehlfunktionen der Halswirbel-
säule zu erkennen, kommen diagnos-
tische Methoden der Osteopathie, Ki-
nesiologie und Chirotherapie zum
Einsatz“, so Dr. Dietrich von Törne.
Datum: 16. und 17. Januar 2004
in Berlin
Ort: Orthopädische Praxis
Dr. Wolfgang Jeske
Alice-Salomon-Platz
212627 Berlin
Kurs für Haltungs- und Bewegungsdiagnostik
Datum: 30. und 31. Januar 2004
in Hamburg
Ort: CMD-Clinic im Hanseviertel
Dr. Bodo S. von Gadomski und
Dr. Jürgen Reitz,
Große Bleichen 30, 5.OG,
20354 Hamburg
Anmeldung:
MEDREFLEX GmbH-Therapiekonzepte-
Hesseloherstraße 8
Tel.: (089) 38 79 98 84, Fax: (089) 38 89 81 69
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