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83. Jahrgang H 11392 ISSN 0943-4992 5/2006 Familienzentren Chancen des § 36a, SGB VIII EREV-Positionspapiere zum § 8a, § 72a, SGB VIII Dezember 2006

Familienzentren Chancen des § 36a, SGB VIII EREV ... · Logopädie sowie Ergo- und Physiotherapie ge-schaffen. Seit Ende des Jahres 2005 besteht zudem im Haus eine direkte Anbindung

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83. Jahrgang

H 11392ISSN 0943-49925/2006

Deutsche Post AGPostvertriebsstück – H 11392Entgelt bezahltISSN 0943-4992

Schöneworth VerlagVordere Schöneworth 2130167 Hannover

Familienzentren

Chancen des § 36a, SGB VIII

EREV-Positionspapierezum § 8a, § 72a, SGB VIII

Dez ember 2006

Editorial 282Björn Hagen

Kindergarten »Förderkörbchen« im 283Familienhilfecentrum: Netzwerk Pädagogik & Therapie für Kinder und Familien in Gelsenkirchen-Schalke Kooperationsgemeinschaft zur Erziehungshilfe, Integration und Frühförderung in Trägerschaft des Evangelischen Kinder- und Jugendhauses gGmbHThomas Craemer

Das Haus der Zukunft in 287 Bremen-Lüssum Auf dem Weg zum MehrgenerationenhausHeike Binne

Auf dem Weg zu Familienzentren ... 298»Der positive Blick auf Kinder und ihre Familien« Das Kinder- und Familienzentrum Schillerstraße in BerlinJutta Burdorf-Schulz, Brigitte Gerhold

Zielvereinbarungen sichern Qualität: 304Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!Maria Lüttringhaus, Angelika Streich

Unmittelbarer Zugang zu ambulanten 317 Erziehungshilfen – Chancen des § 36a, Abs. 2, SGB VIII für eine sozialräumliche Ausgestaltung der JugendhilfeKarl Späth

Gesetze und Gerichte 321Christian Müller

EREV Aktuell 327• Rückschau: EREV-Forum »Ambulante, 327

flexible Hilfen« vom 19. – 21.09.2006

• Rückschau: Forum Verwaltung und 328Pädagogik vom 26. – 28.09.2006

• EREV-Positionspapier: 330SGB VIII § 8a, Schutzauftrag

• EREV-Positionspapier: SGB VIII, 331§ 72a, persönliche Eignung

• Vorschau: EREV-Fortbildung 332»Jugendhilfe so leicht, so nah, so schnell und so billig wie möglich …« mit Exkursion in die Niederlande vom 12. bis 15.03.2007

• Aus den Mitgliedseinrichtungen: 333Die Ev. Jugendhilfe Iserlohn gGmbHEine 230-jährige Reise durch die Zeitmit Zitaten und Konzepten

• Stellungnahme des Fachverbandes 341Jugendhilfe gegen die Auflösung des Niedersächsischen Landesjugendamtes

• Zweiter Bundeskongress Evangelische 342Schule tagte im Oktober in Berlin

Hinweise 343

Auf ein Wort U3Siegfried Hoch

281EJ 5/2006

INHALT

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr.

Dieser Ausgabe liegen das Programm des Fo-rums »Jugendhilfe und Psychiatrie« des BeB undEREV bei sowie ein Falter zur Weiterbildung inCasemanagement und Prozesssteuerung der Ju-Con, Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronne.V. und ein Falter der »Akademie für sozialwis-senschaftliche Innovation ASI« zum Kontaktstu-diengang Lerntherapie.

TTIIPPPP:: Aufmerksamkeitstraining mit »ADHS-Kindern« Bianka BauermeisterDer TIPP ist auch als PDF-Dokument unterwww.erev.de / Publikationen / Ev. Jugendhilfe /2006 erhältlich.

Arme Eltern – benachteiligte Kinder. So könntedas Ergebnis der drei aktuellen Studien zur Ge-sundheit, Lage der Jugendlichen und Schwanger-schaften zusammengefasst werden.

Deutschlands Kinder sind zum großen Teil gesund,fit und fidel. Das bescheinigt ihnen die große, eu-ropaweit einzigartige Studie zur Kinder- und Ju-gendgesundheit KiGGS, für die das Robert-Koch-Institut (RKI) im Auftrag des Bundesgesundheits-ministeriums drei Jahre lang mehr als 17.000 Kin-der und Jugendliche zwischen null und 17 Jahrenuntersucht hat. Außer dem Gesamtergebnis zeigtsich jedoch vor allem eines: Die geballten Risikenfür Übergewicht, Essstörungen, mangelnde Gelen-kigkeit oder psychische Probleme trägt vor allemder Nachwuchs aus ärmeren Elternhäusern. »Die-se Schicht hat alle Nachteile auf einmal«, bilan-zierte Studienleitern Bärbel-Maria Kurth vom RKI.

Auch das Risiko, schwanger zu werden, ist bei ei-ner Hauptschülerin fünf Mal so hoch wie bei ei-ner Gymnasiastin. Dies geht aus einer aktuellenBefragung von 1.800 Schwangeren unter 18Jahren hervor, die von Pro-Familia-Beratungsstel-len in Kooperation mit dem Institut für Sexualfor-schung und forensische Psychiatrie der Universi-tät Hamburg mit finanzieller Unterstützung derBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung(BZgA) durchgeführt wurde. Über ein Drittel derSchwangeren – so die Studie – hat gar nicht oderunsicher verhütet, rund 60 Prozent geben jedochan, mit der Pille oder Kondom verhütet zu haben.Dies zeigt, dass Anwendungsfehler, aber auchfehlendes Erfahrungswissen bei der Verhütung eingroßes Problem darstellen. Die neuen Studiener-gebnisse zeigen erstmalig für Deutschland, dassgeringe Bildung, Arbeitslosigkeit und soziale Be-

nachteiligung das Risiko von ungeplantenSchwangerschaften deutlich erhöhen.

Was die Pisa-Studie gezeigt hat, verdeutlichtauch die Shell-Studie. Die Chancen auf eine guteBildung und somit bessere Berufsaussichten hän-gen immens vom Elternhaus ab. Jugendliche ausder Unterschicht fänden sich häufiger an Haupt-schulen und Sonderschulen wieder. Zuversichtlichin die Zukunft blicken 57 Prozent der Gymnasia-sten im Vergleich zu den 38 Prozent Hauptschü-lern. Dabei erzielten sie auch im anschließendenberuflichen Ausbildungsweg nicht die Resultate,die ihrem möglichen Potenzial entsprächen.

So lässt sich resümieren: Ungeplante Schwanger-schaften, Gesundheitsrisiken und fehlende Zuver-sicht; die Ergebnisse der Untersuchungen weisenden Weg, armen Kindern aus unteren sozialenSchichten Perspektiven zu eröffnen, um aus demTeufelskreis zu entkommen. Das Eintreten für diePotentiale der benachteiligten Kinder muss zen-trales politisches Interesse werden. Die in diesemHeft dargestellten Beispiele wie das Familiencen-trum Gelsenkirchen, die early excellence centersund das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum zei-gen Möglichkeiten, wie Perspektiven für benach-teiligte Familien entwickelt werden können.

Stetig weiter entwickelt sich auch die »Evangeli-sche Jugendhilfe«: In diesem Heft finden Sie erst-mals Informationen aus dem Verbandsbereich imzweiten Teil des Heftes gebündelt sowie die neueRubrik »Auf ein Wort« mit nachdenklich-besinn-lichen Zeilen zum Ausklang.

Ihr Björn Hagen

282 EJ 5/2006

Editorial

DDaass FFaammiilliieennhhiillffeecceennttrruumm vveerrbbiinnddeett uunntteerr eeiinneemmDDaacchh kkooooppeerriieerreennddee EEiinnrriicchhttuunnggeenn.. EEss vveerrnneettzzttssiicchh ddaarrüübbeerr hhiinnaauuss dduurrcchh aakkttiivvee BBeetteeiilliigguunngg ddeerrEElltteerrnn ddeess SSttaaddtttteeiillss iimm KKiinnddeerrggaarrtteenn ssoowwiiee dduurrcchhKKoonnttaakkttee zzuu wweeiitteerreenn EEiinnrriicchhttuunnggeenn.. EEss bbeesstteehhtt iinnsseeiinneerr jjeettzziiggeenn FFoorrmm sseeiitt ddeemm JJaahhrr 22000033.. EEiinn UUmmbbaauu uunndd ddiiee EErrwweeiitteerruunngg ddeerr GGeebbääuuddee ddeessEEvvaannggeelliisscchheenn KKiinnddeerr-- uunndd JJuuggeennddhhaauusseess iinn GGeell--sseennkkiirrcchheenn--SScchhaallkkee sscchhuuffeenn iiddeeaallee VVoorraauusssseettzzuunn--ggeenn ffüürr eeiinnee mmuullttiipprrooffeessssiioonneellllee VVeerrnneettzzuunngg zzwwii--sscchheenn eeiinneerr MMuutttteerr--VVaatteerr--KKiinndd--BBeettrreeuuuunngg mmiittKKrraabbbbeellggrruuppppee –– ddeemm KKiinnddeerrggaarrtteenn »»FFÖÖRRDDEERR--KKÖÖRRBBCCHHEENN«« ––,, eeiinneerr DDiiaaggnnoosseeggrruuppppee ((bbeeiiddee iinn TTrrääggeerrsscchhaafftt ddeess EEvvaannggeelliisscchheenn KKiinnddeerr-- uunndd JJuu--ggeennddhhaauusseess)) uunndd ddrreeii kkooooppeerriieerreennddeenn pprriivvaatteennmmeeddiizziinniisscchh--tthheerraappeeuuttiisscchheenn PPrraaxxeenn ffüürr iinntteerr--ddiisszziipplliinnäärree FFrrüühhfföörrddeerruunngg,, uunndd HHeeiillppääddaaggooggiikk,, ffüürrLLooggooppääddiiee ssoowwiiee EErrggoo-- uunndd PPhhyyssiiootthheerraappiiee ggee--sscchhaaffffeenn.. SSeeiitt EEnnddee ddeess JJaahhrreess 22000055 bbeesstteehhtt zzuuddeemmiimm HHaauuss eeiinnee ddiirreekkttee AAnnbbiinndduunngg aann ddiiee WWeessttffäällii--sscchhee PPfflleeggeevveerrmmiittttlluunngg uunndd eeiinnee BBeerreeiittsscchhaaffttss--ppfflleeggeesstteelllleennvveerrmmiittttlluunngg.. AAllllee NNeettzzwweerrkkppaarrttnneerraarrbbeeiitteenn nniicchhtt nnuurr ffaacchhlliicchh zzuussaammmmeenn,, ssoonnddeerrnnbbeeffiinnddeenn ssiicchh aauucchh rrääuummlliicchh ggeesseehheenn uunntteerr eeiinneemmDDaacchh ooddeerr iinn uunnmmiitttteellbbaarreerr NNaacchhbbaarrsscchhaafftt..

Das Konzept

Herz des Familienhilfecentrums ist der Kindergar-ten »FÖRDERKÖRBCHEN« mit Einzelintegration. Erist die Schnittstelle für alle anderen beteiligtenEinrichtungen und nimmt beim Kontakt der Fami-lien zu therapeutischen und pädagogischen Hilfs-angeboten eine Vermittlerrolle ein.

Der Kindergarten bietet auf drei Etagen mit sie-ben Erlebnisräumen, einer geräumigen Bewe-gungshalle und einem großzügigen Naturspiel-garten viel Platz für 75 Kinder.

Ein offenes religionspädagogisches Konzept inkindgerechter, geborgener Atmosphäre mit eineranregenden Auswahl an Spiel- und Lernmateria-lien, Naturverbundenheit und Ruheorten prägtden Kindergarten.

Die Öffnungszeiten sind derzeit von 7.00 bis 17.00Uhr. Der Tagesablauf ist klar strukturiert und bie-tet den Kindern den notwendigen Orientierungs-rahmen: täglicher Morgenkreis in den dreiStammgruppen und spezielle Freispielangebote,gruppenübergreifendes freies Spiel in allen Erleb-nisräumen und auf dem Außenspielgelände.

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Kindergarten »Förderkörbchen« im Familienhilfezentrum

Netzwerk Pädagogik & Therapie für Kinder und Familien in Gelsenkirchen-SchalkeKooperationsgemeinschaft zur Erziehungshilfe, Integration und Frühförderung in Trägerschaft des Evangelischen Kinder- und Jugendhauses gGmbH

Thomas CCrraaeemmeerr, Gelsenkirchen

Besondere Angebote sind • die Integration behinderter Kinder,• Tiere eingesetzt im pädagogischen Prozess,• intensive Förderung für Kinder mit besonderen

Bedürfnissen beispielsweise durch unterstützteKommunikation,

• der Einsatz des Gelsenkirchener Entwicklungs-begleiters,

• interkulturelle Sprachförderung (SIMPL),• Lese-Rechtschreibschwächeprävention (BISC),• die wöchentliche Spielgruppe »Schnullerbande«,

eine Spiel- u. Fördergruppe für Kinder unter dreiJahren mit Eltern,

• Rechenschwächeprävention sowie ein speziellerarbeitetes einjähriges Förderprogramm fürSchulanfängerinnen und Schulanfänger(»Grips-Club«).

Elternarbeit und Vernetzung

Treffpunkte für Eltern sind das gut besuchte wö-chentliche Elterncafé und die regelmäßig stattfin-denden Elternkreativnachmittage. Generell wer-den Eltern so oft wie möglich in das Leben desKindergartens einbezogen. Bei der Planung vonAngeboten orientiert sich der Kindergarten an ih-ren Bedürfnissen und Interessen: gemeinsame Fe-ste, Förderverein, Elternhospitation, Haus- undNachbarschaftsbesuche, Kurs- und Beratungsan-gebote.

Selbstverständlich besteht eine gute Zusammen-arbeit mit den Grundschulen des Stadtteils. Inverschiedenen Arbeitskreisen und Wohnbereichs-treffen ist der Kindergarten vernetzt mit vielenweiteren Gelsenkirchener Einrichtungen und In-stitutionen und arbeitet regelmäßig oder in Pro-jekten mit ihnen zusammen.

Der Kindergarten

Der Kindergarten »FÖRDERKÖRBCHEN« über-nimmt eine wichtige Funktion beim Erkennen vonEntwicklungsauffälligkeiten sowie eine wesentli-che Vermittlerrolle beim Kontakt der Familien zuergänzenden therapeutischen und pädagogischen

Hilfen. Das Angebot der Familienhilfe unter einemDach kann Zugangsbarrieren deutlich reduzieren,wenn sich beispielsweise Pädagogen/innen undTherapeuten/innen gemeinsam mit den Elternüber die Entwicklung eines Kindes austauschenoder ganz einfach deshalb, weil die therapeuti-sche Praxis lediglich ein Stockwerk höher bzw. di-rekt nebenan liegt.

Die pädagogischen Fachkräfte besuchen regelmä-ßig Fort- und Weiterbildungen und wenden ihrWissen gezielt in der Förderung von Kindern undEltern an. Zurzeit wird beispielsweise ein Ver-gleich unterschiedlicher Erziehungsprogrammeerarbeitet, um zielgruppengerechte Unterstüt-zung im Erziehungsprozess leisten zu können.

Kooperation

In enger Kooperation zwischen Kindergarten, Pra-xen, Mutter-Vater-Kind-Betreuung, Krabbelgrup-pe, Diagnosegruppe, Pflegefamilien und medizi-nisch-therapeutischen Praxen werden effektiveStrukturen der »kurzen Wege« entwickelt. Zur Er-arbeitung von Kooperationsstrukturen, Außendar-stellung und kontinuierlichem fachlichem Aus-tausch finden regelmäßig moderierte Koordinati-onstreffen statt. Gemeinsame Gespräche aller aneinem Hilfeprozess beteiligten Pädagogen/innenund Therapeuten/innen mit den Eltern ermögli-chen die differenzierte Einschätzung der Entwick-lung eines Kindes und helfen der Familie, Förder-maßnahmen zu verstehen und zu unterstützen.Ergänzend finden im Kindergarten Fortbildungs-angebote der Praxen für Eltern statt.

Seit 2004 fördert die AKTION MENSCH mit der Fi-nanzierung einer Koordinatorin mit 20 Wochen-stunden das Projekt für drei Jahre. Aufgabenbe-reiche dieser Stelle sind Moderation, interne undexterne Vernetzung, Unterstützung bei der Ent-wicklung und Dokumentation des Projektes.

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Kindergarten »Förderkörbchen« im Familienhilfecentrum

Zielgruppen

Das Familienhilfecentrum wendet sich mit seinenAngeboten sowohl an Familien und Kinder mitbesonderem Förderungsbedarf, als auch an Fami-lien des Stadtteils Gelsenkirchen-Schalke insge-samt.

Zielgruppen sind Familien des Kinder-gartens/Stadtteils, der Mutter-Vater-Kind-Be-treuung und der Diagnosegruppe des Familienhil-fecentrums. Der Stadtteil Gelsenkirchen-Schalkeist durch eine besonders hohe Arbeitslosenquotesowie einen hohen Anteil an Migrationsfamilienund allein erziehenden Eltern geprägt. Die meistsehr jungen allein erziehenden Mütter der Betreu-ung, wie auch die Kinder der Diagnosegruppe, be-nötigen eine besonders intensive Unterstützungbei der Bewältigung ihrer Lebenssituation und zurIntegration. Flexible Angebote zur Stärkung derFamilienkompetenz tragen diesen Lebensbedin-gungen Rechnung und erweitern Schritt fürSchritt ein unterstützendes Netzwerk.

Ziele

• Kinder und Familien unter differenzierten Blick-winkeln gemeinsam fördern,

• frühzeitig Entwicklungsschwierigkeiten erken-nen,

• direkte Ansprechpartner und kompetenten Ratfür Eltern bieten,

• Vorbehalte abbauen, Angebote der Frühförde-rung wahrzunehmen,

• Zugangsbarrieren durch räumliche u. persönli-che Nähe reduzieren,

• Fähigkeiten von Familien zur Erziehung und All-tagsbewältigung stärken,

• Integration von Familien in besonderen/schwie-rigen Lebenslagen,

• bedarfsgerecht, an der Lebenswelt orientiert ar-beiten,

• Wirtschaftlichkeit.

Das Familienhilfecentrum verbindet unter einemDach kooperierende Einrichtungen. Es vernetzt

sich darüber hinaus durch aktive Beteiligung derEltern des Stadtteils im Kindergarten sowie durchKontakte zu weiteren Einrichtungen: • das Mädchenzentrum Gelsenkirchen nutzt Räu-

me des Kindergartens und bietet im Gegenzugkostenlos Kurse für junge Frauen der Mutter-Vater-Kind-Betreuung an;

• eine Stillgruppe des Marienhospitals trifft sichim Familienhilfecentrum; der Rotarier-ClubGelsenkirchen unterstützt ein Projekt zur Kin-derbetreuung von Müttern in Ausbildung;

• der Bildungsdienstleister GABS ist mit einerAusbildungsküche im Haus angesiedelt; mitdem Kindergarten »FÖRDERKÖRBCHEN« ist dasFamilienhilfecentrum vertreten am »RUNDENTISCH SCHALKE«, beim »LOKALEN BÜNDNISFÜR FAMILIEN« der Stadt Gelsenkirchen, inzahlreichen Arbeitskreisen und Wohnbereichs-treffen, d.h. gemeinsame Planung von Projektenund wohnortbezogene Anregungen (beispiels-weise aktuell ein Schrebergartenprojekt desKindergartens und der Diagnosegruppe, Famili-enfeste im Stadtteil, Beteiligung am Projekt»Together in Peace«).

Vieles entwickelt sich aus dem engen Kontaktzum sozialen Umfeld und Offenheit für Neues zueinem lebendigen, flexiblen Netzwerk.Neben den bereits bestehenden sind neue und er-weiterte Angebote für die nächste Zukunft in Pla-nung:

Pläne

• Ausbildung und Vermittlung von Tageseltern,• Gruppe für unter Dreijährige mit erweiterten

bedarfsorientierten Öffnungszeiten und flexi-blem zeitlichen Betreuungsumfang,

• spezielle Serviceleistungen wie Fahrdiensteund häusliche Kinderbetreuung in besonderenSituationen,

• Erweiterung des Beratungsangebotes für Eltern,u.a. auch für Kinder im Vorkindergartenalter.

285EJ 5/2006

Kindergarten »Förderkörbchen« im Familienhilfecentrum

Organisation/Finanzierung

Träger des Kindergartens »Förderkörbchen« undder drei anderen pädagogischen Einrichtungen imFamilienhilfecentrum ist das Evangelische Kinder-und Jugendhaus, eine Einrichtung der Jugendhil-fe mit differenzierten stationären und ambulan-ten Angeboten für Kinder und Jugendliche, jungeErwachsene und Familien in Bochum und Gelsen-kirchen. In freier Kooperation sind die drei betei-ligten therapeutischen Praxen dem Familienhilfe-zentrum angeschlossen – zwei von ihnen als Mie-ter im selben Gebäude. Es besteht ein enger, so-wohl fachlicher, als auch nachbarschaftlicherKontakt.

Die Kindergartenleiterin übernimmt neben ihrerinternen Leitungsfunktion viele Aufgaben desKontaktes zum Stadtteil, der Weiterentwicklungdes Kindergartens, des Familienhilfecentrumsund der Öffentlichkeitsarbeit. Kindergarten, Krab-belgruppe, Mutter-Vater-Kind-Betreuung undDiagnosegruppe haben einen Bereichsleiter, derunterstützend mit den Einzelleitungen zusam-menarbeitet, übergeordnete und Koordinierungs-aufgaben wahrnimmt. Bereichsleitung und Kin-dergartenleitung arbeiten Hand in Hand bei derPlanung und Durchführung von Projekten des Fa-milienhilfecentrums. In regelmäßigen, zwei- bisvierwöchentlichen moderierten Treffen aller Ein-richtungen, werden Einzelheiten diskutiert undVereinbarungen getroffen.

Die Finanzierung des Kindergartens und der ande-ren am Familienhilfecentrum beteiligten Einrich-

tungen des Evangelischen Kinder- und Jugend-hauses erfolgt über die zuständigen öffentlichenTräger der Jugendhilfe im Rahmen der Leistungs-vereinbarungen. Der Trägeranteil an den Kostendes Kindergartens kann über die Vermietung derPraxisräume im Gebäude des Familienhilfecen-trums refinanziert werden.

Thomas Craemer Familienhilfecentrum

Schlosserstr. 545881 Gelsenkirchen

[email protected]

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Kindergarten »Förderkörbchen« im Familienhilfecentrum

287EJ 5/2006

Bund Deutscher Architekten – Preis 1998

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Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

Auf dem Weg zum Mehrgenerationenhaus

Heike BBiinnnnee, Bremen

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Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

Wohnen in Nachbar-schaften

(WiN) Projekt Lüssum

Elternverein für Psychomotorische Entwicklungsförderung EPSYMO

Evangelisch- lutherische

Kirchengemeinde Lüssum

mit Kindertagesheim

Täter-Opfer-Ausgleich Bremen- Nord e.V.

Lüssumer Turnverein von 1898 e.V. (LTV)

Arbeit und Zukunft Bremen Nord e.V. AWO Jugend- migrationsdienst

Caritas Donnerstags-

FORUM

Haus der Familie Lüssum

VHS Bremen- Nord

Paritätisches Bildungswerk e.V.

Alles unter einem Dach im Haus Zukunft e.V.

Migrantinnen Berufsorientierung

und Planung - FiAW

(Frauen in Arbeit und Wirtschaft)

Erziehungs- und psychologische Beratung für türkische Familien

Organisation und Verein Haus der Zukunft e.V.

Netzwerk Haus der Zukunft

HHaauuss ddeerr FFaammiilliiee LLüüssssuumm

Das »Haus der Familie Lüssum« im Haus der Zu-kunft ist eine Einrichtung des Amtes für SozialeDienste der Freien Hansestadt Bremen. Die Ange-bote richten sich an alle Mütter, Väter und ihreKinder im Ortsteil Lüssum-Bockhorn. Im Haus derFamilie besteht die Möglichkeit, sich mit anderenEltern auszutauschen, Kontakte zu schließen undsich Rat, Anregungen und Hilfe zu holen.

Zuwandererfamilien im Wohngebiet finden hierauch muttersprachliche Angebote wie beispiels-weise türkische Erziehungsberatung, Deutschkur-se in Zusammenarbeit mit dem Paritätischen Bil-dungswerk e.V. und der AWO, Elternbildungskur-se und Gesprächskreise.

Im Mittelpunkt aller Veranstaltungen stehen da-bei neben Fragen zur Kindererziehung oder zuEhe- und Partnerschaftsproblemen das Miteinan-der auch verschiedener Kulturen in Lüssum-Bock-horn sowie das Leben in der Migration.

289EJ 5/2006

Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

Mitglieder

Koordination der Arbeit im Haus:

Programmplanung Projektentwicklung

Raumbelegung Beschäftigungsprojekt

Projekt Lüssum

Haus der Familie

EPSYMO Evangelische

Gemeinde KTH

Kiga & Hort

Bewohner

Fachleute

LTV

Vorstand

Selbsthilfegruppen für alle möglichen Interessenund Themen werden vom Haus der Familie Lüs-sum ebenso unterstützt. Bei einem Teil der Veran-staltungen werden die Kinder der Teilnehmendenwährenddessen betreut.

EPSYMO

EPSYMO, der Elternverein für PSYchoMOtorischeEntwicklungsförderung e.V. fördert Kinder im Al-ter von drei bis zwölf Jahren, die von Behinderungbedroht sind, die Störungen in der Wahrnehmung,der Bewegung, der Sprache und im Verhalten zei-gen. Ebenso können Kinder mit körperlichen undgeistigen Behinderungen eine psychomotorischeEntwicklungstherapie erhalten.

Die Förderung findet in Kleingruppen mit drei bisacht Kindern statt. Spielerisch, ohne Leistungs-zwang und Druck wird psychomotorisches Mate-rial eingesetzt. Die Gruppen werden nach Ent-wicklungsstand und Bedürfnissen gezielt zusam-mengestellt. Unsere Gruppenleiter/-innen sindausgebildete Therapeuten/-innen mit einer Zu-satzqualifikation in der Psychomotorik. Kindermachen während ihrer Förderzeit bei EPSYMOneue Erfahrungen in den Bereichen Bewegung,Wahrnehmung und Erleben.

Ziel der Förderung ist es, durch individuelles Han-deln und Erleben Verbesserungen der eigenenWahrnehmung zu erreichen. Mit diesen neu er-worbenen Fähigkeiten sollen sich die Kinder bes-ser in ihrer Umwelt, der Schule, im Kindergartenund Alltag zurechtfinden.

EPSYMO bietet den Eltern auch eine umfassendeElternbetreuung an. Dies sind Angebote wie bei-spielsweise Hilfen bei Schul- und Kindergarten-problemen, Angebote von Elterngesprächskreisenund Informationsabenden zu verschiedenen The-men.

Netzwerk Haus der ZukunftEvangelische Gemeinde

Die evangelisch-lutherische KirchengemeindeLüssum versteht sich als eine einladende Gemein-de, die offen ist gegenüber allen Menschen imOrtsteil Lüssum mit ihren facettenreichen Bedürf-nissen und Interessen. Das Gemeindehaus amNeuenkirchener Weg, das in allen Einzelheitenvon Lüssumer Bürgern mitgeplant und 1974 fer-tiggestellt wurde, spiegelt in seiner Architekturrecht genau das Verständnis der Gemeinde vonsich und ihrem christlichen Auftrag in der Weltwider. So wird der zentrale Versammlungsraumdes Gemeindezentrums als »Marktplatz« von Lüs-sum verstanden, in dem nicht nur der sonntägli-che Gottesdienst, sondern alle größeren Veran-staltungen stattfinden. Auf einen fest installiertenAltar und eine Kanzel wurde aus diesem Grundverzichtet.

Die Gemeinde weiß sich in dem Stadtteil mit ho-hem Ausländeranteil allen Bevölkerungsgruppenverbunden. So ging aus ihrer Mitte die Initiativefür das Haus der Zukunft hervor, dem sie ein Teildes Gemeindegrundstückes in Erbpacht zur Verfü-gung stellte. Sie trägt den Verein mit und betei-ligt sich an der Gemeinwesenarbeit im StadtteilLüssum.

So wird die Zusammenarbeit in Lüssum groß ge-schrieben. Viele Initiativen gehen vom Kindergar-ten, der Gemeinde und vom Hort aus und werdeninnerhalb der Gemeinde fortgeführt: lebendigeFeste, gemeinsame Gottesdienste und Projekte zuaktuellen Themen.

Bestehende Zusammenarbeit zwischen Kindertagesheim, Ev. Gemeinde und HHaauuss ddeerr ZZuukkuunnfftt

Kindertagesheime sind, unabhängig von ihrerweltanschaulichen Prägung, pädagogische Ein-richtungen, in denen Kinder in ihrer individuellenEntwicklung gefördert werden sollen. Zur gleichenZeit sind sie familienergänzende Maßnahmen, die

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Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

die Familie entlasten und unterstützen sollen.Verschiedene Modellversuche haben gezeigt, dasseine möglichst gute Entwicklung und Förderungdes Kindes vor allem dort erreicht wird, wo einefrühzeitige und kontinuierliche Förderung in derFamilie erfolgt und wo diese durch außerfamiliä-re Förderangebote, abgestimmt auf die Familien-erziehung, ergänzt wird.

Als christliche Gemeinde erkennen wir hier unse-ren diakonischen Auftrag, der sich für uns ausdem Evangelium ableitet, wenn wir etwa hören,wie sich Jesu Jüngerinnen und Jünger nach Mat-thäus 25,31 – 46 den Schwächsten der Gesell-schaft zuwenden sollen.

Die Schwächsten unserer Gesellschaft – dazu ge-hören unserer Erkenntnis nach die Kinder, die inheutiger Zeit zunehmend unter Alkohol- und Dro-genproblemen der Eltern zu leiden haben und un-ter den Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut. Ineinem Ortsteil wie Lüssum sind diese Problememit Händen zu greifen, ebenso wie die Schwierig-keiten allein erziehender Eltern, extrem junger El-tern und vieles mehr. Eine weitere Anforderungentsteht durch den hohen Anteil ausländischerMitbürger/-innen, die, ebenso wie die Kinder,ohne Hilfe von außen oftmals nur wenige Mög-lichkeiten zur Integration fänden.

Auf solche Anforderungen muss Kirche/Gemeinde– will sie nicht unglaubwürdig werden – reagie-ren. Die Kirchengemeinde Lüssum unterhält ausdiesen Gründen ein Kindertagesheim, das sichdarum bemüht, Kindern und Eltern dieses Stadt-teils im Hinblick auf ihre jeweiligen Bedürfnissezu unterstützen und zu fördern. Gleichzeitig en-gagiert sich die Gemeinde gemeinsam mit denVereinen des Ortes im Haus der Zukunft, das denMenschen unseres Stadtteils mit Freizeit-, Bera-tungs- und Versorgungsangeboten Versamm-lungsort und Knotenpunkt sein will.

Die Einrichtung eines Mehrgenerationenhauses inLüssum würde helfen, die Arbeit im Ortsteil anden tatsächlichen Bedarf anzupassen.

Die Gemeinde, das Kindertagesheim und das Hausder Zukunft möchten sich damit gegen den Trendder Gesellschaft stellen, der die Generationen ein-ander eher entfremdet als zusammenführt. Das istfatal in einer Zeit, in der immer mehr alte Men-schen auf das Verständnis der Jungen angewiesensind, fatal in einer Zeit, in der immer weniger Kin-der ohne das Vorbild und den Rückhalt von Groß-eltern aufwachsen.

Perspektive Mehrgenerationenhaus

Das Haus der Zukunft mit seinen Kooperations-partnern im Haus, das Kindertagesheim und dieevangelische Gemeinde hat sich beim Bundesmi-nisterium für die Teilnahme und Förderung amAktionsprogramm Mehrgenerationenhaus betei-ligt.

Um das bisher vorhandene Verbundprojekt zu ei-nem Mehrgenerationenhaus zu erweitern, sollenweitere Zielgruppen angesprochen und einbezo-gen werden. Daneben sollen auch unterschiedli-che Kulturen weiterhin zusammenkommen kön-nen. Vorrangig soll es dabei um ältere Menschenund um Angebote für Eltern mit Säuglingen ge-hen. Durch die Angebotserweiterung kann schnel-ler Kontakt zu Risikofamilien aufgenommen wer-den, um sie zu beraten und damit frühzeitig prä-ventiv tätig werden zu können. Die Begegnungder verschiedenen Generationen und Kulturen sollunterstützt, ein »Voneinander-Lernen« organisiertund ein Austausch angebahnt werden.

Die bisher bestehenden Angebote sollen außer-dem ergänzt werden durch Elternbildungsange-bote, gerade auch für so genannte bildungsferneFamilien sowie Angebote zur Stärkung der elter-lichen Erziehungskompetenz. Erziehungskompe-tenz muss in jeder Generation neu gelernt wer-den. Außerdem werden Gruppenangebote aufge-baut und die Förderung und Beratung für Elternangeboten. Eine enge Verzahnung der vielfältigenAngebote kann durch die bisherige gute Zusam-menarbeit im Haus der Zukunft gewährleistetwerden.

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Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

LTV Lüssumer Turnverein

Seit dem Bestehen des Hauses der Zukunft bietetdie Judo-Abteilung des Lüssumer TV in der Gym-nastikhalle Judosport für Anfänger und Fortge-schrittene an. Judo ist eine alte japanischeSportart, die aus verschiedenen Techniken zurSelbstverteidigung entwickelt wurde. Ziel war da-bei die Entwicklung eines lebendigen Sports, derden ganzen Körper fordert. Judo ist ein Sport fürjedes Alter. Es ist ein Spiel für Kinder, weil vieleTechniken und Abwehreaktionen spielerisch er-lernt werden. Es ist auch ein Wettkampfsport fürJugendliche und Erwachsene.

Unter allen Kampfsportarten ist Judo eine der we-nigen, die sich nur mit Unterstützung eines Part-ners erlernen und üben lässt. Disziplin und gegen-seitige Hilfe der Partner sind daher nicht nur lee-re Schlagworte, sondern unerlässlich. Da jedereinmal die Rolle des Angreifers und des Angegrif-fenen spielt, verstehen selbst kleine Kinder dieseRegeln sehr schnell. Hier ist vor allem geistige Fle-xibilität sehr wichtig, um sich auf die wechseln-den Partner beim Training und Gegner im Wett-kampf einstellen zu können. Durch Gürtelprüfun-gen und sportliche Wettkämpfe werden aktuelleLernfortschritte dokumentiert.

Projekt Lüssum

Seit 1990 wird in Lüssum-Bockhorn mit dem Startdes damaligen ressortübergreifenden Bremer Pro-gramms »Nachbesserung von Großwohnanlagen«in der Umsetzung durch das »Projekt Lüssum« einesoziale und integrative Stadtteilentwicklung initi-iert. Es wurde 1998 durch das ressortübergreifen-de Programm »WiN – Wohnen in Nachbarschaf-ten« abgelöst. Ergänzt wird das Programm »WiN«seitdem ebenfalls durch das Bund-Länder-Pro-gramm »Stadtteile mit besonderem Entwick-lungsbedarf – die Soziale Stadt«. Es verfolgt eineähnliche inhaltliche Ausrichtung. Das Ziel der»Nachbesserung« war nicht nur die bauliche Sa-nierung des Gebietes, und damit eine Steigerungder Bewohnbarkeit des Quartiers, sondern eben-

falls eine soziale Verbesserung durch Projekte, diesich auf den Alltag beziehen. Die Lebensqualitätim Wohngebiet soll so gesteigert werden.

Das »Projekt Lüssum« hat seinen Sitz mitten imGebiet, im Haus der Zukunft, das im Rahmen derNachbesserung entstanden ist. Hier werden dieProgramme und die daraus entstehenden Projek-te durch die Quartiersmanagerin vor Ort betreut.Das »Projekt Lüssum« fungiert hier vor allem alsSchnittstelle zwischen den Bewohnern/-innen,der Verwaltung und den beteiligten Institutionenals Ansprechpartner vor Ort. Es ist Initiator vonProjekten und beteiligt sich an deren Durchfüh-rung im Quartier. Es ist ebenfalls zuständig für dieOrganisation und Moderation der Prozesse sowiefür die Netzwerkarbeit im Gebiet. Als zentraleHandlungsweise und Ansatz kann jedoch die Ak-tivierung und Beteiligung der Bewohner/-innendes Quartiers angesehen werden. Ohne derenMitwirkung wäre es nicht möglich Projektedurchzuführen.

Das Projektgebiet hat bis heute den Charakter ei-ner Art »Durchlauferhitzers«: Neue Bewohner/-in-nen bleiben so lange, bis sie sich »akklimatisiert«haben, dann ziehen sie häufig weg. Andere, mitweiteren Problemen, kommen nach. Die darausresultierenden sozialen Problematiken sind unteranderem Begründung für die Förderung aus dem»WiN«- und »Soziale Stadt«-Programm. Auch dieBewohner/-innen, die in Lüssum verbleiben undihren Lebensmittelpunkt weiterhin im Gebiet ha-ben, dürfen hier nicht vergessen werden.

Wohnen in Nachbarschaften (WIN)

Im Jahr 1998 hat der Bremer Senat für die Stadt-gemeinde Bremen das ressortübergreifende Pro-gramm »WiN – Wohnen in Nachbarschaften –Stadtteile für die Zukunft entwickeln« beschlos-sen. Es ist Teil einer langfristig angelegten, inte-grierten Stadtteilentwicklungspolitik des Bremer

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Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

Senats. Insgesamt wurden in Bremen zehn Gebie-te ins Programm aufgenommen, Lüssum-Bock-horn ist eines davon. Erklärtes Ziel des Programms»WiN« ist es, die Lebens- und Wohnsituation derBewohner/-innen im Wohngebiet nachhaltig zuverbessern.

Über das Programm »WiN« fließen seit 1998 rund150.000 Euro pro Jahr nach Lüssum-Bockhorn.Die Mittelvergabe und die Weiterführung des Pro-gramms muss der Bremer Senat hingegen jedesJahr erneut beschließen. Bis zum heutigen Tag(Anfang April 2006) wurde in Lüssum-Bockhornrund 140 Projekte aus »WiN« ergänzend gefördert,das bedeutet, dass bis zu 50 Prozent der Kosteneines Projektes bezuschusst werden können. Über»WiN« werden im Allgemeinen Projekte gefördert,die einen konsumtiven Charakter haben, wie bei-spielsweise Sprachkurse, oder auch die Einrich-tung einer internationalen Frauenwerkstatt, Un-terstützung von Projekten zur wohnortnahen Be-schäftigung und Qualifizierung, Projekte im Be-reich aufsuchender Jugendarbeit und Gewaltprä-vention, Projekte im Bereich Stadtteilkulturarbeitund Integration.

Die Soziale Stadt

Das Bund-Länder-Programm »Stadtteile mit be-sonderem Entwicklungsbedarf – die Soziale Stadt«wurde 1999 vom Bundesbauministerium aufge-legt. Das Land Bremen meldete alle »WiN«-Gebie-te zur Förderung für das Programm »SozialeStadt« an, um so eine größtmögliche Mittelbün-delung zu erreichen. Mit dem Programm »SozialeStadt« werden die selben Ziele verfolgt wie durch»WiN«. Zusätzlich fließen so pro Jahr weitere rund125.000 Euro nach Lüssum-Bockhorn. Bis AnfangApril 2006 wurden etwa 22 Projekte gefördert, dieebenfalls in der Stadtteilgruppe diskutiert und be-willigt wurden.

Da das Programm aus der »klassischen« Städte-bauförderung heraus entstanden ist, können dieMittel dieses Programms zwar hundertprozentigeingesetzt, jedoch nur investiv verwendet werden.Zu nennen sind hier vor allem städtebauliche Auf-wertungen im Gebiet, wie beispielsweise Spiel-platzmodernisierungen, Bau eines Backhauses,Ausbau einer Selbsthilfewerkstatt oder auchPlatzgestaltungen.

Lokales Kapital für soziale Zwecke (LOS)

Seit April 2004 wird durch das »Projekt Lüssum«,bzw. durch das Quartiersmanagement vor Ort einweiteres Programm betreut: »LOS – Lokales Kapi-tal für soziale Zwecke«.

Das Förderprogramm »LOS« ist ein Modellvorha-ben des Bundesministeriums für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend und wird aus Mitteln desEuropäischen Sozialfonds finanziert (»ESF«).

Damit richtet sich »LOS« an Initiativen und Be-wohner/-innen, die zusammen an der Verbesse-rung der sozialen Situation arbeiten und die Ei-geninitiative der Bewohner stärken. In diesem Zu-sammenhang werden auch Maßnahmen zur För-derung von Toleranz und Demokratie unterstützt.

1. Unterstützung einzelner Aktionen zur Förde-rung beruflicher Eingliederung,

2. Unterstützung von Organisationen und Netzen,die sich für benachteiligte Menschen am Ar-beitsplatz einsetzen,

3. Unterstützung bei der Existenzgründung undbei der Gründung von sozialen Betrieben.

Vor allem aber sollen über »LOS« solche Maßnah-menträger erreicht werden, die durch eine »klas-sische« Förderung des »ESF« bisher wenig erreichtwerden konnten. Das können Initiativen sein, aberz.B. auch Vereine, Genossenschaften, Wohlfahrts-

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verbände oder Einzelpersonen. Ein Mikroprojektkann bis maximal 10.000 Euro mit einer Laufzeitvon einem Jahr gefördert werden. Das Projektmuss am Ende der jeweiligen Förderperiode abge-schlossen sein.

Der jetzige Maßnahmenzeitraum läuft am30.06.2006 aus. Es ist jedoch geplant, für eineweitere Laufzeit, das wäre dann bis zum30.06.2007, Programmgelder für weitere Projek-te zu beantragen. Bis jetzt wurden in Lüssum über»LOS« 26 Projekte mit unterschiedlichen themati-schen Ausrichtungen umgesetzt. Alle Projektewerden durch den »LOS«-Begleitausschuss auf lo-kaler Ebene (Stadtteilgruppe) beschlossen und er-halten ein Gütesiegel.

Generationen- und Nationalitätenübergreifen-de Treffpunkte

MittagstischIm Haus der Zukunft wird von montags bis frei-tags ein abwechslungsreicher Mittagstisch ange-boten. Vor allem alleinlebende ältere Bewohner/-innen nutzen die Möglichkeit, gesund und in ge-selliger Runde zu essen. So haben sie untereinan-der Kontakt und sind auch regelmäßig im Ge-spräch mit Kolleg/-innen aus dem Stadtteil, dieebenfalls den Mittagstisch besuchen.

Fahrt nach Duhnen in die Jugendherberge

Jedes Jahr im Mai wird vom WiN-Projekt eineFahrt für Bewohner/-innen organisiert. Es fahrenFamilien und auch Alleinstehende unterschiedli-

cher Nationalitäten mit. An den Wochenendenstehen das gegenseitige Kennenlernen und dasgemeinsame Tun im Vordergrund.

Die Fahrten behandeln jeweils ein Thema, wie bei-spielsweise das Leben in der Nachbarschaft, dasZusammenleben der unterschiedlichen Nationali-täten oder die Sammlung erster Ideen für die Ge-staltung freigewordener Flächen, die durch denAbriss von Hochhäusern im Quartier entstandensind.

Als Methoden werden etwa Zukunftswerkstatt,Planspiel, ›Appreciative Inquiry‹ angewandt.

Über die gemeinsamen Wochenendseminare bil-den sich neue Kontakte, Vorurteile werden abge-baut und den Bewohner/-innen können das WiN-Projekt und die Angebote im Ortsteil näher ge-bracht und eine Mitwirkung erreicht werden.

Bewohnerfahrt Mai 2005 in der Jugendherberge Duhnen

DonnerstagsForumJeden Donnerstag von 17.00 – 20.00 Uhr findetim Haus der Zukunft für alle interessierten Be-wohnerinnen und Bewohner aus Lüssum-Bock-horn ein interkultureller Treffpunkt, das »donners-tagsFORUM«, statt.

Das »donnerstagsFORUM« ist ein Projekt des Ca-ritasverbandes Bremen-Nord e.V. und wird durch»WiN-Wohnen in Nachbarschaften« gefördert. Esversteht sich unter anderem als erste Anlaufstel-

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le für neu Zugezogene im Gebiet, um sich Rat undInformationen zu holen. Es werden Gesprächsrun-den zu gesellschaftspolitischen Themen organi-siert und Informationsveranstaltungen angebo-ten. Abgerundet wird das Angebot des »donners-tagsFORUMs« durch ein kulturelles Programm, andem sich auch die Teilnehmer immer selbst aktivbeteiligen können, wie etwa durch eigene Auftrit-te wie kleine Konzerte oder Lesungen. Aber auchFilme mit interkulturellem Bezug stehen auf demProgramm.

Internationaler Frauentag

Am 8. März wird in jedem Jahr der Internationa-le Frauentag gefeiert. Frauen vom Haus der Fami-lie, der Caritas, dem WiN-Projekt und dem Hausder Zukunft stellen gemeinsam ein Programm mitvielfältigen künstlerischen Darbietungen vonFrauen aus dem Stadtteil zusammen.

In diesem Jahr beispielsweise wurde der Interna-tionale Frauentag unter dem Motto »Frauenschaffen sich Platz« gefeiert. Dazu gestaltetenFrauen, junge und alte, unterschiedlicher Natio-nalitäten, Türkinnen, Russinnen, und Deutscheaus dem Stadtteil kreativ ihre individuellenTraumstühle, die sie am Frauenfest präsentierten.Als weitere Höhepunkte des Abends wurde denzahlreichen Besucherinnen des Festes orientali-scher Bauchtanz und Hip Hop, Flöten- und Kla-vierspiel, sowie beeindruckende gesangliche Ein-lagen geboten.

Bewohneraktivitäten

Türkische FrauengruppeDie türkische Frauengruppe trifft sich seit rundzwei Jahren jeden Dienstag von 14.30 Uhr bis18.00 Uhr im Haus der Zukunft und besteht ausrund 15 bis 20 Frauen, die in erster Linie türki-scher, aber auch beispielsweise arabischer Her-kunft sind. Dieses wöchentliche Treffen ist in er-ster Linie ein lockerer Gesprächskreis, in dem mangemütlich zusammensitzt, handarbeitet oderbeim Tee Erfahrungen austauscht und meistens

gibt es auch Kleinigkeiten zu essen. Ab und zustehen auch gemeinsame Unternehmungen wieFahrradtouren oder Essen gehen o.ä. auf dem Pro-gramm. Neue interessierte Frauen sind jederzeitherzlich eingeladen vorbeizuschauen und sich derGruppe anzuschließen.

FrauentreffDer Frauentreff entstand Anfang 2004 aufgrundder Initiative einer Bewohnerin aus dem Quartier.Die Damen aus Lüssum-Bockhorn, überwiegendim »besten Alter«, treffen sich rund ein Mal imMonat zu einem Austausch oder auch schon maleinem gemeinsamen Ausflug wie 2005 auf die In-sel Neuwerk. Mittlerweile besteht der Kreis ausrund zehn bis 15 regelmäßigen Teilnehmerinnenund ist für neue Teilnehmerinnen offen. Was abernicht bedeutet, dass nicht auch andere interes-sierte Damen dazukommen könnten – neue Teil-nehmerinnen werden immer gerne gesehen undherzlich willkommen geheißen.

Im ersten Jahr unternahm die Gruppe ebenfallseinen Ausflug zur Insel Neuwerk mit Wattwan-dern oder Kutschfahrt und anschließenderSchiffsfahrt zurück aufs Festland. Das hat bei al-len Teilnehmerinnen so riesigen Anklang gefun-den, dass auch in 2005, Anfang Juli, wieder einTagesausflug zur Insel Neuwerk stattfand. Für Juli2006 ist eine Fahrt zum Zoo Hannover in Planung.Die Termine der Treffen werden direkt vor Ort ab-gesprochen. Frau Burmeister im Haus der Zukunftgibt Ihnen gerne unter Telefon 0421 - 361 79 504den nächsten Termin bekannt.

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BewohnerfondsJedem der zehn »WiN-Gebiete« in Bremen stehtfür selbst organisierte Aktionen und Projekte einFonds mit 7.500,- Euro jährlich zur Verfügung.

Einzelne Vorhaben können bis zu einer Summevon 1.500,- Euro unterstützt werden. Über dieAnträge entscheidet eine Jury. In Lüssum-Bock-horn besteht diese aus drei engagierten Bewoh-nerinnen (Anneliese Brunnlieb, Maike Leder undDilber Dag) und der Leiterin des ev. Kindergartens,Jutta Wedemeyer.

Gefördert wurden bisher:• ein Erste-Hilfe-Kurs am Kind• eine Fahrt ins Tropenhaus nach Hamburg• Bewohner fahren ein Wochenende nach Cuxha-

ven• Lüssum feiert ein Spielfest• das Backhaus braucht eine Ausstattung• auf dem Spielplatz fehlt eine Kleinkinderschau-

kel

Nicht gefördert wird:• Vereine, Initiativen und Einrichtungen unter-

stützen• Essen und Getränke auf Ausflügen zahlen• bei der eigenen Gartengestaltung helfen• ein Honorar oder Miete zahlen

Wenn man als Bewohner/in in Lüssum-Bockhorneine gute Idee hat und diese zusammen mit an-deren (etwa der Hausgemeinschaft oder Eltern-gruppe) gerne in die Tat umsetzen möchte, mussFolgendes getan werden:

1. Stellen Sie einen formlosen, schriftlichen An-trag an die Jury des Bewohnerfonds.

2. Kommen Sie zur Sitzung und stellen Sie dortdas Geplante vor.

3. Später müssen Sie noch die Quittungen ab-rechnen.

Beschäftigung und Qualifizierung

Küchenprojekt

Frau Klingbeil aus Lüssum, Frau Kalkopf aus Sibirien, FrauKatuseko aus dem Kongo (v.l.n.r.)

Der Verein Haus der Zukunft ist seit langem einkleiner Beschäftigungsträger und hat so dieMöglichkeit, wohnortnahe Beschäftigungs- undQualifizierungsangebote zu machen. Dieses Ange-bot wird größtenteils von Frauen wahrgenommen.Die Zusammensetzung ist international, wie derOrtsteil. Hier wird nicht nur Fachpraxis in der Kü-che, sondern auch die Auseinandersetzung mitanderen Kulturen jeden Tag aufs Neue gelernt. In-tegration in den Arbeitsmarkt (wenn es auch ersteinmal der zweite ist) und Integration in die Auf-nahmegesellschaft werden vor Ort gelebt.

• Fünf Arbeitskräfte in »In-Jobs« (Ein-Euro-Jobs) • Lernorientierte Beschäftigung • Anleitung der Küchenhilfen durch qualifizierte

Küchenchefin des KTHs• Ernährungsphysiologisch ausgewogene Ernäh-

rung – Agenda 21• Mittagstisch und einmal wöchentlich Früh-

stücksbüfett für alle Bewohner/-innen desStadtteils

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Unterschiedliche Träger bieten im Haus Angebo-te zur Integration an. Der Großteil der Angebotewird durch das Programm »WiN« (Wohnen inNachbarschaften) bezuschusst, ein kleinerer Teilwird durch das Programm »LOS« (Lokales Kapitalfür Soziale Zwecke) gefördert. Beide Programmewerden später noch genauer erklärt.

Begleitung und Kontakt durch das Haus der Fami-lie

Sprachkurse mit Berufsorientierung»Deutschunterricht mit EDV-Einführung für Mi-grantinnen« – Paritätisches Bildungswerk, geför-dert durch LOS – zwei Vormittage

»Berufsorientierung für junge MigrantInnen –Fachsprache für den Arbeitsmarkt« – AWO-Ju-gend-Migrationsdienst, LOS – drei Vormittage

Einstieg in den BerufBerufsorientierung für Frauen aus den GUS-Staaten • AWO Jugend-Migrationsdienst, jeden Dienstag-

vormittag

Berufsberatung für Migrantinnen und Berufswe-geplanung, Anerkennung von Abschlüssen –Frauen in Arbeit und Wirtschaft, einmal im Monatvormittags (1. Mittwoch)

Heike BinneHaus der Zukunft e.V.

Lüssumer Heide 628777 Bremen

www.Haus-der-Zukunft-Bremen.deprojektbuero-luessum@asdnord.bremen.de

Das Haus der Zukunft in Bremen-Lüssum

VVoorrbbiilldd ffüürr ddiiee NNeeuussttrruukkttuurriieerruunngg vvoonn KKiinnddeerrttaa--ggeessssttäätttteenn ssiinndd ddiiee EEaarrllyy EExxcceelllleennccee CCeennttrree ((EEEECC)) iinnEEnnggllaanndd.. DDiieessee MMooddeelllleeiinnrriicchhttuunnggeenn ggeehheenn ddaavvoonnaauuss,, ddaassss KKiinnddeerr ddaannnn »»eexxzzeelllleenntt«« ggeefföörrddeerrtt wweerr--ddeenn,, wweennnn EElltteerrnn iinn ddiiee BBiilldduunnggsspprroozzeessssee eeiinnbbeezzoo--ggeenn uunndd EEnnttwwiicckklluunnggssmmöögglliicchhkkeeiitteenn ffüürr ddiiee ggaannzzeeFFaammiilliiee aannggeebbootteenn wweerrddeenn.. DDaass KKiinnddeerr-- uunndd FFaammii--lliieennzzeennttrruumm SScchhiilllleerrssttrraaßßee ddeess PPeessttaalloozzzzii--FFrrööbbeell--HHaauusseess ((PPFFHH)) iinn BBeerrlliinn sseettzztt sseeiitt 22000011 mmooddeellllhhaaffttddaass KKoonnzzeepptt ddeerr »»IInntteeggrraattiivveenn FFaammiilliieennaarrbbeeiitt iinnKKiinnddeerrttaaggeessssttäätttteenn«« uumm.. DDaass bbeeddeeuutteett::• EElltteerrnn aann ddeenn BBiilldduunnggsspprroozzeesssseenn iihhrreerr KKiinnddeerr zzuu

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1. Der Blick über den TellerrandEarly Excellence Programm und das Pen GreenCentre in England

Der Name ›Early Excellence‹ ist Programm undunterstreicht die Wichtigkeit der Förderung imfrühkindlichen Bereich für die Bildung des Kindesund verbindet damit unterstützende Angebote fürdie ganze Familie.

Das EEC-Programm wurde 1997 auf nationalerEbene von der englischen Regierung ins Leben ge-rufen. Die konzeptionellen Anforderungen ver-knüpfen einen hohen Qualitätsanspruch an diepädagogische Arbeit mit intensiver Zusammenar-beit mit den Eltern und neuen integrierten Unter-

stützungs- und Bildungsangeboten für die ganzeFamilie. Eine Grundvoraussetzung für die Förde-rung nach diesem Programm ist es, dass Eltern alsdie ersten Erzieher ihrer Kinder partnerschaftlichin die pädagogische Arbeit einbezogen und nachBedarf Elternbildung, Familienhilfe und weiter-führende Angebote vernetzt angeboten werden.Das nationale Förderprogramm ›Early Excellence‹wurde in England inzwischen in ein noch umfas-senderes Programm der ›Children Centre‹ umge-wandelt, die Zielsetzungen sind jedoch auch hierintegriert. Um vorzustellen, wie dieses Programmin der Praxis aussieht, möchten wir eines der er-sten Early Excellence Centre vorstellen:

Bei einem Besuch im Pen Green Centre(www.pengreen.org) in der ehemaligen Stahlar-beiterstadt Corby, wird jedem Besucher schnelldeutlich, dass das Besondere dieses Zentrums diepositive und ressourcenorientierte Grundhaltungaller Beteiligten ist.

Zwei Prinzipen bilden den Kern und sind Motorfür alle Inhalte und Aktivitäten:• Das Kind wird individuell in seinen Stärken und

Kompetenzen wahrgenommen. Diese zu ent-decken, zu beobachten und dann gezielt zu för-dern und zu unterstützen bilden den Ausgangs-punkt aller Aktivitäten.

• Die Eltern werden als die ersten Erzieher ihrerKinder wahr- und ernst genommen. Sie werdenin die pädagogische Arbeit einbezogen undgleichzeitig steht die präventive Stärkung derFamilien im Mittelpunkt.

Bei der daraus resultierenden Vielzahl von Ange-boten für Eltern, Kinder und Familien kann mandann schon mal den Überblick verlieren. Besuche-

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Auf dem Weg zu Familienzentren ...

»Der positive Blick auf Kinder und ihre Familien« Das Kinder- und Familienzentrum Schillerstraße in Berlin

Jutta BBuurrddoorrff--SScchhuullzz; Brigitte GGeerrhhoolldd, Berlin

rinnen und Besucher erleben jedoch die kindzen-trierte Ausrichtung und Atmosphäre und fühlensich willkommen. Zur absolut wichtigsten Gruppe,nämlich den Kindern im Pen Green Centre, lässtsich eigentlich nur sagen, dass sie sich sichtbarwohl fühlen und vielfältige Möglichkeiten haben,als kleine Forscherinnen und Forscher die Welt zuerobern. Sie können sich entscheiden, wie sie ihrSpiel und ihre Aktivitäten gestalten wollen underhalten dabei aufmerksame Unterstützung undAnregungen durch die Family-Worker1. Das PenGreen Centre ist eine der ersten Einrichtungen,die in das Programm der EEC in England aufge-nommen wurde und bis heute gehen von hier na-tional und international viele Impulse der Weiter-entwicklung im Elementarbereich aus.

2. Die Entstehung des Projekts Kinder- undFamilienzentrum Schillerstraße

Ermöglicht wurde die Entwicklung dieses Projektsdurch eine langfristige finanzielle Unterstützungder Heinz-und-Heide-Dürr-Stiftung. Diese priva-te Stiftung, die kulturelle und soziale Projektehauptsächlich in Berlin fördert, initiierte das Pro-jekt. Im Rahmen einer Recherche für die Stiftungstieß die Psychologin Frau Dr. Annette Lepeniesauf das Pen Green Centre in Corby. Das Pestaloz-zi-Fröbel-Haus2 wurde als Trägereinrichtung ge-wonnen und bei einem Besuch des Pen GreenCentres im Mai 2000 überzeugten sich die Ver-antwortlichen vor Ort von der eindrucksvollenpädagogischen Arbeit, so dass die Idee entstand,das Modell so zu übertragen, dass es den hiesigenRahmenbedingungen gerecht wird.

2.1. Umsetzung der ProjektideeIm Juli 2000 wurde entschieden, als ersten Stand-ort der Übertragung die PFH-Kita ›Schillerstraße‹auszuwählen. Die Bildungsprozesse der Kinderund die Einbeziehung der Eltern und Familien ste-hen in dieser Kindertagestätte für 115 Kinder undihre Familien seit September 2001 im Mittelpunkteiner konzeptionellen Neuentwicklung. Außerdemwurde ein kleines Familienzentrum innerhalb desHauses eingerichtet, wo inzwischen eine Vielzahl

von unterschiedlichen Kursen und Gruppen zumMitmachen und Mitgestalten einladen (www.pfh-berlin.de / unter Modellprojekte).

Die Neuorientierung der bereits seit 1975 beste-henden Kita hin zu einem Kinder- und Familien-zentrum, wurde von den zuständigen behördli-chen Stellen in Berlin unterstützt. Außerdem wur-de bereits in der Startphase mit der Evaluierungdes Projekts begonnen.

Da das EEC-Konzept sehr viele Aspekte und Neue-rungen enthält, wurden die wichtigsten Säulendieser Arbeit in folgende Zielsetzungen unterteilt,die richtungweisend für die Weiterentwicklungsind und in enger Vernetzung umzusetzen sind:• die Verbesserung der Bildungs- und Betreu-

ungsqualität der Einrichtung • die Entwicklung neuer Formen der Zusammen-

arbeit mit Eltern,• der Aufbau einer integrativen Familienarbeit

und eines Familiennetzwerkes.

3. Verbesserung der Bildungs- und Betreuungsqualität

Die wesentliche pädagogische Grundorientierungist, dass das Kind aus sich selbst heraus lernenwill. Ziel der pädagogischen Arbeit ist es deshalb,ein vielseitiges Lernen zu ermöglichen und Selbst-bildungsprozesse der Kinder anzuregen und denForschungsdrang zu unterstützen. Aufgabe derErzieher/-innen ist es, den Kindern eine reiche,anregende und herausfordernde Umgebung anzu-bieten, sie in ihrem Tun zu begleiten und zu för-dern. Das »freie Spiel« nimmt dabei einen zentra-len Platz ein. Das Kind kann zugreifen und begrei-fen. Es ist eine Herausforderung für alle Mitarbei-ter/-innen, den Kindern täglich die Chance zu er-öffnen, selbstbestimmt zu lernen. Die gezielte Be-obachtung (Wahrnehmung) der Kinder nimmt indiesem Prozess eine Schlüsselrolle ein, um daraufaufbauend eine individuelle Förderung der Kinderplanen zu können. Dieser Prozess wird dokumen-tiert und auch in der Zusammenarbeit mit den El-tern transparent eingesetzt. Ziel dieses prozess-

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Auf dem Weg zu Familienzentren ...

orientierten Beobachtens ist es vor allem, dasKind ›im Blick‹ zu haben und seine individuellenEntwicklungsprozesse zu beachten.

Parallel zur kontinuierlichen Weiterbildung derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde im Jahr2001 mit einem Austauschprogramm zwischendem Pen Green Centre und dem Kinder- und Fa-milienzentrum Schillerstraße begonnen. In denfolgenden Jahren bekamen alle Erzieher/-innendie Gelegenheit, die Arbeitsweise dort vor Ortkennen zu lernen. Dabei zeigte insbesondere dieMöglichkeit, die Arbeit durch Hospitationen prak-tisch zu erfahren, einen nachhaltigen Effekt, dadie Erzieher/-innen auf diese Weise selbst neueEindrücke in die Arbeit in Berlin einfließen lassenkonnten.

Der Prozess einer Verbesserung in der pädagogi-schen Arbeit ist sicherlich nie abgeschlossen, eszeigt sich jedoch zunehmend die positive Reso-nanz bei allen Beteiligten. Auch zeigt es sich, dassForschergeist, Kreativität und Entscheidungs-kompetenz bei den Kindern gestärkt und unter-stützt werden.

Die Arbeit im Team hat sich gefestigt und derkreative Austausch im Kollegenkreis bringt neueImpulse für die Weiterentwicklung. Tägliche Aus-tauschzeiten, wöchentliche Klein-Teambespre-chungen, Gesamtmitarbeiterbesprechung, undkontinuierliche Fortbildungen bilden die Kommu-nikationsgrundlage des Projekts.

Im Bereich der Dokumentation (Foto-, Videoauf-nahmen, Berichte) wird inzwischen für jedes Kindein Fotobuch, das so genannte »Situationsbuch«angelegt. Diese Bücher sind aus der Einrichtunginzwischen kaum noch wegzudenken, da sie zueinem wichtigen Instrument der Kommunikationzwischen Kindern, Eltern und Mitarbeiter/-innengeworden sind. Auch die Gestaltung von Entwick-lungsordnern und Wandausstellungen zu den In-halten der Arbeit werden von allen Beteiligtensehr geschätzt.

Ein weiterer wichtiger Themenkomplex bildete dieNeuorientierung in der Zusammenarbeit mit denEltern.

4. Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit mit Eltern

Eine weitere Zielsetzung ist die intensivierte Zu-sammenarbeit zwischen Pädagogen und Eltern,um einen gleichberechtigten, aktiven und respekt-vollen Dialog zwischen Eltern und den Erzieher/-innen zu fördern. Der Inhalt dieses Dialogs gehtvon den kindlichen Lernprozessen aus, die beob-achtet werden. Die Erzieher/-innen erkundigensich auch bei den Eltern, was sie zu Hause beob-achten, um diese Informationen in die pädagogi-sche Planung einzubeziehen. Somit werden die El-tern als die Experten ihrer Kinder einbezogen undernst genommen. Dieser Austausch findet in ge-meinsamen Entwicklungsgesprächen statt, zu de-nen die Erzieher/-innen zweimal jährlich einladen.

Weitere Formen der Zusammenarbeit mit Eltern,die sich in die Kita-Arbeit einfügen, sind in denKonzeptbausteinen (2004) des Hauses wie folgtbeschrieben:

Konzeptbausteine• Wir laden Eltern ein, nach Terminabsprache bei

uns zu hospitieren.• Wir aktivieren Eltern, an Ausflügen teilzuneh-

men und uns im täglichen Kita-Leben zu unter-stützen. Wir erbitten Unterstützung und spre-chen Eltern konkret an, sich aktiv und praktischzu beteiligen, zum Beispiel bei der Raumgestal-tung, Renovierungs- und Aufräumarbeiten, Un-terstützung beim Schreiben von Berichten undProtokollen.

• Aktive und praktische Mitarbeit bei den zweiMal im Jahr durchgeführten Gartenaktionen.

• Wir bieten Möglichkeiten der aktiven und ge-stalterischen Mitarbeit bei der Organisation vonFesten und Feiern beispielsweise in Form akti-ver Mitarbeit bei der Planung und Durchfüh-rung der einzelnen Abteilungsteams oder imRahmen eines Fest-Komitees.

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Auf dem Weg zu Familienzentren ...

• Wir laden zu verschiedenen Aktivitäten undGruppenangebote im Familienzentrum ein.

ElternabendePro Kita-Jahr finden rund ein bis zwei Abteilungs-elternabende statt. Sie dienen der Informationüber unsere Grundprinzipien der pädagogischenArbeit sowie dem konkreten Austausch darübermit dem jeweiligen Abteilungs-Team. Sie bietenRaum zum gegenseitigem Kennenlernen aller El-tern und dem Team sowie der Struktur des Tages-ablaufes. Sie dienen der Information über Aktivi-täten im Kita-Jahr, speziell in der jeweiligen Ab-teilung des Kindes. Jeweils zum Ende des Kita-Jahres findet in jeder Abteilung ein Auswertungs-Elternabend statt, zu dem die Leitung der Einrich-tung einlädt.

Die Bezugsgruppen/Storytime und ElternnachmittageIn Absprache mit der/den Bezugserzieher/-innenfinden Zusammenkünfte der Eltern der ›Storyti-me-Gruppen‹ statt. Auf diesen Elternnachmitta-gen stehen die Eltern dieser Gruppe und ihre Kin-der im Vordergrund. Sie dienen der Intensivierungvon Kontakten der Eltern untereinander, einemdetaillierten fachlichen Austausch über die Inhal-te und Ereignisse im Kita-Alltag sowie der Vor-stellung des Beobachtungs- und Ergebnisbogensund der fördernden Angebote und Bildungspro-zesse der einzelnen Kinder. Zum Teil veranschau-lichen u. a. kurze Video-Sequenzen, Fotos undentsprechendes Dokumentationsmaterial dieseThemen. Bei den Storytime-Nachmittagen be-steht ebenso die Möglichkeit, spezifische Fragender Eltern einzubeziehen und auf ihre Kinder undderen Entwicklung, ihren Kontakten in der Kinder-gruppe, etc. konkret einzugehen. Der gemeinsameAustausch unter den Eltern, sowie zwischen El-tern und Erzieherinnen hat einen wichtigen Stel-lenwert und dient dem gegenseitigen Kennenler-nen, der Akzeptanz und dem Wohlfühlen aller. Indiesem Rahmen finden beispielsweise auch regel-mäßige offene Kaffeenachmittage oder Picknicksim Garten oder im Park statt.

Themen-Elternabende:Wir bieten zu Themen kindlicher Bildungsprozes-se und zu Erziehungsfragen, die sich aus dem täg-lichen Zusammenleben mit Kindern ergeben, ab-teilungs- oder kitaübergreifende Elternabende an:• Sie vermitteln Fachinformation,• ermöglichen ein Kennenlernen der Eltern aus

anderen Abteilungen,• schaffen Raum für gemeinsame Erfahrungen,

Erlebnisse mit Kindern,• bieten die Chance der gegenseitigen Unterstüt-

zung und Hilfe bei Problemen sowie dem Ent-wickeln von Lösungsmöglichkeiten.

Feste und Aktivitäten mit Eltern und Kindern:• Jeweils ein Mal im Jahr finden Sommerfeste

bzw. Weihnachtsfeste statt.• Regelmäßig am Freitag nach dem 11.11. (Sankt

Martin) veranstalten wir mit allen Kindern undEltern unser traditionsreiches Laternenfest mitUmzug, gemeinsamen Singen am Lagerfeuer,Glühwein und Imbiss.Zwei Mal im Jahr, den Jahreszeiten entspre-chend, laden wir zur gemeinsamen

• Gartenaktion mit anschließendem gemütli-chem Beisammensein ein.

Der Elternausschuss der EinrichtungDieser dient der gegenseitigen Information überdie Situation der Kinder und die allgemeinen Si-tuation in der Einrichtung. Jeweils mit Beginn desneuen Kita-Jahres werden in den Abteilungenzwei bis drei Elternvertreter für ein Jahr gewählt.Diese wiederum wählen die Gesamt-Elternvertre-ter/-innen. Aufgaben der Elternvertreter ist es, denInformationsfluss zwischen den Eltern der Abtei-lung, dem Elternausschuss und der Leitung zu ge-währleisten sowie gemeinsam mit Leitung und Er-zieher/-innen Ziele und Methoden der pä-dagogi-schen Arbeit zu besprechen. Die Diskussionsergeb-nisse der Sitzungen werden festgehalten und ver-öffentlicht. Grundsätzlich ist jede Elternaus-schuss-Sitzung offen für alle interessierten Eltern.

Die Weiterentwicklung im Bereich ›Zusammenar-beit mit Eltern‹, wird auch in den kommenden

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Auf dem Weg zu Familienzentren ...

Jahren durch Fortbildungen begleitet. Die Ent-wicklungsgespräche, die hierbei eine zentrale Rol-le spielen, wurden durch die Einführung eines Ge-sprächsprotokolls und eines Familienbuchs, indem die Eltern Beobachtungen und Erlebnisse mitihrem Kind zu Hause festhalten können, erweitert.Die Eltern reagieren mit interessierter und positi-ver Resonanz.

5. Aufbau einer integrativen Familienarbeit

Anknüpfend und aufbauend auf die pädagogi-sche Arbeit und die Strukturen der Elternarbeitim Haus besteht das Ziel, ein weit gefächertesAngebot für Familien in der Einrichtung zu eta-blieren. Analog zum Pen Green Centre wurdenextra Räume für die neue Form der Familienar-beit eingerichtet. Da es in der Schillerstraße kei-ne leer stehenden Räume gab, arbeitete dasTeam im Jahr 2000 darauf hin, Räume dafür zuschaffen. Deshalb wurde nach den üblichen Ab-meldungen die Kinderzahl reduziert. Bei derAuswahl und dem Umbau der dadurch gewon-nenen Platzkapazität wurde auf folgende Krite-rien geachtet:

• Zentrale Lage innerhalb der Einrichtung• Separate Eingangsmöglichkeit und Nutzungs-

möglichkeit• Multifunktionale Nutzungsmöglichkeit

Es wurden zwei ehemalige Gruppenräume (insge-samt rund 50 qm) zu einem kleinen Familienzen-trum umgestaltet. Dazu gehört ein ›Offener El-tern-Treffpunkt‹ in dem eine kleine Sitzecke Kon-takte der Eltern untereinander und zu den Mitar-beiter/-innen ermöglicht. Außerdem kann hier derEinzelne eine kurze Ruhepause einlegen und sichanhand von ausgehängten und ausgelegten Ma-terialien informieren und nachlesen. Schnell be-währte sich dieses Angebot insbesondere in derEingewöhnungsphase für wartende Mütter undVäter.

Im Familienzentrum hat sich die Angebots- undGruppenstruktur gefestigt und fügt sich in den

allgemeinen Kita-Alltag ein. Die Vielfalt der El-ternbildungs- und Familienangebote, insbesonde-re die Angebote für Baby- und Krabbelgruppen, istinzwischen nicht mehr aus der Einrichtung weg-zudenken. In Elterngesprächen wird wiederholtgeäußert, dass sich die Familien eine Kita ohneweiterführende Angebote eigentlich gar nichtmehr vorstellen können. Der offene Charakter, derauch die Partizipation von Familien und Gruppenvon außen ermöglicht, wird von allen akzeptiertund der Kreis der Familien, die sich mit dem Kin-der- und Familienzentrum Schillerstraße verbun-den fühlen, hat sich inzwischen sehr erweitert.Das alle zwei Monate erscheinende Programm-heft wird in anderen Stadtteil-Einrichtungen undKindertagestätten verteilt und bietet dadurchauch die Möglichkeit der regelmäßigen Kontakt-pflege zu anderen Einrichtungen im Stadtteil. Diestark nachgefragte Nutzung an Wochenendenund an den Abenden zeigt den Bedarf für dieseForm der Nutzung von Kindertagestätten. Um Fa-milien noch weitergehend unterstützen zu kön-nen, ist eine verbesserte Vernetzung mit anderenEinrichtungen der Familienhilfe im Stadtteil not-wendig. Dadurch wird es möglich, sich gemein-sam für das Wohl von Familien einzusetzen undÜbergänge von verschiedenen Familienphasen zuvereinfachen. Ressourcenbündelung und bedarfs-gerechte Angebotsstrukturen im Sozialraum un-terstützen ein positives Familienleben und den Er-ziehungsprozess und stärken somit das Gemein-wesen.

Um den Vernetzungsgedanken im Stadtteil stärkeranzuregen und zu fördern, wurde von uns imFrühjahr 2004 die Gründung des ›Lokalen Bündnisfür Familien in Charlottenburg-Wilmersdorf‹ un-ter der Schirmherrschaft des Stadtrats für Fami-lie, Schule und Sport initiiert. Dieses Bündnis bie-tet inzwischen eine Plattform für verschiedeneVernetzungsinitiativen im Stadtteil. So entstandbeispielsweise ein ›Runder Tisch der Elternbil-dung‹, wo sich Anbieter von Elternbildungsange-boten und Einrichtungen, die diese Angebote inihre Arbeit integrieren möchten, austauschen undneue Zusammenarbeitsformen entwickeln.

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Auf dem Weg zu Familienzentren ...

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6. Ausblick auf die Weiterentwicklung

Die Zielsetzung für den weiteren Projektverlauf istes, die Arbeit im Kinder- und Familienzentrumkontinuierlich weiterzuentwickeln und als eineArt Labor für die Erprobung der Konzeption EECfest zu etablieren.

2004 wurde mit dem Prozess der Übertragung desKonzepts auf andere Kitas des PFH begonnen. Diein der Schillerstraße gesammelten Erfahrungenwerden Schritt für Schritt an andere Einrichtun-gen weitergegeben und sind Grundlage der›Transfer-Erprobung‹. Parallel sind außerdemHandreichungen und Veröffentlichungen (Heben-streit, Kühnel 2004, 2005) zu den unterschiedli-chen Schwerpunkten herausgegeben und einMultiplikatorenkonzept entwickelt worden(www.early-excellence.de). Einladungen aus ganzDeutschland zu Fachkongressen und Tagungentragen außerdem zur Vorstellung und Verbreitungder EEC-Konzeption bei und zahlreiche Besucher-gruppen informieren sich vor Ort in der Schiller-straße über den Weg und die bisher erreichten Er-gebnisse im Modellprojekt Kinder- und Familien-zentrum Schillerstraße.

Literatur/Internet:

Hebenstreit-Müller, Sabine (2002): Neue Wege in der Eltern-bildung. Perspektiven im internationalen Vergleich. In: TPS,Heft 3/2002

Hebenstreit-Müller, Sabine & Kühnel, Barbara (Hg.) (2004):Kinderbeobachtung in Kitas. Erfahrungen und Methoden imersten Early Excellence Centre in Berlin. Berlin: DohrmannVerlag.

Hebenstreit-Müller, Sabine & Kühnel, Barbara (Hg.) (2005):Integrative Familienarbeit in Kitas. Berlin: Dohrmann Verlag.

Pen Green Centre (2005) http://www.pengreen.org

Pestalozzi-Fröbel Haus (2005) http://www.pfh-berlin.de

Jutta Burdorf-Schulz, PFH-Abteilung Kinder- und Jugendhilfe,

Leiterin des Nachbarschafts- und Familienzen-trums Kiezoase, Berlin Schöneberg

Karl-Schrader-Str. 7/810781 Berlin

[email protected]

Brigitte Gerhold Leitung der Abteilung Kinder und Jugendhilfe

Pestalozzi-Fröbel-HausKarl-Schrader-Str. 7/8

10781 [email protected]

1 Family worker ist die Bezeichnung für die pädagogischenFachkräfte

2 Nachfolgend abgekürzt: PFH

Auf dem Weg zu Familienzentren ...

IInn ddeerr GGeemmeeiinnwweesseennaarrbbeeiitt ggeehhöörrtt ddiiee kkoonnsseeqquueenn--ttee OOrriieennttiieerruunngg aann ddeenn IInntteerreesssseenn uunndd aamm WWiilllleennddeerr BBeettrrooffffeenneenn zzuu ddeenn KKeerrnnssttaannddaarrddss ddeess AArrbbeeiittss--ffeellddeess.. ZZuunneehhmmeenndd eettaabblliieerreenn ssiicchh ddiieessee LLeeiittlliinniieennaauucchh iinn aannddeerreenn BBeerreeiicchheenn –– wwiiee bbeeiissppiieellsswweeiissee iinnddeerr JJuuggeennddhhiillffee.. IImm ffoollggeennddeenn BBeeiittrraagg wweerrddeenn ddiieeUUnntteerrsscchhiieeddee zzwwiisscchheenn ZZiieelleenn,, WWüünnsscchheenn,, AAuuffttrrää--ggeenn,, MMaaßßnnaahhmmeenn uunndd AAnnwweeiissuunnggeenn bbeelleeuucchhtteett,,ddiiee BBeeddeeuuttuunngg ddeerr OOrriieennttiieerruunngg aamm WWiilllleenn ddeerrAAddrreessssaatteenn//--iinnnneenn bbeettoonntt uunndd KKrriitteerriieenn ffüürr ZZiieell--ffoorrmmuulliieerruunnggeenn vvoorr aalllleemm ffüürr ddiiee eeiinnzzeellffaalllloorriieenn--ttiieerrtteenn DDiieennssttee aauuffggeezzeeiiggtt..

Menschen kommen häufig mit der Erwartung zuden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern SozialerDienste, dass dort ExpertInnen sitzen, die ihr der-zeitiges Problem beheben können. Etwa so, wieauch eine Autowerkstatt ein Problem mit demAuto regelt. Schließlich sind dort die Fachleute.Wenn ich mein Auto später abhole, gehe ich da-von aus, dass es wieder problemlos läuft. So wer-den die Sozialen Dienste nicht selten aufgefor-dert, Lösungswege aus der Tasche zu zaubern oderdafür zu sorgen, dass ein Problem beseitigt wird(beispielsweise. dass ein Kind wieder in der Schu-le klar kommt bzw. überhaupt wieder zur Schulegeht). Im Alltagsleben sorgen schließlich immerwieder ExpertInnen dafür, dass Probleme behobenwerden, ob nun beim Arzt, beim Masseur, beimFriseur, beim Schuster usw.. So ist es nicht ver-wunderlich, dass nun die AdressatInnen SozialerArbeit mit diesem Modell im Kopf erscheinen,gleichgültig ob in der GWA oder beim Allgemei-nen Sozialdienst (und nicht nur die, sondern auchandere Institutionen). Aufgabe sozialer Dienste istes entgegen dieser Erwartung gerade nicht, denHilfesuchenden Ziele und Lösungen von sich ausanzubieten. Sie haben sich vielmehr im Freiwilli-genbereich darauf zu beschränken, die eigenenZiele der Betroffenen herauszuarbeiten und dem-

entsprechend gemeinsam Lösungen zu entwik-keln. Bei dem hier dargestellten Prozess der Zie-lerarbeitung beziehen wir uns schwerpunktmäßigauf die Arbeit mit Einzelnen im Freiwilligenbe-reich. Wichtig ist uns, darzustellen, dass währenddes gesamten Prozesses der Zielerarbeitung dieVerantwortung für Inhalt und Prioritätensetzungbei den AdressatInnen Sozialer Arbeit verbleibt.Professionelle leisten hierbei Unterstützungsma-nagement und tragen die Verantwortung für Ge-staltung und Klarheit des Beratungsprozesses.

Der Prozess der Zielerarbeitung

Hauptaufgabe der Beratungsarbeit bei der Zieler-arbeitung ist, differenziert deutlich zu machen,dass MitarbeiterInnen Sozialer Dienste zwar Ex-pertInnen für die Unterstützung bei der gemein-samen Suche nach Zielen und Problemlösungensind, letztlich jedoch die Mitarbeit der hilfesu-chenden Menschen die Grundlage für das Gelin-gen eines jeden Schrittes darstellt (vgl. Herriger1991). Menschen kommen in Krisen zu ExpertIn-nen, weil sie aus der Krise heraus wollen; es sollwieder »anders« werden. Häufig wissen Menschenrelativ genau, was sie nicht mehr wollen, doch dieVorstellung, was sie stattdessen wollen, was siezukünftig erreichen wollen, ist zu Beginn des Be-ratungsprozesses oft unklar.

Nach dem Erfassen der Situation, einschließlichder vorhandenen Probleme und Ressourcen, er-folgt die Festlegung der zu bearbeitenden Themenund Prioritäten durch die AdressatInnen (»Wasliegt mir am meisten am Herzen? Was soll als Er-stes vom Tisch?«). Dann wird der Veränderungs-wille geklärt. Wille wird hier verstanden als: »Ichwill alles dafür tun, alle meine Möglichkeiten ein-setzen und ausschöpfen, um eine Veränderungherbeizuführen«. Im Willen steckt die eigene Mo-

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Maria LLüüttttrriinngghhaauuss, Essen; Angelika SSttrreeiicchh, Bottrop

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tivation und damit die Zugkraft zur Veränderung.Nur wenn dieser vorhanden ist, gilt es, die Adres-satInnen weiter zu unterstützen und das zumeistverschwommene Bild des geäußerten Willens zukonturieren (»Ich will auch mal meine Ruhe ha-ben!«). Sind diese Vorstellungen nach bestimmten

Standards klar erarbeitet (Richtungsziele), wirdgeklärt, welche Ressourcen für die Zielerreichunggestärkt, aktiviert und genutzt werden können.Erst dann können individuelle und maßgeschnei-derte Lösungswege bzw. Maßnahmen geplantwerden.

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

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Der Weg vom Wille zum Ziel

Wenn Professionelle mit Menschen in einem Ar-beitskontakt stehen, klären sie zunächst, ob die-se etwas verändern wollen. Wie zuvor beschrie-ben, ist hier mit »Wille« die eigene Wichtigkeitund Einsatzbereitschaft zur Erreichung eines an-gestrebten Zustandes gemeint. Handlungsleitendsind hierbei die Vorstellungen der AdressatInnenund nicht der Professionellen. Professionelle su-chen nicht heraus, was ihnen am wichtigsten ist,sondern ihre Aufgabe besteht darin herauszufin-den, was zum jetzigen Zeitpunkt für die KlientIn-nen Priorität hat. Wenn nicht der Wille der Be-troffenen sondern der Wille von Professionellenoder anderen – wie z.B. Institutionsvertretern –handlungsleitend für Zielerarbeitung und Lö-sungswege ist, wird dies häufig zu einem späte-ren Zeitpunkt ersichtlich, nämlich bei der prakti-schen Umsetzung. Es fehlen der eigene Antriebund die Durchsetzungskraft. Sand ist im Getriebe.Die Zielerreichung rückt in weite Ferne. Wenn Be-troffene einem Willen nachgehen, der eigentlichder Wille anderer Personen ist, dann verringertsich die Chance, dass später Ziele auch erreichtwerden, sie versuchen z.B., die Wünsche andererzu erfüllen, weil sie vielleicht die Professionellenganz nett finden, ihre Ruhe von anderen habenwollen oder sich vermuteter Macht beugen. Er-gebnis: Misserfolg für alle Beteiligten. Nicht um-sonst heißt es im Volksmund: »Des Menschen Wil-le ist sein Himmelreich«. Die Konsequenz für pro-fessionelles Handeln heißt entsprechend: »Wirversuchen nicht, Menschen zu etwas zu motivie-ren, nach dem Motto: »Wo mein Wille ist, ist DeinWeg«, sondern gehen auf die Suche nach den ei-genen Motivationen der Menschen und setzendort an! Was ist für Betroffene wichtig und vonBedeutung? Professionelle sind darauf angewie-sen, dass Betroffene ihnen ihre Sichtweisen undDeutungen, also ihre Lebenswelt eröffnen. Dennder eigene Wille der Betroffenen ist die wichtig-ste Ressource (französisch: Quelle) im Prozess derZielerarbeitung.

Da die Zielerreichung nicht selten harte Arbeitund daher mit Anstrengung verbunden ist, bedeu-tet dies, dass ohne Willenskraft nichts geht. Wil-lenskraft bedeutet Tatkraft, Tatendrang, Schaf-fenskraft. Mit diesem Schwung werden Reservenmobilisiert, um eventuelle Hürden bei der Zieler-reichung zu überwinden, Stolpersteine aus demWeg zu räumen und am Ball zu bleiben. Die Ent-scheidung darüber, ob ich etwas will oder nichtwill, gibt die entsprechende Energie und den An-trieb zum Handeln in die eine oder andere Rich-tung. Solche Entscheidungen fallen leichter, jeklarer das Bild dessen ist, was ich erreichen will.Methodisch ist besonders wichtig, in der Ge-sprächsführung bei der Zielerarbeitung keine ei-genen Themen und Prioritäten vorzugeben, dadiese meist nur der eigenen Lebenswelt der Pro-fessionellen entspringen und damit die KlientIn-nen lenken.

Aus den zunächst unscharfen und diffusen Wil-lensäußerungen (»Ich will, dass das Chaos auf-hört!«) versuchen Professionelle, mit entsprechen-der Unterstützung, zunächst den konkreterenoder auch den dahinterliegenden Willen zu er-kunden. Sie ebnen durch offene Frageformen(»Wie stellen Sie sich das konkret vor? Können Siemir das genauer beschreiben?«) den Weg zu denZielvorstellungen der/des Betroffenen. Je konkre-ter und differenzierter der Wille der/des Betroffe-nen beschrieben wird, desto klarer zeigt er dieRichtung der zukünftigen Veränderung an. Damitgeht die Bewegung weg von dem Problem, hin zueinem Ziel, also einem positiv formulierten undkonkreten, zukünftigen Zustand. Weil Soziale Ar-beit Menschen darin unterstützt, ihren Alltag bes-ser zu bewältigen, ist es wichtig, die Vorstellun-gen auf konkrete Bereiche und Situationen im All-tag der Betroffenen zu beziehen (»Sie wollen alsowieder ein besseres Verhältnis zu ihrer Tochter.Um welche Bereiche und Situationen geht es ih-nen dabei vor allem?«). Sonst bleiben Zukunfts-vorstellungen auf einer globalen und damit oft zuallgemeinen Ebene. Damit werden konkretereHandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Ziel-erreichung verhindert.

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Die Suche nach dem Willen von Betroffenen be-deutet nicht, dass Professionelle jeden Willen er-füllen! Wenn sie unterstützend tätig werden,muss die Voraussetzung gegeben sein, dass derWille des Gegenübers mit Funktion und Auftragdes Professionellen vereinbar ist. Zudem sind Pro-fis nicht der »Weihnachtsmann« oder der »Super-markt« für soziale Leistungen! Aus einer Überein-stimmung von Wille und Auftrag können jedochLösungswege entwickelt werden, welche die Zie-le der Betroffenen unterstützen. Lediglich im ge-setzlich definierten Gefährdungsbereich oder imdurch ein Regelwerk geklärten Sanktionsbereich(Jugendgerichtshilfe, Hausordnungen von Einrich-tungen etc.) werden dem Willen der KlientInnenkonkrete Anweisungen bzw. Auflagen der Institu-tion vorgeschaltet. Hier können die MitarbeiterIn-nen der Sozialen Dienste den KlientInnen also An-weisungen erteilen.

In der Arbeit mit den AdressatInnen Sozialer Ar-beit ist des Weiteren zu unterscheiden zwischenden geteilten Zielen der verschiedenen Betroffe-nen und ihren individuellen Zielen, die nicht über-einstimmen müssen. Im Zentrum der Zielfindungsteht dann ein Aushandlungsprozess, der nicht inKonsensziele münden muss, aber von wechselsei-tiger Akzeptanz getragen sein solle. Ohne dieseAkzeptanz kann im jeweiligen System nicht er-folgreich gearbeitet werden, da die Zielarbeit in-nerhalb des Systems gestört wird. Die Frage istdann, ob es nicht sinnvoller ist, die Systemebene(z.B. von der Arbeit mit einem Jugendlichen imFamiliensystem hin zur Arbeit im System Sozial-raum) zu wechseln.

Außerdem geben wir für den Prozess der Erkun-dung des Willens zu bedenken, dass allzu oft derWille der Kinder und Jugendlichen übergangenwird (vgl. dazu Schwabe 2000). Man sucht allen-falls den »Willen der Familie«, der in dieser Formselten existiert. Es gibt immer nur den Willen dereinzelnen Beteiligten, aus dem sich möglicher-weise die soeben angesprochenen Kompromisse,Absprachen oder Vereinbarungen ergeben, auf diesich die beteiligten Akteure verständigen. Bei dem

jedoch häufig auftauchenden »Willen der Familie«ist in Wirklichkeit zumeist der Wille eines domi-nanten Elternteils gemeint. Das kann bei Kinderndazu führen, dass sie ein weiteres Lebensmusterbestätigt sehen: Nämlich in vielen Lebenssituatio-nen nicht ernst genommen und erniedrigt, erle-ben sie nun auch noch einen institutionell ge-prägten Kontext, der diese Erfahrungen bestätigtund die erwachsenenzentrierte Sichtweise (sozi-alarbeiterisch abgesichert!) in den Vordergrundstellt.

Zusammenfassend heißt dies: Ist bei den KlientIn-nen kein Wille zur Veränderung vorhanden, gibtes auch keine Ziele. Die MitarbeiterInnen der So-zialen Dienste können dann zum einen versuchen,Möglichkeiten ihrer Unterstützung aufzuzeigen,um die Mitarbeit der KlientInnen zu fördern. Siekönnen zum anderen darüber hinaus ihre Funkti-on erklären, indem sie durch die Beseitigungeventuell vorhandener falscher Vorstellungenüber die Arbeit der Sozialen Dienste den – viel-leicht doch vorhandenen – Veränderungswillenbei den KlientInnen erkunden. Bis auf die Ausnah-me im Fall von Kindeswohlgefährdung ist undbleibt die Leistung Sozialer Dienste eine freiwilli-ge Leistung, auf die KlientInnen ebenso freiwilligzurückgreifen oder aber auch freiwillig verzichtendürfen. MitarbeiterInnen der sozialen Dienste ha-ben lediglich die Möglichkeit, förderliche Bedin-gungen für die Willens- und Zielerkundung zuschaffen, indem sie ihre Funktion – d.h. ihre Un-terstützungsmöglichkeiten – transparent undnachvollziehbar darstellen (um evtl. »falschen«Vorstellungen über die Arbeit sozialer Diensteentgegenzuwirken) und mit entsprechenden Me-thoden unklare Ausgangslagen in konkrete undrealistisch handhabbare Bilder befördern. Dieletztendliche Entscheidung, ob diese dann auchfür KlientInnen handlungsleitend werden, treffendiese im Freiwilligenbereich selbst.

Standards von Zielen

Ziele sind positiv formulierte Zustände. Positiv isthier nicht als eine Bewertungskategorie von gut

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

oder schlecht zu verstehen, sondern bedeutet,dass Zielformulierungen keine »Nicht«-Formulie-rungen enthalten (z.B.: Steffi klaut nicht mehr).Vielmehr beschreiben sie klar, was stattdessensein wird. Ziele sind subjektiv wichtig für die Be-troffenen. Sie sind verhaltensbezogen, realistisch,konkret, klar und in ihrer Sprache formuliert. Siesind terminiert und die Zielerreichung liegt in derHand der Betroffenen (vgl. auch von Spiegel2004, S. 191ff.; Lotmar/Tondeur 1989, S. 53ff.).

Ziele und Handlungen im plausiblen Zusammenhang

Zu den häufigsten Stolpersteinen bei Zielformu-lierungen zählen abstrakte, unklare Aussagen(z.B.: Steffi ist selbstständig. Der Alltag von FrauMüller ist strukturiert. Die Erziehungsfähigkeitvon Herrn Meier ist gestärkt. Die soziale Kompe-tenz von Marcel ist erweitert). Nebulöse Zielfor-mulierungen geben keinem der Beteiligten eineHandlungsorientierung. Sie sind nicht selten soallgemeingültig formuliert, dass vermutlich auchjede/r von uns in unterschiedlicher Form lebens-lang an solchen Themen arbeitet. Ziele werdendaher in zahlreichen theoretischen Konzepten inverschiedene Rubriken »heruntergebrochen«, z.B.Fernziele und Nahziele, Endziel und Prozessziele,Grobziele und Feinziele usw. (vgl. auch von Spie-gel 2004, S. 179 ff.).

Wir nennen ein Ziel, das in eine bestimmte Rich-tung weist und in der Sozialen Arbeit in der Re-gel in einem Zeitraum von bis zu sechs Monatenerreicht werden kann, ein Richtungsziel (z.B. ent-sprechend dem zeitlichen Planungshorizont in derJugendhilfe bei Wiedervorlagen von Fällender Hil-fe zur Erziehung/HzE). Um diesen Zustand nicht ineiner »Grundsätzlichkeit« zu belassen (z.B. »Frauxy kann in einem halben Jahr ihren Kindern Jan,sechs Jahre und Imke, vier Jahre Grenzen setzen«),regen wir an, ihn zu konkretisieren.

Damit Betroffene sich nicht »verzetteln«, kann ge-klärt werden, in welchen konkreten Bereichen undSituationen Frau xy ihren Kindern Grenzen setzenwill (z.B. a. dass die Hausaufgaben bis zum Abend,spätestens 18.00 Uhr, gemacht sind und b. dieKinder um spätestens 20.30 Uhr im Bett sind.)

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Definition: Ziele sind positive zukünftige

Zustände

Zentrale Standards wohlgestalteter Ziele:

�� Sie sind wichtig und

bedeutungsvoll für die Betroffenen

�� Sie sind positiv formuliert

�� Sie sind konkret und klar formuliert

(bezogen auf konkrete Bereiche

und/oder Situationen)

�� Sie sind realistisch (erreichbar –

ausgehend vom Stand der Person)

�� Sie sind terminiert

�� Die Zielerreichung liegt in der Hand

der Betroffenen

�� Die Ziele sind in der Sprache

der Betroffenen formuliert

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Da Richtungsziele durch vorheriges Handeln er-reicht werden, haben wir uns entschieden, dieZwischenzustände, Handlungsziele zu nennen,weil hier gehandelt und auch ausprobiert wird.Insbesondere Handlungsziele unterliegen häufigeinem Veränderungsprozess. Den Handlungszielenordnen wir Handlungsschritte unter, die sehr kon-kret helfen, die wichtigen Kleinigkeiten ernst zu

nehmen, an denen große Ziele scheitern können.Richtungsziel, Handlungsziele und Handlungs-schritte stehen somit in einem plausiblen Zusam-menhang. Sie werden immer konkreter und dieErreichung eines angestrebten (Zwischen-)Zu-standes steht in einer zeitlichen Reihenfolge (s.nachfolgendes Praxisbeispiel).

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Beispiele für Richtungszielepraxis

• Sabine (16 Jahre): Ich kann in sechs Monaten Termine (im Bereich Arzt, …) selbst ausmachen undeinhalten.

• Tobias (17 Jahre): Ich habe bis ... (in sechs Monaten) mindestens sechs verschiedene Möglichkei-ten in den Bereichen Bewerbungsschreiben und persönliche Vorstellung aktiv genutzt, um eine Ar-beitsstelle als Schreiner im Umkreis von 40 km zu finden.

• Melanie (16 Jahre): Am 01. Juli … stelle ich mich auf die Waage und wiege höchstens 70 Kilo. Ich habe mein Gewicht von 75 Kilo auf 70 Kilo reduziert.

• Frau Lehnert (28 Jahre): In sechs Monaten kann ich alleine (ohne Sozialpädagogische Familienhil-fe) meine Tochter Sabrina (acht Jahre) bei den Hausaufgaben begleiten und ihr in Konfliktsitua-tionen bei Tisch- und Fernsehzeiten klare Grenzen setzen.

• Thomas (13 Jahre): Ich kann in drei Monaten gesundheitlich auf mich achten, indem ich rechtzei-tig Bescheid sagen kann, wenn ich nach Absetzen meines Medikamentes eine negative Verände-rung an mir erkenne, d.h. wenn ich unruhiger werde oder mich im Unterricht schlechter konzen-trieren kann.

• Jessica (14 Jahre): Ich will meine schulischen Lücken schließen (in Mathe, Englisch, Deutsch), sodass ich im Herbst 2005 in die achte Klasse der Hauptschule versetzt werde, d.h. ich habe in allenHauptfächern mindestens eine vier.

Stufenmodell zur Zielerreichung

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Handlungsziele = erreichte Zwischenzustände durch konkretisiertes Tun �� Was ist alles getan, in den nächsten

Monaten/Wochen das Richtungsziel zu erreichen (manchmal schon ab sofort, aber dann kontinuierlich)

Richtungsziele = positiver zukünftiger Zustand laut

Standards

�� Terminierung entspricht dem jeweiligen

Planungshorizont der Institution (z.B. drei

Monate / sechs Monate)

Handlungsschritte = konkretes Alltagshandeln, das ab sofort oder bis in zwei Wochen „mal eben“ erledigt ist

© Abbildung 2: Stufenmodell zur Zielerreichung, Lüttringhaus/Streich ISSAB 2006

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Ein Praxisbeispiel mit Richtungsziel, Handlungsziel und Handlungsschritten

Silke ist eine 16-jährige Punkerin, die bei ihrer Mutter wohnt. Die Familie ist schon länger dem Ju-gendamt bekannt, denn die Mutter ist seit Jahren Alkoholikerin und kümmert sich mittlerweile so gutwie überhaupt nicht mehr um Silke und gemeinsame Angelegenheiten. Silkes Vater wohnt in Nor-wegen. Seit Jahren hat Silke keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Silke wünscht sich eine Ausbil-dungsstelle, denn sie merkt, dass mittlerweile fast alle ihre Freunde in irgendeiner Form einer Arbeitnachgehen. Vor allem, dass ihre Freundin Sandra nun auch in einer Bäckerei angefangen hat, hat siedazu veranlasst, dass sie »die Kurve kriegen will«. Silke hat in den letzten anderthalb Jahren bereitsdrei Jobs bzw. angefangene Ausbildungen abgebrochen. Dabei war es immer wieder das Problem, dasssie laufend verschlafen hat. Sie hat derzeit überhaupt keine »Tagesstruktur«. Es ist für sie völlig un-gewohnt, an bestimmte Zeiten gebunden zu sein, denn das ist bei ihr zu Hause seit Jahren nicht üb-lich gewesen. Sie hat – das würden Freunde von ihr sagen – »ein gutes Herz«, denn immer, wenn je-mand krank ist oder Hilfe braucht, ist Silke zur Stelle. Sie mag Kinder sehr und erinnert sich gerne anein Praktikum während der Schulzeit, als sie im Kindergarten einmal drei Tage lang in einem Projektmitgearbeitet hat. Silke hat in der gemeinsamen Wohnung mit der Mutter ein eigenes Zimmer. Sieliest gerne und sie bastelt gerne. Da sie wenig Geld hat, wird sie zum Geburtstag ihrer Freundinnenimmer kreativ, denn sie möchte immer eine Kleinigkeit verschenken. Freitag-, Samstag- und Sonn-tagabend geht sie immer in dieselbe Disco, weil sich da auch die Clique trifft. »Und da häng ich ab,bis morgens der erste Bus kommt – oder wir gehen noch irgendwo frühstücken«.1

RRiicchhttuunnggsszziieell ((iinn sseecchhss MMoonnaatteenn))::a) Ich habe meinen Tag so eingeteilt, dass er einem normalen Arbeitsablauf von ca. 8.00 – 16.30 Uhr

entspricht, um die Chance zu haben, einen Ausbildungsplatz zu erhalten.b) Ich weiß, in welchem Arbeitsbereich ich was gern erlernen will, welchen Ausbildungsplatz ich ger-

ne hätte.

HHaannddlluunnggsszziieell ((zzuu aa))::• Der Praktikumplatz in der Kindertagesstätte (Kita) Beerengrund wird in den ersten vier Wochen zu

mindestens 80 Prozent pünktlich um 8.00 Uhr angetreten.• Der Praktikumplatz in der Kita Beerengrund ist ab Montag in zwei Wochen für zwei Monate ge-

nutzt, um das Einhalten der Arbeitszeiten von 8.00 bis 16.00 Uhr zu üben.• Wenn ich verpenne und die Kita um 8.00 Uhr anruft, springe ich in meine Klamotten und bin bis

halb neun da.«• Ich benutze ab sofort für die nächsten sechs Monate auf dem Rückweg von der Disco spätestens

den letzten Nachtbus.• Ich stelle mir ab morgen den lauten Wecker meiner Oma auf den Fenstersims – »ganz weit weg vom

Bett« auf 6.45 Uhr jeden Tag.• Ich stelle ab morgen das Telefon jeden Abend direkt neben mein Bett.• Ich bitte ab sofort jeden Sonntag meine Freundin Sandra (»auf die ist Verlass«), mich immer zum

Nachtbus mitzunehmen.

1 Anmerkung: In einem Gespräch wurde bereits eine erste Idee entwickelt. Die Sozialarbeiterin hatte die Ressource von Sil-ke – Spaß an der Arbeit mit Kindern – aufgegriffen und Silke konnte mit einer bekannten Kindergartenleiterin im Stadtteilklären, dass sie dort ein Praktikum machen kann. Die Leiterin kennt die Ziele von Silke und ist bereit, Silke dabei zu unter-stützen. Das kleine Praktikumgehalt (um die Hilfe möglichst lebensweltnah einzuleiten) würde vom Jugendamt übernom-men werden.

Ziele im Unterschied zu Wünschen, Aufträgen,Anweisungen und Maßnahmen

Zu den weiteren »Fallen« bei der Zielerarbeitungzählt die Verwechslung von Zielen mit Wünschen,Aufträgen, Anweisungen und Maßnahmen.

Wünsche liegen dann vor, wenn es unrealistischist, den zukünftigen Zustand in einem Zeitraumvon sechs Monaten mit all den zur Verfügung ste-henden Möglichkeiten zu erreichen (sie könnenauf realistische Ziele heruntergebrochen werden).Es gilt dann, den Teil herauszuarbeiten, der reali-stisch erreichbar ist, damit Ziele formuliert wer-den können. Immer vorausgesetzt, eine Personwill diesen Zustand auch erreichen. Von einemWunsch sprechen wir auch, wenn die Person nichtall ihre Möglichkeiten zur Erreichung des ange-strebten Zustandes einsetzen will, da dann zu die-sem Zeitpunkt die subjektive Wichtigkeit nichtvorhanden ist. Aussagen wie: »Es wäre schön,wenn andere dafür sorgen können, dass ...« solltenProfessionelle hellhörig machen und überprüfenlassen, ob zum jetzigen Zeitpunkt Wunsch oder

Wille die Ausgangslage ist. Wünsche sind auchdann vorhanden, wenn sie in Abhängigkeit vonanderen Personen stehen (z.B.: »Ich möchte mitmeinem 13-jährigen Sohn am Wochenende mehrunternehmen.« »Ich möchte, dass mein Mann mirim Haushalt hilft«. »Ich möchte eine Freundin«).Die Erreichung solcher Zustände liegt nicht alleinin der Hand der Betroffenen. Wenn jedoch das,was in der Hand der Betroffenen liegt, herausge-arbeitet wird, dann können Ziele mit den Betrof-fenen erarbeitet werden (z.B. Richtungsziel Da-niela, 15 Jahre: »Daniela kennt und nutzt bis insechs Monaten mindestens sechs Möglichkeiten,um Kontakte zu Gleichaltrigen aufzubauen«;oder: »In zwei Monaten habe ich mit meinem 13-jährigen Sohn geklärt, ob er mit mir etwas unter-nehmen will, und wenn ja, was wir machen kön-nen«). Ob der jeweilige Wunsch eventuell in Erfül-lung geht, ist unklar. Aber es liegt zumindest aufder Hand, was der/die Betroffene selbst dafür tunkann, damit die Chance sich erhöht, dass derWunsch in Erfüllung geht. Ein Wunschzettel alleinhilft oft nicht weiter. Es geht um den eigenenSpielraum, den Menschen ausnutzen zu können!

312 EJ 5/2006

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

HHaannddlluunnggsszziieell ((zzuu bb))::• Ich habe mich bis in drei Wochen (Freitag) beim Arbeitsamt über mögliche aussichtsreiche Ausbil-

dungsstellen erkundigt, kenne die Anforderungen und Arbeitsbereiche und habe mir dort Stellen-beschreibungen geholt. Ich habe meine Interessen in dem Gespräch dargelegt.

• Ich habe bis in zwei Monaten bei meinen vier Freundinnen und deren Geschwister genauer nach-gefragt, wie ihre Arbeit ist

HHaannddlluunnggsssscchhrriittttee ((zzuu aa))::• Der „Hilfe-zur-Erziehung«-Antrag wird von mir und meiner Mutter unterschrieben bis …• Ich stelle mich bis zum ... in der Kita vor. • Ich bitte nächste Woche zusammen mit meiner Patentante meine Nachbarin Frau Zimmer, mor-

gens um 7.00 Uhr anzuschellen, wenn sie mit ihrem Hund Pedro Gassi geht (drei Mal lang schel-len).

HHaannddlluunnggsssscchhrriittttee ((zzuu bb))::• Ich vereinbare zusammen mit Frau xy (Sozialarbeiterin) diese Woche noch einen Beratungstermin

beim Arbeitsamt.• Ich schreibe mir vor dem Besuch beim Arbeitsamt zusammen mit meiner Tante nächste Woche auf,

»was ich so ganz gerne mache, weil ich immer sprachlos bin, wenn ich auf’m Amt sitze«.• Ich schicke meinen Freundinnen eine SMS und frage, ob sie gemeinsam mit ihren Geschwistern mal

Zeit für mich haben, über ihre Jobs zu reden.

313EJ 5/2006

Klar ersichtlich werden so die eigenen Möglich-keiten der Mitwirkung, aber auch Grenzen unddamit der Bereich, für den jede/r selbst die Ver-antwortung übernehmen kann.

Aufträge sind an andere gerichtet. Jemand an-deres soll etwas tun. Aber Aufträge können ab-gelehnt werden. Zum Beispiel: »Marc, 16 Jahre,soll sein Zimmer aufräumen«. Marc will abernicht und es ist schon viel versucht worden. AusAufträgen wird nicht deutlich, was sich die Per-son, die sie formuliert, dadurch für sich selbsterhofft. Der Weg von einem formulierten Auf-trag an eine andere Person, hin zu einem per-sönlichen Ziel, das für sie selbst bedeutsam ist,kann beispielsweise durch Fragen erkundet wer-den (Zum Beispiel: »Was ist dann für Sie anders,wenn Marc sein Zimmer aufgeräumt hat?«, »Wasbringt es Ihnen, wenn Marcs Zimmer aufge-räumt ist?«). Antworten können beispielsweisesein: »Dann habe ich nicht mehr soviel Stressmit dem Aufräumen, Zeit für mich, um mal einwenig Luft zu schnappen«. Solche konkret for-mulierten eigenen Interessen können Ausgangs-punkte für Richtungsziele sein.

Anweisungen werden (auch gegen den Willen derAdressatInnen) von den MitarbeiterInnen der So-zialen Dienste oder vom Gericht in Form von Auf-lagen erteilt. Das geschieht in der Jugendhilfe imGefährdungsbereich oder z.B. in der Jugendge-richtshilfe bzw. in der Sozialhilfe im Sanktionsbe-reich. Hier muss jemand konkrete Auflagen erfül-len, da aufgrund der gesetzlichen oder institutio-nellen Grundlagen ein Hierarchieverhältnis be-steht. Werden diese nicht erfüllt, dann hat dasKonsequenzen! Es liegt ein Hierarchieverhältnisvor, das der Fachkraft ermöglicht, konkrete Aufla-gen – bezogen auf die vorhandene Gefährdungoder die gesetzlichen Vorgaben – zu erteilen.

Maßnahmen sind konkrete Aktionen, Handlungenund Schritte, die eingeleitet werden, um ein Zielzu erreichen. Häufig sind sie an der Endung »-ung« zu erkennen oder an Formulierungen wie»Steffi braucht z.B. Unterstützung bei ...; Hilfe bei...; Begleitung bei ...«; »Steffi besucht die Hausauf-gabenbetreuung«; »Sabine macht eine Therapie«usw.«. Wird eine Maßnahme genannt, stellt sichim Rahmen der Zielerarbeitung immer die Frage,welchen zukünftigen Zustand (Ziel) will jemanddurch die Maßnahme erreichen? (Steuerungsfra-ge: »Wenn die Unterstützung erfolgreich abge-schlossen ist, was haben Sie dann erreicht?«;»Was ist dadurch für Sie anders?«).

Die Erarbeitung von klaren Zielen ist harte Arbeitfür alle Beteiligten. Für die KlientInnen ist es oftbefremdlich, die eigenen – oft diffusen – Vorstel-lungen zu konkreten Bildern zu entwickeln. Fürdie Professionellen ist es nicht selten schwierig,sich von dem Druck zu verabschieden, sofort Lö-sungswege einzuleiten, und stattdessen zunächsteinmal zu klären, wohin die Reise überhaupt ge-hen soll. Dabei gilt es, die Beteiligten als ExpertIn-nen für ihre Vorstellungen und ihre individuelleLösung zu sehen (Sie sind Kundige und nicht Kun-den!). Natürlich braucht man Mut, die bislang sogeschätzte und Ansehen verleihende Rolle einer/sFachexpertIn zu verlassen, die Lösungswege prä-sentiert. Auf einmal ist man nicht mehr ExpertInfür flächendeckend gelingendes Leben und hatsomit auch nicht mehr die Aufgabe, auf ein ganzbestimmtes Verhalten zu drängen oder gar zu ver-suchen, selbst aufgestellte Ziele durchzusetzen(vgl. auch Herriger 2005). Professionelle stellen ineinem solchen akzeptierenden Kontakt eigeneSichtweisen, Wissen und Erfahrungswerte zurDisposition, aber akzeptieren die freie Entschei-dung des Gegenübers im Freiwilligenbereich(Ausnahmen: Gefährdungs- und Sanktionsbe-reich).

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

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Zielerarbeitung erfordert Kreativität

Die Kreativität der Fachkräfte ist gefordert, umden Such- und Verhandlungsprozess mit den Be-teiligten in Bewegung zu halten und sie darin zuunterstützen, ihre Vorstellungen von einer besse-ren Zukunft zu entwickeln. Theoretisches Wissenüber die Grundlagen gelungener Zielgestaltung istdabei erst der Anfang. Etwas zu »kennen«, heißtnicht automatisch es auch zu »können«. Es istdeshalb wichtig, dass wir auch praktische konzep-tionelle, kommunikative und organisatorischeKompetenzen durch gezieltes Training auffrischenbzw. vertiefen und erwerben. Wichtig ist dabei

insbesondere methodisches Wissen zur lösungs-und ressourcenorientierten Gesprächsführung(vgl. Kim Berg 1995), zur respektvollen Erkundungvon unterschiedlichen Lebenswelten und zurkreativen Gestaltung von Rahmenbedingungenbei der Zielerarbeitung. Vor allem in der Arbeit mitKindern und Jugendlichen, MigrantInnen undMenschen, die sich schwer tun, ihren Willen zuäußern. Für unsere Fortbildungen haben wir dienotwendige Kreativität bei der Gestaltung vonRahmenbedingungen und den Einsatz von vielfäl-tigen Methoden immer wieder aus dem reichhal-tigen Fundus der Gemeinwesenarbeit geschöpft.

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Hier einige unserer Lieblings(abwehr)sätze, gesammelt bei Fachkräften von Jugendämtern undfreien Trägern quer durch Deutschland:

• »Wir als Amt müssen doch auch Ziele für KlientInnen benennen können!«• »Das ist viel zu schwierig für unsere Klientel, das können die doch gar nicht.«• »Kinder und Jugendliche wissen doch gar nicht, was sie wollen. Außerdem haben heute viele Ju-

gendliche gar keinen Willen mehr.«• »Immerhin haben wir einen gesellschaftlichen Auftrag und müssen deshalb Jugendliche nach be-

stimmten Normen und Werten erziehen!« (Die unter den Professionellen keineswegs einheitlichsind).

• »Ich muss doch den Aufträgen anderer Institutionen nachkommen.«• »Wir müssen doch Menschen dazu motivieren, sich anders zu verhalten.«• »Man muss erst mal in Ruhe Beziehungsarbeit leisten, bevor man mit den Leuten an ihren Zielen

arbeiten kann.«• »Zielerarbeitung ist mittelschichtorientiert!«• »Ich kann doch nicht jeden Willen von Menschen erfüllen.«• »Was heißt denn hier »Wille der Betroffenen?« Hier im Amt ist ja mein Wille auch nicht gefragt.

Wer ressourcenorientiert und sozialraumorientiertarbeiten will, kommt an Zielen, die nach den zu-vor beschriebenen Standards erarbeitet werden,nicht vorbei. Nur aus konkret formulierten Zielen,lassen sich flexible maßgeschneiderte Lösungs-wege entwickeln, die dann gezielt die Ressourcender Person, der Familie und die Ressourcen desSozialraumes einbinden können. Nur mit konkre-ten Zielen kann ein »Fall im Feld« (vgl. Hinte 2001)gelöst werden.

Literatur:

Hinte, Wolfgang (2001): Der Fall im Feld, in Sozialmanage-ment 6/2001, S. 10-13

Hinte, Wolfgang / Lüttringhaus, Maria / Streich, Angelika(2001): »Wissen ist noch nicht Können« – Fortbildung in fle-xiblen Jugendhilfe-Einheiten, in: Früchtel, Frank / Lude,Werner / Scheffer, Thomas / Weißenstein, Regina (Hrsg.):Umbau der Erziehungshilfe – Von den Anstrengungen, denErfolgen und den Schwierigkeiten bei der Umsetzung fachli-cher Ziele in Stuttgart, S. 89-102

Herriger, Norbert (1991): Empowerment - Annäherung an

ein neues Fortschrittprogramm der sozialen Arbeit, in: NeuePraxis 3/1991, 20. Jg., S. 221-229

Herriger, Norbert (2005): Sozialräumliche Perspektive undEmpowerment. Plädoyer für eine Ressourcenperspektive, in:Deinet, Ulrich / Gilles, Christoph / Knopp, Reinhold (Hrsg.)(2005): Neue Perspektiven der Sozialraumorientierung. Pla-nung – Aneignung – Gestaltung, Berlin (s. unter www.empo-werment.de/materialien

Kim Berg, Insoo (1995): Familien-Zusammenhalt(en). Einkurz-therapeutisches und lösungs-orientiertes Arbeitsbuch,Dortmund

Lüttringhaus, Maria (2004): Erfolgsgeschichte Gemeinwe-senarbeit – die Saat geht auf? in: Gillich, Stefan (2004)(Hrsg.): Gemeinwesenarbeit: Die Saat geht auf. Grundlagenund neue sozialraumorientierte Handlungsfelder, Gelnhau-sen, S. 16-26

Löcherbach, Peter / Klug, Wolfgang / Remmel-Fassbender,Ruth / Wendt, Wolf-Rainer (Hrsg.) (2003): Case-Manage-ment. Fall- und Systemsteuerung in der Sozialen Arbeit,Darmstadt

Lotmar, Paula/Tondeur, Edmond (1989): Führen in sozialenOrganisationen, Bern

Schwabe, Matthias (2000): Das Hilfeplangespräch zwischenAnspruch und Wirklichkeit, in Jugendhilfe 38 4/2000, S.195-204

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Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

Warum es sinnvoll ist, die subjektiv bedeutsamen Ziele der Betroffenen konkret, klar, termi-niert und in der Sprache der Betroffenen zu erarbeiten:

• Ziele geben Orientierung im Veränderungsprozess.• Durch konkrete (handliche) Formulierung werden sie handhabbar.• Individuelle konkrete Ziele sind Voraussetzung für die Gestaltung individueller, maßgeschneider-

ter und sozialraumorientierter Lösungswege.• Sie werden zum Arbeitsinstrument und zum roten Faden, weil aus ihnen konkrete Maßnahmen ab-

geleitet werden.• Die Zielerreichung ist überprüfbar, dadurch sind Erfolge messbar.• Die Sichtbarkeit von Erfolgen kann bei den Adressaten Selbstbewusstsein und Kompetenzzuwachs

und bei den Profis Steigerung der Arbeitszufriedenheit bewirken. Innerhalb der eigenen Instituti-on führen sie zu Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Arbeit und bei anderen Institutionen zurKlarheit des Arbeitsauftrages und bewirken eine bessere Überprüfbarkeit der Arbeit.

• Kleinteilige Ziele haben einen Entlastungseffekt und vermindern den Druck, dass man den »großenWurf« hinbekommen muss.

Die Identifikation der Betroffenen mit den Zielen wird erhöht. Das Verantwortungsbewusstsein derBetroffenen wird gestärkt. Die Motivation zum Handeln und eine positivere Grundstimmung werdenbei allen Beteiligten befördert. Die Verbindlichkeit der Ziele für die Betroffenen wird gesteigert.Adressatengerechte Ziele verbessern den Dialog zwischen Profis und Adressaten (Weg vom Fachjar-gon – hin zu lebensweltorientierten Formulierungen).

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Spiegel, Hiltrud von (2004): Methodisches Handeln in derSozialen Arbeit. Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis,München

Spiegel, Hiltrud von (2000): Methodische Hilfen für die Ge-staltung und Evaluation des Prozesses der Zielfindung undZielformulierung im Hilfeplanverfahren. Expertise zum Pro-jekt Familiäre Bereitschaftsbetreuung, DJI-Arbeitspapier,München

Springer, Werner / Welbrink, Andrea (1996): Offene Kontakt-formen im beruflichen Handeln in sozialen Diensten: Ele-mente einer Fortbildungskonzeption, in: ÖTV (Hrsg.): SozialeDienste – Soziale Arbeit – Neuorganisation und Weiterent-wicklung, Stuttgart

Wendt, Wolf Rainer (2001): Case-Management im Sozial-und Gesundheitswesen. Eine Einführung, Freiburg im Breis-gau

Dr. Maria Lüttringhaus, Institut LüttringHaus -

zertifiziertes Institut für Sozialraumorientierung,Quartier- und Case Management

Gervinusstraße 645144 Essen

[email protected]

Angelika StreichDiplompädagogin, Supervisorin, Trainerin

Wiggermannstraße 1546236 Bottrop

[email protected]

Der Beitrag wird im Dezember 2006 unter dem Ti-tel Zielvereinbarungen in der Sozialen Arbeit: Wokein Wille ist, ist auch kein Weg! auf den Seiten135-149 der Publikation »Nachbarschaften undStadtteile im Umbruch. Kreative Antworten derGemeinwesenarbeit auf aktuelle Herausforderun-gen« veröffentlicht. Herausgeber des Buches istStefan Gillich.

Nähere Informationen finden Sie unter:www.burckhardthaus.de

Aus dem Inhalt:»Wo Staat und Wille zum Gemeinsamen ge-schwächt sind, nehmen die Teilsysteme der Ge-sellschaft, allen voran die Wirtschaft, nur noch dieMenschen auf, die sie unbedingt benötigen, undbehalten nur die, welche funktionieren. Die Zahlder Überflüssigen, der Ausgegrenzten, nur zeit-weilig Benötigten steigt: Darauf müssen materiel-le und solidarische Antworten gefunden werden.«

Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg!

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Über die Voraussetzungen für die unmittelbare In-anspruchnahme ambulanter Erziehungshilfen undderen inhaltliche Ausgestaltung – dazu gehörenvor allem Diagnostik, Bedarfsklärung, Hilfepla-nung und Qualitätssicherung – sowie die Über-nahme der Kosten müssen zwischen Jugendamtund Leistungsanbieter Vereinbarungen abge-schlossen werden.

Dieser Auftrag des Gesetzgebers in § 36a Abs. 2SGB VIII an die öffentlichen und freien Jugendhil-feträger kann zum Impulsgeber für eine sozial-raumorientierte und bürgernahe Weiterentwick-lung erzieherischer Hilfen werden. Dies erfordertallerdings eine verstärkte Kooperation zwischenden ambulanten Erziehungshilfen und darüberhinaus auch deren Vernetzung mit Kindertages-einrichtungen und anderen niederschwelligenJugendhilfeangeboten wie beispielsweise Eltern-Kind- bzw. Familienzentren und Angeboten zurFrüherkennung von Kindeswohlgefährdungen.

Die nachfolgend abgedruckten Thesen und Mate-rialien sind dem Eingangsstatement des Verfas-sers zu einer Tagung des Diakonischen Werkes desEKD am 24./25. Oktober 2006 in Hannover zumThema »Unmittelbarer Zugang zu ambulanten Er-ziehungshilfen – Perspektiven des § 36a Abs. 2 füreine sozialräumliche Ausgestaltung der Jugend-hilfe« entnommen. Bei Interesse können die übri-gen Referate dieser Tagung per E-Mail zugesandtwerden. Anfragen an: [email protected]

14 Thesen zum »Unmittelbaren Zugang zuambulanten Erziehungshilfen«:

1. Im Gesetzgebungsverfahren zum KICK sowiein der anschließenden fachlichen Diskussionzur Umsetzung der einzelnen Regelungen indie Praxis hat der § 36a Abs. 2 bisher kaumeine Rolle gespielt. Dies könnte daran liegen,dass diese Regelung zwar die Leistungsbe-rechtigten in den Mittelpunkt stellt, jedochdie öffentlichen und freien Träger sich auf denersten Blick keinen Nutzen davon versprechen.

2. Die mehrfachen Veränderungen des § 36a Abs.2 im Gesetzgebungsverfahren, insbesonderedie Änderung der ursprünglichen Kann-Rege-lung in eine Soll-Verpflichtung sind ein Indizdafür, dass es sich bei dieser Bestimmungnicht um einen undurchdachten Schnell-schuss handelt. Leider sind die offiziellen Be-gründungen zu § 36a Abs. 2 sehr dürftig undlassen deshalb nur Plausibilitätsvermutungenzu den tatsächlichen Absichten des Gesetzge-bers zu. (siehe Kasten 1)

3. Auch wenn in der Gesetzesbegründung nichtexplizit ein Bezug hergestellt wird zwischen

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Unmittelbarer Zugang zu ambulanten Erziehungshilfen

CChhaanncceenn ddeess §§ 3366aa,, AAbbss.. 22,, SSGGBB VVIIIIII ffüürr eeiinnee ssoozziiaallrrääuummlliicchhee AAuussggeessttaallttuunngg ddeerr JJuuggeennddhhiillffee

Karl SSppäätthh, Stuttgart

§ 36a Abs. 2 und § 8a Abs. 2 ist eine inhaltli-che Verbindung zwischen beiden neuen Rege-lungen doch nahe liegend und sinnvoll. BeideRegelungen sehen vor, dass Hilfen nieder-schwellig ohne vorherige Konsultation des Ju-gendamtes in Anspruch genommen werdenkönnen sollen. (siehe Kasten 2)

4. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich, wiedies bisher bei der Erziehungsberatung regel-mäßig der Fall ist und sich auch bewährt hat,Eltern, die bei der Erziehung ihrer Kinder aufRat und Unterstützung angewiesen sind, ei-nen direkten Zugang zu den ambulanten Er-ziehungshilfen eröffnen. Eine Einschränkungauf bestimmte ambulante Erziehungshilfenhat der Gesetzgeber nicht vorgenommen.

5. Eine gesetzestechnisch durchaus mögliche ex-klusive Sonderregelung für die Erziehungsbe-ratungsstellen hat der Gesetzgeber nicht vor-gesehen, er hat sich vielmehr für die Gleichbe-handlung aller ambulanten Erziehungshilfenallerdings mit besonderer Hervorhebung derErziehungsberatung entschieden.

6. Der mit § 36a beabsichtigten Bekräftigung derSteuerungsverantwortung des Jugendamteswird im Absatz 2 dadurch Rechnung getragen,dass als Voraussetzung und Grundlage für denunmittelbaren Zugang zu ambulanten Erzie-hungshilfen der Abschluss einer Vereinbarungzwischen dem Jugendamt und dem Lei-stungsanbieter verbindlich vorgeschriebenwird. Die Steuerungsverantwortung des Ju-gendamtes wird damit in Form einer Ange-bots- und Infrastruktursteuerung im Sinne des§ 80 SGB VIII (Jugendhilfeplanung) wahrge-nommen, im Unterschied zu der in § 36a Abs. 1 vorgesehenen Einzelfallsteuerung.

7. Die Verwaltung des Jugendamtes kann/mussin Abstimmung mit dem Jugendhilfeaus-schuss entscheiden, an welchen Orten imKreis bzw. welchen Stadtteilen der Stadt sol-che niederschwelligen Angebote bereit ge-

stellt werden sollen und welche fachlich-kon-zeptionellen Standards diese Einrichtungenerfüllen müssen. Auf dieser Grundlage könnendie Vereinbarungen nach § 36a Abs. 2 mit denin Frage kommenden freien Trägern verhan-delt werden.

8. Gegenstand der Vereinbarung nach § 36a Abs. 2 zwischen Jugendamt und Leistungsan-bieter ist u.a. - das Leistungsprofil der jeweiligen ambu-

lanten Angebote, - der Zugang zu diesen Angeboten, - die Qualifikation und Zusammensetzung-

der Fachkräfte, - die diagnostische Abklärung des Hilfe-

bedarfs, - die Auswahl der geeigneten und not-

wendigen Hilfe, - die Hilfeplanung, die Leistungsdokumen-

tation, das Qualitätsmanagement,- die Vernetzung mit anderen Leistungs-

anbietern und- die Art und Weise der Finanzierung der

Leistungen (beispielsweise Fachleistungs-stunden, Gesamtbudget).

9. Falls sich das Jugendamt und der Leistungsan-bieter in ihren Verhandlungen über die konzep-tionellen und/oder finanziellen Fragen nicht ei-nigen können, steht der Weg zu den Schieds-stellen nach § 78g SGB VIII und/oder den Ver-waltungsgerichten offen.

10. § 36a Abs. 2 vereinigt wichtige Grundprinzi-pien des Kinder- und Jugendhilfegesetzes undeiner modernen Kinder- und Jugendhilfe.Dies sind insbesondere:- das Wunsch- und Wahlrecht der Lei-

stungsberechtigten,- die partnerschaftliche Zusammenarbeit

zwischen öffentlichen und freien Trägern,- die Steuerungsverantwortung des Jugend-

amtes,- die Niederschwelligkeit erzieherischer

Hilfen,

318 EJ 5/2006

Unmittelbarer Zugang zu ambulanten Erziehungshilfen

319EJ 5/2006

Unmittelbarer Zugang zu ambulanten Erziehungshilfen

- die präventive Ausrichtung der Erzie-hungshilfen,

- die Vernetzung und Zusammenführung verschiedener Erziehungshilfen unter einem Dach und

- eine sach- und leistungsgerechte Finan-zierungsregelung.

11. § 36a Abs. 2 stellt hohe Anforderungen an denGestaltungswillen und die Gestaltungskompe-tenz des Jugendamtes, die fachliche Arbeit derAnbieter ambulanter Erziehungshilfen und diepartnerschaftliche und vertrauensvolle Zu-sammenarbeit zwischen Jugendamt und frei-en Trägern.

12. Für die Erziehungsberatungsstellen bedeutet § 36a Abs. 2 nicht nur eine Bestätigung desStatus Quo. Sie müssen vielmehr darüber hin-aus im Rahmen der Verhandlungen über ›dieVoraussetzungen und die Ausgestaltung derLeistungserbringung‹ sich mit den Erwartun-gen des Jugendamtes hinsichtlich der fachli-chen Profilierung und Weiterentwicklung ih-rer Arbeit und der Vernetzung mit anderenAngeboten und Leistungen der Jugendhilfeauseinandersetzen.

13. Erziehungshilfeeinrichtungen oder –träger,die über eine Vereinbarung nach § 36a Abs. 2den direkten Zugang zu ihren ambulanten Hil-fen eröffnen wollen, müssen sich für diese er-weiterte Aufgabenstellung fachlich qualifizie-ren. Zu den zusätzlichen Anforderungen gehö-

ren unter anderem Bedarfsklärung/Diagnostik/Clearing, Hilfeplanung, Vernetzung mit ande-ren Leistungsanbietern.

14. Die Chancen und Impulse, die § 36a Abs. 2 fürdie Absicherung und Weiterentwicklung einerbürgerfreundlichen, sozialräumlich orientier-ten Erziehungshilfeinfrastruktur bietet, sindbis jetzt in der Fachdiskussion noch kaum er-kannt worden. Sie sollten in den aktuellenDiskussionen um die Verstärkung des Schutz-auftrages der Jugendhilfe bei Kindeswohlge-fährdungen, den Aufbau von Eltern-Kind-Zen-tren und ›Frühwarnsystemen zur Erkennungund Vermeidung von Kindeswohlgefährdun-gen‹ mit bedacht werden. So kann § 36a Abs. 2 kurz- und mittelfristig zur Entstehungbzw. zum Ausbau einer sozialräumlich ausge-richteten Jugendhilfeinfrastruktur beitragen.Dadurch können bei bestimmten Personen-gruppen vorhandene Hemmschwellen zur In-anspruchnahme von für das Wohlergehen vonKindern und Jugendlichen notwendigen Ju-gendhilfeleistungen abgebaut werden.

Zum Schluss ein Bild:

Der bisher wie ein unauffälliger Rohdiamant un-beachtet gebliebene § 36a Abs. 2, kann durch eingekonntes professionelles Handling zu einemstrahlenden Brillanten werden. Ob dies gelingt,hängt vor allem vom Wollen und Können der Ju-gendhilfefachkräfte der öffentlichen und freienJugendhilfeträger ab.

Karl SpäthReferent für Jugendhilfepolitik und

Hilfen zur ErziehungDiakonisches Werk der EKD

Berlin/Stuttgart

Stafflenbergstraße 7670184 Stuttgart

[email protected]

320 EJ 5/2006

Unmittelbarer Zugang zu ambulanten Erziehungshilfen

Veränderungen des § 36a Abs. 2 SGB VIII im Gesetzgebungsprozess

A) Im Referentenentwurf des BMFSFJ zum TAG vom 02.04.2004 war zwar § 36a, aber noch keine Re-gelung zum unmittelbaren Zugang zu ambulanten Hilfen enthalten.

B) Im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 06.09.2004 (BT-Drucksache 15/3676) § 36a Abs. 2:Bei ambulanten Hilfen kann der Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch Vereinbarungen mit demLeistungserbringer, in der die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung ge-regelt werden, die Selbstbeschaffung zulassen.Begründung: Um aber auch künftig bei ambulanten Hilfen wie insbesondere der Erziehungsberatung den niedrig-schwelligen Zugang zu erhalten, kann der örtliche Träger in Vereinbarungen mit den betroffenen Dien-sten, in denen die Voraussetzungen zu regeln sind, die unmittelbare Inanspruchnahme zulassen.

C) Im KICK vom 17.06.2005 (BT-Drucksache 15/5616) § 36a Abs. 2:Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmit-telbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung, zulassen.Dazu schließt er mit den Leistungserbringern Vereinbarungen, in denen die Voraussetzungen und dieAusgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Begründung:Die Möglichkeit der unmittelbaren Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere Erzie-hungsberatung, ist durch die Regelung im Absatz 2 sichergestellt.

Gesetzliche Regelung zur unmittelbaren Inanspruchnahme ambulanter Hilfen im KICK

§ 36a Steuerungsverantwortung, Selbstbeschaffung1. Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn

sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung desWunsch- und Wahlrechts erbracht wird; ...

2. Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niederschwellige un-mittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung, zu-lassen. Dazu schließt er mit den Leistungserbringern Vereinbarungen, in denen die Voraussetzun-gen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregeltwerden.

§ 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung(2) … Insbesondere ist (in die Vereinbarung) die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte (derfreien Träger) bei den Personensorgeberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken,wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hil-fen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden.

SGB II-Fortentwicklungsgesetz

Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherungfür Arbeitssuchende vom 20.Juli 2006 BGBl. I2006 / 1706

Wesentliche Änderungen des SGB IIDurch das SGB II-Fortentwicklungsgesetz sind er-neut etliche Verschärfungen zu Lasten der ALG II-Bezieher normiert worden, die zum 1.8.1006 inKraft getreten sind. Dabei handelt es sich ins-besondere um folgende Regelungen:• Änderungen bei der Bedarfsgemeinschaft: für

das Vorliegen einer nicht ehelichen Lebensge-meinschaft ist eine Beweislastumkehr erfolgt.So wird beispielsweise bei Zusammenleben vonmehr als einem Jahr vermutet, dass eine ehe-ähnliche Lebensgemeinschaft vorliegt (§ 7 Abs.3 a Nr. 1 SGB II n. F.),

• Absenkung der Vermögensfreibeträge von bis-her 200 Euro pro Lebensjahr auf 150 Euro proLebensjahr und des Mindestfreibetrages von4.100 Euro auf 3.100 Euro (§ 12 Abs. 2 a, b SGBII n. F.),

• Berücksichtigung von Stiefelterneinkommen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II n. F.),

• Verschärfung der Sanktionsregelungen (§ 31SGB II n. F.),

• Leistungsausschluss für stationär untergebrach-te Personen, es sei denn, diese Personen sind ineinem Krankenhaus untergebracht oder in eineranderen Einrichtung stationär untergebrachtund sind mindestens 15 Stunden wöchentlichunter den üblichen Bedingungen des allgemei-nen Arbeitsmarktes erwerbstätig (§ 7 Abs. 4SGB II n. F.),

• die Verpflichtung der Leistungsträger zur Er-richtung eines Außendienstes zur Bekämpfungdes Leistungsmissbrauchs (§ 6 Abs. 1 Satz 2SGB II n. F.).

StellungnahmeWenn ein Monat nach In-Kraft-Treten des SGB II-Optimierungsgesetzes dasselbe Gesetz durch einweiteres Gesetz – nunmehr zwar nicht optimiert– aber immerhin fortentwickelt werden soll, sokann dieser gesetzgeberische Dilettantismus nurals Trauerspiel bezeichnet werden.

Auch wenn es sich lohnen würde, die einzelnenRegelungen einer kritischen Analyse zu unterzie-hen, so soll hier aus Platzgründen nur ein Punktherausgegriffen werden: die eheähnliche Gemein-schaft.1 Zwar taucht dieser Begriff in § 7 SGB II n.F. nicht mehr auf. Stattdessen heißt es dort (in § 7 Abs. 3 Nr. 3 v SGB II n.F.) »eine Person, die mitdem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einemgemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dassnach verständiger Würdigung der wechselseitigeWille anzunehmen ist, Verantwortung füreinanderzu tragen und füreinander einzustehen.« Dabeiwird nach § 7 Abs. 3 a SGB II n. F. ein wechselsei-tiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragenund füreinander einzustehen vermutet, »wennPartner1. länger als ein Jahr zusammenleben,2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen

oder4. befugt sind, über Einkommen und Vermögen

des anderen zu verfügen.«

Diese Regelung bedeutet im Klartext Folgendes:Wenn beispielsweise eine von staatlichen Sozial-leistungen unabhängige Person mit einer anderenPerson, die ALG II bezieht, mehr als ein Jahr zu-sammenlebt, dann führt das weitere Zusammen-leben dazu, dass ALG II gestrichen wird, mit derFolge, dass die finanziell unabhängige Person ent-weder auch den Partner mit finanzieren muss unddamit ein weitaus geringeres Einkommen hat alszuvor (und somit beide mit weitaus weniger Ein-

321EJ 5/2006

Gesetze und Gerichte

Christian MMüülllleerr, Hannover

kommen auskommen müssen als zuvor) oder dasses zur Trennung kommt, mit der Folge, dass derLeistungsträger dann ggf. höhere Kosten hat, dadie Unterkunftskosten für einen Ein-Personen-haushalt um etliches höher sind als die hälftigenUnterkunftskosten für einen Zwei-Personenhaus-halt. Wie der Gesetzgeber angesichts dieserSach- und Rechtslage zu der Prognose kommt,dass durch die Beweislastumkehr bei der Beurtei-lung der Frage, ob eine eheähnliche Lebensge-meinschaft vorliegt, Einsparungen für den Bund inHöhe von zehn Mio. Euro jährlich zu erwartensind2, ist nicht nachvollziehbar, es sei denn, er be-absichtigt – und diese zugegebenermaßen etwaspolemische Äußerung sei gestattet, gleichzeitigmit der Einführung eines gesonderten Straftatbe-standes für Zwangsehen im Strafgesetzbuch einsanktionsbewehrtes Verbot der Aufhebung voneheähnlichen Lebensgemeinschaften im SGB IIeinzuführen.

Kürzung des Pflegegeldes bei Verwandtenpflege?

Beschluss des VG Braunschweig vom 3.4.2006 (3 B 165/06) JAmt 2006, 248

Sachverhalt und Entscheidungsgründe (starkgekürzt)Die Antragstellerin wurde 1995 mit 15 JahrenMutter einer Tochter E. Aufgrund ihres jugendli-chen Alters gab sie diese in Pflege zu ihrer Mut-ter, der Großmutter von E. Im Jahre 2000 bewil-ligte die Antragsgegnerin der AntragstellerinVollzeitpflege gem. §§ 27, 33 SGB VIII für dieTochter E. Seit dieser Zeit erhält die GroßmutterPflegegeld in unterschiedlicher Höhe. In der Zeitvon Januar 2003 bis Januar 2006 wurden ihr mo-natlich jeweils 582 Euro überwiesen. Mit Bescheidvom 16. Januar 2006 reduzierte die Antragsgeg-nerin das Pflegegeld unter Hinweis auf das zum1.10.2005 in Kraft getretene KICK (BGBl I, S.2729) auf monatlich 288 Euro. Die nicht erwerbs-tätige Antragstellerin, die verheiratet ist und ausderen Ehe zwei Kinder hervorgegangen sind, istmit der Kürzung ebenso wenig einverstanden wie

die alleinstehende Großmutter, die Leistungen zurSicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB IIin Höhe von rund 550 Euro monatlich (345 EuroRegelleistung + 1/2 Unterkunfts- und Heizkostenvon 205 Euro) erhält und bei der E., die die vierteKlasse der Grundschule besucht und eine Empfeh-lung für das Gymnasium hat, nach wie vor lebt.Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährungvorläufigen Rechtsschutz hat Erfolg.

Hierzu führt das VG u.a. Folgendes aus: Die Antragsgegnerin habe von der ihr durch dasKICK in § 27 Abs. 2 a SGB VIII eröffneten Möglich-keit Gebrauch gemacht, Vollzeitpflege durchGroßeltern als Hilfe zur Erziehung (§§ 27, 33 SGBVIII) anzuerkennen und sei damit auch verpflich-tet, als Annexleistung gem. § 39 den notwendigenUnterhalt des Kindes außerhalb des Elternhausessicherzustellen. Dieser umfasse auch die Kostender Erziehung. Gem. § 39 Abs. 2,4 SGB VIII solleder gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarfdes Kindes durch laufende Leistungen auf derGrundlage der tatsächlichen Kosten gedeckt wer-den, sofern diese einen angemessenen Umfangnicht übersteigen. Die Leistungen seien grund-sätzlich in einem monatlichen Pauschalbetrag zugewähren. Ein Pauschalbetrag für ein zehnjähri-ges Kind in Höhe von 703 Euro (496 Euro für ma-terielle Aufwendungen und 207 Euro für denErziehungsaufwand) sei erforderlich, um dennotwendigen Unterhalt eines Kindes außerhalbdes Elternhauses sicherzustellen wobei dieserPauschalbetrag nach der durch das Kinder- undJugendhilfeweiterentwicklungsgesetz neu einge-führten Bestimmung des § 39 Abs. 4 S. 4 SGB VIIIangemessen gekürzt werden könne, wenn diePflegeperson unterhaltsverpflichtet sei. Ob und inwelcher Höhe eine Kürzung des Pflegegeldes vor-genommen werden könne, richte sich dabei nachden Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls. Dadie Großmutter unterhaltsrechtlich nichtleistungsfähig sei, komme eine Kürzung des impauschalen Pflegegeld enthaltenen Anteils fürmaterielle Aufwendungen nicht in Betracht. Aberauch eine Kürzung des Erziehungsanteils, die zwargrundsätzlich trotz unterhaltsrechtlicher Lei-

322 EJ 5/2006

Gesetze und Gerichte

stungsunfähigkeit der Großeltern in Betrachtkäme, scheide im vorliegenden Fall aus, weil beidem Kind E. ein erzieherischer Bedarf zu deckensei und weil die vorgenommene Kürzung des Pfle-gegeldes um mehr als die Hälfte ohne jeglicheVorankündigung und ohne einzelfallbezogeneBegründung erfolgt sei.

Stellungnahme:Durch die klarstellende Regelung in § 27 Abs. 2aSGB II hat der Gesetzgeber sicherstellen wollen,dass künftig auch Großeltern die Aufgabe vonPflegeeltern im Rahmen von Hilfe zur Erziehungnach §§ 27,33 SGB VIII übernehmen können.Gleichzeitig hat er durch die Regelung des § 39Abs. 4 S. 4 SGB VIII zum Ausdruck gebracht, dassGroßeltern aufgrund ihrer engen verwandt-schaftlichen Beziehung zu dem Kind oder Jugend-lichen und der daraus resultierenden Unterhalts-pflicht vom Staat nicht ohne Weiteres dieselbe fi-nanzielle Unterstützung für ihre Betreuungs- undErziehungsleistung erwarten können, wie Pflege-personen, die ein fremdes Kind betreuen.3 Ausdiesem Grund hat der Gesetzgeber die Möglich-keit vorgesehen, »dass das Jugendamt das Pflege-geld in solchen Fällen nach der Besonderheit desEinzelfalls geringer bemessen kann.«4

Diesen Vorgaben wird die Entscheidung des VGBraunschweig in vollem Umfang gerecht.

Eingriff in das Elternrecht bei Ablehnung desSchulbesuchs aus religiösen Gründen

Beschluss des OLG Hamm vom 25.8.2005 (6 WF297/05) JAmt 2006, 203

Sachverhalt und Entscheidungsgründe (starkgekürzt)Die Eltern – die Beschwerdeführer zu 1 und 2 –gehören der Glaubensgemeinschaft der A. an undlehnen den Besuch der staatlichen Schulen durchihre schulpflichtigen Kinder aus religiösen Grün-den ab. Das Familiengericht hat ihnen im Wegeder einstweiligen Anordnung das Aufenthalts-bestimmungsrecht und das Recht zur Regelungvon Schulangelegenheiten entzogen, die Beteilig-

te zu 3 insoweit zur Pflegerin bestellt und diese»ermächtigt«, die Kinder notfalls in einer Pflegefa-milie unterzubringen, die die allgemeine Schul-pflicht anerkennt und die Teilnahme der Kinderam Unterricht in einer öffentlichen Schule oderanerkannten Ersatzschule ermöglicht.

Auf die Beschwerde der Eltern hin hat das OLG dieerstinstanzliche Entscheidung bestätigt und hier-zu u.a. ausgeführt: Das geistige und seelischeWohl der Kinder sei nachhaltig gefährdet, wenndie Eltern die für die Entwicklung ihrer Kinder ineiner pluralistischen Gesellschaft notwendigestaatliche Schulerziehung, der Verfassungsrangzukomme, vollständig ablehnen und verhindern.Zwar könne weder dem Elternrecht aus Art. 6 Abs.2 GG noch dem Erziehungsauftrag des Staates einabsoluter Vorrang eingeräumt werden. Da es ineiner pluralistischen Gesellschaft jedoch faktischunmöglich sei, allen Elternwünschen vollständigRechnung zu tragen, sei davon auszugehen, dassfür den Einzelnen die Ausübung seiner Grund-rechte aus Art. 4 Abs. 1 GG (Religionsfreiheit) undArt. 2 (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) und Art.6 Abs. 2 GG (Elternrecht) naturgemäß Beschrän-kungen unterliege. Zwar könne im Einzelfall undin besonderen Ausnahmesituationen eine »par-tielle Entpflichtung« von der Schulbesuchspflicht(beispielsweise Teilnahmepflicht in einembestimmten Fach oder einer bestimmten schuli-schen Veranstaltung) verfassungsrechtlich gebo-ten sein könne; eine gänzliche Aufhebung derSchulpflicht käme jedoch nicht in Betracht, da derallgemeinen Schulpflicht eine wichtige Bedeu-tung zur Heranbildung verantwortlicher Staats-bürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen ge-genüber verantwortungsbewusst an den demo-kratischen Prozessen in einer pluralischen Gesell-schaft teilhaben, zukomme und da gerade auch ineiner Schule Toleranz eingeübt werden könne. Die Eltern hätten es in der Hand, die Herausnah-me ihrer Kinder aus der Familie zu verhindern.Sollten sie jedoch weiterhin beharrlich den Schul-besuch ihrer Kinder boykottieren, so erscheine esnicht ratsam, die erforderliche Herausnahme(ggf. noch mittels Zwang) jeden Schultag zu

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Gesetze und Gerichte

wiederholen, sondern führe vielmehr nur die dau-erhafte Herausnahme der Kinder aus der Familiezum gewünschten Erfolg.

StellungnahmeDie Entscheidung steht in Einklang mit den vomBundesverfassungsgericht entwickelten Grund-sätzen zum Spannungsverhältnis von Art. 6 Abs. 2GG (Elternrecht) und Art. 7 GG (Schulwesen). DasBundesverfassungsgericht hat hierzu in seinerEntscheidung vom 29. April 20035, auf die auchdas OLG Bezug nimmt, u.a. ausgeführt: »Denn so-ziale Kompetenz im Umgang auch mit Anders-denkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsver-mögen und Selbstbehauptung einer von derMehrheit abweichenden Überzeugung können ef-fektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit derGesellschaft und den in ihr vertretenen unter-schiedlichen Auffassungen nicht nur gelegentlichstattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmä-ßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrungsind. ... Die Allgemeinheit hat ein berechtigtes In-teresse daran, der Entstehung von religiös oderweltanschaulich motivierten »Parallelgesellschaf-ten« entgegenzuwirken und Minderheiten aufdiesem Gebiet zu integrieren. Integration setztdabei nicht nur voraus, dass die Mehrheit der Be-völkerung religiöse und weltanschauliche Minder-heiten nicht ausgrenzt, sie verlangt vielmehrauch, dass diese sich selbst nicht abgrenzen undeinem Dialog mit Andersdenkenden und -gläubi-gen nicht verschließen. ... Dies im Sinne gelebterToleranz einzuüben und zu praktizieren, ist wich-tige Aufgabe schon der Grundschule.«

Auch wenn berechtigte Zweifel angebracht sind,ob Schule dieser Aufgabe immer in hinreichen-dem Ausmaß gerecht wird, so ändert dies den-noch nichts daran, dass es zur allgemeinen Schul-pflicht keine vernünftige Alternative gibt. So hatdenn auch kürzlich das Bundesverfassungsgerichterneut entschieden6, dass auch strafrechtlicheSanktionen bei Verstößen gegen die Schulpflichtaus religiösen Gründen grundsätzlich nicht zu be-anstanden sind, sofern die Eltern ihre Kinder voll-ständig von er Schule fernhalten, und dass den El-

tern allenfalls das Recht zuerkannt werden kann,ihre Kinder an bestimmten Unterrichtseinheitennicht teilnehmen zu lassen.

Hausbesuch durch Arbeitsagentur nur bei be-rechtigten Zweifeln

Beschluss des Hessischen LSG vom 30.1.2006 - L 7 AS 1/106 ER;L 7 AS 13/06 ER - ZfSH/SGB, 2006, 308 ff.

Sachverhalt (stark gekürzt)Die Antragstellerin hatte bei der Antragsgegne-rin einen Antrag auf Leistungen nach dem SGBII gestellt. Da die Antragsgegnerin einige Punktefür aufklärungsbedürftig hielt u.a. die Frage, obdie von der Antragstellerin vermessene und ur-sprünglich von ihr, ihrer Tochter und ihrem Ehe-mann bewohnte Wohnung 80,16 qm oder, wieim Mietvertrag angegeben, 85,15 qm groß war,wollte sie einen Hausbesuch bei der Antragstel-lerin durchführen. In diesem Zusammenhangteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerinmit, dass Hausbesuche grundsätzlich bei allenBürgern durchgeführt würden, die Anträge aufLeistungen nach dem SGB II stellten, um klärenzu können, ob die Angaben in dem Antrag kor-rekt seien. Dabei solle sichergestellt werden,dass mit Steuergeldern sparsam umgegangenwürde. Man wolle Missbrauchsfällen vorbeugenund beispielsweise feststellen, ob weitere Perso-nen im Haushalt lebten oder zur Untermietewohnten. Da die Antragstellerin eine Wohnungs-besichtigung ablehnte, lehnte die Antragsgegne-rin die Leistungen nach dem SGB II ab. Das Sozi-algericht gab dem Eilantrag der Antragstellerinnur teilweise statt.

Entscheidungsgründe (stark gekürzt)Die Beschwerde der Antragstellerin hatte über-wiegend Erfolg. Das LSG führt insoweit aus, dassweder das SGB II noch das SGB X Hausbesuchedirekt vorsehe. Aufgrund der verfassungsrechtli-chen Bedeutung der Unverletzlichkeit der Woh-nung sei der Gesetzgeber gefordert, für eine kla-re Ermächtigungsgrundlage für die Exekutive zu

324 EJ 5/2006

Gesetze und Gerichte

sorgen. Zwar erlaube §21 Abs. 1 Nr 4 SGB X dieAufklärung des Sachverhalts durch Augen-scheinnahme, soweit diese erforderlich sei. Des-halb sei in jedem Einzelfall die Erforderlichkeitzu prüfen. Solange der Gesetzgeber keine ge-setzliche Eingriffsgrundlage geschaffen habe, seiein Hausbesuch nur zulässig, wenn der Trägerder Grundsicherung den Zweck des Hausbesu-ches deutlich definiere und – soweit weitereAufklärungsmöglichkeiten zu Gebote stünden –er keinen unverhältnismäßigen Eingriff in diePrivatsphäre darstelle. Nur wenn der Träger derGrundsicherung konkrete, berechtigte Zweifel anden Angaben eines Antragstellers darlege unddem Betroffenen ferner die Notwendigkeit undTauglichkeit des Hausbesuches zur Aufklärungder berechtigten Zweifel erläutere, sei ein Haus-besuch zulässig und dessen Verweigerung fürden Betroffenen nachteilig. Gemessen an diesenAnforderungen habe die Antragstellerin den an-gekündigten Hausbesuch der Antragsgegnerin zuRecht abgelehnt, da u.a. die Wohnung für eineEinzelperson ohnehin zu groß sei und es von da-her nicht darauf ankomme, ob die Wohnung 80oder 85 qm groß sei.

StellungnahmeDas Hessische Landessozialgericht hat in seinersorgfältig begründeten Entscheidung ein deutli-ches Signal gegen die vielerorts zu beobachtendeTendenz gesetzt, Arbeitslose pauschal zu verun-glimpfen und unter den Generalverdacht miss-bräuchlicher Inanspruchnahme von Soziallei-stungen zu stellen. Es weist zur Recht darauf hin,dass im Hinblick auf die Unverletzlichkeit derWohnung Art. 13 Grundgesetz – GG) ein Hausbe-such nur bei Vorliegen konkreter Verdachtsmo-mente geduldet werden muss. Insofern reiht sichdie Entscheidung nahtlos in die bisherige, relativspärlich veröffentlichte Rechtsprechung der Ver-waltungsgerichte zu Hausbesuchen beim Bezugvon Sozihilfe ein.7 Es bleibt allerdings abzuwarten,ob von dem Urteil des Hessischen Landessozi-algerichts tatsächlich die wünschenswerte Si-gnalwirkung ausgeht, wieder ins Bewusstsein zurufen, dass Bürger nicht zum bloßen Objekt staat-

lichen, auf generellem Missbrauchsverdacht beru-henden Handelns gemacht werden dürfen oder obsich die zuständigen Sozialleistungsträger durchdie durch das zum 1.8.2006 in Kraft getreteneSGB II – Fortentwicklungsgesetz8 in § 6 SGB II n.F. vorgeschriebene Einrichtung zur Bekämpfungvon Leistungsmissbrauch in ihrer bisweilen zubeobachtenden Haltung bestärkt sehen werden,dass staatliche Kontrolle grundsätzlich gegenüberder Beachtung von Grundrechten »vorfahrtsbe-rechtigt« ist.

Prof. Dr. Christian MüllerEv. FH für Sozialpädagogik

Blumhardtstr. 230625 Hannover

[email protected]

1 Zur bisherigen Rechtslage siehe das sehr instruktive Urteildes Hessischen LSG (ZfSH/SGB 2006, 417).

2 BT – Drs. 16/1410, S. 36.

3 Ein Wertungswiderspruch zu der durch das SGB II – Fort-entwicklungsgesetz geplanten Veränderung durch Einfügungeines Abs. 4 in § 11 SGB II ergibt sich jedoch m.E. insofern,als bei »professionellen« Pflegepersonen künftig der Erzie-hungsbeitrag des Pflegegeldes für das dritte Pflegekind inHöhe von 75 Prozent und das vierte oder jedes weitere Pfle-gekind in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen ist;denn diese Regelung bedeutet ja letztlich, dass auch Pflege-personen, die nicht Großmütter sind, bei der Aufnahme vonmehr als zwei Pflegekindern nicht erwarten können, dass siedieselbe Unterstützung erhalten, wie Pflegepersonen, dienur ein fremdes Kind betreuen.

4 BT-Drucks. 15/3676 zu Nr. 14 b, § 39, S. 36.

5 BVerfG NVwZ 2003, 1113.

6 BVerfG – Beschluss vom 31.5.2006 (2 BvR 1693/04),FamRZ 2006, Heft 13, II, III.

7 Siehe u.a.: BVerwG, FEVS 34, 309; VGH Hessen, info also1986, 34, m. Anm. Möller; VG Braunschweig, info also 1985,53; VG Frankfurt, info also 1985, 60; Auch das LSG Sachsen-Anhalt (FEVS Bd. 57, 2006, 282 hat inzwischen die Rechteder Betroffenen gestärkt und entschieden, dass die Ableh-nung der Wohnungsbesichtigung durch einen Mitarbeiter

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Gesetze und Gerichte

326 EJ 5/2006

des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende durchdas Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gedecktist und dass eine entsprechende Ablehnung nicht als Zuge-ständnis einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gewertetwerden darf.)

8 Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Ar-beitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 2006/1706). Da

zum 1.7.2006 das SGB II-Optimierungsgesetz in Kraft getre-ten ist, drängt sich im Hinblick darauf, dass einen Monatspäter ein Fortentwicklungsgesetz des (optimierten) Geset-zes in Kraft getreten ist, die Frage auf, was eigentlich durchdas Optimierungsgesetz »optimiert« worden ist, wenn es sokurze Zeit später für fortentwicklungsbedürftig gehaltenwurde.

Gesetze und Gerichte

»Zum Wohl junger Menschen – Rechte gemein-sam sichern« – Unter diesem Titel des Forums»Ambulante, flexible Hilfen« informierten sich dierund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die-sem Jahr über die spürbaren Einflüsse aus demsozialstrukturellen Wandel sowie die verändertenAnforderungen an Hilfeleistungen.

In seiner Begrüßung betonte Heinz Jürgen Göbel,Leiter der EREV-Fachgruppe »Ambulante, flexibleHilfen« und des gleichnamigen Forums: »Das In-strument der Hilfeplanung ist selbstverständlichauch ein Steuerungsinstrument, dessen Qualitätunbedingt gesichert werden muss …«.

Einen Überblick über die grundsätzliche Entwick-lung zur Inanspruchnahme erzieherischer Hilfenvermittelte Dr. Ulrich Bürger vom Kommunalver-band für Jugend und Soziales Baden Württem-berg in seinem Einführungsreferat, das in der Aus-gabe 04/2006 der »Evangelischen Jugendhilfe«veröffentlicht wurde.

Die Tagung beleuchtete des Weiteren das Span-nungsfeld von Kinderschutz, Kinderrechten undstaatlichem Wächteramt im Kontext des Spar-zwangs, worüber Friedhelm Güthoff, Geschäfts-führer im Kinderschutzbund Westfalen referierte,denn »Rechte von Kindern, Jugendlichen und Fa-milien zu sichern, ist nach den bisherigen Ge-wohnheiten ein Spagat geworden« resümierteHeinz Jürgen Göbel.

Die Seite der Praxis ambulanter flexibler Hilfenwurde auch in diesem Jahr wieder in bewährterWeise anhand von vier Projektvorstellungen re-präsentiert, wovon die Teilnehmenden jeweils

zwei kennen lernen konnten. In diesen Projektenwurden in den vergangenen Jahren interessanteHelferstrukturen aufgebaut und bereitgestellt, dieaus den typischen Versorgungsschemata heraus-fallen. Das Haus der Zukunft in Bremen–Lüssum(siehe S. 287) und das Familienhilfecentrum Gel-senkirchen (siehe S. 283) werden in diesem Heftvorgestellt. Zum Bundesmodellprojekt Sozial-räumliche Familien- und Jugendarbeit (SoFJA) fin-den Sie den Abschlussbericht unter www.sofja.de.Informationen zur ehrenamtlichen, kostenlosenund anonymen Rechtsberatung durch Anwälte fürKinder und Jugendliche erteilt die JugendhilfeKarlshöhe in Ludwigsburg.

Annette BremeyerReferentin, EREV

Flüggestr. 21,30161 Hannover

[email protected]

327EJ 5/2006

EREV Aktuell

Rückschau: EREV-Forum »Ambulante, flexible Hilfen«»Zum Wohl junger Menschen – Rechte gemeinsam sichern« vom 19. – 21. September 2006

Annette BBrreemmeeyyeerr, Hannover

Heinz Jürgen Göbel, Viola Gehrhardt, Prof. Dr. Maria Kurz-Adam (von links nach rechts) zum Thema »Wirkungen«

Das traditionsreiche Forum »Verwaltung undPädagogik« findet seit nunmehr sechs Jahren imHaus Hainstein in Eisenach statt. Es ist für Ein-richtungs-, Verwaltungs- und Personalleiter- undleiterinnen konzipiert und wird vom EREV-Fach-ausschuss Personal- und Organisationsentwick-lung geplant. Auf der Grundlage der Ideen vonTeilnehmer/-innen des Vorjahres umfasste dasdiesjährige Programm folgende Themen:

• Werte in den Erziehungshilfen• Leistungszulagen und Mitarbeiterführung• Umsatzsteuer bei gemeinnützigen Einrichtun-

gen

Harald Meiß, Leiter des Geschäftsbereiches Ju-gendhilfe in der Hephata Diakonie, Schwalmstadtund Vorsitzender des EREV-Fachausschusses be-gleitete das Forum.

Dr. Christoph Lütge, Philosoph, Ökonom und Pri-vatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universitätin München, führte mit seinem Vortrag in die The-matik ein und verdeutlichte, dass menschlichesHandeln grundsätzlich nicht – und in modernenGesellschaften schon gar nicht – durch Werteoder Ideale unmittelbar gesteuert wird. ChristophLütge vertritt die These, dass Handeln durch »An-reize« und durch Vorteilsnahmen bestimmt wird.Vermeintlich starke Werte erodierten sehr schnell,wenn deren Befolgung – von der Erfahrung be-gleitet – regelmäßig Nachteile habe. Er verdeut-lichte seine Theorie beispielhaft an den Grund-werten Freiheit, Solidarität und Familie. Die Folien des Referates können Sie unterwww.erev./Manuskripte/2006 einsehen und her-unterladen.

Ein weiterer Beitrag zum Thema »Werte« trug sehrzur Diskussion der Teilnehmerinnen und Teilneh-mer bei: Klaus Graf, Einrichtungsleiter der Ev. Ju-gendhilfe Godesheim, zeigte in seinem Referat»Werte wollen gelebt sein« die wertestrategischeAusrichtung für Einrichtungen der Ev. Erziehungs-hilfe auf. Er warb für eine Wertedebatte in den Er-ziehungshilfeeinrichtungen, um Handlungen her-beizuführen.

Am Abend konnten die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer am obligatorischen Kulturprogramm teil-nehmen. Das Ziel in diesem Jahr war die seit ei-nem Jahr bestehende »automobile welt eisenach«;ein Museum, das eine Autoschau des vorigenJahrhunderts präsentiert. In der knapp zweistün-digen Führung erfuhren die Teilnehmerinnen undTeilnehmer viel Wissenwertes rund um das Eisen-acher Automobil.

Prof. Dr. Fred G. Becker von der Universität Biele-feld, dem Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre,referierte zum Thema »Leistungszulagen und Mit-arbeiterführung« und gab einen allgemeinenÜberblick über Motivation und Anreizfunktionen,Leistungsbeurteilungen und Entgeltzulagen. Indiesem Zusammenhang verwies Fred G. Becker aufeine Studie von Hewitt-Kienbaum, die zeigt, dassImmaterielles offenbar nicht unwichtig ist. Dortwird belegt, dass Immaterielles prinzipiell mit zu-nehmendem Lebensalter an Bedeutung zunimmt.

Am Nachmittag wurde in vier Workshops zu denThemen des Forums gearbeitet. Friedrich Erd-mann, Gerd Dworok, Ralph Hartung und Karl Zü-fle, allesamt im EREV-Fachausschuss Personal-und Organisationsentwicklung, schufen den Rah-men und moderierten die Arbeitsgruppen.

328 EJ 5/2006

EREV Aktuell

Rückschau: Forum Verwaltung und Pädagogik vom 26. – 28.09.2006 in Eisenach

Petra WWiittttsscchhoorreekk, Hannover

329EJ 5/2006

Für die 50 Teilnehmenden lieferte Ulla Engler, Re-ferentin für Organisationsrecht im Deutschen Pa-ritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin am drit-ten und letzten Tag einen Beitrag zum Thema»Sind Leistungen in den Erziehungshilfen umsatz-steuerpflichtig?«, in dem sie über aktuelle Ände-rungen und Risikopotentiale berichtete. Alle Ma-nuskripte der Referenten lassen sich unter der be-reits genannten Internetadresse einsehen.

Die Auswertung des Forums ergab viele gute Ide-en für das kommende Forum »Verwaltung undPädagogik« in 2007. Dieses findet wieder in Eisen-ach vom 18. – 20.09.2007 statt.

Petra WittschorekReferentin, EREV

Flüggestr. 2130161 Hannover

[email protected]

EREV Aktuell: Rückschau: Forum Verwaltung und Pädagogik

330 EJ 5/2006

EREV-Positionspapier1

SGB VIII § 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

1 Das Positionspapier wurde von einer Arbeitsgruppe des Fachausschusses Jugendhilfepolitik erarbeitet und vom

Vorstand am 05. Mai 2006 verabschiedet.

Vorbemerkung

Am 01.10.2005 ist das Gesetz zur

Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe

(KICK) in Kraft getreten. Neu eingeführt wurde

u.a. der § 8a SGB VIII, der den Schutzauftrag des

Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung regelt.

Dort heißt es:

„Werden dem Jugendamt gewichtige

Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls

eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat

es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken

mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind

die Personensorgeberechtigten sowie das Kind

oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit

hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder

des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

Hält das Jugendamt zur Abwendung der

Gefährdung die Gewährung von Hilfen für

geeignet und notwendig, so hat es diese den

Personensorgeberechtigten oder den Erzie-

hungsberechtigten anzubieten.

In Vereinbarungen mit den Trägern von

Einrichtungen und Diensten ist sicherzustellen,

dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag in

entsprechender Weise wahrnehmen und bei der

Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine

insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen.

Insbesondere ist die Verpflichtung aufzu-

nehmen, dass die Fachkräfte bei den

Personensorgeberechtigten oder den Erzie-

hungsberechtigten auf die Inanspruchnahme

von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für

erforderlich halten, und das Jugendamt

informieren, falls die angenommenen Hilfen

nicht ausreichend erscheinen, um die

Gefährdung abzuwenden“.

Forderung nach einheitlichem Vorgehen

Aus Sicht des Evangelischen Erziehungs-

verbandes e.V. (EREV) ist es notwendig, die

Zusammenarbeit im Rahmen des § 8a SGB VIII

zwischen den Jugendämtern und freien Trägern

verbindlich zu regeln. Die Erfüllung des

Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung er-

fordert ein einheitliches Vorgehen. Aktuell

besteht die Gefahr, dass durch unterschiedliche,

voneinander abweichende Vereinbarungen zwi-

schen den Beteiligten dieses nicht gewährleistet

ist. Der EREV fordert daher, den Schutzauftrag

in den Qualitätsdialog nach § 78a SGB VIII zu

integrieren. Die freien Träger sollten mit ihrem

Hauptbeleger oder mit dem örtlichen Jugend-

amt, bei dem sie ihren Sitz haben, nur eine

Vereinbarung abschließen, welche ebenfalls für

die weiteren belegenden Jugendämter gültig ist.

Dieses Vorgehen ermöglicht die Sicherstellung

verbindlicher fachlicher Standards zum Wohl

der jungen Menschen, um das Ziel des Gesetzes,

den Schutzauftrag eindeutig zu gewährleisten,

zu erreichen.

331EJ 5/2006

EREV-Positionspapier 1

zum § 72a SGB VIII (Persönliche Eignung)

1Das Positionspapier wurde von einer Arbeitsgruppe des Fachausschusses Jugendhilfepolitik erarbeitet und vom Vorstand am

05. Mai 2006 verabschiedet.

Der Gesetzgeber hat mit der Einfügung des

§ 72a (Persönliche Eignung) ins SGB VIII seinen

Willen bekundet, dass in der Kinder- und Ju-

gendhilfe keine Personen beschäftigt werden,

von denen eine Gefahr für das körperliche,

seelische und psychische Wohlergehen der in

Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe

betreuten Kinder und Jugendlichen ausgehen

kann, nachdem sie wegen eines Vergehens

gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die Ver-

letzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten

oder wegen Misshandlung Schutzbefohlener

rechtskräftig verurteilt wurden. Um solche

Personen von der Kinder- und Jugendhilfe fern-

zuhalten, sollen sie ihrem Arbeitgeber vor ihrer

Einstellung und in regelmäßigen Zeitabständen

ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Die

Jugendämter werden verpflichtet, durch

Vereinbarungen mit den Trägern von Einrich-

tungen und Diensten sicherzustellen, dass diese

keine entsprechenden Personen beschäftigen.

Der Evangelische Erziehungsverband (EREV)

unterstützt das mit dieser Neuregelung

beabsichtigte Anliegen des Gesetzgebers unein-

geschränkt. Schon bisher wurde im Mit-

gliederbereich des EREV alles unternommen, um

eine Beschäftigung von Personen zu verhindern,

von denen eine Gefahr für das Wohlergehen der

Kinder und Jugendlichen ausgehen könnte.

Der EREV hat jedoch erhebliche Zweifel daran,

dass die vom Gesetzgeber gemachten Vorgaben

tatsächlich einen wirksamen Schutz von Kindern

und Jugendlichen sicherstellen können. Schon

im Gesetzgebungsverfahren wurden diese

Bedenken deutlich geäußert, fanden aber kein

Gehör. Der Versuch der Umsetzung zeigt, dass

die gesetzlichen Vorgaben eine Reihe schwer-

wiegender Probleme aufwerfen und einen unan-

gemessenen bürokratischen und finanziellen

Aufwand erforderlich machen:

�� So ist ungeklärt, in welchen Abständen

die geforderten Führungszeugnisse vor-

gelegt werden sollen und welche unter-

schiedlichen Auskünfte öffentliche und

freie Träger der Jugendhilfe aus dem

Bundeszentralregister erhalten.

�� Keine Lösungen enthält § 72a zudem für

die Fälle, in denen zwar eine Anklage

erhoben, aber keine rechtskräftige

Verurteilung ausgesprochen worden ist.

Die „Mitteilung in Strafsachen“ durch

Staatsanwaltschaft und Gericht erfolgt

nur selten und wird dem Arbeitgeber

auch nur für Beschäftigte im öffentlichen

Dienst zugeleitet.

Der EREV schlägt deshalb vor, über den

Gesetzestext hinaus im Rahmen der Betriebs-

erlaubniserteilung den Einrichtungen und

Diensten die Auflage zu erteilen, sich vor der

Einstellung oder Beschäftigung neuer Mitar-

beitender von diesen ein polizeiliches Füh-

rungszeugnis vorlegen zu lassen und darüber

hinaus arbeitsvertraglich zu regeln, dass

Mitarbeitende, gegen die ein Ermittlungs-

verfahren wegen einer der genannten Straftaten

eingeleitet wurde, dies unverzüglich ihrem

Arbeitgeber zur Kenntnis bringen müssen.

Montag, 12.03.2007

14.00 Uhr: Anreise / Kaffee und Kuchen14.30 Uhr: 1. Tagungsverlauf und Programm-

aufbau2. Entwicklung der Jugendhilfe in den NLDrs. Jan Hesselink, Detlev Krause

16.00 Uhr: Pause16.30 Uhr: Die Deltaplan-Methode – alte An-

sätze in neuen Kleidern? Dr. Dan WWiieennkkee,, FortbildungsinstitutErmare NL

18.00 Uhr: Abendessen im Eylarduswerk18.30 Uhr: »Check in« Hotel Niedersächsischer

Hof, Bad Bentheim – Gildehaus; Lösungs- und Ressourcenorientierteambulante Arbeit mit schwierigen Jugendlichen – ein erfolgreiches Modellprojekt, Frank OOllddee--RRiieekkeerriinnkk; »Logos« En-schede/NL

Dienstag, 13.03.06

07.45 Uhr: Abfahrt ab Hotel NiedersächsischerHof nach Zwolle/NL

10.00 Uhr: »Trias Jeugdhulp«, ZwolleErik LLiieebbeenn

Alternativ: »Zandbergen« in Amersfoort Instellung voor jeugdhulp verlening

12.00 Uhr: Mittagessen13.00 Uhr: Abfahrt nach Leiden14.00 Uhr: »Kardea« in Leiden17.00 Uhr: Abfahrt nach Nordwijk aan Zee18.00 Uhr: »Check in« Hotel an Zee,

Nordwijk

Mittwoch, 14.03.06

08.30 Uhr: Abfahrt ab Nordwijk nach Amster-dam Hotel

10.00 Uhr: Bureau Jeugdzorg, AmsterdamZugang, Diagnostik, Hilfeplan und -leistung (Casemanagement)Frits LLoouuwweerrsshheeiimmeerr

12.00 Uhr: Mittagessen13.00 Uhr: »Spirit« Amsterdam

Ohne Heimerziehung geht es auch?Cora HHeennddrriikkss, Theo SScchhuutt

15.30 Uhr: Fahrt Amsterdam Hotel (Straßenbahn)

16.00 Uhr: Check In Amsterdam, Hotel »Tulip Inn Amsterdam Centre«

17.00 Uhr: Stadtrundgang oder Grachtenfahrteventuell:19.00 Uhr: Sozialarbeit mit jungen Prostituier-

ten und Bekämpfung der »Lover-boys« Scharlakenkoord

Abendessen in der Altstadt Amsterdam »De Jor-daan«

19.30 Uhr: Rundgang durch das andere Amster-dam – Was der Tourist nicht sieht

Donnerstag, 15.03.06

08.30 Uhr: Abfahrt nach Enschede10.00 Uhr: Bureau Jeugdzorg Enschede Hilfelei-

stung in der Region Twente 12.00 Uhr: Rückfahrt nach Bad Bentheim12.30 Uhr: Mittagessen im Eylarduswerk13.00 Uhr: Bus-Transfer zum Bahnhof Bad-

Bentheim13.30 Uhr: Schluss der Veranstaltung

332 EJ 5/2006

EREV-Fortbildung »Jugendhilfe so leicht, so nah, so schnell und so billig wie möglich …«

12. - 15.03.2007 in Bad Bentheim mit Exkursion in die Niederlande, nach Zwolle/Amersfort/Amsterdam

EExxkkuurrssiioonnsslleeiittuunngg: Detlev KKrraauussee, Eylarduswerk Bad Bentheim; Mr. Drs. Jan HHeesssseelliinnkk, Fortbildungsinstitut Ermare Niederlande

333EJ 5/2006

DDiiee EEvvaannggeelliisscchhee JJuuggeennddhhiillffee IIsseerrlloohhnn wwuurrddee 11777766aallss WWaaiisseennhhaauuss ddeerr SSttaaddtt ggeeggrrüünnddeett.. DDaammiitt iisstt ssiieeddiiee äälltteessttee JJuuggeennddhhiillffeeeeiinnrriicchhttuunngg ddeerr DDiiaakkoonniiee iinnWWeessttffaalleenn uunndd ffeeiieerrttee iinn ddiieesseemm JJaahhrr iihhrr 223300--jjäähh--rriiggeess BBeesstteehheenn.. AAnnaalloogg zzuu iihhrreemm hhiissttoorriisscchheennWWeerrddeeggaanngg uunndd ffaacchhlliicchheenn ssoowwiiee ssoozziiaallppoolliittii--sscchheenn AAnnffoorrddeerruunnggeenn eennttwwiicckkeellttee ssiicchh ddiiee iinnhhaalltt--lliicchhee AArrbbeeiitt ddeerr EEvv.. JJuuggeennddhhiillffee IIsseerrlloohhnn sstteettiigg wweeii--tteerr,, ssoo ddaassss hheeuuttee eeiinnee FFüüllllee vvoonn ddiiffffeerreennzziieerrtteennMMaaßßnnaahhmmeenn aannggeebbootteenn wwiirrdd..

Aus der Jubiläumsfestschrift:

»Wenn auch die Gründung des Iserlohner Waisen-hauses 1776 den Beginn der diakonischen Arbeitin Westfalen und einen wesentlichen BestandteilIserlohner Sozialpolitik in der zweiten Hälfte des18. Jahrhunderts dokumentiert, waren es dochzunächst weniger soziale Gründe, die eine solcheEinrichtung sinnvoll erschienen ließen.«

Johann Caspar Lecke, Bürgermeister von Iserlohn,1750:»eeiinn WWaayysseenn HHaauußß uunndd mmiitt ddeemmsseellbbeenn vveerrkknnüüppfftteessWWoollllnn--FFaabbrriiqquuee--SSeemmiinnaarriiuumm,, jjaa mmiitt ddeerr ZZeeiitt eeiinneeddeemm ggaannzzeenn hhööcchhsstt pprrooffiittaabbllee FFaabbrriiqquuee vvoonn aalllleerr--hhaanndd WWoolllleenn-- uunndd BBaauummwwoolllleennwwaarreenn aannzzuurriicchh--tteenn..«

Der Berliner Etatminister von Münchhausen nachdem Siebenjährigen Krieg am 19. März 1768: »ggrrooßßee ZZaahhll …… nniicchhtt aauuss MMaannggeell nnaattüürrlliicchheerr KKrrääff--ttee zzuurr AArrbbeeiitt,, ssoonnddeerrnn wweeiill eess iihhnneenn aann GGeelleeggeennhheeiittzzuurr AArrbbeeiitt ffeehhlltt,, iihhrr BBrrooddtt nniicchhtt vveerrddiieenneenn kköönnnneenn«

Der Iserlohner Pfarrer Theophilus Jacobus Grie-senbeck, 1778: »MMaann kkaannnn ssiicchh ddeenn kklläägglliicchheenn ZZuussttaanndd ddeerr hhiieessii--ggeenn ddüürrffttiiggeenn KKiinnddeerr vvoorr 11776644 nniicchhtt sscchhlleecchhtt ggee--nnuugg vvoorrsstteelllleenn.. DDiieessee aarrmmeenn KKiinnddeerr lliieeffeenn ttrruupppp--

wweeiissee aauuff ddeenn GGaasssseenn hheerruumm,, bbeetttteelltteenn,, wwuucchhsseenniinn FFaauullhheeiitt,, UUnnwwiisssseennhheeiitt uunndd BBoosshheeiitt aauuff,, jjaa eeiinnii--ggee,, wweeiill ssiiee ffaasstt nnaacckkeenndd wwaarreenn,, kkoonnnntteenn nniicchhtt eeiinn--mmaall ddiiee SSttrraaßßee zzuumm BBeetttteellnn bbeettrreetteenn,, llaaggeenn sstteettss iinnddeenn HHääuusseerrnn.. AAlllleenn ddiieesseenn KKiinnddeerrnn wwaarreenn SScchhuulleenn,,KKiinnddeerrlleehhrreenn,, KKiirrcchheenn,, AArrbbeeiitteenn uunndd TTuuggeenndd llaauutteerruunnbbeekkaannnnttee SSaacchheenn.. …… HHiieerraauuss kkoonnnnttee nniicchhttss aann--ddeerreess aallss ddaass ggrröößßttee UUnnwweesseenn ssoowwoohhll iinn kkiirrcchhllii--cchheemm aallss bbüürrggeerrlliicchheemm SSttaannddee wweerrddeenn«.

Pfarrer Griesenbeck in seiner »Nachricht vomWaisenhaus«: »ÄÄrrggeerrlliicchh iisstt eess,, ddaassss mmaann ssiicchh ddeennnnoocchh bbeeii eeiinnii--ggeenn BBüürrggeerrnn MMüühhee ggeebbeenn mmuußß,, iihhnneenn ddeenn NNuuttzzeennddiieesseerr AAnnssttaalltteenn bbeeggrreeiifflliicchh zzuu mmaacchheenn«.

Aus den Mitgliedseinrichtungen

Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbHEine 230-jährige Reise durch die Zeit mit Zitaten und Konzepten

Superintendent Hülsmann in einem Bericht ausdem Jahre 1857 an das Konsistorium Münster: »»DDiiee AAnnssttaalltt wwaarr uurrsspprrüünngglliicchh nnuurr aauuff aacchhtt WWaaiisseennbbeerreecchhnneett,, hhaatt aabbeerr iinn ddeemm ZZeeiittrraauumm vvoonn 11882266 bbiiss11885555 nnaacchh AAnnwweeiissuunngg ddeess ssttääddttiisscchheenn AArrmmeennddii--rreekkttoorriiuummss aauuff KKoosstteenn ddeerr AArrmmeennkkaassssee 2200 bbiiss 3300KKiinnddeerr aauuffggeennoommmmeenn.. JJeettzztt iisstt ffüürr 5544 KKiinnddeerr ddaarr--iinn RRaauumm ggeesscchhaaffffeenn,, iinnddeemm eebbeennssoovviieell BBeetttteenn iinnddeemmsseellbbeenn aauuffggeesstteelllltt ssiinndd.. DDaadduurrcchh iisstt ddeerr eenntt--sseettzzlliicchhee ffrrüühheerree ÜÜbbeellssttaanndd bbeesseeiittiiggtt,, ddaaßß iimmmmeerr 22bbiiss 33 KKiinnddeerr,, bbeeiiddeerrlleeii GGeesscchhlleecchhttss,, iinn eeiinneemm BBeetttteesscchhllaaffeenn mmuusssstteenn.. BBiiss OOsstteerrnn ddiieesseess JJaahhrreess ssiinnddaauucchh 5544 KKiinnddeerr ddaarriinn vveerrppfflleeggtt wwoorrddeenn;; aauuggeenn--bblliicckklliicchh ssiinndd 4499 KKiinnddeerr aauuffggeennoommmmeenn.. DDiieesseellbbeennssiinndd vvaatteerr-- uunndd mmuutttteerrllooss.. WWeennnn aabbeerr nniicchhtt aalllleeSStteelllleenn aauuss ddeerr lluutthheerriisscchheenn GGeemmeeiinnddee bbeesseettzzttwweerrddeenn kköönnnneenn,, ddaannnn wweerrddeenn aauucchh vvaatteerr-- ooddeerrmmuutttteerrlloossee uunndd ssoonnsstt vveerrllaasssseennee KKiinnddeerr aauuffggee--nnoommmmeenn wweerrddeenn.«

Die Landwirtschaft erweist sich um 1890 zuneh-mend als Last und wird schließlich 1900 aufgege-ben und Hausvater Paul Kriegeskotten schreibt inder Festschrift: »bbeeii ddiieesseemm ÜÜbbeerrmmaaßß aann AArrbbeeiitt ddiieeKKiinnddeerr nniicchhtt zzuu iihhrreemm RReecchhtt kkaammeenn««..

Paul Kriegeskotten zum Einzug der ersten Fürsor-gekinder 1920: »EEnnttggeeggeennkkoommmmeennddeerrwweeiissee vveerraannllaaßßttee ddeerr LLaann--ddeesshhaauuppttmmaannnn,, ddaaßß nniicchhtt sscchhlleecchhtt vveerraannllaaggtteeKKiinnddeerr nnaacchh IIsseerrlloohhnn kkaammeenn,, uumm ddeemm HHaauussee nniicchhttddeenn CChhaarraakktteerr ddeess WWaaiisseennhhaauusseess zzuu nneehhmmeenn.. EEsswwaarreenn KKiinnddeerr aauuss ggeeffäähhrrddeetteenn VVeerrhhäällttnniisssseenn,, ddiieehhiieerr zzuumm eerrsstteennmmaallee ssoonnnniiggeess KKiinnddsseeiinn eerrlleebbeennssoolllltteenn.«

Der Waisenhaus-Vorstand schreibt im Weih-nachtsbrief 1938. »DDiiee PPfflleeggeeggeellddeerr uunndd ddiiee EEiinnnnaahhmmeenn aauuss ddeemmSSttiiffttuunnggssvveerrmmööggeenn rreeiicchhtteenn lleeiiddeerr wwiieeddeerr nniicchhttaauuss,, uumm ddiiee KKiinnddeerr oorrddeennttlliicchh zzuu vveerrppfflleeggeenn uunndd zzuukklleeiiddeenn..«

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Währungs-reform 1948, die »eine völlig neue, mittelarmeLage« (Fritz Kühn in der Festschrift zum 175-Jäh-

rigen Bestehen 1951) schuf, entschließt sich dasPresbyterium trotz der angespannten finanziellenLage, eine grundlegende Renovierung des Wai-senhauses vorzunehmen. Fritz Kühn:»NNaacchh iinnnneenn uunndd aauußßeenn hhaatt ddaass HHaauuss eeiinn ffrriisscchheess,,sscchhöönneess GGeessiicchhtt bbeekkoommmmeenn,, eeiinneenn ffrreeuunnddlliicchheennAAnnssttrriicchh,, nneeuuee FFuußßbbööddeenn,, ssaauubbeerree WWaasscchhrrääuummee,,eeiinnee nneeuuzzeeiittlliicchhee KKüücchheenneeiinnrriicchhttuunngg,, SScchhrräännkkee,,BBeetttteenn,, TTiisscchhee uunndd SSttüühhllee.. UUnndd wwiiee oorrddeennttlliicchhnniimmmmtt ssiicchh ddrraauußßeenn ddeerr ggrrooßßee PPllaattzz aauuss!! 7700 KKiinnddeerrkköönnnneenn jjeettzztt iimm WWaaiisseennhhaauuss AAuuffnnaahhmmee ffiinnddeenn,, ffrreeiivvoonn jjeeddeerr BBeeeenngguunngg.«

Am 14. Oktober 1951 weiht die Gemeinde dasHaus ein und feiert gleichzeitig das 175-JährigeBestehen.

Sollte in den 20er Jahren des 19. Jahrhundertstrotz der kurzfristigen Aufnahme von Fürsorge-kindern der Charakter des Waisenhauses erhaltenwerden, erscheint spätestens in den 50er Jahrenzum Erhalt der Stiftung eine Neuorientierung zurFürsorgeeinrichtung notwendig. Dementspre-chend benennt sich das Haus um in »Evangeli-sches Kinderheim und Waisenhaus«.

Aus der Westfalenpost, 1967: »DDuurrcchh GGrruuppppeenneerrzziieehhuunngg vveerrssuucchhtt HHeeiimmlleeiitteerrGGeerrnnoott ZZaannddeerr,, sseeiinneerr AAuussbbiilldduunngg nnaacchh FFüürrssoorrggeerr,,zzuussaammmmeenn mmiitt sseeiinneenn MMiittaarrbbeeiitteerrnn –– eeiinn wweeiitteerreerrFFüürrssoorrggeerr,, ddrreeii KKiinnddeerrggäärrttnneerriinnnneenn,, zzwweeii KKiinnddeerr--ppfflleeggeerriinnnneenn,, eeiinn EErrzziieehheerr uunndd eeiinnee EErrzziieehheerriinn –– ddiieeiihhmm aannvveerrttrraauutteenn MMääddcchheenn uunndd JJuunnggeenn zzuu SSeellbb--ssttäännddiiggkkeeiitt,, SSeellbbssttbbeehhaauuppttuunngg uunndd VVeerraannttwwoorr--ttuunnggssbbeewwuußßttsseeiinn zzuu eerrzziieehheenn.. DDaass HHaauuss ssoollll nnaacchhsseeiinneerr VVoorrsstteelllluunngg wweeiittggeehheenndd IInntteerrnnaattsscchhaarraakktteerraannnneehhmmeenn..«und:»EEttwwaa aacchhtt bbiiss zzeehhnn PPrroozzeenntt ssiinndd wwiirrkklliicchhee VVoollll--wwaaiisseenn,, nnuurr 22 PPrroozzeenntt iinnssggeessaammtt SSeellbbssttzzaahhlleerr.. AAlllleeaannddeerreenn ggeehhöörreenn –– wwiiee eess aammttlliicchh hheeiißßtt –– zzuu ddeennJJuuggeennddaammttssffäälllleenn ooddeerr ffaalllleenn iinn ddiiee RRuubbrriikkeenn›ffrreeiiwwiilllliiggee EErrzziieehhuunnggsshhiillffeenn‹‹ uunndd –– eeiinniiggee wweenniiggee–– ›FFüürrssoorrggeeeerrzziieehhuunngg‹‹.. 4488 PPrroozzeenntt ggeehheenn iinn SSoonn--ddeerrsscchhuulleenn;; vvoorr zzwweeii JJaahhrreenn wwaarreenn eess nnoocchh 7755 PPrroo--zzeenntt.. DDiiee wweenniiggsstteenn KKiinnddeerr kkoommmmeenn oohhnnee SScchhääddii--

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Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

gguunngg iinnss HHeeiimm.. EEss ssiinndd mmiißßhhaannddeellttee KKiinnddeerr,, ddeebbii--llee,, iimmbbeezziillee uunndd nneeuurroottiisscchh ggeessttöörrttee MMääddcchheenn uunnddJJuunnggeenn.«

Aus den 70er Jahren: »IInn ddeerr nnoorrmmaalleenn ssoozziiaallppääddaaggooggiisscchheenn AArrbbeeiitt ssooll--lleenn uunnsseerree KKiinnddeerr mmöögglliicchhsstt ffaammiilliieennnnaahh uunndd iinn--nneerrhhaallbb ddeess ggeesseellllsscchhaaffttlliicchheenn LLeebbeennss ddeerr SSttaaddttddiiee nnoottwweennddiiggee ppääddaaggooggiisscchhee FFöörrddeerruunngg eerrhhaalltteenn..DDaazzuu ggeehhöörreenn nneebbeenn ddeemm BBeessuucchh ddeerr eennttsspprreecchheenn--ddeenn SScchhuulleenn eeiinnee ggeezziieellttee SScchhuullaarrbbeeiitteennhhiillffee,, HHiill--ffee bbeeii BBeerruuffssfföörrddeerruunnggssmmaaßßnnaahhmmeenn uunndd iimm BBeerruuff,,ddiiee EErrmmöögglliicchhuunngg ddeerr TTeeiillnnaahhmmee aann ddeenn mmuussiisscchh--kkuullttuurreelllleenn uunndd ssppoorrttlliicchheenn AAnnggeebbootteenn ddeerr SSttaaddtt,,aann ddeenn vveerrsscchhiieeddeennsstteenn HHoobbbbyyggrruuppppeenn iimm HHaauussuunndd aann EErrhhoolluunnggssmmaaßßnnaahhmmeenn.. BBeeii kköörrppeerrlliicchheennMMäännggeellnn …… wwiirrdd iinn ZZuussaammmmeennaarrbbeeiitt mmiitt ddeemmFFaacchhaarrzztt ddiiee nnoottwweennddiiggee TThheerraappiiee dduurrcchhggeeffüühhrrtt..BBeeii ppssyycchhiisscchheenn AAuuffffäälllliiggkkeeiitteenn uunndd ssoollcchheenn iimmVVeerrhhaalltteennssbbeerreeiicchh wwiiee SScchhuullvveerrssaaggeenn,, KKoonnzzeenn--ttrraattiioonnssmmäännggeell,, LLeeggaasstthheenniiee uunndd SSpprraacchhssttöörruunnggeennwweerrddeenn mmiitt ddeemm PPssyycchhoollooggeenn ooddeerr FFaacchhkkrrääfftteennaannddeerreerr IInnssttiittuuttiioonneenn ggeezziieellttee MMaaßßnnaahhmmeenn ddeerrEEiinnzzeell-- ooddeerr GGrruuppppeenntthheerraappiiee dduurrcchhggeeffüühhrrtt,, ddiieedduurrcchh tthheerraappeeuuttiisscchhee MMaaßßnnaahhmmeenn iimm mmaannuueelllleenn,,mmuussiisscchheenn uunndd rrhhyytthhmmiisscchheenn BBeerreeiicchh eerrggäännzzttwweerrddeenn..«

Geschäftsführer Reinhard Meng, 2006: »»PPääddaaggooggIInnnneenn sseehheenn ssiicchh nniicchhtt mmeehhrr aallss ddiiee bbeess--sseerreenn EElltteerrnn.. DDiiee EEiinnbbiinndduunngg ddeerr EElltteerrnn iisstt hheeuutteeSSttaannddaarrdd iinn ddeerr JJuuggeennddhhiillffee.. KKiinnddeerr hhaabbeenn AAnnrreecchhttaauuff iihhrree ffaammiilliiäärreenn WWuurrzzeellnn..««

Und heute?

Heute bietet die Evangelische Jugendhilfe Iser-lohn gGmbH ein differenziertes Angebot an Hilfenzur Erziehung, wobei die intensive Beteiligung derEltern einer der zentralen Werte ist, auf denen dieArbeit mit den Kindern und Jugendlichen beruht. Dies wird besonders in der Arbeit der drei Tages-gruppen, auch Familien-Beziehungswerkstatt ge-nannt, deutlich, die gemäß der Maxime »Wenn ei-ner sich verändert, verändern sich alle« beispiels-weise Kinder mit ADHS-Syndrom betreut:

Aus der Diakonie-Zeitung 2006:

Ohne die morgendliche Dosis Ritalin geht nichtsbei Mark (12) und Brian (14). Schon gar nicht dieTeilnahme am Schulunterricht, ohne dass sie ihreKlassen aufmischen. Mark und Brian sind beidehyperaktiv, zeitweilig sehr aggressiv und damitfast schon klassische Fälle für das Tagesgruppen-Angebot der Evangelischen Jugendhilfe.

18 Tagesgruppen-Plätze für Kinder und Jugend-liche mit extrem auffälligem Verhalten hält dieEvangelische Jugendhilfe in Iserlohn vor. 18 Fäl-le, bei denen die Mitarbeiter tagtäglich versu-chen müssen, schwierige Gemengelagen aus fa-miliären Problemen und hieraus resultierendenKonflikten in anderen Lebensbereichen auszu-gleichen, um den Entwicklungsprozess der Her-anwachsenden zu stabilisieren. Das istSchwerstarbeit am Sozialverhalten und an derKonfliktbewältigungsfähigkeit zur Meisterungdes Alltags samt der Bewältigung der schuli-schen Anforderungen. Das Angebot der drei Ta-gesgruppen darf indes nicht als Einzeltherapiefür wie auch immer geartete schwierige Fälleverstanden werden. »Wir nehmen immer dieganze Familie auf«, betont Mitarbeiterin BettinaBrunswicker den ganzheitlichen Ansatz, dasszwar die Arbeit am Kind und dessen Verhaltens-weisen im Mittelpunkt steht, Eltern und Ge-schwister aber bei dem Prozess eine maßgebli-che Rolle spielen und hierfür in den Tagesgrup-pen-Alltag eingebunden werden. »Das ist hierkeine Reparaturstelle, wo Eltern ihre Kinder ab-geben können. Wir sehen uns als Beziehungs-werkstatt für Familien«, sagt Bettina Brunswik-ker, die mittlerweile seit zehn Jahren in den Ta-gesgruppen der Jugendhilfe beschäftigt ist.

Neben der Tagesgruppenarbeit zielen weitere An-gebote auf die Stärkung der Persönlichkeit derjungen Menschen ab. Dazu gehören beispielswei-se erlebnispädagogische Angebote, die den Ju-gendlichen Grenzerfahrungen ermöglichen undihnen in völlig ungewohnten Umgebungen denSpiegel vorhalten.

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Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

Foto: IKZ/May; Stärken entwickeln beim Gemeinschaftser-lebnis mit Angstfaktor

Den Ruf der Erlebnispädagogik ruinierten reißeri-sche Berichte über kostspielige Auslandsaufent-halte schwer erziehbarer Jugendlicher. In der Öf-fentlichkeit entstand der Eindruck, dass sich So-zialarbeiter unter dem Vorwand eines Erziehungs-auftrages schöne Tage in exotischen Gefilden be-reiteten. »Das entspricht auch nicht annäherndder Realität in unserem Haus«, sagt hingegen Vio-la Endruschat, Sozial- und Erlebnispädagogin beider Evangelischen Jugendhilfe. Das siebenköpfigeTeam, das in der Einrichtung am Pastorenweg er-lebnispädagogisch arbeitet, bietet gänzlich ande-re Angebote an – fast direkt vor der Haustür näm-lich, immer wiederholbar und mit Inhalten, die ih-ren Ursprung in der Pfadfinderbewegung und derReformpädagogik haben.

Die ersten Schritte zum Aufbau der Erlebnispäda-gogik unternahm die Evangelische Jugendhilfe vorzehn Jahren. »Die Idee stammt aus dem Schul-sport, nachdem Untersuchungen belegt hatten,dass immer weniger Kinder Interesse am her-kömmlichen Sportunterricht haben. Es fehlten ih-nen dabei einfach die Anreize«, berichtet ViolaEndruschat. In der Folge wurden Konzepte für»Abenteuersport« entwickelt, für Angebote, diemit einfachen Mitteln in den Schulsport zu inte-grieren waren.

Auf die »einfachen Mittel« setzten und setzendann auch die Erlebnispädagogen der Jugendhil-

fe. »Begonnen haben wir mit Klettersport im Hön-netal«, erinnert sich die Erlebnispädagogin. Wäh-rend indes beim schulischen Abenteuersport dieBewegungsförderung der Kinder und Jugendli-chen dominiert, wird die Erlebnispädagogik derJugendhilfe mit anderen Schwerpunkten verse-hen. Viola Endruschat: »Im Vordergrund steht na-türlich auch die körperliche Aktivität, entschei-dend ist aber immer das soziale Lernen in derGruppe und die Persönlichkeitsentwicklung«.

Für aggressive oder straffällig gewordene Jugend-liche steht das Coolness-Training bzw. das Pro-gramm Stop and Go!, das eine Alternative bzw.eine Vermeidung von U-Haft anbietet, zur Verfü-gung. Letzteres ist das einzige Angebot dieser Artin Nordrhein-Westfalen ist.

Das Coolness-Training umfasst Instrumente derkonfrontativen Pädagogik und übt den Verzichtauf Gewalt indem die Täter einmal selbst in derOpferrolle.

Ein Element dieses Trainings ist der »HeißeStuhl«: »Der heiße Stuhl« steht am Pastorenweg. Wer dar-auf Platz nimmt, stellt sich einer emotional hochbelastenden Konfrontation mit dem eigenen Ich.Der »heiße Stuhl« ist die Feuerprobe, die jeder Teil-nehmer am »Coolness-Training« bei der Evangeli-schen Jugendhilfe bestehen muss.

Was tun, wenn die eigene Strategie zur Lösungvon Konflikten darin besteht, den Menschen ge-genüber mit körperlicher Gewalt zu bedrohenoder zu attackieren? Die Evangelische Jugendhil-fe hat eine Antwort gefunden für das in immerstärkerem Maße auftretende Phänomen aggressi-ver und gewaltbereiter Jugendlicher und Kinder:das »Coolness-Training« für Zwölf- bis 16-Jährige,angelehnt an das Anti-Aggressivitäts-Training(AAT) von Dr. Jens Weidner.

Wer sich auf das Coolness-Training unter Leitungvon Bettina Brunswicker und Gundolf Hamachereinlässt, muss sich dann allerdings den Gruppen-

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Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

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Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

gesetzen ohne Wenn und Aber beugen und einenVertrag unterzeichnen. Pünktlichkeit gehört zuden festen Regeln wie jeglicher Verzicht auf Ge-walt oder Geschrei und das Ausredenlassen desGegenübers. »Aber auch so banale Dinge wie dasAbsetzen von Mützen und das Ausziehen von Jak-ken bei den Gruppentreffen«, nennt BettinaBrunswicker weitere Bedingungen. Wer sich nichtan die Gesetze hält, fliegt raus, etwa dann, wennjemand zum dritten Mal unentschuldigt fehlt.Zweieinhalb Jahre lang dauerte die Zusatzausbil-dung, die Brunswicker und Hamacher bei JensWeidner in Frankfurt absolvieren mussten, um alsAnti-Aggressivitäts-Trainer arbeiten zu dürfen.»Aggressionen an sich sind nichts Schlimmes, dieFrage ist nur, wie sie sich zeigen«, beschreibt Ha-macher einen Kernsatz der Lehre, der dann auchmaßgeblich das Coolness-Programm am Pasto-renweg prägt.

Die Angebotsstruktur nach den gesetzlichen Grundlagen des SGB VIII, des SGB XII und des JGG

Regelangebot

KKAAWWGG HHeemmeerrKleinstwohngruppe HemerDie Kleinst-AWG ist eine besondere Art der Erzie-hungshilfe, in dem sie in Form einer sozialpädago-gischen Lebensgemeinschaft familienorientierteJugendhilfe als Ergänzungsangebot bzw. als Al-ternative zur Familienerziehung anbietet.

Eine Erzieherin, die mit ihrer Familie im gleichenHaus lebt, sowie zusätzliche pädagogische Fach-kräfte ermöglichen ein hohes Maß an Bezie-hungskontinuität und gestalten die Überschau-barkeit des Bezugsrahmens.5 Plätze

IIAAWWGG HHeemmeerrIntegrative Außenwohngruppe HemerDie IAWG betreut im Sinne eines integrativen An-satzes Kinder und Jugendliche, die im Leistungs-spektrum der Normalbegabung/Lernbehinde-rung/geistige Behinderung liegen und oftmals als

sogen. »überlappende« Grenzfälle bezeichnet wer-den.9 Plätze

AAWWGG SSüümmmmeerrnnAußenwohngruppe Iserlohn-SümmernAufnahme von Jugendlichen ab 13 Jahren in derGruppe. Das Haus verfügt über einen eigenen Dif-ferenzierungsbereich, der zur weiteren Verselb-ständigung der Jugendlichen zur Verfügung steht.8 Plätze

HHIIAAWWGG IIsseerrlloohhnnHeilpädagogisch-Integrative AußenwohngruppeIserlohn/BremsheideDas heilpädagogisch-integrative Angebot der Au-ßenwohngruppe richtet sich an Mädchen undJungen, bei denen einerseits das Zusammenlebenin der Familie stark gefährdet oder zeitweise nichtbzw. nicht mehr möglich ist und/oder Mädchenoder Jungen, die aufgrund einer Behinderung oderEinschränkung der heilpädagogischen Unterstüt-zung bedürfen.7 Plätze

KKAAWWGG DDoorrttmmuunndd--LLiicchhtteennddoorrffKleinst-Außenwohngruppe Die Kleinst-AWG ist eine besondere Art der Erzie-hungshilfe, indem sie in Form einer sozialpädago-gischen Lebensgemeinschaft familienorientierteJugendhilfe als Ergänzungsangebot bzw. als Al-ternative zur Familienerziehung anbietet.

Eine Erzieherin, die mit ihrer Familie im gleichenHaus lebt, sowie zusätzliche pädagogische Fach-kräfte ermöglichen ein hohes Maß an Bezie-hungskontinuität und gestalten die Überschau-barkeit des Bezugsrahmens.4 Plätze

Intensivangebot

IIWWGGMM IIsseerrlloohhnnIntensivwohngruppe für MädchenAufnahme finden Mädchen ab Schulalter, die z. B.Gewalt und/oder sexuellen Missbrauch erfahren

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Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

haben und besonderer pädagogischer/therapeuti-scher Hilfe bedürfen. 6 Plätze, ein Platz zur Differenzierung bzw. Verselbstän-digung im Appartement (Regelpflegesatz)

JJuunnggeennwwoohhnnggrruuppppee HHeemmeerrIntensivwohngruppe für JungenAufnahme finden Jugendliche mit einem intensi-ven Förderbedarf, die besonderer pädagogischer/therapeutischer Hilfe bedürfen.8 Plätze, 7 Plätze intensiv, ein Platz zur Differenzierung bzw. Verselbstän-digung im Appartement (Regelpflegesatz)Rechtsgrundlagen dieser Angebote sind § 34,35a und § 41 SGB VIII

Verselbständigungsangebot

JJWWGG IIsseerrlloohhnnJugendwohngemeinschaft In einem Haus verfügen wir über zwei Wohnun-gen und einem Appartement. Aufgenommenwerden hier Jugendliche ab 16 Jahren.6 PlätzeRechtsgrundlage § 34 und § 41 SGB VIII

WWoohhnnggrruuppppee SSpprruunnggbbrreettttIserlohn Grüner TalstraßeDie Wohngruppe befindet sich in einem etwas au-ßerhalb des Zentrums gelegenen Stadtteil Iser-lohns.

Hier bieten wir für ältere Jugendliche bzw. jungeErwachsene Hilfen bei der Überwindung besonde-rer sozialer Schwierigkeiten oder deren Vermei-dung wie z. B. Obdachlosigkeit, Haftentlassung alsauch die Unterstützung bei der Wiedereingliede-rung in normale Lebenszusammenhänge z.B.nach Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik.6 PlätzeRechtsgrundlage ehemals § 72 BSHG, heute § 67ff., SGB XII und auch § 34/41 SGBVIII und § 39 SGB XII, heute § 53 ff. SGB XII

MMOOBB –– MMoobbiillee BBeettrreeuuuunnggTTRRWW –– TTrraaiinniinnggsswwoohhnnuunngg // KKoosstteennttrrääggeerr iisstt ddeerrLLaannddsscchhaaffttssvveerrbbaannddSSBBWW –– SSoozziiaallppääddaaggooggiisscchh BBeettrreeuutteess WWoohhnneennÜber das Stadtgebiet verteilt bieten wir in denvon uns angemieteten Wohnungen eine Betreu-ungsintensität, die sich nach dem Entwicklungs-stand des jungen Menschen ausrichtet. In der Re-gel kann das Mietverhältnis vom jungen Men-schen übernommen werden. 19 Plätze

MMuutttteerr--KKiinndd--BBeerreeiicchhDas Phasenmodell• in der Gruppe• im Differenzierungsbereich• in der Wohngemeinschaft• in der eigenen WohnungUnsere Hilfeform richtet sich an minderjährigeund volljährige Schwangere sowie Mütter, die sichin familiären, sozialen und/oder psychischenSchwierigkeiten befinden und zu einer eigenstän-digen Lebensführung noch nicht in der Lage sind.17 PlätzeDie Rechtsgrundlage für dieses Angebot ergibtsich aus dem SGB VIII (§§ 19/34/41) sowie dem§ 67 SGB XII.

TagesgruppenI – IserlohnPastorenweg für Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jah-ren 6 Plätze

Für Kinder – IserlohnKarnacksweg/ZentrumFür Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jah-ren6 Plätze

Für Jugendliche – IserlohnKarnacksweg/ZentrumFür Kinder und Jugendliche im Alter zwischenzwölf und 16 Jahren6 Plätze

339EJ 5/2006

Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

Die Tagesgruppen bieten eine zeitlich begrenzteForm der Erziehungshilfe im Kontext der Familie,in der die Kinder/Jugendlichen und die Familie dieMöglichkeit der Bearbeitung ihrer Probleme durchdie fachliche Begleitung der päd. und therap. Mit-arbeiterInnen der Tagesgruppe haben.

Die päd. Arbeit mit den Adressaten orientiert sichstets daran, familiäre Kräfte und Ressourcen her-vorzuheben und zu nutzen. 6 PlätzeRechtsgrundlage § 32 SGB VIII

Jugendschutzstelle/InobhutnahmePastorenwegDie Jugendämter des Märkischen Kreises habennach § 76 KJHG die Ev. Jugendhilfe Iserlohn mitder Aufgabenwahrnehmung der Inobhutnahmebeauftragt. 5 PlätzeRechtliche Grundlage ist § 42 SGB VIII

Wohngruppe Stop and Gowww.stop-andgo.deObere Mühle IserlohnJugendhilfe als Alternative bzw. Vermeidung vonU-Haft. Das einzige Angebot dieser Art in NRW. Kostenträger ist in der Regel die Justiz. 6 PlätzeRechtliche Grundlage § 72 JGG bzw. § 34/41 SGB VIII

AAmmbbuullaannttee FFaammiilliieennhhiillffee• Elternaktivierung nach dem Konzept von Trian-

gel/SIT

Die päd. Fachkraft als Coach der Eltern(www.sitinstitut.ch)

Aufsuchende Familienberatung (Hier sind ausge-bildete systemische Familienberater bzw. Thera-peuten eingesetzt).

Weitere Angebote

• Individuelle Einzelbetreuung

• Auf den Einzelfall abgestimmte pädagogischeSettings

KKeeeepp CCooooll--GGrruuppppee ffüürr JJuuggeennddlliicchheeAngeleitet durch zwei TrainerInnen / Ausbildungim Anti-Agressionstraining (AAT)

TTrriippllee--PP//EElltteerrnnttrraaiinniinngg

EErrlleebbnniissppääddaaggooggiikkAngebote für Einzelne, Kleingruppen/Gruppen –auch beispielsweise Schulklassen durch ausgebil-dete Erlebnispädagogen.

Diese Angebote können im Einzelfall angefordertwerden und werden in der Regel über Fachlei-stungsstunden finanziert.

JJuuggeennddhhiillffee//SScchhuullee• Betreuungsgruppe acht bis 13 an einer Grund-

schule• Offene Ganztagsgrundschule

Hier sind wir Kooperationspartner des Jugendre-ferates des Kirchenkreises Iserlohn in Hagen-Ho-henlimburg und perspektivisch in anderen Städ-ten des Kirchenkreises.

IInn PPllaannuunnggDie Möglichkeit, Familien bzw. Familienteile sta-tionär aufzunehmen.

Einzelne Konzepte und Leistungsbeschreibungenkönnen angefordert bzw. nähere Informationenüber unsere Homepage www.jugendhilfe-iser-lohn.de eingeholt werden.

Eine im Januar 2004 mit mehreren Partnern ge-gründete Gesellschaft »Fachpool«www.fachpool.de bietet Beratung und Fortbildungsowohl intern als auch extern an.

Die Diakonische Jugendhilfe – unser Kooperati-onspartner – bietet eine 5-Tage-Wohngruppe mitdem Schwerpunkt der Elternaktivierung und demZiel der Rückführung des Kindes/Jugendlichen an.

Foto: IKZ /May

Nähere Informationen erhalten Sie unter:www.jugendhilfe-iserlohn.de

340 EJ 5/2006

Aus den Mitgliedseinrichtungen: Die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn gGmbH

341EJ 5/2006

Diakonisches Werk der PressesprecherinEvangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers Isabel Martin Ebhardtstraße 3 A, 30159 Hannover Telefon 0511/3604-252Fax 0511/3604-119 Mobil: 0172/40 54362 www.diakonie-hannovers.de E-Mail: [email protected]

Fachverband Jugendhilfe gegen Auflösung des Niedersächsischen Landesjugendamtes Verband kritisiert auch Abschaffung des Landesjugendhilfeausschusses

Hannover, 13.11.06 Auf der heutigen Mitgliederversammlung des diakonischen „Fachverbandes für evangelische Träger von Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe in Niedersachsen“ stand das Thema Föderalismusreform und ihre Auswirkungen aufNiedersachsen im Mittelpunkt. Der Vorstand des Fachverbandes lehnte die durch die Landesregierung beschlossene Auflösung des NiedersächsischenLandesjugendamtes ab. Möglich geworden ist die Neuorganisation des Landesjugendamtes durch die im Zusammenhang mit der Föderalismusreform vorgenommene Änderung des Grundgesetzes.

Diese Änderung erlaubt es, hinsichtlich der Einrichtung der Behörden undVerwaltungsverfahren vom Bundesgesetz KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz)abweichende Regelungen zu treffen. Laut Kabinettsbeschluss sollen die Aufgaben des Landesjugendamtes künftig auf vier behördliche Instanzen verteilt werden. Durch diese Maßnahme befürchtet der Jugendhilfe-Fachverband die Zerschlagung bewährter Jugendhilfestrukturen und den schleichenden Abbau erreichter

Verbandsvorsitzende Wolfgang Schneider, „rechnen wir mit einem erheblichen

Zeitgleich zum 01.01.2007 soll der Landesjugendhilfeausschuss aufgelöst und durcheinen Beirat ersetzt werden. „Die bisher gesicherte partnerschaftliche Mitwirkung derWohlfahrtsverbände und die damit verbundene demokratische Einflussnahme auf dasVerwaltungshandeln werden damit abgeschafft“, befürchtet Hartmut Dröge,Geschäftsführer des Fachverbandes. Der geplante Beirat ersetze in keiner Weise denLandesjugendhilfeausschuss und habe lediglich eine unverbindliche Beratungsaufgabe der Verwaltung gegenüber.

und Familien durch die Mitwirkung der Wohlfahrtsverbände imLandesjugendhilfeausschuss ist dann nicht mehr sichergestellt“, so Dröge weiter aufder heutigen Mitgliederversammlung. Es sei zu befürchten, dass diese einschneidenden Veränderungen Beispielcharakter für die kommunale Ebene haben werden. Das hätte zur Folge, dass auch die Landkreise und Städte ihreJugendhilfeausschüsse abschaffen würden. „Sind diese massiven Einschnitte in einfunktionierendes Jugendhilfesystem der Beitrag der Landesregierung zum niedersächsischen Jahr der Jugend 2006?“

An der Mitgliederversammlung in Barsinghausen, die noch bis morgen dauert, nehmen mehr als 60 Fachleute der Jugendhilfe aus 50 Einrichtungen teil. Die Mitgliedseinrichtungen desFachverbandes bieten mehr als 3000 benachteiligten jungen Menschen und Familien erzieherische Hilfen in Niedersachsen an.

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Verlust der bisher im Landesjugendamt vorgehaltenen Fachlichkeit sowie

„Die bisherige Interessenwahrnehmung für die benachteiligten Kinder, Jugendlichen

„Qualitätsstandards im Bereich Hilfen zur Erziehung. Außerdem , so der “

Unklarheiten in den Zuständigkeiten bei der Bewältigung anstehender Aufgaben.“

Der zweite Bundeskongress Evangelische Schulefand vom 12. bis 13. Oktober in Berlin statt undbot rund 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmernein Forum für Fragen nach dem innovativen undkritischen Potenzial evangelischer Schulen sowienach ihrem Beitrag für eine gerechtere Bildungs-landschaft.

In seinem Eingangsvortrag skizzierte Landesbi-schof Dr. Johannes Friedrich den Auftrag evange-lischer Schulen zu mehr Bildungsgerechtigkeit.Was ist ihr Beitrag zu mehr Freiheit, mehr Gerech-tigkeit, mehr Frieden? Wie setzen sie die Maxime»Keiner darf verloren gehen« um? Damit warenThemen angesprochen, die im weiteren Verlaufdes Kongresses immer wieder in den Blickpunktrückten.

Professor Dr. Roland Reichenbach aus Münsterging im zweiten Vortrag des Tages auf die beson-deren Chancen freier Schulen ein. Mit den Stich-worten »Förderung, Stärkung des Gemeinsinnsund Stärkung der Person« sind Pfeiler eines schu-lischen Selbstverständnisses benannt, die geradefür evangelische Schulen besonders tragfähig seinkönnen.

Sein Credo »Die Jugendlichen in ihren Stärkenstärken« spielte auch in vielen Workshops, in de-nen evangelische Schulen am zweiten Tag ihreKonzepte einer »gerechteren Schule« vorstellten,eine wichtige Rolle. Dabei ging es um Gewaltprä-vention bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeitenebenso wie um Motivationsförderung bei jenenJugendlichen, die beispielsweise als Schulverwei-gerer im Schulsystem ansonsten kaum mehr eineChance haben. Förderkonzepte für besonders Be-gabte wurden vorgestellt, aber auch Ansätze zurBerufsfrühförderung und Berufsvorbereitung für

jene, die in strukturschwachen Regionen wenigAussicht auf Arbeit haben. Die Kongressteilneh-mer/-innen konnten sich über das integrativeKonzept einer Grundschule informieren wie überdie Kompetenzförderung in existenziellen Fragenan einer berufsbildenden Schule. Weitere Work-shopthemen waren Konzepte zur religiösen Bil-dung, zur Verbindung von Wirtschaft und Ethikoder auch die Beiträge beim diesjährigen Wettbe-werb der Barbara-Schadeberg-Stiftung zum The-ma »Schule und (Kirchen-)Gemeinde«.

Auch die gerechte Schule bedarf der notwendigenRessourcen. Darüber diskutierten Vertreter/-innenaus Politik, Kirche und evangelischem Schulwesenin einem anschließenden Podiumsgespräch. Fra-gen des Verhältnisses von staatlichem und freiemSchulwesen standen dabei ebenso im Mittelpunktwie die künftige Finanzierung evangelischerSchulen.

Abschließend öffnete Professor Dr. Thomas Rau-schenbach aus München den Blick auf das außer-schulische Bildungswesen. Chancengerechtigkeitist ohne Einbezug der anderen Bildungsorte undLernwelten nicht zu verwirklichen. Hier ein Mit-einander und Ineinander zu ermöglichen, sei einbesonderer Auftrag evangelischer Schulen.

Nähere Informationen sind zu finden unterwww.evangelische-schulen-in-deutschland.de.

Annette BremeyerReferentin, EREV

Flüggestr. 2130161 Hannover

[email protected]

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Zweiter Bundeskongress Evangelische Schule tagte im Oktober in Berlin

Annette BBrreemmeeyyeerr, Hannover

Diakonenausbildung: Berufsbegleitende Ausbildung im Neukirchener Erziehungsverein

Die Diakonenausbildungsstätte des NeukirchenerErziehungsvereins bietet für die im nächstenHerbst beginnende biblisch-theologische Ausbil-dung zum Diakon und zur Diakonin noch freiePlätze. Die berufsbegleitende Ausbildung dauertzwei Jahre und umfasst etwa 1.300 Unterrichts-stunden. Darin enthalten sind zwölf Unterrichts-stunden pro Woche, acht Blockwochen zu je 40Stunden und zwölf Wochenendseminare zu je 20Stunden. Zu den Unterrichtsfächern gehören Bi-blische Theologie, Glaubenslehre, Ethik, Diakonik,Kirchengeschichte, Predigtlehre, Seelsorge, Religi-onspädagogik, Gemeindeaufbau und Jugendar-beit.

Voraussetzungen für die Aufnahme in die Diako-nenausbildung sind eine sozialberufliche Ausbil-dung und die Mitgliedschaft in der EvangelischenKirche. Ausnahmeregelungen sind möglich. DieDiakonenausbildungsstätte erhebt Ausbildungs-gebühren in Höhe von 75 Euro pro Monat. Haupt-arbeitsfelder für Diakoninnen und Diakone sindKirchengemeinden und diakonische Einrichtun-gen. Bewerbungsunterlagen sind an die Diako-nenausbildungsstätte des Neukirchener Erzie-hungsvereins, Heckrathstraße 24 in 47506 Neu-kirchen-Vluyn zu senden. Weitere Fragen beant-wortet die Leiterin der Diakonenausbildung, Pa-storin Christiane von Boehn, unter 02845/392-479 in der Zeit von Montag bis Donnerstag zwi-schen 10.00 und 13.00 Uhr und unter [email protected].

Weiterbildung zur systemischen BeratungRischborn - Kinder-, Jugend- und Familienhilfe in Gifhorn

Die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Rischbornveranstaltet in ihrem Tagungs- und Schulungs-zentrum der Diakonischen Heime e.V. eine Wei-terbildungsreihe zum/zur systemischen Berater/

-in. Die Fortbildung beschäftigt sich mit der Ver-mittlung von systemischem Denken und Handelnim Kontext erzieherischer Hilfen. Die Seminarrei-he wird von zwei Systemischen Familienthera-peuten aus Rischborn begleitet und durch exter-ne Referentinnen ergänzt und schließt mit einemZertifikat ab. Sie gliedert sich in zehn Teile sowieeinem Abschlusskolloquium, die in einem Zeit-raum von rund einem halben Jahr durchgeführtwerden. Nähere Informationen erteilt Bereichslei-terin Carola Hahne unter Tel. 05371/721 390 [email protected].

Deutscher Kinder- und Jugendhilfepreis 2006verliehen

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugend-hilfe – AGJ hat in Berlin den Deutschen Kinder-und Jugendhilfepreis 2006 – Hermine-Albers-Preis verliehen.

Unter dem Motto »Die Neugestaltung des Sozia-len – Chancen und Risiken für die Kinder- und Ju-gendhilfe« sowie eine journalistische Arbeit zuden Themen Jugend und Jugendhilfe wählte dieJury nach einem mehrstufigen Verfahren aus fast120 qualitativ hochwertigen Einsendungen fürden Praxispreis der Kinder- und Jugendhilfe dasProjekt »Dialogische Entwicklungen mit jungenInhaftierten, Schülern, alten Menschen und Kom-munalpolitikern in Wiesbaden« von Arnd Richteraus. Den Medienpreis der Kinder- und Jugendhil-fe erhielt Bettina Braun für den Dokumentarfilm»Was lebst Du?« – Eine Langzeitbeobachtung vonvier jugendlichen Migranten (veröffentlicht imZDF – Das kleine Fernsehspiel). Stifter des Deut-schen Kinder- und Jugendhilfepreises sind dieObersten Jugendbehörden der Länder.

Weiterbildung Case Management

Das Sozialwissenschaftliche Fortbildungsinstitut(sofi) der Arbeitsstelle für Fort- und Weiterbildungan der Ev. Hochschule für Soziale Arbeit Dresden

343EJ 5/2006

Hinweise

(FH) e.V. bietet eine Weiterbildung in Case Ma-nagement an, die nach den Richtlinien der Deut-schen Gesellschaft für Care und Case Manage-ment zertifiziert ist.

Teilnahmevoraussetzungen sind ein Beschäfti-gungsverhältnis in einem Arbeitsfeld des Sozial-oder Gesundheitswesens bzw. der Beschäfti-gungsförderung mit entsprechender beruflicherPraxis sowie ein abgeschlossenes, einschlägigesHochschulstudium und eine mindestens einjähri-ge Berufserfahrung oder eine einschlägige Berufs-ausbildung in den Bereichen Gesundheit, Pflegeund Beschäftigungsförderung und eine minde-stens zweijährige Berufserfahrung. Die Fortbil-dung umfasst 224 Unterrichtsstunden inkl. Super-vision und kollegiale Beratung und beginnt am 07.Februar 2007. Die Kosten betragen 2.450,- Euro.Der Anmeldeschluss ist am 05. Januar 2007. Wei-ter Informationen sind unter www.ehs-dresden.deerhältlich.

Veröffentlichung zum Thema Migrations-, Integrations- und Minderheitenpolitik

Unter dem Titel »Zuwanderung im Zeichen derGlobalisierung« geben Prof. Dr. Christoph Butter-wegge, Universität Köln, und Prof. Dr. GudrunHentges, Hochschule Fulda, einen aktualisiertenSammelband zum Thema der Auswirkungen desGlobalisierungsprozesses auf das Phänomen derMigration. Der Sammelband will in mehrfacherHinsicht einen Beitrag zu dieser Debatte leisten:Die Aufsätze im ersten Teil des Buches beleuchtenden Zusammenhang zwischen Globalisierung undWanderungsbewegungen; die folgenden behan-deln den politischen Umgang mit Flucht, Migra-tion und Minderheiten; der abschließende dritteTeil konzentriert sich auf Fragen der Integrationund die Perspektiven einer multikulturellen De-mokratie. Die Publikation ist im VS–Verlag für So-zialwissenschaften, Wiesbaden, erschienen.

BAG EJSA gibt eine Handreichung zur Koopera-tion »Jugendsozialarbeit und Schule« heraus

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Ju-gendsozialarbeit (BAG EJSA) gibt eine neue Publi-kation zum Thema »Jugendsozialarbeit und Schu-le« heraus. Diese soll Einrichtungen der Jugendso-zialarbeit Mut machen, aktiv zu werden und Ko-operationen mit Schulen selbstbewusst und ziel-sicher aufzubauen. Bisherige Erfahrungen bele-gen, dass sich die vermeintlich unbeweglicheSchule bewegt, dass Neues in Gang kommt undsie selbst in hohem Maße von diesen neuen Im-pulsen profitiert.

Der konkrete »Nutzen« für die Jugendsozialarbeitist vielfältig und kann jeweils sehr verschiedensein. So kann sich die Jugendsozialarbeit durchdie Kooperation inhaltlich und konzeptionellweiterentwickeln. Durch die Kooperation mitSchulen erhalten Einrichtungen der Jugendsozial-arbeit eine breitere öffentliche Anerkennung undhaben Möglichkeiten zu einer intensiveren Öf-fentlichkeitsarbeit. Die Jugendsozialarbeit be-kommt einen neuen Zugang zu einer Zielgruppe,die auch die anderen Angebote der Jugendsozial-arbeit wahrnehmen kann. Der Nutzen für die Ju-gendlichen selbst ist jedoch am wichtigsten, undes gilt frühzeitig – also präventiv – auf möglicheSchwächen, Defizite und Ausgrenzungstendenzenam primären Bildungsort Schule zu reagieren, ge-meinsam nach den Kompetenzen zu schauen unddie Jugendlichen rechtzeitig vor dem Ende derSchulzeit auf die oft trügerische »Freiheit« vorzu-bereiten. Nähere Informationen erhalten Sie un-ter www.bagejsa.de.

IGFH veröffentlicht zu grenzüberschreitenderFallarbeit in der Jugendhilfe

Die Internationale Gesellschaft für erzieherischeHilfen (IGfH) hat eine Arbeitshilfe zum Thema»Grenzüberschreitende Fallarbeit in der Jugend-hilfe« herausgegeben. Die Publikation ermöglichtFachkräften im Jugendamt und anderen Fachstel-len, Handlungssicherheit in der Fallarbeit zu ent-

344 EJ 5/2006

Hinweise

wickeln, wenn diese mit Auslandskontakten ver-bunden ist. Das Heft enthält Handlungsempfeh-lungen für die Beratung von Eltern und die Mit-wirkung in Verfahren. Relevante Rechtsgrundla-gen werden praxisnah dargestellt. Der Inhalt um-fasst neben den Kapiteln »Auslandsbezug in derJugendhilfe« und »Praxisfeld Trennung und Schei-dung« das Thema »Rechtsgrundlagen« sowie einenServiceteil, der beispielsweise Anschriften und dieErläuterung juristischer Fachbegriffe enthält. Nä-here Informationen gibt es unter www.igfh.de.

Start eines Behandlungsprogramms für jugendliche Cannabisabhängige und deren Familien

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sa-bine Bätzing, stellte am 10. November in Berlindie INCANT-Studie (International Cannabis Needof Treatment) vor, die zeitgleich in Belgien, Frank-reich, den Niederlanden und der Schweiz gestar-tet wurde.

In Deutschland wird die spezialisierte Behand-lung, die in den USA evaluiert wurde, im Therapie-laden in Berlin angeboten. Bis zum Herbst 2008sollen dort insgesamt 120 Jugendliche mit Can-nabisproblemen im Alter von 13 bis 18 Jahren undihre Familien familien- und psychotherapeutischbehandelt werden. Die wissenschaftliche Begleit-forschung wird durch die delphi-Gesellschaft fürForschung, Beratung und Projektentwicklung inKooperation mit der Universität in Rotterdamübernommen.

Mit dieser Studie reagieren die fünf europäischenStaaten auf vorliegende Untersuchungen, denenzufolge der Cannabiskonsum Jugendlicher undjunger Erwachsener in den letzten Jahren starkzugenommen hat. Gestiegen ist dabei vor allemauch die Zahl der Jugendlichen, die Cannabisnicht nur mal ausprobiert, sondern einen riskan-ten bzw. abhängigen Subtanzkonsum aufweist.Diese Tendenz ist umso problematischer, da Ju-gendliche ein größeres Risiko als Erwachsene ha-ben, durch den Konsum von Cannabis weitere

teilweise gravierende psychosoziale Schwierigkei-ten zu entwickeln. Weitere Informationen zumTherapieladen und zu INCANT finden Sie unter:www.therapieladen.de.

DW EKD startet Kampagne für die Ev. Straf-fälligenhilfe

Das Diakonische Werk der EKD startete jüngsteine neue Kampagne für die Arbeit der Evangeli-schen Straffälligenhilfe. Am 11. Oktober 2006fand eine Auftaktveranstaltung in der JVA in Ber-lin-Charlottenburg statt. Jugendliche, die imStrafvollzug landen, gilt es anders zu behandelnals erwachsene Straftäter. Oberste Priorität müs-sen der Erziehungs- und der Resozialisierungsge-danke haben, fordert das Diakonische Werk derEKD. Da junge Menschen weder in ihrer geistigennoch seelischen oder moralischen Entwicklungausgereift sind, dürften sie durch im Gefängnisverbrachte Zeiten nicht noch weiter ins Abseitsgeraten. »Wichtig ist, dass sie während dieser Zeitihre schulische oder berufliche Ausbildung fort-setzen können, dass sie wichtige menschlicheKontakte aufrechterhalten können und dass sieangeleitet werden darin, wie man sein Lebenselbstverantwortlich führen kann«, sagte BerndSchlüter, sozialpolitischer Vorstand des DW. Esgehe darum, dass Jugendliche, die einmal auf dieschiefe Bahn geraten sind, so gut resozialisiertwerden, dass sie nicht nach Haftentlassung wie-derholt straffällig werden. Derzeit liegt die Rück-fallquote bei knapp 80 Prozent. Die Materialienfür die Kampagne können im Zentralen Vertriebdes Diakonischen Werks der EKD abgerufen wer-den. Das Motiv für unterschiedliche Werbeträger(Anzeige, Postkarten, Plakat) sowie die Presse-mappe und eine Information zu den Angebotendiakonischer Einrichtungen in der Straffälligenhil-fe stehen in der Datenbank. Nähere Informatio-nen unter www.diakonie.de.

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Hinweise

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»Platzverweis!«: Materialien gegen sexuellenMissbrauch von Jungen im Sport

Der Verein Zartbitter, Kontakt- und Informations-stelle gegen sexuellen Missbrauch von Mädchenund Jungen, stellt die ersten deutschsprachigenMaterialien gegen sexuellen Missbrauch vonJungen im Sport vor.

Eine allgemein bekannte Tatsache ist, dass sichviele pädosexuelle Täter gezielt im Sport engagie-ren, um so ohne großen Aufwand mit potenziel-len Opfern in Kontakt zu kommen. Es wundertdeshalb nicht, dass bei Zartbitter sehr häufig Fäl-le der sexuellen Ausbeutung von Jungen durchTrainer, Bademeister, Gerätewarte, Sportlehrernund älteren Jugendlichen im Sport bekannt wer-den. Der Verein stellte fest, dass auch heute nochSportvereine fast durchgängig den Schutz vonJungen vernachlässigen, die Aussagen der Opfernanzweifeln und sich häufig auf die Seite von Tä-tern stellen, in dem sie »die Angelegenheit unterden Teppich kehren«.

Bisher entwickelte kein Sportverband in Deutsch-land Materialien gegen Missbrauch von Jungenim Sport. Lediglich die Landessportjugend NRWveröffentlicht auf ihrer Homepage allgemeineTexte über Missbrauch an Jungen. Die Broschüre

»Platzverweis!« gibt Jungen ab dem achten Le-bensjahr und ihre Eltern Tipps gegen sexuelleÜbergriffe gegen Jungen im Sport, der Cartoon»Platzverweis« fordert Jungen und Erwachsene zusolidarischem Handeln gegen sexuellen Miss-brauch auf. Zudem informiert Zartbitter über dietypischen Strategien von Tätern im Sportbereich.Im Januar wird die Kontakt- und Informations-stelle einen nächsten Baustein von »Platzver-weis!« vorstellen: Tipps für Vereine, wie sie sichvor Tätern in den eigenen Reihen besser schützenkönnen. Näherer Informationen sind erhältlichunter www.zartbitter.de.

Wanderausstellung: Heimkinder auf der rotenCouch

Unter dem Titel »Wer fragt mich denn schon?« or-ganisierten die Caritas und der Bundesverbandkatholischer Einrichtungen und Dienste der Erzie-hungshilfen eine Wanderausstellung von Fotosund Interviews mit Heimkindern. 20 Kinder undJugendliche aus Einrichtungen der Jugendhilfebeantworteten Fragen nach »Gott und der Welt«auf der Roten Couch des Fotografen Horst Wak-kerbarth. Die Ausstellung wird auch in einem Ka-talog dokumentiert. Nähere Informationen sinderhältlich unter: www.wer-fragt-mich-denn-schon.de

Hinweise

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Nr.: 02/2007EERREEVV--AAuussbbiillddeerrttaaggee

»Stark im Beruf – erfolgreich im Leben«Ziele und Strukturen in der Beruflichen Förderung

Inhalt und ZielsetzungMit dieser traditionellen Veranstaltung bietet der EREV handwerklichen und pädagogischen Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern aus Einrichtungen der Jugendhilfe mit Berufsausbildung Gelegenheit

• sich gemeinsam mit aktuellen Fragen und Problemen der Berufsausbildung und der Arbeitswelt be-nachteiligter junger Menschen auseinanderzusetzen,

• einen intensiven Erfahrungsaustausch zu pflegen und• neue Entwicklungen aus diesem Arbeitsgebiet kennen zu lernen.

Jede berufliche Ausbildung ist ein durch Inhalt und Dauer strukturierter Prozess.Als anleitende, unterrichtende oder sozialpädagogische Fachkraft bin ich Teil dieses Bildungs-prozesses.Die Veranstaltung macht ein Angebot, Ihre Kompetenz in Bezug auf Zielorientierung und Strukturie-rung in der beruflichen Qualifizierung und Ausbildung von jungen Menschen unter den jeweiligen Trä-gerbedingungen zu schulen und zu erweitern.

Dazu wollen wir folgende Themen vertiefen:• Gestaltung der beruflichen Förderung vom Erstgespräch bis zum Abschluss• Techniken und Verfahren zur Strukturierung von Ausbildungsteilen• Zielvereinbarungen und Zielüberprüfungen• Konfliktsituationen und Lösungsstrategien

Methodik Impulsreferate, Übungen, Gruppenarbeit, Erfahrungsaustausch

Zielgruppe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aller Berufsgruppen aus Einrichtungen der Jugendhilfe mit beruflicher Qualifizierung und Ausbildung

Leitung Anette Kotnik, BerlinKarlheinz Kohl, Berlin

Termin/Ort 26.02. - 02.03.2007 in Timmendorf/Ostsee

Teilnahmebeitrag 245,– € für Mitglieder / 275,– € für Nichtmitglieder, inkl. Unterbringung und Verpflegung

Teilnehmerzahl 20

348 EJ 5/2006

IEJ 5/2006

TTIIPPPP83. Jahrgang, Heft 5, Dezember 2006

Herausgeber: Evangelischer Erziehungsverband e.V. (EREV)

KKoonnzzeennttrraattiioonnsspprroobblleemmee // UUnnaauuffmmeerrkkssaammkkeeiitt

• Kinder können sich nicht lange auf eineTätigkeit konzentrieren (z.B. Spiel, Tä-tigkeiten im Haushalt).

• In der Schule fragen sie ständig nach,weil sie Arbeitsaufträge nicht richtigverstanden haben.

• Kinder benötigen mehr Zeit zum Anzie-hen, Frühstücken etc.

• Schwierigkeiten Ordnung zu halten(Verlieren von Gegenständen)

MMoottoorriisscchhee UUnnrruuhhee

• Starker Bewegungsdrang (Herumren-nen, Spielen an Gegenständen, Umsto-ßen von Dingen)

• Einschlafschwierigkeiten

IImmppuullssiivviittäätt

• Kinder müssen ständig ihren Impulsenfolgen, möchten beachtet werden u.können schlecht warten.

• Mitteilungsbedürftigkeit (Gesprächewerden oft unterbrochen)

• Beschimpfungen von Menschen• Gefahren können nicht richtig einge-

schätzt werden.

Aufmerksamkeitstraining mit »ADHS-Kindern«

Leitsymptome

Bianka BBaauueerrmmeeiisstteerr, Burgwedel

FFöörrddeerruunngg ddeerr AAuuffmmeerrkkssaammkkeeiitt

Leitziele und Inhalte / methodisches Vorgehen

• Auditive Aufmerksamkeit: Geräusche bestimmen und einordnen

• Visuelle Aufmerksamkeit:Genau hinschauen, Symbole suchenund wiedererkennen

Beispiel 1:»Geheimsprache eines Drachens überset-zen«

Es gibt einen speziellen Übersetzungscode.Jeder Buchstabe hat ein anderes Zeichen.Kinder können sich untereinander Briefeschreiben.

Beispiel 2:Spiele zur visuellen Wahrnehmung: Seh-kimspiele (Zehn Utensilien auf den Tischlegen. Nach dem Einprägen fehlende Ge-genstände bestimmen) oder Gruselino/Ra-vensburger

22.. SSeellbbssttwwaahhrrnneehhmmuunngg iinn BBeezzuugg aauuff ddeennKKöörrppeerr

• Vestibuläre Wahrnehmung:• Gleichgewicht entwickeln und Gleich-

gewicht halten trotz vorheriger Bewe-gungen (Drehen, Springen, Rollbret-ter)

• Entwicklung von Bremskräften und Bewegungssteuerung: Abstoppen können, Hindernislaufen,Spiegelbild (Kinder können sich besserim Straßenverkehr bewegen u. Hinder-nissen ausweichen)

33.. SSeellbbssttssttäännddiiggkkeeiitt

• Organisationsfähigkeit (sich selbst or-ganisieren können) Planung von Hand-lungsabläufen (Körperpflegeplan erstel-len, Erinnerungsschilder für bestimmteTätigkeiten basteln, Uhrzeit lernen unddiese den Tätigkeiten des Tages zuord-nen)

• Ordnung halten: Aufräumsystem erlernen und anwenden(Regeln festlegen z.B. nach dem Spielenaufräumen, Kisten für bestimmtesSpielzeug, angenehme Atmosphärebeim Aufräumen / CD hören, Aufräum-zeit festlegen)

44.. SSoozziiaallee KKoommppeetteennzz

• Soziale Wahrnehmung fördern:Gesprächsregeln visualisieren (esspricht nur einer) und Hineindenken inandere Menschen (per Rollenspiel durchRollentausch Gefühle wahrnehmen)

II EJ 5/2006

55.. VVeerrzzööggeerruunngg ddeerr iimmppuullssiivveenn RReeaakkttiioonn

• Symbole im Alltag einsetzen:Stoppschild, »Schau genau«, »Hör ge-nau« (Auge und Ohr als Symbolkarte)

• Stoppspiel:Bewegungen einfrieren, nach Komman-do darf sich niemand mehr bewegen(auch als Stopptanz bekannt)

66.. SSeellbbssttbbeewwuussssttsseeiinn

• Loben im Alltag:Gerade »ADHS-Kinder« haben oft einnegatives Selbstbild. Aus diesem Grun-de sind positive Verstärkungen im Alltagbesonders wichtig.

• Lob haltbar machen:Damit das Kind seinen Erfolg »vor Au-gen« hat und an seinem Ziel arbeitenkann, sind Visualisierungen von Bedeu-tung.

Beispiele:Es können lachende Gesichter, Sterne etc.gesammelt werden. Nach dem Erreicheneiner bestimmten (vorher festgelegten)

Anzahl soll eine Aktion stattfinden (Fest,Ausflug, Spieletag etc).

Des Weiteren können in einem »Das-war-Spitze-Buch« gelungene Verhaltensweiseneintragen werden (Belohnung s.o.).

Diese spezielle Förderung für Kinder mitADHS ist besonders für die Arbeit mit Kin-dern in der Jugendhilfe geeignet. Die Kin-der können allerdings nicht isoliert be-trachtet werden, weil das System der Fa-milie ebenfalls gefordert ist. Eltern müssenüber Leitsymptome informiert werden undentsprechende Umgangsweisen zuhauseumsetzen. Ein strukturierter Tagesablauf,feste Rituale, Geduld, ruhige Ansprache(max. 2 Aufträge für das Kind), Visualisie-rungen und Lob sind in der Familie eben-falls unabdingbar.

Bianka BauermeisterPestalozzi-StiftungPestalozzistraße 530938 Burgwedel

Gruppenleitung 5-Tage-Gruppe Schillerslage

IIIEJ 5/2006

IV EJ 5/2006