68
n AKZENTE E. Schäfer Transparenz – und was sonst noch wichtig wird n AUFSÄTZE M. Quaas Das Fachanwaltsrecht in der Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen im Jahr 2016 S. Offermann-Burckart Wie weiß muss ein Schimmel sein? – Das Urteil des Anwaltssenats zum „Spezialisten für Erbrecht“ A. Gruhl Umsatz- und Einkommensentwicklung in der Anwaltschaft: Der aktuelle STAR-Bericht n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BGH Unzulässige Werbung auf Anwaltsroben (Anm. M. Möller) LG Karlsruhe Interessenkollision nach Kanzleiwechsel (Anm. Chr. Deckenbrock) BRAK MIT TEILUNGEN FEBRUAR 2017 48. JAHRGANG 1/2017 S. 1–52 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln RA JR Heinz Weil, Paris www.brak-mitteilungen.de PVST 7997 Rundum-Angebot: Fachwissen und Software für Anwälte www.datev.de/anwalt Digitale Kommunikation für Anwälte webakte-rechtsanwaelte.de

FEBRUAR 2017 48. JAHRGANG 1/2017 - brak … · n AKZENTE E. Schäfer Transparenz – und was sonst noch wichtig wird n AUFSÄTZE M. Quaas Das Fachanwaltsrecht in der Rechtsprechung

  • Upload
    hadiep

  • View
    216

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

n AKZENTEE. SchäferTransparenz – und was sonst noch wichtig wird

n AUFSÄTZEM. QuaasDas Fachanwaltsrecht in der Rechtsprechung desSenats für Anwaltssachen im Jahr 2016

S. Offermann-BurckartWie weiß muss ein Schimmel sein? – Das Urteildes Anwaltssenats zum „Spezialisten für Erbrecht“

A. GruhlUmsatz- und Einkommensentwicklung in derAnwaltschaft: Der aktuelle STAR-Bericht

n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBGHUnzulässige Werbung auf Anwaltsroben(Anm. M. Möller)

LG KarlsruheInteressenkollision nach Kanzleiwechsel(Anm. Chr. Deckenbrock)

BRAKMITTEILUNGEN

FEBRUAR 2017

48. JAHRGANG

1/2017S. 1–52

BEIRATRA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, VorsitzenderProf. Dr. Matthias Kilian, KölnRA JR Heinz Weil, Paris

www.brak-mitteilungen.de

PVST 7997

Rundum-Angebot:Fachwissen und Software für Anwälte

www.datev.de/anwalt

Digitale Kommunikationfür Anwälte

webakte-rechtsanwaelte.de

Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis

Wirtschaftsstrafrecht Kommentar mit

Steuerstrafrecht und Verfahrensrecht.

Herausgegeben von Prof. Dr. Robert

Esser, RA Dr. Markus Rübenstahl, Prof.

Dr. Frank Saliger und RA Prof. Dr. Michael

Tsambikakis. Bearbeitet von 45 nam-

haften Experten imWirtschafts- und

Steuerstrafrecht.

2017, ca. 3.300 Seiten, Lexikonformat,

gbd. 299,– €. ISBN 978-3-504-40016-3

Die Kommentare der blauen Extraklasse von Otto Schmidt stehen für höchste Praxis-

tauglichkeit, erstklassige Autoren und Maßstäbe setzende Kommentierungen.

Diesen Anspruch erfüllt auch der brandneue GroßkommentarWirtschaftsstrafrecht –

Kommentar mit Steuerstrafrecht und Verfahrensrecht. Einzigartiges Konzept:

87 Gesetze, thematisch nach Problemfeldern gegliedert – für die fachbezogene

Orientierung imNormendschungel. Konzentration aufsWesentliche: Kommentierung

der für die Praxis wichtigen Vorschriften mit allen relevanten Fragen und Problem-

stellungen. Brillant verfasst: Von ausgewiesenen Experten imWirtschafts- und Steuer-

strafrecht. Und natürlich topaktuell: Rechtsstand 30.11.2016.

Machen Sie sich selbst ein Bild und überzeugen Sie sich mit einer Leseprobe unter

www.otto-schmidt.de/erst

White Collar Crime.Ein Fall für die blaue Extraklasse.

NEU!

INHALT

AKZENTE

E. SchäferTransparenz – und was sonst noch wichtig wird 1

AUFSÄTZE

M. QuaasDas Fachanwaltsrecht in der Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen des BGH im Jahr 2016 2

S. Offermann-BurckartWie weiß muss ein Schimmel sein? – Die Entscheidung des Anwaltssenats zum „Spezialisten für Erbrecht“ 10

A. GruhlUmsatz- und Einkommensentwicklung in der Anwaltschaft: Der STAR-Bericht 2015/2016 13

H. WeilNeues aus Frankreich: Anwaltsurkunde und Ehescheidung ohne Gericht 18

A. Jungk/B. Chab/H. GramsPflichten und Haftung des Anwalts – Eine Rechtsprechungsübersicht 20

AUS DER ARBEIT DER BRAK

T. NitschkeDie BRAK in Berlin 24

H. Petersen/D. Göcke/K. GrünewaldDie BRAK in Brüssel 26

V. Horrer/K.-L. Ting-WinartoDie BRAK International 28

Sitzung der Satzungsversammlung 29

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

Detaillierte Übersicht der Rechtsprechung auf der nächsten Seite IV

INHALT | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

III

Alle Entscheidungen und Aufsätze in unserer Datenbankwww.brak-mitteilungen.de

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

BGH 20.12.2016 AnwZ (Brfg) 52/16 Zulässige Umlage für das besondere elektronische Anwalts-postfach (LS) 30

AGH Berlin 26.10.2016 I AGH 7/15 Erfolglose Wahlanfechtung (LS) 30BayerischerAGH

24.10.2016 BayAGH III –4-1/16

Nutzung der Anwaltskanzlei für eine Immobilienverwaltung 30

LG Karlsruhe 6.10.2016 10 O 219/16 Interessenkollision nach Kanzleiwechsel (m. Anm.Chr. Deckenbrock) 33

AnwG Karlsruhe 10.8.2016 AG 12/2016 –II 6/2015

Vorwurf der Befangenheit (LS) 37

AnwG Frankfurt 21.12.2016 IV AG 55/16 –4 Ef 411/14

Abgrenzung zwischen beruflichem und außerberuflichem Ver-halten (LS) 37

WERBUNG

BGH 7.11.2016 AnwZ (Brfg) 47/15 Unzulässige Werbung auf Anwaltsroben (m. Anm. M. Möller) 37

FACHANWALTSCHAFTEN

BGH 5.12.2016 AnwZ (Brfg) 31/14 Irreführung mit der Bezeichnung „Spezialist für Erbrecht“ 42

VERGÜTUNG

EuGH 8.12.2016 C 532/15 undC 538/15

Keine Kartellrechtswidrigkeit der spanischen Rechtsanwalts-gebührenordnung (LS) 46

BGH 17.11.2016 IX ZA 23/16 Keine Beiordnung eines zweiten Anwalts für Rechtsbeschwerde(LS) 46

ZULASSUNG

BGH 27.6.2016 AnwZ (Brfg) 10/16 Widerruf der Zulassung wegen Unwürdigkeit 46

SYNDIKUSANWÄLTE

AGH Nordrhein-Westfalen

14.11.2016 1 AGH 19/16 (n.r.) Änderung des Arbeitsvertrags durch aktuelle Tätigkeits-beschreibung 47

AGH Nordrhein-Westfalen

28.10.2016 1 AGH 33/16 Zulassung des Gruppenleiters einer Versicherung als Syndikus-rechtsanwalt 49

IMPRESSUM

BRAK-MITTEILUNGEN UND BRAK-MAGAZIN Zeitschrift für anwaltliches Berufsrecht

HERAUSGEBER Bundesrechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. (0 30)284939-0, Telefax (0 30)284939-11, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.

REDAKTION Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (Schriftleitung), Rechts-anwalt Christian Dahns, Frauke Karlstedt (sachbearbeitend).

VERLAG Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln(Bayenthal), Tel. (0221) 9 3738-01; Telefax (0221)9 3738-921, E-Mail [email protected].

KONTEN Sparkasse KölnBonn (DE 87 3705 0198 0030 6021 55); Postgiroamt Köln(DE 40 3701 0050 0053 9505 08).

ERSCHEINUNGSWEISE Zweimonatlich: Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.

BEZUGSPREISE Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mitteilungen im Rahmen des Mitgliedsbeitrages ohne Erhebung einer besonderenBezugsgebühr zugestellt. Jahresabonnement 109 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft21,80 € (zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54%(Steuersatz 7%) enthalten. Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vorJahresschluss.

ANZEIGENVERKAUF sales friendly Verlagsdienstleistungen, Pfaffenweg 15, 53227 Bonn;Telefon (0228)9 7898-0, Fax (0228)9 7898-20, E-Mail: [email protected].

Gültig ist Preisliste Nr. 32 vom 1.1.2017

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 165.900 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK Schaffrath, Geldern. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sindurheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in frem-de Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh-migung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverar-beitungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für dieveröffentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von derSchriftleitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eige-nen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzel-kopien hergestellt werden.

IVW-Druckauflage 4. Quartal 2016: 166.335 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | INHALT

IV

IM BUNDESGESETZBLATT VERKÜNDET

Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer,grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vor-schriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsord-nung (EuKoPfVODG)

BGBl. I v. 25.11.2016, S. 2591

Bekanntmachung der Umrechnungsfaktoren für den Ver-sorgungsausgleich in der Rentenversicherung

BGBl. I v. 2.12.2016, S. 2716

Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbs-leben in den Ruhestand und zur Stärkung von Präventionund Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz)

BGBl. I v. 13.12.2016, S. 2838

Bekanntmachung zu § 115 der Zivilprozessordnung (Pro-zesskostenhilfebekanntmachung 2017 – PKHB 2017)

BGBl. I v. 16.12.2016, S. 2869

Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und derVergütung für psychiatrische und psychosomatischeLeistungen (PsychVVG)

BGBl. I v. 23.12.2016, S. 2986

Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und zur Än-derung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivil-prozessordnung

BGBl. I v. 28.12.2016, S. 3147

IM EU-AMTSBLATT VERKÜNDET

Richtlinie (EU) 2016/2258 des Rates vom 6.12.2016 zurÄnderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des Zu-gangs von Steuerbehörden zu Informationen zur Be-kämpfung der Geldwäsche

ABl. EU L 342/1, 16.12.2016

Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Ame-rika und der Europäischen Union über den Schutz per-sonenbezogener Daten bei der Verhütung, Unter-suchung, Aufdeckung und Verfolgung von Straftaten

ABl. EU L 336/3, 10.12.2016

Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlamentsund des Rates vom 26.10.2016 über Prozesskostenhilfefür Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafver-fahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zurVollstreckung eines Europäischen Haftbefehls

ABl. EU L 297/1, 4.11.2016

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

BRAK-Mitteilungen und Anwaltsblatt sind für jeden be-rufsrechtlich Interessierten Pflichtlektüre. Nachfolgend

dokumentiert das Institut für Anwaltsrecht an der Uni-versität zu Köln Aufsatzliteratur zum Berufsrecht derRechtsanwälte, Notare und Steuerberater, die in denzurückliegenden Wochen in anderen Periodika undSammelwerken veröffentlicht worden ist. Aus Platzgrün-den muss eine wertende Auswahl getroffen werden.

Zusammengestellt vom Institut für Anwaltsrecht durchChristina Esser.

Kontakt zur Literaturschau:[email protected]

Aktuelles aus dem Steuer- und Wirtschaftsrecht (AStW)Nr. 12: o. Verf., § 7g EStG. Partnerschaftsgesellschaftmit mehreren Kanzleien verfügt nur über einen Betrieb(937).

Anwalt und Kanzlei (AK) Nr. 11: o. Verf., Mandatsver-hältnis. Wer, wie, was, warum? oder: Wie schnellmuss ich als Rechtsanwalt antworten? (184); o. Verf.,IT-Sicherheit. Schützen Sie Ihre Kanzlei-EDV umfassend(186); Noe, Mandantenakquise. Informationsveranstal-tungen für Mandanten richtig planen und organisieren(190); Nr. 12: o. Verf., Elektronischer Rechtsverkehr:Nun geht es los: Das elektronische AnwaltspostfachbeA ist da! (139); Noe, Terminsvertretung? Gern, aberbitte schriftlich genau fixiert! (208); Schneider, Kanz-leisteuerung: Aufschieberitis und kein Ende? So über-winden Sie den inneren Schweinehund (210).

Anwaltsgebühren Spezial (AGS) Nr. 12: Schneider, DieVergütung des psychosozialen Prozessbegleiters nachdem PsychPbG (553).

Bild und Selbstbild der Strafverteidigung – Texte und Er-gebnisse des 40. Strafverteidigertages: Scherzberg,Vom (unmöglichen) Zustand der Strafverteidigung (9);Wegerich, Mindeststandards von Strafverteidigung(307); Barton, Mindeststandards der Strafverteidigung(317).

Compliance Berater (CB) Nr. 11: Jensen/Klösel, § 3Rechtsdienstleistungsgesetz: Vergütungsbarometer alsCompliance-Risiko (401).

Das Juristische Büro (JurBüro) Nr. 10: Klüsener, Reise-kosten des Rechtsanwalts (505).

Der Steuerberater (StB) Nr. 11: Hamatschek, Kanzlei-marketing: Gut sein und darüber reden. Wie Steuer-berater ihre Mandanten zu Empfehlern machen (326).

Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ) Nr. 12: Kern, Unpar-teiische Beratung und präventive Rechtskontrolle: Ver-braucherschutz durch Verfahren, (Beilage 29. Deut-scher Notartag) (46); Roßnagel, Die digitale notarielleForm, (Beilage 29. Deutscher Notartag) (142); Bütt-ner/Frohn, Elektronischer Rechtsverkehr in Grundbuch-sachen, (Beilage 29. Deutscher Notartag) (157).

AKTUELLE HINWEISE

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

V

(Fortsetzung S. VII)

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

Gewusst wie.

Außergerichtliche Streitbeilegung rechtssicher gestalten.

WalzDas ADR-FormularbuchErläuterungen – Muster – EntscheidungshilfenHerausgegeben von Notar Dr. Robert Walz. Bear-beitet von Notar Dr. Stefan Bandel, Notar Dr. LorenzBülow, RA Patrick Dewein, PD Dr. Martin Fries,AkadRin Dr. Susanne Gössl, RA Dr. Detlef Haß,RA FA VersR/VerkehrsR Professor Dr. Rainer Heß,RA Bernd Höke, RA Dr. Steffen Jung, RA VolkerMahnken, RAin FAin ArbR Dr. Claudia Rid, NotarDr. Wolfram Schneeweiß, Notar Dr. HenningSchwarz, Notar Johannes Schwarzmann, NotarDr. Benedikt Selbherr, Notarin Anja Siegler, NotarHans-Ulrich Sorge, Notar Dr. Robert Walz.2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2017,988 Seiten Lexikonformat, gbd. 129,– € inkl. CD.ISBN 978-3-504-45035-9

NEU!

Ein Konflikt kann auf dem Prozessweg geregelt werden – oder außerhalb der Gerichte:Die außergerichtliche Streitbeilegung hat massiv an Bedeutung gewonnen und stellteine attraktive Option für die anwaltliche und notarielle Beratungsarbeit dar.

Im „Walz“ finden Sie alle ADR-Verfahren praxisgerecht aufbereitet: Über die vertiefterläuterten Muster hinaus liefern die Autoren auch eine klare Bewertung der einzelnenAlternativen und geben Hinweise zu deren Umsetzung. Das Formularbuch wird sozur Entscheidungs- und Gestaltungshilfe – zum unverzichtbaren Handbuch für dieaußergerichtliche Streitbeilegung.

Die komplett überarbeitete Neuauflage mit vielen neuen Einzelformularen und aufdem neuesten Stand. Bestellen Sie gleich unter www.otto-schmidt.de/waf2

Deutsches Steuerrecht (DStR) Nr. 47: Korneev, Rückwir-kende Rentenversicherungsbefreiung und weitere Fra-gen zum neuen Syndikusrecht (2760).

Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten (RENO)Nr. 10: Breit, Büroorganisation: Spracherkennung inder Kanzlei: das Ende „traditioneller“ Textverarbei-tung? (10); Bettermann, Fort- und Weiterbildung: Ler-nen als lebenslanger Prozess (15).

Die Wirtschaftsprüfung (WPg) Nr. 20: Klaas, Verwirk-lichung des Binnenmarkts für freiberufliche Dienstleis-tungen. Initiativen der EU-Kommission und ihre Rele-vanz für den Beruf des Wirtschaftsprüfers (1106).

Kammermitteilungen der RAK Düsseldorf Nr. 4: Holling,Zwischen Skepsis und großen Erwartungen – Neuesvom besonderen elektronischen Anwaltspostfach –(212); Offermann-Burckart, Gewerbesteuerpflichtdurch Beschäftigung freier Mitarbeiter? (220); Jeck,Bei berufsrechtlichem Überhang droht zusätzliches Un-gemach (234).

KammerReport Hamm Nr. 5: Brosch/Nitschke, Irrtümerund Mythen zum beA – eine Aufklärung (10); Hinne,Sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Zusatz-entgelten für Rechtsreferendare (11).

Kanzleiführung professionell (KP) Nr. 11: Gilgan, Berufs-recht: Zur Diskussion: Die Reichweite der Informations-pflicht nach § 4 IV StBVV (183).

Mitteilungen der RAK Köln (KammerForum) Nr. 4: Lyn-dian, Die Psychosoziale Prozessbegleitung (113).

Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Nr. 47: Göcken,Aus der Anwaltschaft. Rule of Law Index 2016 – GuteNoten für Deutschland, (NJW-aktuell) (18); Nr. 51:Grunewald, Die Entwicklung des anwaltlichen Berufs-rechts im Jahre 2016 (3694).

Neue Wirtschafts-Briefe (NWB) Nr. 44: Gutenberg, Digi-talisierung in der Steuerberatung. Stirbt der Steuer-berater aus? Steuerberater müssen ihre digitale Zu-kunft planen (3336).

NJW-Spezial Nr. 20: Dahns, Das berufsrechtliche Sank-tionierungssystem (638); Nr. 22: ders., Reform derFortbildungspflicht (702); Nr. 24: ders., Neues aus derSatzungsversammlung (766).

RVG professionell (RVG prof.) Nr. 11: o. Verf., MehrereAuftraggeber: So verschenken Sie keine Gebühren beiverschiedenen, teilweise identischen Werten (199);Mock, Prozess-/Verfahrenskostenhilfe: Never endingstory: Reisekosten des PKH-Anwalts (202); ders., Praxis-fälle: Gebühren im Mahnverfahren. So rechnen Sie op-timal ab, (Beilage Sonderausgabe) (1); Nr. 12: o. Verf.,Abrechnungspraxis: Streit vermeiden: Entstehen undErstattungsfähigkeit der Vergütung (207); Meinhard,Besondere Verfahrenskonstellationen: So wirken sichProzessverbindung und -trennung auf die anwaltlicheVergütung aus (222).

RVGreport Nr. 12: Hansens, Aktuelle Neuerungen imVerfahrens- und Kostenrecht (442); ders., Anwaltsver-

gütung und Kostenerstattung im Klauselerinnerungs-verfahren (2).

Steuerberater Magazin (StBMag) Nr. 10: Pabst, Lehreziehen. Wie Fortbildung für die Kanzlei wirklich Nutzenbringen kann (28); Nr. 11: Pabst, Vier Thesen des Be-rufsstands. Steuerberater kennen ihren Beruf, sie wis-sen, was Sache ist, wirklich? (10).

Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP) Nr. 20: Huff, Ko-lumne: Das anwaltliche Berufsrecht steht vor erhebli-chen Änderungen (1043); Nr. 24: Fischer, Anwalts-recht: Aktuelle Entwicklungen im Recht der Rechts-anwaltshaftung (1317).

Zeitschrift für Immobilienrecht (ZfIR) Nr. 1: Singbartl/Zintl, ZfIR-Report: Das Zusammenspiel von Rechts-anwalt und Notar beim Immobilienkaufvertrag (34).

Zeitschrift für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte(RENOpraxis) Nr. 1: Ecker, beA – Es ist da! Was müs-sen Kanzleimitarbeiter beachten? (2); Okon/Brackel-mann, Abrechnung gegenüber ausländischen Man-danten (inkl. Reverse-Charge-Verfahren) (7).

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht(ZGR) Nr. 6: Ziemons, Rechtsanwälte im Aufsichtsrat:im Dickicht von Berufsrecht, Aktienrecht und Corpora-te Governance Kodex (839).

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

VII

Wechseln auch Sie zu

WinMACS. Wir beraten

Sie unverbindlich:

09123 18 30 630

„Für die Software WinMACS haben wiruns schnell als die komfortabelste Lösungfür unsere Kanzlei entschieden.In unseren Berufsjahren haben wir andereProdukte kennengelernt. Einstimmig istfür uns WinMACS das mit Abstand besteProgramm auf dem Markt.“

[email protected] www.rummel-ag.de

Die Kanzleisoftware fürAnwälte und Anwaltsnotare

RECHTSANWÄLTE

RÖSSLER Rechtsanwälte Fürth

WinMACS Anwender seit 2015

(Fortsetzung von S. V)

DAI – VERANSTALTUNGSKALENDER

Veranstaltungen März – April 2017

Informationen und Anmeldung:Deutsches Anwaltsinstitut e.V., Tel.: 0234-97 06 40,E-Mail: [email protected], www.anwaltsinstitut.de

Agrarrecht

Die Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe

29.3.2017, Düsseldorf, RAK Düsseldorf

Arbeitsrecht

13. Forum Betriebsverfassungsrecht17.–18.3.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Typische Fehler bei der Kündigung: Form, Frist, Zu-gang, Anhörung, Betriebsrat1.4.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main), DAI-Ausbildungscenter

Fremdpersonaleinsatz5.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Bank- und Kapitalmarktrecht

Aktuelle Rechtsprechung und praktische Hinweise zumPassivgeschäft31.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Bau- und Architektenrecht

Berufung in Bausachen30.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Die 10 wichtigsten Themen bei der Abnahme8.4.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Erbrecht

Aktuelles zur Testamentsvollstreckung24.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Familienrecht

„Ich kann nicht arbeiten – was Familien- und Sozial-recht dazu sagen“ sowie „unterhaltsrechtliche Drei-ecksverhältnisse“: Fortbildungsplus zur 20. Jahres-arbeitstagung Familienrecht

30.3.2017, Köln, Maritim Hotel Köln

20. Jahresarbeitstagung Familienrecht

31.3.–1.4.2017, Köln, Maritim Hotel Köln

Schnittstellen Unterhaltsrecht und Arbeitsrecht

25.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Gewerblicher Rechtsschutz

Wettbewerbsrecht in der anwaltlichen Praxis von A bis Z

17.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

26.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Die neue Unionsmarke – Die wichtigsten Änderungenzur Gemeinschaftsmarke im Überblick

22.3.2017, Hamburg, Grand Elysée

Handels- und Gesellschaftsrecht

Ausgewählte Probleme des Personen- und Kapitalgesell-schaftsrechts: Fortbildungsplus zur 15. Gesellschafts-rechtlichen Jahresarbeitstagung

30.3.2017, Hamburg, Grand Elysée

15. Gesellschaftsrechtliche Jahresarbeitstagung

31.3.–1.4.2017, Hamburg, Grand Elysée

Informationstechnologierecht

Social Media und Datenschutz

26.4.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AKTUELLE HINWEISE

VIII

Das FortbilDungszertiFikatDer brak· Fachkompetenz sichtbar gemacht· Orientierung für Mandanten und potenzielle Mandanten· Zur Werbung auf Briefkopf, Homepage, Visitenkartenoder in Anzeigen

Weitere Informationen unter: www.brakfortbildungszertifikat.de

(Fortsetzung S. X)

AKZENTETRANSPARENZ – UND WAS SONST NOCH WICHTIG WIRD

Das neue Jahr verspricht berufspolitisch einiges anSpannung: In der auslaufenden Legislaturperiode gehenwichtige Gesetzesvorhaben auf die Zielgerade. Vorallem die Umsetzung der EU-Berufsanerkennungsricht-

linie betrifft die An-waltschaft. Hier stehtder Gesetzgeber un-ter hohem Zeitdruck,weil die Umsetzungs-frist bereits am 18.1.2017 endete und so-mit Sanktionen derEU drohen. Aberauch die Bundestags-wahl im Herbst wirftbereits ihre Schattenvoraus.

Manche Themen, andenen die BRAK imvergangenen Jahr ar-beitete, bleiben auchim neuen Jahr wich-tig. Die nachhaltigeSicherung der Quali-tät anwaltlicher Ar-

beit steht hierbei an vorderster Stelle – und dazu zählenauch die Gewinnung qualifizierten Nachwuchses beiden Rechtsanwaltsfachangestellten und die Förderungdes juristischen Nachwuchses. Mit Projekten wie demAzubi-Portal „recht clever“, dem Referendar-Ausbil-dungsmodul ELAN-Ref Berufsrecht und dem SoldanMoot Court wird die BRAK sich auch weiterhin engagie-ren und unterstützend einbringen.

Ein Thema aber ist im Zuge der Umsetzung der Berufs-anerkennungsrichtlinie neu aufs Tapet gekommen: dievermeintliche Auskunftspflicht der BRAK nach dem In-formationsfreiheitsgesetz (IFG). Zuletzt hatte der Rechts-ausschuss des Deutschen Bundestags laut überlegt,klarstellend die BRAK vom Anwendungsbereich des IFGexplizit auszunehmen. „Skandal: Intransparenz für dieBRAK per Gesetz!“ brüllten daraufhin manche.

Bisweilen hilft ein genauer Blick: Was hat es damit ei-gentlich auf sich? Das IFG gäbe jedermann einen Aus-kunftsanspruch gegenüber Behörden des Bundes, sons-tigen Bundesorganen und -einrichtungen, soweit sie öf-fentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.Das ist wichtig – denn der Bürger soll erfragen können,was die mit seinen Steuern finanzierte Verwaltung tut.

Indes: Die BRAK ist keine Behörde. Sie ist Selbstverwal-tungsorgan und Interessenvertretung der Anwaltschaft.

Sie ist Körperschaft des öffentlichen Rechts, um alsDachorganisation der regionalen Rechtsanwaltskam-mern sachgemäß agieren zu können. Finanziert wirdsie nicht aus Steuermitteln, sondern aus Beiträgen derregionalen Kammern. Und nicht zuletzt: Die BRAK unter-liegt lediglich einer Rechtsaufsicht – und damit einer be-schränkten Unterrichtungspflicht gegenüber der Auf-sichtsbehörde –, weil sie Selbstverwaltungsorgan einesverfassungsrechtlich besonders gebundenen Berufs ist.Wieso sollten dann Dritte qua IFG weitergehende Aus-kunftsrechte haben? Das IFG gibt nämlich nicht etwanur den Mitgliedern der BRAK ein Recht auf Auskunft,sondern jedermann. Nur nebenbei bemerkt: Ihre Mit-glieder – die regionalen Rechtsanwaltskammern – ha-ben sich bislang nicht über mangelnde Transparenz be-klagt. Und auch die allerwenigsten Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte als Mitglieder der regionalen Kam-mern beschwerten sich bislang darüber.Transparenz ist der BRAK ein wichtiges Anliegen. Sie in-formiert daher über alles, was für die Anwaltschaft unddie Öffentlichkeit bedeutsam ist – und nimmt dies auchim neuen Jahr ernst. Über allem stehen aber Geheimhal-tungspflichten zum Schutze unserer Mandantschaft undinterner berufspolitischer Entscheidungsprozesse. Sie dür-fen durch Auskunftsansprüche Dritter nicht ausgehebeltwerden. Mit gutem Grund haben daher einige Bundes-länder die regionalen Rechtsanwaltskammern von derAnwendung ihres Landes-IFG ausgenommen. Ich weiß:Auch das IFG sieht Ausnahmen für geheimhaltungs-bedürftige Informationen vor und schützt Entscheidungs-prozesse. Solche Informationen auszufiltern – also ganzkonkret: abzugrenzen, was geheimhaltungspflichtig bzw.-bedürftig und aus Akten und Protokollen zu schwärzenist, bevor diese an Dritte herausgegeben werden – istschwierig und arbeitsintensiv. Sollen die Ressourcen derBRAK wirklich hierfür verwendet werden müssen?Ich meine: Nein! Es gibt viele wichtige berufspolitischeAnliegen, für die der BRAK ausreichend Schlagkraft blei-ben muss. Zu allererst muss eine qualitativ hochwertigeRechtsberatung sichergestellt bleiben. Das ist das be-rufspolitische Anliegen – denn es gilt, die Rechtsuchen-den vor unqualifizierter Beratung aus dem In- und Aus-land zu schützen, auch wenn manche Akteure dies imZuge der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtliniezu unterminieren versuchten. Und es ist auch ein ganzkonkretes Anliegen für unsere tägliche Mandatsarbeit.In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erfolgreichesneues Jahr!

Ihr

Ekkehart Schäfer

AKZENTE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

1

BRAKMITTEILUNGEN

FEBRUAR 2017 • AUSGABE 1/201748. JAHRGANG

Ekkehart Schäfer

AUFSÄTZEDAS FACHANWALTSRECHT IN DER RECHTSPRECHUNG DESSENATS FÜR ANWALTSSACHEN DES BGH IM JAHR 2016RECHTSANWALT PROF. DR. MICHAEL QUAAS, M.C.L.*

In Heft 1 der BRAK-Mitteilungen der vergangenen zehnJahre ist an dieser Stelle in aller Regelmäßigkeit einAufsatz des Autors zur Rechtsprechung des Anwalts-senats erschienen, dem der Autor während dieser Zeitals anwaltliches Mitglied angehörte. Für das Jahr2017 wird davon abgesehen: Die Anzahl der grund-legenden Entscheidungen des Anwaltssenats im Jahr2016 ist nicht so ergiebig, dass sie einen eigenen Jah-resbericht rechtfertigt. Der nachfolgende Beitrag be-fasst sich ausschließlich mit der Rechtsprechung desAnwaltssenats zum Fachanwaltsrecht, das im Jahr2016 eine erhebliche Weiterentwicklung erfahren hat.

I. ALLGEMEINES

1. FORMALISIERTES NACHWEISVERFAHRENDie Rechtsprechung des Anwaltssenats zum Fach-anwaltsrecht1 geht von der FAO als Grundlage eines„formalisierten Nachweisverfahrens“ aus.2 Das in § 43cI und II BRAO vorgesehene Anerkennungsverfahren seinicht auf die individuelle Ermittlung des Wissens undder Fähigkeiten des einzelnen Bewerbers im Fachgebietdurch eine mehr oder minder umfassende schriftlicheund/oder mündliche Prüfung des Rechtsanwalts aus-gerichtet. Vielmehr sei die Kompetenz des Fachausschus-ses auf eine Prüfung der von dem Rechtsanwalt vorzu-legenden Nachweise in formeller Hinsicht beschränkt.

Die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung sei also„weitgehend formalisiert“.3 Die in § 43c II BRAO vor-gesehene „Prüfung“, die der Fachausschuss als Entschei-dungsgrundlage für den Vorstand der RAK vornehme,stelle damit – bezogen auf die Anforderungen für denErwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse undpraktischen Erfahrungen (§§ 4, 5 FAO) – eine „formali-sierte Vollständigkeitsprüfung“ der von dem Antragstel-ler (nach § 6 FAO) vorzulegenden Unterlagen dar. DerFachausschuss sei deshalb nicht befugt, die fachlicheQualifikation des Bewerbers inhaltlich zu prüfen.4

2. DER FACHANWALTSTITELDie Verleihung des Fachanwaltstitels ist nach derRechtsprechung des Anwaltssenats ein (begünstigen-der) Verwaltungsakt (VA), der – unter den Vorausset-zungen des § 43c IV BRAO – widerrufen werden kann.Der Fachanwaltstitel – die Befugnis zum Führen derFachanwaltsbezeichnung – und die Zulassung zum Be-ruf des Rechtsanwalts sind nach Auffassung des Se-nats untrennbar miteinander verbunden. Hat ein Fach-anwalt seine Rechtsanwaltszulassung, etwa infolge Wi-derrufs, (bestandskräftig) verloren, erlischt damit auchdie Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeich-nung. Der Fachanwaltstitel lebt also nicht nach etwai-ger erneuter Zulassung wieder auf.5 Daraus folgt,dass ein Bewerber bei Wiederzulassung zur Rechts-anwaltschaft die Verleihung der Fachanwaltsbezeich-nung neu beantragen muss.6

Allerdings hat der Senat nunmehr in seinem Urteil vom11.1.20167 festgestellt, dass ein solcher Antrag desBewerbers nach erfolgter Wiederzulassung zur Rechts-anwaltschaft „ohne weiteres“ Erfolg haben muss, wennder Antragsteller nachweist, dass er in der Zwischen-zeit weiterhin seiner Fortbildungspflicht nach § 15FAO genügt hat. Zur Begründung führt der Senat– im Anschluss das BVerfG8 – aus, das Berufsrecht er-halte derzeit keine Regelung, nach der die einmal er-worbene berufspraktische Qualifikation allgemeinoder hinsichtlich des Fachgebiets allein durch Aus-scheiden aus dem Anwaltsberuf oder durch Zeiten be-ruflicher Untätigkeit erlösche. Solange die FAO keineentgegenstehende Regelung enthalte, müsse dem Be-werber der Fachanwaltstitel erneut verliehen werden.

II. FALLBEGRIFF UND FALLBEARBEITUNG

1. ALLGEMEINES§ 43c I 1 BRAO setzt für das Führen einer Fachanwalts-bezeichnung materiell voraus, dass der Rechtsanwalt„besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einemRechtsgebiet erworben hat“. Die Bestimmung dientder Gewährleistung der besonderen Fachkompetenzund gibt damit einen bestimmten „Fachanwaltsstan-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

2

* Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie für Medi-zinrecht in Stuttgart. Er ist mit Wirkung vom 1.4.2016 nach zehnjähriger Amtszeitals anwaltlicher Beisitzer aus dem Senat für Anwaltssachen des BGH ausgeschie-den.

1 Vgl. dazu u.a. Quaas, in FS Karl Eichele, 2013, 308 ff.2 Zur grundlegend anderen Sicht der (2.) Satzungsversammlung, die die FAO mitWirkung vom 1.1.2003 novellierte, vgl. u.a. Quaas, BRAK-Mitt. 2014, 122 ff.

3 BGH, st.Rspr. seit BRAK-Mitt. 1997, 255; BRAK-Mitt. 2003, 25; BRAK-Mitt. 2005,123.

4 BGH, BRAK-Mitt. 2005, 123; BRAK-Mitt. 2006, 131; s.a. Quaas, in BRAK-Mitt.2013, 7 (15 f.).

5 Vgl. i.E. BGH, BRAK-Mitt. 2012, 242.6 So jetzt BGH, BRAK-Mitt. 2016, 139; a.M. Offermann-Burckart, NJW 2015, 380(381).

7 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 139.8 BVerfG, NJW 2015, 394; diese Entscheidung hat das Urteil des Anwaltssenats v.2.7.2012 (BRAK-Mitt. 2012, 242) aufgehoben.

dard“9 vor, der den Fachanwalt vom „Allgemeinanwalt“nach § 3 I BRAO unterscheidet.10 Wie dieser Fach-anwaltsstandard auszufüllen ist, ergibt sich aus dergem. § 59b I, II Nr. 2 lit. b BRAO erlassenen FAO:

§ 5 FAO regelt die Anforderungen an den Erwerb der be-sonderen praktischen Erfahrungen. Der Bewerber musseine bestimmte Anzahl von Fällen nachweisen, die er in-nerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung persön-lich und weisungsfrei als Rechtsanwalt bearbeitet hat.Unter „praktische Erfahrung“ versteht die FAO damitdas Erfahrungswissen, das durch die Fallbearbeitung inder anwaltlichen Praxis gesammelt wird.11

2. FALLBEGRIFF

a) KEINE DEFINITION IN DER FAODie FAO selbst enthält keine Definition des Fallbegriffs.Darauf hat die Satzungsversammlung bewusst verzich-tet und die Klärung der Rechtsprechung überlassen.12

Der Anwaltssenat ist dieser Aufgabe nachgekommenund versteht unter dem Begriff „Fall“ im Sinne derFAO die juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Le-benssachverhalts, der sich von anderen Lebenssach-verhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurtei-lenden Tatsachen und die Beteiligten verschiedensind.13 Fall ist also der Lebenssachverhalt, wie er vomMandanten an den Rechtsanwalt zur Bearbeitung an-getragen und von diesem dann „vom Anfang bis zumEnde“ – außer- und sodann gerichtlich – bearbeitetwird. Grundsätzlich unerheblich ist, ob die Bearbeitungin mehreren gerichtlichen Instanzen erfolgte.14 Erfor-derlich ist auch nicht, dass der Rechtsanwalt den ge-samten Fall von Anfang bis Ende bearbeitet hat. Auch„Fragmente“15 können eine Fallbearbeitung darstellen.Wie umfangreich sich die Bearbeitung gestaltete, istebenso unerheblich wie die Frage, ob der Fall von einerMehrzahl in einer größeren Kanzlei angestellterRechtsanwälte bearbeitet wurde.16

Der Fallbegriff und seine Beziehung zum Nachweis der„praktischen Erfahrung“ setzen aber voraus, dass derBearbeitungsschwerpunkt des Falls (einer Akte) indem jeweiligen Rechtsgebiet gelegen haben muss. Da-für ist erforderlich – aber auch ausreichend –, wennfür die Bearbeitung des Falls eine Frage aus dem jewei-ligen Fallgebiet (etwa als Anspruchs- oder Regelungs-grundlage) erheblich war oder wenigstens hätte erheb-lich sein können.17 Wirft ein Fall Rechtsfragen aus ver-schiedenen Fachgebieten auf, kommt es für die

Zuordnung zu einem Fachgebiet darauf an, welchesGewicht diesem Gebiet für die juristische Aufarbeitungdes Falls insgesamt zukommt.18

b) BESCHLUSS DES BGH VOM 27.4.2016Mit Beschluss vom 27.4.201619 hält der Anwaltssenatan seiner Auffassung fest, wonach ein Fall nur einfachzählt, auch wenn sich das Mandat auf mehrere ge-richtliche Instanzen erstreckt und entsprechend betrie-ben wird. Die Entscheidung betrifft die Verleihung derBezeichnung „Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkt-recht“. § 5 I lit. s FAO setzt voraus, dass der Antrag-steller innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstel-lung im Fachgebiet als Rechtsanwalt persönlich undweisungsfrei 60 Fälle, davon mindestens 30 rechts-förmliche Verfahren bearbeitet hat.

Ob die insoweit vorgelegten Unterlagen zum Nachweisausreichen, ist nach Ansicht des BGH als Rechtsfragegerichtlich uneingeschränkt überprüfbar. Das sei bei ei-ner Fallzahl von 55,5 nicht der Fall. Dass der KlägerMandanten zusätzlich auch in einzelnen Rechtsmittel-verfahren vertreten habe, ändere daran nichts. Nachder ständigen Senatsrechtsprechung zähle ein Fall stetsnur einfach, auch wenn er sich auf mehrere gerichtlicheInstanzen erstrecke.20 Gegebenenfalls könnten solcheVerfahren i.R.d. § 5 IV FAO höher als mit 1 gewichtetwerden. Eine erweiternde Auslegung des Fallbegriffsscheide aber insoweit aus.

c) FALLBEARBEITUNGVom Vorliegen eines „Falls“ ist die Fallbearbeitung zuunterscheiden. Nach § 5 S. 1 FAO muss der Antrag-steller den Fall persönlich und weisungsfrei als Rechts-anwalt bearbeitet haben. Die Bestimmung geht davonaus, dass nur ein weisungsfrei und eigenverantwortlichtätiger Rechtsanwalt genügend Erfahrungen sammelnkann, um später als Fachanwalt kompetent auftretenzu können.

Daran knüpft der Anwaltssenat im Beschluss vom27.4.2016 an, wenn er ergänzend ausführt, dass derKläger mangels Postulationsfähigkeit die Einlegungder Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH nicht als„persönliche und weisungsfreie Bearbeitung“ anführenkönne. Der Umstand, dass ein (zivilrechtliches) Verfah-ren in die dritte Instanz gelangt ist, könne daher wederzu einem „neuen“ Fall noch zu einer Berücksichtigungbei der Fallbearbeitung führen.

3. GEWICHTUNG

a) ALLGEMEINESVom Fall und dessen Bearbeitung ist die Frage der Ge-wichtung deutlich zu trennen. Nach § 5 IV FAO könnenBedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fällezu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung führen.Dementsprechend können der Fachausschuss oder

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

3

9 Quaas, BRAK-Mitt. 2006, 265 (266).10 Vgl. dazu Stobbe, in: DAV, Anwälte und ihre Geschichte, 2011, 843 ff.11 Quaas, BRAK-Mitt. 2006, 265 f.12 Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 5. Aufl. 2012, § 5 Rn. 42; Offermann-Burckart,Fachanwalt werden und bleiben, 3. Aufl. 2012, Rn. 474.

13 BGH, st.Rspr. u.a. BRAK-Mitt. 2006, 131; NJW 2004, 2748; NJW 2006, 1513;BRAK-Mitt. 2009, 177.

14 BGH, AnwBl. 199, 563; 2010, 798; s.a. Offermann-Burckart, Fachanwalt werdenund bleiben, Rn. 474.

15 So Hartung/Scharmer, § 5 FAO Rn. 42, 54; Offermann-Burckart, Fachanwalt wer-den und bleiben, Rn. 474.

16 So Hartung/Scharmer, § 5 FAO Rn. 42, 55.17 BGH, NJW 2001, 976; NJW 2006, 1513.

18 BGH, BRAK-Mitt. 2009, 177 (Erbrecht).19 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 299.20 BGH, u.a. BRAK-Mitt. 1999, 230 (231) und NJW-RR 2011, 279.

QUAAS, FACHANWALTSRECHT IN DER RECHTSPRECHUNG DES SENATS FÜR ANWALTSSACHEN IM JAHR 2016

auch der Antragsteller selbst einzelne, in der Fall-Listegem. § 6 III FAO aufgeführte Fälle mit einem anderenFaktor als 1 bewerten. Die Entscheidung darüber trifftder Kammervorstand.

b) PRÜFUNGSMASSSTAB: DURCHSCHNITTSFALLIn dem grundlegenden Urteil vom 8.4.201321 ging es– zunächst – um die Verfassungsmäßigkeit der Ge-wichtungsregelung des § 5 IV FAO. Die Vorinstanz22

war der Auffassung, § 5 IV FAO verstoße gegen dieGrundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und desGleichheitssatzes (Art. 3 I GG). Insbesondere sei, soder AGH, das „völlige Fehlen von Gewichtungskriterienund Grenzen der Gewichtungen“ mit dem Grundsatzder Vorhersehbarkeit (Bestimmtheit) der Ermächti-gungsgrundlage unvereinbar.Der Anwaltssenat ist dieser Argumentation nicht ge-folgt. Die Vorschrift sei hinreichend bestimmt, da sämt-liche Gewichtungskriterien in § 5 IV FAO genannt undeiner gleichheitskonformen Handhabung zugänglichseien. Allerdings sei § 5 IV FAO – entgegen seinemWortlaut – keine Ausnahmebestimmung. Jeder ein-gereichte Fall sei darauf zu überprüfen, ob eine Minder-oder Höhergewichtung angezeigt sei.23 Maßgeblich seidas Gesamtgewicht aller Fälle. § 5 I FAO gehe von Fäl-len durchschnittlichen Gewichts aus. Eine Höher- oderMindergewichtung komme nur in Betracht, wenn trag-fähige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Fall au-ßerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Fallsliege. Der durchschnittliche Fall ist damit keine punkt-genaue Größe, bildet aber die Regel, die dem Fallnach-weis nach §§ 5 I, 6 III FAO zugrunde liegt.

c) URTEIL DES BGH VOM 28.11.2016Mit Urteil vom 28.11.201624 knüpft der Anwaltssenatan die im Grundsatzurteil vom 8.4.2013 aufgestelltenRechtssätze zur Höher- oder Mindergewichtung imRahmen des § 5 IV FAO an, die „im Anschluss an dieErmittlung der berücksichtigungsfähigen Fälle“ vorzu-nehmen sei.25

Das Urteil betrifft den Fachanwalt für Urheber- undMedienrecht, der u.a. fünf Fälle aus dem in § 14jNr. 3 FAO bestimmten Recht der öffentlichen Wort-und Bildberichterstattung bearbeitet haben muss.Drei der hierzu angegebenen Fälle hatte die Beklagteanerkannt, allerdings nur mit dem Faktor 1; der Klägerhatte eine Höhergewichtung mehrerer Fälle (Faktor 2bzw. 3) begehrt. Dem hat der Anwaltssenat nicht ent-sprochen.

d) KRITIKDie Vorgehensweise des Anwaltssenats kann nicht inallen Punkten überzeugen: Zu Recht geht der BGH da-

von aus, dass die Klärung, ob ein (eigenständiger) Fallvorliegt, der Frage einer abweichenden Gewichtungvorgeschaltet ist.26 Bezugspunkte für die Gewichtungsind die Bedeutung, der Umfang und die Schwierigkeitdes jeweiligen Falls, nicht einzelner Bearbeitungsteile(-schritte).

Das übersieht der BGH hinsichtlich der Gewichtungdes Falls 94. Darin hatte der Kläger seinen Mandantensowohl in Bezug auf eine Abmahnung und den Antragauf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegenüberdem Betreiber einer Internetseite als auch in Bezugauf einen Gegendarstellungsanspruch gegenüber derLokalpresse beraten, über deren Berichterstattung dieInternetseite informierte. Das legt es nahe, bei solchengegen unterschiedliche Gegner gerichteten Ansprü-chen, die auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen be-ruhen, von zwei Fällen auszugehen, da sowohl die zubeurteilenden Tatsachen als auch die Beteiligten ver-schieden sind.27

In Fällen der vorliegenden Art drängt sich die Durch-führung eines Fachgesprächs nach § 7 FAO auf. Eskommt als ergänzende Beurteilungsgrundlage für dieFälle in Betracht, in denen die Voraussetzungen nachden §§ 4–6 FAO nicht bereits durch schriftliche Unter-lagen nachgewiesen sind. Die Voraussetzungen dafürsind zwar höchst umstritten.28 Im vorliegenden Falldürfte ein zum Fachgespräch berechtigender „Zweifels-fall“ bereits deshalb anzunehmen sein, weil mit sehrguten Gründen die – entscheidungserhebliche – An-nahme des Senats, der Kläger habe das Fallquorumgem. §§ 5 I lit. q S. 2, 14j Nr. 3 FAO nicht erreicht, hin-terfragt werden kann: Nimmt man für den Fall 94 zweiFälle an, ist das Fallquorum erreicht. Dieses Ergebniskonnte der BGH nur dadurch vermeiden, dass er imRahmen seiner gerichtlichen Überprüfung einen ande-ren Fall herabgewichtete.

III. FACHGESPRÄCH

Das Fachgespräch soll nach einer vom Anwaltssenatverwendeten Formel dazu dienen, „dem Prüfungsaus-schuss in Zweifelsfällen Klarheit darüber zu verschaf-fen, ob der Antragsteller tatsächlich den Anforderun-gen genügt, die an die Verleihung der Fachanwalts-bezeichnung zu stellen sind“.29

1. ALLGEMEINESNach § 7 I FAO „führt“ der Ausschuss zum Nachweisder besonderen theoretischen Kenntnisse oder derpraktischen Erfahrungen ein Fachgespräch. Er kann je-doch davon absehen, wenn er seine Stellungnahme ge-genüber dem Vorstand hinsichtlich der besonderen

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

4

21 BGH, BRAK-Mitt. 2013, 135; dazu krit. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2013,135; dies. BRAK-Mitt. 2014, 114 ff.

22 Nieders. AGH, BRAK-Mitt. 2011, 292.23 BGH, BRAK-Mitt. 2013, 135 Rn. 30.24 BGH, Urt. v. 28.11.2016 – AnwZ (Brfg) 53/15.25 BGH, Urt. v. 28.11.2016 – AnwZ (Brfg.) 53/15 Rn. 15 unter Verweis auf BGH,BRAK-Mitt. 2013, 135.

26 Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 5 FAORn. 97 m.w.N.

27 BGH, BRAK-Mitt. 2006, 133; NJW 2004, 2748; Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 5Rn. 12.

28 Vgl. zum Ganzen nur Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 7 FAO Rn. 74 ff. m.w.N.29 BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104.

QUAAS, FACHANWALTSRECHT IN DER RECHTSPRECHUNG DES SENATS FÜR ANWALTSSACHEN IM JAHR 2016

theoretischen Kenntnisse oder der besonderen prakti-schen Erfahrungen nach dem Gesamteindruck der vor-gelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen auchohne ein Fachgespräch abgeben kann.

Nach dem Wortlaut sowie der Intention des § 7 I FAOist damit das Fachgespräch regulärer Bestandteil des(obligatorischen) Nachweisverfahrens. Es tritt als wei-teres Erkenntnismittel selbstständig neben die vom An-tragsteller vorzulegenden Nachweise. Durch die Neu-fassung der §§ 2 I, 6 und 7 FAO zum 1.1.2003 solltesich allerdings de facto an dem bisherigen Regel-Aus-nahme-Verhältnis (Ausnahme: Fachgespräch; Regel:kein Fachgespräch) nichts ändern.30

2. AUFFASSUNG DES ANWALTSSENATSDer Anwaltssenat des BGH ist dieser Interpretation von§ 7 I FAO entgegengetreten. Er hält an seiner zu § 7FAO a.F. vertretenen Auffassung fest, das Fachgesprächerlange Bedeutung nur als ergänzende Beurteilungs-grundlage für die Fälle, in denen die Voraussetzungennach den §§ 4–6 FAO nicht bereits durch schriftlicheUnterlagen nachgewiesen seien.31 Das Fachgesprächhat danach „bei verfassungskonformer Auslegung“ des§ 7 FAO ausschließlich die Funktion, die bei der Prüfungder Nachweise nach § 6 FAO festgestellten Defiziteauszugleichen, ohne sie „zu ersetzen“.32 Pointiert formu-liert er:33 „Danach darf bei einer nicht erfolgreichenLehrgangsteilnahme nicht ein Fachgespräch mit demZiel geführt werden, eine oder mehrere nicht bestande-ne Klausuren auszugleichen, um auf diesem Weg dasDefizit der nicht erfolgreichen Lehrgangsteilnahmedurch ein Fachgespräch zu ersetzen.“

Qualitative Lücken, die sich aus Sicht des Fachausschus-ses aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten Nach-weise ergeben, können somit im Fachgespräch nichtausgeglichen werden. Letztlich geht es dabei nur umdie Beseitigung von „Unklarheiten“, die den vorgelegtenNachweisen selbst anhaften. Diese begrenzte Funktiondes Fachgesprächs beruht nach Auffassung des An-waltssenats darauf, dass die maßgebenden Rechts-grundlagen für die BRAO (§ 43c I, II BRAO) nicht aufeine individuelle Ermittlung des Wissens und der Fähig-keiten des einzelnen Bewerbers im Fachgebiet durcheine (schriftliche oder mündliche) Prüfung des Rechts-anwalts ausgerichtet sind, sondern die Kompetenz desFachausschusses auf eine Prüfung der von dem Rechts-anwalt vorgelegten Nachweise beschränken.

3. BESCHLUSS DES BGH VOM 21.1.2016An dieser Auffassung hält der BGH auch im Beschlussvom 21.1.201634 fest:

a) ALTERNATIVER NACHWEISDer Fall betraf den Fachanwalt für Bank- und Kapital-marktrecht, dessen Verleihung die Beklagte wegendes fehlenden Nachweises besonderer theoretischerKenntnisse abgelehnt hat. Anstelle einer Teilnahme-bescheinigung an einem Lehrgang (§ 4 I FAO) hatteder Kläger es als ausreichend angesehen, das Schrei-ben einer Kollegin vorzulegen, die dem Bewerber be-scheinigte, durch vielfältiges Hervortreten bei Impuls-referaten, Urteilskommentierungen und theoretischenErörterungen zu einzelnen Themenbereichen des Bank-und Kapitalmarktrechts sowie durch Fachaufsätze dienötige theoretische Qualifikation für den erstrebtenFachanwaltstitel zu besitzen. Zusätzlich legte der Klä-ger eine Liste von Veröffentlichungen vor, um so dieAnforderungen der „außerhalb eines Lehrgangs erwor-benen“ Qualifikation i.S.d. § 4 III FAO nachzuweisen.

b) BGH: NACHWEIS NICHT ERBRACHTDer BGH hielt diese „Beweisführung“ für unzureichend:Zwar lasse es die FAO zu, dass die erforderlichen be-sonderen theoretischen Kenntnisse auch außerhalb ei-nes Fachlehrgangs nachgewiesen werden können (§ 4III FAO). Dafür sei jedoch die Vorlage von Zeugnissen,Leumundsbescheinigungen oder anderen schriftlichenUnterlagen erforderlich, die belegen, dass der Rechts-anwalt auf dem von ihm gewählten Weg sich das Wis-sen hat aneignen können, das in dem jeweiligen Fach-lehrgang vermittelt wird. Um der Gefahr des Miss-brauchs zu begegnen, bedürfe es bei der Vorlage vonStellungnahmen von Richtern, Staatsanwälten oderRechtsanwälten einer größeren Anzahl entsprechenderStellungnahmen. Nur so ließe sich mit hinreichender Si-cherheit feststellen, ob der Antragsteller allgemein alsSpezialist auf dem besagten Fachgebiet anerkannt ist.Die Vorlage nur einer einzelnen Stellungnahme seinicht ausreichend.Soweit zusätzlich Veröffentlichungen für den Nachweisnach § 4 III FAO vorgelegt würden, müssten sie eine ei-nem Lehrgang vergleichbare Qualität aufweisen unddarüber hinaus grundsätzlich alle Bereiche des jewei-ligen Fachgebiets erfassen. Auch insoweit habe derKläger den erforderlichen Nachweis nach § 4 III FAOnicht erbracht.

c) BGH: KEIN FACHGESPRÄCHDa, wie § 7 I 1 FAO zeigt, zum Nachweis der „beson-deren theoretischen Kenntnisse“ auch ein Fach-gespräch in Betracht kommt, prüft der Senat abschlie-ßend, ob der Vorprüfungsausschuss der Beklagten da-von zu Recht abgesehen hat:Insoweit hält der Senat daran fest, dass Fachgesprä-che auch bei Defiziten im Nachweis theoretischerKenntnisse im Anwendungsbereich des § 4 III FAO zu-lässig sein können.35 Im Hinblick auf seine lediglich er-gänzende Funktion als Nachweis besonderer theoreti-scher Kenntnisse scheide ein Fachgespräch aus, wenn

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

5

30 Zur Auffassung der (2.) SV zu § 7 FAO vgl. Quaas, BRAK-Mitt. 2014, 122 ff.31 Vgl. die – in den Begründungen z.T. wechselvolle – „Rechtsprechungsgeschichte“des Anwaltssenats, nachgezeichnet bei Hartung/Scharmer, § 7 FAO Rn. 26–32.

32 BGH, BRAK-Mitt., 2007, 167.33 BGH, NJW 2008, 3496 (3497).34 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 75. 35 So bereits BGH, NJW 2008, 3496; NJW-RR 2012, 1525.

die vom Antragsteller im Rahmen des § 4 III FAO vor-gelegten Unterlagen unzureichend seien und deshalbkein – lediglich partieller – Klärungsbedarf bestehe.36

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat dieNotwendigkeit der Durchführung eines Fachgesprächsverneint. Entsprechend den Feststellungen des AGH seimit den von dem Kläger vorgelegten Veröffentlichun-gen der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnis-se in den Bereichen des § 14 I Nr. 3, 4, 6, 8 und 10FAO nicht erbracht. Daran könne auch ein Fach-gespräch nichts ändern, da es als lediglich ergänzendeBeurteilungsgrundlage nur einige wenige Nachweis-mängel kompensieren könne.

d) STELLUNGNAHMEEs ist hier nicht der Ort, die Rechtsprechung des An-waltssenats zum Fachgespräch nach § 7 FAO einergrundsätzlichen Kritik hinsichtlich der Voraussetzun-gen und den Möglichkeiten eines Fachgesprächs zuunterziehen.37 Festzuhalten bleibt – auch in Ansehungder Rechtsprechung des Senats im Jahr 2016 –, dassdie dafür aufgestellten Hürden nicht nur sehr hoch,sondern in praxi unüberwindlich sind. Entsprechendist dem Autor kein Fall bekannt, in dem es einem Be-werber gelungen ist, mit Hilfe eines Fachgesprächsnach § 7 FAO den erforderlichen Nachweis zur Erlan-gung des Fachanwaltstitels zu erbringen. Das alleinsollte ausreichen, um Zweifel an der Richtigkeit der In-terpretation des Senats zu § 7 I 1 FAO zu begründen,der lautet: „Zum Nachweis der besonderen theoreti-schen Kenntnisse oder der praktischen Erfahrungenführt der Ausschuss ein Fachgespräch.“

Da nach der Rechtsprechung des Senats ein Fach-gespräch nur als „ergänzende Beurteilungsgrundlage“für die Fälle in Betracht kommt, in denen die schriftli-chen Unterlagen nicht ausreichen, muss ein Fach-gespräch bei Nichterreichen des sich aus § 5 I FAOim Einzelfall ergebenden Fallquorums stets ausschei-den. Der Nachweis ist nicht geführt, wenn die gefor-derte Anzahl der Fälle von vornherein – und sei esauch nur geringfügig – unterschritten ist. Eine „Korrek-tur“ ist bei Unterschreiten der Fallzahl nur möglich,wenn eine „Höhergewichtung“ der Fälle in Betrachtkommt. Ist das der Fall, wird das entsprechende Quo-rum erreicht, so dass der Fachanwaltstitel verliehenwerden muss. Wird dagegen – wie im Urteil vom28.11.2016 – das geforderte Quorum von 80 Fällennur um 0,5 verfehlt, ist der Antrag abzulehnen.

In der Praxis ist deshalb allenfalls der (unzureichende)Nachweis nach § 4 III FAO ein Anwendungsfall desFachgesprächs. Allerdings hängt der Senat durch denBeschluss vom 21.1.2016 wiederum die Messlattesehr hoch. Das liegt an der in § 4 III FAO gefordertenÄquivalenz der anderweitig erworbenen besonderentheoretischen Kenntnisse mit den Lehrinhalten. Müs-sen sie, so der Senat, nahezu alle Materien erfassen,

die Gegenstand eines Lehrgangs sind, dürfte es demBewerber zu empfehlen sein, nicht entsprechend viele,wissenschaftlich ausgewiesene Fachaufsätze zu verfas-sen, sondern sogleich an einem Fachlehrgang teil-zunehmen.

IV. VERLETZUNG DER FORTBILDUNGSPFLICHT

1. ALLGEMEINESNach § 43c IV 2 BRAO kann die Erlaubnis zum Führeneiner Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden,wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Fort-bildung unterlassen wird. § 15 FAO bestimmt hierzu,dass der Fachanwalt kalenderjährlich auf seinem Fach-gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezi-fischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Ver-anstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss,wobei die Gesamtdauer der Fortbildung 15 Zeitstun-den nicht unterschreiten darf. Die Erfüllung der Fortbil-dungsverpflichtung ist der RAK unaufgefordert nach-zuweisen.

§ 15 FAO konkretisiert damit die für jeden Rechts-anwalt geltende Grundpflicht zur Fortbildung nach§ 43a VI BRAO. Dadurch soll erreicht werden, dassder Fachanwalt über die besonderen theoretischenKenntnisse und praktischen Erfahrungen, die er bei Be-antragung des Fachanwaltstitels nachweisen musste,dauerhaft verfügt. Es gilt also nicht das Prinzip: einmalFachanwalt, immer Fachanwalt!38 Insoweit kann dieherausgestellte besondere Qualifikation des Rechts-anwalts für das Fachgebiet – wie der BGH zu Rechtfeststellt39 – nur dahin verstanden werden, dass derFachanwalt über einen seinem Niveau entsprechendenWissensstand nicht nur bei Erwerb der Fachanwalts-bezeichnung, sondern auch später verfügen muss.§ 15 FAO bezweckt darüber hinaus die Sicherstellungeines einheitlichen Qualitätsstandards für alle Fach-anwälte.40

2. URTEIL DES BGH VOM 20.6.2016Das Urteil des BGH vom 20.6.201641 befasst sich mitzwei grundlegenden Fragestellungen: Sind die Bestim-mungen der § 43c IV 2 BRAO, § 15 FAO verfassungs-gemäß (a)? Welche Anforderungen sind an eine wis-senschaftliche Publikation i.S.v. § 15 FAO zu richten(b)?

a) VERFASSUNGSMÄSSIGKEIT DER § 43C IV 2 BRAO,§ 15 FAOAnlass zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit derBestimmungen über die Fortbildung des Fachanwaltsgem. § 43c IV 2 BRAO, § 15 FAO bestand nicht nurim Hinblick auf diesbezügliche, den Gleichbehand-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

6

36 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 75 Rn. 13.37 Dazu u.a. Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 7 FAO Rn. 46 ff., 77 ff.

38 Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 15 FAO Rn. 8.39 BGH, BRAK-Mitt. 2005, 188.40 Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 15 FAO Rn. 8.41 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 248.

lungsgrundsatz des Art. 3 I GG betreffende Einwen-dungen des Klägers. Auch in der Literatur42 wirddanach gefragt, ob § 15 FAO mit der „besonderen“Fortbildungspflicht des Fachanwalts über eine ausrei-chende Ermächtigungsgrundlage verfügt. § 43c IV 2BRAO befasst sich lediglich mit dem möglichen Wider-ruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwalts-bezeichnung bei Verletzung der Fortbildungspflicht:

Der BGH geht zu Recht von einer hinreichenden gesetz-lichen Ermächtigungsgrundlage für die in § 15 FAO ver-ankerte Fortbildungspflicht des Fachanwalts aus. Be-rufsausübungsregelungen einschließlich derjenigen des§ 15 FAO können in Satzungen öffentlich-rechtlicher Be-rufsverbände enthalten sein. Das zulässige Ausmaß vonBeschränkungen der Berufsfreiheit hängt vom Umfangund Inhalt der den Berufsverbänden vom Gesetzgebererteilten Ermächtigung ab. Dieser muss bei Überant-wortung der Rechtsetzungskompetenz die durch Sat-zungsrecht möglichen Einschränkungen dann deutlichvorgeben, wenn die Berufsangehörigen in ihrer freienberuflichen Betätigung empfindlich beeinträchtigt wer-den. Davon könne bei den Vorgaben des § 15 FAOnicht ausgegangen werden, da hier nur Art und Um-fang der Fortbildungspflicht eines Fachanwalts näherbestimmt werden und jeder Rechtsanwalt nach § 43aVI BRAO zur Fortbildung verpflichtet sei.43

§ 15 FAO verstößt nach Auffassung des BGH auch in-haltlich nicht gegen die Verfassung, insbesonderenicht gegen Art. 3 I GG. Sachlich gerechtfertigt sei dieBeschränkung auf die dozierende oder hörende Teil-nahme an einer Fortbildungsveranstaltung oder daswissenschaftliche Publizieren unter Ausschluss andererdenkbarer Arten von Fortbildung. Zwar ist eine vertief-te Befassung mit dem jeweiligen Fachgebiet auch an-ders möglich. Der Fachanwalt kann mit Gewinn Fach-zeitschriften lesen und auswerten. Diese Tätigkeit fälltindessen schon unter die allgemeine Fortbildungs-pflicht des § 43a VI BRAO. Darüber hinaus lässt sichdie Frage, ob sich ein Fachanwalt angemessen fortbil-det, kaum anders als durch den Besuch einer Fortbil-dungsveranstaltung oder durch eine wissenschaftlichePublikation kontrollieren. Die Durchführung eines Fach-gesprächs oder die genaue Kontrolle, ob Veröffent-lichungen den wissenschaftlichen Anforderungen ge-nügen, setzt einen zusätzlichen Aufwand voraus, derin dem nach § 15 FAO formalisierten Verfahren nichtgeleistet werden muss. Auch insoweit erweist sich§ 15 FAO als sachgerecht und verhältnismäßig.44

b) WISSENSCHAFTLICHE PUBLIKATIONZum Nachweis der Erfüllung seiner Fortbildungspflichthatte ein Fachanwalt für Informationstechnologierechtauf mehrere Beiträge auf seiner Homepage verwiesen.Das genügt nach Auffassung des BGH nicht als wis-senschaftliche Publikation i.S.v. § 15 FAO:

Eine wissenschaftliche Publikation ist nach herkömm-lichem Verständnis eine schriftliche wissenschaftlicheArbeit, die von einem wissenschaftlichen Verlag zurVeröffentlichung angenommen und veröffentlich wor-den ist. Mögliche Formen der wissenschaftlichen Ver-öffentlichung sind danach insbesondere die in einemFachverlag veröffentlichte Monografie, der Beitrag ineinem Kommentar oder Lehrbuch und der in einer wis-senschaftlichen Zeitung, einem Tagungs- oder Sammel-band oder einer Festschrift veröffentlichte Artikel. DieArt der Veröffentlichung ist danach nicht vorgegeben.Publikationen in elektronischer Form sind möglich.

Unbeschadet dessen stellt nach Auffassung des BGH je-denfalls das Einstellen eines Artikels auf der eigenenHomepage des Fachanwalts keine wissenschaftliche Pu-blikation i.S.d. § 15 FAO dar. Zwar sei der Artikel aufder Homepage für die Öffentlichkeit zugänglich. Er seijedoch nicht nachhaltig verfügbar. Es stehe im freienBelieben des Inhabers der Homepage, ihn zu ver-ändern, ohne dies zu dokumentieren, oder den Artikelganz zu entfernen. Das habe zur Folge, dass er nichtwissenschaftlich verwertet werden könne. Insoweit wür-den die Mindestanforderungen, die an eine wissen-schaftliche Publikation zu stellen sind, bei der Einstel-lung von Beiträgen auf der Homepage nicht erfüllt.45

3. URTEIL DES BGH VOM 18.7.2016Das Urteil des Senats vom 18.7.201646 befasst sich er-neut mit den Anforderungen, die an die Fortbildungs-pflicht des Fachanwalts aus § 15 FAO zu richten sind.Der Kläger, ein Fachanwalt für Verkehrsrecht, besuchte2012 ein sechsstündiges Seminar über „Vernehmungs-lehre und Vernehmungstaktik“ und machte gegenüberder Beklagten geltend, damit sei er seiner Fortbildungs-verpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen. DieBeklagte war anderer Auffassung, ohne dies indessenin einem förmlichen Bescheid zum Ausdruck zu bringen.Daraufhin erhob der Kläger die Klage mit dem Ziel, dieBeklagte zu verpflichten, das von ihm besuchte Seminarals Fortbildungsnachweis i.S.d. § 15 III FAO anzuerken-nen. Hilfsweise beantragte er festzustellen, dass essich bei dem Seminar „Vernehmungslehre und Verneh-mungstaktik“ um eine anwaltliche Fortbildungsver-anstaltung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handele.

Der AGH hat die Klage abgewiesen. Der BGH gabdem Hilfsantrag statt. Nach seiner Auffassung bestehtkein Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungs-akt (a). Im Ergebnis sei aber das von dem Kläger be-suchte Seminar als geeignete Fortbildungsveranstal-tung anzuerkennen (b):

a) KEIN ANSPRUCH AUF „ANERKENNUNG“ EINERFORTBILDUNGSVERANSTALTUNGNach Auffassung des Senats gibt weder § 43c IV 2BRAO noch § 15 FAO eine (ausreichende) Ermächti-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

7

42 Vgl. ausf. Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 15 FAO Rn. 6 m.w.N.43 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 248 Rn. 10.44 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 248 Rn. 15.

45 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 248 Rn. 18; zust. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2016,251.

46 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 244.

QUAAS, FACHANWALTSRECHT IN DER RECHTSPRECHUNG DES SENATS FÜR ANWALTSSACHEN IM JAHR 2016

gungsgrundlage für die von dem Kläger begehrte „An-erkennung“ der Fortbildungsveranstaltung. Die Eig-nung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllungder Fortbildungspflicht nach § 15 FAO könne nur imWege eines Verwaltungsakts (VA) abschließend fest-gestellt werden. Für einen solchen „feststellenden VA“bedürfe es einer gesetzlichen Ermächtigung. Daranfehle es. § 43c IV 2 BRAO, § 15 FAO sehen nur Bestim-mungen über die Erfüllung der Fortbildungspflicht unddas Verfahren vor, wenn die Fachanwaltsbezeichnungaufgrund der Verletzung der Fortbildungspflicht wider-rufen werde.

b) BEGRIFF DER ANWALTLICHEN FORTBILDUNGS-VERANSTALTUNGDer hilfsweise geltend gemachte Feststellungsantraghabe demgegenüber Erfolg. Er sei zulässig, da sichdie andauernde Unsicherheit über die Eignung derkonkreten Fortbildungsveranstaltung nur durch die be-gehrte Feststellung beseitigen lasse. Der Antrag seiauch begründet, da das vom Kläger besuchte Seminarden Anforderungen genüge, die an eine anwaltlicheFortbildungsveranstaltung auf dem Fachgebiet Ver-kehrsrecht zu stellen sind.

Dazu verweist der Senat auf den Zweck des § 15 FAO,der u.a. dazu diene, einen einheitlichen Qualitätsstan-dard aller Fachanwälte zu sichern.47 Einem solchenQualitätsstandard genüge das Seminar „Verneh-mungslehre und Vernehmungstaktik“, da es einerseitshinreichende Bezüge zum Verkehrszivilrecht (§ 14dNr. 1 FAO), Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeiten-recht (§ 14d Nr. 3 FAO) und Besonderheiten der Ver-fahrens- und Prozessführung (§ 14d Nr. 5 FAO) aufwei-se. Einer der Schwerpunkte des Seminars habe damitauf dem Gebiet des Verkehrsrechts gelegen. Im Übri-gen vermittle es nicht nur Grundkenntnisse, die bei je-dem forensisch tätigen Rechtsanwalt vorausgesetztwerden können.48

c) KRITIKDas Urteil des Senats vom 18.7.2016 erscheint zumin-dest in der Begründung angreifbar: Er verneint – zuRecht – einen mit einer Verpflichtungsklage zu verfol-genden Anspruch auf „Anerkennung“ einer Fortbil-dungsveranstaltung als ausreichenden Nachweis i.S.d.§ 15 FAO. Gleichwohl wird diesem Begehren des Klä-gers dadurch Rechnung getragen, dass der BGH dem(hilfsweise gestellten) Feststellungsantrag stattgibt unddamit genau den „feststellenden VA“ erlässt, den zuverfolgen im Wege der Verpflichtungsklage nicht mög-lich sein soll. Dieses – den Hauptantrag auf den Kopfstellende – Ergebnis hätte der Senat dadurch vermei-den können, dass er das für die Feststellungsklage erfor-derliche Feststellungsinteresse verneint.

Das hat Auswirkungen auf die Beurteilung in der Sa-che. Wenn es keinen Rechtsanspruch eines Fach-

anwalts auf „Anerkennung“ einer Fortbildungsver-anstaltung zum Nachweis der Fortbildungspflicht i.S.d.§ 15 FAO gibt, weil es dafür an der erforderlichen ge-setzlichen Grundlage fehlt, sollte dieses gesetzgeberi-sche Schweigen im Rahmen der „Anerkennungsvoraus-setzungen“ des § 15 FAO Berücksichtigung finden. In-soweit hat die FAO – nicht anders als bei der Frageder Teilnahme an anwaltsspezifischen Fachlehrgängeni.S.d. § 4 I FAO zum Nachweis des Erwerbs der beson-deren theoretischen Kenntnisse – bewusst von qualita-tiven Voraussetzungen an „fachspezifische Fortbil-dungsveranstaltungen“ i.S.d. § 15 I FAO abgesehen.

Den Kammern ist es danach nicht gestattet, Lehrgän-ge (oder Fortbildungsveranstaltungen) abstrakt aufihre Eignung zu überprüfen oder bestimmte Anbieterzu „zertifizieren“.49 Dahingehende Anträge hat die ers-te Satzungsversammlung – bezogen auf den Lehrgangi.S.d. § 4 FAO – ausdrücklich abgelehnt.50 Qualitäts-defizite des Veranstalters oder Eignungsmängel derVeranstaltung gehen damit zu Lasten des Bewerbers,der mit der Vorlage der ihm vom Veranstalter aus-gestellten Bescheinigungen das Risiko eingeht, dass ih-nen die RAK nachträglich – durch Versagung der Fach-anwaltserlaubnis oder Widerruf der Fachanwalts-bezeichnung – die Anerkennung versagt.51

V. DER FACHANWALT ALS SPEZIALIST

1. DER ANWALTLICHE „SPEZIALIST“Mit Urteil vom 24.7.201452 hat der Wettbewerbssenatdes BGH entschieden, dass ein Rechtsanwalt, auchwenn er nicht über die Befugnis zur Führung der ent-sprechenden Fachanwaltsbezeichnung verfügt, sichnach außen als „Spezialist“ auf einem Gebiet bezeich-nen darf, für das eine Fachanwaltschaft existiert. Vo-raussetzung sei, dass er die an die Qualifikation einesFachanwalts zu stellenden Anforderungen erfülle.53

Der Entscheidung liegt die Feststellung des Berufungs-gerichts zu Grunde, dass ein durchschnittlich infor-mierter, aufmerksamer und verständiger Rechtsuchen-der die nach Art eines Titels verwendeten Begriffe„Spezialist“ und „Fachanwalt“ als Synonyme versteht.Die Rechtsuchenden wüssten regelmäßig nicht, unterwelchen Voraussetzungen eine Fachanwaltsbezeich-nung verliehen werde. Sie könnten deshalb nicht zwi-schen einem „Fachanwalt“ und einem „Spezialisten“unterscheiden. Dann aber könne von einem selbst er-nannten „Spezialisten“ nicht mehr als die Expertise ei-nes Fachanwalts verlangt werden. Wer sich als „Spe-zialist“ bezeichne und dabei über die gleichen Kennt-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

8

47 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 244 Rn. 20.48 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 244 Rn. 22 f.

49 Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 4 FAO Rn. 8 m.w.N.50 SV-Prot. 2, 15 ff.51 Quaas, BRAK-Mitt. 2006, 265 (266); ders., in Gaier/Wolf/Göcken, § 4 FAO Rn. 5.52 BGH, NJW 2015, 704.53 Das Urteil des Wettbewerbssenats vom 24.7.2014 ist auf deutliche Kritik (vgl.etwa Deckenbrock, BerlAnwBl. 2015, 124; Huff, WRP 2015, 343; Remmertz, NJW2015, 707f), aber auch uneingeschränkte Zustimmung (Kleine-Cosack, AnwBl.2015, 358, 360 ff.; Ring, NJ 2015, 130) gestoßen; dazu auch Saenger/Scheuch,BRAK-Mitt. 2016, 157.

QUAAS, FACHANWALTSRECHT IN DER RECHTSPRECHUNG DES SENATS FÜR ANWALTSSACHEN IM JAHR 2016

nisse und Erfahrungen wie ein Fachanwalt verfüge, we-cke damit keine unrichtigen Erwartungen.54

Im Ergebnis hat der Wettbewerbssenat damit die zen-trale Vorschrift des § 7 II BORA, wonach qualifizieren-de Zusätze unzulässig sind, soweit sie die Gefahr einerVerwechslung mit Fachanwaltschaften begründen, fak-tisch außer Kraft gesetzt.55

2. DER FACHANWALT ALS „SPEZIALIST“Anlass für das Urteil des Wettbewerbssenats des BGHvom 24.7.2014 gab ein (Allgemein-)Anwalt, der sichals Spezialist bezeichnete, ohne Fachanwalt zu sein.Das hat der Wettbewerbssenat unter den genanntenVoraussetzungen für zulässig erklärt. Die gleichsamumgekehrte Fragestellung, ob sich ein Fachanwalt (zu-sätzlich) als Spezialist für eben das Fachgebiet bezeich-nen darf, für das ihm die Fachanwaltsbezeichnung ver-liehen wurde, ist Gegenstand des Urteils des Anwalts-senats vom 5.12.2016:56

Ausgangspunkt ist die Frage, was in einer solchen Fall-gestaltung die Bezeichnung „Spezialist“ bedeutenkann. Nach Auffassung des Senats wird damit nichtnur (überflüssigerweise) zum Ausdruck gebracht, dassder Kläger Kenntnisse und praktische Erfahrungen be-sitzt, die denjenigen eines Fachanwalts entsprechen.Wer den Titel Fachanwalt für Erbrecht führe und sichzusätzlich als „Spezialist für Erbrecht“ bezeichne, ver-wende die genannten Begriffe nicht synonym, son-dern bringe zum Ausdruck, dass seine Kenntnisse undpraktischen Erfahrungen diejenigen eines „Nur-Fach-anwalts“ nicht nur unerheblich überschreiten. Der Klä-ger berühme sich damit besonderer, diejenigen einesFachanwalts nicht nur unerheblich übersteigenderKenntnisse und Erfahrungen auf dem gesamten Gebietdes Erbrechts.

Demgemäß prüft der Senat, ob der Kläger im Zeit-punkt des Belehrungsbescheides über solche Kenntnis-se und Erfahrungen auf dem gesamten Gebiet des Erb-rechts verfügte. Davon war im Hinblick auf die von ihmmitgeteilten Fallzahlen auszugehen. Auch hatte sichder Kläger im maßgeblichen Zeitraum theoretisch fort-gebildet. Allerdings entstammten die von ihm nach-gewiesenen Fälle nicht allen oder zumindest mehrerender für die Anerkennung als Fachanwalt für Erbrecht in§ 14f FAO genannten Bereiche; der Kläger hatte imBerufungsverfahren keinerlei Angaben gemacht, auswelchen Teilbereichen die benannten Fälle stammen.Nach seiner Auffassung war es Sache der beklagtenKammer, ihm nachzuweisen, dass die entsprechendenAngaben unrichtig seien. Dem ist der Senat entgegen-getreten. Im anwaltsgerichtlichen Verfahren treffeden Antragsteller eine entsprechende Mitwirkungslast,welcher der Kläger nicht nachgekommen sei.57

3. STELLUNGNAHMEDem Urteil des BGH vom 5.12.2016 ist im Ergebnisund in der Begründung zuzustimmen:58

a) KEINE FRAGE DES FACHANWALTSRECHTSDer Anwaltssenat hat mit der Frage der berufsrecht-lichen Zulässigkeit der Bezeichnung „Spezialist für Erb-recht“ nicht über eine Materie des Fachanwaltsrechtsentschieden. Streitgegenstand war ein Belehrungs-bescheid der RAK, die dem Kläger unter Hinweis auf§ 7 II BORA untersagte, die Bezeichnung „Spezialistfür Erbrecht“ zu führen. Das von ihm behauptete Spe-zialistentum auf dem gesamten Gebiet des Erbrechtssei irreführend. Sedes materiae war damit § 7 II BORA,der Benennungen verbietet, die die Gefahr der Ver-wechselung mit Fachanwaltschaften begründen odersonst irreführend sind.

b) WIDERSPRUCH ZUR ENTSCHEIDUNG DES WETT-BEWERBSSENATS VOM 24.7.2014?Nach Auffassung des Wettbewerbssenats des BGH darfein Rechtsanwalt, der kein Fachanwalt ist, sich gleich-wohl als Spezialist auf diesem Gebiet bezeichnen,wenn er (materiell) über die entsprechenden Vorausset-zungen verfügt. Ebendies ist dagegen nach Auffassungdes Anwaltssenats einem Rechtsanwalt nicht gestattet,dem die Befugnis zur Führung der entsprechendenFachanwaltsbezeichnung verliehen wurde. Auf der Ebe-ne der Anwendung des § 7 II BORA liegt damit einWiderspruch der Entscheidungen vom 24.7.2014 und5.12.2016 vor. Er lässt sich nur dadurch auflösen, dassder Wettbewerbssenat nicht über einen berufsrecht-lichen Verstoß in Anwendung des § 7 II BORA, sondernüber die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des wer-benden Zusatzes „Spezialist“ auf der Grundlage der An-schauung der betroffenen Verkehrskreise entschiedenund ausgeführt hat, die Rechtsuchenden würden regel-mäßig nicht zwischen einem „Fachanwalt“ und einem„Spezialisten“ unterscheiden. Wäre dies anders, gingees also in beiden Fällen ausschließlich und entschei-dungserheblich um eine Frage der Interpretation des§ 7 II BORA, hätte der Anwaltssenat den Großen Senatdes BGH anrufen müssen.

c) FACHANWALT ALS GEPRÜFTER SPEZIALISTGegenstand des Urteils des Anwaltssenats vom 5.12.2016 ist ein Belehrungsbescheid, der auf § 7 II BORAgestützt ist. An diesem Maßstab misst auch der BGHden berufsrechtlichen Verstoß und bejaht ihn. Dem istzu folgen:Ginge es allein um die Fragestellung, ob sich der Klä-ger nach § 7 FAO als „Spezialist“ bezeichnen durfte,wäre von der Rechtsprechung des BVerfG auszugehen,die bereits 2004 festgehalten hat, Fachanwälte seiennicht notwendig Spezialisten. An letztere seien deutlichhöhere Anforderungen zu stellen.59

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

9

54 BGH, BRAK-Mitt. 2016, 244 Rn. 14 ff.55 Deckenbrock, BerlAnwBl. 2015, 124; Kleine-Cosack, AnwBl. 2015, 358; Saenger/Scheuch, BRAK-Mitt. 2016, 157.

56 BGH, BRAK-Mitt. 2017, 39; hierzu ausf. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2017, 10(in diesem Heft).

57 BGH, BRAK-Mitt. 2017, 39 Rn. 21.

58 S. aber nachfolgend a.M. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2017, 10 (in diesemHeft).

59 BVerfG, NJW 2004, 2656 (2658).

Diesen Maßstab legt der Anwaltssenat zu Recht nichtan. Vielmehr ist die Besonderheit zu berücksichtigen,dass sich der Kläger nicht nur als „Spezialist für Erb-recht“ bezeichnet, sondern zusätzlich den Titel „Fach-anwalt für Erbrecht“ führt. Diese Kombination machtmit Rücksicht auf den Schutz des rechtsuchenden Pu-blikums, den (auch) § 7 II BORA verfolgt, nur Sinn,wenn man ihr unterstellt, der Kläger beanspruche da-mit für sich ein Spezialistentum für den gesamten Be-reich des Erbrechts. Da mit dem Fachanwaltstitel demrechtsuchenden Publikum erkennbar gemacht wird, eshandele sich bei dem jeweiligen „Fachanwalt für …“um einen in diesem Rechtsgebiet ausgewiesenen

Spezialisten,60 muss für die zusätzliche Verwendungder Zusatzbezeichnung „Spezialist für …“ ein wiede-rum erhöhter Nachweis der bereits für den Fachanwaltzur Voraussetzung gemachten „besonderen Kenntnis-se und Erfahrungen“ verlangt werden. Insoweit hatder Anwaltssenat zu Recht im Rahmen der Anwen-dung des § 7 II BORA die sich aus dem Fachanwalts-recht ergebenden Prüfungsmaßstäbe mittelbar heran-gezogen und auf den konkreten Fall angewendet. Da-mit wird der Besonderheit des vorliegenden Fallszutreffend Rechnung getragen.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

10

WIE WEISS MUSS EIN SCHIMMEL SEIN?DIE ENTSCHEIDUNG DES ANWALTSSENATS ZUM „SPEZIALISTEN FÜR ERBRECHT“

RECHTSANWÄLTIN DR. SUSANNE OFFERMANN-BURCKART*

Vor fast zwei Jahren (in Heft 2/2015 der BRAK-Mitt.1)hat die Autorin über die Entscheidung des Wett-bewerbssenats zum „Spezialisten für Familienrecht“2

berichtet. Damals wurde gemutmaßt, diese könne sichfür den erfolgreichen Kläger als Pyrrhus-Sieg entpuppen– gewonnene Schlacht, aber kaum zu gewinnenderKrieg. Und tatsächlich stecken das OLG Karlsruhe,3 andas die Angelegenheit zurückverwiesen wurde, und derKläger bis heute im Stadium der Beweisaufnahme fest.Bei dem jetzt entschiedenen Fall könnte es sich genauumgekehrt verhalten: Die Schlacht vor dem BGH4 undschon die vor dem AGH Nordrhein-Westfalen5 wurdenverloren, doch dürfte es für den Kläger – wenn er sichdenn der Mühe entsprechender Darlegungen unter-zieht – ein Leichtes sein, in der Sache selbst am Endeden Sieg davonzutragen. Die Autorin analysiert die Ent-scheidung des Anwaltssenats und beleuchtet ihre Kon-sequenzen – mit konträrem Ergebnis zu Quaas in sei-nem vorstehenden Beitrag (BRAK-Mitt. 2017, 2).

I. DER AUSGANGSFALL

Die Entscheidung des Anwaltssenats6 war mit Spannungerwartet worden, nachdem er im Zulassungsbeschluss7

einige Fragen aufgeworfen hatte, die ihm klärungsbe-dürftig schienen und auf deren Beantwortung man alsohoffen durfte. Umso enttäuschender ist es, dass der

BGH sich im Ergebnis doch auf die Lösung zurückzieht,die im Wesentlichen (wenn auch mit weniger zugespitz-ter Begründung) bereits der AGH Nordrhein-Westfalen8

gefunden hatte, nämlich auf die fehlende Darlegungdes Klägers, dass er tatsächlich die hohen Anforderun-gen erfülle, die einem „Spezialisten für Erbrecht“ abzu-verlangen seien. Mit anderen Worten: Der Anwaltssenatkreißte und gebar … keine neuen Erkenntnisse. Und da-bei vermied er es auch noch, die Spezialisten-Entschei-dung des BVerfG,9 die bislang das Maß der Dinge zudem Thema war, mit einem einzigen Wort zu erwähnen.Es ging um einen sehr „speziell“ gelagerten Sachverhalt.Der Kläger, der u.a. „Fachanwalt für Erbrecht“ ist, führteauf seinem Briefbogen den Hinweis „Notar – Rechts-anwalt – Spezialist für Erbrecht und Erbschaftsteuer –Fachanwalt für Erbrecht – Fachanwalt für Steuerrecht –zert. Testamentsvollstrecker (DEV) – Fachanwalt für Ar-beitsrecht“. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hatteden Kläger in einem Belehrungsbescheid darauf hinge-wiesen, dass die Bezeichnung „Spezialist für Erbrecht“(anders als der Hinweis „Spezialist für Erbschaftsteuer“)u.a. deshalb unzulässig sei, weil aufgrund der Weite derTätigkeitsfelder, für die Fachanwaltschaften eingerichtetseien, ein Spezialistentum auf dem gesamten Gebiet derFachanwaltschaft i.d.R. nicht möglich und daher irrefüh-rend sei. Der AGH Nordrhein-Westfalen hatte diese Auf-fassung im Wesentlichen bestätigt.

II. PROBLEMFELDER DES „SPEZIALISTEN“

Der Anwaltssenat ließ die Berufung zu, weil er zu zweiProblemfeldern Klärungsbedarf sah: Zum einen stelledie Vorinstanz – anders als der Wettbewerbssenat –

60 Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, § 43c BRAO Rn. 33.

* Die Autorin ist Rechtsanwältin in Grevenbroich.1 Offermann-Burckart, BRAK-Mitt 2015, 62.2 BGH, Urt. v. 24.7.2014 – I ZR 53/13, BRAK-Mitt. 2015, 99.3 Vgl. das dortige Urt. v. 1.3.2013 – 4 U 120/12, FF 2013, 206 mit Anm. Offer-mann-Burckart.

4 BGH, Urt. v. 5.12.2016 – AnwZ (Brfg) 31/14, BRAK-Mitt. 2017, 39 (in diesemHeft).

5 AGH NRW, BRAK-Mitt. 2014, 318.6 BGH, BRAK-Mitt. 2017, 39.7 BGH, Beschl. v. 28.10.2015 – AnwZ (Brfg) 31/14.

8 AGH NRW, Urt. v. 7.3.2014 – 2 AGH 20/12, BRAK-Mitt. 2014, 318.9 BVerfG, NJW 2004, 2656 mit Anm. Offermann-Burckart, NJW 2004, 2617.

an einen „Spezialisten“ höhere Anforderungen als aneinen Fachanwalt. Und zum anderen bringe ein „Spe-zialist“ nach Auffassung des BVerfG zum Ausdruck,dass er bevorzugt, wenn nicht gar ausschließlich, ledig-lich einen Teilbereich des Vollberufs bearbeite, waseine „dauerhafte Einengung der Berufstätigkeit“ be-deute.10 In seiner Berufungs-Entscheidung reißt derBGH zunächst sogar noch weitere Aspekte des schwie-rigen Spezialisten-Themas an:

Erstens hebt er den Umstand hervor, dass die Sat-zungsversammlung bei Schaffung von § 7 BORA („Be-nennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit“) indem Bemühen, der Gestaltung anwaltlicher Werbungeinen größtmöglichen Freiraum zu geben, bewusst aufterminologische Vorgaben verzichtet habe. Zweitensverweist er darauf, dass im allgemeinen Sprach-gebrauch als „Spezialist“ jemand bezeichnet werde,der auf einem bestimmten (Fach-)Gebiet über besonde-re Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge.

Drittens präsentiert er – ohne eigene Positionierung –die Meinungen, wonach „Spezialist“ nur sei, wer bevor-zugt oder sogar ausschließlich einen „engen Bereichaus dem weiten Feld der Rechtsberatung“ bearbeite,und/oder es einen „Spezialisten“ nicht auf einem Ge-biet mit Fachanwaltsbezeichnung geben dürfe, und/oder die „vertieften Kenntnisse und Erfahrungen einesSpezialisten“ diejenigen eines Fachanwalts auf demsel-ben Gebiet überragen müssten.

III. ANFORDERUNGEN AN DEN „FACHANWALTUND SPEZIALIST“

Eine nähere Auseinandersetzung mit den im Zulas-sungsbeschluss identifizierten und den weiter benann-ten Problembereichen (und mit der Entscheidung desWettbewerbssenats) hält der Anwaltssenat im konkre-ten Fall dann aber für entbehrlich. Dies gelte wegender Besonderheit, dass der Kläger sich als „Spezialistfür Erbrecht“ bezeichne und zugleich Fachanwalt aufdemselben Gebiet sei. Das könne – und insofern bringtder BGH gegenüber der Vorinstanz einen neuen As-pekt zur Sprache – nur bedeuten, dass der Kläger dieBegriffe nicht synonym verwende, sondern zum Aus-druck bringen wolle, dass seine Kenntnisse und prakti-schen Erfahrungen diejenigen eines „Nur-Fachanwalts“nicht unerheblich überschritten.

1. DARLEGUNGSMÄNGELGenau das aber habe er nicht dargelegt: Zwar habe derKläger aus den Jahren 2010–2012 (der vom Kläger an-gefochtene Bescheid der Kammer stammt vom 15.8.2012) weit über 80 erbrechtliche Fälle aus anwaltlicherund notarieller Tätigkeit (tatsächlich sind es 168 an-waltliche und 925 notarielle Fälle!) „mitgeteilt“. Damitübertreffe er schon deshalb die an einen Fachanwaltgestellten Anforderungen, weil Fachanwälte nach er-

folgter Verleihung der Bezeichnung nur noch – theoreti-sche – Fortbildung, nicht aber praktische Tätigkeit nach-weisen müssten. Doch habe der Kläger nicht dargelegt,dass seine Fälle allen oder jedenfalls mehreren der in§ 14f FAO (in der insofern maßgeblichen Fassung vom1.7.2011) genannten Bereiche entstammten.

Früher habe ein „Fachanwalt für Erbrecht“ Kenntnisseund Erfahrungen aus allen Teilbereichen des § 14fNr. 1–5 FAO abdecken müssen. Und für einen „Spezia-listen“ für Erbrecht könne im Hinblick auf § 7 BORAnichts anderes gelten. Wörtlich fordert der BGH vomKläger: „Seine vertieften, diejenigen eines Fachanwaltsnicht nur unerheblich übersteigenden Kenntnisse undErfahrungen müssen sich auf alle Teilgebiete des Erb-rechts beziehen.“

Der Kläger aber habe nur Fallzahlen mitgeteilt, so dassnicht ausgeschlossen werden könne, dass er nicht aufallen Teilgebieten des Erbrechts gearbeitet habe. DieFälle könnten sogar – auch wenn dies nicht wahrschein-lich sei – ganz oder überwiegend aus nur einem Teil-gebiet (etwa dem der Erbschaftsteuer) stammen. Nach-dem der Kläger „schon nicht die erforderliche Breite sei-ner erbrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen auf demGebiet des Erbrechts dargetan“ habe, komme es auf dieFrage, wie vertieft seine Kenntnisse und Erfahrungenseien und hätten sein müssen, um sich als „Fachanwalt“und „Spezialist“ bezeichnen zu dürfen, nicht an.

2. DER SPEZIALIST ALS BESSERER FACHANWALT?Nachdem der Leser über 15 Randnummern hinweg, indenen manches Problem (siehe oben II.) aufgeworfenwurde, mit Spannung gewartet hat, auf welchen Höhe-punkt die Entscheidung zusteuern werde, ist die „Auf-lösung“ in ihrer Einfachheit ernüchternd und in ihrerAbsolutheit verstörend. Mit der Erkenntnis, dass derKläger – im Hinblick auf § 32 BRAO i.V.m. § 26 IIVwVfG, aber auch auf § 7 I 1 BORA („wer … nachwei-sen kann“) – seinen Darlegungspflichten nicht hinrei-chend nachgekommen sei, mag man sich ja noch ab-finden – auch wenn es zu dieser Feststellung nichtdes langen Wegs über Zulassung der Berufung und Be-rufung bedurft hätte. Aber dass ein Spezialist, derschon Fachanwalt auf seinem Gebiet ist, noch speziali-sierter sein muss als ein „Nur-Spezialist“, mutet dochseltsam an. Soll das die Strafe der Juristen für densonst nur von Sprachästheten verachteten Pleonasmussein? Oder anders gefragt: Muss ein Schimmel, dervon sich sagt, er sei ein „weißer Schimmel“, ein weiße-res Fell tragen als die „Kollegen“, die sich mit der Be-zeichnung „Schimmel“ bescheiden?

Dass ein „Spezialist für Erbrecht“ mehr als nur einenTeilbereich des Erbrechts abdecken muss und dass beieinem mit einer Fachanwaltschaft belegten Rechtsgebietauf die entsprechenden Vorgaben in § 5 und in den§§ 8 ff. FAO zurückgegriffen wird, ist nachvollziehbarund nicht zu beanstanden. Allerdings fällt hier schonauf, dass der Anwaltssenat die Begriffe Teilbereicheund Teilgebiete des § 14f Nr. 1–5 FAO durcheinander-bringt bzw. synonym verwendet. Die in der FAO vorkom-menden Begriffe „Bereiche“ und „Gebiete“ sind jedoch

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

11

10 Vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.2015 – AnwZ (Brfg) 31/14 Rn. 5, u.H.a. BVerfG, NJW2004, 2656 (2658).

OFFERMANN-BURCKART, WIE WEISS MUSS EIN SCHIMMEL SEIN?

keineswegs deckungsgleich. Vielmehr wird in allen Buch-staben des § 5 FAO penibel zwischen diesen Begriffenunterschieden, wobei „Gebiete“ die Untergliederungender „Bereiche“ sind.11 Wenn also der alte § 5 I lit. mFAO (der strenger als die heutige Regelung war) forder-te, dass sich die Fallnachweise „auf alle in § 14f Nr. 1–5bestimmten Bereiche beziehen“, waren damit nicht auchsämtliche Untergliederungen (= Gebiete) dieser Bereiche(von denen es allein in der Nr. 1 fünf gibt) gemeint.

Aber sei’s drum. Selbst wenn man – was im Erbrecht(vielleicht mit Ausnahme des Stiftungsrechts) nicht wei-ter problematisch wäre – tatsächlich auch alle „Gebie-te“ abgedeckt sehen wollte, bliebe immer noch die Fra-ge, wie auf all diesen Gebieten Kenntnisse und Erfah-rungen nachgewiesen werden können, die die einesFachanwalts „nicht nur unerheblich übersteigen“. Sollder „Spezialist“ also tatsächlich ein „besserer Fach-anwalt“ sein?12 Was würde das über den Fachanwaltaussagen, dem der BGH doch an anderer Stelle „he-rausragende Qualität“ bescheinigt?13 Wie könnte manrechtfertigen, dass ausgerechnet für einschlägige Fach-anwälte, die besondere Expertise ja bereits nachgewie-sen haben, zusätzliche Anforderungen gelten, und waswären die Konsequenzen einer solchen Sichtweise?

IV. FOLGEWIRKUNGEN

Um mit den Konsequenzen zu beginnen: Bei Anwen-dung des aktuellen Urteils in Kombination mit der Ent-scheidung des Wettbewerbssenats zum „Spezialistenfür Familienrecht“ ergibt sich künftig eine bunte Reihevon Spezialisten (alternativ: Experten), Fachanwältenund Fachanwälten und Spezialisten:

1. SPEZIALISTEN AUF NICHT-FACHANWALTS-GEBIETENSpezialisten auf einem Nicht-Fachanwaltsgebiet müs-sen nach § 7 I 2 BORA nur ganz allgemein nachwei-sen, die Voraussetzungen des § 7 I 1 BORA zu erfüllen(„entsprechende Kenntnisse, die in der Ausbildung,durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sons-tiger Weise erworben wurden“) und „zusätzlich überentsprechende theoretische Kenntnisse verfügen undauf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tä-tig gewesen sein“. Ein unbestimmter Rechtsbegriff jagthier den nächsten14 und das Fehlen einer inneren Logikzwischen den beiden Sätzen des Absatzes 1 wurdeauch schon häufiger beklagt.15 Wer von sich behaup-tet, „Spezialist für Energierecht“ zu sein, hat nicht vielan Nachprüfung zu befürchten, weil den Kammern(und/oder Wettbewerbsgerichten) in Ermangelung ei-

ner Fachanwaltschaft kein Anforderungskatalog zurVerfügung steht, der abgehakt werden könnte/müsste.

2. „NORMALE“ FACHANWÄLTEWer Fachanwalt werden will, unterliegt den Bestim-mungen der FAO (und später der Fortbildungspflichtdes § 15 FAO).

3. SPEZIALISTEN AUF FACHANWALTS-GEBIETENWer sich „Spezialist für Familienrecht“ oder für ein an-deres Fachanwalts-Gebiet nennt, ohne den Fach-anwaltstitel erworben zu haben, muss nach der neuenMaßgabe des Wettbewerbssenats nachweisen, dassseine Fähigkeiten den an einen Fachanwalt zu stellen-den Anforderungen entsprechen, wogegen im Prinzipnichts zu sagen ist.

4. FACHANWÄLTE UND SPEZIALISTENFür denjenigen, der Fachanwalt ist und sich zusätzlichin einem Teilbereich des Fachgebiets (z.B. im Erbschaft-steuerrecht) als Spezialist bezeichnet, gilt grundsätz-lich wieder § 7 I 2 BORA. Er bleibt nach den Erfahrun-gen der Praxis in aller Regel unbehelligt, wie ja auchdas Beispiel des Klägers zeigt.Dramatisch aber soll es für den „weißen Schimmel“,also den Fachanwalt und Spezialisten werden. Wiedramatisch, lässt der Anwaltssenat offen und es dürftenicht leicht sein, auf diese Frage eine befriedigendeund vertretbare Antwort zu geben.Ein Grund, an Angehörige der letztgenannten Katego-rie nochmals erhöhte Anforderungen zu stellen, lässtsich kaum finden. Der Anwaltssenat sieht ihn darin,dass der mit Fachanwaltschaft und SpezialistentumWerbende sich selbst einer ganz besonderen Qualifika-tion berühme. Allein schon das ist bloße Behauptung.Plausibler dürfte im konkreten Fall sein, dass der Klä-ger nicht Gefahr laufen wollte, als „Spezialist für Erb-schaftsteuerrecht“ nur auf dieses Untergebiet fest-gelegt zu werden, weshalb er vorsichtshalber dasHauptgebiet noch einmal mit hinzugefügt hat. Unddass das Publikum einen „Fachanwalt und Spezialis-ten“ für etwas noch Besseres hält als den einen oderanderen, ist reine Spekulation. Wahrscheinlicher istda die Annahme des Wettbewerbssenats, wonach dieBegriffe synonym verstanden werden. Hiervon aus-gehend wird das Publikum den „weißen Schimmel“nicht für weißer halten als den „einfachen“ Schimmel.Dem Kläger, der eine beeindruckend hohe Zahl vonFällen aus anwaltlicher und notarieller Tätigkeit ange-geben (und nur nicht näher spezifiziert) hat, würde esvermutlich leicht fallen, die vom Anwaltssenat (undschon von der Vorinstanz) errichtete Hürde zu nehmen– zumal das Erbrecht (anders als etwa das Verwal-tungsrecht oder das Agrarrecht) ein sehr homogenesRechtsgebiet mit einem für den Erwerb der Fach-anwaltsbezeichnung durchaus überschaubaren Anfor-derungskatalog (§ 14f FAO) ist. Wenn der Kläger sichalso mehr Mühe mit seinen Fallschilderungen gibt,wird man ihm das Führen auch der Spezialistenbe-zeichnung im Zweifel nicht mehr verwehren können.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

12

11 Vgl. hierzu nur Offermann-Burckart, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014,§ 5 FAO Rn. 14, und Scharmer, in: Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 6. Aufl. 2016,§ 5 FAO Rn. 100 ff.

12 So der Titel des Aufsatzes der Autorin in NJW 2004, 2617.13 So etwa BGH, NJW 2013, 1599 Rn. 27 und NJW-RR 2014, 502 Rn. 9.14 Zu grundlegender Kritik an § 7 BORA vgl. Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl. 2015,Anh. I 1, § 7 BORA Rn. 1 ff.

15 Offermann-Burckart, in: dies., Anwaltsrecht in der Praxis, 2010, § 9 Rn. 157 f.;dies., in: Kilian/Offermann-Burckart/vom Stein, Praxishandbuch Anwaltsrecht,2. Aufl. 2010, § 8 Rn. 4 f.

OFFERMANN-BURCKART, WIE WEISS MUSS EIN SCHIMMEL SEIN?

V. OFFENGEBLIEBENE FRAGEN

Der wirklich spannenden Frage, auf deren Klärung mangehofft hatte, geht der BGH nicht nach. Es ist dies dasvom BVerfG aufgeworfene Problem, dass „wer sich alsSpezialist bezeichnet, auch zum Ausdruck (bringt), dasser bevorzugt, wenn nicht gar ausschließlich, einen Teil-bereich des Vollberufs bearbeitet“.16 Diese – in der Be-gründung des Zulassungsbeschlusses noch angespro-chene – Frage stellt sich beim Kläger in besonderer Wei-se, weil er über drei Fachanwaltsbezeichnungen verfügt.Dem BVerfG waren seinerzeit schon zwei mögliche Titelfür eine wirkliche Spezialisierung zu viel. Die Frage wäreauch vorgreiflich gewesen, weil der Senat sich bei Ver-neinung einer Spezialisierung im Hinblick auf die Breiteder klägerischen Betätigung über die Qualifikation imEinzelnen keine Gedanken mehr hätte machen müssen.

Der Fall hätte Anlass zu mancherlei Betrachtung gebo-ten – so z.B. zur Diskussion darüber, ob es richtig seinkann, dass sich, wer wenig tut und auf seinem einzigenRechtsgebiet pro Jahr 50 Fälle bearbeitet, „Spezialist“nennen darf, wohingegen dies dem Workaholic mitdrei Gebieten, aber 80 Fällen auf einem von ihnen, ver-wehrt wäre. Oder zur Beantwortung der Frage, wie ak-tuell nicht nur die Kenntnisse, sondern auch die prakti-schen Erfahrungen eines Spezialisten sein müssen.

So aber bleibt nur der traurige Befund, dass (mindes-tens) eine umstrittene Frage unbeantwortet blieb, da-für jedoch eine neue (reichlich konstruierte) aufgewor-fen wurde und dass auch die erwartete Auseinander-setzung Anwaltssenat versus Wettbewerbssenatausgeblieben ist. Das Thema „Spezialist“ wird damitin Zukunft nicht weniger, sondern eher noch mehr Dis-kussionsstoff liefern.

Dabei zeigt die Praxis, dass dem Thema (mit dem ak-tuell auch wieder einmal zwei Satzungsversammlungs-Ausschüsse befasst sind) deutlich zu viel Ehre angetanwird. Der Schwanengesang, der nach der Spezialisten-Entscheidung mit Blick auf die Fachanwaltschaften an-gestimmt wurde, hat sich als unbegründet erwiesen,und auch außerhalb der Fachanwaltschaften ist derbefürchtete Wildwuchs ausgeblieben. Letzteres belegtschon allein die Tatsache, dass der BGH einen so we-nig zur Verallgemeinerung taugenden Fall wie den vor-liegenden „an sich gezogen“ hat. War die Autorin vorJahren noch der Ansicht, man hätte § 7 BORA zu einer„Lehrformel“ (statt einer „Leerformel“) machen sol-len,17 ist sie heute der Auffassung, man solle die glück-licherweise ausgebliebenen Probleme nicht herbeire-den und jetzt nicht zwanghaft nach einer „Lösung“ su-chen, die in den vergangenen gut zehn Jahrenoffenbar niemand wirklich vermisst hat.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

13

UMSATZ- UND EINKOMMENSENTWICKLUNG IN DERANWALTSCHAFT: DER STAR-BERICHT 2015/2016DIPL.-SOZIALWIRTIN ANJA GRUHL*

Regelmäßig lässt die BRAK durch das Institut für FreieBerufe umfangreiche Daten zur wirtschaftlichen undstrukturellen Entwicklung in der Anwaltschaft erheben,zuletzt im Jahr 2010. Nunmehr liegt der neueste Be-richt im Rahmen des Statistischen Berichtssystems fürRechtsanwälte (STAR) vor. Die zugrundeliegenden Da-ten wurden 2015 erhoben und beziehen sich auf dasWirtschaftsjahr 2013. Die Autorin stellt die wesentli-chen Eckpunkte der Untersuchungsergebnisse vor.

I. DIE STAR-ERHEBUNG

Seit 1993 erhebt das Institut für Freie Berufe (IFB)Nürnberg im Rahmen des Statistischen Berichtssys-tems für Rechtsanwälte (STAR) regelmäßig Informatio-nen und Daten zur wirtschaftlichen und strukturellen

Entwicklung der Rechtsanwälte1 und ihrer Kanzleien.Die Vorteile einer spezifischen Erhebung, die sich aus-schließlich mit dem rechtsberatenden Berufsstand be-schäftigt, sind evident. So wird eine aussagekräftigeund repräsentative Datenbasis generiert, die eine spe-zifische Analyse des deutschen Rechtsberatungsmark-tes ermöglicht.

1. ERHOBENE DATENMit der aktuellen STAR-Erhebung wurde umfangrei-ches Datenmaterial zur Struktur und Arbeitsumgebungder deutschen Rechtsanwälte erhoben. Neben Soziode-mographika und wirtschaftlichen Kennwerten wurdenEinschätzungen zur zukünftigen Entwicklung des Be-rufsstands und Meinungsbilder zu spezifischen The-mengebieten erfasst.

16 BVerfG, NJW 2004, 2656 (2658). 17 Vgl. Fn. 15.

* Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Freie Berufe, Nürn-berg.

1 Alle Aussagen gelten – soweit nicht anders gekennzeichnet – auch für Rechts-anwältinnen.

Der Erhebung liegt eine Zufallsstichprobe ausgewähl-ter deutscher Rechtsanwaltskammern zugrunde. DieStichprobe wurde hinsichtlich der Kammergröße undder geografischen Lage (West- bzw. Ostdeutschland)angepasst, um die Repräsentativität der erhobenenDaten gewährleisten zu können. An der aktuellen Erhe-bung beteiligten sich die Rechtsanwaltskammern Ber-lin, Celle, Düsseldorf, Frankfurt, Koblenz, Mecklen-burg-Vorpommern, München, Nürnberg, Oldenburgund Sachsen. Die Daten wurden primär in Form einesschriftlichen Fragebogens erhoben, der zusätzlichauch in einer identischen Online-Version zur Ver-fügung stand. Insgesamt konnte so ein Rücklauf von3.948 Fragebögen generiert werden (Rücklaufquote:30,4 %). Angesichts der langen Laufzeit des Projektsund im Vergleich mit anderen Erhebungen dieser Artist die erreichte Rücklaufquote sehr gut. Allen Anwäl-tinnen und Anwälten, die an der Befragung teilgenom-men haben, sei an dieser Stelle recht herzlich für ihreMithilfe gedankt.

2. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSEIm Rahmen von STAR werden neben den kanzleibezo-genen Daten insbesondere auch die persönlichen Wirt-schaftsdaten der Anwälte untersucht. Im Folgendenwerden die Umsätze und Gewinne selbstständigerVollzeit-Anwälte sowie die Einkünfte in Vollzeit ange-stellter Rechtsanwälte und freier Mitarbeiter sowieder Syndikusanwälte für das Wirtschaftsjahr 2013 dar-gestellt.In den Abbildungen werden jeweils die Entwicklungender Querschnittsdaten der Wirtschaftsjahre 2000–2013für selbstständig tätige Anwälte gezeigt. Neben denDurchschnittswerten (arithmetisches Mittel bzw. Mittel-wert) werden auch die Mediane präsentiert.Das arithmetische Mittel errechnet sich aus der Sum-me aller Werte (hier Stundensätze) dividiert durch dieAnzahl an Fällen, die für die Berechnung der Summeherangezogen wurden. Jedoch können keine Aussagenüber die Verteilung getroffen werden. Hierzu müssenweitere Maßzahlen, wie z.B. der Median betrachtetwerden.2 Der Median ist der Wert, den 50 % der Be-fragten über- und die andere Hälfte unterschreiten. Eshandelt sich um ein statistisches Lagemaß, das bei derBildung von Durchschnittswerten eingesetzt wird, umdie Effekte großer Streuungen und extremer Datenwer-te zu glätten. Der Median bietet bei Wirtschaftsdateneine gute Interpretationsgrundlage.3 Die Ergebnissefür die neuen und alten Bundesländer werden getrenntausgewiesen, da nach wie vor erhebliche Unterschiedezwischen den anwaltlichen Einkommen in Ost- undWestdeutschland bestehen.Vollzeit-Tätigkeit im Rahmen einer genannten berufli-chen Stellung wird an dieser Stelle bei einer Arbeitszeit(einschließlich Fort- und Weiterbildung) von wöchentlich

40 Stunden oder mehr angenommen. Auf eine ausführ-liche Diskussion von Einkommensunterschieden in Ab-hängigkeit von Merkmalen wie z.B. Geschlecht oder Al-ter wird verzichtet. Anwaltsnotare gehen nicht in dieAnalyse ein, da deren Umsätze und Gewinne regelmäßigüber denen der rein rechtsanwaltlich tätigen Anwälte lie-gen und somit eine Aufnahme der Anwaltsnotare in dieAnalyse zu verzerrten Ergebnissen führen würde.

II. ENTWICKLUNG DER PERSÖNLICHENJAHRESUMSÄTZE

Der persönliche Honorarumsatz selbstständiger Voll-zeit-Rechtsanwälte stieg im Jahresvergleich weiter an.Im Wirtschaftsjahr 2013 erzielten VollzeitarbeitendeRechtsanwälte in Deutschland einen durchschnitt-lichen persönlichen Honorarumsatz von 163.000 Euro.Dabei treten zum Teil deutliche Unterschiede der Ein-kommenshöhe sowohl zwischen den Kanzleiformenals auch zwischen West- und Ostdeutschland auf.

1. EINZELKANZLEIENInsgesamt betrachtet steigerten Vollzeit tätige Rechts-anwälte in Einzelkanzleien ihren Jahresumsatz im Ver-gleich zu 2010 um durchschnittlich 4,7 % auf134.000 Euro. Allerdings beruht dieser Anstieg vor al-lem auf deutlichen Umsatzsteigerungen westdeutscherEinzelkanzleien. Diese erwirtschafteten im Vergleich zu2010 durchschnittlich 9,8 % mehr Umsatz und kamensomit auf 146.000 Euro. In ostdeutschen Einzelkanzlei-en sanken die mittleren Jahreshonorarumsätze um3,5 % auf 111.000 Euro. Damit konnten ostdeutsche,in Einzelkanzleien tätige Vollzeit-Anwälte nur etwadrei Viertel (76 %) der Umsatzhöhe ihrer westdeut-schen Kollegen erzielen (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Persönlicher Jahreshonorarumsatz von Vollzeit-Rechts-anwälten (ohne Anwaltsnotare) in Einzelkanzleien im Jah-resvergleich nach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

������ � ���� �� ������������� ������������ ���� ����� ���� ����� ���� ����� ��������� � ���� ����� ���� ����� ���� ���!� �!!

"�� #��

��� ��$ ��! ��� ��� ��� ��$ ��� ��$ ��$ ����!� ��� ��� �!! ���

���� �� �� �� �� �� �� � �� �

��� ����

�� ���

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

2. LOKALE SOZIETÄTENAuch die persönlichen Umsätze der Vollzeit tätigenRechtsanwälte in lokalen Sozietäten stiegen im Ver-gleich zum Wirtschaftsjahr 2010 für Gesamtdeutsch-land spürbar von durchschnittlich 171.000 Euro auf186.000 Euro. Und anders als in Einzelkanzleien konn-ten in lokalen Sozietäten sowohl die west- als auch dieostdeutschen Vollzeitanwälte ihre Umsätze steigern.

So lag der mittlere Jahreshonorarumsatz von Vollzeit-Rechtsanwälten in ostdeutschen lokalen Sozietäten bei

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

14

2 Die Höhe der Balken und die dazugehörige Zahl geben das arithmetische Mittelder dargestellten Daten an.

3 Die kursiv geschriebene Zahl unter (bzw. über) der Linie innerhalb der Balken stelltden Median dar.

140.000 Euro und damit 4,5 % über dem des Jahres2010. Vergleichbare westdeutsche Vollzeit-Rechtsanwältekamen auf 198.000 Euro und damit auf 6,5 % mehr Um-satz verglichen mit 2010. Auch wenn die Jahresumsätzein ostdeutschen lokalen Sozietäten im Jahresvergleichstiegen, bleiben die schon aus den Vorjahren bekanntenAbweichungen zu westdeutschen lokalen Sozietäten be-stehen. Vollzeit-Rechtsanwälte in lokalen Sozietäten inOstdeutschland konnten durchschnittlich nur 71 % derwestdeutschen Umsatzhöhe erzielen (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Persönlicher Jahreshonorarumsatz von Vollzeit-Rechts-anwälten (ohne Anwaltsnotare) in lokalen Sozietäten imJahresvergleich nach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

������ � ���� �� �% ���&�� ������������ $$�� ����� �$�� ����� ���� ����� $�!������ ���� ����� $��� ����� ��$� ���!� �$�

"�� #��

��$ ��� ��� ��$ ��� ����!� ��� �$� ��� �$$ ��� ��� ��� ��� ���

�� ��� ��� �� �����

�����

�� �� ��� ��� ��� ����� ��

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

3. ÜBERÖRTLICHE SOZIETÄTENBei den nachfolgenden Ausführungen zu den Umsät-zen (wie auch an späterer Stelle zu den Gewinnen)von Vollzeit tätigen Rechtsanwälten in überörtlichenSozietäten4 ist zu beachten, dass die Angaben zu denWirtschaftsdaten mit einem gewissen Vorbehalt zu be-werten sind: Zum einen stellt die Gruppe der über-regionalen Sozietäten hinsichtlich der Fallzahl diekleinste der drei betrachteten Kanzleiformen dar, zumanderen ist sie oftmals sehr heterogen, z.B. hinsichtlichder Anzahl der Partner oder der Anzahl der Standorte.Hierdurch zeigen sich häufig größere Schwankungenim Jahresvergleich als bei den lokalen Sozietäten undEinzelkanzleien, die zum Teil auch auf den unterschied-lichen Stichprobenzusammensetzungen in den einzel-nen Befragungsjahren beruhen.5

Wie in Einzelkanzleien und lokalen Sozietäten stiegenauch die persönlichen Honorarumsätze der Vollzeit täti-gen Rechtsanwälte in überörtlichen Sozietäten im Jah-resvergleich zu 2010. Sie erzielten im Mittel einen Jah-resumsatz von 286.000 Euro und damit 2,5 % mehr alsim Jahr 2010. In ostdeutschen überörtlichen Sozietätensanken die durchschnittlichen Jahresumsätze der Voll-zeit Rechtsanwälte im Durchschnitt deutlich um 13,4 %auf 187.000 Euro. Dies entspricht dem Niveau des Wirt-schaftsjahrs 2008. Westdeutsche Vollzeit-Anwälte konn-ten ihren Jahreshonorarumsatz im Mittel auf 324.000steigern, was einem Zuwachs von 1,3 % gleichkommt.Der Ost-West-Vergleich zeigt eine weitere Vergrößerung

der Umsatzunterschiede zwischen Ost- und West-deutschland. Ostdeutsche Vollzeit-Anwälte in überörtli-chen Sozietäten erwirtschafteten im Mittel nur 57,7 %der Höhe des durchschnittlichen Jahreshonorarumsat-zes der westdeutschen Vergleichsgruppe (Abb. 3).

Abb. 3: Persönlicher Jahreshonorarumsatz von Vollzeit-Rechts-anwälten (ohne Anwaltsnotare) in überörtlichen Sozietätenim Jahresvergleich nach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

"�� #��

��� ����$� ��!

��� ������

���

�!����

�!����

�!!�$$

!�� !��

��� ����� ��

��� �� ������

��

������

�� ���

��

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

������ � ���� �� �% ���&�� ������������ $$�� ����� �$�� ����� ���� ����� $�!������ ���� ����� $��� ����� ��$� ���!� �$�

4. GESAMTSCHAUZusammenfassend bleibt mit Blick auf den persönli-chen Jahreshonorarumsatz Vollzeit tätiger Rechts-anwälte festzuhalten, dass vor allem in westdeutschenKanzleien im Jahresvergleich Umsatzsteigerungen er-reicht werden konnten. Im Osten Deutschlands stiegenlediglich in lokalen Sozietäten die durchschnittlichenHonorarumsätze Vollzeit tätiger Rechtsanwälte. DieEinkommensschere zwischen west- und ostdeutschenselbstständigen Vollzeitanwälten ist – zugunsten west-deutscher Anwälte – nach wie vor deutlich.

III. ENTWICKLUNG DER PERSÖNLICHENJAHRESÜBERSCHÜSSE

Die persönlichen Jahresüberschüsse der Vollzeit tätigenRechtsanwälte in Deutschland insgesamt lagen im Wirt-schaftsjahr 2013 bei durchschnittlich 80.000 Euro unddamit 11,1 % über dem Wert des Jahres 2010. Dasich auch hier – ähnlich wie bei den persönlichen Jah-resumsätzen – zum Teil deutliche Unterschiede zwi-schen den Kanzleiformen und dem Bundesgebiet er-geben, wird im Folgenden näher darauf eingegangen.

1. EINZELKANZLEIENVollzeit tätige Rechtsanwälte konnten im Wirtschafts-jahr 2013 in Einzelkanzleien einen durchschnittlichenÜberschuss von 59.000 Euro erwirtschaften. Damit er-zielten sie im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2010 eineSteigerung von 7,3 %.

Allerdings konnten Anwälte in west- und ostdeutschenEinzelkanzleien nicht gleichermaßen höhere Einkom-men generieren. Vollzeit-Anwälte in ostdeutschen Ein-zelkanzleien mussten im Jahresvergleich zu 2010 wieschon beim Jahreshonorarumsatz im Mittel Einbußenbeim Jahresüberschuss in Höhe von 4,2 % hinnehmen

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

15

4 Die Zuordnung der überörtlichen Sozietäten zu den neuen und alten Bundeslän-dern erfolgte über die Person, die den Fragebogen zur überörtlichen Sozietät aus-gefüllt hat. Je nachdem, wo deren Zulassung zur Anwaltschaft bestand, wurde dieSozietät in die Gruppe der ost- bzw. der westdeutschen Kanzleien aufgenommen.

5 Des Weiteren hat sich die Zusammensetzung der an der STAR-Untersuchung teil-nehmenden Kammern im Lauf der Jahre immer wieder geändert.

GRUHL, UMSATZ- UND EINKOMMENSENTWICKLUNG IN DER ANWALTSCHAFT

und kamen dadurch auf einen persönlichen Gewinnvon durchschnittlich 46.000 Euro. Das entspricht demWert von 2008. Ihre Kollegen in westdeutschen Einzel-kanzleien konnten hingegen den persönlichen Über-schuss im Vergleich zu 2010 deutlich auf durchschnitt-lich 65.000 Euro steigern. Dies bedeutet einen Anstiegim Jahresvergleich um 14,0 %. Wie schon in den Vor-jahren erzielten ostdeutsche Vollzeitanwälte in Einzel-kanzleien mit durchschnittlich nur 71 % des westdeut-schen Werts deutlich geringere Überschüsse als ihrewestdeutschen Kollegen (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: Persönlicher Jahresüberschuss von Vollzeit-Rechtsanwälten(ohne Anwaltsnotare) in Einzelkanzleien im Jahresvergleichnach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

������ � ���� �� ������������� ������������ ���� ����� ��$� ����� ���� ����� ��������� ���� ����� ���� ����� ��$� ���!� ���

"�� #��

�� !$ !� �� �� �� �� �� �$ �� �� �$ $� $! $��$

�� � � �� �� �� �� �� �� �� � ��� �� �� �

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

2. LOKALE SOZIETÄTENIn lokalen Sozietäten erwirtschafteten Vollzeit tätigeAnwälte im Jahr 2013 im Mittel einen Jahresüber-schuss von 100.000 Euro. Damit konnten diese Rechts-anwälte ihr Einkommen im Vergleich zum Wirtschafts-jahr 2010 um durchschnittlich 9,9 % steigern. Diesepositive Entwicklung zeigt sich sowohl für ost- alsauch für westdeutsche lokale Sozietäten.

Dabei profitierten vor allem Vollzeit-Anwälte in ost-deutschen lokalen Sozietäten von Einkommenszuwäch-sen. Sie erzielten im Jahresvergleich zu 2010 einendurchschnittlichen Jahresüberschuss von 83.000 Euround damit im Mittel 25,8 % mehr als 2010. In west-deutschen lokalen Sozietäten konnten Vollzeit-Anwälteeinen persönlichen Jahresüberschuss von 105.000 Eu-ro erwirtschaften und lagen damit 6,1 % über demWert des Vergleichsjahrs.

Der Vergleich zwischen West- und Ostdeutschlandmacht die nach wie vor vorhandene Einkommenssche-re deutlich. So erzielten Anwälte in ostdeutschen loka-len Sozietäten 79 % der Höhe des Jahresüberschussesihrer westdeutschen Kollegen (vgl. Abb. 5).

Abb. 5: Persönlicher Jahresüberschuss von Vollzeit-Rechtsanwälten(ohne Anwaltsnotare) in lokalen Sozietäten im Jahresver-gleich nach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

������ � ���� �� �% ���&�� ������������ $�!� ����� ���� ����� �!�� ����� $�������� $!!� ����� $��� ����� �!�� ���!� ���

"�� #��

$$�� �� $�

��$$

��

�!�� �� �� �� �� ��

�� ��$

�� �� �� ����

��� ��

�� �� � � �� �� �� ��

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

3. ÜBERÖRTLICHE SOZIETÄTENEin klarer Anstieg des durchschnittlichen Jahresüber-schusses ergab sich für Vollzeit tätige Rechtsanwältein überörtlichen Sozietäten im Vergleich der Wirt-schaftsjahre 2010 und 2013. Der mittlere Gewinn fürdas Jahr 2013 lag bei 164.000 Euro und damit 29,1 %über dem Wert des Vergleichsjahrs. Dabei bewegensich die Zuwächse der persönlichen Jahresüberschüssesowohl in west- als auch in ostdeutschen überörtlichenSozietäten in ähnlicher Höhe.

Die persönlichen Jahresüberschüsse ostdeutscher Voll-zeit-Rechtsanwälte lagen im Mittel bei 110.000 Euround übertrafen somit den Wert des Jahres 2010 um17,0 %. Ihre Kollegen im Westen Deutschlands kamenauf durchschnittlich 187.000 Euro, was einem Zu-wachs von 18,4 % im Vergleichszeitraum entspricht.Trotz dieser sehr positiven Entwicklungen bleibt fest-zuhalten, dass die Ost-West-Unterschiede hinsichtlichdes durchschnittlichen Jahresüberschusses in überörtli-chen Sozietäten gravierend sind. So konnten ostdeut-sche, in überregionalen Sozietäten beschäftigte Voll-zeit-Rechtsanwälte im Wirtschaftsjahr 2013 lediglich58,8 % des mittleren Jahresüberschusses ihrer west-deutschen Kollegen erzielen (vgl. Abb. 6).6

Abb. 6: Persönlicher Jahresüberschuss von Vollzeit-Rechtsanwälten(ohne Anwaltsnotare) in überörtlichen Sozietäten im Jah-resvergleich nach Bundesgebiet) (in Tsd. Euro)

"�� #��

�� �$ �� �!

����

�����

�� ���� ��

��$ ���

�$�

���

�� �� ����

��

� ��� ��

��

�� �� ��

��� ���

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

������ � ���� �� �% ���&�� ������������ $�!� ����� ���� ����� �!�� ����� $�������� $!!� ����� $��� ����� �!�� ���!� ���

4. GESAMTSCHAUZusammenfassend kann hinsichtlich der persönlichenJahresüberschüsse festgehalten werden, dass derenEntwicklung im Jahresvergleich deutlich positiver aus-fällt als dies bei den Umsätzen der Fall war. So stiegen– abgesehen von ostdeutschen Einzelkanzleien – diepersönlichen Jahresüberschüsse der Vollzeit-Rechts-anwälte in lokalen und überörtlichen Sozietäten so-wohl in West- als auch in Ostdeutschland im Vergleichzu 2010 zum Teil deutlich an. Dennoch lagen diedurchschnittlichen Jahresüberschüsse im WestenDeutschlands auch 2013 über denen im Osten desLandes.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

16

6 An dieser Stelle sei nochmals auf die große Heterogenität der Gruppe der über-örtlichen Sozietäten hingewiesen. Dies kann – wie bereits weiter oben angemerkt– gegebenenfalls zu größeren Schwankungen der Ergebnisse, als dies bei den an-deren Vergleichsgruppen der Fall ist, führen.

GRUHL, UMSATZ- UND EINKOMMENSENTWICKLUNG IN DER ANWALTSCHAFT

IV. ANGESTELLTE UND FREI MITARBEITENDERECHTSANWÄLTE SOWIE SYNDIKUSANWÄLTE

Im Folgenden wird auf die Einkommenssituation ange-stellter und frei mitarbeitender Vollzeit-Rechtsanwältesowie Vollzeit tätiger Syndikusanwälte im Wirtschafts-jahr 2013 und im Jahresvergleich zu 2010 eingegan-gen. Umfasst sind diejenigen Berufsträger, die ihre je-weilige Tätigkeit ausschließlich ausüben und mindes-tens 40 Stunden pro Woche arbeiten (einschließlichder Zeit für Fort- und Weiterbildung).

1. ANGESTELLTE RECHTSANWÄLTEVollzeit angestellte Rechtsanwälte erzielten im Wirt-schaftsjahr 2013 ein durchschnittliches Jahresbruttoein-kommen (Gehälter mit dreizehntem Gehalt und freiwil-ligen betrieblichen Leistungen) von 66.000 Euro. Damitstiegen die Einkommen dieser Berufsträger im Vergleichzum Jahr 2010 insgesamt um etwa ein Fünftel.

Die Einkommenshöhe angestellter Rechtsanwälte weistallerdings deutliche Unterschiede hinsichtlich der Kanz-leiform, in der der Anwalt beschäftigt ist, und hinsicht-lich der Region, in der sich die Kanzlei befindet, auf. Ge-nerell kann festgestellt werden, dass das Jahreseinkom-men mit der Kanzleigröße steigt und zudem angestellteRechtsanwälte in Westdeutschland höhere Einkünfte er-zielen als ihre Kollegen im Osten Deutschlands. Im Jah-resvergleich zwischen 2013 und 2010 konnten die an-gestellten Rechtsanwälte in allen Vergleichsgruppenihre Bruttojahreseinkommen steigern.

Im Westen erhielten angestellte Vollzeit-Anwälte imWirtschaftsjahr 2013 durchschnittlich 72.000 Euro.Ihre Kollegen im Osten Deutschlands kamen im Mittelauf 42.000 Euro. Sowohl west- als auch ostdeutsche, inVollzeit angestellte Rechtsanwälte konnten ihr Jahres-bruttoeinkommen im Vergleich zum Wirtschaftsjahr2010 steigern.

Die Betrachtung nach Kanzleiform zeigt folgendesBild: In Einzelkanzleien angestellte Vollzeit-Rechts-anwälte erzielten im Jahr 2013 im Mittel 46.000 Euround bewegten sich damit auf dem Niveau von 2010.Ihre Kollegen in Ostdeutschland kamen auf ein Jahres-bruttoeinkommen von durchschnittlich 36.000 Euro.Sie konnten damit ihr Einkommen im Vergleich zu2010 um 20 % steigern. Das mittlere Bruttoeinkom-men in Sozietäten beschäftigter Vollzeit-Rechtsanwältelag deutlich über den in Einzelkanzleien erzielten Be-trägen. In westdeutschen Sozietäten erzielten Vollzeitangestellte Rechtsanwälte ein durchschnittliches Jah-reseinkommen von 76.000 Euro. Sie steigerten ihr Jah-resgehalt im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2010 da-mit um ein Drittel. Im Osten Deutschlands kamen ihreKollegen in Sozietäten im Mittel auf 43.000 Euro. Auchhier zeigt sich ein Zuwachs im Vergleich zu 2010 um10,3 % (vgl. Abb. 7 und 8).7

Abb. 7: Durchschnittliches Bruttoeinkommen der angestelltenVollzeit-Anwälte nach Kanzleiform im Jahresvergleich(in Tsd. Euro)

������ � ���� �������� ���� ����� ���� ����� ��!� ����� ��������� �$�� ����� ���� ����� ���� ���!� !�$

������������ % ���&�� '����

!$ !� �� !� �� �! �� �� ���! �! �$

�� $�$�

��

���� �! �!

��$�

$$

��

���� ��

���� � �� �� ��

��� � �� �� ��

�� �� �� �� �� ���

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

#��

�������� ������ ��� ������� �� ���� �� ������������ ����!�� �! (��) *� % ���&�� ����!�� �� (��) *

Abb. 8: Durchschnittliches Bruttoeinkommen der angestelltenVollzeit-Anwälte nach Kanzleiform im Jahresvergleich(in Tsd. Euro)

������ � ���� �������� ���� ����� ���� ����� ��� ����� �������� ���� ����� ��� ����� �!!� ���!� �$

������������ % ���&�� '����

�� ��!�

�� !� !! !�!� !$ !$ !$

��!�

�!!�

�!

!� !� !� !� !��� !�

��

� � �� ��

� �� � ����

�� � � ��

�� � �� �� � �� ����

���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���! ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���� ���!

"��

�������� ������ ��� ������� �� ���� �� ������������ ����!�� �! (��) *� % ���&�� ����!�� �� (��) *

2. FREIE MITARBEITERÄhnlich wie bei angestellten Rechtsanwälten ergebensich auch für freie Mitarbeiter unterschiedliche Hono-rarhöhen in Abhängigkeit von der Kanzleigröße undder Lokalität der Beschäftigung in West- bzw. Ost-deutschland. Für Gesamtdeutschland betrachtet konn-ten in Vollzeit tätige frei mitarbeitende Rechtsanwälteim Wirtschaftsjahr 2013 ein mittleres Jahreshonorarvon 67.000 Euro erwirtschaften. Im Vergleichsjahr2010 bewegte sich das durchschnittliche Jahreshonorarbei deutlich niedrigeren 55.000 Euro. In Einzelkanzleienlag der Wert im Wirtschaftsjahr 2013 bei 42.000 Euround in Sozietäten im Durchschnitt bei 70.000 Euro.8

3. SYNDIKUSANWÄLTEVollzeit tätige Syndikusanwälte erzielten im Wirt-schaftsjahr 2013 ein durchschnittliches Bruttoeinkom-men von 104.000 Euro. Dabei konnten Syndici mit ei-ner Tätigkeit im Westen Deutschlands ein Jahresbrut-toeinkommen von 108.000 Euro erwirtschaften, ihreKollegen im Osten des Landes kamen im Mittel auf77.000 Euro.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

17

7 An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Abweichungen zwi-schen Ost und West z.T. durch die Heterogenität der untersuchten Gruppe derangestellten Vollzeit-Anwälte bedingt ist.

8 Auf weitere Vergleiche nach Bundesgebiet und Kanzleiform wird an dieser Stelleaufgrund zu geringer Fallzahlen verzichtet.

4. GESAMTSCHAUZusammenfassend ist im Hinblick auf die Jahresein-kommen der angestellten und frei mitarbeitenden Voll-zeit-Rechtsanwälte und der Syndici festzuhalten, dassdie Einkünfte im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2010im Mittel bei allen betrachteten Vergleichsgruppen so-wohl für West- als auch für Ostdeutschland gewach-sen sind. Dennoch bestehen weiter zum Teil erheblicheEinkommensunterschiede zwischen West- und Ost zuGunsten Westdeutscher Berufsträger.

V. FAZIT

Seit 1993 führt das IFB im Auftrag der BRAK die STAR-Erhebung durch. Grundlegende Aspekte der Erhebungblieben dabei über die Jahre unverändert. Damit bie-ten die STAR-Daten eine profunde Quelle für statisti-sche Analysen zur wirtschaftlichen Entwicklung derdeutschen Anwaltschaft.

Die aktuelle STAR-Erhebung zeigte einmal mehr, dassdie wirtschaftlichen Strukturen in der deutschen An-waltschaft sehr heterogen sind. Beispielsweise gibt esimmer noch deutliche Einkommensunterschiede zwi-

schen Rechtsanwälten in West- und Ostdeutschland.Sowohl selbstständige als auch angestellte Anwälte,freie Mitarbeiter oder Syndici erzielten im WestenDeutschlands zum Teil gravierend höhere Einkommenals im Osten des Landes. Weiterhin zeigen sich Ein-kommensunterschiede in Abhängigkeit von der Kanz-leiform, wobei in Sozietäten höhere Einkünfte als in Ein-zelkanzleien erzielt werden. Die STAR-Erhebung ergabzudem Hinweise auf nach wie vor bestehende Einkom-mensunterschiede zwischen Männern und Frauen imBeruf des Rechtsanwaltes sowie Einkommensunter-schiede in Abhängigkeit vom Kanzleialter. Aufgrunddes Übersichtscharakters des vorliegenden Artikelswurden diese Aspekte hier ausgeklammert.9

Trotz der Unterschiede der Einkommenshöhen auf-grund diverser Charakteristika ergab die STAR-Befra-gung, dass in der Gesamtheit der deutschen Anwalt-schaft eine positive Grundstimmung überwiegt. Sowohlmit Blick auf das vergangene Wirtschaftsjahr als auchim Hinblick auf zukünftige Entwicklungen berichtetendie Anwälte von Verbesserungen oder mindestens vonunveränderten Situationen.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

18

NEUES AUS FRANKREICH:ANWALTSURKUNDE UND EHESCHEIDUNG OHNE GERICHTRECHTSANWALT UND AVOCAT JUSTIZRAT HEINZ WEIL*

Zwei Gesetzesänderungen in unserem Nachbarlandsind für die tägliche Praxis eines erheblichen Teils derfranzösischen Anwaltschaft von Bedeutung und auchaus der deutschen Perspektive von Interesse. Der Au-tor erläutert die beiden neuen Institute.

I. DIE ANWALTSURKUNDE

Wie in Deutschland haben auch in Frankreich Urkun-den, die von Notaren erstellt werden, einen höherenBeweiswert als sonstige Schriftstücke. In Frankreichgibt es ausschließlich das Nur-Notariat mit einem Nu-merus Clausus. Den gleichen hohen Beweiswert habenbestimmte Urkunden der ebenfalls in Form eines freienBerufes organisierten Gerichtsvollzieher (huissiers dejustice), denn beide staatlich beliehenen Berufe sindsog. officiers ministériels. Beide stehen jedoch auchteilweise mit den Rechtsanwälten im Wettbewerb,weil sie neben der Befugnis, das staatliche Siegel zuführen, Rechtsrat erteilen dürfen. Zur Förderung des

Wettbewerbs wurde sogar vor wenigen Monaten dieZahl der Notarstellen erhöht.

Mit dem Ruf, gleiche Wettbewerbsbedingungen zuschaffen, kämpften die Interessenvertreter der Anwalt-schaft seit Jahren dafür, ebenfalls Beurkundungen vor-nehmen zu können, was den Notaren natürlich nichtschmeckte. Die Pfründe der französischen Notare istdas Monopol der Beurkundung von Immobiliartrans-aktionen. Daran zu rütteln, war ausgeschlossen, umsomehr, als die Notare auch im unmittelbaren staatli-chen Interesse als Steuereintreiber der mit dem Immo-biliargeschäft verbundenen Steuern tätig werden. DasMonopol der freiwilligen Beurkundung anderer Rechts-geschäfte stand jedoch zur Debatte, wobei anders alsin Deutschland gesellschaftsrechtliche Vorgänge nichtnotariell beurkundet sein müssen. Der Anwaltschaftist es gelungen, eine Öffnung zu erreichen. Zum 1.10.2016 wurde folgender neuer Artikel in den Code Civileigefügt:

„Art. 1374 – Die privatschriftliche Urkunde, die vonden Rechtsanwälten der Parteien oder vom Rechts-anwalt aller Parteien gegengezeichnet wurde, beweistden Inhalt der Urkunde und die Unterzeichnung durchdie Parteien und dies sowohl im Verhältnis zu den Par-

9 S. zur Situation von Rechtsanwältinnen Nitschke, BRAK-Magazin 1/2017, 14.

* Der Autor ist Rechtsanwalt und Avocat in Paris.

teien wie zu ihren Erben oder Rechtsnachfolgern. Dievon der Zivilprozessordnung vorgesehenen besonderenAnforderungen zum Beweis der Unrichtigkeit sind da-rauf anwendbar. Eine solche Urkunde bedarf nichtder ansonsten vom Gesetz geforderten handschriftli-chen Zusätze.“Das anwaltliche Berufsrecht wurde dahingehend er-gänzt, dass der Rechtsanwalt mit seiner Gegenzeich-nung der Urkunde gleichzeitig versichert, dass er dievon ihm beratene(n) Partei(en) bezüglich der Rechtsfol-gen des beurkundeten Geschäfts aufgeklärt hat, wassich übrigens bereits aus den allgemeinen Berufspflich-ten ergibt. Die nationale Berufsorganisation der fran-zösischen Anwaltschaft (Conseil National des Barre-aux) hat eine Plattform zur Erleichterung der elektro-nischen Signatur eingerichtet.Es bleibt abzuwarten, wie die von den anwaltlichen In-teressenvertretern als großer Erfolg verkündete Geset-zesänderung in der anwaltlichen Praxis angenommenwird. Nach meiner Erfahrung waren bisher die Fälle,in denen von den Parteien die notarielle Beurkundungeines Vertrags verlangt wurde, der nicht zwingend die-ser Beurkundung bedarf, eher selten. Die zusätzlichenKosten der notariellen Beurkundung konnten sichereine Rolle spielen. Denkbar ist jetzt, dass sich die An-wälte den Mehrwert der anwaltlichen Beurkundungnicht gesondert vergüten lassen. Dann ist dieser Mehr-wert für die Parteien attraktiv, für die Anwälte weniger.Verlangen die Anwälte dafür eine angemessene Ver-gütung, dann dürften die Mandanten zögern.

II. EHESCHEIDUNG OHNE GERICHT

Seit Langem gibt es in Frankreich Stimmen, die for-dern, die Gerichte dadurch zu entlasten, dass einver-nehmliche Ehescheidungen aus der Zuständigkeit derJustiz herausgenommen werden. Für den deutschenLeser ist vorauszuschicken, dass die französische or-dentliche Gerichtsbarkeit wesentlich überlasteter istals ihr deutsches Pendant. Die finanzielle und personel-le Ausstattung steht bei Berücksichtigung der unter-schiedlichen Einwohnerzahl im Verhältnis eins zu dreizugunsten der deutschen Justiz. Entlastung ist alsodringend geboten, da eine entsprechende materielleund personelle Aufstockung trotz aller Sonntagsredender Politiker ausgeschlossen ist.Auch hier boten sich Notare und Rechtsanwälte kon-kurrierend zur Lösung an. Die Notare argumentierten,dass ihre Neutralität und Nähe zum Staat sie für dieÜbernahme dieser gerichtlichen Aufgabe besondersqualifizieren. Die Rechtsanwälte hielten dagegen,dass die Notare mit Ehescheidungen keine Erfahrunghaben, sie dagegen seit Langem in Ehescheidungen in-volviert sind. Herausgekommen ist als erstes Ergebnis,dass sich die Justiz ab dem 1.1.2017 aus den einver-nehmlichen Scheidungen zurückzieht.Das ist eine geradezu revolutionäre Veränderung,denn bisher sollte das aufmerksame Auge des Richters

überwachen, dass auch im Fall eines prima facie vor-handenen Einvernehmens keine Partei übervorteiltund das Kindeswohl nicht außer Acht gelassen wird.Die Überlastung der Gerichte führte allerdings dazu,dass aus dieser Kontrollfunktion oft ein Durchwinkenim Gerichtstermin wurde. Als zweites Ergebnis kam esbei der Zuordnung der neuen Aufgabe auf Rechts-anwälte und/oder Notare zu einem Kompromiss.

Das pompös mit „Modernisierung der Justiz des 21.Jahrhunderts“ überschriebene Gesetz reformiert denCode Civil (neue Art. 229 bis 229–4). Jede der zur ein-vernehmlichen Auflösung der Ehe bereiten Parteienmuss im Beistand eines Rechtsanwalts handeln, wäh-rend bei der gerichtlichen einvernehmlichen Scheidungein für beide Parteien handelnder Anwalt ausreichte.Unter Mitwirkung der Rechtsanwälte vereinbaren dieParteien die Scheidung und die Scheidungsfolgen in ei-nem Eheauflösungsvertrag, der zur Wirksamkeit vonden beiden Anwälten gegengezeichnet werden muss.Man sieht hier die Verwandtschaft zur vorstehend er-läuterten Anwaltsurkunde. Im Unterschied zur An-waltsurkunde muss dieser Vertrag jedoch von denRechtsanwälten bei einem Notar hinterlegt werden,der die Eintragung des Randvermerks in der Heirats-urkunde beim zuständigen Standesamt beantragt. DieParteien erscheinen nicht vor dem Notar und dieserhat dementsprechend nur die Formalien zu überprü-fen. Die scheidungswilligen Ehegatten müssen vor Hin-terlegung des Eheauflösungsvertrags beim Notar einefünfzehntägige Überlegungsfrist einhalten. Sind Kindervorhanden, die über ausreichendes Urteilsvermögenverfügen, so können sie der außergerichtlichen Eheauf-lösung widersprechen, damit der Familienrichter überdie Scheidung entscheidet. Das dürfte nur selten prak-tisch werden, auch wenn die Eltern in dem Eheauf-lösungsvertrag versichern müssen, ihre Kinder überihr Recht aufgeklärt zu haben.

Rechtshistorisch ist interessant, dass, nachdem diefranzösische Revolution die Zivilehe und deren Auflös-barkeit geschaffen hatte, während einiger Jahre dieBürgermeister der über 30.000 Gemeinden für Ehe-scheidungen zuständig waren. Angesichts der damitinsbesondere in kleinen Dörfern verbundenen Mängelhat der Gesetzgeber diese Zuständigkeit dann der Jus-tiz anvertraut. Die Praxis wird zeigen, welche recht-lichen Probleme sich heute aus dieser neuen Form derEheauflösung ergeben, insbesondere wenn es anschlie-ßend zu Spannungen unter den geschiedenen Ehepart-nern kommt, z.B. weil ein Ehepartner behauptet, vomanderen überrumpelt worden zu sein. Haftungsrisikensind dann auch für die beteiligten Rechtsanwälte denk-bar. In einiger Zeit werden durch einen französischenEheauflösungsvertrag erfolgte Scheidungen auch imNachbarland Deutschland ihre Wirkungen entfalten,weil ein geschiedener Ehepartner seinen Wohnsitzdorthin verlegt hat oder dort eine neue Ehe eingehenwill. Im internationalen Familienrecht versierte Kolle-ginnen und Kollegen können sich bereits jetzt auf inte-ressante Rechtsfragen freuen.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

19

WEIL, NEUES AUS FRANKREICH: DIE ANWALTSURKUNDE UND EHESCHEIDUNG OHNE GERICHT

PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS –EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHTRECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS*

In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentierendie Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungenzum anwaltlichen Haftungsrecht.

HAFTUNG

EINBEZIEHUNG VON DRITTEN INSCHADENSBERECHNUNGHat die steuerliche Beratung einer Gesellschaftbürgerlichen Rechts nach dem Inhalt des Vertragesauch die Interessen der Gesellschafter zum Gegen-stand, ist der Schaden unter Einbeziehung der Ver-mögenslagen der Gesellschafter zu berechnen(Fortführung von BGH, Urt. v. 18.2.2016 – IX ZR191/13, ZIP 2016, 1541).BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, DB 2016, 2955

Ein Beratungsmandat mit einer Gesellschaft, und seies auch einer Personengesellschaft, beinhaltet nichtautomatisch gleichzeitig die Wahrung der Gesellschaf-terinteressen. Meistens ergibt sich jedoch aus dem In-halt des Mandats, dass auch deren Interessen zu be-rücksichtigen sind.Hier betrieb die Mandantin, eine Gesellschaft bürger-lichen Rechts, eine Praxis für Physiotherapie. Zusätzlicherbrachte sie im Auftrag eines Dritten Wellness-behandlungen. Steuerrechtlich problematisch war da-ran, dass zwar für die medizinisch indizierte Physiothe-rapie keine Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht be-stand, für die Wellnessbehandlungen hingegen schon.Die Gewerbesteuerpflicht erstreckte sich dabei gem.§ 15 II Nr. 1 EStG auf sämtliche Einnahmen.Dem Steuerberater wurde nun u.a. vorgeworfen, beider steuerlichen Beratung nicht auf die Gewerbesteu-erpflicht hingewiesen zu haben. Insbesondere hätte erraten müssen, die Wellnessleistungen in eine neu zugründende, personenidentische Gesellschaft auszuglie-dern, um die Gewerbesteuerpflicht auf die hieraus re-sultierenden Einkünfte zu reduzieren.Würde man die Interessen der Gesellschaft isoliert be-trachten, käme es zu einem solchen Vorwurf gar nichterst, denn die Gesellschaft hätte kein Interesse daran,Einkünfte zu verlieren, nur um der Steuerlast zu ent-gehen. Da jedoch in einer Personengesellschaft die Ein-künfte unmittelbar den Gesellschaftern zugutekom-men, wird man in aller Regel annehmen können, dassbei der Beratung auch die Vermögensinteressen derGesellschafter zu berücksichtigen sind. Sofern diese

durch Ausgliederung der Leistungen in eine zweiteGbR höhere Nettoeinkünfte erzielen können, hätte die-ser Rat erteilt werden müssen.Der BGH stellt aber auch in diesem Fall wieder klar,dass es dann kein Rosinenpicken geben kann: Bei derSchadensberechnung müssen den aus dem Beratungs-defizit erwachsenen Nachteilen bei der Gesellschaftauch beispielsweise sämtliche bei den Gesellschafternanfallenden Anrechnungsvorteile gegenübergestelltwerden. Wird die Haftung des Steuerberaters durchdie Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter indas steuerliche Beratungsmandat erweitert, muss esihm auch möglich sein, sich auf die infolge der fehler-haften Beratung entstandenen Vorteile dieser Drittenzu berufen. Es hat also eine Betrachtung der Gesamt-vermögenslage zu erfolgen. Zur Klärung, ob und wel-che Vorteile tatsächlich vorlagen, hat der Senat zu-rückverwiesen.Das Urteil weist noch andere interessante Aspekte auf:Als weitere Schadensposition waren die Kosten einesdurch einen weiteren Steuerberater durchgeführten –erfolglosen – Klageverfahrens gegen Umsatz- und Ge-werbesteuerbescheide geltend gemacht worden. Dadieser eine eigenständige Verpflichtung hatte, die Er-folgsaussichten einer solchen Klage zu prüfen, sahendie Beklagten den Zurechnungszusammenhang unter-brochen. Dem folgt der BGH nicht: Die Klage sei nichtschlechterdings unverständlich und unsachgemäß ge-wesen, so dass der Zurechnungszusammenhang beste-hen blieb. Auch ein Mitverschulden der Mandantenwegen eines Fehlers des zweiten Beraters verneint derSenat: Vertraut der Mandant auf eine fehlerfreie Ver-tragserfüllung durch den später in Anspruch genom-menen Berater, muss er sich regelmäßig keinen schuld-haften Schadensbeitrag anrechnen lassen.Zu der schließlich von einem der beklagten Steuerbera-tersozien noch geltend gemachten Enthaftung wegenAblaufs der Fünf-Jahres-Frist gem. § 736 II BGB,§ 160 I HGB seit seinem Ausscheiden aus der Sozietätweist der Senat auf die diesbezügliche Beweislast desausgeschiedenen Gesellschafters für die fristauslösen-de positive Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers hin,der er hier nicht nachgekommen war. (ju)

ZURECHNUNGSZUSAMMENHANG BEI FEHL-ENTSCHEIDUNG DES GERICHTS1. (…)2. Hat der Rechtsanwalt den Verlust des Vorprozes-ses aufgrund einer unzureichenden oder fehlerhaf-ten rechtlichen Beratung und Vertretung zu verant-worten, trifft den über die Erfolgsaussichten einesRechtsmittels unzureichend aufgeklärten Mandan-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

20

* Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar beider Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt undFachanwalt für Versicherungsrecht in München.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

ten kein Mitverschulden, wenn er es unterlässt, ge-gen die nachteilige Entscheidung im VorprozessRechtsmittel einzulegen. (amtlicher Leitsatz)3. Der Zurechnungszusammenhang zwischen an-waltlicher Pflichtverletzung und dem Schaden desMandanten entfällt nicht durch eine falsche Ent-scheidung des Gerichts, wenn der Anwalt dessenFehlverständnis nicht beseitigt, obwohl ihm diesleicht möglich gewesen wäre, oder wenn die Fehl-entscheidung maßgeblich auf Problemen beruht,deren Auftreten der Anwalt durch sachgemäßes Ar-beiten hätte vermeiden sollen. (redaktioneller Leit-satz)BGH, Urt. v. 13.10.2016 – IX ZR 214/15, AnwBl. 2017, 93 = MDR2017, 59 = r+s 2017, 17

Die Klägerin nimmt ihren früheren Anwalt auf Scha-densersatz in Anspruch. Er habe es pflichtwidrig ver-säumt, aus einer Gebäude-Feuerversicherung zumNeuwert eine höhere Versicherungsleistung zu erstrei-ten, auf welche die Klägerin als Versicherungsnehme-rin Anspruch gehabt habe. Zwar bestand nach demVersicherungsvertrag kein Anspruch auf die sog. Neu-wertspitze, da der Wiederaufbau des Gebäudes dreiJahre nach dem Brand weder erfolgt noch sicher-gestellt war. Der Anwalt habe es aber im Versiche-rungsprozess versäumt, das Gericht darauf hinzuwei-sen, dass der Anspruch auf den Zeitwert sich aus demNeuwert abzüglich Abnutzung errechne und dass des-wegen auch die beim Neuwert (hier: fiktiv) zu berück-sichtigenden Architektengebühren und sonstige Kon-struktions-, Planungs- und Baunebenkosten für die Be-rechnung des Zeitwerts maßgeblich seien. Das OLGwies die Klage gegen den Anwalt ab. Auf die Revisionder Klägerin hob der BGH das OLG-Urteil auf und ver-wies die Sache zurück.Nach den AVB der Gebäude-Feuerversicherung habeder Klägerin auch im Rahmen der Zeitwertentschädi-gung ein Anspruch auf anteilige fiktive Architekten-gebühren und sonstige Konstruktions-, Planungs- undBaunebenkosten zugestanden. Der Anwalt habe es imVersicherungsprozess pflichtwidrig versäumt, das Ge-richt von einer fehlerhaften Auslegung der AVB ab-zubringen (zumal das Landgericht im Verhandlungster-min einen Hinweis erteilt hatte, wie es die AVB aus-lege). Das Landgericht habe die Grundsätze derhöchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegungvon AVB offensichtlich übersehen. Der Anwalt sei ver-pflichtet, einer gerichtlichen Fehlentscheidung zu Un-gunsten seiner Mandantin entgegenzuwirken, indemer das Gericht auf die rechtlichen Maßstäbe hinweist,die nach ständiger Rechtsprechung für die Auslegungvon Versicherungsbedingungen gelten. Dazu müsseder Anwalt alles – auch Rechtsausführungen – vorbrin-gen, was die Entscheidung für die Mandantin günstigbeeinflussen kann.Weiter habe der Anwalt es pflichtwidrig versäumt, dieMandantin darauf hinzuweisen, dass gute Aussichtenfür eine Berufung bestanden hätten. Hierzu sei er je-denfalls aufgrund seines vorausgegangenen Fehlers

auch ohne gesonderten Auftrag verpflichtet gewesen.Ein Mitverschulden der Mandantin aufgrund der Befol-gung des falschen Anwaltsrates, keine Berufung ein-zulegen, sei nicht ersichtlich.

Diese Anforderungen an die anwaltliche Tätigkeit ent-sprechen der ständigen Rechtsprechung des IX. Zivil-senats des BGH zur Anwaltshaftung.1 Der Zurech-nungszusammenhang zwischen einem Anwaltsfehlerund dem Schaden des Mandanten entfällt demnach al-lenfalls dann, wenn der Schadensbeitrag des Gerichtsoder eines Dritten, z.B. eines weiteren, insbesonderenach dem ersten Anwalt beauftragten Anwalts dendes (ersten) Anwalts so weit überwiegt, dass dieser da-neben ganz zurücktritt.2 (hg)

BERATUNGSPFLICHTEN DES ANWALTS IM RECHTS-SCHUTZVERSICHERTEN MANDATDer Anwalt muss einem rechtsschutzversichertenMandanten, der von seinem Gegner verklagt wird,bei Aussichtslosigkeit der Verteidigung gegen dieKlage aus Kostengründen zur Abgabe eines An-erkenntnisses raten.AG Bonn, Urt. v. 5.8.2016 – 110 C 50/16

Wir haben an dieser Stelle bereits mehrfach Fälle be-sprochen, in denen Rechtsschutzversicherer die Anwäl-te ihrer Versicherungsnehmer auf Schadensersatz ausübergegangenem Recht nach § 86 I S. 1 VVG wegender Kosten einer aussichtslosen oder zumindest hochriskanten Prozessführung in Anspruch genommen ha-ben.3 Grundsätzlich bejaht die Rechtsprechung solcheSchadenersatzansprüche, wenn der Anwalt den Man-danten nicht über die Aussichtslosigkeit bzw. die Risi-ken der beabsichtigten Prozessführung belehrt hat,weil allein das Bestehen einer Rechtsschutzversiche-rung nicht zu einer Reduzierung der anwaltlichenBeratungspflichten führe. Der Autor kritisiert dieseRechtsprechung. Nach diesseitiger Auffassung ent-steht dem Mandanten von vornherein kein übergangs-fähiger Schaden, wenn er seinen Anwalt anweist, eineKlage nur dann zu erheben, wenn zuvor der Rechts-schutzversicherer Deckungszusage erteilt hat.4 Ab-zulehnen ist auch die noch weiter gehende Rechtspre-chung, dass eine aussichtslose Klageerhebung im Ver-hältnis zum Versicherer eine Obliegenheitsverletzungdarstelle und dass der Anwalt seinen Mandanten hie-rüber belehren müsse.5

An der Entscheidung des AG Bonn ist besonders ent-täuschend, dass das Gericht mit keiner Silbe auf dieFrage der Kausalität eingeht, also darauf, wie sich

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

21

1 Zum Zurechnungszusammenhang vgl. BGH, MDR 2009, 1389 m.w.N. (bespr. vonJungk, BRAK-Mitt. 2009, 282); zum Hinweis auf die Aussichten einer Berufung s.BGH, MDR 2002, 547 (bespr. von Grams, BRAK-Mitt. 2002, 117); BGH, MDR2007, 1071 m.w.N.

2 BGH, NJW-RR 2003, 850 (bespr. von Jungk, BRAK-Mitt. 2003, 120).3 Z.B. Jungk, BRAK-Mitt. 2005, 19; Grams, BRAK-Mitt. 2010, 210; ders., BRAK-Mitt.2013, 222; ders., BRAK-Mitt. 2014, 24; ders., BRAK-Mitt. 2016, 223; ders., BRAK-Mitt. 2016, 278.

4 Vgl. Grams, BRAK-Mitt. 2010, 210; BRAK-Mitt. 2013, 222; BRAK-Mitt. 2014, 24;BRAK-Mitt. 2016, 223; BRAK-Mitt. 2016, 278.

5 S. insbesondere Grams, BRAK-Mitt. 2016, 223.

der rechtsschutzversicherte Mandant bei Erteilung ei-ner pflichtgemäßen anwaltlichen Beratung verhaltenhätte. Der Mandant war hier verklagt worden. SeinRechtsschutzversicherer erteilte ihm für die Verteidi-gung gegen die Klage Kostendeckung. Der Mandantunterlag. Nach Ansicht des Regressgerichts sei dieVerteidigung gegen die Klage aussichtslos gewesen.Der Anwalt habe ihm daher aus Kostengründen zu ei-nem Anerkenntnis raten müssen. Wie sich der Man-dant bei einem solchen Rat entschieden hätte, wurdevom Amtsgericht nicht geprüft. Allein die Möglichkeit,sich im Prozess mit dem Gegner evtl. zu vergleichen,ist doch ein ausreichendes Motiv, den Prozess auf-zunehmen, wenn man kein Kostenrisiko trägt. Die Prü-fung der rechtlichen Erfolgsaussichten liegt ausschließ-lich in der Risikosphäre des Rechtsschutzversicherers.(hg)

FRISTEN

ZUORDNUNG VON FAXNUMMERN MUSS GERICHTSELBST PRÜFENDas Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prü-fen, ob die Berufung fristgerecht eingelegt ist.Dazu kann es gehören, dass das Berufungsgerichtermittelt, ob die gewählte Telefaxnummer dem Be-rufungsgericht zugeordnet ist. Des Weiteren kannbei Bestehen einer gemeinsamen Briefannahme-stelle zu ermitteln sein, ob der gewählte Telefax-anschluss aufgrund einer Geschäftsordnungsrege-lung Teil einer gemeinsamen Posteingangsstelle ist.BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – VII ZB 45/14

Gemeinsame Posteingangsstellen mehrerer Gerichtesind immer wieder fehlerträchtig. Die Grundidee ist si-cher, dass die Post für ohnehin im selben Gebäude lie-gende Gerichte oder Justizzentren effizienter durcheine gemeinsame Poststelle sortiert werden kann. Fürdie haftungsrechtlich relevante Frage, wann ein Schrift-satz fristwahrend eingegangen ist, kommt es nach derRechtsprechung auf die „tatsächliche Verfügungs-gewalt“ des zuständigen Gerichts an. Ein und derselbeJustizbedienstete kann also z.B. für das Landgerichtoder das Oberlandesgericht Verfügungsgewalt aus-üben – allerdings nie gleichzeitig, denn er übt sie im-mer nur für den Adressaten des Schriftstücks aus mitder Folge, dass ein fälschlich an das LG adressierterSchriftsatz in denselben Händen nicht in die Ver-fügungsgewalt des OLG gelangt. Für die Einreichungist daher allein die Adressierung maßgeblich. Wennman allerdings Glück hat und der Fehler sogleich er-kannt wird, gilt das Schriftstück dennoch als beim zu-ständigen Gericht eingegangen.6

Bei Faxgeräten in gemeinsamen Posteingangsstellenwird es komplizierter: Hier muss man differenzieren,ob die Telefaxgeräte bzw. Faxnummern zu der gemein-samen Posteingangsstelle gehören, oder ob nur ver-

schiedene – separate – Faxgeräte der verschiedenenGerichte im selben Raum stehen. Ein Schriftsatz gehtnicht in die Verfügungsgewalt des zuständigen Ge-richts ein, solange nicht der Leiter der Justizbehördevorgibt, dass die Telefaxgeräte der beiden Gerichte zueiner gemeinsamen Posteingangsstelle gehören, dieals Geschäftsstelle beider Gerichte anzusehen ist.7 Bei-spielsweise bei den Justizbehörden Frankfurt wurde dieGeschäftsordnung dahingehend geändert, dass nunbestimmte Faxnummern ausschließlich bestimmtenGerichten zugeordnet sind. Das wurde der Klägerin ineinem vom BGH unlängst8 entschiedenen Fall zum Ver-hängnis.

Ob es eine entsprechende Geschäftsordnungsregelgibt, muss nicht die Partei nachweisen: Der BGHmacht deutlich, dass die Prüfung, ob die Berufung frist-wahrend eingelegt wurde, von Amts wegen zu erfolgenhat. Hierzu gehört dann auch die Überprüfung, wie dieGeschäftsordnung des Gerichts die Posteingangsstelleregelt. Für den Fall, dass eine Geschäftsordnungsrege-lung nicht existiert, ist grundsätzlich Wiedereinsetzungmöglich. Hier war vorsorglich ein Wiedereinsetzungs-gesuch eingereicht worden. Wenn in einem amtlichenVerzeichnis die betreffende Faxnummer als diejenigedes zuständigen Gerichts genannt ist, trifft die Parteikein Verschulden. (ju)

PLÖTZLICH AUFTRETENDE KRANKHEIT1. Die Prüfung der angegebenen Wiedereinset-zungsgründe erfolgt von Amts wegen. Wiederein-setzungsgründe unterliegen daher nicht der Partei-disposition und können nicht unstreitig gestelltwerden.

2. Zur Glaubhaftmachung eines plötzlich und un-erwartet aufgetretenen krankheitsbedingten Aus-falls des Prozessbevollmächtigten.BGH, Beschl. v. 27.9.2016 – XI ZB 12/14, WM 2016, 2170

Das erstinstanzliche Urteil wurde am 20.2.2014 zu-gestellt. Am 11.3.2014 legte der Prozessbevollmäch-tigte des Klägers für diesen Berufung ein. Die Begrün-dungsfrist wurde anschließend zweimal verlängert,zuletzt bis zum 23.6.2014, einem Montag. Der Pro-zessbevollmächtigte versicherte anwaltlich, dass ersich bereits seit Januar 2012 wiederholt in ärztlicherBehandlung befand. Am 6.6.2014 sei erneut eineschwere Infektion aufgetreten. Sein Zustand habe sichzunächst bis etwa 19.6.2014 gebessert, so dass er da-von ausgegangen sei, die Begründung am Wochen-ende des 21. und 22.6. fertigen zu können. Dann aller-dings habe er einen Rückfall erlitten und sei außerstan-de gewesen, die Frist einzuhalten. Am Morgen des23.6. habe er seinen Kanzleikollegen über die Situationinformiert, der aber aufgrund eigener fristgebundenerArbeitsbelastung den Schriftsatz nicht mehr fertigenkonnte, zumal er nicht eingearbeitet war.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUFSÄTZE

22

6 BGH, Beschl. v. 17.3.2009 – VIII ZB 66/08.

7 BGH, NJW-RR 2012, 1461.8 BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – III ZR 417/15, NJ 2016, 508.

Der BGH erläutert zum wiederholten Mal, dass eineWiedereinsetzung nur in Frage kommt, wenn derkrankheitsbedingte Ausfall wirklich kurz vor Fristablaufplötzlich und unerwartet auftaucht. Die Hoffnung,rechtzeitig gesund zu werden, genügt nicht. Der Pro-zessbevollmächtigte hatte eine ärztliche Bescheini-gung vorgelegt, nach der Arbeitsunfähigkeit bis „min-destens 20.6.2014“ vorliege. Damit konnte er nachAnsicht des Senats einerseits nicht den krankheits-bedingten Ausfall am 21./22.6. nachweisen, ander-seits hätte dem Anwalt damit aber auch klar sein müs-sen, dass er sich eben nicht darauf verlassen durfte,bis zum Fristende wieder ausreichend fit zu sein.

Grundsätzlich können krankheitsbedingte Fristver-säumnisse nur einen Wiedereinsetzungsantrag recht-fertigen, wenn der Anwalt in den letzten Tagen derFrist so plötzlich und heftig erkrankt, dass es ihm nichtzugemutet werden kann, noch andere Mittel zur Frist-wahrung zu ergreifen. Das gilt natürlich erst recht,wenn nach Unfällen oder Ähnlichem eine Bearbeitungnicht möglich war. Wenn sich aber Krankheiten bereitszeigen, während noch Gelegenheit besteht, etwas zuunternehmen, muss der Anwalt diese Möglichkeitenauch nutzen und darf nicht mit der Hoffnung auf Bes-serung bis zum letzten Augenblick warten.

Bei allem Verständnis, dass Fristen bis zum letzten Tagausgenutzt werden, ist es aber auch nicht immer nach-vollziehbar, warum eine Berufungsbegründung nichtinnerhalb von vier Monaten – rechnet man ab Zustel-lung der Klage – zu schreiben ist. Ist die Entscheidunggefallen, Berufung einzulegen, müsste man ja zumin-dest eine grobe Vorstellung davon haben, aus welchenGründen das erstinstanzliche Urteil fehlerhaft ist.Wenn man dann den ersten Monat verstreichen lässt,um zunächst „fristwahrend“ Berufung einzulegen, hatman nicht nur Zeit, sondern vielleicht auch Geld desMandanten verschenkt, sollte man später zu dem Er-gebnis kommen, dass sich eine Berufung kaum mitAussicht auf Erfolg begründen lässt. Eine Fristverlänge-rung hat auch nur dann Sinn, wenn man innerhalb derFrist am Schriftsatz in irgendeiner Weise arbeitet. Werdie Zeit einfach verstreichen lässt, um andere Dingevorzuziehen, wird einen Monat später keine Silbe wei-ter sein. In Notfällen sollte man sich außerdem ver-gegenwärtigen, dass es ausreicht, die Berufung nur ir-gendwie begründet zu machen. Detaillierter Vortragkann dann auch noch etwas später gebracht werden.

Noch kurz zum ersten Leitsatz: Das Berufungsgerichthatte dem Prozessbevollmächtigten vorgehalten, erhabe – trotz Aufforderung – seine Krankheit für dasbesagte Wochenende nicht ausreichend glaubhaft ge-macht. Der klägerische Anwalt ließ dazu vortragen,dass der Prozessgegner die Krankheit gar nicht bestrit-ten habe, so dass diesbezüglich eine Glaubhaftma-chung entbehrlich war. Der IX. Senat beantwortet diesim Sinne des ersten Leitsatzes. Das bedeutet natürlichfür Antragsgegner im Wiedereinsetzungsverfahren,dass es unnötig wäre, das Vorbringen des Antragstel-lers in tatsächlicher Hinsicht zu bestreiten. (bc)

WIEDEREINSETZUNGSFRIST BEI BERUFUNG MIT PKHHat die Partei Prozesskostenhilfe für die Einlegungund Begründung einer Berufung beantragt, wirddie Wiedereinsetzungsfrist nicht dadurch in Ganggesetzt, dass das Gericht auf Bedenken hinsichtlichder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsver-folgung hinweist und dem Antragsteller Gelegen-heit zur Stellungnahme gibt.BGH, Beschl. v. 22.9.2016 – IX ZB 84/15, WM 2016, 2150

Der in erster Instanz unterlegene Beklagte hatte nochinnerhalb der Berufungsfrist einen Pkh-Antrag zurDurchführung der Berufung gestellt. Vier Monate spä-ter erhielt er einen Beschluss des Berufungsgerichtsmit dem Hinweis, dass der Senat „nach derzeitigemStreitstand“ beabsichtige, den Antrag zurückzuweisen,weil er der „vorläufigen Auffassung“ sei, die Klagehabe keine Aussicht auf Erfolg. Dem Beklagten wurdeunter Fristsetzung Gelegenheit zur Stellungnahme ge-geben, die er nutzte. Danach wurde der Pkh-Antrag zu-rückgewiesen, woraufhin der Beklagte innerhalb von14 Tagen Berufung einlegte und einen Wiedereinset-zungsantrag stellte. Diesen wies das Berufungsgerichtzurück, weil die Wiedereinsetzungsfrist bereits abge-laufen sei. Sie habe begonnen, als der Beklagte auf-grund des Hinweisbeschlusses nicht mehr mit der Be-willigung von Pkh rechnen durfte.

Richtig ist, dass ein Pkh-Antrag nicht fristwahrendwirkt, wenn der Antragsteller damit rechnen muss,dass ihm Pkh versagt wird. Die Rechtsprechung meinthier aber in erster Linie Fälle, in denen schon die For-malien nicht in Ordnung sind, also wenn die wirt-schaftlichen Verhältnisse nicht oder nicht ausreichendoffengelegt werden oder wenn der Antragsteller er-sichtlich nicht Pkh-berechtigt ist. In einem Hinweis-beschluss wie dem vorliegenden konnte der BGH aberkeinen Grund dafür erkennen, dass die Wiedereinset-zungsfrist anläuft. Wörtlich führt der IX. Senat aus:

„Wäre die im angegriffenen Beschluss vertretene Auf-fassung des Berufungsgerichts richtig, hätte der Klä-ger nunmehr Wiedereinsetzung in den vorigen Standbeantragen und Berufung einlegen müssen. Mit Hilfeder Fristsetzung hätte das Berufungsgericht ihn zu ei-ner für ihn sinnlosen Handlung – der ergänzendenStellungnahme – veranlasst und ihn dadurch von derzur Wahrnehmung seiner Interessen gebotenen Hand-lung – dem Wiedereinsetzungsantrag nebst Berufung– abgehalten. Das kann nicht sein. Die Partei, die ei-nen gerichtlichen Hinweis erhält, darf darauf vertrau-en, dass dieser Hinweis das Verfahren fördert. Die Hin-weispflicht des § 139 ZPO dient nicht dazu, die Parteiin die Irre zu führen und ihr zu schaden.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dass das Beru-fungsgericht dies getrost als „Klatsche“ akzeptierensollte. (bc)

GRENZEN DER KONTROLLE TECHNISCHER GERÄTEEin Anwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfristbis zum letzten Tag ausschöpft, hat wegen des da-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

23

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

mit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhteSorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Fristsicherzustellen. Der erhöhte Sorgfaltsmaßstabführt jedoch nicht dazu, dass ein Rechtsanwalttechnische Geräte stets auf ihre Funktionsfähigkeithin überprüfen muss, ohne hierfür einen konkretenAnlass zu haben. (eigener Leitsatz)BGH, Beschl. v. 16.11.2016 – VII ZB 35/14

Der Anwalt hatte um 23.30 Uhr versucht, die Beru-fungsbegründung ans Gericht zu faxen. Er nutztedazu sein privates Faxgerät, das eine Woche zuvorvon einem Techniker ordnungsgemäß angeschlossenworden war. Das Fax ging jedoch nicht durch. DasOLG Köln hatte Wiedereinsetzung versagt, da der Pro-zessbevollmächtigte verpflichtet gewesen wäre, dieFunktionsfähigkeit des Gerätes frühzeitig am Tag desFristablaufs zu überprüfen, um andere noch möglicheund zumutbare Maßnahmen für einen sicheren Zu-gang des fristwahrenden Schriftsatzes beim zuständi-gen Gericht ergreifen zu können.Wie das in der Praxis aussehen sollte, erschließt sichnicht: Müsste man dann am selben Tag irgendwelcheProbefaxe versenden? Und in welchen zeitlichen Ab-ständen müsste das geschehen? Der BGH erkennthier zurecht eine Überspannung der Anforderungen.Im Grundsatz darf man von der Funktionsfähigkeitausgehen. Nur bei bereits zuvor aufgetauchten Proble-

men besteht Anlass, für anderweitige Übermittlungs-möglichkeiten zu sorgen. (ju)

KEINE WIEDEREINSETZUNGSMÖGLICHKEIT1. Im Aufgebotsverfahren zur Ausschließung vonNachlassgläubigern nach § 1970 BGB ist eine Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver-säumung des Anmeldezeitpunkts nicht möglich.

2. Ein Ausschließungsbeschluss ist i.S.d. § 438FamFG erlassen, sobald er in fertig abgefassterund unterschriebener Form an die Geschäftsstellezur Bekanntgabe übergeben worden ist.BGH, Beschl. v. 5.10.2016 – IV ZB 37/15, NJW 2016, 3664

Die herrschende Meinung ging bislang davon aus,dass § 439 IV 1 FamFG die Anwendung der Vorschrif-ten über die Wiedereinsetzung in den vorigen Standgem. §§ 17 ff. FamFG auch im Geltungsbereich von§ 438 FamFG eröffnet.9 Der Senat hält dies für falsch,da das Gesetz jedenfalls für Aufgebotsverfahren nach§ 1970 BGB diese Möglichkeit nicht vorsehe und eineAbwägung der Interessen aller Beteiligten eine ent-sprechende Anwendung nicht rechtfertige. Ob diesauch über die Fälle des § 1970 BGB hinaus gilt, lässtder Senat ausdrücklich offen. (ju)

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

24

AUS DER ARBEIT DER BRAKDIE BRAK IN BERLINRECHTSANWÄLTIN DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf nationaler Ebene von No-vember bis Dezember 2016.

BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACHIST GESTARTETAm 28.11.2016 hat die BRAK das besondere elektro-nische Anwaltspostfach (beA) gestartet (PE Nr. 17/2016 v. 28.11.2016). Damit ist das Kommunikations-system nunmehr in Betrieb, mit dem künftig alle zuge-lassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte amelektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten teil-nehmen. „Wir sind stolz, dass wir diesen so wichtigenBaustein für den elektronischen Rechtsverkehr jetztauf den Weg gebracht haben“, resümierte BRAK-Prä-sident Schäfer.

Wann das beA starten kann, war zunächst unklar (s.PE Nr. 10/2016 v. 27.9.2016 und PE Nr. 12/2016 v.29.9.2016). Erst am 25.11.2016 hob der AGH Berlin

(II AGH 15/15 und II AGH 16/15) zwei einstweiligeAnordnungen auf, die die Inbetriebnahme des beAvorübergehend verhindert hatten. Damit ist nun-mehr der Weg für den Betrieb des beA frei – unddas beA läuft: Die beA-Webanwendung ist erreichbarunter www.bea-brak.de/.

Mit dem Start des beA startete auch ein neuer News-letter der BRAK, der wöchentlich rund um das beA in-formiert: zum aktuellen Entwicklungsstand des beAund zu neuen Entwicklungen, zu den rechtlichen Rah-menbedingungen sowie zu Tipps und Tricks für diepraktische Nutzung des beA. Bewusst werden An-regungen, Fragen und Verbesserungsvorschläge vonAnwaltskolleginnen und -kollegen und von Kanz-leimitarbeiterinnen und -mitarbeitern aufgegriffen.Der beA-Newsletter kann abonniert werden unterwww.brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/anmeldung-newsletter/anmeldung-bea-newsletter/; ein durchsuch-bares Archiv aller Ausgaben gibt es auch unterwww.bea.brak.de.

9 Z.B. OLG München, NJW-RR 2016.

NITSCHKE, DIE BRAK IN BERLIN

ANWÄLTINNEN UND ANWÄLTE AUF DIE RICHTERBANKDES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTSIn einer gemeinsamen Presseerklärung (PE Nr. 14/2016v. 2.11.2016) forderten BRAK und DAV am 2.11.2016,dass künftig sowohl im Ersten als auch im Zweiten Se-nat obligatorisch jeweils eine Anwältin oder ein Anwaltals Richterin oder Richter an der Rechtsprechung desBVerfG mitwirkt. Eine entsprechende Regelung ist nachAuffassung der BRAK und des DAV ohne eine Änderungdes Grundgesetzes möglich. Die Anwaltschaft als größ-te Berufsgruppe unter den volljuristischen Berufen istbislang auf der Richterbank des BVerfG nicht angemes-sen repräsentiert. Die anwaltliche Expertise, insbeson-dere die praktische Erfahrung von Anwältinnen und An-wälten, könnten die Arbeit des Gerichts jedoch in erheb-lichem Maße bereichern.

10. KARIKATURPREIS FÜR GRESER & LENZDie BRAK hat am 3.11.2016 den 10. Karikaturpreisder deutschen Anwaltschaft an Achim Greser und He-ribert Lenz (Greser & Lenz) verliehen (ausf. hierzu Bey-rich, BRAK-Magazin 6/2016, 4). Das Karikaturistenduowurde bekannt durch seine Arbeiten für die Titanic,Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter AllgemeineSonntagszeitung, stern und FOCUS. Die anlässlich derPreisverleihung exklusiv für die BRAK gezeichnete Kari-katur „Digitale Persönlichkeit“, auf der ein Milchbauerim Kuhstall von einem IT-Berater heimgesucht wird,konfrontiert den Betrachter mit der provokanten Frage:„Gibt es ein Entrinnen vor dem Fluch der neuen Welt?“(PE Nr. 15/2016 v. 4.11.2016). Sie ist als Kunstdruckin einer limitierten Auflage von 200 Stück bei derBRAK erhältlich ([email protected]).

ÄNDERUNGEN BEI FACHANWALTSCHAFTENIn ihrer 3. Sitzung am 21.11.2016 hat die 6. Satzungs-versammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammersich mit einer Reihe von Fragen zur Zulassung von Fach-anwältinnen und Fachanwälten sowie zur Fortbildungbefasst. Einstimmig beschloss die Satzungsversamm-lung Änderungen der FAO bei den Fachanwaltschaftenfür Insolvenzrecht und für Vergaberecht; in beiden Fäl-len war jeweils eine Änderung an die Gesetzeslage imInsolvenz- bzw. Vergaberecht notwendig. Der Ausschuss1 der Satzungsversammlung erhielt den Auftrag, sichvertieft mit den Modalitäten der Anrechnung interdis-ziplinärer Fortbildungsveranstaltungen und dozierenderbzw. publizierender Tätigkeiten auf die Pflichtfortbil-dung zu befassen, damit eine einheitliche Praxis derRechtsanwaltskammern sichergestellt werden kann.

§ 14 BORA AUCH BEI ZUSTELLUNGEN VON ANWALT ZUANWALTDie 6. Satzungsversammlung bei der Bundesrechts-anwaltskammer hat in ihrer 3. Sitzung am 21.11.2016 ferner beschlossen, Zustellungen von Anwalt zuAnwalt ausdrücklich in § 14 BORA aufzunehmen (PENr. 16/2016 v. 22.11.2016). Der Beschluss erging un-ter der Voraussetzung, dass der Gesetzgeber eine ent-

sprechende Satzungsermächtigung in § 59b II Nr. 8BRAO-E schafft. Der entsprechende Gesetzesentwurfbefindet sich im Gesetzgebungsverfahren. Nach einerEntscheidung des BGH (Urt. v. 26.10.2015 – AnwSt[R] 4/15, BRAK-Mitt. 2016, 34) galt § 14 BORA man-gels entsprechender Satzungskompetenz bislang nichtfür Zustellungen von Anwalt zu Anwalt. Das führte zuRechtsunsicherheit und zu Strafbarkeitsrisiken wegenParteiverrats.

ANPASSUNG DES DATENSCHUTZRECHTS AN DIEDATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNGIm Mai 2018 wird die Datenschutz-Grundverordnung(VO [EU] 2016/679) als unmittelbar in allen Mitglied-staaten der EU geltendes Recht in Kraft treten. NebenVorschriften, die ein gleichmäßiges Datenschutzniveausicherstellen sollen, enthält die Verordnung auch Öff-nungsklauseln und Regelungsaufträge für die Mitglied-staaten.

Dem hieraus resultierenden Anpassungsbedarf sowieder Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 soll dasDatenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EURechnung tragen, welches das Bundesministerium desInnern am 23.11.2016 als Referentenentwurf vor-gelegt hat. Innerhalb der äußerst knapp bemessenenFrist von nur zwei Wochen hat die BRAK zu dem um-fangreichen und komplexen Entwurf Stellung genom-men (Stn. 41/2016, Dezember). Kritisch sieht sie ins-besondere die Regelung zur Verarbeitung von Daten,die der Geheimhaltungspflicht unterliegen.

Die BRAK schlägt daher entsprechend dem System be-reichsspezifischer Gesetze vor, dass zusätzliche sekto-rale Aufsichtsorgane geschaffen werden. Für Deutsch-land bedeutet dies – neben dem Bundesdatenschutz-beauftragten und den Beauftragten der Länder undden bereits existierenden sektoralen Datenschutz-beauftragten für die Kirchen und die öffentlich-recht-lichen Rundfunkanstalten – die Einführung weiterersektoraler Datenschutzbeauftragter. Die BRAK schlägtinsbesondere die Einführung eines Datenschutzbeauf-tragten für die Rechtsanwaltschaft vor. Dieser soll alsAufsichtsorgan für die rund 164.000 Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälte in der Bundesrepublik auch de-ren berufsspezifischen Rechte und Pflichten umsetzen(s. hierzu auch Herb, BRAK-Magazin 1/2017, 3).

ZAHLEN ZU SYNDIKUSRECHTSANWALTS-ZULASSUNGENDie BRAK hat zum Stand 1.11.2016 Mitgliederzahlenerhoben. Erstmals umfasst die Statistik auch Zahlenzu den zugelassenen Syndikusrechtsanwältinnen und-rechtsanwälten bzw. zu Doppelzulassungen. Ins-gesamt weist die Statistik einen Mitgliederzuwachsvon 1,35 % im Vergleich zum 1.1.2016 aus. Die Zahlder Rechtsanwälte zum 1.1.2016 zeigt, dass von denzum 1.1.2016 bereits zugelassenen Rechtsanwältennunmehr über 5.500 auch die Zulassung als Syndikus-rechtsanwalt (Doppelzulassung) beantragt und über1.500 diese Doppelzulassung im Zeitraum vom 1.1.2016 bis 1.11.2016 neu beantragt haben. 697 Per-

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

25

sonen haben die Einzelzulassung als Syndikusrechts-anwalt erhalten. Da die Zulassungsverfahren erst seitdem 1.1.2016 möglich sind, ist davon auszugehen,dass der Mitgliederzuwachs zum 1.1.2017 im Ver-gleich zum Vorjahr um die 1,5 % liegen wird.

GESETZENTWURF ZUM OUTSOURCING BEI RECHTS-ANWÄLTEN UND ANDEREN BERUFSGEHEIMNISTRÄGERNDie Bundesregierung hat den Referentenentwurf einesGesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheim-nissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsaus-übung schweigepflichtiger Personen vorgelegt. Damitsoll § 203 StGB so abgeändert werden, dass Berufs-geheimnisträgern der Einsatz spezialisierter Dienstleis-ter z.B. für Einrichtung, Betrieb und Wartung ihrer IT-Systeme möglich wird. Bislang war dies nicht ohnerechtliches Risiko möglich, weil die beauftragten Drit-ten durch ihre Tätigkeit Kenntnis von geschützten Ge-heimnissen erlangen konnten, ohne dass eine einschlä-gige Befugnisnorm oder ausdrückliche Einwilligungdes Berechtigten vorhanden war.Der Gesetzentwurf sieht u.a. eine Einbeziehung der vonBerufsträgern beauftragten Dritten in den Kreis dertauglichen Täter i.S.v. § 203 StGB vor und legt Grenzenfest, innerhalb derer Dienstleister, die an der Berufsaus-übung der Anwälte und Notare mitwirken, Zugang zufremden Geheimnissen erhalten dürfen. In einer ergänz-ten Fassung des Referentenentwurfs von Anfang Januarsind zudem Änderungen des StBerG und der WPO ent-halten, die entsprechende Regelungen für Steuerberaterund Wirtschaftsprüfer vorsehen. Die BRAK wird hierzueine Stellungnahme erarbeiten.

EVALUATION DES GESETZES GEGEN UNSERIÖSEGESCHÄFTSPRAKTIKENAuf Initiative des Bundesministeriums der Justiz und fürVerbraucherschutz wird derzeit das Gesetz gegen un-

seriöse Geschäftspraktiken evaluiert. Damit soll dieWirksamkeit verschiedener Neuregelungen eruiert wer-den, insbesondere zur Telefonwerbung (§ 20 I, II UWG),zur Ausgestaltung von Werbung mittels E-Mails undSMS-Diensten, zum neu eingeführten Textformerforder-nis bei Gewinnspieldienstverträgen (§ 675 III BGB) so-wie zur Einführung des Verbraucher-Gerichtsstands fürUrheberrechtsverletzungen nach § 104a UrhG und desKonzepts zum Schutz vor missbräuchlichen Abmahnun-gen in § 97a II-IV UrhG. Zu den dazu vorgelegten Fra-gen hat die Bundesrechtsanwaltskammer detailliertund kritisch Stellung genommen und dazu auch aufihre bereits im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Be-denken verwiesen (Stn. 43/2016, Dezember).

UMSETZUNG DER VIERTEN EU-GELDWÄSCHE-RICHTLINIEKurz vor Jahresende hat das Bundesministerium derFinanzen den Referentenentwurf eines Gesetzes zurUmsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zurAusführung der EU-Geldtransferverordnung und zurNeuorganisation der Zentralstelle für Finanztransakti-onsuntersuchungen vorgelegt. Ziel des Gesetzesvor-habens ist es, die Vierte Geldwäscherichtlinie (RL [EU]2015/849) umzusetzen und Durchführungsregelungenzur Geldtransferverordnung (VO [EU] 2015/847) zuschaffen; die Umsetzungsfrist hierfür endet am 26.7.2017. Darüber hinaus soll mit dem Gesetz die Zentral-stelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vom Bun-deskriminalamt (Geschäftsbereich des Bundesministe-riums des Innern) in die Generalzolldirektion und da-mit in den Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Finanzen überführt werden. Die BRAK erarbeitetgemeinsam mit der Bundesnotarkammer, der Steuer-beraterkammer und der Wirtschaftsprüferkammereine Stellungnahme.

DIE BRAK IN BRÜSSELRECHTSANWÄLTINNEN HANNA PETERSEN, LL.M., DOREEN GÖCKE, LL.M.UND KATRIN GRÜNEWALD, LL.M., BRAK, BRÜSSEL

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK zu europarechtlichen Themenvon November bis Dezember 2016.

EUGH-ANLASSLOSE VORRATSDATENSPEICHERUNGVERSTÖSST GEGEN UNIONSRECHTAm 21.12.2016 hat der EuGH in dem Urteil in denRechtssachen C-203/15 Tele2 – Sverige AB/Post-ochtelestyrelsen und C-698/15 – Secretary of State forthe Home Department/Tom Watson u.a. entschieden,dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung gegendas Unionsrecht verstößt.

Der EuGH stellt fest, dass die Vorratsdatenspeiche-rung sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der je-weiligen Person zulässt und daher einen besondersschwerwiegender Grundrechtseingriff darstellt. Einenationale Regelung, die eine allgemeine und unter-schiedslose Speicherung von Daten vorsieht, über-schreitet daher die Grenzen des absolut Notwendigenund kann nicht als in einer demokratischen Gesell-schaft gerechtfertigt angesehen werden. Nationale Re-gelungen, die zur Bekämpfung schwerer Straftateneine gezielte Vorratsspeicherung von Daten ermögli-chen, verstoßen jedoch nicht gegen Unionsrecht, so-fern diese Speicherung auf das absolut Notwendige

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

26

beschränkt, die Regelung klar und präzise formuliertist und hinreichende Garantien zum Schutz gegenMissbrauch enthalten sind. Sie muss zudem die Vor-aussetzungen zur vorbeugenden Speicherung und denzum Zugriff ermächtigten Personenkreis festlegen. Au-ßerdem muss eine vorherige Kontrolle durch eine un-abhängige Stelle stattfinden und müssen die betroffe-nen Personen darüber in Kenntnis gesetzt werden.Schließlich müssen die Daten im Gebiet der EU gespei-chert sein und nach Ablauf der Speicherfrist unwider-ruflich vernichtet werden.

ÄNDERUNG DER 4. ANTIGELDWÄSCHERICHTLINIEIn ihrer Stellungnahme zum Änderungsvorschlag der4. Antigeldwäscherichtlinie (Stn. 36/2016, Oktober)spricht sich die BRAK u.a. dafür aus, dass der Zugangzu den Angaben über wirtschaftliches Eigentum nachArt. 30 Richtlinie 2015/849 nicht der Zahlung einerGebühr unterliegen sollte. Sie hält es für unangemes-sen, die Erfüllung einer gesetzlichen Sorgfaltspflichtmit einer Gebühr zu belasten; die Verpflichteten unter-liegen hinsichtlich der Informationen zu den wirtschaft-lich Berechtigten einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht.Des Weiteren sei die Ergänzung des Art. 32 Richtlinie2015/849, wonach die zentrale Meldestelle im Rah-men ihrer Aufgaben von jedem Verpflichteten Informa-tionen für den in Art. 32 I genannten Zweck einholenkann, zu unbestimmt und greife somit erheblich in dieVerschwiegenheitspflicht von Berufsgruppen ein, dieder gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen.

RICHTLINIENVORSCHLAG ZUR UNTERNEHMENS-INSOLVENZAm 22.11.2016 hat die Europäische Kommission einenRichtlinienvorschlag zu einem Rechtsrahmen über prä-ventive Restrukturierungen, eine zweite Chance sowieMaßnahmen zur Verbesserung der Effizienz von Re-strukturierungen, Insolvenzen und Restschuldbefrei-ungen veröffentlicht. Danach sollen die Mitgliedstaatenein System zur Frühwarnung von Schuldnern und Unter-nehmern einführen. Schuldner sollen zudem Zugang zueinem effektiven präventiven Rechtsrahmen zur Restruk-turierung haben. Die betroffenen Gläubiger sollten überdie Annahme eines Restrukturierungsplans abstimmenkönnen. Zur Gewährung einer zweiten Chance sollteeine Restschuldbefreiung nicht länger als drei Jahre an-dauern sowie an die individuelle Situation und das ver-fügbare Einkommen des Unternehmers angepasst wer-den. Im Übrigen sollten die Mitgliedstaaten eine ausrei-chende Aus- und Weiterbildung der Angehörigen der imInsolvenzrecht tätigen Berufe sicherstellen und Verstößegegen Berufspflichten sanktionieren. Die Verfahren zurRestrukturierung, Insolvenz und der zweiten Chancesollten auch elektronisch durchgeführt werden können.

MASSNAHMEN DER EU ZUR EINDÄMMUNGAGGRESSIVER STEUERPLANUNGDie Europäische Kommission hat am 10.11.2016 eineöffentliche Konsultation zu Maßnahmen gegenüber Fi-

nanzberatern und -intermediären zur Eindämmung po-tenziell aggressiver Steuerplanungsstrategien ver-öffentlicht. Damit möchte sie u.a. in Erfahrung bringen,ob die EU Maßnahmen zur Reduzierung der Anreizefür Finanzintermediäre erlassen sollte, die bei Steuer-hinterziehungen und -umgehungen Unterstützung leis-ten, und wie diese Maßnahmen gegebenenfalls aus-zugestalten wären. Die möglichen Optionen reichenvom Austausch von Informationen zwischen den Mit-gliedstaaten über Offenlegungspflichten für Interme-diäre und/oder Steuerzahler bis hin zu einem Verhal-tenskodex für Intermediäre. Die Konsultation läuft biszum 16.2.2017.

MODERNISIERUNG DER MEHRWERTSTEUER IMONLINE-HANDELDie Europäische Kommission hat am 1.12.2016 Richt-linienvorschläge zur Modernisierung der europäischenMehrwertsteuerregelungen betreffend den grenzüber-schreitenden elektronischen Geschäftsverkehr zwi-schen Unternehmen und Verbrauchern veröffentlicht.Darin schlägt sie vor, ein einheitliches Online-Portalfür künftig nur noch einfache, vierteljährlich erforderli-che Steuererklärungen von Unternehmen für die ge-samte in der EU geschuldete Mehrwertsteuer ein-zurichten. Ferner soll die Mehrwertsteuer auf grenz-überschreitende Verkäufe im Wert von bis zu10 .000 Euro im Heimatland des Unternehmens abge-rechnet werden können. Verfahren für grenzüber-schreitende Verkäufe im Wert von bis zu 100.000 Eurosollen ebenfalls vereinfacht sowie die bestehendenMehrwertsteuerbefreiungen für einzuführende Klein-sendungen mit einem Wert von weniger als 22 Euroabgeschafft werden. Schließlich schlägt die Europäi-sche Kommission Vorschriften vor, die es den Mitglied-staaten ermöglichen sollen, dieselben Mehrwertsteuer-sätze auf elektronische Veröffentlichungen wie E-Booksund Online-Zeitungen zu erheben wie auf Printver-öffentlichungen.

REFORM DER BEILEGUNG VON INVESTITIONS-STREITIGKEITENDie Europäische Kommission hat am 21.12.2016 eineöffentliche Konsultation zu den Möglichkeiten einermultilateralen Reform der Beilegung von Investitions-streitigkeiten im Rahmen von internationalen Handels-und Investitionsabkommen der EU mit Drittstaatenveröffentlicht. Sie nimmt dabei auf die in ihrem Fahr-plan vom August 2016 vorgestellten Optionen zumweiteren Vorgehen bei der Verbesserung bestehen-der Streitbeilegungsmechanismen Bezug. Zu diesenOptionen gehören neben der Beibehaltung oder Ver-besserung der bilateralen ad-hoc-Streitbeilegungs-mechanismen die Einrichtung eines Internationalen In-vestitionsgerichtshofs oder eines Internationalen Beru-fungsgerichts für Entscheidungen der bilateralen ad-hoc-Streitbeilegungsmechanismen. Die Konsultationläuft bis zum 15.3.2017.

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

27

PETERSEN/GÖCKE/GRÜNEWALD, DIE BRAK IN BRÜSSEL

AKTIONÄRSRECHTERICHTLINIE – EINIGUNG IM TRILOGDer Rat der EU, das Europäische Parlament und dieEuropäische Kommission haben sich am 9.12.2016auf einen Kompromiss bezüglich des Richtlinienvor-schlags zur Überarbeitung der Aktionärsrechtericht-linie geeinigt. Danach sollen Aktionäre künftig überdie Vergütungspolitik der Leitung ihres Unternehmensabstimmen können. Unternehmen sollen außerdemverpflichtet werden, ihre Aktionäre besser zu informie-ren und eine Strategie für ihre Einbeziehung auszuar-

beiten und offenzulegen. Schließlich sollen wesentlicheTransaktionen mit nahestehenden Unternehmen undPersonen von den Aktionären oder dem Verwaltungs-oder Aufsichtsorgan des Unternehmens genehmigtwerden müssen. Die BRAK hatte in ihrer Stellungnah-me (Stn. 39/2014, September) begrüßt, dass die Aktio-näre börsennotierter Unternehmen durch vereinfachteStimmrechtsausübung und Gewährung von Kontroll-und Informationsrechten stärker in die Unternehmeneinbezogen werden sollen.

DIE BRAK INTERNATIONALRECHTSANWÄLTINNEN DR. VERONIKA HORRER, LL.M. UND KEI-LIN TING-WINARTO, BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf internationaler Ebene vonNovember bis Dezember 2016.

LAWASIA IP AND TECHNOLOGY CONFERENCE 2016Im November veranstaltete die Law Association forAsia and the Pacific (LAWASIA) eine IP and Techno-logy-Konferenz in Malaysia. Rechtsanwälte aus denwichtigsten asiatischen Jurisdiktionen diskutierten überalltägliche Herausforderungen und aktuelle Entwicklun-gen u.a. zu den Themen geistiges Eigentumsrecht,Patentschutz, Datensicherheit, Cloud Computing, Imple-mentierung künstlicher Intelligenz, grenzüberschreiten-de Datenübermittlung und Internetkriminalität. RADr. Christian Lemke, Vizepräsident der RAK Hamburgund Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowiefür Informationstechnologierecht, machte Ausführun-gen zum transnationalen Datenverkehr, insbesondereim Hinblick auf die Safe Harbor-Entscheidung desEuGH und den neuen EU-US Privacy Shield.

2. DEUTSCH-RUSSISCHES ANWALTSFORUMDas 2. Deutsch-Russische Anwaltsforum fand zum The-ma „Datenschutz und anwaltliche Verschwiegenheit“am 8.11.2016 in München statt. Ziel des Forums istes, die russischen Juristen und die Föderale Rechts-anwaltskammer der Russischen Föderation (FRAK) so-wie die BRAK und Vertreter deutscher Kanzleien zu-sammenzubringen, um den russischen Kollegen diedeutsche Rechtslage näherzubringen und ihnen denAustausch mit deutschen Anwälten zu ermöglichen.Das Forum wird in Zusammenarbeit mit der IRZ e.V.(Deutsche Stiftung für Internationale rechtliche Zusam-menarbeit) durchgeführt. Aus Russland kam eine vomPräsidenten der FRAK, Yurij Pilipenko, angeführte Dele-gation von 15 Vertretern der FRAK und der regionalenAnwaltskammern zum Forum. Seitens der BRAK nah-men ihr Präsident RA Ekkehart Schäfer, Dr. Frank En-gelmann, Präsident der RAK Brandenburg, RA Dr. Hen-

drik Schöttle, Mitglied des BRAK-Ausschusses Daten-schutzrecht, sowie RA Jan Schaeffer, Mitglied desBRAK-Ausschusses Berufsrecht, teil.

FACHGESPRÄCH ZUM ANWALTLICHEN BERUFSRECHTIN BULGARIENAm 21.11.2016 trafen sich Vertreter der BRAK und derNationalen Anwaltskammer Bulgariens zu einem Fach-gespräch in Sofia zum Thema anwaltliches Berufs-recht. Am Gespräch beteiligten sich seitens der bulga-rischen Anwaltskammer die Vorsitzende Frau Negent-sova, der stellv. Vorsitzende Yordan Yordanov, dergleichzeitig Vorsitzender des anwaltlichen Trainings-zentrums ist, und die beiden Vorstandsmitglieder FrauNedeva und Frau Hristova. Die BRAK war vertretendurch ihren Vizepräsidenten RAuN Dr. Ulrich Wesselsund durch das zuständige Mitglied der Geschäftsfüh-rung. Die Kammervertreter sprachen u.a. über die zu-künftige Zusammenarbeit der beiden Organisationenund vereinbarten eine berufsrechtliche Konferenz inSofia im Juni 2017.

RUNDER TISCH „SCHIEDSGERICHTSBARKEIT INDEUTSCHLAND UND IN RUSSLAND“Am 1.12.2016 fand in Zusammenarbeit mit der IRZe.V. und der Föderalen Rechtsanwaltskammer der Rus-sischen Föderation ein Runder Tisch zum Thema„Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und Russland“in Moskau statt. Als BRAK-Referenten nahmen an derVeranstaltung RA Jan K. Schäfer, Mitglied des Aus-schusses ZPO/GVG der BRAK, und RA Felix Prozorov-Bastians aus Frankfurt am Main teil. An der Veranstal-tung beteiligten sich zahlreiche junge russische Rechts-anwälte.

BESUCH CHINESISCHER STUDENTENAm 1.12.2016 besuchte eine Gruppe chinesischerMasterstudenten die BRAK. Im Rahmen eines Koope-rationsprogramms der China-Universität für Politik

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

28

HORRER/TING-WINARTO, DIE BRAK INTERNATIONAL

und Recht und der Universitäten Freiburg, München,Hamburg, Köln und Frankfurt nehmen chinesische Stu-denten an den LL.M.-Programmen dieser Universitätenteil. Das Bundesministerium der Justiz und für Ver-braucherschutz lud die Studenten bereits mehrfach zueiner Studienreise zum Thema Gesetzgebung nach Ber-lin ein. Bereits wiederholt empfing die BRAK die Dele-gation und erläuterte die Rolle und die Bedeutung derBRAK als Interessenvertreterin der Anwaltschaft imGesetzgebungsverfahren.

STRAFRECHTLICHES PRAKTIKERSEMINARBRAK, IRZ e.V. und Vietnam Bar Federation veranstal-teten gemeinsam im Dezember zwei strafrechtliche Se-minare zum Thema „Litigation and Interrogation Skillsof Lawyers in Criminal Cases“. Die Rechtanwälte Ur-sus Koerner von Gustorf aus Berlin und Prof. Dr. Mi-chael Tsambikakis aus Köln trugen zu den Rechtenund Pflichten des Strafverteidigers, der Fragetechnikim strafrechtlichen Verfahren vor und gaben Einblickein die Praxis der Strafverteidigung in Deutschland. Hin-tergrund sind Neuerungen im vietnamesischen Straf-recht, die insbesondere mehr Rechte für Beschuldigteund Strafverteidiger beinhalten (s. hierzu Nitschke,BRAK-Magazin 1/2017, 8).

RECHTSANWALTSAUSTAUSCH CHINA – DEUTSCHLANDVom 11. bis 16.12.2016 fand das 4. Seminar im Rah-men des Rechtsanwaltsaustauschs China – Deutsch-land zum Thema gewerblicher Rechtsschutz in der Pro-vinz Yunnan in China statt. Die BRAK führt seit 2015das Projekt, welches von der Robert Bosch Stiftung fi-nanziert wird, gemeinsam mit der Deutschen Gesell-schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) undder All China Lawyers Association durch. Sechs deut-sche und sechs chinesische Kollegen diskutierten überunterschiedliche Aspekte des gewerblichen Rechts-schutzes und die Rolle des Rechtsanwalts in der Gesell-schaft. Darüber hinaus fanden intensive Gesprächemit Richtern des Oberen Volksgerichts der Provinz Yun-nan und Vertretern der Anwaltskammer der Provinz

statt. Als Abschluss fand ein für einen weiteren Adres-satenkreis geöffnetes Symposium zum Thema IP CourtSystem und IP-Recht aus Sicht eines Unternehmens so-wie Konvergenz und Kumulation von Schutzrechtenstatt. Das gut besuchte Symposium gab die Möglich-keit zum regen Austausch mit den deutschen undchinesischen Experten (s. hierzu Ries, BRAK-Magazin1/2017, 16).

KONFERENZ ZUR KORRUPTIONSBEKÄMPFUNGIN DER JUSTIZ UND ZUR SELBSTVERWALTUNG DERANWALTSCHAFTAm 13. und 14.12.2016 veranstaltete die BRAK in Ko-operation mit der Georgian Bar Association (GBA), derAfghan Independent Bar Association (AIBA), der GIZ Af-ghanistan und der GIZ Georgien eine zweitägige Kon-ferenz zur Bekämpfung der Korruption in der Justizund zur Selbstverwaltung der Anwaltschaft in Tbilissi/Georgien. An der Konferenz beteiligten sich eine sechs-köpfige Delegation des Vorstands der AIBA, der gesam-te Vorstand und zahlreiche Mitglieder verschiedenerAusschüsse der GBA, Vertreter der Generalstaats-anwaltschaft, des Anti-Korruptionsbüros, des HöchstenRates der Justiz und des Justizministeriums ausGeorgien. Die BRAK war vertreten durch das Mitglieddes Europa-Ausschusses und der Arbeitsgruppe Geld-wäsche der BRAK Dr. Margarete Gräfin von Galen, dasMitglied des Vorstandes der RAK Hamm Dr. SebastianMeyer sowie durch das zuständige Mitglied der Ge-schäftsführung der BRAK.

FACHGESPRÄCH MIT EINER DELEGATION DESJAPANISCHEN JUSTIZMINISTERIUMSIm Berichtszeitraum empfing die BRAK eine Delegati-on des japanischen Justizministeriums. Das Gesprächwurde genutzt, um zahlreiche Fragen zur anwaltlich-en Selbstverwaltung, Anwaltsvergütung, zum anwalt-lichen Gesellschaftsrecht und zum System der Fach-anwaltschaft zu erörtern. Hintergrund ist eine Reformdes Justizsystems in Japan.

SITZUNG DER SATZUNGSVERSAMMLUNG

Die 4. Sitzung der 6. Satzungsversammlung findet am 19.5.2017 in Berlin statt.

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

29

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN*LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ)

ZULÄSSIGE UMLAGE FÜR DAS BESONDEREELEKTRONISCHE ANWALTSPOSTFACH

BRAO §§ 31a, 177 II Nr. 7

* Ein Rechtsanwalt, der einen gesetzlich eröffnetenKommunikationsweg bestimmungsgemäß nutzt,verstößt nicht gegen seine Berufspflichten.

BGH, Beschl. v. 20.12.2016 – AnwZ (Brfg) 52/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Bereits mit seinem Grundsatzurteil vom 11.1.2016(BRAK-Mitt. 2016, 94) hat der BGH klargestellt,dass die Finanzierung des elektronischen Rechtsver-kehrs eine Aufgabe darstellt, die den Rechtsanwalts-kammern durch Gesetz zugewiesen worden ist. DerNiedersächsische AGH (BRAK-Mitt. 2016, 259) riefin Erinnerung, dass das besondere elektronische An-waltspostfach von der BRAK für jeden eingetrage-nen Rechtsanwalt einzurichten ist. Dass der Gesetz-geber keine Ausnahmeregelung vorgesehen hat, seinicht zu beanstanden.

ERFOLGLOSE WAHLANFECHTUNG

BRAO §§ 64, 65; GG Art. 3, 38

* 1. Das Recht der Wählbarkeit zum Vorstandsmit-glied einer Rechtsanwaltskammer steht auch zurRechtsanwaltschaft zugelassenen Syndici altenRechts zu. In welcher Art und in welchem Umfangdiese Berufsträger bisher den Beruf als (niederge-lassener) Rechtsanwalt ausgeübt haben, ist für dieWählbarkeit nach § 65 BRAO irrelevant.

* 2. Dass die einzelne Kandidaten betreffendenWahlvorschläge von Interessenvertretungen öffent-lich unterstützt und propagiert werden, führt wederzur Unzulässigkeit dieser Wahlvorschläge noch zurUnwirksamkeit der Wahl.

* 3. Eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung liegt erstdann vor, wenn in erheblicher Weise gegen dieGrundsätze der Freiheit oder der Gleichheit derWahl verstoßen wurde.

AGH Berlin, Urt. v. 26.10.2016 – I AGH 7/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Der BGH (BRAK-Mitt. 2010, 169) hat sich zuletztim Jahr 2010 mit einer Vorstandswahl befasst. Erstellte klar, dass eine Wahl nur bei einem Wahlfeh-ler für ungültig zu erklären ist, der auf das Wahl-ergebnis von Einfluss ist oder konkret und nichtnur theoretisch von Einfluss sein kann. Das Gerichtdürfe trotz eines solchen Fehlers davon absehen,die angefochtene Wahl für ungültig zu erklären,wenn das dem wahlprüfungsrechtlichen Grundsatzdes geringstmöglichen Eingriffs entspricht oderwenn das Interesse am Bestandsschutz des im Ver-trauen auf die Gesetzmäßigkeit der Wahl gewähl-ten Vorstands den festzustellenden Wahlfehlerüberwiegt.

NUTZUNG DER ANWALTSKANZLEI FÜR EINEIMMOBILIENVERWALTUNG

BRAO §§ 14 II Nr. 8, 27, 43, 43a, 59a

* 1. Betreibt ein Rechtsanwalt seine Rechtsanwalts-sozietät sowie eine Immobilienverwaltung in dengleichen Räumen und unter Nutzung einer Kom-munikationsverbindung, verstößt er hierdurch nichtgegen seine Kanzleipflicht gem. § 27 I BRAO.* 2. Die Immobilienverwaltung ist ein mit der Tätig-keit als Rechtsanwalt grundsätzlich vereinbarerZweitberuf, der dessen berufliche Unabhängigkeitnicht gefährdet.* 3. Die Ausübung dieses zulässigen Zweitberufs inden Kanzleiräumen in der konkreten Ausprägungbirgt nicht die Gefahr, dass Grundpflichten desRechtsanwalts verletzt werden könnten.* 4. Ein Verstoß gegen § 59a BRAO liegt ebenfallsnicht vor, da hier eine Personalunion zwischendem Rechtsanwalt und dem Immobilienverwalterbesteht.* 5. Auch die Sicherung der strafprozessualen Be-schlagnahmeverbote macht eine räumliche Tren-nung von Kanzlei und Immobilienverwaltung in die-sem Fall nicht erforderlich.Bayerischer AGH, Urt. v. 24.10.2016 – BayAGH III – 4-1/16

AUS DEM TATBESTAND:Der Kl. wendet sich mit seiner Klage gegen einen be-lehrenden Hinweis der Bekl., wonach er gegen seinein § 27 I BRAO verankerte Kanzleipflicht verstoße,

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

30

weil in den Kanzleiräumen der Rechtsanwaltssozietät,deren namensgebender Sozius er ist, unter Nutzungder gleichen Anschrift und der gleichen Kommunikati-onsverbindungen eine vom ihm gleichfalls betriebeneImmobilienverwaltung ansässig sei.

Unter der Anschrift … betreibt der Kl. gemeinsam mitseinem Sozius die Rechtsanwaltskanzlei … & Kollegen.Unter der gleichen Adresse betreibt der Kl. eine Immo-bilienverwaltung mit der Firmenbezeichnung Immobi-lienverwaltung … München. Kanzlei und Immobilien-verwaltung sind unter demselben Telefonanschlussmit unterschiedlichen Nebenstellen erreichbar.

Auf die Beschwerde von Herrn M. P. hin gab die Bekl.die Kammerakte des Kl. an die Generalstaatsanwalt-schaft München ab zwecks Einleitung eines anwalts-gerichtlichen Ermittlungsverfahrens. Es wurde gegenden Kl. der Vorwurf erhoben, im Rahmen des gleichzei-tigen Betriebs von Rechtsanwaltskanzlei und Immobi-lienverwaltung unter Verstoß gegen § 59a BRAO eineunzulässige Bürogemeinschaft zu unterhalten sowiegegen das Tätigkeitsverbot des § 45 I Nr. 4 BRAO ver-stoßen zu haben. Das Ermittlungsverfahren wurde un-ter dem Az. 41 EV 487/14 eingeleitet.

Mit Schreiben v. 28.7.2015 vertrat die Bekl. gegenüberder Generalstaatsanwaltschaft die Rechtsansicht, dassnach Aktenlage das Ermittlungsverfahren keinen Ver-stoß gegen das Tätigkeitsverbot des § 45 I Nr. 4BRAO ergeben, aber der Kl. gegen seine Kanzleipflichtgem. § 27 I BRAO verstoßen habe. Sie vertrat in Folgedie Ansicht, dass eine kammerinterne Erledigung inForm eines belehrenden Hinweises angemessen sei.

Daher erließ die Bekl. am 31.3.2016 unter dem Az. B/2568/2013 den streitgegenständlichen belehrendenHinweis, dem Kl. zugegangen am 4.4.2016.

Das anwaltsgerichtliche Ermittlungsverfahren sollte ei-ner Sachbehandlung gem. §§ 116 BRAO, 153 I StPOzugeführt werden, sobald dieser belehrende Hinweisbestandskräftig ist.

Mit Schriftsatz v. 2.5.2016, bei Gericht eingegangenam 3.5.2016, erhob der Kl. gegen den belehrendenHinweis v. 31.3.2016 Klage zum AGH.

Er rügt das ordnungsgemäße Zustandekommen desdem belehrenden Hinweis zugrundeliegenden Be-schluss der zuständigen Abteilung I des Vorstandesder Bekl. Die Einhaltung der Vorschrift des § 72 IIIBRAO sei nicht nachvollziehbar dokumentiert.

Inhaltlich trägt er vor, dass kein Verstoß gegen dieKanzleipflicht gem. § 27 I BRAO vorliege und daherder belehrende Hinweis rechtswidrig sei. Zur Begrün-dung im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Kla-geschrift und die Stellungnahme des Kl. im anwalts-gerichtlichen Ermittlungsverfahren v. 28.9.2015.

Der Kl. beantragt daher, den mit Schreiben der Bekl.(dabei: Abteilung I der Kammer) v. 31.3.2016, Az: B/2568/2013, gem. § 73 II Nr. 1 BRAO erteilten beleh-renden Hinweis aufzuheben.

Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen. (…)

AUS DEN GRÜNDEN:I. Die zulässige Klage ist begründet.1. Die Klage ist als Anfechtungsklage i.S.d. §§ 112cBRAO, 42 I 1. Alt. VwGO statthaft und form- und frist-gerecht erhoben worden (§ 112c BRAO i.V.m. § 74VwGO). Da die Bekl. mit dem streitgegenständlichenbelehrenden Hinweis einen Verstoß des Kl. gegen seinein § 27 I BRAO verankerte Kanzleipflicht gem. § 73 IIZiff. 1 BRAO gerügt und ihn damit zur künftigen Be-achtung aufgefordert hat, liegt ein anfechtbarer Ver-waltungsakt i.S.d. §§ 112c BRAO, 42 I 1. Alt. VwGOvor.Ein Widerspruchsverfahren war nicht erforderlich, § 15BayAGVwGO.2. Die Klage ist begründet.Auch wenn das ordnungsgemäße Zustandekommendes dem belehrenden Hinweis zugrundeliegenden Vor-standsbeschlusses der Bekl. für den Senat nicht zwei-felsfrei nachvollziehbar ist, da sich das im Termin über-gebene unterschriebene Protokoll zur Beschlussfas-sung mit der Paginierungsnummer 118 weder unterdieser Paginierungsnummer noch überhaupt in denübergebenen Sachakten der Bekl., Az. B/2568/2013,befindet, kann diese Frage letztlich offenbleiben. Derbelehrende Hinweis ist jedenfalls inhaltlich rechtswid-rig und daher aufzuheben.Der Kl. hat auf Grund der Tatsache, dass er eineRechtsanwaltssozietät und eine Immobilienverwaltungin den gleichen Räumen und unter Nutzung einer Kom-munikationsverbindung betreibt, nicht gegen seineKanzleipflicht gem. § 27 I BRAO verstoßen.Die an die Einrichtung seiner Kanzlei gestellten Min-destanforderungen hat Kl. unzweifelhaft erfüllt.

Mindestanforderun-gen an eine Kanzlei

Zu diesen Mindestanforderungen gehören organisatori-sche Maßnahmen, um derÖffentlichkeit den Willendes Rechtsanwalts zu of-fenbaren, bestimmte Räu-

me zu verwenden, um dem rechtsuchenden Publikumdort anwaltliche Dienste bereitzustellen; ferner mussder Rechtsanwalt ein Praxisschild anbringen, einen Tele-fonanschluss unterhalten und zu angemessenen Zeitendem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräumen füranwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (BGH, NJW-RR 2009, 1577, Rn. 5 m.w.N.). Dass die Kanzleiräumediesen Anforderungen nicht genügen, trägt weder dieBekl. vor, noch ist dies anderweitig ersichtlich.Anderes gälte nur, wenn der Kl. durch den gleichzeiti-gen Betrieb einer Immobilienverwaltung in diesenKanzleiräumen in solcher Weise gegen seine Berufs-pflichten, insbesondere seine Pflicht zur gewissenhaf-ten Berufsausübung gem. § 43 BRAO und seineGrundpflichten als Rechtsanwalt gem. § 43a BRAO,verstieße, dass ein geordneter Kanzleibetrieb im Sinneder berufsrechtlichen Vorschriften nicht mehr gewähr-leistet wäre. Die Pflicht zur Einrichtung einer Kanzleigem. § 27 BRAO muss nämlich im Kontext mit diesenPflichten gesehen werden (Gaier/Wolf/Göcken, An-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

31

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

waltliches Berufsrecht, 2. Aufl. § 27 BRAO Rn. 19).Dies ist hier nicht der Fall.

Vereinbarer Zweit-beruf

a) Die Immobilienverwaltung ist ein mit der Tätigkeitdes Kl. als Rechtsanwalthier grundsätzlich verein-barer Zweitberuf, der seineberufliche Unabhängigkeit

nicht gefährdet (§ 43 BRAO).

Gem. § 14 II Nr. 8 BRAO darf der Rechtsanwalt keineZweittätigkeit ausüben, die mit seinem Beruf und sei-nen Berufspflichten, insbesondere seiner Stellung alsunabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbarist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit und In-tegrität und damit die Funktionsfähigkeit der Rechts-pflege gefährden kann. Dies ist jeweils im Einzelfall un-ter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit des be-troffenen Rechtsanwalts, hier des Kl., zu prüfen. Fürdie Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit an-deren Tätigkeiten kommt es aber nicht nur auf die Inte-grität des einzelnen Bewerbers und die Besonderheitenseiner beruflichen Situation an. Selbst wenn diese imEinzelfall günstig beurteilt werden kann, muss darüberhinaus berücksichtigt werden, ob die Ausübung deszweiten Berufs beim rechtsuchenden Publikum begrün-dete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz ei-nes Rechtsanwalts wecken muss und dadurch das An-sehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleiden-schaft gezogen wird (vgl. BVerfGE, 87, 287, 320 f.).Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts so-wie dessen maßgebliche Orientierung am Recht undan den Interessen seiner Mandanten können bei einererwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs zwargefährdet sein. Allerdings ist im Hinblick auf die grund-rechtlich gewährleistete Wahl der Berufsfreiheit Zu-rückhaltung geboten. Unter Beachtung der verfas-sungsrechtlichen Vorgaben ist darauf abzustellen, obdie zweitberufliche Tätigkeit im Einzelfall die Unabhän-gigkeit des Rechtsanwalts in seiner Berufsausübungals Rechtsanwalt beeinträchtigt bzw. ob bei objektivvernünftiger Betrachtungsweise die Wahrscheinlichkeitvon Pflichtenkollisionen nahe liegt (vgl. BGH, NJW-RR2016, 814–816 Rn. 15). Pflichtenkollisionen liegen vorallem dann nahe, wenn ein kaufmännischer Beruf dieMöglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die ausder rechtsberatenden Tätigkeit stammen (vgl. BVerfGE87, 287, 329 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 173,182). Dies ist hier nicht der Fall. Entsprechende Ver-dachtsmomente konnten im anwaltsgerichtlichen Er-mittlungsverfahren – Az. 41 EV 487/14 – gerade nichtbestätigt werden. Dem schließt sich der Senat an. Demtritt auch die Bekl. nicht mehr entgegen.

b) Die Ausübung dieses zulässigen Zweitberufs in denKanzleiräumen des Kl. in der konkreten Ausprägungbirgt nicht die Gefahr, dass Grundpflichten des Rechts-anwalts gemäß § 43a BRAO verletzt werden könnten.

Die von der Bekl. in erster Linie befürchtete Gefähr-dung der Bewahrung von Mandanteninformationen,d.h. der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht gem.§ 43a II BRAO, besteht nicht.

aa) Soweit die Bekl. in ihrem belehrenden Hinweis Be-zug nimmt auf § 59a III BRAO und aus der Unzulässig-keit einer Bürogemeinschaft mit einem Immobilienver-walter herleiten möchte, dass ein nicht sozietätsfähi-ger Beruf i.S.d. § 59a I BRAO auch als Zweitberufstets getrennt von der Rechtsanwaltstätigkeit aus-zuüben ist, geht sie fehl.Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Kanzleii.S.d. § 27 BRAO eine geschützte räumliche Sphäredarstellen muss. In der Gesetzesbegründung zurNorm über die berufliche Zusammenarbeit mit ande-ren Berufsträgern in einer Bürogemeinschaft (§ 59a IIIBRAO) wird ausgeführt: Es ist sicherzustellen, dassdie mit dem Rechtsanwalt in einem Büro tätigen Ange-hörigen anderer Berufe in gleicher Weise wie derRechtsanwalt der Verschwiegenheitspflicht und dendamit korrespondierenden Aussageverweigerungsrech-ten und Beschlagnahmeverboten unterfallen (BT-Drs.12/4993, 34). Dies zielt aber ersichtlich auf die Gefahrab, dass ein Angehöriger eines nicht sozietätsfähigenBerufes durch die räumliche Nähe zum RechtsanwaltKenntnis von dessen Berufsgeheimnissen erlangenund diese mangels eigener Verschwiegenheitspflichtpreisgeben könnte. Diese Gefahr besteht nicht bei ei-ner Personalunion zwischen dem Rechtsanwalt unddem Immobilienverwalter, da die Verschwiegenheits-pflicht des Rechtsanwalts stets vorrangig ist. Daherkann hiermit auch nicht die Erforderlichkeit einerräumlich getrennten Berufsausübung begründet wer-den.

Verschwiegenheitgewahrt

bb) Auch die Sicherung der strafprozessualen Be-schlagnahmeverbote, dieebenfalls dem Schutz derVertrauensbeziehung zwi-schen Mandant und

Rechtsanwalt dienen, machen eine räumliche Tren-nung von Kanzlei und Immobilienverwaltung nicht er-forderlich. Durch Durchsuchungs- oder Beschlagnah-memaßnahmen kann keine Gefährdung der Verschwie-genheit drohen. Da der Kl. in Personalunion sowohl alsRechtsanwalt als auch als Immobilienverwalter in den-selben Räumen tätig wird, hat er stets in seiner Eigen-schaft als Rechtsanwalt an seinen Unterlagen alsImmobilienverwalter zwingend Mitgewahrsam. Gegen-stände, die sich im Mitgewahrsam eines Rechtsanwal-tes in den Kanzleiräumen befinden, sind nach der maß-geblichen Rechtsprechung der Fachgerichte auch dannvor einem staatlichen Zugriff geschützt, wenn sie sichim unmittelbaren Besitz oder Mitbesitz eines nicht-anwaltlichen Sozius befinden (vgl. BVerfG, NJW 2016,700 ff. m.w.N.). Dieses muss erst recht gelten, wennRechtsanwalt und Immobilienverwalter eine Personsind. Damit fallen alle Aufzeichnungen sowie sonstigenGegenstände, auf die sich das Beschlagnahmeverboterstreckt, unabhängig davon, ob sie sich am Arbeits-platz des Kl. als Rechtsanwalt oder als Immobilienver-walter in den gemeinsamen Büroräumen befinden, un-ter den Schutz des § 97 StPO. Dieses mag zu Er-schwernissen für die Ermittlungsbehörden führen,gefährdet aber keine Mandanteninteressen. Die Er-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

32

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

leichterung von strafrechtlichen Ermittlungen fälltnicht unter den Schutzzweck des § 27 BRAO.cc) Die gleichen Grundsätze gelten für eine etwaigeTelefonüberwachung im Hinblick auf die Immobilien-verwaltung. Auch hier besteht grundsätzlich keine Ge-fahr einer Verletzung der Verschwiegenheitspflichtund von Mandanteninteressen, da der Kl. Rechts-anwalt und Immobilienverwalter in einer Person ist.Eine Ermittlungsmaßnahme, die sich gegen einenRechtsanwalt richtet und voraussichtlich Erkenntnisseerbringen würde, über die er das Zeugnis verweigerndürfte, ist unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnissedürfen nicht verwendet werden. Aufzeichnungen sindunverzüglich zu löschen (§ 160a I StPO). Ein Beweisver-wertungsverbot gilt auch dann, wenn im Rahmen vonErmittlungshandlungen gegen Nicht-Rechtsanwälte– etwa den Kl. in seiner Eigenschaft als Immobilienver-walter – Kommunikationsinhalte mit dem Berufs-geheimnisträger – also aus seiner anwaltlichen Tätig-keit – offengelegt werden (§ 160a I 5 StPO und hierzuBeckOK-StPO, Stand 1.2.2016, Rn. 4).Dessen ungeachtet ergibt sich ein zusätzliches Abgren-zungs- und Sicherheitskriterium daraus, dass Rechts-anwaltskanzlei und Immobilienverwaltung zwar überdenselben Telefonanschluss erreichbar sind, aber hierunstreitig nur über getrennte Nebenstellen.dd) Ein nachvollziehbarer Hinweis darauf, dass Postder Rechtsanwaltskanzlei von unbefugten Dritten ge-öffnet werden könnte, ist nicht ersichtlich und eine blo-ße Vermutung der Bekl., die den Erlass des angegriffe-nen rechtlichen Hinweises nicht rechtfertigt. Der vonder Bekl. zitierten Entscheidung des AGH Berlin(BRAK-Mitt. 2014, 31) liegt kein vergleichbarer Sach-verhalt zugrunde. Dort hatte der klagende Rechts-anwalt – anders als hier – bereits kein Kanzlei- oderNamensschild und auch keinen eigenen Briefkastenangebracht, sondern wollte seine Post ausschließlichauf dem Weg über einen bevollmächtigten Dritten andessen Anschrift entgegennehmen.

HINWEISE DER REDAKTION:In einem nicht vergleichbaren Fall hat der AGH Ber-lin (BRAK-Mitt. 2014, 31) entschieden, dass es ei-nem Rechtsanwalt verwehrt ist, die an ihn gerichte-te Post durch dritte Personen (hier: den Betreiber ei-nes Reisebüros) entgegenzunehmen, da dadurch dieWahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflichtgefährdet ist. Der Anwalt hatte kein Kanzleischildund auch keinen Briefkasten unterhalten.

INTERESSENKOLLISION NACH KANZLEI-WECHSEL

BRAO § 43a IV; BORA § 3; GG Art. 12

* 1. Um dem Grundrecht auf Berufsausübungsfrei-heit angemessen Rechnung zu tragen, muss die

Vorschrift des § 3 BORA verfassungskonform aus-gelegt werden.* 2. Vor diesem Hintergrund liegt kein Verstoß ge-gen das Verbot der Vertretung widerstreitender In-teressen vor, wenn den Rechtsanwalt kein Verschul-den trifft und keine Interessenkollision und keinNachteil für den Mandanten im konkreten Einzelfallentstanden ist.LG Karlsruhe, Urt. v. 6.10.2016 – 10 O 219/16

AUS DEM TATBESTAND:Die Kl. verlangt im Wege der Teilklage von der Bekl.aus einem gepfändeten Anspruch die Rückzahlungvon gezahltem Anwaltshonorar wegen Nichtigkeit deszugrunde liegenden Anwaltsvertrags aufgrund desVerbots der Vertretung widerstreitender Interessen.(…)

AUS DEN GRÜNDEN:Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.Die Kl. hat keinen Anspruch gegen die Bekl., da ihrePfändungen gegen die … auf Rückzahlung von An-waltshonorar der Bekl. bzw. der Streithelferin mangelsBestehens solcher Rückzahlungsansprüche ins Leeregingen. Zwar liegt objektiv ein Verstoß der Bekl. gegen§ 3 BORA vor, maßgeblich ist aber das formelle Ge-setz, also § 43a BRAO (I.). Nach Auffassung des erken-nenden Gerichts muss § 3 BORA verfassungskonformausgelegt werden, um der Berufsausübungsfreiheit inArt. 12 I GG angemessen Rechnung zu tragen, mitder Folge, dass kein Verstoß gegen § 43a IV BRAO vor-liegt, wenn den Rechtsanwalt kein Verschulden trifftund tatsächlich keine Interessenkollision und keinNachteil für den Mandanten entstanden ist (II.). DieVoraussetzungen einer solchen verfassungskonformenAuslegung des § 3 BORA sind im vorliegenden Fall er-füllt (III.). Im Einzelnen:I. Objektiver Verstoß gegen § 3 BORADie Kl. hat im Ausgangspunkt zunächst recht, dass dieBekl. durch ihre Tätigkeit bei der Streithelferin für die… im Rahmen der beiden Nichtzulassungsbeschwerde-verfahren vor dem BGH gegen § 3 BORA verstoßenhat.Da die Bekl. früher Rechtsanwältin und Partnerin derüberregionalen Rechtsanwaltskanzlei … gewesen warund diese durch einen anderen Rechtsanwalt, Herrn…, die hiesige Kl. außergerichtlich beraten hatte inden beiden Rechtsstreitigkeiten mit den Az. 2 O 97/07 und Az. 2 O 98/07, durfte sie nicht vor dem BGHdie Gegnerin der Kl., also die …, im Nichtzulassungs-beschwerdeverfahren vertreten. Denn § 3 II BORA ord-net ausdrücklich an, dass das Verbot des Absatzes 1auch für alle mit dem Anwalt in derselben Berufsaus-übungs- oder Bürogemeinschaft verbundenen Rechts-anwälte gilt. Eine ausdrückliche Einverständniserklä-rung der Kl. gem. § 3 II 2 BORA liegt unstreitig nichtvor. Nach § 3 III BORA gelten die ersten beiden Absät-ze der Vorschrift auch für den Fall, dass der Rechts-anwalt von einer Berufsausübungs- oder Bürogemein-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

33

schaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder Büro-gemeinschaft wechselt. In einem solchen Fall darf derRechtsanwalt das Mandat nicht annehmen oder musses nach § 3 IV BORA nach Erkennen unverzüglich nie-derlegen.Der § 3 BORA stellt nach seinem Wortlaut nicht aufdie subjektive Kenntnis des Rechtsanwalts ab. Nachseinem Wortlaut soll es daher egal sein, ob der Anwaltüberhaupt Kenntnis hat von der früheren Vertretungund einer daraus möglicherweise folgenden (auch nurabstrakten) Interessenkollision.Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist das Ge-richt aber an den Wortlaut des § 3 BORA nicht zwin-gend gebunden. Denn bei der Berufsordnung fürRechtsanwälte (BORA) handelt es sich nicht um ein for-melles Parlamentsgesetz, sondern um eine von den ge-wählten Vertreterinnen und Vertretern der Rechts-anwälte der Bundesrepublik Deutschland sich selbstgegebene Berufsordnung, die Einzelheiten zu den be-ruflichen Pflichten des Rechtsanwalts regelt und zumStandesrecht gehört. Sie ist aber anders als die Bun-desrechtsanwaltsordnung (BRAO) kein formelles Ge-setz, sondern wird als Satzung von der Satzungsver-sammlung bei der BRAK erlassen.

§ 3 BORA nicht bin-dend für Gericht

§ 3 BORA stellt damit nur eine Auslegungshilfe zu§ 43a IV BRAO dar, istaber für das Gericht nichtbindend. Selbst wenn mandies anders sähe, wäre

das Gericht zumindest befugt, die Vorschrift auszule-gen.Maßgeblich für die Frage, ob die Bekl. einen Gesetzes-verstoß begangen hat, ist in erster Linie § 43a IVBRAO. Nur wenn das formelle Gesetz des § 43a IVBRAO verletzt wäre, würde dies nach der Rechtspre-chung des BGH und des OLG Karlsruhe zu einer Nich-tigkeit des Anwaltsvortrags gem. § 134 BGB führen.Dass bei einem Verstoß des Anwalts gegen § 43a IVBRAO eine Nichtigkeit des Anwaltsvertrags gegebenist, ist zwischenzeitlich herrschende Rechtsprechung.Insoweit war dem erkennenden Gericht zum Zeitpunktder mündlichen Verhandlung am 27.7.2016 das erstkurz vorher ergangene Urteil des BGH v. 12.5.2016 –IX ZR 241/14 (NJW 2016, 2561) noch nicht bekannt.Es war allerdings schon zuvor in der obergerichtlichenRechtsprechung anerkannt, dass bei einem Verstoßdes Anwalts gegen § 43a IV BRAO eine Nichtigkeitdes Anwaltsvertrags anzunehmen ist, vgl. OLG Karls-ruhe, Urt. v. 26.4.2001 – 2 O 1/00 (NJW 2001, 3197Rn. 44 und 54). Nachdem der BGH in seinen Urteilenv. 23.4.2009 – IX ZR 167/07 (NJW 2009, 3297) undv. 19.9.2013 – IX ZR 322/12 (NJW 2013, 3725) dieFrage einer Nichtigkeit des Anwaltsvertrags gem.§ 134 BGB bei Verstoß gegen § 43a IV BRAO noch of-fenlassen konnte, hat er mit Urteil v. 12.5.2016 ent-schieden, dass ein Anwaltsvertrag nichtig sei, mit des-sen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot ver-stößt, widerstreitende Interessen zu vertreten.Nur wenn die Bekl. im hiesigen Fall gegen § 43a IVBRAO verstoßen hätte, wäre der Anwaltsvertrag gem.

§ 134 BGB nichtig mit der Folge, dass die Bekl. bzw.die Streithelferin dann auch keinen Honoraranspruchhätte gegen die, auch nicht aus Geschäftsführungohne Auftrag gem. §§ 670, 677, 683 BGB oder aus un-gerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I BGB (BGH,NJW 2013, 3725 Rn. 14).II. Verfassungskonforme Auslegung des § 3 BORANach Auffassung des erkennenden Gerichts ist unterBerücksichtigung des Beschlusses des BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01 (NJW 2003, 2520) der § 3BORA verfassungskonform auszulegen, um demGrundrecht der Rechtsanwälte auf Berufsausübungs-freiheit gem. Art. 12 I GG angemessen Rechnung zutragen.Das BVerfG hat in seinem Beschluss v. 3.7.2003 aus-geführt, dass bei der Auslegung des § 43a IV BRAOund der damaligen Fassung des § 3 BORA die Berufs-ausübungsfreiheit in besonderem Maße berücksichtigtwerden müsse und eine unverhältnismäßige Beschrän-kung der grundrechtlichen Freiheit der Anwälte ausArt. 12 GG vermieden werden müsse. Der Eingriff dür-fe nicht weitergehen, als es die rechtfertigenden Ge-meinwohlbelange erforderten. Das BVerfG hatte des-wegen die damalige Fassung des § 3 BORA für verfas-sungswidrig erklärt. Denn neben dem Schutz desindividuellen Vertrauensverhältnisses zum Mandantenund der Wahrung der Unabhängigkeit des Rechts-anwalts muss auch das Interesse des Anwalts an ei-nem möglichst ungestörten Kanzleiwechsel berücksich-tigt werden.

Verfassungs-konforme Auslegungerforderlich

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist § 3BORA verfassungskonformdahingehend auszulegen,dass kein Verstoß gegendiese Vorschrift und damitauch kein Verstoß gegen

§ 43a IV BRAO vorliegt, wenn erstens den Rechts-anwalt kein Verschulden trifft, d.h. keine Kenntnis undkein Kennenmüssen vorliegt, und zweitens keine Inte-ressenkollision und kein Nachteil für den Mandantenim konkreten Einzelfall aufgetreten ist. Für eine verfas-sungskonforme Auslegung ist also zusätzlich zum ob-jektiven Wortlaut auch eine subjektive Komponente indie Vorschrift hineinzulesen.Denn in einem Fall, in welchem dem Rechtsanwalt sub-jektiv nichts vorzuwerfen ist und gleichzeitig objektivkeine Interessenkollision und kein Nachteil für denMandanten entstanden ist, kann nicht davon gespro-chen werden, dass der Rechtsanwalt eine andere Par-tei im widerstreitenden Interesse beraten oder vertre-ten habe und sich damit eines Verstoßes gegen § 43aIV BRAO schuldig gemacht habe mit der Folge einerNichtigkeit des Anwaltsvertrags und einem Verlustsämtlicher Honoraransprüche.III. Voraussetzungen einer verfassungskonformen Aus-legung hier erfüllt1. Kein Verschulden der BeklagtenEin Verschulden der Bekl. gem. § 276 BGB liegt im vor-liegenden Fall nicht vor. Der Bekl. ist weder Vorsatznoch Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Denn sie hatte weder

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

34

eine Kenntnis noch eine schuldhafte Nichtkenntnis vonder früheren Beratung der Kl. durch die Kanzlei …a) Keine positive KenntnisDie Bekl. hat ausdrücklich bestritten, vor Erhalt desSchreibens der Kl. v. 23.7.2015 Kenntnis davon gehabtzu haben, dass die hiesige Kl. früher von dem … Büroder Kanzlei … außergerichtlich beraten wurde, u.a.durch die Erstellung von Gutachten zum Prozessrisiko.Nach dem Verständnis des Gerichts war dies noch imTermin zur mündlichen Verhandlung unstreitig, erstim gem. § 283 ZPO nachgelassenen Schriftsatz derKl. hat diese – prozessual gem. § 282 ZPO bedenklichspät – eine Kenntnis der Bekl. erstmals mit Nichtwis-sen bestritten. Im Ergebnis kann dies dahinstehen,denn zumindest hat die insoweit darlegungs- und be-weisbelastete Kl. der Bekl. eine frühere Kenntnis, etwabei Mandatsannahme, nicht nachgewiesen.b) Kein KennenmüssenDer Bekl. ist auch keine schuldhafte Nichtkenntnis,also ein Kennenmüssen vorzuwerfen: Da es sich beider Tätigkeit der Rechtsanwaltskanzlei … um eine reininterne Beratung handelte, etwa durch Gutachtenser-stellung, die Kanzlei aber nicht nach außen hin im Pro-zess auftrat, konnte die Bekl. die außergerichtliche Be-ratung durch … aus der Akte nicht ersehen.Entgegen der Auffassung der Kl. geht das Gericht nichtdavon aus, dass die Bekl. bzw. die Streithelferin einenAuskunftsanspruch gegen die alte Kanzlei der Bekl.,also …, hatte. Jedenfalls hatte die Bekl. keinen An-spruch gegen die Kanzlei …, dass in ihrem Ausschei-dungsvertrag ausdrücklich mit aufgenommen werdensollte, dass sie in derartigen Fällen einen Auskunfts-anspruch hat. Ein solcher Anspruch wäre bedenklichim Hinblick auf die Schweigepflicht der Rechtsanwälte.Das Gericht geht weiter entgegen der Auffassung derKl. nicht davon aus, dass die Bekl. verpflichtet war,eine komplette Mandantenliste bei ihrem Ausscheidenaus der Kanzlei … auszudrucken und mitzunehmenund bei der Annahme späterer Mandate die neuenMandanten mit dieser Liste im Hinblick auf frühereGegner abzugleichen. Das Gericht hält dies im vorlie-genden Fall auch schlicht für unpraktikabel: Dem er-kennenden Gericht ist die Kanzlei nämlich gut be-kannt, denn der zuständige Einzelrichter war dort –vor langer Zeit – selbst einmal Referendar im … Büro.Er kennt daher die außerordentliche Größe dieserKanzlei, die nicht nur bundesweit tätig ist, sondern in-ternational und dabei eine Vielzahl von Rechtsanwäl-ten beschäftigt. Selbst wenn es technisch möglich seinsollte, sämtliche Mandanten an sämtlichen Standortenauf Papier auszudrucken (woran das Gericht bereitsZweifel hat), so wäre es vom Umfang her für die Bekl.völlig unzumutbar, bei jeder neuen Mandatsannahmeeinen Abgleich mit dieser wahrscheinlich hunderte Sei-ten umfassenden Liste durchzuführen. Die Kl. verlangthier Unmögliches von der Bekl. bzw. der Streithelferin.Andere Wege gab es für die Bekl. nicht, eine möglichefrühere Vertretung des Gegners festzustellen. Mit ih-rem Ausscheiden hatte die Bekl. keinen Zugriff mehrauf die EDV von … und es war ihr auch nicht zuzumu-

ten, bei jeder Mandatsannahme eine telefonische oderschriftliche Anfrage zu stellen, einmal unterstellt, dieKanzlei … würde solche Anfragen überhaupt beant-worten.

Kein Verschulden

Der Bekl. ist daher keinerlei Verschulden vorzuwerfen.2. Keine Interessenkollisionund kein Nachteil für …Als zweite Voraussetzung

für eine verfassungskonforme Auslegung des § 3BORA ist, wie oben ausgeführt, erforderlich, dass tat-sächlich keine Interessenkollision und kein Nachteilfür die Mandanten der Bekl. entstanden ist.Hier gab es keinerlei Informationsflut zwischen dem …Büro der Kanzlei … und der Bekl. bzw. der Streithelfe-rin, weder während der Tätigkeit der Bekl. als Partnerinbei … noch danach. Der … ist auch keinerlei tatsäch-licher Nachteil dadurch entstanden, dass die Bekl. dieEinlegung und Begründung der Nichtzulassungs-beschwerde beim BGH in den beiden Verfahren über-nommen hat, obwohl früher ihr ehemaliger Kanzleikol-lege … bei … für die Kl. beratend tätig gewesen ist.

Kein Nachteil

Die Kl. selbst behauptet einen solchen Nachteil nicht,sondern stellt lediglich aufdie objektive Verletzungdes § 3 BORA ab.

Die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Aus-legung des § 3 BORA liegen damit vor mit der Folge,dass kein Verstoß gegen diese Norm und damit auchkein Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Inte-ressensvertretung nach § 43a IV BRAO gegeben ist.3. Kenntnis der Klägerin selbst zu berücksichtigennach Treu und GlaubenIm vorliegenden Fall kommt als Besonderheit noch da-zu, dass die Kl. selbst noch vor der Bekl., nämlich imLaufe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vordem BGH, Kenntnis erlangt hatte von der früherenPartnerschaft der Bekl. in der Kanzlei (Seite 2 untendes Protokolls v. 27.7.2016 = As. 123). Die Kl. machteaber der Bekl. hierüber keine Mitteilung, sondern ließdiese weiterarbeiten bis zum Abschluss des Nichtzulas-sungsbeschwerdeverfahrens. Es ist daher nach demGrundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB be-denklich, wenn die Kl. nunmehr diese Weiterarbeit derBekl. gerade zum Vorwurf macht.Zusammengefasst liegt daher bei verfassungskonfor-mer Auslegung des § 3 BORA kein Verstoß der Bekl.gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Inte-ressen nach § 43a IV BRAO vor mit der Folge, dass derzwischen der … und der Streithelferin geschlosseneRechtsanwaltsvertrag wirksam ist, woraus sich ergibt,dass der Streithelferin für die Tätigkeit der Bekl. derHonoraranspruch gegen die … zusteht. Es gab daherkeine Honorarrückzahlungsansprüche der …, welchedie Kl. hätte pfänden können, weder gegen die Bekl.persönlich, noch gegen die Streithelferin oder derenGesellschafter.

ANMERKUNG:I. Die Reichweite des Verbots der Vertretung wider-streitender Interessen (§ 43a IV BRAO i.V.m. § 3

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

35

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

BORA; dazu Henssler/Deckenbrock, NJW 2012,3265) und die Rechtsfolgen eines Verstoßes (dazuDeckenbrock, AnwBl. 2010, 221) sind bis heute nichtabschließend geklärt; dies gilt insbesondere in Sozie-tätskonstellationen (dazu Deckenbrock, AnwBl. 2009,170; ders., AnwBl. 2012, 594). Obwohl es zu keineranderen Berufspflicht so viele Anfragen an die Kam-mern gibt (Offermann-Burckart, AnwBl. 2008, 446),verhalten sich bislang vergleichsweise wenige Ge-richtsentscheidungen zu dieser enorm praxisrelevan-ten Norm. Daher kommt dem Urteil des LG Karlsruheeine besondere Bedeutung zu.II. Das Landgericht will § 43a IV BRAO i.V.m. § 3BORA verfassungskonform dahingehend auslegen,dass ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung wi-derstreitender Interessen zu verneinen ist, „wenn ers-tens den Rechtsanwalt kein Verschulden trifft (…) undzweitens keine Interessenkollision und kein Nachteilfür den Mandanten im konkreten Einzelfall aufge-treten ist“. Aus dogmatischer Sicht überrascht es,dass das Gericht die verfassungsrechtliche Keuleschwingt, ohne zuvor sauber das einfache Recht ge-prüft zu haben. Die Kammer geht nämlich ohne jegli-ches Problembewusstsein von zwei mindestens frag-würdigen Prämissen aus:1. Sie unterstellt zunächst, dass allein die Verwirk-lichung des objektiven Tatbestands über § 134 BGBdie Nichtigkeit des Anwaltsvertrags nach sich gezo-gen hätte. Immerhin drohen einem Anwalt nur dannanwaltsgerichtliche Maßnahmen, wenn er schuld-haft, also mindestens fahrlässig, gegen eine Berufs-pflicht verstoßen hat (§ 113 I BRAO). Ist es daher tat-sächlich gerechtfertigt, im Rahmen der Prüfung derWirksamkeit des Vertrags auf ein subjektives Korrek-tiv zu verzichten?Die Rechtsprechung des BGH und die Stellungnah-men in der Literatur sind zu dieser Frage uneinheit-lich. Zwar sollen die subjektiven Merkmale einesStraf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestands grund-sätzlich vorliegen müssen, damit die Nichtigkeitsfol-ge des § 134 BGB ausgelöst wird (BeckOGK-BGB/Vossler, Stand 1.9.2016, § 134 Rn. 69 m.w.N.), in Ein-zelfällen wird aber unter Berufung auf den Schutz-zweck der verletzten Norm auf jegliche subjektiveKomponente verzichtet. So soll etwa bei einem Kanz-leikauf allein die objektive Verletzung der Schwei-gepflicht nach § 203 StGB die Nichtigkeit entspre-chender Rechtsgeschäfte nach sich ziehen (BGHZ115, 123, 130; BGHZ 116, 268, 276f. = BRAK-Mitt.1992, 114 Ls.; BGHZ 122, 115, 122 = BRAK-Mitt.1993, 180 Ls.).Für das Verbot der Vertretung widerstreitender Inte-ressen ist diese Frage bislang nicht erörtert worden(BGH, BRAK-Mitt. 2016, 184 mit Anm. Deckenbrock,AnwBl. 2016, 595 musste hierauf nicht eingehen). In-soweit ist zu berücksichtigen, dass die Schutzzweckeder Norm (dazu BT-Drs. 12/4993, 27) in Sozietäts-konstellationen nur eingeschränkt berührt werden.Dies zeigt sich bereits daran, dass das Tätigkeitsver-bot in diesen Fällen (anders als bei einem Einzel-

anwalt) dispositiv ausgestaltet ist (§ 3 II 2 BORA).Wenn der Rechtsanwalt selbst das kollidierendeMandat nicht nur nicht betreut hat, sondern von des-sen Existenz nicht einmal Kenntnis gehabt hat, drohenersichtlich keine Gefahren für die Unabhängigkeit desAnwalts und die Geradlinigkeit der anwaltlichen Be-rufsausübung. Auch der Schutz des Vertrauensverhält-nisses zum Mandanten erfordert eine Nichtigkeit desAnwaltsvertrags jedenfalls dann nicht, wenn – wiehier – die gegnerische Partei von der früheren Partner-stellung des Sozietätswechslers keine Kenntnis hatteund daher genauso wenig wie der Wechsler selbstvon der objektiven Verwirklichung des § 43a IV BRAOi.V.m. § 3 II, III BORA wusste.In diese Richtung geht auch eine Entscheidung desBGH (NJW 2015, 567 Rn. 14 = BRAK-Mitt. 2015, 93Ls. mit krit. Anm. Deckenbrock, NJW 2015, 522) vonEnde 2014, die zum (vergleichbaren) Tätigkeitsverbotnach § 45 BRAO für die Erstreckung auf einen Soziusals Voraussetzung formuliert hat, „dass dieser die tat-sächlichen Umstände kennt, die das Tätigkeitsverbotbegründen, oder sich trotz evidenter Anhaltspunkteder Kenntnisnahme solcher Umstände verschließt“.2. Des Weiteren unterstellt die Kammer, dass dem An-walt bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraus-setzungen des § 43a IV BRAO i.V.m. § 3 BORA auchkein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf die Ver-gütung zustünde, wenn der Mandatsvertrag nichtigwäre. Diese unreflektierte Aussage überrascht eben-falls: Selbst wenn man grundsätzlich von der Nichtig-keit des Anwaltsvertrags ausgeht, wäre der dem An-walt nach §§ 812 I, 818 II BGB zustehende Wert-ersatzanspruch gem. § 817 S. 2 BGB nur dannausgeschlossen, wenn er vorsätzlich verbotswidrig ge-handelt oder sich der Einsicht in das Verbotswidrigeseines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH,NJW-RR 2006, 1071 Rn. 28; BRAK-Mitt. 2011, 38Rn. 20; ausf. dazu Deckenbrock, AnwBl. 2016, 595).III. Wenn auch in der Begründung nicht durchwegüberzeugend, so gelangt das LG Karlsruhe zu demzutreffenden Ergebnis, dass die von der beklagtenAnwältin bzw. ihrer Kanzlei verdienten Vergütungs-ansprüche grundsätzlich nicht entfallen. Die Ent-scheidung des LG Karlsruhe offenbart dabei auch,vor welchen Schwierigkeiten Berufsausübungs-gemeinschaften bei conflict checks stehen. Zu Rechtverzichtet die Kammer hier darauf, die Hürden füreine sorgfältige Konfliktprüfung zu hoch zu setzen,und von dem Sozietätswechsler ohne sich aus derAkte ergebenden Anlass zu verlangen, Nachfor-schungen anzustellen. Umgekehrt soll die den An-walt abgebende Sozietät dagegen verpflichtet sein,ihren Mandanten darüber zu informieren, dass ei-ner ihrer Berufsträger zur Kanzlei des Gegners wech-selt; er könne dann darüber entscheiden, ob die Vor-befassung offengelegt wird (SV-Mat. 12/2006,BRAK-Mitt. 2006, 213, 216). Auch hier stößt manaber in den Fällen, in denen die abgebende Kanzleidas Kollisionsmandat längst niedergelegt hat, anseine Grenzen.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

36

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

In einem noch größeren Dilemma befinden sich dieAnwälte, die lediglich in einer Bürogemeinschaftberuflich zusammenarbeiten. Sie sind untereinan-der grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet(Deckenbrock, NJW 2008, 3529 [3530f.]) und dürfendaher Mandatslisten nicht ohne Einverständnis un-tereinander abgleichen (vgl. § 3 V BORA). Für Büro-gemeinschafter ist es daher noch schwieriger, eineKonfliktlage zu erkennen.

Akad. Rat Dr. Christian Deckenbrock, Köln

VORWURF DER BEFANGENHEIT

BRAO § 43a III; StGB § 339

* 1. Der Vorwurf, Richter hätten „nach hiesigerWertung vorsätzlich“ einen Anspruch auf recht-liches Gehör eines Mandanten verletzt, stellt nochkeinen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot dar.Diese Bemerkung stellt lediglich eine Verdachts-äußerung dar, die nicht in die Behauptung mündet,der Rechtsverstoß liege tatsächlich vorsätzlich vor.* 2. Wenn ein Rechtsanwalt hinsichtlich des Verhal-tens eines Richters den Eindruck gewinnt, das Ge-richt handele zum Nachteil des Mandanten, kannes im Rahmen einer möglichen Reaktion hieraufnicht dem Sachlichkeitsgebot widersprechen, sol-che Vorgänge, bis hin zu dem Verdacht, gegen Ver-fahrensvorschriften und/oder -grundsätze werdebewusst verstoßen, zu benennen.AnwG Karlsruhe, Beschl. v. 10.8.2016 – AG 12/2016 – II 6/2015

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:In der Äußerung eines Rechtsanwalts, die zuständi-ge Richterin habe eine staatstragende Art derart in-

ternalisiert, dass sie wahrscheinlich gar nicht ver-stünde, wie sie auch anders hätte entscheiden kön-nen, liegt nach Auffassung des AnwG Köln eine ge-gen die Richterin gerichtete Beleidigung (vgl. AnwGKöln, BRAK-Mitt. 2015, 44).

Mitgeteilt von RA Dr. Daniel Beisel, LL.M., Karlsruhe

ABGRENZUNG ZWISCHEN BERUFLICHEM UNDAUSSERBERUFLICHEM VERHALTEN

BRAO § 113 II

* 1. Die Voraussetzungen des § 113 II BRAO sindeng auszulegen, da Sinn und Zweck des anwalts-gerichtlichen Verfahrens nicht darin bestehen, denRechtsanwalt zu einem privaten Wohlverhalten an-zuhalten.* 2. Für die Abgrenzung zwischen beruflichem undaußerberuflichem Verhalten kommt es auf die ma-terielle Berufsbezogenheit des Verhaltens an.* 3. Bei einem strafbewehrten außerberuflichenVerhalten reicht für eine anwaltsgerichtliche Ahn-dung nicht die an eine rechtswidrige Tat allgemeinanknüpfende Achtungs- und Vertrauensminderungaus. Die Tat muss geeignet sein, zu bewirken, dassRechtsuchende gerade bezogen auf die Anwalts-tätigkeit des Betroffenen Zweifel an dessen Ach-tungs- und Vertrauenswürdigkeit hegen können.* 4. Die Begehung von Sexualdelikten im privatenBereich muss für einen Rechtsuchenden nichtgrundsätzlich Zweifel an dessen Achtungs- und Ver-trauenswürdigkeit als Rechtsanwalt aufkommenlassen.AnwG Frankfurt, Beschl. v. 21.12.2016 – IV AG 55/16 – 4 Ef 411/14

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

WERBUNG

UNZULÄSSIGE WERBUNG AUF ANWALTS-ROBEN

BRAO § 43b; BORA §§ 6, 20

1. Zur berufsrechtlichen Zulässigkeit einer mit ei-nem Werbeaufdruck versehenen, im Gerichtssaalgetragenen Anwaltsrobe.

* 2. Ein Werbeaufdruck stört – unabhängig von sei-nem Inhalt – Funktion, Aussage und Wirkung derRobe.

* 3. Das Gebot der Werbefreiheit von Roben giltauch für Roben, die von Rechtsanwälten in Ge-

richtsverhandlungen getragen werden, für dienach § 20 BORA eine Robenpflicht nicht besteht.

* 4. Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer imGerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robewird durch eine hierauf bezogene sitzungspolizei-liche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

BGH, Urt. v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15

AUS DEM TATBESTAND:[1] Der Kl. ist seit 2004 Mitglied der Bekl. Er wendetsich gegen einen belehrenden Hinweis der Bekl. v.26.5.2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihnüber die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihmins Auge gefassten Aufdrucks bzw. einer Bestickung

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

37

seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereichmit den Worten „Dr.R.…“ und der Internetadresse„www.dr-r….de“ zu belehren.[2] In dem – dem Kl. zugestellten und mit einer Rechts-mittelbelehrung versehenen – Bescheid belehrte dieBekl. den Kl. dahingehend, dass das Tragen der An-waltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mitdem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und dahervon ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplantenVerwendung der Robe verstoße er gegen § 43b BRAO,§§ 6 I, 20 BORA. Es handele sich um ein werblichesAuftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichts-sälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerk-sam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zuwerben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Ge-richtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei.Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe ge-gen § 20 BORA, da von der üblichen Berufstracht ab-gewichen werde.[3] Der AGH hat die vom Kl. gegen den Bescheid derBekl. v. 26.5.2015 erhobene Klage abgewiesen unddie Berufung zugelassen.[4] Der Kl. beantragt nunmehr das Urteil des AGHNordrhein-Westfalen v. 29.5.2015 – 1 AGH 16/15, so-wie den Bescheid der Bekl. v. 26.5.2015 – III. Abt.275/2014, aufzuheben.[5] hilfsweise,[6] das Urteil des AGH Nordrhein-Westfalen v. 29.5.2015 – 1 AGH 16/15, sowie den Bescheid der Bekl. v.26.5.2015 – III. Abt. 275/2014, insoweit aufzuheben,als dem Kl. darin auch untersagt wird,– die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichtenzu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwältenicht besteht, sowie

– die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zutragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/derVorsitzende Richter deren Tragen im Rahmen der Sit-zungspolizei zugelassen hat.

[7] Die Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN:[8] I. Die Berufung hat keinen Erfolg.[9] 1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a I,§ 112c I 1 BRAO, § 42 I VwGO) statthaft und auchim Übrigen zulässig.[10] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sindauf der Grundlage des § 73 II Nr. 1, 4 BRAO ergange-ne belehrende Hinweise namentlich dann, wenn siewie der angefochtene Bescheid mit einem Handlungs-verbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung desRechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzuse-hen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklageangefochten werden können (vgl. nur BGH, Urt. v.27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72Rn. 7 und v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11, NJW2012, 3039 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der Statthaftig-keit der Anfechtungsklage steht unter den hier gegebe-nen Umständen nicht entgegen, dass sich der Be-scheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges

Verhalten des Kl. bezieht. Er geht schon ausweislichder Entscheidungsformel über eine lediglich präventiveAuskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwen-dung des verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucksrechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht.Damit ist der Bereich präventiver Hinweise ohne Rege-lungscharakter verlassen (vgl. Senat, NJW 2015, 72m.w.N.). Darüber hinaus ist der Bescheid mit einerRechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlichzugestellt worden. Beides spricht gleichfalls für dasVorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, NJW2015, 72; Beschl. v. 30.11.2009 – AnwZ (B) 11/08,NJW 2010, 1972 Rn. 7; jeweils m.w.N.).[11] 2. Die Klage ist jedoch unbegründet.[12] a) Die Bekl. war befugt, dem Kl. das Ergebnis ih-rer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfungdes beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines be-lehrenden Hinweises nach § 73 II Nr. 1, 4 BRAO mit-zuteilen. Anerkanntermaßen kann dem Rechtsanwaltim Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgege-ben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhaltenzu unterlassen (vgl. Senat, NJW 2015, 72 Rn. 10 undNJW 2012, 3039; jeweils m.w.N.). Gründe, die zu eineranderweitigen Beurteilung zwingen könnten, wenn– wie hier – künftiges Verhalten betroffen ist, sindnicht ersichtlich. Schon im Blick darauf, dass der Kl.aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist,den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gege-benenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfah-rens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mitden dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu er-warten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungs-bereich des Art. 5 I 3 GG eröffnet (vgl. BVerfG, NJW2015, 1438 Rn. 32; Senat, NJW 2015, 72; zu verbote-ner Vorzensur vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 87, 209,230; Grabenwarter, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 68. EL 2013, Art. 5 Rn. 116 m.w.N.).

Verstoß gegen§ 20 BORA

[13] b) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hatder AGH in dem Tragen ei-ner nach dem Muster desKl. bestickten oder be-druckten Robe vor Gericht

einen Verstoß gegen § 20 BORA gesehen. Diese – aufder Grundlage von § 59b II Nr. 6c BRAO erlassene –berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbungauf einer Robe im Gerichtssaal entgegen (nachfolgendaa). Bei dem Aufdruck auf der Robe des Kl. handelt essich um eine solche unzulässige Werbung (nachfol-gend bb).[14] aa) Nach § 20 BORA trägt der Rechtsanwalt vorGericht als Berufstracht die Robe, soweit dies üblichist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe bestehtbeim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.[15] (1) Die in § 20 BORA bestimmte Pflicht zum Tra-gen einer Robe setzt voraus, dass die Robe nicht mitWerbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbrin-gungen versehen ist (Scharmer, in Hartung/Scharmer,BORA/FAO, 6. Aufl., § 20 BORA Rn. 41; Prütting, inHenssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 20 BORA Rn. 5;Brüggemann, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl.,

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

38

§ 20 BORA Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das Berufungs-gericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck dervor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein er-hebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Ge-richtsverhandlungen in guter Ordnung und angemes-sener Form durchgeführt werden können. DiesemZweck dient es, wenn auch die an der Verhandlungbeteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen(BVerfGE 28, 21 [31 f.]). Sie werden dadurch aus demKreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlungherausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organder Rechtspflege (§ 1 BRAO) wird sichtbar gemacht(BVerfGE 28, 21 [31 f.]; Scharmer, in Hartung/Schar-mer, § 20 BORA Rn. 16, 41; Wolf, in Gaier/Wolf/Gö-cken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 1 BRAORn. 91).

Nutzen für Rechts-und Wahrheits-findung

Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen fürdie Rechts- und Wahrheits-findung im Prozess; denndie Übersichtlichkeit derSituation im Verhand-lungsraum wird gefördert

und zugleich ein Beitrag zur Schaffung der Atmosphä-re der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, inder allein Rechtsprechung sich in angemessener Formdarstellen kann (BVerfGE 28, 21 [31 f.]). Durch das An-legen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Per-son hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück(Scharmer, in Hartung/Scharmer, § 20 BORA Rn. 18 f.m.w.N.; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128).

[16] Dieser Zweck der vor Gericht getragenen An-waltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf derRobe entgegen. Letztere verkörpert – im Unterschiedzu anderen Berufskleidungen und zu anderen Klei-dungsstücken des Rechtsanwalts – für alle Anwesen-den erkennbar die Organstellung des Rechtsanwaltsund das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Ver-handlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze derSachlichkeit und der Rationalität sowie der Verall-gemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägtist (Scharmer, in Hartung/Scharmer, § 20 BORARn. 18 f. m.w.N.; Ahrens, Anwaltsrecht Rn. 128). EinWerbeaufdruck stört – unabhängig von seinem Inhalt– diese Funktion, Aussage und Wirkung der Robe. An-waltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf ab-zielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leis-tungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl.etwa Senat, Beschl. v. 18.12.2015 – AnwZ (Brfg) 19/15, BRAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urt. v. 12.7.2012 –AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 18 und Beschl.v. 23.9.2002 – AnwZ (Brfg) 67/01, NJW 2003, 346).

Zweckentfremdung

Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getrageneRobe wird letztere zweck-entfremdet und werdenihre eigentlichen, vorste-

hend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt.Der Rechtsanwalt tritt mittels der Robe als „Werbeträ-ger“ hervor und mindert auf diese Weise die vor-genannte Funktion und Wirkung der Robe.

[17] Soweit der Kl. meint, durch die namentliche Kenn-zeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt,wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondernauch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse,missversteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch siesoll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Per-son, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspfle-ge aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehobenwerden. Eine namentliche Kennzeichnung auf derRobe dient diesem Zweck nicht.[18] (2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt,wie der AGH zutreffend erkannt hat, auch für Roben,die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen ge-tragen werden, für die nach § 20 BORA eine Roben-pflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nichtabhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wirdsie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflich-tung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurchnicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalenKleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivier-ten Horizont des Betrachters weist der Rechtsanwaltvielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne Roben-pflicht mit dem Anlegen der Robe auf den vorstehenddargestellten Zweck der Robe hin und macht ihn sichzu Eigen. Mit diesem Zweck ist – wie ausgeführt –eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu ver-einbaren.[19] (3) Der somit aus § 20 BORA folgenden Werbe-freiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht§ 43b BRAO und § 6 BORA entgegen. Denn auchnach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nichterlaubt (siehe nachfolgend zu c).[20] (4) Das aus § 20 BORA folgende Verbot von Wer-bung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblickauf die hiermit verbundene Einschränkung der Berufs-ausübungsfreiheit (Art. 12 I GG) und der Meinungsfrei-heit (Art. 5 I GG; vgl. BVerfG, NJW 2015, 1438Rn. 16 ff. m.w.N. zum Schutzbereich von Berufsaus-übungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicherWerbung) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mitsachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Ge-meinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorste-hend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck ei-ner vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet.

VerhältnismäßigeGrundrechtsein-schränkung

In Abwägung dieser Belange des Gemeinwohls mit dergeringen, mit einem Wer-beverbot auf vor Gerichtgetragenen Roben verbun-denen Grundrechtsein-schränkung ist der Grund-

satz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.[21] Eine entsprechende Beschränkung anwaltlicherWerbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angespro-chen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegebenwird, „die Unabhängigkeit, die Würde und die Integri-tät des Berufsstandes“ im Rahmen kommerzieller Kom-munikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 II 1 der Richt-linie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates v. 12.12.2006 über Dienstleistungen im Bin-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

39

WERBUNG

nenmarkt, ABl. Nr. L 376, 36 und hierzu EuGH, EuZW2011, 681 Rn. 24, 30 sowie Senat, NJW 2015, 72Rn. 12; BGHZ 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

[22] (5) Das aus Art. 20 III GG folgende Bestimmt-heitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dassdie Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Ver-halten danach einrichten können (vgl. BVerfGE 78,205 [212]; 84, 133 [149]; 87, 234 [263]; 102, 254[337]). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sichder Regelungsgehalt der Norm im Wege der Aus-legung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe deranerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st.Rspr.; vgl. BVerfGE 102, 254; 110, 33 [56 f.]; 117, 71[111 f.]; 131, 88 [118 f.]; jeweils m.w.N.). Das rechts-staatliche Bestimmtheitsgebot wird eingehalten, wennsich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielset-zung richtungsweisende Gesichtspunkte für die – denGerichten und Verwaltungsbehörden übertragene –Auslegung der in der Norm verwendeten Begriffe er-geben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 – 1 BvR900/88, Rn. 8).

[23] Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eineAuslegung von § 20 BORA im Sinne eines Verbotsvon Werbung auf vor Gericht getragenen Anwalts-roben. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich– wie gezeigt – im Wege der Heranziehung von Sinnund Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen ergebensich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Aus-legung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

[24] bb) Bei dem Aufdruck auf der Robe des Kl. han-delt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwen-dung des Domain-Namens der Homepage des Kl. alsRobenaufdruck ist, wie der AGH in dem angefochtenenUrteil und die Bekl. in dem Bescheid v. 26.5.2015 zu-treffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zieltdarauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme vonLeistungen des Kl. zu gewinnen (vgl. BVerfG, NJW2015, 1438 Rn. 28 m.w.N.; zur Verwendung von Do-main-Namen als Werbung vgl. Senat, NJW 2003,504; BGHZ 153, 61, 68 f.; Saenger/Riße, MDR 2005,1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloßeKenntlichmachung des Kl. im Gerichtssaal.

Keine bloße Kennt-lichmachung

Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht dieAngabe des Domain-Na-mens der Homepage desKl. auf seiner Robe weitüber dessen Kenntlichma-

chung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbstund die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte.Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwe-senden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Auf-druck bestimmt ist, dient die Angabe einer „Internet-adresse“ als Aufdruck auf einer Robe daher vorrangignicht der – auch anders zu bewirkenden – Identifizier-barkeit des Trägers der Robe, sondern der Werbungfür dessen auf seiner Homepage näher beschriebeneLeistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Na-men unter anderem auch die Identifizierung des Trä-gers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einord-

nung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht ent-gegen.

[25] c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochte-nen Bescheid vertretene Auffassung der Bekl., dassdie durch den Kl. beabsichtigte Werbung mit dem be-rufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogenerUnterrichtung (§ 43b BRAO, § 6 I BORA) nicht verein-bar ist.

[26] aa) Das in § 43b BRAO, § 6 I BORA ausgeformteberufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Wer-bung ist trotz der damit verbundenen Einschränkungder Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 I GG) und derMeinungsfreiheit (Art. 5 I GG) verfassungsrechtlichnicht zu beanstanden (vgl. etwa BVerfGE 57, 121[133]; 76, 196 [205 ff.]; 82, 18 [28]; BVerfG, NJW2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist inähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen,indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird,„die Unabhängigkeit, die Würde und die Integritätdes Berufsstandes“ im Rahmen kommerzieller Kom-munikation zu gewährleisten (siehe oben b aa (4) zuArt. 24 II 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäi-schen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 überDienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376, 36).Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung desSachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemetho-den verwenden darf, die im Bereich der werbendenallgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären(vgl. zu sog. „Schockwerbung“ BVerfGE 102, 347;BVerfGE107, 275), entspricht dem Willen des Gesetz-gebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zurNeuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte undder Patentanwälte, BT-Drs. 12/4993, 28; Beschluss-empfehlung und Bericht, BT-Drs. 12/7656, 48; zumVerbot einer reißerischen und/oder sexualisierendenWerbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl.BVerfG, NJW 2015, 1438; Senat, NJW 2015, 72) undist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt(vgl. – wenngleich im Detail kritisch – von Lewinski, inHartung/Scharmer, § 6 BORA Rn. 29; Prütting, inHenssler/Prütting, § 43b Rn. 30; jeweils m.w.N.; engerwohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- undsteuerberatenden Berufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

[27] bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine be-stimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt(von Lewinski, in Hartung/Scharmer Rn. 44). Ein vomRechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Mediumkann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeitder Werbung begründen (BVerfG, NJW 2003, 3470m.w.N.; Prütting, a.a.O. Rn. 31). Indes ist nach § 43b IBRAO dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt,die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. DasSachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Ge-setzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung,sondern auch ihre Methoden (BT-Drs. 12/4993, 28und 12/7656, 48). Ob es durch eine konkrete Wer-bung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund ei-ner Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medi-um der Werbung einbezieht.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

40

WERBUNG

[28] cc) Die nach diesen Maßstäben bestehendenGrenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung(§ 43b BRAO) werden durch das Tragen einer Robenach dem Muster des Kl. aus der maßgeblichen Sichtder angesprochenen Verkehrskreise (vgl. BVerfG, NJW2001, 3324 m.w.N.) in der gebotenen Gesamtbetrach-tung des Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) unddes Verwendungsortes überschritten. Die entsprechen-de Beurteilung in dem angefochtenen Bescheid derBekl. ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal ge-tragene Robe ist kein zulässiges Mittel anwaltlicherWerbung (so auch von Lewinski, in Hartung/ScharmerRn. 44, 69a).[29] Die Angabe des Namens des Kl. und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen in-haltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Auf-bringung auf einer vor Gericht getragenen Robe ver-letzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b I, § 6 IBORA.

Verstoß gegen dasSachlichkeitsgebot

Die Robe verkörpert – wie bereits ausgeführt – für alleim Gerichtssaal Anwesen-den erkennbar die Stellungdes Rechtsanwalts als un-abhängiges Organ der

Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen undobjektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch dieGrundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität ge-prägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts-und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funk-tionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichenVorschriften des anwaltlichen Berufsrechts dienenebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechts-anwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl.BVerfGE 76, 196 [207 f.]; 82, 18 [26]; BVerfG, NJW2004, 2656; Senat, NJW 2015, 72 Rn. 13; Prütting,a.a.O. Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Ro-ben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinnund Zweck der anwaltlichen Robe auszulegen. Ein Wer-beaufdruck stört aber – unabhängig von seinem Inhalt– die Funktion und Wirkung der Robe. In Folge seinerAufbringung entsteht ein für alle Betrachter ins Augespringendes, nicht auflösbares Spannungsverhältniszwischen dem Zweck der Robe und den durch sie ver-körperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Wer-bezweck des Aufdrucks andererseits. Die Robe verliertin Folge dieser – durch den Aufdruck herbeigeführten –Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeb-lich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkungdes Werbeaufdrucks begründet einen Verstoß gegendas Sachlichkeitsgebot der § 43b BRAO, § 6 I BORA.[30] d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer imGerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen Robewürde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizei-liche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

ANMERKUNG:„… damit man die Spitzbuben schon von weitem er-kenne!“ So lautete bekanntlich die Begründung fürdie Robenpflicht der Advocati in der legendären Ka-binettsorder des preußischen Königs Friedrich Wil-

helm I. von 1726. Auch fast dreihundert Jahre späterhalten es manche noch für erforderlich, darauf hin-zuweisen, dass dieser Normzweck „heute wohl über-holt sein [dürfte]“ (vgl. Henssler/Prütting, BRAO,4. Aufl. 2014, § 20 BORA Rn. 1 a.E.). Wenn die Er-kennbarkeit als Normzweck tatsächlich überholt ist,verbietet sich jedenfalls die Argumentation, dass derAufdruck einer Internet-Adresse des Robenträgers dieIdentifizierbarkeit eher fördern als beeinträchtigenwürde und daher schon deshalb nicht unzulässigsein kann.Im Zusammenhang mit der Berufstracht der Rechts-anwälte – so die in der Ermächtigungsnorm des§ 59b II Nr. 6 lit. c BRAO verwandte Terminologie –sind in den Jahrzehnten verschiedene Fragen auf-gekommen, die allesamt nicht überzeugend beant-wortet wurden und auf Grundlage der vorhandenenRegelungen auch nicht überzeugend zu beantwortensind. Dies beginnt mit der Frage nach dem Verhältnisvon § 20 BORA zu anderen Vorschriften zur Kleidungbei Gericht. Hier reicht das Spektrum von „§ 20BORA verdrängt alle landesgesetzlichen Regelun-gen“ (Pielke, NJW 2007, 3251f.) bis „selbst einschlä-giges vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht bleibtneben § 20 BORA anwendbar“ (Zuck, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl.2014, § 20 BORA Rn. 3 f.). Das BVerfG (BRAK-Mitt.2012, 222) zeigt sich betreffend dieser Frage uninte-ressiert. In einem – immerhin begründeten – Nicht-annahmebeschluss führt es aus, die Anwendung ei-ner Bekleidungsvorschrift neben § 20 BORA könnezwar ein rechtswidriger Eingriff in die Berufsaus-übungsfreiheit sein, der möglichen Grundrechtsver-letzung komme jedenfalls kein besonderes Gewichtzu (getreu dem Motto: „Soll er sich doch einfach dieKrawatte anlegen …“), so dass eine Annahme derVerfassungsbeschwerde nach § 93a II BVerfGG nichtangezeigt sei.Weiter geht es mit der Frage, was eigentlich eineRobe i.S.v. § 20 BORA ist und wie sie aussehen mussbzw. ob sie ihre Eigenschaft als Robe verliert, wennsie bestimmte (Mindest-)Merkmale nicht aufweist.Schwarz. Ja, schwarz soll sie wohl sein, da ist mansich noch weitgehend einig. Schwarz und frei vonWerbung. Frei von Werbung? Tatsächlich: In mehre-ren einschlägigen Kommentierungen findet sich dieserHinweis. Begründung? Fehlanzeige! So konnte der An-waltssenat zwar in Rn. 15 auf immerhin drei Literatur-fundstellen verweisen, in keiner davon findet sich je-doch eine Begründung für ein derartiges Postulat.Der Anwaltssenat bringt hier schwere Geschütze inStellung und attestiert der Anwaltsrobe einen „zumin-dest mittelbaren Nutzen für die Rechts- und Wahr-heitsfindung“.Ob man dem Unbehagen, welches sich bei der Vor-stellung mit Werbung zugepflasterter Anwaltsrobenunweigerlich einstellt, nicht auch mit milderen Mit-teln hätte begegnen können, sei einmal dahin-gestellt. Vorliegend ging es letztlich nur um eine Ro-be, die auf der Rückseite mit einem Namen und einer

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

41

Internet-Adresse bestickt war und die – für sich ge-nommen – gewiss nicht eine unmittelbare Gefahrfür die Rechts- und Wahrheitsfindung dargestellt hät-te. Eine solche Gefahr kann jedoch der Träger einerRobe – mit oder ohne Werbung – sein. Insofern wirdsich auch der Kläger der Kritik stellen müssen. Dembelehrenden Hinweis der beklagten Rechtsanwalts-kammer war nämlich ein sechsseitiges Schreibendes Klägers vorausgegangen, in dem die Idee be-stickter Anwaltsroben in epischer Breite vorgestelltwurde. In diesem Zusammenhang hat der Klägernicht nur Begriffe wie „Litigation-PR“ und „Saftschub-sen“ (für Stewardessen, auch sie tragen bestickte Be-rufskleidung) verwendet, sondern auch Parallelen zuFußball-Trikots als Werbeträger aufgezeigt und vonpersönlichen Erfahrungen mit einem Klempner (manahnt es: jener erschien in bedrucktem „Blaumann“)berichtet. Schließlich endete das Schreiben mit der An-regung, in der Geschäftsverteilung der Kammer dasRotationsprinzip einzuführen, damit sich nicht immerein und derselbe Geschäftsführer mit den – offensicht-lich sehr zahlreichen – Anfragen des Klägers befassenmuss. Man möchte dem Kläger nicht zu nahe treten,aber er macht es einem angesichts dieser Umständenicht leicht, sich seinen persönlichen Beitrag zurRechts- und Wahrheitsfindung vorzustellen.Neben einem Verstoß gegen § 20 BORA will der An-waltssenat einen Verstoß gegen das Sachlichkeits-gebot des § 43b BRAO, § 6 I BORA erkennen. Aufeine noch recht umfangreiche verfassungsrecht-liche Absicherung dieses berufsrechtlichen Verbots(Rn. 26) folgt der – schon deutlich knappere – Hin-weis darauf, dass bei der Beurteilung der Werbungeine Gesamtschau angestellt werden müsse, die In-halt, Ort und Medium der Werbung einbezieht(Rn. 27). Eine solche „Gesamtschau“ nimmt der Se-nat dann aber nicht vor. Es folgt lediglich die Aus-

sage, dass die im Gerichtssaal getragene Robe „keinzulässiges Mittel anwaltlicher Werbung“ sei (Rn. 28).Es ist zwar gewiss zutreffend, dass jede Werbung– ebenso wie auch jede andere Äußerung – stets inihrem jeweiligen Kontext zu betrachten ist und in Ab-hängigkeit von diesem auch einen Bedeutungswan-del inhaltlicher Art erfahren kann. Ob ein an und fürsich sachlicher Hinweis auf eine – aus einem Namengebildete – Internet-Adresse jedoch allein dadurchunsachlich wird, dass er auf einer Anwaltsrobe an-gebracht wird, muss in Frage gestellt werden. DieGefahr für die Rechtspflege dürfte hier vielmehr wie-derum von dem Träger der Robe ausgehen, der sich– beflügelt von der Identifizierbarkeit der eigenenPerson – bei seinem Auftreten vor Gericht von verfah-rensfremden Erwägungen beeinflussen lassen kann.In diese Richtung deutet wiederum der Umstand,dass der Kläger des Verfahrens in seinem Schreibenan die beklagte Rechtsanwaltskammer nicht nur diehäufig im Gerichtssaal anwesenden Kollegen und po-tentiellen Mandanten erwähnt, sondern auch etwaiganwesende Journalisten, denen die Anwälte einerKanzlei mit „einheitlichem Back-Cover als CorporateIdentity“ gegenübertreten könnten. Der Träger derRobe agiert im Gerichtssaal weder für zufälligerweiseanwesende Kollegen oder potentielle Mandantennoch für Journalisten, sondern nimmt seine Funktionals Organ der Rechtspflege wahr, und zwar im un-mittelbaren Interesse seines (aktuellen) Mandantenund damit auch im mittelbaren Interesse der All-gemeinheit. Sich dessen zu entsinnen mag dem Trä-ger einer mit Werbung bestickten Robe schwererfallen als dem Träger einer herkömmlichen Robeoder auch dem Anwalt, der – etwa vor dem Amts-gericht – ganz ohne Robe auftritt.

Rechtsanwalt und Notar Dr. Mirko Möller, LL.M.,Dortmund

FACHANWALTSCHAFTEN

IRREFÜHRUNG MIT DER BEZEICHNUNG„SPEZIALIST FÜR ERBRECHT“

BORA § 7; FAO § 14f

* Wer den Titel „Fachanwalt für Erbrecht“ führt undsich zugleich als „Spezialist für Erbrecht“ bezeich-net, verwendet diese Begriffe nicht synonym, son-dern bringt zum Ausdruck, dass seine Kenntnisseund praktischen Erfahrungen diejenigen eines „Nur-Fachanwalts“ nicht nur unerheblich überschreiten.BGH, Urt. v. 5.12.2016 – AnwZ (Brfg) 31/14

AUS DEM TATBESTAND:[1] Der Kl. ist Rechtsanwalt und im Bezirk der Bekl. zurRechtsanwaltschaft zugelassen. Seit 2005 darf er die Be-

zeichnung „Fachanwalt für Erbrecht“ führen. Er ist au-ßerdem Fachanwalt für Steuerrecht. Auf seinem Brief-kopf bezeichnet er sich als „Notar Rechtsanwalt Spezia-list für Erbrecht und Erbschaftsteuer Fachanwalt fürErbrecht Fachanwalt für Steuerrecht zert. Testaments-vollstrecker (DEV) Fachanwalt für Arbeitsrecht“. In einemso bezeichneten und mit einer Rechtsmittelbelehrungversehenen „Belehrungsbescheid“ v. 15.8.2012 wies dieBekl. den Kl. darauf hin, dass die Bezeichnung „Spezia-list für Erbrecht“ unzulässig sei. Aufgrund der Weite derTätigkeitsfelder, für die Fachanwaltschaften eingerichtetseien, sei ein Spezialistentum auf dem gesamten Gebieteiner Fachanwaltschaft in der Regel nicht möglich unddaher irreführend (§ 7 II BORA). Die Bezeichnung „Spe-zialist für Erbschaftsteuer“ sei dagegen zulässig, weilder Kl. dargelegt, dass er insoweit über zusätzliche theo-retische Kenntnisse verfüge und auf diesem Gebiet in er-heblichem Umfang tätig gewesen sei.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

42

[2] Der Kl. hält die Bezeichnung „Spezialist für Erb-recht“ nicht für irreführend. In seinen etwa 33 Berufsjah-ren sei er fast ausschließlich auf dem Gebiet des Erb-rechts tätig gewesen. Im Verfahren zur Erlangung derFachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Erbrecht“habe er eine Fallliste mit mehr als 600 einschlägigenFällen aus den drei Jahren vor Antragstellung vorgelegt.Er sei Mitglied der Deutschen Vereinigung für Erbrechtund Vermögensnachfolge, der Deutschen Gesellschaftfür Erbrechtskunde, des Deutschen Forums für Erbrechtund Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht undVorsorge e.V. sowie der Arbeitsgemeinschaft für Erb-recht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus habeer zahlreiche erbrechtliche Fortbildungs- und Qualifizie-rungsveranstaltungen besucht, an allen Deutschen Erb-rechtstagen teilgenommen, eine Vielzahl von populär-wissenschaftlichen Aufsätzen zum Thema Erbrecht, Ver-mögensnachfolge und Erbschaftsteuer verfasst undmehr als einhundert Vorträge vor Laienpublikum gehal-ten. Als Rechtsanwalt sei er ganz überwiegend, als No-tar in beträchtlichem Umfang auf dem Gebiet des Erb-rechts tätig. So habe er im Jahr 2010 als Anwalt 60neue erbrechtliche Mandate übernommen, dazu 233neue notarielle Angelegenheiten mit erbrechtlichemSchwerpunkt. Im Jahr 2011 habe er als Anwalt 55neue rein erbrechtliche Mandate übernommen sowie333 neue notarielle Angelegenheiten mit erbrechtlichemSchwerpunkt. Im Jahr 2012 habe er als Anwalt 53 neueerbrechtliche Mandate bearbeitet, dazu 359 notarielleAngelegenheiten mit erbrechtlichem Schwerpunkt.Der Kl. hat beantragt, den Belehrungsbescheid derBekl. v. 15.8.2012 aufzuheben.Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hatihren Bescheid verteidigt.[3] Der AGH hat die Klage abgewiesen, weil der Kl.nicht über die herausragenden Kenntnisse und Erfah-rungen eines „Spezialisten“ auf dem Gebiet des Erb-rechts verfüge.[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zu-gelassene Berufung des Kl. Der Kl. wiederholt und ver-tieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist er-gänzend auf das nach der Entscheidung des AGH er-gangene Urteil des I. Zivilsenats des BGH v. 24.7.2014 (I ZR 53/13, NJW 2015, 704). Er beantragt, dasUrteil des AGH Nordrhein-Westfalen v. 7.3.2014 – 2AGH 20/12, und den Belehrungsbescheid der RAK H.v. 15.8.2012 aufzuheben.Die Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sieverteidigt das angefochtene Urteil. (…)

AUS DEN GRÜNDEN:[6] Die kraft Zulassung durch den Senat statthafte(vgl. § 112e S. 2 BRAO, § 124 I VwGO) und auch imÜbrigen zulässige (§ 112e S. 2 BRAO, § 124a VIVwGO) Berufung bleibt ohne Erfolg.[7] 1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft(§ 112a I, § 112c I 1 BRAO, § 42 VwGO). Nach § 73II Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der RAK, dieKammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu be-

raten und zu belehren. Gem. § 73 II Nr. 4 BRAO hat erdie Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegendenPflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zuhandhaben. Stellt der Vorstand einer RAK in Wahrneh-mung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwaltberufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf dieRechtsauffassung der Kammer hinweisen und überden Inhalt seiner Berufspflichten belehren. Erteilt derVorstand der RAK einem Kammermitglied eine derarti-ge missbilligende Belehrung, so stellt diese eine hoheit-liche Maßnahme dar, die das betroffene Mitglied inseinen Rechten beeinträchtigen kann. Als solche istsie anfechtbar (BGH, Urt. v. 18.7.2016 – AnwZ (Brfg)22/15 Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7).[8] 2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kl. hatgegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen, indem ersich die Bezeichnung „Spezialist für Erbrecht“ beige-legt hat.[9] a) Die Bekl. hat ihren Belehrungsbescheid auf § 7 IIBORA gestützt. Diese Vorschrift nimmt auf § 7 I BORABezug. Nach § 7 I BORA darf – unabhängig von Fach-anwaltsbezeichnungen – derjenige Rechtsanwalt Teil-bereiche der Berufstätigkeit benennen, der seinen An-gaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann,die in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffent-lichungen oder in sonstiger Weise erworben wurden.Wer qualifizierende Zusätze verwendet, muss zusätz-lich über entsprechende theoretische Kenntnisse ver-fügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichemUmfang tätig gewesen sein. Die Vorschrift des § 7 IIBORA verbietet Benennungen, die nach § 7 I BORA zu-lässig sein könnten, die aber die Gefahr einer Ver-wechslung mit Fachanwaltschaften begründen odersonst irreführend sind. Sie entspricht den unionsrecht-lichen Vorgaben in Art. 24 der Richtlinie 2006/123/EG v. 12.12.2006 (BGH, NJW 2015, 704 Rn. 11 f.)und steht mit der in Art. 12 I GG garantierten Berufs-ausübungsfreiheit in Einklang (BGH, NJW 2015, 704Rn. 13).[10] b) Die tatsächlichen Voraussetzungen einer Qua-lifikation, welche einem Rechtsanwalt erlauben würde,neben den Bezeichnungen „Spezialist für Erbschaft-steuer“ und „Fachanwalt für Erbrecht“ noch diejenigeeines „Spezialisten für Erbrecht“ zu führen, hat der Kl.auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend darge-legt.[11] aa) Das Erbrecht ist ein Spezialgebiet, auf wel-ches ein Rechtsanwalt grundsätzlich hinweisen darf.Die Vorschrift des § 7 I 1 BORA in der seit dem 1.3.2006 geltenden Fassung stellt es dem Rechtsanwaltfrei, auf Teilbereiche seiner Berufstätigkeit und auf dieden entsprechenden Angaben zu Grunde liegendeQualifizierung – etwa Lehrgänge, Aufbaustudiengän-ge, langjährige Fachpraxis – hinzuweisen. Dadurchsoll dem Verbraucher das Auffinden eines geeignetenRechtsanwalts und damit der Zugang zum Recht er-leichtert werden (vgl. die Begründung für die Änderun-gen der §§ 7, 6 II und III BORA, BRAK-Mitt. 2006, 212zu § 7 BORA). Eine zahlenmäßige oder terminologi-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

43

FACHANWALTSCHAFTEN

sche Beschränkung ist seit dem Inkrafttreten der Vor-schrift am 1.3.2006 nicht mehr vorgesehen. Durchden Verzicht auf terminologische Vorgaben sowieeine zahlenmäßige Beschränkung soll ein größtmögli-cher Freiraum für die Gestaltung der Werbung des An-walts ermöglicht werden (BRAK-Mitt. 2006, 212 zu § 7BORA).

QualifizierenderZusatz

[12] bb) Die Bezeichnung „Spezialist“ ist ein qualifizie-render Zusatz gem. § 7 I 2BORA. Als „Spezialist“ wirdim allgemeinen Sprach-gebrauch jemand bezeich-

net, der auf einem bestimmten (Fach-) Gebiet über be-sondere Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Ein „Spezia-list für Erbrecht“ ist danach jemand, der besondereKenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet des Erb-rechts aufweist. Wer qualifizierende Zusätze wie etwa„Spezialist“ oder „Experte“ verwendet, muss nach Vor-stellung der Satzungsversammlung über Kenntnisse ver-fügen, die das Führen der betreffenden Bezeichnungrechtfertigen. Die Art des Erwerbs solcher Kenntnissewird nicht vorgegeben. Die Kenntnisse müssen abernachweisbar vorhanden sein. Der Anwalt muss zudemauf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tä-tig gewesen sein (BRAK-Mitt. 2006, 212 zu § 7 I BORA).Auf terminologische Vorgaben hat die Satzungsver-sammlung bewusst verzichtet. Den geforderten „erhebli-chen Umfang“ der praktischen Erfahrung hat sie eben-falls nicht näher bestimmt. Entscheidend soll sein, dassdie in der Werbung herausgestellten Angaben des An-walts zutreffen. Je intensiver der Anwalt Teilbereiche sei-ner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundier-ter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrun-gen sein (BRAK-Mitt. 2006, 212 zu § 7 I BORA).[13] cc) Unter welchen Voraussetzungen sich einRechtsanwalt als „Spezialist“ für ein bestimmtesRechtsgebiet bezeichnen darf, wird in der bisherigenRechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt.Weil § 7 II BORA Bezeichnungen verbietet, welche dieGefahr einer Verwechselung mit Fachanwaltschaftenbegründen, werden vielfach besonders hohe, vom all-gemeinen Sprachgebrauch abweichende Anforderun-gen an den Begriff des „Spezialisten“ gestellt, um einersolchen Verwechselung vorzubeugen (vgl. etwa Feu-erich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Aufl., § 7 BORARn. 28). Ein „Spezialist“ sei nur ein Anwalt, welcher be-vorzugt, wenn nicht sogar ausschließlich einen engenBereich aus dem weiten Feld der Rechtsberatung be-arbeite. In diesem eng beschränkten Bereich verfügeer über besondere Kenntnisse und Erfahrungen sowohlrechtstheoretischer als auch praktischer Art. Er kennedie Feinheiten und Besonderheiten des materiellenRechts und wisse, wie dieses prozessual durchgesetztwerden könne. Dieser Ansicht hat sich der Anwalts-gerichtshof angeschlossen. Teilweise wird sogar vertre-ten, dass es „Spezialisten“ auf einem Rechtsgebiet, fürdas eine Fachanwaltsbezeichnung besteht, nicht ge-ben kann (so etwa Huff, in Gaier/Wolf/Göcken, An-waltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 7 BORA/§ 43bBRAO Rn. 30; ders., WRP 2015, 343). In eine ähnliche

Richtung deutet die Forderung, der sich als „Spezialist“auf einem Gebiet, für welches es eine Fachanwalts-bezeichnung gebe, bezeichnende Anwalt müsse dievertieften Kenntnisse und Erfahrungen eines Spezialis-ten, die diejenigen eines Fachanwalts überragen, aufallen Teilbereichen des Rechtsgebiets nachweisen(OLG Nürnberg, NJW 2007, 1984, 1985f.).

[14] Demgegenüber hat der I. Zivilsenat des BGH in ei-nem Urteil v. 24.7.2014 (NJW 2015, 704) entschieden,dass einem Rechtsanwalt die Führung der Bezeich-nung „Spezialist“ für ein Rechtsgebiet, für welcheseine Fachanwaltschaft besteht, dann nicht untersagtwerden kann, wenn er über Fähigkeiten verfügt, diedenjenigen eines Fachanwalts entsprechen. Der Ent-scheidung liegt eine vom damaligen Berufungsgerichtgetroffene und revisionsrechtlich gebilligte Feststellungdahingehend zugrunde, dass ein durchschnittlich infor-mierter, aufmerksamer und verständiger Rechtsuchen-der die nach Art eines Titels verwendeten Begriffe„Spezialist“ und „Fachanwalt“ als Synonyme versteht(BGH, NJW 2015, 704 Rn. 14 ff.). In der Begründungheißt es weiter, die Rechtsuchenden wüssten regel-mäßig nicht, unter welchen Voraussetzungen eineFachanwaltsbezeichnung verliehen werde. Sie könntendeshalb nicht zwischen einem „Fachanwalt“ und einem„Spezialisten“ unterscheiden. Dann aber könne von ei-nem selbst ernannten „Spezialisten“ nicht mehr alsdie Expertise eines Fachanwalts verlangt werden, derseine besonderen theoretischen Kenntnisse und beson-deren praktischen Erfahrungen nach Maßgabe derFachanwaltsordnung der zuständigen RAK nachgewie-sen habe. Wer sich als „Spezialist“ bezeichne und da-bei über die gleichen Kenntnisse und Erfahrungen wieein Fachanwalt verfüge, wecke damit keine unrichtigenErwartungen. Dieses Urteil hat Zustimmung (Kleine-Co-sack, BRAO, 7. Aufl., Vor § 43b Rn. 37), aber auch Kri-tik erfahren (Remmertz, NJW 2015, 707; Kleinemenke,GRUR-Prax 2015, 68; Huff, WRP 2015, 343; Omsels,jurisPR-WettbR 2/2015 Anm. 3). Der Kl. versteht diesesUrteil dahingehend, dass er sich schon deshalb, weil erFachanwalt für Erbrecht sei, auch als „Spezialist“ fürErbrecht bezeichnen dürfe.

[15] dd) Einer näheren Auseinandersetzung mit demgenannten Urteil des I. Zivilsenats des BGH v. 24.7.2014 und der hieran geübten Kritik bedarf es nicht.Der vorliegende Fall liegt deshalb besonders, weil derKl. sich nicht nur als „Spezialist für Erbrecht“ bezeich-net, sondern zusätzlich den Titel „Fachanwalt für Erb-recht“ führt. Die Bezeichnung „Spezialist“ kann unterdiesen Umständen nicht nur bedeuten, dass der Kl.Kenntnisse und praktische Erfahrungen aufweist, diedenjenigen eines Fachanwalts entsprechen. Ein solcherHinweis wäre überflüssig.

Mehr als ein„Nur-Fachanwalt“

Wer den Titel „Fachanwalt für Erbrecht“ führt und sichzusätzlich als „Spezialistfür Erbrecht“ bezeichnet,verwendet die genanntenBegriffe nicht synonym,

sondern bringt zum Ausdruck, dass seine Kenntnisseund praktischen Erfahrungen diejenigen eines „Nur-

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

44

FACHANWALTSCHAFTEN

Fachanwalts“ nicht nur unerheblich überschreiten. Hin-zu kommt, dass der Kläger sich außerdem als „Spezia-list für Erbschaftsteuer“ bezeichnet. Der Ausdruck „Spe-zialist für Erbrecht und Erbschaftsteuer“ unterscheidet,was die Tiefe der Kenntnisse und den Umfang der prak-tischen Erfahrungen angeht, nicht zwischen dem Ober-begriff des Erbrechts und dem Teilgebiet des Erbschaft-steuerrechts. Der Kl. berühmt sich besonderer, die-jenigen eines Fachanwalts nicht nur unerheblich über-steigender Kenntnisse und Erfahrungen auf dem ge-samten Gebiet des Erbrechts, wobei das Erbschaftsteu-errecht nur beispielshaft herausgestellt wird.[16] ee) Kenntnisse und Erfahrungen auf dem gesam-ten Gebiet des Erbrechts, welche diejenigen einesFachanwalts nicht nur unerheblich übersteigen, hatder Kl. nicht dargelegt.[17] (1) Es kommt auf die Kenntnisse, Fähigkeiten undErfahrungen des Kl. im Zeitpunkt des Belehrungs-bescheides vom 15.8.2012 an. Qualifizierende Zusätzedarf ein Rechtsanwalt nur dann verwenden, wenn ernicht nur in der Vergangenheit – etwa im Zeitpunktder Verleihung der Befugnis, eine Fachanwaltsbezeich-nung zu führen – über besondere Kenntnisse und Fä-higkeiten verfügte und in erheblichem Umfang tätigwar, sondern auch im Zeitpunkt der Verwendung (vgl.Kilian, WuB 2015, 687 [690]). Das folgt hinreichenddeutlich aus dem Wortlaut des § 7 I 1 und 2 BORAund entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch.[18] (2) Der Kl. darf seit 2005 die Bezeichnung „Fach-anwalt für Erbrecht“ führen. Da die ihm erteilte Erlaub-nis nicht widerrufen worden ist, hat er die in § 15 FAOvorgeschriebenen Fortbildungen Jahr für Jahr nach-gewiesen, sich also seither theoretisch fortgebildet(vgl. § 43c IV 2 BRAO). Der Kl. war und ist zudem in er-heblichem Umfang auf dem Gebiet des Erbrechts tä-tig. Die mitgeteilten Fallzahlen in den Jahren 2010 bis2012 im Bereich der anwaltlichen Tätigkeit liegen überden 80 Fällen, welche § 5 I lit. m FAO für den Erwerbder Fachanwaltsbezeichnung vorsieht. Insoweit über-trifft der Kl. durchaus die Anforderungen, die an einenFachanwalt gestellt werden. Der Fachanwalt brauchtnämlich keinerlei praktische Tätigkeit mehr nachzuwei-sen, wenn er einmal die Berechtigung erlangt hat, denFachanwaltstitel zu führen (vgl. hierzu BVerfG, NJW2015, 394 Rn. 21). Hinzu kommt die umfangreicheNotartätigkeit des Kl. auf dem Gebiet des Erbrechts.Aus dem Vortrag des Kl. folgt schließlich eine erbrecht-liche „Spezialisierung“ in dem Sinne, dass der Kl. immaßgeblichen Zeitraum mehr erbrechtliche Fälle alsFälle aus anderen Rechtsgebieten bearbeitet hat.[19] (3) Der Kl. hat jedoch nicht dargelegt, dass seineFälle allen oder jedenfalls mehreren der in § 14f FAO(in der hier maßgeblichen Fassung v. 1.7.2011, die biszum 1.12.2012 in Kraft war) genannten Bereiche ent-stammten.[20] Ein Fachanwalt für das Erbrecht musste im Jahre2012 besondere Kenntnisse nachweisen in den Berei-chen des materiellen Erbrechts unter Einschluss erb-rechtlicher Bezüge zum Schuld-, Familien-, Gesell-schafts-, Stiftungs- und Sozialrecht, im Bereich des In-ternationalen Privatrechts im Erbrecht, im Bereich der

vorweggenommenen Erbfolge sowie der Vertrags- undTestamentsgestaltung, im Bereich der Testamentsvoll-streckung, Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenzund Nachlasspflegschaft, im Bereich der steuerlichenBezüge zum Erbrecht sowie im Bereich der Besonder-heiten der Verfahrens- und Prozessführung. An prakti-scher Erfahrung verlangte § 5 I lit. m FAO i.d.F. v. 1.7.2011 insgesamt 80 Fälle aus dem Erbrecht, davonmindestens 20 rechtsförmliche Verfahren, davonhöchstens zehn Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar-keit. Die Fälle mussten sich auf alle in § 14f Nr. 1–5FAO bestimmten Bereiche beziehen, dabei aus drei Be-reichen mindestens jeweils fünf Fälle. Der Senat istnicht der Ansicht, dass diese Vorschrift im Rahmendes § 7 BORA entsprechend anzuwenden ist.

Abdeckung aller Teil-bereiche erforderlich

Er entnimmt ihr jedoch den Rechtsgedanken, dass dieKenntnisse und prakti-schen Erfahrungen einesFachanwaltes alle Teil-bereiche des § 14f Nr. 1–5

FAO abdecken müssen. Für einen Anwalt, der sich zu-sätzlich als „Spezialist“ für Erbrecht bezeichnen will,kann nichts anderes gelten. Seine vertieften, diejenigeneines Fachanwalts nicht nur unerheblich übersteigen-den Kenntnisse und Erfahrungen müssen sich auf alleTeilgebiete des Erbrechts beziehen. Ist dies nicht derFall, darf der Anwalt nur das Teilgebiet benennen, aufwelches sich seine Kenntnisse und praktischen Erfahrun-gen beziehen.[21] Dazu, aus welchen Teilbereichen die von ihm inden Jahren 2010 bis 2012 bearbeiteten erbrechtlichenFälle stammten, hat der Kl. auch im Berufungsverfahrenkeine Angaben gemacht. Er hat – zuletzt in der mündli-chen Verhandlung vor dem Senat – die Ansicht vertre-ten, es sei Sache der Bekl. Kammer, ihm nachzuweisen,dass seine Angaben unrichtig seien. Dies trifft nicht zu.Ein Rechtsanwalt, der Benennungen nach § 7 I 1 BORAführt, muss die seinen Angaben entsprechenden Kennt-nisse nachweisen. Das folgt (hinreichend deutlich) ausdem Wortlaut der Norm. Nichts anderes gilt hinsicht-lich der qualifizierenden Zusätze gem. § 7 I 2 BORA,der an § 7 I 1 BORA anschließt und auf diese VorschriftBezug nimmt. Im Übrigen ist der Anwalt schon im Ver-waltungsverfahren vor der Kammer nach § 32 BRAO,§ 26 II VwVfG gehalten, bei der Ermittlung des Sachver-halts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tat-sachen und Beweismittel anzugeben. Im anwaltsgericht-lichen Verfahren und im Verfahren vor dem Anwalts-senat setzt sich diese Mitwirkungslast fort (BGH,Beschl. v. 6.2.2012 – AnwZ (Brfg) 42/11 Rn. 20). DerKl. hat nur Fallzahlen mitgeteilt. Es kann nicht aus-geschlossen werden, dass er nicht auf allen Teilgebietendes Erbrechts gearbeitet hat. Die Fälle könnten sogarganz oder überwiegend aus nur einem einzigen Teil-gebiet – etwa demjenigen der Erbschaftsteuer – stam-men, wenn dies auch nicht wahrscheinlich ist. Dannaber gäbe es gar keine Grundlage für die Bezeichnung„Spezialist für Erbrecht“ neben derjenigen etwa eines„Spezialisten für Erbschaftsteuer“.[22] (4) Nachdem der Kl. schon nicht die erforderlicheBreite seiner erbrechtlichen Kenntnisse und Erfahrun-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

45

gen auf dem Gebiet des Erbrechts dargetan hat,kommt es auf die Frage, wie vertieft seine Kenntnisseund Erfahrungen sind und hätten sein müssen, umsich als Fachanwalt und als Spezialist bezeichnen zudürfen, nicht an. Vorträge vor Laienpublikum und po-pulärwissenschaftliche Veröffentlichungen dürften in-soweit aber nicht ausreichen.

HINWEISE DER REDAKTION:Siehe hierzu die Besprechung von Offermann-Burck-art, BRAK-Mitt. 2017, 10 (in diesem Heft) sowie die– konträre – Einordnung in die Fachanwalts-Recht-sprechung des BGH von Quaas, BRAK-Mitt. 2017,2 (in diesem Heft).

VERGÜTUNG

KEINE KARTELLRECHTSWIDRIGKEIT DERSPANISCHEN RECHTSANWALTSGEBÜHREN-ORDNUNG

EUV Art. 4; AEUV Art. 4, 56, 101, 267

1. Art. 101 AEUV i.V.m. Art. 4 III EUV ist dahin aus-zulegen, dass er einer nationalen Regelung wie derder Ausgangsverfahren nicht entgegensteht, die fürdie Honorare der Prozessbevollmächtigten eine Ge-bühr festsetzt, die höchstens um 12 % über- oderunterschritten werden darf, und bezüglich derensich die nationalen Gerichte darauf beschränken,ihre strikte Anwendung zu überprüfen, ohne dasssie in der Lage wären, unter außergewöhnlichenUmständen von den durch diese Gebührenordnungfestgelegten Grenzen abzuweichen.2. (…)EuGH, Urt. v. 8.12.2016 – C 532/15 und C 538/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

KEINE BEIORDNUNG EINES ZWEITENANWALTS FÜR RECHTSBESCHWERDE

ZPO §§ 121 I, 78 I 4

Eine Beiordnung des in zweiter Instanz für dieSchuldnerin aufgetretenen Rechtsanwalts kommtfür das Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßigauch dann nicht in Betracht, wenn er den Antragauf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Ver-fahren der Rechtsbeschwerde begründet hat.

BGH, Beschl. v. 17.11.2016 – IX ZA 23/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

ZULASSUNG

WIDERRUF DER ZULASSUNG WEGENUNWÜRDIGKEIT

BRAO § 7 Nr. 5

* 1. Ein Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft kann wegen Unwürdigkeit abgelehnt wer-den, wenn der Antragsteller als Referendar wegender Straftat der Beleidigung des ihn ausbildendenStaatsanwalts zu einer Geldstrafe von 60 Tagessät-zen verurteilt worden ist und seine Grundeinstel-lung zudem durch eine weitere beleidigende E-Mailan eine Oberstaatsanwältin belegt wird.* 2. Dass § 7 Nr. 5 BRAO verfassungsrechtlich un-bedenklich ist, hat das BVerfG bereits mehrfachentschieden.BGH, Beschl. v. 27.6.2016 – AnwZ (Brfg) 10/16

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Die 1982 geborene Kl. bestand am 18.6.2012die 2. juristische Staatsprüfung. Unter dem 31.7.2014

stellte sie bei der Bekl. den Antrag auf Zulassung zurRechtsanwaltschaft. Die Bekl. hat den Antrag mit Be-scheid v. 15.5.2015 wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5BRAO) abgelehnt. Die Klage gegen diesen Bescheidist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt die Kl. dieZulassung der Berufung.

[2] II. Der Antrag der Kl. ist nach § 112e S. 2 BRAO,§ 124a IV VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Er-folg. Die von der Kl. geltend gemachten Zulassungs-gründe (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1, Nr. 3VwGO) liegen nicht vor.

[3] 1. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel ander Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e S. 2BRAO, § 124 II Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein ein-zelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tat-sachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Fra-ge gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschl. v. 28.3.2013 –AnwZ [Brfg] 40/12, BRAK-Mitt. 2013, 197 Rn. 4m.w.N.). Entsprechende Zweifel vermag die Kl. mit ih-rer Antragsbegründung nicht darzulegen.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

46

[4] Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechts-anwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber ei-nes Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdigerscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts aus-zuüben. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn derBewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwä-gung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umständewie Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung nach sei-ner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nichttragbar erscheinen lässt. Alle für und gegen den jewei-ligen Bewerber sprechenden Umstände sind einzelfall-bezogen zu gewichten, wobei im Hinblick auf die mitder Versagung der Zulassung verbundene Einschrän-kung der Berufswahlfreiheit der Grundsatz der Verhält-nismäßigkeit beachtet werden muss (vgl. nur Senats-beschl. v. 10.5.2010 – AnwZ [B] 117/09 Rn. 4, 6 ff. undv. 12.7.2010 – AnwZ [B] 116/09 Rn. 7 ff.; Urt. v. 10.10.2011 – AnwZ [Brfg] 10/10, HFR 2012, 447 f. undBeschl. v. 28.3.2013, BRAK-Mitt. 2013, 197 Rn. 5 f.).

Gravierende Straftat

[5] Von diesem Maßstab ist der AGH zutreffend aus-gegangen. Der AGH hatinsoweit die von der Kl.am 21.2.2011 begangene

Straftat der Beleidung des sie als Referendarin ausbil-denden Staatsanwalts als gravierend, wenn auch nichtdem Kernbereich der beruflichen Tätigkeit einesRechtsanwalts zugehörig eingestuft. Ihre Grundeinstel-lung werde zudem belegt durch eine weitere beleidi-gende E-Mail an eine Oberstaatsanwältin. Ihre dazuin der Hauptverhandlung gegebene Erklärung, siehabe sich schlicht ungerecht behandelt gefühlt, zeigeihre fehlende Einsicht. Rechtsfehler bei dieser Bewer-tung zeigt die Antragstellerin nicht auf. Dass Unein-sichtigkeit einer günstigen Prognose entgegensteht,hat der Senat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl.Beschl. v. 21.7.2008 – AnwZ [B] 12/08, NJW 2008,3569 und v. 15.6.2009 – AnwZ [B] 59/08 Rn. 11).[6] 2. Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeu-tung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO) ist ge-geben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserheb-liche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechts-frage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahlvon Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Inte-resse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwick-

lung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nurSenatsbeschl. v. 17.11.2014 – AnwZ [Brfg] 84/13Rn. 16). Zur schlüssigen Darlegung gehören Ausfüh-rungen zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähig-keit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeu-tung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ih-rer Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründetwerden muss auch, warum ein korrigierendes Eingrei-fen des Berufungsgerichts erforderlich ist.[7] Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vor-trag nicht. Dass § 7 Nr. 5 BRAO verfassungsrechtlichunbedenklich ist, hat das BVerfG, wie die Antragstel-lerin selbst vorträgt, bereits mehrfach entschieden (vgl.BVerfGE 63, 266, 286 ff.; Beschl. v. 21.9.2000 – 1 BvR514/97 Rn. 17). Ob ein bestimmtes Verhalten und/oder eine einmalige Verurteilung zu einer Geldstrafe un-ter 90 Tagessätzen die Zulassung zur Anwaltschaft hin-dern kann, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls.

HINWEISE DER REDAKTION:Gegen diesen Beschluss des BGH ist inzwischen Ver-fassungsbeschwerde (1 BvR 1822/16) eingelegt wor-den. Im Zusammenhang mit diesem Fall soll dasBVerfG u.a. folgenden Fragestellungen nachgehen:Was sind die maßgeblichen Gesichtspunkte bei derAuslegung des Versagungsgrundes der Unwürdigkeitin § 7 Nr. 5 BRAO? Welche konkreten Anforderungensind in Bezug auf strafrechtliche Verurteilungen zustellen? Ist eine Differenzierung zwischen Fällen derErstzulassung, Entziehung und Wiedererteilung einerbereits rechtskräftig entzogenen Zulassung geboten?Was ist unter einem „Wohlverhalten“ zu verstehen,das geeignet ist, den Makel der Unwürdigkeit durchZeitablauf zu beseitigen? Wie lange sollte eine„Wohlverhaltensphase“ bemessen sein? Sollte dabeinach einfachen oder gravierenden Straftaten, began-gen im Rahmen oder außerhalb der Dienstverpflich-tung, differenziert werden? Welche Anforderungensind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßig-keit an die Versagung einer Erstzulassung zur Rechts-anwaltschaft zu stellen? Wie wirkt sich in diesem Zu-sammenhang die Verbüßung einer rechtskräftig ver-hängten Strafe aus? Hierzu hat die BRAK ausführlichStellung genommen (Stn. 1/2017).

SYNDIKUSANWÄLTE

ÄNDERUNG DES ARBEITSVERTRAGS DURCHAKTUELLE TÄTIGKEITSBESCHREIBUNG

BRAO § 46 III, IV

* 1. Ist eine aktuelle Tätigkeitsbeschreibung Inhaltdes Arbeitsvertrags zwischen einem Unterneh-mensjuristen und seinem Arbeitgeber geworden,ist die ursprüngliche Weisungsgebundenheit dieses

Unternehmensjuristen im Verhältnis zu seinem Ar-beitgeber wirksam abgedungen worden.

* 2. Für die wirksame Änderung des Arbeitsvertra-ges durch eine Tätigkeitsbeschreibung reicht esaus, dass ein Unternehmensjurist und sein Arbeit-geber Einigkeit darüber erzielt haben, dass der Un-ternehmensjurist in rechtlicher Hinsicht ab sofortfachlich unabhängig tätig werden soll.

AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.11.2016 – 1 AGH 19/16 (n.r.)

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

47

SYNDIKUSANWÄLTE

AUS DEN GRÜNDEN:I. Der am … 1977 geborene Beigeladene ist seit dem1.7.2008 im Bezirk der Bekl. zur Rechtsanwaltschaftzugelassen sowie Mitglied des Versorgungswerks derRechtsanwälte im Land NRW. Per Arbeitsvertrag v.13.12.2013 ist er bei der Fa. … als „Unternehmens-anwalt“ beschäftigt.Aufgrund seiner früheren beruflichen Tätigkeit war derBeigeladene durch Bescheid der Kl. v. 29.12.2011 mitWirkung ab dem 1.10.2011 von der Versicherungspflichtin der allgemeinen Rentenversicherung befreit worden.Unter dem 10.1.2014 zeigte der Beigeladene der Kl.den Wechsel zu seiner jetzigen Arbeitgeberin an und be-antragte erneut die Befreiung von der Versicherungs-pflicht. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSGwies die Kl. den Antrag zurück. Der hiergegen eingelegteWiderspruch des Beigeladenen blieb erfolglos.Mit dem am 12.2.2016 bei der Bekl. eingegangenenAntrag v. 3.2.2016 beantragte der Beigeladene so-dann die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seineTätigkeit bei der Fa. … Dem Antrag beigefügt warender Arbeitsvertrag v. 13.12.2013, eine Stellenbeschrei-bung v. 24.8.2015 sowie eine Tätigkeitsbeschreibungv. 3.2.2016.Die Bekl. hat mit Bescheid v. 22.3.2016 dem Antragdes Beigeladenen nach Anhörung der Kl. entsprochen.Zur Begründung der Zulassung als Syndikusrechts-anwalt hat die Bekl. ausgeführt, der Beigeladene seifür seine Arbeitgeberin anwaltlich tätig. Er übe einefachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätig-keit aus, die den Anforderungen des § 46 III Nr. 1–4BRAO entspreche. Dies ergebe sich aus dem Arbeits-vertrag und der Tätigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016.Danach sei es Aufgabe des Beigeladenen, betriebsrele-vante Rechtsfragen, insb. zu Fragen des Arzneimittel-rechts, der Erstattung von Arzneimitteln im Bereichdes SGB V, des Medizinproduktrechts, Lebensmittel-rechts, Betäubungsmittelrechts und des gewerblichenRechtsschutzes, zu analysieren sowie vor diesem spezi-fischen betrieblichen Hintergrund selbstständig Lö-sungswege herauszuarbeiten. Er berate telefonisch,schriftlich und persönlich seine Arbeitgeberin und de-ren Fachabteilungen in den juristisch sehr reguliertenSachverhalten der Erforschung, Entwicklung, Herstel-lung und Vertrieb von Arzneimitteln. Er führe juristi-sche Mitarbeiterschulungen durch und erstelle, prüfe,überarbeite und pflege selbstständig und eigenverant-wortlich Verträge mit Auftragsinstituten, Prüfärzten,Agenturen, internationalen Partnern etc., ferner führeer eigenverantwortlich Vertrags- und Einigungsver-handlungen mit verschiedenen Partnern seiner Arbeit-geberin.Die Kl. hat gegen den am 24.3.2016 zugestellten Zu-lassungsbescheid fristgerecht Anfechtungsklage er-hoben.Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Tätigkeit des Bei-geladenen nicht den Anforderungen des § 46 II–VBRAO entspreche, insbesondere hat sie geltend macht,aus den eingereichten Unterlagen ergebe sich nicht

der Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit i.S.d.§ 46 IV BRAO. Nach dem Arbeitsvertrag vom 13.12.2013 sei der Beigeladene als Arbeitnehmer gemäß nä-herer Anweisung seiner Arbeitgeberin beschäftigt. Da-ran ändere die Tätigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016nichts. Soweit darin die fachliche Unabhängigkeit be-scheinigt werde, sei sie unzutreffend, da sie nicht densich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Tatsachenentspreche. Der Tätigkeitsbeschreibung sei nicht zuentnehmen, dass sie den Regelungen des Arbeitsver-trages vorgehe oder diesen ändere.Die Kl. hat deshalb beantragt, den Bescheid der Bekl.v. 22.3.2016 aufzuheben. Die Bekl. hat beantragt, dieKlage abzuweisen.Die Bekl. hat den Zulassungsbescheid verteidigt.Mit Schriftsatz v. 8.7.2016 hat die Bekl. eine weitereErgänzung v. 23.6.2016 zum Arbeitsvertrag des Beige-ladenen überreicht. Aus der Ergänzung ergibt sich,dass sich der Beigeladene und seine Arbeitgeberin da-rüber einig sind, dass die Tätigkeitsbeschreibung v.3.2.2016 Bestandteil des bestehenden Arbeitsvertra-ges geworden sei und entgegenstehende Regelungenmit der Tätigkeitsbeschreibung als Vertragsergänzungihre Wirksamkeit verloren hätten.Daraufhin haben die Beteiligten die Hauptsache über-einstimmend für erledigt erklärt und wechselseitigeKostenanträge gestellt.II. Der Rechtsstreit ist durch die übereinstimmendenErklärungen der Beteiligten v. 1.8.2016 und 19.8.2016 gem. § 161 I VwGO in der Hauptsache erledigt.Die Erledigung der Hauptsache hat der AGH von Amtswegen festzustellen. Das Verfahren ist gem. § 112cBRAO i.V.m. § 87a I Nr. 3, III VwGO durch Beschlussdes Berichterstatters einzustellen. Nach § 112c I 1BRAO i.V.m. § 161 II 1 VWGO ist dabei nach billigemErmessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens zuentscheiden.1. Hätten die Beteiligten den Rechtsstreit nicht für erle-digt erklärt, wäre die Kl. mit ihrer Klage aller Voraus-sicht nach unterlegen. Dies führt dazu, dass sie dieKosten des Verfahrens – mit Ausnahme der Kostendes Beigeladenen – zu tragen hat.Im Zeitpunkt des Erlasses des Zulassungsbescheids v.22.3.2016 lagen die Voraussetzungen für die Zulas-sung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt nach§§ 46a I, 46 II–V BRAO vor; insb. hat der Beigeladeneim Zeitpunkt seiner Zulassung als Syndikusrechts-anwalt eine fachlich unabhängige Tätigkeit gemäßden Anforderungen des § 46 IV BRAO ausgeübt.

Änderung desArbeitsvertrages

Der Arbeitsvertrag des Beigeladenen v. 13.12.2013ist durch die Tätigkeits-beschreibung v. 3.2.2016wirksam dahin geändertworden, dass der Beige-

ladene, was seine anwaltliche Tätigkeit angeht, wei-sungsungebunden handelt.Dies ergibt sich eindeutig und ausdrücklich aus der Tä-tigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

48

SYNDIKUSANWÄLTE

Die Tätigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016 ist auch Inhaltdes Arbeitsvertrages zwischen dem Beigeladenen undseiner Arbeitgeberin geworden. Die ursprüngliche Wei-sungsgebundenheit des Beigeladenen im Verhältnis zuseiner Arbeitgeberin ist dadurch wirksam abbedungenworden, obgleich die Tätigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016 nicht ausdrücklich bestimmt, dass die in ihr ent-haltenen Regelungen dem Arbeitsvertrag v. 13.12.2013 vorgehen.Der Inhalt des unter dem 3.2.2016 geschaffenen Ver-tragsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen undseiner Arbeitgeberin, bestehend aus den Regeln desursprünglichen Arbeitsvertrages v. 13.12.2013 undder Tätigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016, ergibt sich imWege der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB.Aus dem Umstand, dass der Beigeladene und dessenArbeitgeberin die Tätigkeitsbeschreibung vor dem Hin-tergrund des Antrags auf Zulassung des Beigeladenenals Syndikusrechtsanwalt erstellt haben und es hierfüreine Änderung des bisherigen arbeitsvertraglichen Ver-hältnisses bedurfte, ergibt sich, dass die Vertragspar-teien eine Abänderung des ursprüngliche Arbeitsver-trages i.S.d. Tätigkeitsbeschreibung herbeiführen woll-ten. Das Schaffen einer unklaren arbeitsvertraglichenSituation durch ein unklares Verhältnis zwischen demInhalt des Arbeitsvertrages und der Tätigkeitsbeschrei-bung war bei verständiger Würdigung der Sach- undRechtslage weder von dem Beigeladenen noch von sei-ner Arbeitgeberin gewollt. Dass die Beteiligten den Ar-beitsvertrag von Anfang an i.S.d. Tätigkeitsbeschrei-bung v. 3.2.2016 ändern wollten, ergibt sich nunmehrunzweifelhaft aus der ergänzenden Vereinbarung v.23.6.2016.Der wirksamen Änderung des Arbeitsvertrages zum3.2.2016 durch die schriftlich unvollständig formulier-te Tätigkeitsbeschreibung gleichen Datums steht nichtentgegen, dass nach § 16 des Arbeitsvertrages v.13.12.2013 Vertragsänderungen zu ihrer Wirksamkeitder Schriftform bedürfen.Der nach der Konzeption des Vertrages im Wege all-gemeiner Geschäftsbedingungen geltende § 16 siehtzugleich den Vorrang individueller Vertragsabredenvor. Daher ist nach einer Auslegung des Arbeitsvertra-ges v. 13.12.2013 davon auszugehen, dass das Schrift-formerfordernis lediglich Beweiszwecken dienen undkeine konstitutive Wirkung haben soll, weshalb münd-lich getroffene Abreden vorrangig Geltung haben (vgl.Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 305b Rn. 5; BAG,NJW 2009, 316 Rn. 27 ff.). Danach reicht es für diewirksame Änderung des Arbeitsvertrags durch die Tä-tigkeitsbeschreibung v. 3.2.2016 aus, dass der Beige-ladene und seine Arbeitgeberin am 3.2.2016 Einigkeiterzielt haben, dass der Beigeladene in fachlich-recht-licher Hinsicht ab sofort fachlich unabhängig tätigwerden soll.

ZULASSUNG DES GRUPPENLEITERS EINERVERSICHERUNG ALS SYNDIKUSRECHTSANWALT

BRAO §§ 46, 46a

* 1. Schon wegen der wirtschaftlichen Bedeutungvon Großschadensfällen für einen Versicherer istnachvollziehbar, dass dieser von einem verant-wortlichen Gruppenleiter fundierte Kenntnisse deseinschlägigen materiellen Rechts, insbesondereder Problemkreise Kausalität/Zurechnung; Verjäh-rungsrecht; Verschuldenszurechnung sowie desProzessrechts und des internationalen/grenzüber-schreitenden Versicherungsrechts erwartet.

* 2. Soweit in der Tätigkeitsbeschreibung ausdrück-lich ausgeführt ist, dass dem Gruppenleiter die Be-wertung der haftungs- und deckungsrechtlichenSachlage bei Überlimit-Haftpflichtschäden ab50.000 Euro obliegt, schuldet er in diesem Zusam-menhang die selbstständige und eigenverantwort-liche Herausarbeitung der jeweiligen rechtlichenFragestellungen. Dies beinhaltet die Ermittlungdes Sachverhaltes, die Beurteilung materiellerRechtsverhältnisse, eventuell bestehender Gesamt-schuldverhältnisse sowie die rechtliche Beurteilungvon Regressmöglichkeiten.

* 3. Die dem Gruppenleiter obliegende Beurteilungder verschiedenen versicherungsrechtlichen Fall-konstellationen auf der Grundlage des geltendenRechts und die nachfolgende Bearbeitung des Fallszur Erledigung des Vorgangs erfüllen die Merkmaleder Gestaltung von Rechtsverhältnissen und derVerwirklichung von Rechten.

* 4. Soweit bei einer Versicherung verbindliche Vor-gaben zur einheitlichen Handhabung der Versiche-rungsbedingungen bestehen, führt dies nichtzwangsläufig zu einer fehlenden fachlichen Un-abhängigkeit. Eine individualvertragliche Verein-barung der fachlichen Unabhängigkeit geht all-gemeinen Regelungen im Unternehmen vor.

AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 33/16

AUS DEM TATBESTAND:Der am … 1963 geborene Beigeladene ist seit dem13.4.1994 im Bezirk der Bekl. zur Rechtsanwaltschaftzugelassen. Per Arbeitsvertrag v. 18.9.1995 wurdeder Beigeladene bei der A als juristischer Sachbearbei-ter angestellt. Seit dem 1.7.2001 ist er mit Anstellungs-vertrag v. 2.5.2001 Gruppenleiter der Abteilung Fir-menkunden-Schaden/Haftpflicht Groß- und Spezial-schäden. Er bewertet in dieser Funktion die haftungs-und deckungsrechtliche Sachlage von Überlimit-Haft-pflichtschäden aus den Bereichen der Produkt-, Um-welt-, Bau und Informationstechnologie sowie aus derBerufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, No-tare und Patentanwälte. Zum 1.1.2002 wurde er au-ßerdem zum Leitenden Handlungsbevollmächtigten er-nannt.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

49

Aufgrund seiner vorherigen beruflichen Tätigkeit warder Beigeladene durch Bescheid der Kl. v. 23.12.1994mit Wirkung ab dem 14.11.1994 von der Versiche-rungspflicht in der allgemeinen Rentenversicherungbefreit worden. Er leistete in der Folgezeit ausschließ-lich Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälteim Lande NRW. Im Jahr 2014 machte die Kl. unterHinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des BSG gel-tend, dass der Befreiungsbescheid v. 23.12.1994 fürdie jetzige Tätigkeit des Beigeladenen nicht fortwirkeund deshalb Beiträge in die gesetzliche Rentenver-sicherung zu zahlen seien. Die Arbeitgeberin des Bei-geladenen meldete diesen deshalb mit Wirkung zum1.1.2015 zur gesetzlichen Rentenversicherung um.Mit dem am 23.2.2016 bei der Bekl. eingegangenenAntrag v. 22.2.2016 beantragte der Beigeladene dieZulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeitbei der A. Dem Antrag beigefügt waren der Arbeitsver-trag v. 18.9.1995 mit der Änderung v. 2.5.2001, dieHandlungsbevollmächtigung v. 10.12.2001 sowie einNachtrag zum Arbeitsvertrag v. 17.3.2016 mit einerTätigkeitsbeschreibung v. 26.2.2016.Die Bekl. hat nach Anhörung der Kl. mit Bescheid v.4.5.2016 dem Antrag des Beigeladenen entsprochenund die sofortige Vollziehung des Bescheids angeord-net. Die Zulassungsurkunde v. 4.5.2016 ist dem Beige-ladenen am 10.5.2016 zugestellt worden.Zur Begründung der Zulassung des Beigeladenen alsSyndikusrechtsanwalt hat die Bekl. ausgeführt, der Bei-geladene sei für seine Arbeitgeberin anwaltlich tätig.Er übe eine fachlich unabhängige und eigenverant-wortliche Tätigkeit aus, die den Anforderungen des§ 46 II–V BRAO entspreche. Dies ergebe sich ausdem Nachtrag zu dem Arbeitsvertrag v. 17.3.2016.Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Be-scheid der Bekl. v. 4.5.2016 verwiesen.Die Kl. hat gegen den ihr am 11.5.2016 zugestelltenZulassungsbescheid Anfechtungsklage erhoben undzugleich gem. § 80 V VwGO die Wiederherstellungder aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt.Die Kl. vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungenfür die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechts-anwalt nicht vorlägen.Im Einzelnen macht sie geltend:Auf der Grundlage der überreichten Unterlagen könnenicht festgestellt werden, dass eine anwaltliche Tätig-keit des Beigeladenen das Beschäftigungsverhältnispräge. Der Beigeladene sei als Gruppenleiter beschäf-tigt. Leitungsfunktionen seien regelmäßig dadurch ge-kennzeichnet, dass die Betroffenen weniger fachrecht-lich arbeiten würden, sondern überwiegend organisa-torische und steuernde Aufgaben wahrnähmen. DieseAnnahme werde durch eine Stellenausschreibung derA Ltd. für eine/n Gruppenleiter/in KomplexschadenMotorfahrzeuge in Bern gestützt. Die Stellenbeschrei-bung setze eine abgeschlossene kaufmännische Aus-bildung und Erfahrungen in der Versicherungsbranchevoraus, aber keine volljuristische Ausbildung. Gegen-stand der Tätigkeit des Beigeladenen sei nicht die Prü-fung von Rechtsfragen. Der Beigeladene prüfe ledig-

lich, ob und ggfs. in welchem Umfang Leistungen auseinem Versicherungsvertrag zu erbringen seien. Hier-bei habe er aufgrund umfassender Kodifizierung durchallgemeine und besondere Versicherungsbedingungenallenfalls einen geringen Beurteilungsspielraum. So-weit für das Unternehmen (Vergleichs-)Verhandlungenzu führen und hierzu Beweise zu würdigen und Pro-zessrisiken abzuschätzen seien, beurteile der Beige-ladene rein wirtschaftliche und nicht rechtliche Fra-gestellungen. Es gehe daher nicht um die Gestaltungvon Rechtsverhältnissen, sondern nur um das Aushan-deln des Umfangs der Schadenregulierung.Schließlich sei nicht belegt, dass der Beigeladene fach-lich unabhängig und weisungsfrei tätig sei. Es sei viel-mehr davon auszugehen, dass es bei seiner Arbeit-geberin zur Wahrung der einheitlichen Handhabungder allgemeinen und besonderen Versicherungsbedin-gungen Regelungswerke für die Bearbeitung der Scha-densfälle gebe.In der mündlichen Verhandlung hat die Kl. den Antragauf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkungder Klage zurückgenommen. Sie beantragt nunmehrnoch, den Bescheid der Bekl. v. 4.5.2016 aufzuheben.Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.Der Beigeladene stellt keinen Antrag.Die Bekl. verteidigt den von ihr erlassenen Bescheid.(…)

AUS DEN GRÜNDEN:Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.1. Der Bescheid v. 4.5.2016 ist rechtmäßig. Die Vo-raussetzungen für die Zulassung des Beigeladenen alsSyndikusrechtsanwalt gem. §§ 46a I Nr. 1–3, 46 II–VBRAO liegen vor. Das Arbeitsverhältnis des Beigelade-nen ist insbesondere durch eine fachlich unabhängigeund eigenverantwortlich ausgeübte anwaltliche Tätig-keit, die den Merkmalen des § 46 III Nr. 1–4 BRAOentspricht, geprägt.a) Soweit die Kl. insgesamt die Ausübung einer fach-rechtlichen Tätigkeit durch den Beigeladenen anzwei-felt und geltend macht, der Beigeladene übe imSchwerpunkt leitende und steuernde Aufgaben aus,für die in dem Unternehmen seiner Arbeitgeberin keinevolljuristische, sondern lediglich eine kaufmännischeAusbildung erforderlich sei, kann sie mit diesem Ein-wand nicht durchdringen.Die Kl. bezieht sich zur Begründung ihrer Auffassungauf das in einer Stellenausschreibung der A Ltd. für ei-ne/n Gruppenleiter/in Komplexschaden Motorfahrzeu-ge in Bern genannte Anforderungsprofil. Aus der, aufeinen anderen Aufgabenbereich bezogenen Stellenaus-schreibung eines anderen, im europäischen Auslandansässigen Unternehmens der A Gruppe ergeben sichkeine belastbaren Tatsachen dafür, dass die konkretin Rede stehende Tätigkeit des Beigeladenen ohne Be-einträchtigung ihrer Qualität und der Funktionsfähig-keit der Rechtspflege auch von einem Nicht-Volljuris-ten ausgeübt werden kann.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

50

Bereits mit dem ursprünglichen Arbeitsvertrag v. 18.9.1995 ist der Beigeladene als „juristischer Sachbearbei-ter“ angestellt worden und hat demzufolge Qualifika-tionen nachgewiesen, die über das Absolvieren einerkaufmännischen Ausbildung hinausgehen. In der Tätig-keitsbeschreibung v. 26.2.2016 bescheinigt die Arbeit-geberin ausdrücklich, dass Voraussetzung für die Tä-tigkeit des Beigeladenen als Gruppenleiter der Abtei-lung Firmenkunden-Schaden/Haftpflicht Groß- undSpezialschäden „eine volljuristische Ausbildung sowietiefgreifende Kenntnisse im Haftungs- und Versiche-rungsrecht“ Voraussetzungen sind. Der Beigeladeneerfüllt die genannten Anforderungen, er ist als Rechts-anwalt zugelassen und berechtigt, die Bezeichnung„Fachanwalt für Versicherungsrecht“ zu führen.Dafür, dass das in der Tätigkeitsbeschreibung formu-lierte Anforderungsprofil nicht den tatsächlichen Gege-benheiten entspricht, gibt es keinen Anhaltspunkt.Schon wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Groß-schadensfälle für das Unternehmen ist nachvollziehbar,dass die Arbeitgeberin von dem verantwortlichen Grup-penleiter fundierte Kenntnisse des einschlägigen mate-riellen Rechts, insb. der Problemkreise Kausalität/Zu-rechnung; Verjährungsrecht; Verschuldenszurechnungsowie des Prozessrechts (Beweislastverteilung; Beweis-würdigung, Kosten) und des internationalen/grenzüber-schreitenden Versicherungsrechts erwartet. Des weite-ren entspricht die vertraglich zugesagte Vergütungdem beschriebenen Anforderungsprofil, sie geht in je-dem Fall deutlich über die einem kaufmännischen Ange-stellten üblicherweise geschuldete Entlohnung hinaus.b) Bei der Tätigkeit des Beigeladenen handelt es sichauch um eine anwaltliche Tätigkeit gem. den Voraus-setzungen des § 46 III Nr. 1–4 BRAO. Entgegen derAuffassung der Kl. ist festzustellen, dass der Beigelade-ne in Ausübung seiner Tätigkeit Sachverhalte aufklärt,Rechtsfragen prüft und Lösungsmöglichkeiten erarbei-tet (§ 46 III Nr. 1 BRAO) sowie, dass seine Tätigkeitauf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insb.durch das selbstständige Führen von Verhandlungen,und auf das Verwirklichen von Rechten ausgerichtetist (§ 46 III Nr. 4 BRAO).aa) Die Kl. geht in der Klagebegründung davon aus,dass der Beigeladene entgegen § 46 III Nr. 1 BRAO le-diglich feststehende Sachverhalte bewertet und prüft,in welchem Umfang aus dem VersicherungsvertragLeistungen zu erbringen sind. Es gibt indes keinen An-haltspunkt dafür, dass die Tätigkeit des Beigeladenenhierauf beschränkt ist.

Tätigkeits-beschreibung

In der Tätigkeitsbeschreibung v. 26.2.2016 ist aus-drücklich ausgeführt, dassdem Beigeladenen die Be-wertung der haftungs- unddeckungsrechtlichen Sach-

lage bei Überlimit-Haftpflichtschäden (ab 50.000 Eu-ro) aus den Bereichen Produkt-, Umwelt-, Bau-, Infor-mationstechnologie sowie der Berufshaftpflichtver-sicherung für Rechtsanwälte, Notare, Steuerberaterund Patentanwälte obliegt. Er schuldet in diesem Zu-sammenhang die selbstständige und eigenverant-

wortliche Herausarbeitung der jeweiligen rechtlichenFragestellungen. Dies beinhaltet die Ermittlung desSachverhaltes, die Beurteilung materieller Rechtsver-hältnisse, eventuell bestehender Gesamtschuldverhält-nisse sowie die rechtliche Beurteilung von Regressmög-lichkeiten.Die in der Tätigkeitsbeschreibung festgehaltenen Auf-gaben des Beigeladenen, die dieser in der mündlichenVerhandlung nochmals erläutert und dargestellt hat,ohne dass die Kl. den Angaben entgegengetreten ist,entsprechen nach dem Dafürhalten des Senats ohneweiteres der Realität des Versicherungsgeschäfts.Nachfragen des Versicherers nach Eingang einer Scha-denanzeige zum Sachverhalt, insb. zum Schadensher-gang, und das Anstellen eigener Ermittlungen entspre-chen, soweit es sich nicht um Bagatellfälle handelt, derRegel und gewinnen in Relation zu der wirtschaftlichenBedeutung des Schadensfalls für den Versicherungs-nehmer und das Unternehmen Gewicht.Der ermittelte Sachverhalt wird durch den Beigelade-nen rechtlich bewertet, dann entscheidet er über dasweitere Vorgehen. Er berät den Versicherungsnehmerund den Vorstand des Unternehmens über möglicheHandlungsoptionen wie etwa die Schadensregulierung,die Abwehr von Ansprüchen, über das Führen von Ver-gleichsverhandlungen, die Beauftragung von Rechts-anwälten zur Prozessführung sowie über die Möglich-keit, Regress- oder Ausgleichsansprüche zu verfolgen.Soweit die Kl. in diesem Zusammenhang einwendet, derBeigeladene habe bei der Prüfung der verschiedenenHandlungsoptionen aufgrund der umfassenden Kodifi-zierung des Versicherungsvertragsrechts und der All-gemeinen Versicherungsbedingungen allenfalls einengeringen Beurteilungsspielraum, so dass er im Wesentli-chen die wirtschaftlichen, aber nicht die rechtlichen Ver-hältnisse bewerte, kann der Senat dem nicht folgen.

Komplexe versiche-rungsrechtlicheMaterie

Die versicherungsrechtliche Materie ist offenkundigkomplex; sie ist Gegen-stand einer besonderenFachanwaltschaft und wirdan den Obergerichten vonFachsenaten bearbeitet.

Die Bekl. weist zutreffend darauf hin, dass der Beige-ladene bei der Ausübung seiner Tätigkeit prüfen müsse,in welcher Weise die Beteiligten eines Schadenereignis-ses rechtlich miteinander verbunden sind und wie sichdie speziellen vertrags- und versicherungsrechtlichenRegelungen auf das Haftungsverhältnis auswirken. Die-se Tätigkeit erfordert nach der Bewertung des Senatstiefgreifende Kenntnisse des Haftungs- und Versiche-rungsrechts, sie geht in ihrer Komplexität erheblichüber die reine Schadensachbearbeitung hinaus.bb) Die Tätigkeit des Beigeladenen ist außerdem aufdie Gestaltung von Rechtsverhältnissen und auf dieVerwirklichung von Rechten ausgerichtet (§ 46 IIINr. 3 BRAO), da sie die Befugnis des Beigeladenen um-fasst, für das Unternehmen Verhandlungen zu führenund Vertragsverhältnisse gestalten zu können (vgl. Trä-ger, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., zu § 46BRAO-E, S. 363).

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

51

SYNDIKUSANWÄLTE

Die dem Beigeladenen obliegende Beurteilung der ver-schiedenen versicherungsrechtlichen Fallkonstellatio-nen auf der Grundlage des geltenden Rechts und dienachfolgende Bearbeitung des Falls zur Erledigungdes Vorgangs erfüllen bei zutreffender Bewertung dieMerkmale der Gestaltung von Rechtsverhältnissenund der Verwirklichung von Rechten i.S.d. § 46 IIINr. 3 BRAO.Der Beigeladene ist gemäß der Tätigkeitsbeschreibungberechtigt, für seine Arbeitgeberin Vertragsverhand-lungen zu führen, sie im Vertragswege zu verpflichtenund Rechte des Unternehmens, etwa durch die Ab-wehr unberechtigter Ansprüche, zu verwirklichen. DieTätigkeit des Beigeladenen beschränkt sich nicht, sowie die Kl. meint, auf das Abstecken des Umfangs derSchadenregulierung. Aus der Tätigkeitsbeschreibung v.26.2.2016 ergibt sich vielmehr im Einzelnen, dass esAufgabe des Beigeladenen ist, Verträge auszulegenund eigenverantwortlich Entscheidungen über De-ckungszusagen/-versagungen zu treffen und zu be-gründen, die Haftung abzulehnen bzw. zu begründen,Abfindungsvereinbarungen auszuhandeln und Ver-gleichsverträge (auch im Mehrpersonenverhältnis) ab-zuschließen sowie für den Vorstand Vergleichs- undVertragsvorlagen zu erarbeiten.Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlungergänzend ausgeführt, dass er die in Rede stehendenAufgaben jeweils auf den konkreten Einzelfall bezogenunter Beachtung der jeweiligen rechtlichen Grund-lagen frei erarbeitet und aushandelt und dabei nichtetwa auf Richtlinien oder Bestimmungen des Unter-nehmens zurückgreift. Es kann daher nicht die Rededavon sein, dass der Beigeladene unter Beachtungrein wirtschaftlicher Aspekte lediglich den Umfangder Schadensregulierung aushandelt.

Prägende anwaltlicheTätigkeit

c) Die vorbeschriebene anwaltliche Tätigkeit des Beige-ladenen prägt das beste-hende Beschäftigungsver-hältnis. Soweit die Kl. da-rauf abgehoben hat, dass

der Beigeladene als Gruppenleiter umfänglich organi-satorische und steuernde Aufgaben erledige und eingroßer Teil der Tätigkeit in der Ausführung der all-gemeinen und besonderen Versicherungsbedingenohne großen juristischen Spielraum bestehe, ist zu-nächst festzuhalten, dass es sich bei der dem Beige-ladenen obliegenden Prüfung der Haftungsfälle umeine originäre juristische und anwaltliche Tätigkeiti.S.d. des § 46 III Nr. 1 u. 3 BRAO handelt. Insoweitkann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesenwerden.Inwieweit der Beigeladene neben der fachrechtlichenTätigkeit organisatorische Aufgaben zu erfüllen hat,hat der Senat in der mündlichen Verhandlung mit denBeteiligten erörtert. Der Beigeladene hat ausgeführt,dass er die Personalverantwortung für 16 Mitarbeiter

trage. Bereits daraus erschließt sich, dass er zwar Per-sonalführungsaufgaben leisten muss, diese aber ge-messen an der Gesamtarbeitszeit nicht wesentlich insGewicht fallen und daher die anwaltliche Prägung sei-ner Tätigkeit nicht in Frage stellen.d) Schließlich sieht der Senat keinen Anhalt dafür, dassder Beigeladene seine anwaltliche Tätigkeit nicht i.S.d.§ 46 IV BRAO unabhängig und eigenverantwortlichausübt. In dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag v. 17.3.2016 ist ausdrücklich vereinbart, dass der Beigeladenedie anwaltliche Tätigkeit fachlich unabhängig und ei-genverantwortlich ausübt, so dass in fachlichen Ange-legenheiten weder ein allgemeines noch ein konkretesWeisungsrecht besteht, während es im Übrigen beidem Weisungsrecht der Gesellschaft geblieben ist.

Fachliche Unab-hängigkeit

Die Tätigkeitsbeschreibung, die Bestandteil des Ar-beitsvertrages ist, lautetzudem unter Ziff. II wiefolgt: „… Die fachliche Un-abhängigkeit der Berufs-

ausübung ist vertraglich und tatsächlich gewährleitet.[Der Beigeladene] unterliegt keinen allgemeinen undkonkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten,die eine eigenständige Analyse der Rechtslage odereine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchti-gen. Ihm gegenüber bestehen keine Vorgaben zur Artund Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimm-ter Rechtsfragen. Er arbeitet fachlich eigenverantwort-lich. Er ist im Rahmen der von ihm zu erbringendenRechtsberatung und -vertretung den Pflichten des an-waltlichen Berufsrechts unterworfen“.Damit ist die fachliche Unabhängigkeit arbeitsvertrag-lich eindeutig vereinbart.Soweit die Kl. darauf verwiesen hat, bei der A Versiche-rung bestünden verbindliche Vorgaben zur einheitli-chen Handhabung der Versicherungsbedingungen, sodass der Beigeladene lediglich gewisse Spielräumenutzen könne, erweist sich dieser Einwand schon ausRechtsgründen als unerheblich. Die individualvertragli-che Vereinbarung der fachlichen Unabhängigkeit gehtallgemeinen Regelungen im Unternehmen vor, dies er-gibt sich ausdrücklich aus dem Nachtrag zum Arbeits-vertrag und der Tätigkeitsbeschreibung, wonach derBeigeladene keinen allgemeinen und konkreten Wei-sungen unterliegt.Des Weiteren gibt es keinen Anhaltpunkt dafür, dassdie Tätigkeit des Beigeladenen durch Vorgaben desUnternehmens gesteuert und reglementiert wird. DerBeigeladene hat in der mündlichen Verhandlung aus-geführt, dass es für seinen Tätigkeitsbereich ohnehinkeine Regelwerke gebe, nach deren Vorgaben er zu ar-beiten habe. Die Kl. hat auf weitere Nachfrage ein-geräumt, ihr Vortrag stütze sich auf Erkenntnisse überdie Ausgestaltung von Arbeitsverhältnissen bei ande-ren Versicherungsunternehmen.

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

52

SYNDIKUSANWÄLTE

Unser bester Fremdenführer.

Dieses renommierte Handbuch führt Sie schnell und sicher zu den Antworten aufalle im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr auftauchenden Fragen.

Kompakt, wissenschaftlich fundiert, praxisrelevant gewichtet. Übersichtlich struk-turiert nach praxisnahen Geschäftsbereichen und Transaktionstypen. Unter Berück-sichtigung aller einschlägigen völker-, EU- und internationalprivatrechtlichen Aspekte– Prozessrecht und Schiedsgerichtsbarkeit inklusive. Dargestellt aus Sicht der natio-nalen Rechtsordnungen von Deutschland, der Schweiz, Österreich und Liechtenstein.

Kurzum das Standardwerk für jeden Berater und jede Rechtsabteilung internationalagierender Unternehmen. Mit vielen Checklisten und steuerrechtlichen Hinweisen.

Probe lesen und bestellen bei www.otto-schmidt.de/kwr2

Kronke/Melis/Kuhn (Hrsg.) HandbuchInternationalesWirtschaftsrecht

Herausgegeben von Prof. Dr. Dres. h.c.Herbert Kronke, RA Dr. Dr. WernerMelis und RA Dr. Hans Kuhn, LL.M. MitBeiträgen zahlreicher Spezialistenaus Unternehmen, Lehre, internatio-nal tätigen Kanzleien und Schiedsins-titutionen. 2., neu bearbeitete Auflage2017, 2.528 Seiten Lexikonformat, gbd.299,– €. ISBN 978-3-504-40950-0

NEU!

Insolvenzrecht

Restschuldbefreiung im Verbraucher- und Regelinsol-venzverfahren3.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Kanzleimanagement

beA – So geht’s!Die praktische Demonstration des besonderen elektro-nischen Anwaltspostfachs10.3.2017, Mainz, Park Inn by Radisson Mainz17.3.2017, Braunschweig, Steigenberger Parkhotel18.3.2017, Bremen, Atlantic Hotel an der Galopprenn-bahn23.3.2017, Münster, Mövenpick Hotel Münster24.3.2017, Potsdam, Arcona Hotel am Havelufer25.3.2017, Schwerin, Hotel Speicher am Ziegelsee31.3.2017, Saarbrücken, Victor’s Residenz-Hotel1.4.2017, Tübingen, Hotel Krone Tübingen28.4.2017, Kassel, Best Western Plus Hotel Kassel City29.4.2017, Bielefeld, Park Inn by Radisson Bielefeld29.4.2017, Stuttgart, Le Méridien

Mediation und Außergerichtliche Konfliktbeilegung

Vertiefungskurs Mediation – Aufbaukurs zur Erlan-gung des Titels Zertifizierter Mediator

gem. § 5 II, VI MediationsG i.V.m. § 2 ZMediatAusbV13.–16.3.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter,19.–22.4.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt amMain), DAI-Ausbildungscenter

Medizinrecht

Der Beweis im arzthaftungsrechtlichen Zivilprozess17.3.2017, Kiel, Haus des Sports Kiel29.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Taktik im Mietprozess29.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Aktuelle Entwicklungen im Wohnraummietrecht unterbesonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung8.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Migrationsrecht

Aktuelles Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht13.3.2017, Düsseldorf, RAK Düsseldorf29.3.2017, München, RAK München

Praxisprobleme des Aufenthalts- und Staatsangehörig-keitsrechts sowie des Asyl- und Flüchtlingsrechts4.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017 | AKTUELLE HINWEISE

X

Brexit und IPR –ein aktueller

Ausblick

Der soeben erschienene aktuelle 17. Band (2015/2016) des„Yearbook of Private International Law“ bietet wie jedes Jahrhochinteressante Informationen zu allen wichtigen Entwick-lungen auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts.

Wie wird sich der Brexit auf das IPR auswirken? Obwohl es sehrschwierig ist, bereits Einschätzungen zu treffen, befasst sichein interessanter Beitrag mit den Folgen des Brexit auf dasZivil-, Handels- und grenzüberschreitende Familienrecht.

Umfassend informieren mehrere Beiträge aktuell zum grenz-überschreitenden Insolvenzrecht. Lesenswert sind auch diediversen Informationen zu den Entwicklungen im Gewohn-heitsrecht in einzelnen Staaten, die Sie zusammengefasst indieser Form nur im Yearbook XVII finden.

Bitte beachten Sie: Der Band erscheint in englischer Sprache.Probelesen und bestellen unter www.otto-schmidt.de/yb17

Bonomi/Romano Yearbook of Private International Law Vol. XVII – 2015/2016Herausgegeben von Prof. Andrea Bonomi, Prof. Gian Paolo Romano. Band 17,rd.650 Seiten Lexikonformat, gbd. 199,– € ISBN 978-3-504-08009-9

(Fortsetzung von S. VIII)

(Fortsetzung S. XIII)

DAI – VERANSTALTUNGSKALENDER

Die bessere Wahl

Der „Jennißen“ gehört zu den WEG-Kommentaren, die Bundesgerichtshof und Ober-gerichte am häufigsten zitieren. Das kommt nicht von ungefähr. Das Werk stellt dasWohnungseigentumsrecht umfassend dar, erspart seiner Leserschaft jedoch Alt-lasten aus vergangenen Zeiten. Zugleich bereiten die Autoren die Fülle der Gerichts-entscheidungen so pointiert und systematisch auf, dass der erst begründeteKommentar schon jetzt als meinungsbildender Standard gilt.

Mit der . Auflage hat der „Jennißen“ erneut an Tiefe und Umfang gewonnen. So setztunter anderem die völlig neu gefasste und stark erweiterte Bearbeitung des wichti-gen § WEG Maßstäbe in der Kommentierung. Das unverzichtbare Arbeitsmittel fürim WEG tätige Anwälte und Notare gibt es sowohl in der Printversion als auch online.

Noch heute bestellen oder Leseprobe einsehen: www.otto-schmidt.de/weg5

Jennißen WEG Kommentar

Herausgegeben von RA Dr. Georg Jenni-ßen. Bearbeitet von RiLG Dr. Dr. AndrikAbramenko, Notar Prof. Dr. Dr. HerbertGrziwotz, Notar Dr. Jörn Heinemann,VorsRiLG Dr. Johannes Hogenschurz,RA Dr. Georg Jennißen, Notar ThomasKrause, RiOLG Dr. Hendrik Schultzky,VorsRiLG Dr. Martin Suilmann, NotarProf. Dr. Maximilian Zimmer.5. neu bearbeitete Auflage 2017,1.546 Seiten Lexikonformat, gbd.129,– €. ISBN 978-3-504-45076-2

5. Auflage

jetzt lieferbar

Die komfortabelsteLösung für Ihre

internationalen Mandate.

Dieses englischsprachige Werk kommentiert in der Reihe European Commentaries

on Private International Law erstmals die Rom I-Verordnung (Englisch: Rome IRegulation) über vertragliche Schuldverhältnisse und damit ein zentrales Elementdes Internationalen Schuldrechts, welches für den gemeinsamen Markt von großerBedeutung ist. Der große Nutzen für international tätige Kanzleien ist neben derlösungsorientierten Kommentierung, die Zeitersparnis, da bei der Fallbearbeitungdie rechtliche Argumentation direkt, ohne Übersetzungsaufwände, aus dem eng-lischsprachigen Kommentar entnommen werden kann.

Das Autorenteam setzt sich aus renommierten Rechtsexperten aus ganz Europazusammen, was den europäischen Charakter der Kommentierung widerspiegelt.

Probelesen und bestellen unter www.otto-schmidt.de/mm2

Magnus/MankowskiEuropean Commentaries on Private

International Law (ECPIL) Kommentarin drei BändenBand II: Rome I Regulation

Herausgegeben von Prof. Dr. UlrichMagnus, Prof. Dr. Peter Mankowski.2017, 960 Seiten Lexikonformat, gbd.229,– €. ISBN 978-3-504-08006-8.Vorzugspreis bei Gesamtabnahme:199,– € (für Band II).ISBN 978-3-504-08008-2 (Bände I–III)

NEU:

ROME I REGULATION

IN ENGLISH

Sozialrecht

Grundsicherungsleistungen für Ausländer nach demSGB II/XII21.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter1.4.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Steuerrecht

Beratung und Verteidigung in Steuerstrafsachen16.–17.3.2017, Berlin, Maritim proArte Hotel Berlin

Haftungsfallen im Gemeinnützigkeitsrecht29.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Personengesellschaften27.–29.4.2017, München, Hotel Vier JahreszeitenKempinski

Strafrecht

Strafverteidigung von ausländischen Staatsangehöri-gen17.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Brennpunkte der Strafverteidigung6.4.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Transport- und Speditionsrecht

Neuere Entwicklungen und Strategien im Transport-und Speditionsrecht, Schwerpunkt: Logistikrecht16.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Urheber- und Medienrecht

Urheber- und Wettbewerbsrecht im digitalen Binnen-markt24.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Vergaberecht

Neue Entwicklungen im Bauvergaberecht3.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Verkehrsrecht

Verkehrsprozesse effektiv führen – Aktuelle Schwer-punktfragen der Beweisführung18.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Effektive Verteidigung im Fuhrpark: Fahrer, Halter undVerkehrsleiter7.3.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Versicherungsrecht

Aktuelle Praxisschwerpunkte der Berufsunfähigkeitsver-sicherung5.4.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Verwaltungsrecht

Fehler des Bebauungsplans und ihre gerichtliche Kon-trolle15.3.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

VERANSTALTUNGEN

JAHRESTAGUNG DER DEUTSCH-ISRAELISCHENJURISTENVEREINIGUNG VOM 9. BIS 14. MAI 2017IN TEL AVIV/ISRAEL

Vom 9. bis 14.5.2017 findet die 24. Jahrestagungder Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung (DIJV) inTel Aviv statt. Folgende Themen stehen auf dem Pro-gramm:

„Kampf der Gewalten“ – Zum Verhältnis von Ver-fassungsgericht und Parlament (mit Salim Joubran,Supreme Court, und Prof. Dr. Gertrude Lübbers-Wolf,ehem. Richterin am BVerfG);

OECD-Abkommen zum automatischen Informations-austausch in Steuersachen;

„Faktische Gleichstellung – wie weit sind wir?“;

„Justiz in Israel Live“ – Besuch von Gerichtsverhandlun-gen;

Aufgaben des Legal Advisor of the Government in Is-rael und des Generalbundesanwalts in Deutschland(mit Avichai Mandelblatt, Generalstaatsanwalt desStaates Israel, und Dr. Peter Frank, Generalbundes-anwalt beim BGH);

„Der Fall Demjanjuk – Freispruch in Israel, Verurtei-lung in Deutschland“;

„Fighting Terror“ – Terrorismusbekämpfung in der EUund in Israel (u.a. mit Gilles de Kerchove, EU-Koordina-tor für Terrorismusbekämpfung, und Boaz Ganor, Di-rektor International Institute for Counter-Terrorism);

Datenschutzrecht in Zeiten der Digitalisierung.

Programm und Anmeldeunterlagen unter www.dijv.de.

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 1/2017

XIII

otto-schmidt.de/erst

Brandneuund kriminell gut.

(Fortsetzung von S. X)

VERANSTALTUNGEN

Das Tarifrecht kommt einfach nicht zur Ruhe. Wenn Sie in dem Kerngebiet des Arbeitsrechts nicht hoff-nungslos den Überblick verlieren wollen – greifen Sie zu dieser praxisorientierten systematischen Aufbe-reitung der gesamten Materie auf höchstem wissenschaftlichem Niveau.

Im Mittelpunkt der Darstellung stehen neben den dogmatischen Grundlagen vor allem die praktischenFallgestaltungen und ein Katalog typischer Tarifnormen – von A wie Altersgrenzen bis Z wie Zuschlags-regelungen –, die eingehend analysiert, auf rechtliche Wirksamkeit geprüft und bei Bedarf mit Gestal-tungsalternativen versehen werden. Alles auf dem neuesten Stand. Mit Tarifautonomiestärkungsgesetzsamt MiLoG, Tarifeinheitsgesetz und vielen neuen Mustern.

Henssler/Moll/Bepler – das Standardwerk zum Thema. Jetzt Probe lesen und bestellen beiwww.otto-schmidt.de/hmb2

Stand 1.1.2016

Hier geht’s ganzschön zur Sache.

Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag Hand-buch für das gesamte Tarifrecht. Herausgegebenvon Prof. Dr. Martin Henssler, FAArbR Dr.Wilhelm Moll LL.M. und VorsRiBAG a.D. Prof.Klaus Bepler. Bearbeitet von 17 exzellentenExperten des Tarifrechts. 2., neu bearbeiteteAuflage 2016, 1.367 Seiten Lexikonformat,gbd., 159,– €. ISBN 978-3-504-42062-8

Digitaler Kodex

Mit DSGVO

Der Begriff „digitale Revolution“ fällt seit einigen Jahren, um zu beschreiben, wie

umfassend der informationstechnologische Fortschritt die industrielle Produktion,

die Kommunikation und den Handel umwälzt und damit zugleich das IT- und Daten-

schutzrecht vor neue Herausforderungen stellt.

Das nun in fünfter Auflage erschienene „Handbuch EDV-Recht“ ist der digitale

Kodex für das Zeitalter der Informationstechnologie. Professor Dr. Jochen Schneider

begleitet, erschließt und prägt das IT- und Datenschutzrecht seit seiner Entstehung.

Die zahlreichen Mustertexte, Beispiele und Verweise auf maßgebliche Rechtspre-

chung und Literatur machen das Werk zu einemMuss für alle IT-Rechtspraktiker.

Leseprobe und Bestellung unterwww.otto-schmidt.de/sc5

Jochen SchneiderHandbuch EDV-RechtIT-Recht mit IT-Vertragsrecht, Datenschutz,Rechtsschutz und E-Business. Herausgegebenvon RA Prof. Dr. Jochen Schneider. Bearbeitet vonRA Ludwig Antoine, RA Frieder Backu, RAin Dr.Irene Bayer, RAin Elke Bischof, RAin Isabell Conrad,RA Thomas Graf, LL.M., RAin Ines Hassemer, RAinDanielle Hertneck, RA Fabian Kahlert, RA Prof. Dr.Timoleon Kosmides, RAin Dr. Romina Polley,RA Prof. Dr. Jochen Schneider, RA Bernd Suchom-ski, LL.M., und RAinMichaelaWitzel, LL.M. 5., neubearbeitete Auflage 2017, ca. 3.000 Seiten, Lexikon-format, gbd. ca. 190,– €. Erscheint imMärz.ISBN 978-3-504-56094-2

Jetzt informieren

0800 726 42 76www.ra-micro.de

DasBesondere anRA-MICRORA-MICRO 1

• Aktenverwaltung, Adressverwaltung, E-Workflow

• 100 Akten pro Jahr

• Kompletter Support und kostenlose Updates

Die kostenlose Version fürden Kanzleianfang

Kostenlose Online-Seminarefür RA-MICRO Kunden

www.ra-micro.de/rmoaAktuelle Veranstaltungen unter:

KOSTENLOSE RA-MICROVERANSTALTUNGEN

RA-MICRO Anwalts-Workshop:DictaNet Spracherkennung –fürmehr Effizienz in Ihrer Kanzlei

22. Februar, 13:00 bis 14:301. März, 13:00 bis 14:307. März, 17:00 bis 18:3015. März, 13:00 bis 14:30DictaNet Go Donnerstag –Ihr Tag desmobilen Diktierens

1. Donnerstag imMonat, 10:00 bis 16:00

Weitere Veranstaltungen unter:www.ra-micro.de/go-store-berlin

RA-MICRO Store Berlin:

Anwalts-Workshops:Praxisnahe FortbildungsveranstaltungenamMaximiliansplatz in München.

Veranstaltungstermine und weitereInformationen unter:www.ra-micro.de/go-store-muenchen

RA-MICRO Store München:

RA-MICRO Store Stuttgart:DictaNet Go Tag –Ihr Tag desmobilen Diktierens

1. Donnerstag und 2. Samstag imMonat,jeweils 11:00 bis 13:00Anwalts-Exklusiv-Seminar

28. Januar, 10:00 bis 16:00Weitere Veranstaltungen unter:www.ra-micro.de/store-stuttgart