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Aus dem Inhalt Akzente Wenn morgen gewählt wird (RAuN Dr. Bernhard Dombek) 149 Aufsätze 3. Zivilprozessrechts-Symposion der Bundesrechtsanwaltskammer in Potsdam (RAin Barbara Schwerin) 150 Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte (Prof. Dr. Christian Berger) 169 Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft kraft Richterrecht (RA Dr. Fritz-Eckehard Kempter/RA Stephan Kopp) 174 Pflichten und Haftung des Anwalts Das aktuelle Urteil (RA Holger Grams) Beratungspflichten vor Vergleichswiderruf (OLG Düsseldorf v. 17.2.2005) 179 Amtliche Bekanntmachungen Beschlüsse der 4. Sitzung der 3. Satzungsversammlung 183 Berufsrechtliche Rechtsprechung Fachanwalt – zur Beschränkung des Führens von Fachanwalts- bezeichnungen auf zwei Rechtsgebiete (BGH v. 4.4.2005) 188 Zur Verfassungsgemäßheit der Vorschriften über die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof (BGH v. 18.2.2005) 190 Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen (Bayerischer AGH v. 6.4.2005) 195 Werbung – wettbewerbswidrige Formulierungen in einem Rundschreiben (OLG Thüringen v. 20.4.2005) 201 BRAKMagazin Brennpunkt Rechtspolitik Fortbildung und Marketing 4/2005 15. 8. 2005 36. Jahrgang BRAK Mitteilungen Herausgeber BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER Beirat RAuN Dr. Eberhard Haas, Bremen RA Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe RA JR Heinz Weil, Paris

15. 8. 2005 36. Jahrgang · PDF fileIV. Inhalt . BRAK-Mitt. 4/2005. Berufsrechtliche Rechtsprechung. EuGH 10.3.2005 C-235/03 Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Beitreibungskosten

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Aus dem Inhalt

AkzenteWenn morgen gewählt wird (RAuN Dr. Bernhard Dombek) 149

Aufsätze3. Zivilprozessrechts-Symposion der Bundesrechtsanwaltskammerin Potsdam (RAin Barbara Schwerin) 150

Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte(Prof. Dr. Christian Berger) 169

Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaftkraft Richterrecht(RA Dr. Fritz-Eckehard Kempter/RA Stephan Kopp) 174

Pflichten und Haftung des AnwaltsDas aktuelle Urteil (RA Holger Grams)Beratungspflichten vor Vergleichswiderruf(OLG Düsseldorf v. 17.2.2005) 179

Amtliche BekanntmachungenBeschlüsse der 4. Sitzung der 3. Satzungsversammlung 183

Berufsrechtliche RechtsprechungFachanwalt – zur Beschränkung des Führens von Fachanwalts-bezeichnungen auf zwei Rechtsgebiete(BGH v. 4.4.2005) 188

Zur Verfassungsgemäßheit der Vorschriften über die Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof(BGH v. 18.2.2005) 190

Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen(Bayerischer AGH v. 6.4.2005) 195

Werbung – wettbewerbswidrige Formulierungen in einem Rundschreiben (OLG Thüringen v. 20.4.2005) 201

BRAKMagazinBrennpunkt RechtspolitikFortbildung und Marketing

4/200515. 8. 2005 36. Jahrgang BRAK

MitteilungenHerausgeberB U N D E S R E C H T S A N W A L T S K A M M E R

Beirat

RAuN Dr. Eberhard Haas, BremenRA Dr. Christian Kirchberg, KarlsruheRA JR Heinz Weil, Paris

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BRAK-Mitt. 4/2005 III

Wenn morgen gewählt wird (B. Dombek) . . . . . . . . . . . 149

3. Zivilprozessrechts-Symposion der Bundesrechts-anwaltskammer in Potsdam (B. Schwerin) . . . . . . . . . . 150

Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess (R. Greger) . . . . . . . . . . . . . 150

Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess (L. Schmude) . . . . . . . . . . . 155

Sammelklagen oder Musterverfahren – Verfahrens-rechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung vonMassenklagen (H. Koch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Sammelklagen oder Musterverfahren – Verfahrens-rechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen (M. Weigel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte (Ch. Berger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktien-gesellschaft kraft Richterrecht (F.-E. Kempter/S. Kopp) . 174

Bericht über die 4. Berufsrechtsreferentenkonferenz (S. Kopp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Anbringung eines Kanzleischildes als Voraussetzung für die Einrichtung einer Kanzlei (S. Kopp) . . . . . . . . . 178

Das aktuelle Urteil (H. Grams)

Beratungspflichten vor Vergleichswiderruf(OLG Düsseldorf v. 17.2.2005 – I-24 U 119/04 . . . . . 179

Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/A. Jungk/H. Grams)

Haftung

Zurechnungszusammenhang bei mehreren hinter-einander tätigen Anwälten (BGH v. 7.4.2005 – IX ZR 132/01) . . . . . . . . . . . . . . . 180

Einrede der beschränkten Erbenhaftung(KG v. 3.2.2005 – 20 U 11/04). . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Beratung bei Versicherung für fremde Rechnung(OLG Saarbrücken v. 10.11.2004 – 5 U 143-02-14) . 180

Fristen

Beiläufige Fristenüberprüfung (BGH v. 13.4.2005 – VIII ZB 77/04 und BGH v. 19.4.2005 – X ZB 31/03) . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Zweiter Fristverlängerungsantrag und Einwilligung des Gegners (BGH v. 22.3.2005 – XI ZB 36/04) . . . . . . . . . . . . . . . 181

Einzelweisung zur Faxübermittlung eines Schriftsatzes(BGH. v. 3.5.2005 – XI ZB 41/04) . . . . . . . . . . . . . . . 181

Vertretungsregelung im Krankheitsfall (BGH v. 17.3.2005 – IX ZB 74/04) . . . . . . . . . . . . . . . 181

Prüfung der Faxnummer (BGH v. 1.3.2005 – VI ZB 65/04). . . . . . . . . . . . . . . . 182

Empfehlungen des Ausschusses Internationale Sozietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

Beschlüsse der 4. Sitzung der 3. Satzungs-versammlung bei der Bundesrechtsanwalts-kammer am 21.2.2005 in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Personalien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

Akzente

Aufsätze

Pflichten und Haftung des Anwalts

Aus der Arbeit der BRAK

Amtliche Bekanntmachungen

Personalien

4/2005

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IV BRAK-Mitt. 4/2005Inhalt

Berufsrechtliche Rechtsprechung

EuGH 10.3.2005 C-235/03 Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Beitreibungskosten nur bei nationaler Regelung (LS) 185

BVerfG 12.4.2005 2 BvR 1027/02 Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beschlagnahme von Dateneiner Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei (LS) 186

BVerfG 5.4.2005 1 BvR 774/02 Beitragspflicht zur berufsständischen Anwaltsversorgung währendeinkommensloser Kindererziehungszeiten (LS) 186

BGH 18.4.2005 AnwZ (B) 35/04 Werbung – Kanzleibezeichnung „K.-Associates“ 186BGH 18.4.2005 AnwZ (B) 31/04 Fachanwalt – Drei-Jahres-Zeitraum der Praxiserfahrung bei Zulassung 187BGH 4.4.2005 AnwZ (B) 19/04 Fachanwalt – zur Beschränkung des Führens von Fachanwalts-

bezeichnungen auf zwei Rechtsgebiete 188BGH 7.3.2005 AnwZ (B) 7/04 Versagung der Zulassung wegen Vermögensverfalls (LS) 190BGH 18.2.2005 AnwZ (B) 3/03 Zur Verfassungsgemäßheit der Vorschriften über die Zulassung als

Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof 190Schleswig-Hol- 2.5.2005 2 AGH 12/04 (n.r.) Zulassung – Widerruf wegen Vermögensverfalls (LS) 193steinischer AGHBayerischer AGH 28.4.2005 BayAGH I – 4/05 Pflicht des Sozius zur Übernahme der Mandate eines verstorbenen

(n.r.) Kollegen 194Bayerischer AGH 6.4.2005 BayAGH I – 31/04 Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen 195Schleswig-Hol- 17.3.2005 1 AGH 1/2005 Fachanwalt – zur Anerkennungsfähigkeit von Online-Seminaren alssteinischer AGH (n.r.) Fortbildung (LS) 197AGH Rheinland- 21.1.2005 1 AGH 27/01 Abwickler – zum Umfang der Tätigkeit (LS) 197PfalzBayerischer AGH 18.1.2005 BayAGH II – 8/04 Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars (LS) 198

(n.r.)AGH Nordrhein- 7.11.2003 2 ZU 10/03 Werbung – Angabe eines Kooperationspartners 198Westfalen AGH NW (n.r.)AGH Nordrhein- 4.7.2003 (2) 6 EVY 4/02 Pflicht zur Entgegennahme von Zustellungen (LS) 199Westfalen AGH NW (n.r.)

BGH 24.2.2005 I ZR 128/02 Rechtsberatung – Fördermittelberatung (LS) 199BGH 27.1.2005 I ZR 202/02 Werbung mit „optimaler Vertretung“ 199OLG Karlsruhe 17.6.2005 14 U 16/05 Unterlassungsanspruch wegen Berichterstattung über Straftaten eines Sozius (LS) 201OLG Thüringen 20.4.2005 2 U 948/04 Werbung – wettbewerbswidrige Formulierungen in einem Rundschreiben 201LG Hamburg 3.9.2004 312 O 801/04 Werbung – Ausführungen einer Kanzlei zu den Dienstleistungen ihres

Mandanten 204

Europäischer Gerichtshof/Bundesverfassungsgericht

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

BRAK-MITTEILUNGEN

Informationen zu Berufsrecht und Berufspolitik

HERAUSGEBER: Bundesrechtsanwaltskammer (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. 030/284939-0, Telefax 030/284939-11).

E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.

Redaktion: Rechtsanwalt Stephan Göcken (Sprecher der Geschäftsführung/Schriftlei-ter), Rechtsanwalt Christian Dahns, Frauke Karlstedt (sachbearbeitend).

VERLAG: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln (Bay-enthal), Tel. (02 21) 9 37 38-01; Telefax 02 21/ 9 37 38-9 21.

E-Mail: [email protected]

Konten: Sparkasse KölnBonn (BLZ 37050198) 30602155; Postgiroamt Köln (BLZ37010050) 53950-508.

ERSCHEINUNGSWEISE: Zweimonatlich jeweils zum 15. 2., 15. 4., 15. 6., 15. 8., 15.10., 15. 12.

BEZUGSPREISE: Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mit-teilungen im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugs-gebühr zugestellt. Jahresabonnement 89 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft 19,80 €(zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54% (Steuersatz7%) enthalten.

ANZEIGEN: an den Verlag.

Anzeigenleitung: Renate Becker (verantwortlich).

Gültig ist Preisliste Nr. 20 vom 1. 1. 2005

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 136 700 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK: Boyens Offset, Heide. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE: Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträgesind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung infremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Ge-nehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbei-tungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für die veröf-fentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von der Schrift-leitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Ge-brauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien herge-stellt werden.

IVW-Druckauflage 1. Quartal 2005: 134 800 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER

Berufliche Vertretung aller Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland; 28Mitgliedskammern (27 regionale Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskammerbeim Bundesgerichtshof). Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechtsanwalts-kammern und die Bundesrechtsanwaltskammer als Dachorganisation sind die Selbst-verwaltungsorgane der Anwaltschaft.

GESETZLICHE GRUNDLAGE: Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959,BGBl. I S. 565, in der Fassung vom 2. 9. 1994, BGBl. I S. 2278.

ORGANE: Hauptversammlung bestehend aus den 28 gewählten Präsidenten derRechtsanwaltskammern; Präsidium, gewählt aus der Mitte der Hauptversammlung;Präsident: Rechtsanwalt und Notar Dr. Bernhard Dombek, Berlin. Vorbereitung derOrganentscheidungen durch Fachausschüsse.AUFGABEN: Befassung mit allen Angelegenheiten, die für die Anwaltschaft von all-gemeiner Bedeutung sind; Vertretung der Anwaltschaft gegenüber Gesetzgeber, Ge-richten, Behörden; Förderung der Fortbildung; Berufsrecht; Satzungsversammlung;Koordinierung der Tätigkeit der Rechtsanwaltskammern, z. B. Zulassungswesen, Be-rufsaufsicht, Juristenausbildung (Mitwirkung), Ausbildungswesen, Gutachtenerstat-tung, Mitwirkung in der Berufsgerichtsbarkeit.

BRAK-Mitt. 4/2005 VAktuelle Hinweise

Schöttle, Hendrik, Anwaltliche Rechts-beratung via Internet, Recht und NeueMedien, Band 7, 2004, 342 Seiten, kar-toniert, Euro 38, Richard Boorberg Ver-lag GmbH & Co. KG, Stuttgart, ISBN-Nr.: 3-415-03462-3

Mit Ausweitung der elektronischenKommunikation wird es für den Rechts-anwalt immer interessanter, seineRechtsberatung auch im Internet anzu-bieten. Doch welche Regeln muss derAnwalt, der sich zu diesem Schritt ent-schließt, im Netz beachten? Dieser Fragegeht Hendrik Schöttle in seiner Arbeit„Anwaltliche Rechtsberatung via Inter-net“ nach. Dabei wird nur zu deutlich:Die Rechtskreise von Internet undRechtsberatung harmonieren nur seltenmiteinander. Im anwaltlichen Berufs-recht gibt es keine Regelungen speziellfür den Bereich des Internet. Problemeergeben sich zum Beispiel bereits hin-sichtlich der Pflichtangaben auf „Brief-bögen“. Umgekehrt werden die Vor-schriften des E-Commerce und desDatenschutzrechts dem besonderen Ver-trauensverhältnis zwischen Anwalt undMandant kaum gerecht. Insgesamt stelltsich dem Anwalt ein Dschungel vonRegelungen entgegen, den er sicherdurchqueren muss.

Der erste Teil des Buches beschäftigtsich mit der Einrichtung der technischenund organisatorischen Infrastruktur wieE-Mail, Homepage und der Verwendungvon Online-Formularen.

Dabei kommt die Anwendung von Vor-schriften aus dem Teledienstgesetz, demBundesdatenschutzgesetz, dem Fernab-satzgesetz und dem Strafgesetzbuch inBetracht, deren Geltung im Hinblick aufdie Rechtsberatung durch den Anwalteingehend untersucht wird.

Nach Ansicht des Autors kann derAnwalt grundsätzlich per unverschlüs-selter E-Mail kommunizieren, auch ohneZustimmung des Mandanten, ohnedabei gegen das anwaltliche Berufsge-heimnis zu verstoßen. Die Vertraulich-keit sei durch das Fernmeldegeheimnis,§ 206 StGB, und den Tatbestand desAusspähens von Daten, § 202a StGB,geschützt. Doch sei im Einzelfall eineEinschränkung möglich, etwa für beson-

Buchbesprechungen

Aktuelle Hinweise

ders sensible Informationen. Letztend-lich liegt wohl das Schutzniveau der E-Mail unter dem von Brief und Telefon,ist vielmehr dem des Telefax vergleich-bar. Der Einsatz von Verschlüsselungs-techniken wird im Ergebnis als bisherwenig tauglich angesehen, weil derMandant jeweils über die passende Ent-schlüsselungs-Software verfügen müsste.

Die E-Mail unterliege zudem § 10BORA, was bei Rechtsanwaltsgesell-schaften besondere Pflichtangaben nachsich zieht.

Da der Anwalt über seine Homepageneue Mandanten akquiriere, sei dieseals Teledienst anzusehen, so dass dieAnbieterkennzeichnung nach dem Tele-dienstgesetz beachtet werden muss. ImKontakt mit Verbrauchern sei zudem dasFernabsatzgesetz zu beachten, außer-dem die Regelungen über den elektroni-schen Geschäftsverkehr, soweit Online-Formulare verwendet werden. Bei Ver-stoß gegen eine der daraus entstehendenOrganisations- und Informationspflich-ten könnten je nachdem Ansprüchegegen den Anwalt aus § 1 UWG, § 2Abs. 1 UWG, § 12 TDG oder § 2 Abs. 1UKlaG entstehen.

Auf Daten, die zum Homepage-Abruferforderlich sind, soll außerdem dasTeledienstedatenschutzgesetz (TDDSG)anwendbar sein, nicht hingegen auf dieanwaltliche E-Mail-Kommunikation. ZurErstellung von Nutzerstatistiken sei je-doch eine Datenschutzerklärung sowieein Hinweis auf das Widerspruchsrechtgem. § 6 Abs. 3 Satz 2 TDDSG notwen-dig.

Die Vorschriften des Bundesdaten-schutzgesetz (BDSG) hingegen kollidie-ren größtenteils mit den Berufspflichtendes Anwalts, so die Benachrichtigungs-und Auskunftspflichten mit der anwaltli-chen Verschwiegenheitspflicht. Aus demSubsidiaritätsgrundsatz des BDSGergebe sich jedoch ein Vorrang desanwaltlichen Berufsrechts.

Nach der ausführlichen Prüfung all die-ser in Betracht kommenden Regelungenist die Zusammenfassung der Informati-ons- und Organisationspflichten zurHomepage und zur Verwendung vonOnline-Formularen für den Leser hilf-reich.

Im zweiten Teil des Buches geht derAutor auf Fragen der konkreten Man-datsabwicklung ein, indem der Ablaufeines Beratungsfalles beginnend mit derKontaktaufnahme durch den Mandantenbis hin zur Abrechnung des Honorarstheoretisch durchgespielt wird.

Das E-Mail-Postfach solle vom Anwaltmindestens zu Beginn und Ende derBürozeiten überprüft werden, da eineauf dem Server eintreffende E-Mailzugegangen sei.

Bei Zugang eines neuen Auftrags habeder Anwalt die Informationspflichtennach dem Recht der besonderen Ver-triebsformen zu beachten. Ansonstenriskiere er einen verzögerten Lauf derWiderrufsfrist, soweit das Fernabsatz-recht anwendbar ist, und möglicheAnsprüche aus § 1 UWG und § 2 UKlaGgegen ihn.

Der Anwalt könne, so Schöttle, im Inter-net eine Honorarvereinbarung mit demInhalt einer Zeitvergütung abschließenoder eine Pauschalvergütung vereinba-ren, wenn sie individuell nach einerersten Prüfung des Mandats vereinbartwird.

Problematisch am Begriff des Beratungs-gesprächs sei, dass dieser auf den E-Mail-Schriftverkehr nicht übertragbarsei, weil dieser eine zeitversetzte Kom-munikation und damit jedenfalls keinBeratungs„gespräch“ darstelle.

Die E-Mail, so stellt der Verfasserabschließend fest, sei dem persönlichenBeratungsgespräch unter vier Augen bis-her nach wie vor unterlegen. Als Vorteilder Internet-Rechtsberatung nennt er dieZeitersparnis und Einfachheit. Um sichauf dem Markt zu behaupten, müsstenjedoch andere Nachteile, wie die Prob-lematik der digitalen Signatur, die imNetz nicht genug verbreitet ist, um eineernsthafte Alternative zum Versand vonSchriftstücken darzustellen, oder daten-schutzrechtliche Anforderungen, die dieanwaltliche Verschwiegenheitspflichtund das Recht auf informationelleSelbstbestimmung des Mandanten igno-rieren, beseitigt werden.

Die Arbeit Schöttles gibt einen interes-santen Überblick über die Situation der

(Fortsetzung Seite VI)

VI BRAK-Mitt. 4/2005Aktuelle Hinweise

anwaltlichen Rechtsberatung im Inter-net, von der Akquisition des Mandantenüber die Homepage bis zur Abwicklungder Honorarzahlung, auch wenn dererste Teil für den praktischen Anwenderetwas zu wissenschaftlich und detailliertsein mag. Die Abrechnungsfragen rich-ten sich noch nach der BRAGO, wobeider Verfasser in manchen Bereichenbereits auf den Entwurf zum RVG ein-geht.

Rechtsreferendarin Sonja Detlefsen,Berlin

UIA-Kongress 2005 vom 31.8. bis 4.9.2005 in Fès/

Marokko

Der 49. UIA-Kongress wird dieses Jahrvom 31.8. bis 4.9.2005 in Fès/Marokkostattfinden. Die Hauptthemen des Kon-gresses werden „Lawyers of the world: asingle code of ethnics“ und „Digitalworld: challenges for the legal system?“sein.

Anmeldungen und weitere Informatio-nen unter

E-Mail: [email protected]: www.uianet.org.

3. Europäischer Juristentag vom 7. bis 9.9.2005 in Genf

Der 3. Europäische Juristentag wird vom7. bis 9.9.2005 in Genf stattfinden. Aus-richter dieser Veranstaltung ist derSchweizerische Juristenverein.

Die drei Abteilungen befassen sich mitden Themen „Verantwortlichkeit derGesellschafts- und Aufsichtsorgane inEuropa“, „Entwicklung eines gemein-europäischen Zivilprozessrechts“ und„Koordination des Grundrechtsschutzesin Europa“.

Anmeldungen und weitere Informatio-nen unter: www.jurist2005.org.

IBA-Konferenz vom 25. bis 30.9.2005 in Prag

Anwälte aus aller Welt werden zumdiesjährigen IBA-Jahreskongress vom 25.bis 30.9.2005 in Prag erwartet. Das

Veranstaltungshinweise

umfassende Programm, das über 100Arbeitsgruppen anbietet, und weitereInformationen im Internet unter http://www.ibanet.org/images/downloads/prelimprogrammeforweb.pdf.

7. Fachtagung des Forum Justizgeschichte

Die 7. Fachtagung des Forum Justizge-schichte tagt zu dem Thema „Juristen-ausbildung – kritisch besichtigt“ vom1.–5.10.2005 in der Deutschen Richter-akademie in Wustrau.

Aus dem Programm:

– Warum die jüngste Rechtsgeschichteuns so viel zu sagen hat

– Juristenausbildung im Nationalsozia-lismus

– Juristenausbildung in der SBZ/DDR

– Kappung der Reformen der 60er- und70er-Jahre; wie und was lehren? – Ausder Sicht junger Juristen

– Die mündliche Prüfung als Initiations-ritual

– Zur prägenden Wirkung der Juristen-ausbildung auf die Mentalität imBerufsvollzug

– Juristenausbildung: Eine Veranstaltungzur Beförderung oder zur Austrei-bung kritischen Denkvermögens?

Anmeldung und weitere Informationen:

Forum Justizgeschichte e.V., Herren-breite 18 A, 38302 Wolfenbüttel, Tel.:0 53 31/7 11 35; Fax: 0 53 31/3 33 29;E-Mail: [email protected],Homepage:www.forum-justizgeschichte.de

Tagungsgebühr inkl. Vollpension:

150 Euro, 100 Euro für Mitglieder desForums, 50 Euro für Studenten und Refe-rendare.

Bericht über die 32. Tagung der DACH Europäische

Anwaltsvereinigungvom 19. bis 21. Mai 2005

in Zürich

Nach nunmehr 15 Jahren lud der Vor-stand der DACH seine Mitglieder erneutin die Bankenstadt Zürich ein, wo im

Vermischtes

Hotel Marriott zum Thema der Siche-rung von Forderungen Länderberichteaus Deutschland, der Schweiz, Öster-reich, den Niederlanden, Spanien, Ita-lien und Polen von Kolleginnen und Kol-legen gegeben wurden. Knapp 90 Teil-nehmer fanden sich am 19.5.2005 zumtraditionellen Begrüßungsabendessen imRainbowroom des Tagungshotels ein.

Die Referate wurden am folgenden Frei-tag sowie dann Samstag vormittag gehal-ten. Frau RAin Brigitte Umbach-Spahn,Zürich, berichtete als Erste aus demTagungsland Schweiz über die dortigenSicherungsinstitute. Als mit dem Konkursder Swissair befasste RAin einer renom-mierten Zürcher Kanzlei berichtete sienicht nur einen sehr anschaulichen aktu-ellen Fall über das Schicksal eines Faust-pfandrechts an einem Flugsimulatorunter Beteiligung eines US-amerikani-schen Leasinggebers und einer italieni-schen Bank, sondern gab auch einenguten Überblick über sonstige Siche-rungsinstitute der Schweiz.

Im zweiten Vormittagsreferat stellte HerrRA Dr. Max Wieland, München,schwerpunktmäßig die gebräuchlichste,weil im Gegensatz zur Schweiz, Italienund Spanien keiner Registrierungspflichtunterliegenden Lieferantensicherheitsowie den Eigentumsvorbehalt in sei-nen in Deutschland sehr weitreichendenErscheinungsformen dar. Äußerst über-sichtlich wurden in einem weiterenherausgegriffenen Schwerpunkt das Ins-titut des sog. Poolvertrages zur Begrün-dung einer Sicherheiten-Verwertungsge-meinschaft im Insolvenzfall mit einemVertragsmuster sowie die damit zusam-menhängenden umsatzsteuerrechtli-chen Probleme erläutert.

Nach der Mittagspause widmete sichHerr RA Dr. Lothar Giesinger, Feldkirch,den in Österreich gängigen Sicherungs-mitteln wie Garantie, Bürgschaft undSchuldbeitritt. Nach der Darstellung desPfandrechtes an beweglichen und unbe-weglichen Sachen ging der Referent sehrausführlich auf die Besonderheiten desösterreichischen Eigentumsvorbehaltsund der Sicherungsabtretung ein.

Den spanischen Sicherungsinstitutenwidmete sich Herr RA Dr. Oliver Helf-rich, Madrid, wobei er insbesondere aufdie Registrierungspflicht des Eigentums-vorbehalts einging. Von nicht nur unter-haltsamem Wert waren seine auf auslän-dische Exporteure zugeschnittenen Fall-beispiele mit Besonderheiten zur grenz-überschreitenden Vereinbarung vonAGB.

(Fortsetzung von Seite V)

(Fortsetzung Seite VIII)

VII BRAK-Mitt. 4/2005VIII Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 4/2005

Das letzte Freitagsreferat war dem hol-ländischen Recht der Forderungssiche-rung gewidmet. Frau RAin Birgitt deBoer-Kühn, Amsterdam, wies ganzbesonders auf länderspezifische Beson-derheiten bei der Verwertung vonSicherheiten hin. Sie gab neben einerallgemeinen Übersicht zu einzelnenSicherungsformen auch wertvolle Hin-weise zu Besonderheiten der Vertragsge-staltung.

Der Samstag war den Berichten für dieLänder Italien und Polen vorbehalten.Frau RAin Susanne Hein, Mailand,zeigte die in Italien besonders strengenPublizitätserfordernisse für die Wirksam-keit des Eigentumsvorbehaltes gegen-über Dritten auf und erstreckte die Fall-beispiele auf sehr anschauliche IPR-Fälle. Wie bei solchen Tagungen durch-aus auch erwünscht, lernten die Teilneh-mer auch einiges „Neues“ kennen, wiez.B. die Möglichkeit einer Hypotheken-bestellung an einem Kraftfahrzeug in Ita-lien oder, um nun zum polnischen Refe-rat zu kommen, der dortigen Möglich-keit der privatrechtlichen Schaffungeines Vollstreckungstitels durch Bankins-titute. Hierauf ging Herr RA Prof. Dr.hab. Andrzej Kubas, Krakau, ein, freilichein noch bestehendes Relikt aus der Zeitdes Kommunismus sowie die Problema-tik der Kollision mit EU-Regelungen.Interessant waren seine Ausführungenzu Besonderheiten der Sicherungsverfü-gungen von Ehegatten.

Für den Freitagabend lud der Vorstanddie Teilnehmer zunächst zu einer Füh-rung durch die Masoala-Halle des Zür-cher Zoos ein, einem in Europa völligeinzigartigen Objekt der authentischenDarstellung des Regenwaldes vonMadagaskar. Nach dem einstündigen,äußerst informativen, aber auch sehrschwül-warmen Tête-à-tête mit Floraund Fauna der subtropischen Insel fanddas Abendessen statt im eigens für dieDACH umdekorierten Restaurantnebenan. Als Ehrengast gesellte sichHerr Dr. Rainer Klopfer, Präsident desObergerichts des Kantons Zürich, zurRunde.

Am Samstag vormittag fand nach demfachlichen Teil die 18. Mitgliederver-sammlung der DACH statt. Neben demüblichen Vereins- und Kassenberichtund Entlastung des Vorstandes für 2004fanden die Vorstandswahlen statt.

Auf Empfehlung des Vorstandes wurdeder nun fünf Jahre als Präsident und ins-gesamt 16 Jahre im Vorstand der DACH

tätige Verfasser dieses Berichts, Herr RADr. Peter Wieland, München, der nichtmehr für eine Wiederwahl kandidierthatte, abgelöst. Einstimmig erfolgte dieWahl von Herrn RA Dr. Peter Zimmer-mann, Düsseldorf, zum neuen Präsiden-ten der DACH. Ebenfalls abgelöst wurdeder nicht mehr kandidierende und eben-falls seit 16 Jahren im Amt befindlicheSchatzmeister der DACH, Herr RA Dr.Norbert Seeger, Vaduz, durch Herrn RADr. Alexander Ospelt, Schaan. Somitverbleibt die Kassenhoheit der DACHweiterhin im Fürstentum Liechtenstein.Die bisherige Vizepräsidentin, Frau RAinDr. Susanne Hüppi, Zürich, sowie derSchriftführer, Herr RA Dr. Hubert Kinz,Bregenz, wurden für eine weitere Amts-periode bestätigt, und zwar ebenfallseinstimmig. Die anwesenden Mitgliederund die beiden neu gewählten Vor-stände dankten den beiden ausgeschie-denen Vorständen für ihre ausdauerndeund kontinuierliche Arbeit. Gedachtwurde auch des 1999 verstorbenen Erst-präsidenten, Herrn RA Prof. Dr. WalterSchuppich, Wien, der vielen mit seinerunverwechselbar vorbildlichen Art nochsehr lange in Erinnerung bleiben wird.Dem in der Mitgliederversammlunganwesenden und 2003 ausgeschiedenenlangjährigen Vizepräsidenten derDACH, Herrn RA Dr. Max Oesch,Zürich, gebührte ebenfalls ein langerApplaus für seine effiziente Aufbauar-beit.

An dieser Stelle möchte ich mich – denWechsel in die sprachliche „Ich-Form“möge man mir nachsehen – wirklich vonganzem Herzen bedanken bei allenDACH-Mitgliedern, die durch ihre Teil-nahme an unseren jährlich zweimalstattfindenden Tagungen in verschiede-nen Städten im Herzen Europas zumeigentlichen „Erfolg“ der DACH einenganz maßgeblichen Beitrag geleistethaben und hoffentlich weiterhin leistenwerden. Ein ganz besonderer Dank giltweiterhin den vielen Kolleginnen undKollegen aus verschiedenen Ländern,die fachlich sowie wissenschaftlich mitinsgesamt weit mehr als 250 Beiträgen„unsere DACH-Tagungen“ zu einer Insti-tution in der Anwaltschaft gemachthaben. Unterstützung erfuhr die DACHinsbesondere auch seit der Gründung imJahre 1989 durch die vielen Kolleginnenund Kollegen im Deutschen Anwaltsver-ein und der BRAK, dem Österreichi-schen Rechtsanwaltskammertag sowiedem Schweizerischen und auch Liech-tensteinischen Anwaltsverband, die unstatkräftig unterstützt und beraten haben.Die Fachpublikationen dieser großenOrganisationen druckten regelmäßig

unsere Tagungsberichte ab, sodass wir inden vielen Jahren auch immer wiederneue Mitglieder werben konnten. Nichtzuletzt möchte ich auch meiner Ehefrau,Frau RAin Petra Heck-Wieland ganzherzlich für die treue Verbundenheit beiunserer oftmals „gemeinsamen“ ehren-amtlichen Tätigkeit im Dienste derDACH danken.

Viele sind uns treu geblieben; die DACHversteht sich nicht nur als Fachforum.Viele Mitglieder kommen fast regelmä-ßig zu unseren Tagungen. Es sind neueFreundschaften entstanden sowie aucheinzelne wie dauerhafte Mandatsbezie-hungen begründet und vermittelt wor-den. Wen wundert es daher, wenn sichunsere langjährigen Tagungsteilnehmerals „Familie“ sehen. Ich bin mir sicher,dass das mit dem neu zusammengesetz-ten Vorstandsteam auch so bleiben wird.

Die nächste, 33. DACH-Tagung findetstatt in Düsseldorf im neuen HotelInterConti an der Königsallee vom29.9. bis 1.10.2005 mit dem Thema„Errichtung einer Zweigniederlassungim Ausland“.

Informationen über die DACH erhaltenSie bei der Mitgliederverwaltung, c/oFrau RAin Dr. Susanne Hüppi, Klosbach-str. 110, CH – 8032 Zürich, Tel.: 0041-1-252 66 88 oder im Internet unterwww.dach-ra.de.

Dr. Peter Wieland, RA undFachanwalt für Arbeitsrecht, München

Zuständigkeit der Amts-gerichte in Hamburg

Das Amtsgericht Hamburg weist aufÄnderungen seiner Stadtteilgerichtehin. Seit dem 1.4.2002 sind zu demAmtsgericht Hamburg-Mitte durchÄnderungen der Zuständigkeitsgren-zen die Amtsgerichte Hamburg-Barm-bek und Hamburg-St. Georg hinzuge-kommen. Fast ein Viertel der an dasAmtsgericht Hamburg-Mitte gerichtetenKlagen gehörten nicht in die dortigeZuständigkeit, sondern werden bisheran die neugegründeten Amtsgerichte inBarmbek und St. Georg weitergeleitet.Das Amtsgericht Hamburg bittet umBeachtung der Zuständigkeiten, da inZukunft über das übliche Prozedereeiner Verweisung nach § 281 ZPO einZeitverlust von rund 1 Monat entstehenkann.

(Fortsetzung von Seite VI)

(Fortsetzung Seite XVI)

VIII BRAK-Mitt. 4/2005XVI Aktuelle Hinweise BRAK-Mitt. 4/2005

Deutscher Fußball-CUP der Rechtsanwälte 2006

Was in anderen europäischen Ländernschon lange zum regelmäßigen sportli-chen Veranstaltungsprogramm bei RAengehört, soll es in Deutschland zum ers-ten Mal im Jahre 2006 geben: Ein Fuß-ball-Turnier der deutschen RAe. Teilneh-men können Anwaltsmannschaften, diein Kammern organisiert sind oder sich„frei“ zusammenfinden.

Deutschland ist im Jahre 2006 geprägtvon der Fußball-Weltmeisterschaft alsgrößtes sportliches Highlight. Vom 9.Juni bis 9. Juli 2006 regiert König Fuß-ball die Anhänger des runden Leders.

Der deutsche Fußball-CUP der RAe sollvom

Donnerstag (Fronleichnam), 15. Juni, bis Sonntag, 18. Juni 2006,

ausgetragen werden.

Natürlich kann das Turnier parallel zurWM eine doppelte Wirkung entfalten,

weil alle Teilnehmer gemeinsam dieSpiele verfolgen können.

Der Austragungsort wird gerade ermit-telt. Fest steht, dass er zentral liegen, guterreichbar sein und ein attraktivesUmfeld aufweisen wird. Die Veranstalterwürden gerne im Sommer 2005 wissen,wie das Interesse der Anwälte an diesemTurnier ist. Zwölf Teams sollten mindes-tens aufgestellt werden. Gespielt wirdauf „Kleinfeld“.

Deshalb unsere dringende Bitte an alle,die an diesem Turnier interessiert sind:Teilen Sie uns so früh als möglich perFax, Mail oder Telefon mit, ob Sie kom-men würden und mit wie vielen Perso-nen. Selbstverständlich kann die Zahlder Teilnehmer später noch konkreti-siert werden, doch für uns als Veranstal-ter ist eine ungefähre Angabe wichtig,um entsprechend planen zu können.

Die Meisterschaft soll zukünftig allezwei Jahre in einem anderen Bundes-land ausgetragen werden. Neben demsportlichen Einsatz der Advokaten sollnatürlich die Kommunikation der Kolle-gen untereinander, verbunden mit Spaß

und Erlebnis im Vordergrund der Begeg-nungen stehen, denn wie heißt es? ElfFreunde müsst ihr sein ...!

Die ausrichtende Agentur hat im Jahre2003 gemeinsam mit einer Auswahl derAnwaltskammer Frankfurt die Europa-Meisterschaft der RAe im Fußball in derBankenstadt umgesetzt und organisiert(European Lawyers Football Cup).

Die dritte Auflage ging mit großemErfolg Mitte Mai 2005 in Salzburg zuEnde, aus der das Team Wien den Titelnach einem spannenden Spiel gegen dieKollegen aus London mit nach Hausenehmen konnte.

Rückmeldungen und/oder Fragen an:

Deutscher Fußball Cup der RAe 2006Organisationsbüro/VeranstalterAnsprechpartner: Jochen SchneiderPostfach 600 846D-60338 FrankfurtLöwengasse 27, C 2D-60385 FrankfurtTelefon 069-945 08 444Telefax 069-945 08 446Mobil 0172-66 45 976E-Mail: [email protected]

(Fortsetzung von Seite VIII)

BRAK-Mitt. 4/2005 149

Eigentlich sollte sie erst im nächsten Jahr stattfinden, die Bundes-tagswahl. Nach der überraschenden Vertrauensfrage des Bundes-kanzlers und der nicht mehr so überraschenden Entscheidung desBundespräsidenten, den Bundestag aufzulösen, fällt die sonst übli-che parlamentarische Sommerpause in diesem Jahr aus. Im Sep-tember soll gewählt werden. Also dürfen die Parteien nicht pausie-ren. Sie rüsten sich für einen zwar kurzen, aber wahrscheinlichheißen Wahlkampf. Abgekühlt hat sich hingegen die politischeAuseinandersetzung über eine Reform des Rechtsberatungsmark-tes. Aufgeschoben, jedoch nicht aufgehoben, ist der Entwurf desBundesjustizministeriums zum Rechtsdienstleistungsgesetz, eben-so wie viele andere rechtspolitische Vorhaben, die entweder derDiskontinuität anheimfallen oder zurückgestellt werden, solangenicht klar ist, ob eine sich erneuernde alte oder eine neue Regie-rung ab Oktober das Zepter des Handelns in der Hand hält. Die Gerichtsferien sind schon lange abgeschafft. Rechtsanwältin-nen und Rechtsanwälte kennen daher keine Sommerpause. In die-sem Jahr sollten jedoch auch wir eine kurze Pause in unserer täg-lichen Arbeit einlegen und uns dem Wahlkampf widmen. Wir müs-sen die Gelegenheit nutzen, vor der Wahl unsere Meinung zurRechtspolitik zu sagen. Wir müssen mit den zukünftigen politischenEntscheidungsträgern reden. Wir wollen hören, wie sie zu unserenrechtspolitischen Positionen stehen. 135.000 Anwältinnen undAnwälte sind eine starke, unübersehbare Wählergruppe. Aber nichtnur das – die Anwaltschaft hat eine ebenso starke Stellung in derGesellschaft. Wir sind im täglichen Kontakt mit unseren Mandan-ten, wir sind Arbeitgeber, wir sind engagiert in Vereinen und Orga-nisationen – wir sind Multiplikatoren. Wir haben eine Stimme. Unsere Wahlprüfsteine 2005:

Rechtsdienstleistungsgesetz

Wir lehnen eine radikale Liberalisierung des Rechtsberatungsmark-tes ab. Unentgeltliche und entgeltliche Rechtsbesorgung in sog.einfachen Rechtsfällen und die Rechtsberatung als Nebenleistungwürden nicht dem Schutz des Rechtssuchenden vor unqualifizier-ter Rechtsdienstleistung dienen. Im Gegenteil – die Qualität derRechtsberatung würde sinken, da in Zukunft verstärkt mit falscher,nicht interessengerechter Beratung zu rechnen ist. FehlerhafteRechtsberatung führt auch zu einer unnötigen stärkeren Beanspru-chung der Gerichte. Der rechtsuchende Verbraucher, der durch-schnittlich in seinem Leben in zwei Rechtsstreitigkeiten verwickeltist, kann in den seltensten Fällen erkennen, ob er es mit einem„guten Rechtsberater“ zu tun hatte. Nur die hierfür ausgebildete

Anwaltschaft kann allen Verbrauchern den gleichen Zugang zumRecht gewährleisten.

Justizreform

Nach einer Umfrage des DIHK ist die Rechtssicherheit ein großerPluspunkt in den Augen der Wirtschaft für den Standort Deutsch-land. Es darf deshalb keine weitere Beschränkungen und Verkür-zungen der bestehenden Instanzenzüge geben. Eine von manchenLandesjustizministerinnen und -justizministern diskutierte Redu-zierung von Rechtsmitteln auf das verfassungsmäßig gerade nochVertretbare ist eines Rechtsstaats unwürdig. Recht auf einem Mini-malniveau kann es in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben.Eine ausschließlich fiskalischen Gründen geschuldete Beschrän-kung der Instanzenzüge führt auch erfahrungsgemäß nicht zueinem Entlastungseffekt und der gewünschten Verstärkung der ers-ten Instanz. Im Gegenteil – die Richter der ersten Instanz werdendeutlich mehr belastet, da wir Anwälte im Interesse unserer Man-danten in der ersten Instanz noch umfassender vortragen müssten.

Juristenausbildung

Die Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen in der Juris-tenausbildung ist bisher völlig unausgegoren. Wir wollen die Qua-lität der Rechtsberatung sichern, statt einen Qualitätsabbau deruniversitären Juristenausbildung zu fördern. Bevor nicht gesichertist, welchen Beruf der juristische Bachelor ausüben kann, ist diebeabsichtigte Änderung der falsche Weg.Seit Jahren beklagen wir einen Verfall der Rechtskultur. Seit Jahrenerleben wir eine Justiz als Steinbruch. Sog. Verfahrensbeschleuni-gungsgesetze, die den Bürgern als Reformgesetze verkauft werden,tatsächlich aber zu einem weniger an Justiz und Gerechtigkeit füh-ren, werden immer wieder neu aufgelegt. Wir kämpfen gegenQualitätsverlust nicht nur im Interesse unserer Mandanten, son-dern insbesondere unserer Gesellschaft, in der wir alle leben. Jetzt,vor den Wahlen, ist es Zeit, unsere Meinung zu sagen und unsereStimme zu erheben. Sprechen Sie deshalb mit den Kandidaten inIhrem Wahlkreis und auf den Wahllisten der Parteien. Der Bundespräsident hat uns bei seiner Entscheidung, den Bundes-tag aufzulösen, gesagt:„Jetzt haben Sie es in der Hand. Schauen Sie bitte genau hin.Demokratie heißt, die Wahl zu haben zwischen politischen Alter-nativen.“

Bernhard Dombek

4/200515. 8. 2005 36. Jahrgang

Akzente

Wenn morgen gewählt wird– Die Stimme der Anwaltschaft –

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150 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Schwerin, 3. Zivilprozessrechts-Symposion der Bundesrechtsanwaltskammer in Potsdam

3. Zivilprozessrechts-Symposion der Bundesrechtsanwaltskammer in Potsdam

Rechtsanwältin Barbara Schwerin, Berlin

Am 4./5.3.2005 fand in Potsdam das 3. Zivilprozessrechts-Sym-posion der BRAK statt. Der Präsident der BRAK Dr. Dombekbegrüßte im Cecilienhof als Teilnehmer Hochschullehrer, Rich-ter, Angehörige des Bundesministeriums der Justiz und der Lan-desjustizverwaltungen sowie die Mitglieder des ZPO/GVG-Ausschusses der BRAK.

Nachdem das 1. Symposion im Jahre 1999 Vorüberlegungenfür eine Rechtsmittelreform erarbeitet hatte und auf dem 2.Symposion 2003 berufsübergreifende Grundsatzthemen fürRechtsanwälte und Richter behandelt wurden, waren Themendes diesjährigen Symposions berufsübergreifende Fragen desZivilprozessrechts.

Das Fachprogramm des Symposions teilte sich in drei Themen-komplexe auf, von denen der erste Bereich dem Thema „Verän-derungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschenZivilprozess“ gewidmet war. RA Lothar Schmude (Köln) berei-tete das Thema aus anwaltlicher Sicht auf, während Prof. Dr.Reinhard Greger (Erlangen) die Veränderungen des Beweis-rechts aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtete. Im Anschlussan die höchst informativen Vorträge der Referenten1 entspannsich zwischen den Teilnehmern eine sehr lebhafte und kon-struktive Debatte. Kontrovers wurde dabei insbesondere dieNeuregelung des § 142 ZPO diskutiert: Während der Vorschriftvon einigen Teilnehmern ein hoher Wert eingeräumt wurde,der Verfahren für den Beweispflichtigen retten könnte, standenandere Teilnehmer der Vorschrift skeptisch gegenüber, zumalnicht verhindert werden könnte, dass Parteien ihre Beibrin-gungspflicht bewusst zurückzuhalten versuchen.

Der zweite Komplex des Fachprogramms stand unter dem The-ma: „Sammelklagen oder Musterverfahren – Verfahrensrechtli-che Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen“.Aus Sicht der Anwaltschaft trug zu diesem Thema RA Dr. Mi-chael Weigel (Frankfurt/Main) vor, wissenschaftlich referiertezu dem Thema Prof. Dr. Harald Koch (Rostock). In der anschlie-

ßenden Diskussion waren sich die Teilnehmer zum größten Teileinig, dass das deutsche Zivilprozessrecht ein Verfahren für dieBehandlung von gleichgerichteten Klageansprüchen benötige.Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang insbesondere auchder Gesetzesentwurf für ein Kapitalanlegermusterverfahrensge-setz, der als richtiger Ansatz, jedoch nicht auf sämtliche Artengleichgerichteter Ansprüche übertragbar angesehen wurde. In-tensiv diskutierten die Teilnehmer zudem die Vor- und Nach-teile der Einbringung mehrerer gleichgerichteter Ansprüche ineine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der dritte Block des Fachprogramms beschäftigte sich mit Fra-gen der „Effektivität des Rechtsschutzes vor den Schiedsgerich-ten und den staatlichen Gerichten im Vergleich“. Aus anwalt-licher Sicht trug zu diesem Themenkomplex RA Jens-PeterLachmann (Berlin) vor; die richterliche Sicht wurde in einemReferat des VRiLG Dr. Heinz Hawickhorst (Berlin) dargestellt.In der anschließenden Diskussion wurden als Vorteile derSchiedsgerichte gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeitinsbesondere die Möglichkeit genannt, die Schiedsrichter selbstzu wählen und auch sachverständige Laien beiziehen zu kön-nen sowie der gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeitnicht begrenzte zeitliche Rahmen für die mündliche Verhand-lung und die Möglichkeit der nicht öffentlichen Verhandlung.Gelobt wurde jedoch auch die hohe fachliche Kompetenz derordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Teilnehmer konnten sichdurchaus vorstellen, dass auch die ordentliche Gerichtsbarkeitfür Großverfahren über die Möglichkeit der Prorogation vonbestimmten Spruchkörpern attraktiver sein könnte, wobei hin-sichtlich eines völligen Gleichlaufes von Schiedsgerichtsbarkeitund ordentlicher Gerichtsbarkeit unüberwindliche verfassungs-rechtliche Probleme, wie das Recht auf den gesetzlichen Rich-ter oder den durch die Europäische Menschenrechtskonventiongesicherten Grundsatz der Öffentlichkeit, gesehen wurden. Die überaus informativen Referate, deren positive Aufnahmedurch die Teilnehmer sich auch in den lebhaften Diskussionenzeigte, wurden durch einige fachfremde Aktivitäten im nochsehr winterlichen Potsdam abgerundet: Neben den traditionel-len gemeinsamen Abendessen im Schloss Cecilienhof undSchloss Glienicke hatten die Teilnehmer zudem die Möglich-keit, die historischen Räumlichkeiten des Cecilienhofes zu be-sichtigen und das ganz besondere Vergnügen, in einem kleinenPrivatkonzert dem Pianisten Ruben Meliksetian zu lauschen.

1 Die Beiträge von RA Lothar Schmude, Prof. Dr. Reinhard Greger,RA Dr. Michael Weigel und Prof. Dr. Harald Koch zum ersten undzweiten Block des Fachprogramms sind im Anschluss in diesem Heftabgedruckt. Die Beiträge von RAuN Jens-Peter Lachmann und Vors.RiLG Dr. Heinz Hawickhorst des dritten Blocks werden aus Platz-gründen in Heft 5/2005 publiziert.

Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess 1

Prof. Dr. Reinhard Greger, Erlangen

I. Einführung

Die Sachverhaltsfeststellung im Zivilprozess ist seit jeher voneinem Spannungsverhältnis zwischen Parteiherrschaft und

Richtermacht sowie zwischen Freiheit und Reglementierunggekennzeichnet. In jüngster Zeit haben Gesetzgebung undRechtsprechung die Pole auf diesem Feld jedoch neu justiert.Die weithin noch nicht genügend wahrgenommenen Folgendieser Eingriffe sollen nachstehend dargestellt werden. Gedan-ken zur weiteren Entwicklung, insbesondere auch im Hinblickauf die angekündigte Große Justizreform und auf die Situationin anderen Rechtsordnungen, schließen sich an.

1 Erweiterte und mit Anmerkungen versehene Fassung eines Vortragsanlässlich des 3. ZPR-Symposions der BRAK am 4./5.3.2005 in Pots-dam.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 151

Greger, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

II. Neue Tendenzen bei der Informationsbeschaffung

Nach der Verhandlungsmaxime, die bei Schaffung der vom Li-beralismus des aufstrebenden Bürgertums beseelten CPO von1877 die Feder führte, ist es ausschließlich Sache der Parteien,die Tatsachen vorzutragen, die das Gericht seiner Entscheidungzugrunde legen soll. Ursprünglich schränkte nur die richterli-che Fragepflicht nach § 130 CPO diese Domäne der Parteienein; sie entwickelte sich im Zuge mehrerer Novellen2 seit 1909bis zu der mit dem ZPO-Reform-Gesetz vom 27.7.2001 deut-lich verstärkten Erörterungs- und Hinweispflicht nach § 139ZPO. Nach wie vor gilt aber, dass der Richter nicht von sich ausneue Tatsachen in den Prozess einführen darf.

Die daraus folgende Darlegungslast hat allerdings fatale Folgenfür eine Partei, die selbst nicht über die hierzu erforderlichenInformationen verfügt. Da unser Zivilprozessrecht nach ständi-ger Rechtsprechung keine prozessuale Aufklärungspflicht dernicht beweisbelasteten Partei kennt3 und zudem einen Beweis-antrag dann für unbeachtlich erklärt, wenn die zu beweisendeBehauptung nicht ausreichend substantiiert oder ohne jegli-chen tatsächlichen Anhaltspunkt „ins Blaue hinein“ aufgestelltist4, wird eine solche Partei u.U. an der Durchsetzung ihresRechts durch ihr Unvermögen gehindert, den erforderlichenTatsachenvortrag zu erbringen.

Die Rechtsprechung5 sieht sich daher zunehmend veranlasst,korrigierend in die Verteilung der Darlegungslast einzugreifen,die der seit 1877 inhaltlich unveränderte § 138 ZPO vorgibt.Unter dem Begriff der sekundären Behauptungslast hat sie inden letzten Jahren eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, de-ren Grundgedanke darin besteht, die Substantiierung des Tatsa-chenvortrags von der darlegungspflichtigen Partei auf den Geg-ner abzuwälzen. Hierfür stellt der BGH zwei Voraussetzungenauf:

(1) Die darlegungspflichtige Partei besitzt keine nähere Kennt-nis der maßgebenden Tatsachen, weil sie außerhalb des vonihr darzulegenden Geschehensablaufs steht.

(2) Der Prozessgegner verfügt über die entsprechenden Infor-mationen und es ist ihm zuzumuten, sie durch „substantiier-tes Bestreiten“ einzuführen.

Da diese sehr einzelfallbezogene Rechtsprechung noch keinenEingang ins Gesetz gefunden hat, stellen die Instanzgerichte invielen Fällen zu hohe Anforderungen an die Substantiierung. Inder Vergangenheit eröffnete oftmals erst der BGH den Weg zueiner sachgerechten Tatsachenfeststellung; nach dem neuenRevisionsrecht wird auch diese Korrekturmöglichkeit künftigweithin entfallen. Viel prozessualer Leerlauf und nicht wenigeFehlurteile ließen sich vermeiden, wenn der Gesetzgeber die-ser grundlegenden Frage der Informationsbeschaffung im Zivil-prozess verstärktes Augenmerk widmete.

Dass es möglich ist, prozessuale Informationspflichten durchGesetz festzuschreiben, hat der Gesetzgeber 1998 mit der Ein-fügung des § 643 ZPO bewiesen. Nach dieser Vorschrift kannder Richter im Unterhaltsprozess von sich aus von den ParteienAuskünfte und Belege über Einkünfte, Vermögen, persönlicheund wirtschaftliche Verhältnisse, soweit für die Unterhaltsbe-

messung relevant, verlangen und, falls eine Partei dem nichtnachkommt, die entsprechenden Auskünfte bei Arbeitgebern,Sozialleistungsträgern, Versicherungsunternehmen, Finanz-ämtern usw. von Amts wegen einholen. Diese Regelung gehtweit über die materiellrechtliche Auskunftspflicht nach § 1605BGB hinaus; es handelt sich – soweit ersichtlich – um die ersteNormierung eines parteiunabhängigen richterlichen Infor-mationsbeschaffungsrechts.6

III. Neue Tendenzen bei der Beibringung der Beweismittel

In diesem Bereich sah die CPO von Anfang an gewisse Ausnah-men vom Verhandlungsgrundsatz vor: Einen Augenschein, eineBegutachtung und (unter engen Voraussetzungen) eine Partei-vernehmung sollte der Richter auch von Amts wegen anordnendürfen,7 ebenso die Vorlage von Urkunden und sonstigenUnterlagen, auf die sich die Partei selbst bezogen und die sie inBesitz hat.8

Für die Vorlage von schriftlichen Unterlagen und Augen-scheinsobjekten hat das ZPO-Reform-Gesetz vom 27.7.2001die Anordnungsbefugnis des Richters erheblich erweitert. Nach§ 142 ZPO n.F. kann das Gericht nunmehr die Vorlage einerUrkunde oder einer sonstigen Unterlage, auf die sich eine Par-tei bezogen hat, auch gegenüber dem Prozessgegner oder einernicht am Prozess beteiligten Person anordnen, letzterer gegen-über sogar mit den Beugemitteln des Zeugenbeweises erzwin-gen (§ 142 Abs. 2 Satz 2, § 390 ZPO). Dabei sind an dieBezugnahme keine besonderen Anforderungen zu stellen; esgenügt, dass sich aus dem hinreichend substantiierten Partei-vortrag (auf den der Richter ggf. nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPOhinzuwirken hat) die Existenz eines schriftlichen Belegs für diestreitige Tatsachenbehauptung ergibt.9 § 144 Abs. 1 Satz 2,Abs. 2 ZPO eröffnet eine entsprechende Handhabe für die Vor-lage von Gegenständen zum Zweck eines Augenscheins odereiner Begutachtung; einer Bezugnahme bedarf es hier nicht.

Dass auf diesem Wege beweismäßig verwertbare Erkenntnis-mittel gewonnen werden können, war schon vor der Reformanerkannt.10 Daran hat sich nichts geändert. Nach der Begrün-dung des Reformgesetzes kann sogar die Verweigerung derVorlage als Beweis der gegnerischen Behauptung gewürdigtwerden.11

Die Vorschriften über den Urkundenbeweis (§§ 420 ff. ZPO)behalten daneben ihre Bedeutung, weil die Vorlageanordnungnach § 142 ZPO im Ermessen des Gerichts steht.12 Durchset-zen kann der Beweisführer die Urkundenvorlage durch denGegner (wie bisher) nur durch einen Antrag nach §§ 421, 424ZPO (mit dem ein Rechtsanspruch auf die Vorlegung glaubhaft

2 Detaillierte Wiedergabe der Rechtsentwicklung bei Damrau, DieEntwicklung einzelner Prozessmaximen seit der Reichscivilprozess-ordnung von 1877 (1975).

3 BGH NJW 1990, 3151 = ZZP 104 (1991), 203 m. abl. Anm. Stürner= JZ 1991, 630 m. abl. Bespr. Schlosser 599 ff.; Stein/Jonas/Leipold,ZPO Bd. 3, 22. Aufl. 2005, § 138 Rdnr. 25 ff. Zur Gegenpositioneingehend Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilpro-zesses (1976).

4 BGH NJW 1995, 2111, 2112.5 Exemplarisch BGH NJW 1990, 3151. Weitere Nachw. z.B. bei Zöl-

ler/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, vor § 284 Rdnrn. 34 ff.

6 Auf die Auswirkungen des Übereinkommens über handelsbezogeneAspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) v.15.4.1994 (BGBl II 1994, 1730) kann hier nicht eingegangen wer-den. Vgl. hierzu Tilmann/Schreibauer, in: Festschrift Erdmann(2002), S. 901 ff.

7 §§ 135, 413 CPO; heute §§ 144, 448 ZPO.8 § 133 CPO; heute § 142 ZPO. S. ferner §§ 102, 258 HGB zur Vorla-

ge von Handelsbüchern.9 Näher hierzu Greger, DStR 2005, 479, 482. Eingehend zum Sub-

stantiierungserfordernis Leipold, in: Festschrift Gerhardt (2004),S. 563, 569 ff.

10 Vgl. Stein/Jonas/Leipold (o. Fußn. 3), § 142 Rdnr. 1. BGH NJW2000, 3488, 3490 spricht sogar von „Beweiserhebung von Amtswegen“.

11 BT-Drs. 14/4722, 78 verweist ausdrücklich auf § 427 ZPO. Aller-dings setzt dies wie im originären Anwendungsbereich dieser Vor-schrift voraus, dass die Partei selbst auf die Urkunde Bezug genom-men hat oder zur Herausgabe materiellrechtlich verpflichtet ist; vgl.Leipold (o. Fußn. 9), S. 584; Greger, DStR 2005, 479, 482; a.A. Mu-sielak/Stadler, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 142 Rdnr. 7 a.E.

12 Ebenso Leipold (o. Fußn. 9), S. 575 f.

152 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Greger, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

gemacht werden muss). Für die Vorlage von im Besitz einesDritten stehenden Urkunden hat das ZPO-Reform-Gesetz in-dessen eine wesentliche Erleichterung gebracht: Während derBeweisführer bisher den Dritten auf Vorlegung verklagen undbeim Gericht den befristeten Stillstand des Verfahrens beantra-gen musste (§ 428 Alt. 1, § 429 Satz 1 Halbs. 2 ZPO), kann ernach der neuen Alt. 2 des § 428 ZPO auch einen Antrag aufeine Anordnung nach § 142 ZPO stellen. Das Gericht mussdann die Vorlage unabhängig von einem Anspruch hierauf an-ordnen, wenn es davon überzeugt ist, dass sich die Urkunde imBesitz des Dritten befindet, die durch die Urkunde zu bewei-sende Tatsache entscheidungserheblich ist und der Inhalt derUrkunde zum Beweis dieser Tatsache geeignet erscheint.13

Die Gefahr, dass durch die neue Urkundenherausgabepflichtder Ausforschung von Prozessparteien Tür und Tor geöffnetwerden,14 hat der Gesetzgeber gesehen, aber wegen des Sub-stantiierungserfordernisses und des richterlichen Ermessens, beidessen Ausübung auch ein etwaiges Geheimhaltungsinteressedes Urkundeninhabers zu berücksichtigen ist, als ausgeräumterachtet.15

Allerdings muss der Richter, will er keinen Verfahrensfehler we-gen unterlassener Ermessensausübung begehen, sich jedenfallsmit der Frage einer Vorlageanordnung auseinander setzen, undzwar nicht nur bei entsprechendem Antrag einer Partei, son-dern von Amts wegen. Es ist schwer vorstellbar, wie er eineVorlageanordnung sollte unterlassen können, wenn von derUrkunde ein Beitrag zur Wahrheitserforschung erwartet werdenkann und keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen.16

Eine Urteilsaufhebung im Rechtsmittelwege ist hier vorpro-grammiert.

Alles in allem ist durch §§ 142, 144 ZPO n.F. der Verhand-lungsgrundsatz zwar nicht für den Tatsachenvortrag, wohl aberfür die Beibringung der Erkenntnismittel partiell aufgegebenworden.17

IV. Neue Tendenzen bei der Verwertung der Erkenntnisquellen

In diesem dem Richter vorbehaltenen Bereich, der weniger vonMaximen als vom Prinzip der freien Beweiswürdigung, demverfassungsrechtlichen Anspruch auf Beweiserhebung und denVorschriften über das Beweisaufnahmeverfahren beherrschtwird, sind in letzter Zeit ebenfalls neue Entwicklungen zu ver-zeichnen.

1. Freibeweis

Nach § 284 Satz 2 ZPO n.F.18 kann der Richter die Beweise „inder ihm geeignet erscheinenden Art“ aufnehmen, wenn sichdie Parteien damit einverstanden erklärt haben. Diese Vor-schrift verleitet zu Fehldeutungen. Sie stellt den Richter nur vonden Vorschriften über das Beweisaufnahmeverfahren frei, nichtvon den sonstigen Beweisgrundsätzen der ZPO. Unberührtbleiben insbesondere Verhandlungsgrundsatz, Ausforschungs-verbot, Beweisverbote, die Pflicht, über das Beweisergebnis mitden Parteien zu verhandeln (§ 279 Abs. 3, § 285 ZPO) sowie

das Beweismaß der vollen richterlichen Überzeugung. Es istauch nicht möglich, die eidesstattliche Versicherung als Be-weismittel zuzulassen. Sie ist nach § 294 ZPO nur Mittel derGlaubhaftmachung und selbst dort, wo das Gesetz dieses ge-ringere Beweismaß vorsieht, nur beschränkt zulässig (vgl. § 44Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, § 406 Abs. 3 Halbs. 2, § 511 Abs. 3Halbs. 2 ZPO).

Die Bedeutung der Vorschrift reduziert sich somit darauf, dassdie Beweisaufnahme nicht unmittelbar vor dem erkennendenGericht (§ 355 Abs. 1 ZPO) und nicht in Anwesenheit der Par-teien (§ 357 ZPO) durchgeführt werden muss. Der Richter kanneinen benannten Zeugen (nicht einen selbst erwählten!) auchtelefonisch oder per E-Mail oder anlässlich einer Ortsbesichti-gung befragen oder von einem Sachverständigen formlos Aus-künfte einholen. Allerdings werden gut beratene Parteien ange-sichts der darin liegenden Beschneidung ihrer Mitwirkungs-und Kontrollrechte mit der Zustimmung zu solchen Maßnah-men (erst recht mit einer pauschalen Ermächtigung zum Freibe-weis) äußerst zurückhaltend sein, zumal der Widerruf desEinverständnisses nur sehr beschränkt möglich ist (§ 284 Satz 4ZPO).

Erfreulich ist, dass der von der Rechtsprechung schon bisherzur Klärung bestimmter verfahrensrechtlich relevanter Umstän-de praeter legem zugelassene Freibeweis19 jetzt eine gesetz-liche Regelung erfahren hat, die dieses nicht unbedenklicheVerfahren20 vom Einverständnis der Parteien abhängig macht.Auch über die Zulässigkeit von Klagen oder Rechtsmitteln darfdas Gericht also nicht mehr an den Parteien vorbei Beweis er-heben – eine begrüßenswerte Stärkung der Parteiautonomie.21

2. Verwertung von Gutachten aus anderen Verfahren

Der neue § 411a ZPO schafft die Möglichkeit, ein in einem an-deren gerichtlichen Verfahren (z.B. einem dieselbe Sache be-treffenden Strafverfahren) erstattetes Gutachten als Sachverstän-digenbeweis, nicht wie bisher nur als Urkundenbeweis,22 zuverwerten, und zwar auch ohne Einwilligung der Parteien. DerRichter entscheidet nach seinem Ermessen darüber, ob er einegebotene Gutachtenerstattung durch Verwertung eines schonvorliegenden Gerichtsgutachtens ersetzt. Zuvor muss er selbst-verständlich den Parteien unter Übersendung einer Abschriftdes Gutachtens Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Da es sich um Sachverständigenbeweis handelt, müssen die fürdiesen geltenden Rechtsschutzgarantien auch hier gelten, alsoinsbesondere das Ablehnungsrecht der Parteien nach § 406ZPO sowie die Vorschriften über Beeidigung (§ 410 ZPO), per-sönliche Anhörung (§ 411 Abs. 3 ZPO), Haftung (§ 839a BGB)und Vergütung des Sachverständigen (§§ 8 ff. JVEG). Für die Er-setzung nach § 411a ZPO wird es daher eines Beschlusses be-dürfen, durch den der betr. Sachverständige auch für das vorlie-gende Verfahren bestellt und zugleich von der Erstattung einesneuen schriftlichen Gutachtens entbunden wird.23 Dieser Be-schluss ist auch dem Sachverständigen mitzuteilen. Nur aufdiese Weise können auch urheberrechtliche Komplikationenvermieden werden.24

13 Näher dazu Leipold (o. Fußn. 9), S. 578 ff.; Greger, DStR 2005, 479,483.

14 Vgl. Lipke/Müller, NZI 2002, 588; Dombek, BRAK-Mitt. 2001, 122,124.

15 Bericht des BT-Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/6036, 120 f.16 Musielak/Stadler (o. Fußn. 11), § 142 Rdnr. 7 spricht von Ermessens-

reduzierung auf Null. Vgl. auch OLG Saarbrücken, MDR 2003,1250.

17 Ebenso Stadler, in: Festschrift Beys Bd. 2 (2003), S. 1646; weiterge-hend Schlosser, JZ 2003, 427, 428.

18 Eingefügt durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz v. 24.8.2004(BGBl I, 2198).

19 BGH NJW 1951, 441; 1987, 2875; 1990, 1734; 1992, 627; 2002,3027, 2003, 1123 u. öfter.

20 Grundlegende Kritik bei Peters, Der sog. Freibeweis im Zivilprozess(1962), u. ZZP 101 (1988), 296 ff. Weitere Nachw. bei Zöller/Gre-ger (o. Fußn. 5), § 284 Rdnr. 1.

21 In einem kurz nach Inkrafttreten erlassenen Beschluss (BGHReport2005, 189) hat der BGH die Änderung allerdings noch nicht zurKenntnis genommen.

22 BGH NJW 1983, 121, 122; 1997, 3381, 3382.23 Zöller/Greger (o. Fußn. 5), § 411a Rdnr. 1.24 S. dazu Zöller/Greger (o. Fußn. 5), § 411a Rdnrn. 4 f.; Greger, NJW-

Sonderheft BayObLG 2005, 36, 40.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 153

Greger, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

Das Verfahren nach § 411a ZPO mag in Routinefällen zur Zeit-und Kostenersparnis angezeigt sein, jedoch kann in solchenFällen wohl auch wie bisher eine einvernehmliche Verwertungim Wege des Urkundenbeweises herbeigeführt werden. Wo einsolches Einvernehmen nicht erreicht werden kann, die beweis-führende Partei vielmehr auf einem neuen Gutachten besteht,wird sie gute Gründe haben, deren Übergehen in der Regeltrotz des gerichtlichen Ermessensspielraums einen Verfahrens-fehler begründen wird.

3. Disposition über Verfügbarkeit von Beweismitteln

Oft kann eine Partei für eine von ihr zu beweisende Behaup-tung weder eine Urkunde vorlegen noch einen Zeugen benen-nen. Sich selbst als Beweismittel zu präsentieren, scheitert zu-meist an den restriktiven Regeln über die Parteivernehmungnach §§ 445 ff. ZPO. Allerdings gibt es Möglichkeiten, sich –z.B. durch Abtretung des Klageanspruchs – die Stellung einesZeugen zu verschaffen. Diese manchmal als trickreiche Mani-pulation empfundene (und von Richtern oft auch so gewertete)Vorgehensweise ist durch den BGH jüngst gewissermaßen „sa-lonfähig“ gemacht worden. Der BGH lastete es einem Rechts-anwalt als Verschulden an, dass er die von ihm vertreteneGmbH nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, durch Abbe-rufung des Geschäftsführers dessen Zeugenstellung zu begrün-den.25 Auch wenn die Entscheidung durch Besonderheiten deskonkreten Falles veranlasst worden sein mag, kommt ihr jeden-falls eine negative Signalwirkung zu. Sähe sich tatsächlich je-der Rechtsanwalt in der Pflicht, durch Forderungsabtretung,Abberufung von Organen usw. künstlich Zeugen zu erzeugen,würde die Zahl fruchtloser Beweisaufnahmen gewaltig anstei-gen, womit niemandem gedient wäre.

Einer anderen Methode der Zeugenerschaffung habenBVerfG26 und (ihm folgend) BGH27 dagegen jüngst eine Absageerteilt: Wahrnehmungen, die beim Mithören eines Telefonge-sprächs (über Zweithörer oder Lautsprecher) gemacht wurden,dürfen nach dieser neuen Rechtsprechung nicht verwertet wer-den, wenn der Gesprächspartner nicht über das Mithören auf-geklärt wurde. Damit wurde ohne nähere Begründung die frü-here Linie des BGH verlassen, wonach das Mithören jedenfallsim geschäftlichen Bereich, aber auch im privaten Bereich beinicht erkennbar vertraulichen Gesprächen derart üblich sei,dass man mit ihm rechnen und ggf. auf Vertraulichkeit aus-drücklich bestehen müsse28 – ein angesichts der immerfreizügiger werdenden Kommunikationsgewohnheiten überra-schender Wandel.

Der Inhalt von Zwei-Personen-Gesprächen einer Partei wirdsich daher auch künftig oft nur im Wege der Parteianhörungnach § 141 ZPO in den Prozess einführen lassen. An der Ver-wertbarkeit solcher Äußerungen bei der Beweiswürdigungnach § 286 ZPO hält der BGH fest, ebenso an der Wertung,dass kein Verstoß gegen das Gebot der Waffengleichheit vor-liegt, wenn der Gesprächspartner seine Darstellung des Ge-sprächsinhalts mittels Zeugenbeweises in den Prozess einfüh-ren kann.29

Zunehmend wird aber auch durch Parteivereinbarungen, sog.Beweismittelverträge, über die Verfügbarkeit von Beweismit-teln disponiert.30 So kann z.B. die Vertraulichkeit von Mediati-onsgesprächen dadurch gesichert werden, dass die Beteiligten

sich verpflichten, den Mediator nicht als Zeugen zu benennen.Im Geschäftsverkehr wird häufig vereinbart, Unternehmensmit-arbeiter nicht als Zeugen zu präsentieren, um unerfreulicheProzesssituationen zu vermeiden. Derartige Selbstbeschrän-kungen sind sehr bedenkenswert, da die Vernehmung vonZeugen aus den jeweiligen „Lagern“ außer Leerlauf undatmosphärischen Trübungen zumeist nichts bringt.

4. Bindung an Tatsachenfeststellungen

Gesetzentwürfe der Bundesregierung31 und des Bundesrats32

aus der laufenden Legislaturperiode sahen eine grundsätzlicheBindung des Zivilgerichts an tatsächliche Feststellungen eineszum gleichen Sachverhalt ergangenen Strafurteils vor. Auf dieunterschiedlichen Regelungsmodelle und die gegen sie zu er-hebenden Bedenken braucht hier nicht mehr eingegangen zuwerden, da die entsprechenden Pläne mit dem Erlass des1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 aufgegebenwurden.33

Geltendes Recht ist aber § 529 Abs. 1 ZPO, der das Berufungs-gericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen der erstenInstanz bindet und nur bei konkreten Anhaltspunkten für Zwei-fel eine nochmalige Überprüfung zulässt. Diese Regelung hatweder bei den Gerichten noch bei der Anwaltschaft Akzeptanzgefunden und durch ein Urteil des V. Zivilsenats des BGHjüngst auch den Todesstoß erhalten.34 Nach der dortigen Ausle-gung des § 529 ZPO muss der Berufungsrichter das erstinstanz-liche Vorbringen auf Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit oderUnvollständigkeit der Tatsachenfeststellungen auch unabhän-gig von einer Rüge des Berufungsführers überprüfen und, wennsich die Möglichkeit einer abweichenden Feststellung ergibt,die Beweisaufnahme wiederholen. Im Gegensatz zu der Inten-tion des Gesetzgebers, die Kontrolldichte im zweiten Rechts-zug einzuschränken, hat die Rechtsprechung damit die Aufga-ben des Berufungsrichters ausgeweitet.35 Darin kommt die imGrunde positiv zu bewertende Haltung der Richterschaft zumAusdruck, sich nicht durch (vermeintlich) unzutreffende Fest-stellungen den Weg zur gerechten Entscheidung des konkretenEinzelfalls verstellen zu lassen. Allerdings hat das damit besie-gelte Fehlgehen der Rechtsmittelreform von 2002 schon wiederdie Rechtspolitik auf den Plan gerufen, die nun nach einemzweigliedrigen Instanzenzug ruft.36 Außerdem deutet die un-einheitliche, teilweise exzessive Anwendung des Beschluss-verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO37 darauf hin, dass dieBerufungsgerichte auf andere Weise Entlastung suchen.

V. Gesamtbewertung

Alle Reformbestrebungen der vergangenen 100 Jahre, auch diejüngsten, mit den Etiketten „ZPO-Reform“ und „Justizmoderni-sierung“ versehenen, haben nichts daran zu ändern vermocht,dass die Sachverhaltsfeststellung im deutschen Zivilprozess voneiner unübersichtlichen Gemengelage aus Parteiherrschaft undRichtermacht, aus Erleichterungen und Einschränkungen derWahrheitsermittlung gekennzeichnet ist: Der BGH beharrt aufdem überkommenen prozessualen Grundsatz, dass keine Partei

25 BGH MDR 2003, 928, 929.26 BVerfG NJW 2002, 3619, 3623.27 BGH NJW 2003, 1727 = JZ 2003, 1109 m. krit. Anm. Foerste.28 BGH NJW 1964, 165; 1982, 1397, 1398.29 BGH NJW 1999, 363, 364; s. auch Zöller/Greger (o. Fußn. 5), § 448

Rdnr. 2a u. Lange, NJW 2002, 482, jeweils m. w. Nachw., auch zurstarken Gegenmeinung.

30 BGHZ 109, 19, 29. Eingehend Wagner, Prozessverträge (1998),S. 683 ff.

31 BT-Drs. 15/1508, Art. 1 Nr. 15.32 BT-Drs. 15/1491, Art. 1 Nr. 1.33 Vgl. Beschlussempfehlung des BT-Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/

3482, 17.34 BGH NJW 2004, 1876.35 Krit. auch Lechner, NJW 2004, 3593 ff.: Gehrlein, BGHReport

2004, 837, 838.36 S. Beschluss der Justizministerkonferenz v. 25.11.2004, abrufbar un-

ter www.mj.niedersachsen.de.37 Statistische Angaben bei Greger, JZ 2004, 805, 813.

154 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Greger, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

gehalten ist, „dem Gegner für seinen Prozesssieg das Materialzu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt“,und unterläuft ihn gleichzeitig durch richterrechtliche Modifi-zierungen von Beweis- oder Darlegungslasten.

– Der Gesetzgeber gibt dem Richter neue Instrumente deramtswegigen Sachverhaltsaufklärung an die Hand, mahntaber zugleich die Beachtung des Ausforschungsverbotes an.

– Die Rechtsprechung hält am Verdikt der Zeugenschaft in ei-gener Sache fest und fördert Vorgehensweisen, die zu dem-selben Ergebnis führen; sie betont das Prinzip der Waffen-gleichheit und schlägt den Parteien gleichwohl bestimmteWaffen aus der Hand.

– Der Reformgesetzgeber versucht, die Sachverhaltsfeststel-lung auf eine Instanz zu konzentrieren; die Rechtspraxis kon-serviert dessen ungeachtet den Charakter der Berufung alszweiter Tatsacheninstanz.

Es soll an dieser Stelle nicht der Frage nachgegangen werden,wie sich dieses Konglomerat aus geschriebenen und unge-schriebenen Operationsregeln auf die Qualität der Rechtspre-chung auswirkt. Auch wenn unterstellt wird, dass am Ende die-ses Verfahrens eine der wirklichen Sach- und Rechtslage ent-sprechende Entscheidung steht, lässt sich jedenfalls nicht leug-nen, dass dieses Ergebnis mit einem viel zu hohen Aufwand er-reicht worden ist.

Unter verfahrensökonomischen und rechtsstaatlichen Aspektenist es nicht hinnehmbar, dass

– erst in der dritten Instanz festgestellt wird, wer für einen be-stimmten Umstand die Darlegungslast trägt,

– die Parteien als die unmittelbarsten Wissensträger ihre Infor-mationen dem Gericht grundlos vorenthalten dürfen,

– der Richter aus einem Wust von bestrittenem Vorbringen undunklaren Beweisergebnissen den von ihm zu beurteilendenSachverhalt herausdestillieren

– und der Prozessbevollmächtigte sich unter großem Zeit- undArbeitsaufwand mit Verdunkelungsstrategien und beweistak-tischen Manövern der Gegenseite herumschlagen muss.

VI. Ausblick

Eine wirksame Reform des Prozessrechts sollte ihr Augenmerkvor allem jenem Bereich des Zivilprozesses zuwenden, in demder größte Teil richterlicher wie anwaltlicher Arbeitskraft ver-braucht wird: der Feststellung des Sachverhalts. Dabei darf esnicht mehr nur um graduelle Korrekturen oder Detailfragen ge-hen. Der deutsche Zivilprozess muss grundlegend von prozess-darwinistischem38 Gedankengut des 19. Jahrhunderts befreitwerden und Anschluss an ein von Rationalismus geprägtes, dermodernen Informationsgesellschaft entsprechendes Konflikt-management finden. Nur dadurch lässt sich auch vermeiden,dass er international und im Vergleich zur Schiedsgerichtsbar-keit ins Hintertreffen gerät.39

1. Internationaler Vergleich

Schon ein kurzer Blick in ausländische Rechtsordnungen zeigt,dass auch andere Formen prozessualer Tatsachenfeststellungmit dem Wesen des Zivilprozesses ohne weiteres vereinbarsind.

An erster Stelle ist hier die Entwicklung in den USA zu nennen,auch wenn sie von den Gegnern erweiterter prozessualer Auf-klärungspflichten gerne als Schreckgespenst an die Wand ge-

malt wird. Bekanntlich haben dort die Federal Rules of CivilProcedure von 1938 das Prinzip der wechselseitigen Offenle-gung aller prozessrelevanten Informationen eingeführt. Beson-derheiten der amerikanischen Rechtskultur haben dazu geführt,dass diese Regelung extrem missbraucht worden ist undwiederholten Korrekturen – im Sinne eines kooperativeren Pro-zessstils und einer richterlichen Aufsicht – unterworfen werdenmusste.40 Dies darf jedoch kein Argument gegen den Grundge-danken als solchen sein, den der Supreme Court 1947 wie folgtgewürdigt hat: „Wechselseitige Kenntnis aller von beiden Par-teien gesammelten Tatsachen ist unerlässlich für ein korrektesVerfahren.“41

Frankreich hat schon 1975 die entscheidende Rolle bei derSachverhaltsaufklärung dem Gericht übertragen und allgemei-ne Mitwirkungspflichten der Parteien ohne Rücksicht auf dieBeweislast statuiert.42 Gemäß Art. 10, 143, 144 des NouveauCode de Procédure Civile kann das Gericht von Amts wegenBeweisaufnahmen jeder Art anordnen; lediglich die An-ordnung der Herausgabe von Beweismitteln, insbesondereDokumenten, durch eine Partei oder einen Dritten, kann nurauf Antrag einer Partei ergehen.43

In Österreich gilt statt der Verhandlungsmaxime ein auch alsKooperationsmodell bezeichneter abgeschwächter Untersu-chungsgrundsatz.44 Der Vorsitzende darf Beweiserhebungenvon Amts wegen anordnen (§ 183 Abs. 1 öZPO); Zeugen undUrkunden können die Parteien jedoch gemeinsam ausschlie-ßen (§ 183 Abs. 2 öZPO).45 Die Vernehmung der Parteien lässt§ 371 Abs. 1 öZPO ohne Einschränkung auf Antrag oder vonAmts wegen zu; lediglich die für Zeugen geltenden Ausschluss-oder Weigerungsrechte bestehen größtenteils auch hier.46

Auch in den Prozessordnungen Schweizer Kantone gibt es zumTeil sehr weit gehende Möglichkeiten amtswegiger Beweisauf-nahme sowie vom materiellen Recht unabhängige Auskunfts-und Vorlagepflichten.47

England hat in jüngster Zeit eine besonders bemerkenswerteEntwicklung durchlaufen. Auf der einen Seite wurde die in derangelsächsischen Tradition wurzelnde Trennung in ein vonden Parteien beherrschtes Aufklärungsstadium (pre-trial) unddie Hauptverhandlung vor dem Richter (trial) zwar aufrecht er-halten, ja sogar noch betont, andererseits aber die volle rich-terliche Leitung und Kontrolle des gesamten Beweisverfahrensbegründet.48 Der Sachverhalt muss von den Parteien selbstaufbereitet und – soweit möglich – aufgeklärt werden, bevor erin die Gerichtsverhandlung gelangt; der Richter steuert aberauch diesen Verfahrensabschnitt, z.B. durch Fragebögen, mitdenen von den Parteien bestimmte Auskünfte verlangt werden,sowie durch Anweisungen in Bezug auf die Beweisthemen,die Beweismittel und deren Präsentation gegenüber dem Ge-

38 Formulierung von Stürner, ZZP 104 (1991) 208, 216.39 S. dazu Schlosser, JZ 1991, 599 ff.; Wagner, ZEuP 2001, 441, 465 ff.

40 Ausführlich Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilpro-zessrecht, 3. Aufl. 2003, S. 44 ff.; Gottwald, BeitrZPr V, S. 22 ff. ZurReform von 1993 s. Junker, ZZPInt 1 (1996), 235 ff.

41 Hickmann v. Taylor 329 U.S. 495, 507 (1947); wörtlich zitiert beiSchlosser, JZ 1991, 599, 600 Fußn. 12.

42 Art. 11 Nouveau Code de Procédure Civile; vgl. Rouhette, in: Na-gel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence, 2003, S. 167, 176; Schlos-ser, JZ 1991, 599, 602.

43 Näher Wagner, ZEuP 2001, 441, 460 f., 468; Rouhette (o. Fußn. 42),S. 190.

44 Rechberger/Fucik, ZPO, 2. Aufl. 2000, vor § 171 Rdnr. 3; Rechber-ger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts, Er-kenntnisverfahren, 5. Aufl. 2000, Rdnr. 269.

45 S. dazu Stadler (o. Fußn. 17), S. 1634, m. Nachw.46 Vgl. §§ 372, 380 i.V.m. §§ 320, 321 öZPO. Näher Wagner, ZEuP

2001, 441, 494 f.47 S. Stadler (o. Fußn. 17), S. 1631 f., 1635; Gottwald, BeitrZPR V

S. 21, 36 ff. m. w. Nachw.48 Bajons in: Nagel/Bajons (o. Fußn. 42), S. 727, 735 f.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 155

Schmude, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

richt.49 Dadurch wird ein Abgleiten in die Auswüchse der US-amerikanischen pre-trial discovery vermieden. Die Parteiensind gehalten, im Wege eines geordneten Informationsaus-tauschs den relevanten Tatsachenvortrag so abzugleichen, dassdie Notwendigkeit förmlicher Beweiserhebung soweit wiemöglich zurückgedrängt wird. Für bestimmte Verfahrensartenwird sogar schon vor der Klageerhebung ein entsprechenderAustausch von standardisierten „pre-action protocols“ vorge-schrieben,50 für Bausachen die vorläufige Beurteilung durcheinen sachkundigen adjudicator.51 Einer Ausforschung wirddurch Begrenzung auf unmittelbar entscheidungsrelevanteUnterlagen und spezielle Weigerungsrechte entgegengewirkt.52

Dieses Verfahren dient nicht nur dem Austausch prozessrele-vanter Informationen, sondern auch der Verschlankung undStrukturierung des Prozessstoffs und – last, but not least – derFörderung einvernehmlicher Streitbeilegung.53 Oft entdeckendie Parteien und ihre Anwälte nämlich in diesem Vorklärungs-verfahren, dass der Konflikt durch Missverständnisse oder Fehl-einschätzungen hervorgerufen wurde und dass es Möglichkei-ten zu einer konstruktiven Lösung gibt. Auch darin liegt eingroßer Vorteil gegenüber der in Deutschland häufig auftreten-den Situation, dass es infolge des Zurückhaltens von Informati-onen und gestörter Kommunikation zu einem Eskalieren desRechtsstreits kommt. Bildlich gesprochen: Während die durchden deutschen Zivilprozess geprägte Streitkultur nahe legt, dieTrümpfe im Ärmel zu halten, gilt in England „cards on thetable“ – und zwar „face up“.54

2. Gesetzgebungsvorschläge

Dass der BGH seinen gegenteiligen, auf Nichtoffenbaren ge-richteten Standpunkt von sich aus aufgibt, ist nicht zu erwarten.Hier erscheint ein Eingreifen des Gesetzgebers unabweisbargeboten55 – im Interesse erleichterter Prozessführung, gerechter

Ergebnisse, aber auch der europäischen Rechtsangleichung.56

Ziel darf dabei nicht die Amtsaufklärung durch den Richtersein. Was Prozessstoff werden soll, müssen weiterhin allein dieParteien zu bestimmen haben – aber eben beide Parteien, nichtnur die eine, die nur ihr zugängliche Erkenntnisse oder Er-kenntnismittel dem Richter vorenthält. Und einem derartmodernisierten Verhandlungsgrundsatz57 entspräche es wohlauch, die Aufbereitung des Prozessstoffs so weit wie möglichdem Richter abzunehmen und den Parteien selbst zu überant-worten. Dazu müsste in die ZPO zweierlei eingefügt werden: – eine maßvolle Aufklärungspflicht der Parteien, wie sie Stür-

ner58 bereits vor fast 30 Jahren vorgeschlagen hat,– ein Verfahren zur weitestgehenden Aufbereitung des Tat-

sachenstoffs vor der mündlichen Verhandlung.

3. Konsequenzen für die AnwaltschaftDieses Plädoyer für einen kommunikativen (oder auch koope-rativen) Prozessstil soll nicht ohne einen Blick auf die Rolle derAnwaltschaft schließen. Mit einem solchen Verfahren würdenneue Aufgaben auf die Anwälte zukommen. Viel von derAufklärungsarbeit, die im bisherigen System der Richter zu leis-ten hat, fiele ihr zu. Wäre dies – kapazitätsmäßig und wirt-schaftlich – leistbar?Bei der Beurteilung dieser Frage darf nicht übersehen werden,dass auch die herkömmliche Form prozessualer Sachverhalts-aufklärung in hohem Maße Kräfte der Anwaltschaft bindet: fürdas Anfertigen vorbereitender, später dann beweiswürdigenderSchriftsätze, für die nicht selten zeitraubende Beweisaufnahme,die Verhandlung über das Beweisergebnis usw. Dieser Zeitauf-wand lässt sich u.U. einsparen, wenn er in die unmittelbareAufklärung investiert wird, deren Ablauf zudem von den An-wälten weithin selbst bestimmt werden kann. Im Übrigenmüsste dann selbstverständlich das Vergütungssystem neuüberdacht, etwa ein Äquivalent zur früheren Beweisgebühr (fürdie außergerichtliche Aufklärungstätigkeit) erwogen werden. Ein letzter Aspekt: Ein wesentliches Motiv der englischen Zivil-prozessreform von 1999 war die Befürchtung, London könntewegen des aufwendigen, schwerfälligen Verfahrens alter Prä-gung international an Bedeutung als Gerichtsplatz verlieren.59

England hat inzwischen einen attraktiven, modernen Zivil-prozess …

49 Part 28.3, 28.5, 32.1 Civil Procedure Rules 1999. S. dazu Wagner,ZEuP 2001, 441, 462; Greger JZ 2002, 1020, 1024 f.

50 Vgl. Greger, JZ 2002, 1020, 1022 m. w. Nachw. 51 Section 108 Housing Grants, Construction and Regeneration Act

1996 i.V.m. „The Scheme for Construction Contracts“; dazu näherHarbst, SchiedsVZ 2003, 68 ff.; Schramke, NZBau 2002, 409,411 ff.

52 Näher Wagner, ZEuP 2001, 441, 471 f., 477 ff.; Stadler (o. Fußn.16), S. 1632 f.

53 Über 70 % der Verfahren enden schon vor dem trial durch Ver-gleich oder Klagerücknahme; vgl. Greger JZ 2002, 1020, 1022.

54 Court of Appeal in Davies v. Ely Lilly & Co., [1987] 1 W. L. R. 428,431 (zit. bei Wagner aaO, S. 464). Ebenso O’Hare & Hill, Civil Liti-gation, 10. Aufl. 2001, Rdnr. 6.006.

55 Für Einführung einer prozessualen Aufklärungspflicht de lege feren-da auch Gottwald, Gutachten zum 61. Deutschen Juristentag 1996,S. A 15 ff.; Schlosser, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1991, Rdnr. 426 ff.;ders. JZ 1991, 599. Grundlegend Stürner (o. Fußn. 3).

56 Zu den entsprechenden Vorschlägen der Kommission für ein euro-päisches Zivilprozessgesetzbuch s. Roth, ZZP 109 (1996) 271,291 ff.

57 Zutr. weist Stürner, ZZP 104 (1991) 215 darauf hin, dass eine ver-stärkte Aufklärungspflicht dem Verhandlungsgrundsatz nicht wider-,sondern gerade entspricht.

58 O. Fußn. 3.59 Lord Woolf, Access to Justice, Interim Report 1995, Ch. 3 para. 28

(abrufbar unter www.zr1.jura.uni-erlangen.de/justizreform/ausland.htm); Wagner, ZEuP 2001, 443, 452 f.

Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess1

Rechtsanwalt Lothar Schmude, Köln

I. Nach § 395 Abs. 1 ZPO ist jeder Zeuge vor seiner Verneh-mung zur Wahrheit zu ermahnen. In der Praxis pflegt das Ge-

richt dazu nicht nur auf die Strafbarkeit auch uneidlicher Aus-sagen hinzuweisen; in aller Regel führt der Richter dem Zeugenmit besonderer Deutlichkeit vor Augen, dass die Wahrheit sei-ner Aussage für die Richtigkeit des späteren Urteils entschei-dend ist: „Wenn Sie hier eine falsche Aussage machen, kannunser Urteil nur falsch sein.“

1 Vortrag gehalten anlässlich des 3. ZPR-Symposions der BRAK am4./5.3.2005 in Potsdam.

156 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Schmude, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

Es erscheint mir wichtig, vor unseren Überlegungen zum Be-weisverfahren damit noch einmal auf den Sinn jeder Beweis-aufnahme nachdrücklich hinzuweisen: Sie dient der Feststel-lung des Sachverhalts, den das Gericht seiner Entscheidung zu-grunde zu legen hat. Entspricht der so vom Gericht festgestellteSachverhalt nicht den wahren Tatsachen, ist das Urteil notwen-digerweise falsch, mag es auch zum materiellen Recht auf dasScharfsinnigste begründet sein. Eine gewissenhafte und zutref-fende Tatsachenfeststellung ist also einer der wesentlichenGrundpfeiler einer Rechtspflege, die diesen Namen verdient.

Betrachtet man sich die rechtliche und praktische Entwicklungder letzten Jahre, dann zeigt sich eine Tendenz, diese grundle-gende Bedeutung richtiger Tatsachenfeststellung aus dem Blickzu verlieren. Ich will mich im Folgenden zunächst mit demerstinstanzlichen Verfahren und im Anschluss daran mit denentsprechenden Überprüfungen im Berufungsverfahren be-schäftigen.

II. 1. Wesentliche gesetzliche Veränderungen des Beweisauf-nahmeverfahrens erster Instanz hat es auch mit der letzten sogenannten Großen ZPO-Reform nicht gegeben.

Eine eher unmerkliche, in der Praxis aber durchaus spürbareÄnderung hat demgegenüber die Entscheidung des Europäi-schen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 27.10.1993 be-wirkt. Mit dieser Entscheidung wurden die Gerichte unter demGesichtspunkt der Waffengleichheit verpflichtet, von der Mög-lichkeit der Parteianhörung nach § 141 ZPO insbesonderedann Gebrauch zu machen, wenn die Partei ihrerseits kein ge-eignetes Beweismittel aus dem abschließenden Katalog derZivilprozessordnung präsentieren konnte, auf der Gegenseitedemgegenüber ein Zeuge zur Verfügung stand. Die klassischenFälle sind Streitigkeiten zwischen Unternehmen, bei denen aufder einen Seite der Inhaber selbst die Verhandlungen geführthat, auf der anderen Seite ein Angestellter, der dann als Zeugefür den Inhalt dieser Verhandlung zur Verfügung stand. Weite-res klassisches Beispiel sind Verkehrsunfälle, bei denen auf dereinen Seite ein Pkw voller Mitfahrer, also voller Zeugen, aufeinen Pkw trifft, in dem allein der Halter selbst gefahren war.

Die Entscheidung des Straßburger Gerichtshofes ist erst verhält-nismäßig langsam in das Bewusstsein der Gerichte und derProzessbevollmächtigten gedrungen. Sie hat aber nach meinemEindruck insoweit auch über den engeren Anwendungsbereichhinaus Gutes bewirkt, als sie das Verständnis dafür geschärfthat, den Parteivortrag und die mündlichen Erklärungen einerPartei vor Gericht deutlicher in die Beweiswürdigung einzube-ziehen. Es war in der Vergangenheit nicht selten, dass die Ge-richte eher formal nach der förmlichen Zeugenstellung ge-schaut und entschieden haben und dass auf der anderen Seitedie Prozessbevollmächtigten entsprechend taktierten.

Nach meinen – zugegebenermaßen nur subjektiven – Beob-achtungen, die allerdings auch von Kollegen und Sozien, dieich dazu befragt habe, geteilt werden, ist diese zu formale Vor-gehensweise bei Beweiswürdigungen eher zurückgegangen.Ich halte das für eine gute Entwicklung. § 286 ZPO erlaubt esdem Gericht, die erhobenen Beweise frei zu würdigen, unterEinschluss des Parteivortrages.

2. Was die bereits angesprochene letzte ZPO-Reform des Jah-res 2002 angeht, so hat sie im Gerichtsalltag der Beweisaufnah-me kaum eine Veränderung gebracht. Dem steht die damaligegesetzgeberische Vorstellung gegenüber, „die erste Instanz zustärken“, um auf der anderen Seite im Berufungsverfahren dieKontrolle und Überprüfung der Tatsachenfeststellung erster In-stanz eher eingeschränkt zu sehen. In der Praxis der ersten In-stanz hat sich demgegenüber wenig geändert, mit Ausnahmeder Tatsache, dass Beweisaufnahmen durch den Einzelrichterzahlreicher – und nahezu die Regel – geworden sind. Das al-

lerdings ist nicht Folge einer Veränderung von Regelungen zumBeweisverfahren, sondern der generellen Neugestaltung derEinzelrichterzuständigkeit. Das Verfahren selbst ist das alte ge-blieben und dessen praktische Handhabung ebenso.

Unter diesem Aspekt einer Stärkung und damit Verbesserungder Rechtspflege in der ersten Instanz ist mit Nachdruck auf dieimmer schon bestehenden Defizite in der Beweisaufnahmeund hier insbesondere bei der Vernehmung von Zeugen undSachverständigen hinzuweisen:

Der Volljurist, der das zweite Staatsexamen soeben bestandenhat und in den richterlichen Dienst übernommen wird, hat inder Regel keine oder nur äußerst geringe Erfahrungen in derVernehmung von Zeugen. Zeugenpsychologie, die Deutungeines bestimmten Aussageverhaltens, von Körpersprache undÄhnlichem sind zwar Gegenstand von Anleitungsbüchern,werden aber – da nicht examensrelevant – nicht gelernt undnicht geübt. Ebenso wenig gelernt und geübt wird die Technikeiner Befragung. Es gibt den Richter, der den Zeugen ausredenlässt – um so manchmal zufällig wertvolle Informationen zuerhalten –, und es gibt den Richter, der den Zeugen nach jedemSatz unterbricht, häufig um Satz für Satz zu protokollieren, weiler sonst in Vergessenheit geraten würde.

Ähnlich steht es mit der Fähigkeit, ein Protokoll sachgemäß zuformulieren. Im Vorbereitungsdienst wird das kaum gelerntnoch geübt, und ebenso wenig werden Richter während ihrerTätigkeit hierin geschult. Dies Letztere umso weniger, als dieMöglichkeiten der praktischen Ausbildung eines jungen Rich-ters als Beisitzer in einer Kammer mehr und mehr einge-schränkt sind.

Richter sind im Hinblick auf die handwerkliche Durchführungeiner Zeugenbefragung und Protokollierung letztlich Autodi-dakten. Entsprechend breit gestreut sind die Fähigkeiten undDefizite bei den einzelnen. Man hat dies bislang nahezu alsgottgegeben hingenommen, auch wegen der Möglichkeiten derKontrolle der Tatsachenfeststellungen in der zweiten Instanz.Will man aber die Tatsachenfeststellung zunehmend auf dieerste Instanz konzentrieren, dann wird man ernsthaft erwägenmüssen, dem auch in der richterlichen Ausbildung ein größeresGewicht beizumessen. Es genügt nicht, wie bisher in den Aus-bildungsordnungen eine Empfehlung aufzunehmen, dem Refe-rendar auch Zeugenvernehmungen in einfach gelagerten Fällenzu übertragen. Was nicht examensrelevant ist, wird nicht ge-lernt.

Die Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten des Anwalts im Hin-blick auf die Zeugenbefragung und deren Protokollierung sindzwar vorhanden, in der Praxis allerdings begrenzt; mit Nachfra-gen und Ergänzungen lassen sich grundlegende Schwierigkei-ten nicht beseitigen.

Zusammengefasst: Die derzeitige praktische Handhabung derBeweisaufnahme selbst unterscheidet sich von derjenigen vor10 Jahren kaum. Sie hängt nach wie vor von der persönlichenFähigkeit des jeweils befragenden Richters ab, davon, ob erGeduld, Einfühlungsvermögen und Konzentration aufbringenkann und ob er die Fähigkeit besitzt, das Ergebnis sogleich indie zutreffenden Worte zu fassen. Eine Stärkung der ersten In-stanz zu diesen Zielen ist nicht zu erkennen.

3. Neu ist bekanntlich die Vorschrift des § 142 ZPO, der dieBeiziehung von Urkunden nicht nur aus dem Besitz der Partei-en, sondern auch aus dem Besitz Dritter erlaubt.

Praktische Bedeutung hat diese Möglichkeit bislang nicht er-langt. Ich kenne keinen einzigen Fall, in dem hiernach verfah-ren worden wäre, auch wenn dies von einer Partei ausdrücklichbeantragt worden war.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 157

Schmude, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

Die Gründe liegen zum einen darin, dass diese Möglichkeit zueiner Art Amtsermittlung führen kann, die unserem Zivilpro-zessrecht fremd ist. Ausforschung soll mit diesem Instrumentnicht betrieben werden dürfen, so zu Recht die Kommentarlite-ratur. Es bleibt damit im Prozessalltag so gut wie kein Anwen-dungsspielraum.

Die fehlende praktische Bedeutung belegt letztlich auch dieFehleinschätzung, die zur Einführung geführt hatte. Man erhoff-te sich, ausgehend von Überlegungen von Gottwald in dessenGutachten zum Deutschen Juristentag 1996, unter anderemeine Verfahrensersparnis, weil damit die Zahl vorgeschalteterAuskunftsprozesse vermindert würde. Bereits damals wurdeübersehen, dass es solche Prozesse nur in geringer Zahl gibt,und dass tatsächlich für die Parteien nur in wenigen Ausnahme-fällen der Zugang zu den für den Prozess benötigten Urkundenversperrt ist. Es bleiben deswegen tatsächlich nur die Fälle derAusforschung, mit dem eingangs skizzierten Ergebnis.

Angelehnt werden sollte die Möglichkeit des § 142 ZPO an dieangelsächsische disclosure, die indessen ihrerseits zu einemvollständig anderen System der Tatsachenfeststellung gehört,dem der Erarbeitung des Sachverhalts und der Beweismittel inder Verantwortung der Anwälte, außerhalb des Gerichts. Diesführt bekanntlich zu Kosten, die den Zivilprozess fast unbe-zahlbar werden lassen. Man kann nicht mit Erfolg solche ein-zelnen, hier systemfremden Elemente in das deutsche Prozess-recht implementieren.

4. Schließlich hat es mit der Einführung des Rechtsanwaltsver-gütungsgesetzes zum 1.7.2004 eine Rechtsentwicklung gege-ben, die zwar nicht das Beweisaufnahmeverfahren selbst, wohlaber dessen Grundlagen empfindlich verändert.

Um es zugespitzt zu formulieren: Keiner der professionellenProzessbeteiligten kann seitdem ein anderes als ein ideelles In-teresse daran haben, eine Beweisaufnahme überhaupt durch-zuführen.

Auf Seiten des Gerichts war dies auch vor dem 1.7.2004 derFall: Der Pensenschlüssel unterscheidet im Hinblick auf die Er-ledigung von Verfahren nicht danach, ob das Verfahren eineBeweisaufnahme nötig gemacht hat oder nicht. Die Durchfüh-rung der Beweisaufnahme bedeutet also zusätzliche Arbeit, fürdie es keinerlei materielle Kompensation gibt. Das persönlicheInteresse, in eine Beweisaufnahme einzutreten, ist mithin ideel-ler Natur; jeder von uns kennt deswegen Beispiele dafür, dassbestimmte Richter sich bemühen, „um eine Beweisaufnahmeherumzukommen“.

Gerade aus anwaltlicher Sicht gab es deswegen regelmäßigden Kampf um die Durchführung einer Beweisaufnahme, unterden vielfältigsten Aspekten; umgekehrt war und ist es eine gän-gige Klage von Mandanten – rechtsuchenden Bürgern –, dass„ihre Zeugen nicht gehört“ worden seien, mag dies nun zuRecht oder zu Unrecht geschehen sein. Entscheidend erscheintmir die Feststellung, dass aus staatlicher Sicht die Beweisauf-nahme für die damit verbundene Arbeit keinerlei materielleKompensation mit sich bringt, weder für den Richter selbstnoch für den Staat, dessen Gerichtsgebühren unabhängig vonder Durchführung einer Beweisaufnahme immer in gleicherHöhe erhoben werden. Dafür, dass tatsächlich Beweis erhobenwird, steht mithin ausschließlich die Bindung des Richters andas Gesetz.

Um nicht missverstanden zu werden: Diese Bindung wird vonallen Richtern, die ich kenne, sehr ernst genommen, und ichmöchte auch an dieser Stelle betonen, dass ich nach wie vordie Erfahrung gemacht habe, dass das berufliche Ethos hoch ist.Gleichwohl gibt es Spielräume in der Beurteilung sowohl desmateriellen Rechts als auch darin, was bisher aus Urkunden

und dem Akteninhalt als bewiesen angesehen werden könnte.Diese Spielräume werden durchaus unterschiedlich genutzt.

Mit der Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes findetsich der Anwalt nun in derselben Situation wie das Gericht: Fürihn ist die Beweisgebühr seit dem 1.7.2004 weggefallen, alleim Verfahren erzielbaren Gebühren sind mit dem ersten Ver-handlungstermin verdient – mit Ausnahme lediglich der Ver-gleichsgebühr –, die Beweisaufnahme geschieht gewisserma-ßen nur noch gratis. Außer der ideellen Motivation gibt es mit-hin auch für den Anwalt keinen materiellen Anreiz mehr dafür,sich für die Durchführung einer Beweisaufnahme einzusetzen.Dem kann man auch nicht entgegenhalten, mit der neuen Ver-gütungsordnung sei dies pauschal in den übrigen Gebührendurch die entsprechende Erhöhung berücksichtigt. Denn imkonkreten Verfahren fällt diese Überlegung nicht ins Gewicht.Hier ist für jeden Anwalt fühlbar, dass er Stunden um Stundenin umfangreichen Beweisaufnahmen verbringt, Zeit aufwendet,die nicht vergütet wird, und in der er keine anderen Aktivitätenentfalten, weder neue Mandate akquirieren noch Mandate be-arbeiten kann.

Ein wesentlicher Teil forensischer Tätigkeit besteht in der Tatsa-chenfeststellung. Die jeweils zu beantwortenden Rechtsfragensind häufig bei weitem nicht so kompliziert wie die Frage da-nach, was wirklich geschehen ist, welcher Sachverhalt derrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen ist. Dies ist, wie ein-gangs bereits hervorgehoben, eine der Grundlagen einer geord-neten Rechtspflege.

Nun hat aber auch der Anwalt keinen materiellen Anreiz mehr,sich diesen Grundlagen tatsächlich zu widmen. Es wiegt diesumso schwerer, als der Anwalt darauf angewiesen ist, aus denGebühren seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Indessen halteich es auch ganz abgesehen davon für unerträglich, dass we-sentliche Teile anwaltlicher Tätigkeit nach der neuen Vergü-tungsregelung nicht mehr vergütet werden.

Die Zielrichtung dieser Gestaltung scheint mir eindeutig: Ge-richt wie Prozessbevollmächtigte sollen ein gesteigertes Interes-se an einer gütlichen Streitbeilegung haben, an einem mög-lichst frühen Vergleich. Der „Rechtsfrieden“ soll möglichstrasch hergestellt werden, die „Sache“ möglichst frühzeitig „er-ledigt“ werden.

Ich bin überzeugt davon, dass dies, öffentlich in der richtigenKlarheit ausgesprochen, in keiner Hinsicht auf das Verständnisund die Zustimmung der Bürger stieße. Jeder rechtsuchendeBürger – und ich kann dies aus zahllosen Mandatsgesprächenberichten – erwartet vom Staat und seinen Gerichten eine Ent-scheidung des Konflikts, in dem er sich befindet. Man trifft insolchen Gesprächen immer wieder auf die Befürchtung, dassdas Gericht ein großes Interesse daran habe, die Sache schnelldurch einen Vergleich zu erledigen, um sich weitere Arbeit zuersparen. Die Achtung vor dem Staat und seiner Rechtspflegeschwindet in dem Maße, in dem der Bürger das Gefühl hat,man wolle ihn zu einem als „Zwangsvergleich“ empfundenenNachgeben nötigen. Der materielle Anreiz, der mit der jüngs-ten Rechtsänderung zum Vergütungsgesetz aufgebaut wordenist, führt genau in diese Richtung. Heute muss man fairerweisedem Mandanten sagen, dass auch der Anwalt kein materiellesInteresse mehr an der Durchführung eines Beweisaufnahme-verfahrens hat, und umso misstrauischer wird der Mandant,wenn ihm dann angesonnen wird, sich doch möglichst raschzu vergleichen.

Abgesehen von dieser Beobachtung ist darüber hinaus die Fest-stellung zu treffen, dass die auf diese Weise geschehene mittel-bare Zurückdrängung von Beweisaufnahmen überhaupt im Wi-derspruch zur propagierten „Stärkung der ersten Instanz“ steht.Die Durchführung einer Beweisaufnahme bedeutet immer er-

158 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Schmude, Veränderungen und Entwicklungen des Beweisrechts im deutschen Zivilprozess

hebliche zusätzliche Arbeit, für das Gericht ebenso wie für dieProzessbeteiligten. Diese Zeit und Arbeit kosten Geld, das derStaat offenbar nicht mehr bereit ist, an dieser Stelle zu investie-ren. Ich halte es für eine folgenschwere Fehlentscheidung, die-sen wesentlichen Teil der Rechtspflege so auszuhöhlen, wie esderzeit geschieht. Dazu gehören schließlich auch die jüngstenVersuche einer weiteren „Großen Justizreform“, in der dieÜberprüfung der Tatsachenfeststellungen erster Instanz nochweiter beschnitten werden soll.

5. Eine Gesetzesänderung, die in jüngster Zeit in das Beweis-aufnahmeverfahren eingreift, liegt in der Neuregelung des§ 284 der ZPO, mit der im Einverständnis beider Parteien auchandere als die Beweismittel der ZPO zugelassen werden dür-fen. Die ausweislich der Gesetzesbegründung erhoffte weiter-gehende Entlastung der Gerichte wird kaum eintreten; denn andieser Stelle gibt es kaum ein nennenswertes Einsparungs-potential, und dort, wo die Dinge wirklich wichtig sind, wirdkeine Partei sich damit begnügen, eine telefonische oder perE-Mail an einen Zeugen oder Sachverständigen gerichtete Fra-ge zu erlauben. Entsprechend sind die Reaktionen in der Litera-tur auf diese Vorschrift auch durchweg ablehnend.

6. Zusammengefasst:

Am Beweisaufnahmeverfahren der ersten Instanz hat sich kaumWesentliches geändert; die schon immer vorhandenen Defizitebestehen nach wie vor; auf der anderen Seite steht der Versuch,durch indirekte Einflussnahme die Zahl der Beweisaufnahmenmöglichst zu vermindern, letztlich aus fiskalischen Gründen.

III. Im zweitinstanzlichen Verfahren steht seit der letzten ZPO-Reform die Neuregelung in § 529 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf demPrüfstand.

Wie nicht anders zu erwarten, waren die ersten Reaktionenund Handhabungen der Berufungsgerichte höchst unterschied-lich. Während die einen eher die Bindung an die Tatsachenfest-stellung der ersten Instanz betonen und den Grad der Zweifelan deren Richtigkeit möglichst hoch ansetzten, ließen anderebereits schon leichte Zweifel genügen. Da sich die Intensitäteines Zweifels auf der Grundlage persönlicher Wertung undWürdigung beurteilt, rechne ich damit, dass wir auch hierdurchaus unterschiedliche Handhabungen nach wie vor findenwerden.

Die unser Thema berührende Frage geht dahin, was bei Zwei-feln an der Tatsachenfeststellung zu geschehen hat: Darf dasBerufungsgericht die erhobenen Beweise ohne weiteres anderswürdigen oder muss es die Beweisaufnahme wiederholen?

Der Bundesgerichtshof hat die Frage in einer Entscheidung v.12.3.2004 (NJW 2004, 4876) in aus meiner Sicht erfreulicherWeise beantwortet:

„(Leitsatz 2) Ist eine Tatsachenfeststellung durch das Beru-fungsgericht geboten, so beurteilt sich die Frage, ob und in-wieweit das Berufungsgericht zu einer Wiederholung dererstinstanzlichen Beweisaufnahme gerichtet ist, nach densel-ben Grundsätzen wie aus der Zeit vor Geltung des Zivilpro-zessreformgesetzes.“

Für den Bereich der Beweisaufnahme durch Sachverständigebedeutet dies, dass immer dann eine Wiederholung, zumindesteine Ergänzung der erstinstanzlichen Begutachtung durchzufüh-ren ist, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts Lücken oder Un-klarheiten bestehen, und selbstverständlich erst recht dann,wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Gutachten insge-samt auf unrichtigen Grundlagen beruht oder Fehler aufweist.

Für den Zeugenbeweis galt bislang die Grundregel, dass einedem erstinstanzlichen Gericht entgegengesetzte Beweiswürdi-gung allenfalls dann ohne erneute Zeugenvernehmung möglichwar, wenn es nicht um die Glaubwürdigkeit und den persönli-chen Eindruck des Zeugen ging; andernfalls, insbesondere bei

Fragen der Glaubwürdigkeit eines Zeugen, musste die Verneh-mung wiederholt werden. Diese Grundsätze sind nun auch fürdas neue Rechtsmittelrecht festgeschrieben.

Von besonderer Bedeutung ist es, dass das Bundesverfassungs-gericht in jüngster Zeit den Grundrechtsgehalt dieser Verfah-rensgarantien bestätigt hat (2 BvR 779/04 v. 19.10.2004 und1 BvR 1935/03 v. 22.11.2004).

Einen allgemeinen Grundsatz formuliert das Bundesverfas-sungsgericht in der Entscheidung v. 19.10.2004. Es führt dazuaus:

„Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes enthält auch dieGewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes, derdie grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtlichePrüfung des Verfahrensgegenstandes ermöglichen muss. Arti-kel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprin-zip verleiht dem Einzelnen einen Anspruch auf eine tatsäch-lich wirksame gerichtliche Kontrolle. Dieses Grundrecht istverletzt, wenn die Gerichte die prozessrechtlichen Möglich-keiten zur Sachverhaltsfeststellung zu eng auslegen, dass ih-nen eine sachliche Prüfung derjenigen Fragen, die ihnen vor-gelegt worden sind, nicht möglich ist, und das vom Gesetz-geber verfolgte Verfahrensziel deswegen nicht erreicht wer-den kann. Nichts anderes gilt für den Fall, dass ein Gerichtseine Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung unvertretbar engauslegt oder faktisch entsprechend verfährt.“

Die zutreffende Auslegung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat alsogleichzeitig Verfassungsrelevanz.

Konkret zu dieser Vorschrift äußert sich die zweite Entschei-dung v. 22.11.2004. Dort führt das Bundesverfassungsgerichtaus:

„Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgerichtgrundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des erstenRechtszugs gebunden. Bei Zweifeln an der Richtigkeit undVollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen,die sich schon aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wer-tungen ergeben können, ist nach der gesetzlichen Neurege-lung eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Ins-besondere muss das Berufungsgericht einen bereits in ersterInstanz vernommenen Zeugen nochmals vernehmen, wennes dessen Glaubwürdigkeit abweichend vom Erstrichter be-urteilen will (vgl. BGH NJW 2004, 876 …).“

Damit ist festgestellt, dass eine Verletzung der Grundsätze, wiesie der Bundesgerichtshof im eingangs zitierten Urteil aufge-stellt hat, gleichzeitig auch immer eine Grundrechtsverletzungdarstellt. Dabei geht das Bundesverfassungsgericht nach demvorstehenden Zitat sogar weiter: Die Wiederholung der Be-weisaufnahme ist danach grundsätzlich zwingend geboten, dieFrage der Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen istlediglich ein besonderer Anwendungsfall.

Letztlich führt diese Rechtsprechung dazu, dass die Überprü-fung des in erster Instanz festgestellten Sachverhalts nunmehrauch nach neuem Prozessrecht den gleichen Regeln wie bisherunterliegt. Die „Bindung“ an die erstinstanzliche Tatsachenfest-stellung dürfte damit praktisch obsolet geworden sein. Auchnach altem Recht beließ es das Berufungsgericht bei der Tatsa-chenfeststellung der ersten Instanz, wenn es ebenso der Mei-nung war, dass das Beweisergebnis zutreffend ermittelt wurde.Man hat damals nicht von Bindung gesprochen, faktisch hatsich dies aber so ausgewirkt. Wenn nunmehr sogar das Bun-desverfassungsgericht ausspricht, dass sich Zweifel an der Rich-tigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Fest-stellungen schon aus der „Möglichkeit unterschiedlicher Wer-tung“ ergeben können, entspricht dies der früheren Handha-bung: Das Berufungsgericht, das seine Überzeugung von derWahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache nicht ebenso wie das

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 159

Koch, Sammelklagen oder Musterverfahren

Sammelklagen oder Musterverfahren– Verfahrensrechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen1

Prof. Dr. Harald Koch, Rostock

Amts- bzw. Landgericht aus den dort erhobenen Beweisen undderen Würdigung bilden konnte, trat in der Regel in eine neueBeweisaufnahme ein, es sei denn, die andere Würdigung ergabsich bereits zweifelsfrei aus den bereits vorhandenen Beweis-ergebnissen.

Es ist gerade aus anwaltlicher Sicht erfreulich, dass sich damitdie Kontrollmöglichkeit tatrichterlicher Feststellungen der ers-ten Instanz behauptet hat. Fehler, die in der Fülle der täglichenerstinstanzlichen Arbeit notwendigerweise unterlaufen, könnendamit einfacher, leichter und ohne aufwendige Erörterung derformalen Voraussetzungen einer erneuten Beweisaufnahmekorrigiert werden.

Auch für die neuen Anstöße zu einer zweiten „Großen Justizre-form“, wie sie derzeit von den Ländern initiiert wird, wird mandiese verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in den Blick neh-men müssen. Darüber hinaus ist es auch aus wirtschaftlicher,prozessökonomischer Sicht sinnvoller, der Berufungsinstanzdie Überprüfung tatrichterlicher Feststellungen im vorstehen-den Umfang zu ermöglichen. Die jetzige Intensität und Quali-tät der tatrichterlichen Feststellungen erster Instanz müsste we-sentlich verbessert werden, wenn man auf die Kontrolle durchdie zweite Instanz im bisherigen Umfang verzichten wollte.Der notwendige Aufwand übersteigt die erhoffte Ersparnisdeutlich.

I. Anlass und Gesetzes-Initiativen1

Vor dem Landgericht Frankfurt ist derzeit ein Prozess anhängig,mit dem „Rechtsgeschichte geschrieben werden dürfte“.2 Er hatnicht nur unsere heutige Diskussion, sondern auch bereitsmehrere Gesetzgeber-Inititativen ausgelöst und damit bestätigt,was Prozessualisten schon seit langem ahnen, aber nicht wahrhaben wollen: dass sich mit unserem geltenden Zivilprozess-recht solche Verfahren schlechthin nicht bewältigen lassen –oder mit den Worten des Frankfurter LandgerichtspräsidentenKramer: „Das deutsche Regelwerk ist auf ein solches Mammut-verfahren überhaupt nicht eingerichtet.“ – In jenem Prozessklagen ca. 16.000 enttäuschte Kapitalanleger gegen die Deut-sche Telekom (u.a.) und fordern in 2.200 (ursprünglich selb-ständigen) Verfahren Schadensersatz, weil sie beim sog. drittenBörsengang der Telekom von dieser mit angeblich mangelhaf-ten Informationen und frisierten Bilanzen über den Wert derAktien getäuscht worden seien und infolge der Kursverluste ins-gesamt über 100 Mio. Euro verloren hätten. 754 Anwälte reprä-sentieren die Kläger, die aufgrund einer besonderen Zuständig-keitsregelung im Börsengesetz (jetzt § 48) alle an die 7. Kam-mer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt gelangt sindund dort nicht nur für beispiellose logistische Probleme (Akten-aufstellung; Faxgeräte-Belastung; Zählkarten; Sitzungssaal;Geschäftsstellenkapazität), sondern auch für Fragen nach Ge-schäftsverteilung und gesetzlichem Richter, nach der Gleichbe-handlung und praktischen Konkordanz aller Verfahren und da-mit nach wirklich „effektivem Rechtsschutz“ gesorgt haben,einmal ganz zu schweigen von Fragen nach der Akquisition derMandate und ihrer kosten-/gebührenrechtlichen Behandlung,nach dem rechtlichen Gehör für die anderen als die Musterklä-ger oder nach der Verbindlichkeit jetziger Prozesshandlungenund Erkenntnisse für die zurückgestellten Verfahren.

II. Generalisierung

Mir liegt allerdings daran, diese Diskussion von solchem aktu-ellen Anlass zu lösen und sie nicht allein unter dem Eindruck

augenblicklicher Schwierigkeiten zu führen, die die Justiz miteinem solchen komplexen Großverfahren hat. Denn bekannt-lich hat jedes Rechtsgebiet – und erst recht jeder konkrete Fall –seine Eigenheiten, und wenn wir „Konzepte zur effizienten Ab-wicklung von Massenklagen“ entwickeln wollen, dann müssenwir uns auch über verfahrensrechtliche Grundsatzfragen Ge-danken machen.

Natürlich sind es die akuten Bedürfnisse der spezifischen Bran-chen und Rechtsgebiete, die den Ruf nach Reform besondersplastisch begründen. Wenn Frau Ministerin Künast zu Sammel-klagen wegen der Belieferung mit nitrofenverseuchten Futter-mitteln auffordert,3 wenn Anwälte und Netzwerke im Internetzu gebündelter Geltendmachung von Ansprüchen aufrufen undsich dabei als „Wegbereiter für Anlegerrechte“ bezeichnen undmit dem Slogan werben: „Gemeinsam kommen Sie zu IhremRecht!“,4 dann ist es der jeweilige Futtermittelskandal oder An-leger-Schaden, der die erneute Diskussion über Sammelklagenanstößt.

Zudem sollten wir nicht vergessen, dass es oft erst die Auswei-tung materiellrechtlicher Haftungsgrundlagen5 ist, die dieserDiskussion eine praxisrelevante Perspektive verschafft.

Das Prozessrecht hat mit seiner relativen Autonomie vom ma-teriellen Recht den Vorzug, dass es seinen Blick ungetrübt vonden je besonderen Bedürfnissen des materiellen Rechts auf dieVerfahrenseffizienz und -gerechtigkeit konzentrieren kann. Esmuss freilich stets den Test der Bewährung im konkretenProzess bestehen.

Die angesprochenen konzeptionellen Fragen tauchen nicht nurin der Kammer 17 für Handelssachen in Frankfurt auf. Auch imZusammenhang mit anderen, auf Zahlung gerichteten Massen-klagen, die bereits geführt wurden oder auf die wir uns in Zu-kunft vorbereiten müssen, gerät unser geltendes Verfahrens-recht schnell an seine quantitativen wie qualitativen Grenzen.

1 Vortrag, gehalten anlässlich des 3. ZPR-Symposions der BRAK am4./5.3.2005 in Potsdam.

2 Süddeutsche Zeitung Nr. 271/04 v. 22.11.2004, S. 2 (Themen desTages: Mammutprozess gegen die Telekom).

3 http://www.vistaverde.de/news/politik/0206/20_nitrofen.htm. 4 S. z.B. http://www.tilp.com/pa/66_168.htm; http://www.sammelkla-

gen-forum.de/anwalt/; http://www.rotter-rechtsanwaelte.info; http://www.dr-schulte.de/sammelklagen.htm.

5 Wie z.B. §§ 37b, c WpHG oder die geplanten haftungsrechtlichenNeuregelungen im Kapitalmarktrecht.

160 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Koch, Sammelklagen oder Musterverfahren

Ich möchte den Blick nur beispielhaft lenken auf Massenver-fahren6

– bei anderen Formen der Täuschung von Kapitalanlegern,

– bei Großunfällen mit Verkehrsmitteln,

– bei Arzneimittelschäden,

– bei Massenkonflikten im Arbeitsrecht (diskriminierende Be-zahlung, Massen-Änderungs-Kündigungen),

– bei Verbraucherklagen gegen unbillige Formularbedingun-gen, zu hohe Zinsbelastungen oder Serienschäden beiProduktfehlern,

– bei Umweltschäden, von denen zahlreiche Bürger betroffensind.

Eine solche Aufzählung disparater Erscheinungsformen vonMassenverfahren, die sich noch durch Beispiele aus dem Ver-waltungs- und sogar Verfassungsprozessrecht ergänzen ließe,müsste eigentlich geordnet und systematisiert werden. Ich willmich dieser Mühe hier aber noch nicht unterziehen, weil dieprozessualen Probleme, denen ich mich vor allem widmenmöchte, in den unterschiedlichen Gebieten ganz vergleichbarsind: All diese bereits erfahrenen oder zu erwartenden Bei-spiele machen, wenn man sie verfahrensrechtlich durchspielt,deutlich, was der Frankfurter Landgerichtspräsident mit seinereingangs zitierten Bemerkung über unser unzureichendes Pro-zessrecht gemeint hat: Es ist in keiner Weise für solche Massen-verfahren gerüstet.

III. Unzulängliches deutsches Zivilprozessrecht

1. Gründe für Verfahrensrechts-Defizite

a) Dem deutschen Zivilprozessrecht liegt das traditionelle Mo-dellverständnis zugrunde, der Prozess sei ein Streit zwischenzwei individuellen Parteien.7 Daher kann es auch bei eviden-ten multilateralen und Massenkonflikten nur mit deren Redukti-on auf eine bilaterale Streitstruktur reagieren, also macht es aushunderten von Klägern mit gleichem Anliegen nur „die Kläger“und platziert sie (nicht nur im Gerichtssaal und im Entschei-dungsrubrum) alle zusammen auf einer der beiden Seiten derVerfahrensbeteiligten.

„Im deutschen Prozessrecht trifft die Diskussion um die Einfüh-rung kollektiver Rechtsbehelfe auf strukturelle Abwehr“, heißtes denn auch in immer wiederkehrenden, nur scheinbar be-schreibenden Kommentaren,8 die wohl so viel bedeuten sollenwie: solche spezifischen Formen von Sammelklagen sind uner-wünscht, überflüssig.

b) Das führt zu zwei (aufeinander aufbauenden) Fragen: Weistdas geltende deutsche Prozessrecht wirklich einen defizitärenBefund an geeigneten Rechtsbehelfen bei Massenklagen auf?Und wenn dies bejaht wird: Lassen sich aus den vielfältigen Er-fahrungen, die man im Ausland mit kollektiven Rechtsschutz-

formen gesammelt hat, Anregungen für entsprechende Ab-hilferegeln gewinnen?

Wenn von „geeigneten Rechtsbehelfen“ und von „Abhilferege-lungen“ die Rede ist, so sind damit zwei zu unterscheidendeKriterien gemeint, an denen die Eignung zu messen ist und diezusammengefasst mit „effiziente Rechtsdurchsetzung“ bezeich-net werden können. Einmal geht es um das prozessökono-mische Anliegen des Frankfurter Landgerichtspräsidenten: Wielassen sich hunderte oder tausende von Verfahren mit im We-sentlichen gleichen Rechtsschutzanliegen mit vertretbaremAufwand bei Beachtung der grundlegenden Verfahrensgaranti-en bewältigen? Zum anderen ist das Effizienzkriterium auch i.S.der wirkungsvollen Umsetzung materiell-rechtspolitischer Zie-le auszulegen: Wenn z.B. das Vertrauen in die Kapitalmärkteund in den deutschen Börsenplatz wiederhergestellt werdensoll, dann sind auch die Rechtsschutz-Möglichkeiten geschä-digter Anlieger zu verbessern.

2. Möglichkeiten der Anspruchsbündelung im geltenden deut-schen Recht

Wenn auch die Anforderungen an den Zivilprozess, mit kom-plexen und Massenverfahren fertig zu werden, erst in neuererZeit verstärkt an ihn gestellt werden, gibt es doch sowohl imgeltenden Prozessrecht als auch in verschiedenen materiell-rechtlichen Zusammenhängen ansatzweise Möglichkeiten derBündelung von Ansprüchen. Sie sind schon verschiedentlichauf ihre Eignung für die aktuellen Anforderungen überprüftworden9 und sollen an dieser Stelle nur noch überblickartig mitHinweisen zu ihren Leistungsgrenzen erwähnt werden.

a) Der klassische Weg der Streitgenossenschaft (§§ 59 ff. ZPO)und der gerichtlichen Prozessverbindung (§ 147 ZPO) ist invielen der hier diskutierten Massenklagen entweder mangelsgleichzeitiger Anhängigkeit oder gemeinsamer Zuständigkeitfür alle Verfahren nicht gangbar oder erweist sich wegen be-grenzter Repräsentations- und Bindungswirkung als wenig effi-zient.10

b) Wird der Versuch gemacht, zahlreiche, auf die gleiche Ursa-che zurückzuführende Ansprüche durch Abtretung oder Einzie-hungsermächtigung an einen Treuhänder oder an eine Interes-sengemeinschaft zu bündeln, so scheitert dies bisher an dem(m.E. funktionswidrig angewandten) Rechtsberatungsverbot desArt. 1 § 1 RBerG.11 Selbst wenn eine solche Abtretung aus-drücklich gesetzlich ermöglicht wird – wie jüngst im Falle derEinziehungs- oder Musterverbandsklage des Art. 1 § 3 Nr. 8RBerG –, versperrt das OLG Düsseldorf mit geradezu sinnwid-riger Argumentation diese Verfahrensmöglichkeit, indem es dieAktivlegitimation des Zessionars mit dem Hinweis verneint, dieEinziehung der konkret abgetretenen Forderung könne nicht imallgemeinen Interesse des Verbraucherschutzes liegen.12 Hier

6 Überblick über die vielfältigen Rechtsgebiete: Hopt/Baetge, Rechts-vergleichung und Reform des deutschen Rechts – Verbandsklageund Gruppenklage, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Die Bündelunggleichgerichteter Interessen im Prozess, 1999, 13 ff.; Koch/Willing-mann, Großschäden und ihre Abwicklung, in: dies., Großschäden –Complex Damages. Rechtliche und alternative Regulierungsstrategi-en im In- und Ausland (1998), 11 ff.; Koch, Haftung für Massenschä-den, JZ 1998, 801.

7 Heß, Sammelklagen im Kapitalmarktrecht, AG 2003, 113, 114. Nw.aus der älteren Lit. bei Koch, Alternativen zum Zweiparteiensystemim Zivilprozess, KritV 1989, 323.

8 Heß, a.a.O.; Fleischer, in: Gutachten F. 117 zum 64. DJT (Bd. I2002), spricht von „Abstoßungsreaktion“ bei Transplantationsversu-chen ausländischer Sammelklageregeln.

9 Vgl. W. Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozess (1993), 12 ff.;Hopt/Baetge (o. Fn. 6), 54 ff.; Koch, Prozessführung im öffentlichenInteresse (1983), 126 ff., 141 ff.; Haß, Die Gruppenklage – Wegezur prozessualen Bewältigung von Massenschäden (1996), 63 ff.;Heß, AG 2003, 113, 119 ff.; Stadler, Bündelung von Verbraucher-interessen im Zivilprozess, in: Brönneke (Hg.), Kollektiver Rechts-schutz im Zivilprozessrecht (2001), 3 ff.; Baums (Hg.), Bericht derRegierungskommission „Corporate Governance“ (2001), Rdnr. 189.

10 Stadler, Bündelung von Verbraucherinteressen (o. Fn. 9), 4; Koch, JZ1998, 801, 804.

11 Stadler, Bündelung von Verbraucherinteressen (o. Fn. 9), 7; Haß,Gruppenklage (o. Fn. 9), 169 ff.

12 NJW 2004, 1532; dazu krit. Micklitz/Beuchler, das. 1502. Zur zu-treffenden Charakterisierung dieser Klage als Fall der gesetzlichenProzessstandschaft vgl. Stadler, Musterverbandsklagen nach künfti-gem deutschen Recht, in: FS Schumann (2001), 465.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 161

Koch, Sammelklagen oder Musterverfahren

hilft wohl nur eine Klarstellung im neuen Rechtsdienstleis-tungsgesetz (RDG).13

c) Mit seiner Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaftbürgerlichen Rechts14 hat der BGH noch einen anderen Wegfür die gemeinsame Verfolgung zahlreicher Ansprüche eröffnet:Sie kann den Gesellschaftszweck darstellen, so dass zahlreicheBetroffene als GbR klagen können, es also einer prozessualenBündelung gar nicht bedarf: Es tritt nur ein Kläger auf, nämlichdie Geschädigten-GbR. Da sie eine Gelegenheitsgesellschaft istund kaum eine aufwendige Organsiationsstruktur erfordert, be-treibt sie keine geschäftsmäßige Rechtsbesorgung i.S. desRBerG. Auch kann angesichts der nur gesamthänderischen Bin-dung der Gesellschafter-Ansprüche nicht von Besorgung frem-der Rechtsangelegenheiten die Rede sein,15 so dass die Geschä-digten-GbR nicht durch das RBerG behindert wird. Da es sichum eine Klage handelt, gibt es auch keine Probleme mit unter-schiedlichen Zuständigkeiten, verschiedenartiger Bindungswir-kung oder Verjährungshemmung, so dass diese Form der Kumu-lierung mit dem geringsten Aufwand verbunden ist. Dass siebisher noch wenig genutzt wird, dürfte einmal an der noch un-gewohnten Form der Bündelung, zum anderen an der immer-hin erforderlichen Initiative jedes einzelnen Geschädigten lie-gen, der seinen Anspruch in die Gesellschaft einbringen undsich mit den übrigen Beteiligten auf gemeinsames prozessualesVorgehen (jedenfalls Mandatierung eines Anwalts) verständigenmuss. Auch die Grenzen anwaltlicher Werbung könnten dabeieine Rolle spielen, auch wenn sie immer weiter hinausgescho-ben werden. Vielleicht ist auch das anwaltliche Interesse an sol-cher Kondensierung zu einem Mandat (Gebührendegression,nur einmalige Gebühr nach § 7 RVG ohne Erhöhung) nicht soausgeprägt wie bei anderen insoweit ertragreicheren Formender Kollektivierung wie bei der Streitgenossenschaft.

d) Die Verbandsklage de lege lata hat selbst der europäischeRichtliniengeber auf den Unterlassungsrechtsschutz be-schränkt.16 Versuche, mit einer Verbandsklage auch Zahlungs-ansprüche gebündelt geltend zu machen, scheitern entwederan den bereits erwähnten Zweifeln an der Aktivlegitimationoder an den hohen Anforderungen an eine gewillkürte Prozess-standschaft, die die Rechtsprechung bisher nur vereinzelt alserfüllt angesehen hat.17

e) Musterprozesse sind folglich die am häufigsten genutzteMöglichkeit der Bündelung von Massenklagen – wenn es denneine solche Bündelung ist: Denn es werden dabei gerade nichtzahlreiche Klagen zusammengefasst, sondern einzelne, mög-lichst repräsentative Verfahren exemplarisch herausgegriffen(wie in Frankfurt), um später die zahlreichen anderen Ansprü-che/Verfahren nach diesem Modell behandeln zu können.

Was heißt Musterprozess? Er kann seine exemplarische Funkti-on entweder im Wege der Vereinbarung zwischen den Parteienerhalten18 – vorausgesetzt, es gelingt, alle oder möglichst vieleBeteiligte dafür zu gewinnen. Allerdings kann eine echteRechtskrafterstreckung damit noch nicht erreicht werden.19

Oder aber – wie in Frankfurt geschehen – es ist das Gericht, das

von zahlreichen, gleichzeitig anhängigen Verfahren einzelneherausgreift, vorzugsweise terminiert und entscheidet, um so-dann die zurückgestellten Verfahren später in gleicher Weisewie das Musterverfahren zu entscheiden (oder aber um die an-deren Verfahren mit der Präzedenzwirkung der Musterent-scheidung einer vergleichsweisen Lösung zuzuführen). EineSelbstbindung im prozessualen Sinne ist dies freilich nicht.Vielmehr hat eine Musterentscheidung insoweit nur „persuasi-ve authority“. – Ob eine solche abgestufte Terminierung imHinblick auf das Beschleunigungsgebot des § 272 Abs. 3 undden prozessualen Gleichbehandlungsgrundsatz vom richterli-chen Terminsbestimmungs-Ermessen20 gedeckt ist, ist bekannt-lich umstritten. Immerhin lässt sich eines der damit verbunde-nen Probleme (das in Frankfurt aufgetaucht ist), nämlich dasder Gleichbehandlung bei richterlichen Hinweisen, wohl da-durch lösen, dass diese schriftlich und allen Beteiligten einesMassenverfahrens mitgeteilt werden.21 Mit dem geplanten Kap-MuG soll dies bekanntlich auf eine gesetzliche Grundlage ge-stellt werden; darauf ist zurückzukommen.

IV. Kollektive Rechtsschutzformen im Ausland

Auch hier kann ich mich angesichts intensiver rechtsverglei-chender Vorarbeiten auf wenige Hinweise beschränken.22

1. Class action in den USA (Canada, Australien, Neuseeland)

Inbegriff der Sammelklage und für viele das Allheilmittel, fürandere das Schreckgespenst schlechthin ist die US-amerikani-sche class action.23 Sie ist nicht nur unter rechtspolitischer undrechtsvergleichender Perspektive für uns interessant, sondernauch deswegen, weil in der internationalen forensischen Praxisimmer häufiger auch hiesige geprellte Verbraucher, Anleger,Unfallopfer sich an class actions in den USA auch gegen euro-päische beklagte Unternehmen beteiligen. Dies wird einmaldurch die ungewöhnlich großzügigen Zuständigkeitsregeln inden USA ermöglicht und verleiht dem Wettbewerb der „Justiz-plätze“ immer größere Bedeutung. Das „forum shopping“ wirddurch die jeweilige Anwaltschaft daher nachdrücklich betrie-ben.24 Man denke an das amerikanische Telekom-Parallelver-fahren (u. Fn. 26) oder an die im März 2005 in New York be-gonnene Verhandlung um die WorldCom-Pleite, in der auchdeutsche Anleger gegen die Deutsche Bank, Morgan Chase,Warburg u. a. klagen.

Die class action eröffnet einer Partei (und ihrem Anwalt) dieMöglichkeit, vor Gericht das Interesse vieler gleichartig Betroffe-ner zusammen mit ihrem eigenen geltend zu machen, ohne dassdiese formal beteiligt werden müssten. Die (Rechtskraft-)-Wir-kung einer Entscheidung25 erstreckt sich gleichwohl auf sämtli-

13 Der DiskE des BMJ, NJW Beilage zu Heft 38/04 entspricht in derFormulierung im Wesentlichen nur dem bisherigen § 3 Nr. 8 RBerG:„Rechtsdienstleistungen durch … Verbraucherverbände … sind er-laubt, soweit sie innerhalb des jeweiligen Aufgaben- und Zuständig-keitsbereichs erbracht werden“ (§ 8 Nr. 3 RDG).

14 BGHZ 146, 341.15 So auch Heß, AG 2003, 113, 123.16 Rl. 98/27/EG v. 19.5.1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz

der Verbraucherinteressen, ABl. EG 11.6.1998, L 166/51.17 Vgl. BGHZ 89, 2; Zöller/Vollkommer, ZPO (24. Aufl. 2004), Vor

§ 50 Rdnr. 60.18 Zu den unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Jakoby,

Der Musterprozessvertrag (2000).19 Statt vieler Zöller/Vollkommer, ZPO § 325 Rdnr. 43a, 43b.

20 Vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO § 216 Rdnr. 18.21 So Papst, NJW-Aktuell Heft 1 – 2/2005, XVIII.22 Statt vieler Basedow/Hopt/Kötz/Baetge, Die Bündelung gleichge-

richteter Interessen im Prozess (o. Fn. 6).23 Im Internet finden sich bei google unter dem Begriff „Sammelkla-

gen“ mehr als 500 Einträge, die überwiegend die amerikanischeclass action betreffen und die erörterten Bewertungen z.T. in drasti-scher Formulierung enthalten. – In der deutschen Literatur wurdedie class action monographisch zuerst vorgestellt von Koch, Kollek-tiver Rechtsschutz im Zivilprozess (1976); aus neuerer Zeit Eich-holtz, Die US-amerikanische class action und ihre deutschen Funk-tionsäquivalente (2002); Haß, Gruppenklage (o. Fn. 9); Stadler, in:Brönneke, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozessrecht (o. Fn. 9)13 ff.

24 Vgl. Koch, Klagetourismus für höheren Schadensersatz bei Groß-schäden? Forum Shopping in den USA und seine Grenzen, in: Koch/Willingmann (Hg.), Modernes Schadensmanagement bei Großschä-den (2002), 15 ff.

25 Nicht nur im (seltenen) Fall eines Urteils, sondern auch im Falle deshäufigeren gerichtlich bestätigten Vergleichs, s. Koch, ZZP 2000,413, 424.

162 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Koch, Sammelklagen oder Musterverfahren

che Betroffene (die gerichtlich bezeichneten class-Mitglieder),die nicht ausdrücklich ihren Ausschluss aus dem Verfahren be-gehrt haben. Es sind also zwei Charakteristika der US-amerikani-schen class action, die diese von ähnlichen Klageformen in Ka-nada, Australien und Schweden unterscheiden und die jedenTransplantationsversuch in das übrige Europa massiv behindern:

– Das eine Merkmal ist die bereits angedeutete unternehmeri-sche Rolle, die der Anwalt des „class representative“ spielt.Die sog. American rule des Kostenrechts und die Zulässigkeitvon Erfolgshonorarvereinbarungen sowie die weitgehendeanwaltliche Werbefreiheit haben die class action zu einemhöchst effektiven, aber auch missbrauchsanfälligen Instru-ment in der Hand amerikanischer Anwälte gemacht, das inder Regel dazu führt, dass die Parteien schon bei bloßer Zu-lassung der Klage als class action eine vergleichsweise Been-digung des Rechtsstreits suchen – nicht zum Nachteil der An-wälte, versteht sich.26

– Das zweite Charakteristikum der damages class action nachRule 23 b (3) Fed. R. Civ. Proc. ist der sog. opt-out-Mechanis-mus: Wer als Betroffener nicht vom „class representative“vertreten werden will, muss seinen Austritt aus der class er-klären. Wer untätig bleibt, wird von der Bindungswirkung ei-ner Entscheidung oder eines Vergleichs erfasst.

Die immer noch andersartige Rolle des Anwalts in Europa unddie Probleme, die eine solche Regelung im Lichte des Grundsat-zes rechtlichen Gehörs mit sich bringt, stehen einer einfachenÜbertragung der class action nach Deutschland zweifellos imWege, wenn wir es uns auch in der aktuellen rechtspolitischenDiskussion um Justiz-Standort und angemessenen Rechtsschutzfür große Gruppen Betroffener nicht so leicht machen und dieclass action in Bausch und Bogen verdammen sollten.

2. Grupptalan in Schweden

Das für die passiven Gruppenmitglieder erforderliche rechtli-che Gehör hat übrigens dazu geführt, dass bei der jüngst inSchweden nach dem Vorbild der class action eingeführten„Grupptalan“27 gerade dieser opt-out-Mechanismus zugunsteneines opting in ersetzt wurde: Wer ohne formelle Beteiligungam Prozess an dessen Ergebnis gleichwohl teilhaben (also impositiven wie im negativen Sinne gebunden sein) will, muss zu-vor seine Beteiligung am Verfahren beantragen. Interessant sinddie schwedische Zulassung von Einzelpersonen, aber auch vonVerbänden und sogar Behörden als Gruppenkläger, und diedortige Lösung des Prozesskostenproblems: Das einfacheGruppenmitglied haftet dafür nicht, aber der oder die Grup-penkläger können ihr Kostenrisiko durch eine gerichtlich zu ge-nehmigende Erfolgsbeteiligungsvereinbarung mit dem Anwaltbegrenzen. Für risikofreudige Anwälte eröffnet sich damit einattraktives Betätigungsfeld. – Von einigen solcher Verfahrenwird bereits berichtet (z.B. gegen die Skandia-Versicherungs-gruppe wegen verdeckter Gewinnausschüttungen); die be-fürchtete Klageflut ist freilich ausgeblieben.

3. Group litigation in England

Das neue englische Zivilprozessrecht28 sieht bei „multi-partycases“ vor allem ein weites gerichtliches Verfahrensermessen

vor: So kann das Gericht eine Group Litigation Order erlassen,mit der nach öffentlicher Bekanntmachung ein Klageregistereingerichtet wird, in das sich Betroffene eintragen müssen, umim Verfahren berücksichtigt zu werden. Das Gericht ernennt ei-nen „lead solicitor“, kann das Verfahren weiter strukturieren,einzelne „test cases“ herausgreifen, deren Entscheidung für zu-rückgestellte Verfahren dann verbindlich ist, und auch über dieVerteilung der Verfahrenskosten entscheiden.

4. Modelle und europäische TrendsDie rechtsvergleichende Umschau ließe sich durch einen Blickauf noch andere und nicht unbedingt exotische Rechte erwei-tern: In Frankreich wird jüngst die Einführung einer class actionkontrovers diskutiert;29 Verbandsklagen auf Schadensersatz,wenngleich auf den immateriellen Schaden der Allgemeinheitbegrenzt – sind im geltenden französischen und griechischenRecht verbreitet,30 und besondere Vertreterklagen im öster-reichischen und schweizerischen Recht ermöglichen als ac-tiones pro socio in besonderen Gebieten ebenfalls gesammelteGeltendmachung von Ansprüchen.31 Diese Erscheinungsfor-men beginnen sich unter massivem europäischen Einfluss anzu-nähern, jedenfalls in ihrem Ziel verbesserter effektiver Rechts-durchsetzung in bestimmten Politikbereichen (wie Verbraucher-und Umweltschutz). Die prozessualen Instrumente zur Errei-chung solcher Ziele sind (wie Art. 249 Abs. 3 EG dies zulässt) inden Mitgliedsstaaten noch unterschiedlich und lassen sich ver-einfachend in drei Modellkonzepte – nämlich Verbandsklagen– Sammelklagen – Musterklagen – einteilen. Die Verbandsklagespielt allerdings in diesem Arsenal insofern eine Sonderrolle, alssie nicht notwendig die anderen Modelle ausschließt, sonderndurchaus auch als Musterverfahren durch Verbände oder gar alsSammelklage mit einem Verband als Repräsentanten denkbarist.32 Wenn wir nämlich die Bedürfnisse nach Verbesserungenim kollektiven Rechtsschutz nach ihren materiell-rechtlichenund verfahrensrechtlichen Ursachen unterscheiden, so zeigtsich alsbald, dass Verbandsklagen unter Effizienzgesichtspunk-ten besonders dort anderen Bündelungsformen überlegen sind,wo Rechtsdurchsetzung und -bewährung durch private Klägermangels hinreichender Anreize kaum stattfindet (also z.B. beiBagatell- oder diffusen Umwelt- und Verbraucherschäden).Dort geht es also eher um die Verfolgung rechtspolitischer (ma-teriell-rechtlicher) Zielsetzungen. – Anders, wo Einzelklagendurchaus den Aufwand lohnen, also unabhängig davon erho-ben würden, ob dies auch andere tun: In diesem Falle geht esbei zahlreichen Klagen um Prozessökonomie. Auf solche Mas-senklagen will ich mich abschließend konzentrieren und Sam-melklagen und Musterverfahren einander gegenüberstellen.

V. Sammelklage und Musterverfahren: Vorzüge und Nachteile

1. Vertretung BetroffenerSammelklage und Musterverfahren unterscheiden sich zu-nächst voneinander in dem gänzlich unterschiedlichen Reprä-sentationskonzept:

26 So auch im amerikanischen Parallelprozess zum Frankfurter Tele-kom-Verfahren: In re Deutsche Telekom AG Securities Litigation,229 F.Supp. 2nd 277 (S.D.N.Y. 2002), der nach Zulassung am29.10.2002 bekanntlich mit einer Zahlung von ca. 100 Mio. $ andie amerikanischen Aktionäre verglichen wurde.

27 Lag (2002: 599) om Grupprättegång, dazu Stengel/Hakeman, Grup-penklage – Ein neues Institut im schwedischen Zivilverfahrensrecht,RIW 2004, 221. Dazu schon Dopffel/Scherpe, in: Basedow et al.Die Bündelung gleichgerichteter Interessen (o. Fn. 6), 429 ff.; Lind-blom 45 Am.J.Comp.L. (1997), 805, bes. 824 ff.

28 Civil Procedure Rules 1998 und Practice Directions 2000; dazuAndrews, ZZPInt (2000), 3; Hodges, Multi-Party Actions (2001);Greger, JZ 2002, 1020.

29 Handelsblatt, 5.2.2005, S. 7: „Frankreich will Sammelklagen zulas-sen“. NJW-aktuell Nr. 8/2005 XII.

30 Puttfarken/Franke und Papathoma-Baetge, in: Basedow/Hopt/Kötz/Baethge, Die Bündelung gleichgerichteter Interessen (o. Fn. 6), 147und 187; Koch, ZZP 113 (2000), 413, 420 ff.

31 Heß, AG 2003, 113, 117 f.32 In diese Richtung gehen die rechtspolitischen Vorschläge von Stad-

ler und Micklitz in ihrem Gutachten für das BMVEL: Das Verbands-klagerecht in der Informations- und Dienstleistungsgesellschaft,hrsg. vom Institut für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucher-recht VIEW 2005.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 163

Koch, Sammelklagen oder Musterverfahren

In einem Musterverfahren werden unabhängig davon, ob mitoder ohne gesetzliche Grundlage praktiziert, andere gleichartigBetroffene nicht vom Musterkläger in irgendeiner Weise recht-lich vertreten. Allenfalls werden andere Verfahren (vom Gerichtoder den Parteien) nach dem Vorbild dieses Musterprozessesbehandelt und abgewickelt.

Das ist bei der Sammelklage anders: Bei ihr findet eine echteRepräsentation statt, die nur unterschiedlich weit reicht: Die„representative party“ einer amerikanischen class action vertrittzugleich die (vom Gericht näher bezeichneten) class-Mitglie-der im Verfahren; jene gelten also ebenfalls als Parteien im Pro-zess, obwohl sie völlig untätig bleiben können. Wir haben esalso mit einer Art „Selbstorganschaft“ zu tun: Der Kläger machtzugleich eigene Ansprüche und die der class-Mitglieder gel-tend.

2. Bindungswirkung

Dieses Repräsentationskonzept hat natürlich Folgen für dieBindungswirkung. Der Unterschied zwischen Sammelklageund Musterverfahren besteht vor allem darin, wie das repräsen-tativ vor Gericht verhandelte Verfahren für die größere Zahl derrepräsentierten Verfahren Verbindlichkeit erlangen kann.

Im Falle der Sammelklage nach dem Muster der class actionoder grupptalan wird die Bindung der passiven Anspruchstellerdadurch erreicht, dass sie vom Verfahren benachrichtigt wer-den, so dass sie die Möglichkeit der Beteiligung haben. Einegerichtliche Entscheidung bindet daher alle, die sich haben re-gistrieren lassen, auch diejenigen, die am Verfahren nicht aktivteilnehmen. Denn sie gelten als vollwertige Prozessparteien,für die nur der Sammelkläger handelt.

Anders beim Musterprozess: Unabhängig davon, ob bereitsweitere Parallelverfahren anhängig sind oder ob der Musterpro-zess zunächst allein stattfindet, kann eine Musterentscheidungzunächst nur faktische (materielle) Präzedenzwirkung entfal-ten, kann also nicht verhindern, dass zahlreiche weitere Ver-fahren in derselben Sachen angestrengt werden, und sei esauch nur um die Verjährung zu hemmen. Der KapMuG-Ent-wurf will weitere Verfahren dadurch überflüssig machen, dasser in § 16 den Musterentscheid für die übrigen Verfahrensbetei-ligten nach Art der Nebenintervention (§§ 67, 68 ZPO) für ver-bindlich erklärt. Da dies aber nur für diejenigen gilt, die bereitsKlage erhoben haben (und nach Auswahl eines Musterklägersbeigeladen werden), erspart es nur die Fortführung der übrigenKlagen nach dem Musterentscheid. Um auch zahlreiche ande-re Anspruchsteller von der Klageerhebung abzuhalten, die trotzKenntnis des Musterverfahrens noch selbständig klagen wollen,um die Verjährung zu hemmen oder verbindlich partizipierenzu können, sind Vereinfachungen in der Anmeldung von An-sprüchen bei Gericht erforderlich, die nicht sogleich den vollengerichtlichen Aufwand einer wirksamen Klageerhebung aus-lösen (z. B. nach Art eines Mahnbescheid-Antrags).33

3. Streitgegenstand und Rechtskraft

Ein weiterer Unterschied zwischen Sammel- und Musterklagebesteht in den objektiven Rechtskraftgrenzen: Welcher Streitge-genstand wird in der Sammel- und Musterklage verhandelt undentschieden? Das ist nicht nur eine Lehrbuchfrage, sondern hatsehr praktische Relevanz: Wird eine Sammelklage mit einembestimmten rechtswidrigen Verhalten des Beklagten begründet,dann ist sehr fraglich, ob davon auch Anspruchsteller erfasstwerden, die ihren entsprechenden Haftungsanspruch auf einanderes Verhalten des Beklagten stützten – mit der Folge, dass

jene Kläger getrennt vorgehen könnten, weil sie nicht vomMusterverfahren erfasst werden.

Wiederum kann das Telekom-Verfahren als Beispiel dienen:Werden auch diejenigen Ansprüche mit einer Sammelklage re-präsentiert, die zwar gleichfalls mit Prospektfehlern begründetwerden, dabei aber nicht auf die Überbewertung von Immobi-lien, sondern auf den umstrittenen Voicestream-Kauf Bezugnehmen? Das New Yorker Bundesgericht hat in der dort anhän-gigen class action beide Begründungen als eine gemeinsameRechts- und Tatsachenfrage angesehen (common question oflaw or fact).34 Geht man mit der deutschen Rspr. vom zwei-gliedrigen Streitgegenstandsbegriff aus, wonach Antrag und„Lebensvorgang“ die Identität des Verfahrens kennzeichnen,35

so ergeben sich bei unterschiedlichen Tatsachengründen (zweiverschiedene Prospektfehler) für eine Anspruchsgrundlageauch zwei Streitgegenstände (keine Anspruchsgrundlagenkon-kurrenz!). – Sieht man hingegen den Klaggrund nur in dem ent-täuschten Vertrauen der Anleger in die Richtigkeit und Voll-ständigkeit des Prospektes, so wird es nicht mehr darauf an-kommen, welche ad hoc-Informationen der Emittent denn hät-te konkret geben müssen, um die Prospektwahrheit zu erhalten(also ein Streitgegenstand).

Eine Sammelklage nach amerikanischem, schwedischem oderenglischem Muster käme hier zweifellos zu einem einheit-lichen Streitgegenstand. Der Musterentscheid hingegen fasstauch nach der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung (Kap-MuG) nur zahlreiche anhängige Einzelverfahren zusammenund behandelt und beurteilt einige – aber keineswegs alle –Tatsachen- und Rechtsfragen verbindlich gemeinsam. Muster-verfahren heißt insoweit nur: Kompromiss auf dem Wege zueinem Streitgegenstand. Denn nach wie vor haben die passivenKläger (Beigeladenen) eine gewisse Selbständigkeit (wie dereinfache Nebenintervenient), die aber durch die mit dem Mus-terprozess verbundene Verfahrenskonzentration sinnvoll einge-schränkt ist.

4. Kosten und Finanzierung

Mit den herkömmlichen Mitteln der massenweisen Klageerhe-bung (also Streitgenossenschaft, fiduziarische Abtretung, Klageeiner GbR) lässt sich das Kostenrisiko für die Kläger insgesamtallenfalls mit Hilfe der Zusammenrechnung des Streitwerts (§ 5ZPO, §§ 39, 48 Abs. 1 GVG, § 22 RVG) und der damit verbun-denen Gebühren-Degression herabsetzen. Gelingt eine ge-meinsame anwaltliche Vertretung nicht, so kommt es für dieAnwaltsgebühr nicht einmal zu dieser Degression. Immerhinkann es im Falle der Streitgenossenschaft gem. § 100 ZPO zueiner Kostenrisikoverteilung auf viele Schultern kommen, wasz.B. bei aufwendiger Beweisaufnahme schon einen Entlas-tungseffekt bringt.

Eine Sammelklage, in der die Ansprüche also von vornhereindurch einen Repräsentanten oder Treuhänder gebündelt gel-tend gemacht würden, könnte nur die Zusammenrechnung desGebührenstreitwerts sicherstellen. Das Problem außenstehen-der, also abwartender Anspruchsteller, die auf den Präzedenz-charakter der Entscheidung vertrauen und ohne jedes eigeneKostenrisiko davon profitieren wollen, lässt sich nur mit Sam-melklagen amerikanischen Stils (opt out-Mechanik) lösen.

Ein einfacher Musterprozess, der anderen Verfahren vorausgehtund dessen Entscheidung nur materielle Präzedenzwirkungentfaltet, senkt das Kostenrisiko für den hypothetischen Ge-samtstreit zwar erheblich, verlagert es jedoch allein auf denMusterkläger, es sei denn, im Hinblick auf den Mustercharakter

33 Braun/Rotter, BKR 2004, 296, 299 f.34 In re Deutsche Telekom AG Securities Litigation (o. Fn. 26), 281.35 BGH NJW 1991, 1047; Zöller/Vollkommer, ZPO Einl. Rdnr. 71.

164 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren

seien andere Prozessfinanzierungsabsprachen getroffen wor-den. Auch bleibt das Trittbrettfahrer-Phänomen kostenrechtlichunbefriedigend.

Eine aus zahlreichen Verfahren herausgehobene Musterklage –wie jetzt im Telekom-Verfahren – bedarf auch im Hinblick aufdie Kostenverteilung dringend einer gesetzlichen Regelung, dasie de lege lata nicht nur zu einer Kostenrisikoentlastung führt,sondern sogar in erheblichen Zusatzkosten des Musterklägersresultieren kann, dessen Anwalt das Verfahren ja besonders ar-beitsaufwendig betreiben wird. Es bedarf also einer Regelung,die einmal der Tatsache Rechnung trägt, dass es sich bei demMusterverfahren im Kern um eine Feststellungsklage handelt,deren Entscheidung für die zurückgestellten Verfahren verbind-lich sein soll. Zu denken ist also an eine entsprechende Redu-zierung des Gesamtstreitwerts oder an eine Befreiung von denGerichtskosten im Hinblick auf die mit dem Musterverfahrenerreichte Entlastung der Justiz.36 Zum anderen müssen der oderdie aktiven Musterkläger für ihren im Vergleich zu den passivenBeteiligten größeren Aufwand im Erfolgsfall gesondert vergütetwerden und im Misserfolgsfall die übrigen Kläger anteilig zuden höheren Kosten heranziehen können.37 Damit ist freilichnoch nicht das free rider-Problem gänzlich außenstehenderGläubiger gelöst.

VI. Zusammenfassung in Thesen

1. Das geltende deutsche Zivilprozessrecht ist für Probleme,die sich mit Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes stellen,nicht hinreichend gerüstet, weil das ihm zugrunde liegende 2-Parteien-Konzept das Ziel effizienter Rechtsdurchsetzung weit-gehend verfehlt.

2. Effiziente Rechtsdurchsetzung kann zweierlei heißen: Pro-zessökonomische Bewältigung von Massenverfahren und wir-kungsvolle Umsetzung materiell-rechtspolitischer Ziele, wobisher Einzelverfahren mangels hinreichender Anreize nichtstattfinden würden.

3. Eine neue gesetzliche Regelung kollektiven Rechtsschutzessollte deshalb nicht bei der Verbesserung des Verfahrensrechtsfür bereits anhängige Massenklagen stehen bleiben. Denn dasZiel effizienter Rechtsdurchsetzung bei massenhaften Rechts-verletzungen ist nur zu erreichen, wenn diese auch tatsächlichverfolgt werden, z.B. durch Haftungssanktionen.

4. Die Verfolgung zahlreicher gleichartiger Verstöße durch pri-vate Betroffene kann entweder gebündelt geschehen (Sammel-klage). Dann bedarf es einer Reihe von Änderungen einschlägi-ger Verfahrensvorschriften, angefangen von einheitlicher Zu-ständigkeit über Prozessführungsbefugnisse und Beteiligungs-rechte (opt-in/opt-out) bis hin zu anwaltlichen Vertretungs- so-wie Kostenregeln, die eine solche gebündelte Geltendmachungvon Ansprüchen erleichtern können.

5. Ein Musterverfahren hingegen soll einzelne, geeignete undrepräsentative Modellfälle vorzugsweise behandeln und mussdaher, um prozessökonomisch erfolgreich zu sein, für die zu-rückgestellten Fälle verbindlich sein. Eine entsprechende ge-setzliche Regelung muss das rechtliche Gehör der zurückge-stellten Kläger gewährleisten. Um auch Klagen weiterer gleich-artig Betroffener überflüssig zu machen, sind vereinfachte An-meldeverfahren einzuführen, die ebenfalls Bindungswirkungentfalten.

6. Sammelklage und Musterverfahren können sich zwar beigleichartigem Streitgegenstand im konkreten Fall gegenseitigausschließen, nicht aber als generelle Möglichkeit der Verfol-gung zahlreicher gleichartiger Beschwerden. Ein Musterverfah-ren erscheint dort geeignet, wo Einzelrechtsschutz wegen ge-ringwertigen Individualinteresses kaum in Anspruch genom-men würde. Sammelklagen sind vor allem bei zahlreichen be-reits anhängigen, im Kern gleichartigen Prozessen sinnvoll.

7. Die Sperr- und Bindungswirkung, die ein anhängiges Verfah-ren für alle gleichartigen Streitgegenstände entfaltet, erforderteine (auch europäisch geprägte) Bestimmung des Streitgegen-standes von Sammel- und Musterklagen: Es liegen im Kernidentische Rechts- und Tatsachenfragen vor, soweit ein Verhal-ten des Beklagten als rechtswidrig angegriffen wird, selbstwenn davon viele Einzelkläger und in unterschiedlichem Maßebetroffen sind.

8. Sowohl Sammelklagen als auch Musterverfahren müssendurch kostenrechtliche Regelungen begleitet werden, die Auf-wand und Risiko nicht allein dem aktiven Prozessführer bzw.seinem Anwalt überlassen. Dies kann entweder durch externeProzesskosten-Finanzierungsvereinbarungen geschehen. Oderaber dem Gericht werden besondere Befugnisse der Streitwert-begrenzung und Kostenbelastung übertragen. Das Trittbrettfah-rer-Problem könnte kostenrechtlich dadurch aufgefangen wer-den, dass Außenstehende bei nachträglicher Anmeldung ihrerForderung zu den vorangegangenen Prozesskosten des Muster-oder Sammelverfahrens nach GoA-Grundsätzen herangezogenwerden.

36 Stadler, in: Brönneke, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozessrecht(o. Fn. 9), 35 f.

37 Stadler, a.a.O.., 36, Braun/Rotter, BKR 2004, 296, 301; Heß/Micha-elidu, ZIP 2004, 1381, 1386.

Sammelklagen oder Musterverfahren– Verfahrensrechtliche Konzepte zur effizienten Abwicklung von Massenklagen1

Rechtsanwalt Dr. Michael Weigel, Frankfurt/Main

I. Problemstellung

In letzter Zeit wurden wir zunehmend mit dem Phänomen kon-frontiert, dass von Schadensereignissen nicht nur eine Vielzahlvon Personen betroffen werden, sondern diese die ihnen auf-

grund dessen (vermeintlich) zustehenden Rechte dann auch ge-richtlich geltend machen. Bisheriger Höhepunkt dieser Ent-wicklung sind die beim Landgericht Frankfurt anhängigen Pros-pekthaftungsklagen gegen die Deutsche Telekom. Dort sind rd.2.000 Klagen von Anlegern anhängig, weitere 15.000 befindensich noch bei Schiedsstellen wie insbesondere der in Hamburg(ÖRA), wo die Ansprüche, zum Zwecke die Verjährung zuhemmen, zunächst angemeldet wurden.

1 Vortrag, gehalten anlässlich des 3. ZPR-Symposions der BRAK am4./5.3.2005 in Potsdam.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 165

Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren

Gerade dieses Verfahren hat gezeigt, dass das vorhandene In-strumentarium der ZPO und vor allem die bei den Gerichtenvorhandene Infrastruktur mit derartigen Fallgestaltungen über-fordert ist, was u.a. bereits zur Anrufung des Bundesverfas-sungsgerichts wegen vermeintlich überlanger Verfahrensdauergeführt hat, weil ca. 3 Jahre nach Einreichung der ersten Klagenim August 2001 noch keine mündliche Verhandlung stattgefun-den hatte (vgl. BVerfG, NJW 2004, 3320). Nachdem im No-vember 2004 in 10 sog. „Musterverfahren“ oder „Pilotverfah-ren“ mündlich verhandelt wurde, ist dann aus AnwaltskreisenKritik wegen (vermeintlicher) Ungleichbehandlung laut gewor-den (Pabst, NJW 2004, Heft 1, XIX).

II. Der Regierungsentwurf eines Kapitalanleger-Musterklage-verfahrens sowie der Alternativentwurf der Professoren Micklitz und Stadler

Das Justizministerium hat inzwischen mit einem Entwurf für einMusterklageverfahrensgesetz reagiert, der im November 2004vom Kabinett verabschiedet und am 18.2.2004 vom Bundesratbehandelt wurde. In seiner abschließenden Stellungnahme(BR-Drs. 2/05) hat der Bundesrat umfangreiche Kritik geäußert,die z.T. mit den vom ZPO-Ausschuss der BRAK und vom Zivil-rechtsausschuss des DAV geäußerten Bedenken übereinstimmtund eine Reihe von Änderungsvorschlägen unterbreitet. Mit ei-ner Verabschiedung des Gesetzes ist vor Ende des Jahres wohlnicht zu rechnen.

In der Erwartung, dass das Gesetz bereits im Frühjahr 2005 inKraft treten würde, ist über die Anwendung des Musterklage-verfahrens in der ersten mündlichen Verhandlung des Telekom-Verfahrens im November letzten Jahres bereits öffentlich disku-tiert worden, und der Vors. Richter hat sich offenbar darauf ein-gerichtet, dass das KapMuG schon für die Telekom-VerfahrenAnwendung findet.

Ich unterstelle, dass der aktuelle Regierungsentwurf für ein Ka-pitalanleger-Musterverfahrensgesetz allen Anwesenden im We-sentlichen bekannt ist. Deshalb will ich den Inhalt nachfolgendnur kurz zusammenfassen.

Das KapMuG ermöglicht es den Parteien einer Schadenersatz-klage wegen unzutreffender Kapitalmarktinformation für dieEntscheidung vorgreifliche Tatbestandsmerkmale und/oder Ein-wendungen durch das übergeordnete OLG in einem Muster-verfahren für alle Parteien rechtskräftig klären zu lassen, in de-ren Rechtsstreiten diese Punkte entscheidungserheblich sind.Voraussetzung ist, dass neben dem ersten Musterfeststellungs-antrag binnen vier Monaten nach Bekanntgabe in einem elek-tronischen Klageregister 9 weitere gleichgerichtete Musterfest-stellungsanträge eingetragen werden. Das Prozessgericht legtdann die Vorlagefragen dem OLG in Form einer Art Beweisbe-schluss vor. Mit Bekanntgabe dieses Vorlagebeschlusses im Kla-geregister werden neben den Rechtsstreiten, die infolge Einrei-chung eines Musterfeststellungsantrags bereits unterbrochenwaren, auch alle weiteren Rechtsstreite ausgesetzt, für derenEntscheidung die Vorlagefragen vorgreiflich sind, auch wenndort kein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde.

Das OLG bestimmt dann aus dem Kreis der Kläger, die bei demvorlegenden Gericht Klage erhoben haben, einen Musterkläger.Die übrigen Kläger haben in dem anschließenden Musterfest-stellungsverfahren beim OLG die Stellung von so genanntenBeigeladenen, d.h., sie werden behandelt wie Streitverkündete,wobei sie allerdings Kopien der Schriftsätze der Hauptparteiennur auf besonderen Antrag erhalten und ihre Schriftsätze nurden Musterparteien und dem Gericht zugeleitet werden.

Das OLG klärt dann die Vorlagefragen und erhebt hierzu, so-weit erforderlich, Beweis auf der Grundlage des Vorlagebe-schlusses. Eine Abänderung dieses Beschlusses ist auf Antrag

des Musterklägers oder -beklagten sowie von mindestens 10Beigeladenen möglich. Die Kosten der Beweiserhebung wer-den von der Staatskasse vorgelegt.

Nach mündlicher Verhandlung, zu der die Beigeladenen durchBekanntmachung im elektronischen Klageregister geladen wer-den können, entscheidet das OLG dann durch Beschluss überdie Vorlagefragen. Dieser Musterentscheid bindet neben Mus-terkläger und Musterbeklagten auch alle Beigeladenen, d.h.alle Kläger, deren Rechtsstreite gegen den Musterbeklagten we-gen Vorgreiflichkeit der Vorlagefragen bis zur Beendigung desMusterverfahrens ausgesetzt worden sind. Ihnen gegenüber un-terliegt die Rechtskraftbindung allerdings denselben Grenzenwie gegenüber einem Streitverkündeten.

Die Kosten des Musterverfahrens werden entsprechend demquotalen Anteil des jeweiligen Streitwerts am Gesamtstreitwertaller ausgesetzten Rechtsstreite auf diese verteilt und dann je-weils in der Kostenentscheidung den dortigen Parteien nach all-gemeinen Regeln zugewiesen. Zusätzliche Anwaltsgebührenwerden durch das Musterverfahren nicht ausgelöst.

Gegen den Musterbescheid kann von den Parteien oder Beige-ladenen Rechtsbeschwerde zum BGH eingelegt werden, wobeidiese stets grundsätzliche Bedeutung hat. Anders als bei denMusterverfahren selbst sind hier allerdings nur die Musterpar-teien und die Beigeladenen beteiligt, die dem Verfahren beige-treten sind. Über die Kosten der Rechtsbeschwerde wird geson-dert entschieden, wobei die Kostenlast der Kläger und Beigela-denen jeweils auf den Betrag beschränkt ist, der dem Wert dervon ihnen erhobenen Klage entspricht.

Demgegenüber dürfte der inzwischen veröffentlichte Alterna-tiventwurf noch weitgehend unbekannt sein. Er beruht auf ei-nem Gutachten, das das Ministerium für Verbraucherschutz, Er-nährung und Landwirtschaft bei den Professoren Dr. HansMicklitz und Dr. Astrid Stadler eingeholt hat.

Der Alternativentwurf sieht vor, alle Verbands-, Muster-, Sam-mel- und Gruppenklagen in einem einheitlichen Gesetz zu re-geln. Hierbei handelt es sich um eine Änderung und Ergänzungdes vorhandenen Unterlassungsklagegesetztes. Neben den be-reits bekannten Verbandsunterlassungsklagen enthält der Ent-wurf eine Reihe neuer Klageformen.

Zunächst sieht der Alternativentwurf für alle vorsätzlichen odergrob fahrlässigen Verletzungen von Verbraucherschutzvor-schriften eine so genannte Abschöpfungsklage vor, durch dieVerbraucherschutzverbände zugunsten eines Fonds Bagatellan-sprüche von Verbrauchern im Wert von unter 25,00 Euro gel-tend machen können. Hierdurch soll erreicht werden, dassdurch eine sog. Muster- oder Sammelklage so genannte „Un-rechtsgewinne“ abgeschöpft werden, die in Folge ihres gerin-gen Wertes anderenfalls nicht geltend gemacht würden.

Daneben soll es Verbraucherschutzverbänden in einem weit-aus stärkeren Maße, als es derzeit im Rechtsberatungsgesetzbereits vorgesehen ist, gestattet werden, in Form einer sog.Muster- oder Sammelklage Forderungen von Verbrauchern imWege der gewillkürten Prozessstandschaft oder der Abtretunggerichtlich geltend zu machen.

Schließlich soll jedermann die Möglichkeit eröffnet werden, alsRepräsentant für mindestens 20 weitere Personen auch mitRechtswirkungen für diese eine so genannte Gruppenklage ein-zuleiten, für die dann das OLG erstinstanzlich zuständig ist.Dies setzt einen entsprechenden Antrag voraus, aus dem sichergeben muss, dass den Mitgliedern der Gruppe auf derselbentatsächlichen rechtlichen Grundlage Ansprüche zustehen unddiese nicht ebenso gut durch individuelle Klagen geltend ge-macht werden können sowie, dass der Kläger geeignet ist, dieInteressen der anderen Betroffenen sachgerecht zu vertretenund die Finanzierung des Rechtsstreites zu organisieren.

166 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren

Der Antrag wird dann von dem angerufenen Gericht in einemelektronischen Klageregister mit der Aufforderung veröffent-licht, dass potentiell betroffene Gruppenmitglieder dem Verfah-ren durch Erklärung gegenüber dem Prozessgericht oder gegen-über dem Klageregister innerhalb einer bestimmten Frist beitre-ten. Dieser Beitritt hat ebenso wie die Klageerhebung zur Fol-ge, dass der Ablauf der Verjährung gehemmt wird.

Nach Fristablauf entscheidet das Gericht durch Beschluss auf-grund mündlicher Verhandlung über die Eröffnung des Verfah-rens. Hierzu hat es zu prüfen, ob die Klagegründe der Beitre-tenden hinreichend übereinstimmen. Personen, bei denen diesnicht der Fall ist, kann das Gericht ausschließen. Sofern beimindestens 20 weiteren Teilnehmern parallele Klagegründevorliegen, eröffnet das Gericht das Gruppenverfahren undmacht diese Entscheidung im Klageregister bekannt. Nach Frist-ablauf können weitere Teilnehmer nur zugelassen werden, so-weit dies nach Maßgabe der ZPO sachdienlich ist.

Die Rechte der übrigen Teilnehmer werden in dem anschlie-ßenden Verfahren ausschließlich von dem Gruppenklägerwahrgenommen. Das Gericht kann jedoch anordnen, dass denübrigen Teilnehmern über das elektronische Klageregister Infor-mationen zur Verfügung gestellt werden, soweit es dies für er-forderlich hält. Zu benachrichtigen sind die Gruppenmitgliederinsbesondere über Grund-, Teil- oder Endurteile sowie über be-absichtigte Prozessvergleiche. Der Gruppenkläger soll die teil-nehmenden Mitglieder darüber hinaus hinsichtlich wichtigerVerfahrensereignisse konsultieren, soweit ihm dies mit vertret-barem Aufwand möglich ist.

Erweist sich der Gruppenkläger als ungeeignet, so hat ihn dasGericht abzusetzen und aus dem Kreis der übrigen Teilnehmereinen neuen Gruppenkläger zu ernennen.

Dem Gericht kommt nach den Vorstellungen des Alternativ-entwurfs eine über das bisher bekannte Maß weit hinausgehen-de Verantwortung für den Ablauf des Verfahrens zu. Der Rich-ter soll insbesondere darauf hinwirken, zu klären, ob ein Leis-tungs- oder Feststellungsantrag gestellt wird oder ob gegebe-nenfalls Untergruppen gebildet werden sollen. Es kann nachErmessen über einzelne Sach- oder Rechtsfragen Teilfeststel-lungsurteile oder ein Grundurteil erlassen.

Sofern das Gericht ein rechtskräftiges Grund- oder Teilfeststel-lungsurteil erlassen hat, kann es alle Beteiligten zu einer Anhö-rung laden, um einen Vergleich herbeizuführen. Gelingt diesnicht, entscheidet es durch Endurteil – das dann für alle Grup-penmitglieder bindend ist – über den Klageantrag oder die Be-endigung des Gruppenklageverfahrens, bleibt für die sich an-schließenden Einzelverfahren dann aber weiter zuständig.

Gegen dieses Urteil kann von den Parteien Revision eingelegtwerden. Die Gerichtskosten des Verfahrens sind auf die Hälfteherabgesetzt. Dem Anwalt des Gruppenklägers steht eine zu-sätzliche Gebühr zu. Für die Kosten des Verfahrens haften dieGruppenmitglieder nur anteilig.

III. Erörterung der Entwürfe vor dem Hintergrund verschiedener Problemstellungen

Nachfolgend werde ich die beiden Regelungsmodelle anhandeiner Reihe von Problemfeldern erörtern. Der Vergleich ist al-lerdings nicht ganz fair, da der vom Verbraucherschutzministe-rium initiierte Alternativentwurf nicht den Anspruch erhebt, bisins Detail ausgearbeitet zu sein. Auf dieser Grundlage will ichdann versuchen, aus Sicht der Praxis eine erste Einschätzungdazu abzugeben, ob und inwieweit die Regelungsmodelle ge-eignet sind, die sich aus Massenverfahren ergebenden Proble-me zu lösen, ohne andererseits unangemessen in die Rechteder Betroffenen einzugreifen.

1. Streitgegenstand

Ein grundlegendes Problem bei der Behandlung von Massen-klagen ist die Abgrenzung des Streitgegenstandes, über deneine allgemeine verbindliche Entscheidung getroffen werdensoll.

Der Alternativentwurf sieht insoweit sowohl eine Abgrenzungnach außen – durch Ausschluss potentieller Gruppenmitglie-der – als auch die Bildung von Untergruppen vor. Die Frage, inwelchem Umfang individuelle Umstände in das Verfahren ein-gebracht werden, hängt im Übrigen von der Parteidispositionund damit auch von den Einflussmöglichkeiten der Gruppen-mitglieder auf den Gruppenkläger ab. Da die Rechtskraftwir-kungen sich nur auf die freiwillig Beigetretenen erstreckt, istdies aber m.E. akzeptabel, zumal das Gericht eine weitgehen-de Hinweispflicht hat.

Der Anwendungsbereich des KapMuG ist von vornherein aufkapitalmarktrechtliche Ansprüche beschränkt, obwohl das Phä-nomen von Massenklagen auch in anderen Bereichen auftretenkann und die Beschränkung auf diesen Bereich rechtspolitischdurchaus zweifelhaft sein kann, wie der Bundesrat in seinerStellungnahme rügt. Auch innerhalb dieses Bereiches ist dieAbgrenzung des Streitgegenstandes m.E. nur unvollkommengeregelt.

In den Telekom-Verfahren etwa wird eine Prospektunrichtigkeitsowohl hinsichtlich der Immobilienbewertung als auch bezüg-lich des Erwerbs von Voice Stream geltend gemacht, und darü-ber hinaus sind auch die Abgrenzung der Prospektverantwortli-chen und etwaigen Exculpationsmöglichkeiten erheblich.

Nach dem Regierungsentwurf muss es sich lediglich um Sach-und Rechtsfragen handeln, die für mindestens 10 Klagen vor-greiflich sind. Der Umfang des Streitgegenstandes hängt damitim Wesentlichen von dem Vortrag in den ersten 10 Klagen ab,in denen ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde. Eine spä-tere Abänderungsmöglichkeit ist nur für den Fall vorgesehen,dass die Musterparteien diese in das Verfahren einbringen odermindestens 10 Beigeladene dies übereinstimmend anregen. Indem Gesetzentwurf wird nicht eindeutig klargestellt, ob sämtli-che im Hinblick auf eine bestimmte Kapitalmarktinformationvorgebrachten Rügen und alle im Hinblick auf eine etwaigeHaftung aus dieser Kapitalmarktinformation möglicherweisebestehenden Einwendungen dasselbe Feststellungsziel zumGegenstand haben und deshalb in demselben Musterverfahrengeklärt werden sollen – auch wenn die Formulierungen in derEntwurfsbegründung darauf hindeuten – oder ob es sich hier-bei um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, so dass Kla-gen, in denen unterschiedliche Aspekte geltend gemacht wer-den, insoweit auch nicht als gleichgerichtet angesehen werden.Dies hätte zur Folge, dass im Hinblick auf dieselben Kapital-marktinformationen mehrere Musterklageverfahren denkbarsind, obwohl dies nur wenig sinnvoll erscheint. Wie der Bun-desrat in seiner Stellungnahme rügt, ist es andererseits proble-matisch, von einem Musterkläger zu erwarten, auch solche As-pekte der Kapitalmarktinformation in dem Musterverfahren an-zufechten, die er in seiner Klage nicht geltend gemacht hatteoder zu seinem Vortrag sogar in Widerspruch stehen.

2. Individuelle Tatbestandsvoraussetzungen und Einwendungen

Ein Schwerpunkt der bei Massenklagen auftretenden Problemeergibt sich daraus, dass die Gerichtsorganisation nicht hinrei-chend ausgestattet ist, um eine große Anzahl von Verfahren lo-gistisch abwickeln zu können. Dies wird daran deutlich, dassbei den Telekom-Verfahren Erlass und Zustellung einfacherVerfügungen mehrere Monate in Anspruch nehmen und diesezum Teil bereits überholt waren, als sie zugingen. Zwischender Erhebung der ersten Klagen im August 2001 und der ersten

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Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren

mündlichen Verhandlung in einigen wenigen Musterverfahrenim November 2004 vergingen mehrere Jahre. Die Vorausset-zungen für eine Beweiserhebung – und damit auch für eineVerwendung des Instrumentariums des KapMuG – liegen bisheute nicht vor. Es mag sein, dass die Verfahrensführung durchdas Gericht anders gelaufen wäre, wenn die Möglichkeit, einMusterverfahren durchzuführen, bereits von Anfang an abzuse-hen gewesen wäre. Auch dies würde jedoch nichts an demUmstand ändern, dass diese individuellen anspruchsbegrün-denden oder -ausschließenden Fragen in den Einzelrechtsstrei-ten spätestens dann entschieden und verwaltungstechnisch ab-gewickelt werden müssen, nachdem der Musterentscheid er-gangen ist. Es steht zu vermuten, dass der Gesetzgeber still-schweigend auf eine Einigung der Parteien hofft, sofern sichnicht aus dem Musterentscheid ohnehin ergibt, dass ein An-spruch bereits dem Grunde nach nicht besteht. Der Bundesratschlägt deshalb in seiner Stellungnahme vor, das in § 14 Abs. 3Satz 2 vorgesehene Verbot eines Vergleichsschlusses im Mus-terverfahren dann nicht eingreifen zu lassen, wenn alle Betei-ligten zustimmen (Bl. 16).

In dem Alternativentwurf wird dieses Problem dadurch gelöst,dass entweder der Muster-/Gruppenkläger die individuellenAnspruchsmerkmale sammelt und sie dem Gericht dann in ei-ner Leistungsklage konsolidiert unterbreitet oder das Gruppen-klageverfahren nur auf eine Feststellung anspruchsbegründen-der oder anspruchsausschließender Umstände begrenzt ist. Inletzterem Falle müssten die individuellen Ansprüche grund-sätzlich auch in Einzelrechtsstreiten geklärt werden. Der Alter-nativentwurf sieht in diesem Zusammenhang jedoch ausdrück-lich die Möglichkeit vor, dass das Gericht alle Gruppenmitglie-der nach Erlass einer Zwischenentscheidung über den Grunddes Anspruchs zu einem Gütetermin lädt.

Da das deutsche Recht von einer individuellen und konkretenSchadensberechnung ausgeht und anders als andere Rechts-ordnungen eine pauschale Behandlung – außer in den Gren-zen des § 287 ZPO – gerade nicht vorsieht, wird sich diesesProblem verfahrensrechtlich allerdings auch wohl nicht lösenlassen. Man kann lediglich versuchen, den Arbeitsaufwandmöglichst auf den Muster-/Gruppenkläger zu verlagern, um dieRessourcen des Gerichts soweit möglich zu entlasten, wie esder Alternativentwurf vorsieht.

3. Informations- und Teilnahmerechte

Die überwiegende Zahl der Teilnehmer von Massenverfahrensind reine erfahrungsgemäß „Trittbrettfahrer“, die aus eigenemAntrieb nicht das Bestreben haben, sich aktiv am Verfahren zubeteiligen. In Telekom-Verfahren waren ihre Klagen z.T. nurwenige Seiten lang und aus Internetveröffentlichungen „abge-kupfert“. Im Hinblick auf die sich auch für sie ergebendenRechtskraftwirkungen müssen ihre Rechte trotzdem angemes-sen gewahrt werden. Aufgrund des insoweit bestehenden Ein-sparpotentials ist die effektive Gestaltung der Behandlung der„Trittbrettfahrer“ andererseits eine der wichtigsten Regelungs-materien für Muster-/Gruppenklagen.

In dem Alternativentwurf wird die Information der und Konsul-tation mit den übrigen Anspruchsinhabern im Wesentlichendem Muster-/Gruppenkläger überlassen. Für das Gruppenkla-geverfahren ist lediglich vorgesehen, dass das Gericht denGruppenmitgliedern über das Klageregister Informationen übergrundlegende Ereignisse wie Zwischenurteile und Vergleichs-vorschläge zukommen lässt. Im Hinblick darauf, dass die übri-gen Gruppenmitglieder ihre Rechte dem Kläger zur Geltend-machung übertragen oder der Gruppe zumindest freiwillig bei-getreten sind, erscheint dies akzeptabel. Ob das im Gesetzent-wurf vorgesehene Instrumentarium ausreicht, um Missbräu-chen vorzubeugen, bleibt abzuwarten.

Im KapMuG haben die übrigen Anspruchsinhaber als Beigela-dene grundsätzlich die Stellung einfacher Streitverkündeter,wobei ein genereller Verweis auf die Vorschriften über die Ne-benintervention und insbesondere den dort vorgesehenen Bei-tritt zum Verfahren allerdings fehlt, obwohl die Figur des „Bei-geladenen“ zivilprozessual noch nicht definiert ist. Im Hinblickdarauf, dass die Rechtskraftwirkungen des Musterentscheidesdie Beigeladenen Kraft Gesetzes treffen, ohne dass ihnen inso-weit eine Wahlmöglichkeit offen steht, erscheint dies nicht un-problematisch. Solange ihnen die Option eröffnet wird, sichdie notwendigen Informationen aktiv zu verschaffen und danngegebenenfalls auch auf den Ablauf des Verfahrens Einfluss zunehmen, ist dies aber wohl noch akzeptabel.

Vor diesem Hintergrund erscheint es jedoch bedenklich, dassden Beigeladenen im KapMuG, anders als normalen Streitver-kündeten, nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich durch Bei-tritt zum Rechtsstreit ein umfassendes Bild über den Ablauf zuverschaffen, weil sie die Schriftsätze der Musterpartei nur aufAntrag und die der anderen Beigeladenen überhaupt nicht zu-geleitet erhalten, zumal dies über das elektronische Klageregis-ter unschwer möglich wäre, wie auch der Bundesrat in seinerStellungnahme vorschlägt.

Bedenklich ist dies aber vor allem im Hinblick auf diejenigenAnspruchsinhaber, die sich selbst aktiv an dem Musterklagever-fahren beteiligen wollen, ohne selbst Musterkläger zu sein. Ih-nen wird die Teilnahme an dem Verfahren in einer m.E. unak-zeptablen Weise verwehrt. Hinzu kommt, dass auch der Ver-fahrensablauf und der Gerichtsbetrieb unnötig beeinträchtigtwerden, wenn aktive Anspruchsinhaber gezwungen werden,sich die notwendigen Informationen durch Einsicht in die Ge-richtsakte zu verschaffen oder – fast noch schlimmer – in Un-kenntnis des Vortrages anderer Beigeladenen dasselbe noch-mals schriftsätzlich vorbringen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwägen, ob es im Hin-blick darauf, dass der Musterkläger vom Gericht ausgewähltwird, angemessen erscheint, den übrigen Anspruchsstellern le-diglich die Stellung einfacher und nicht streitgenössischer Ne-benintervenienten einzuräumen. Dies geht zwar mit einer ent-sprechenden Beschränkung der Rechtskraftbindung einher. DieZwecke, die der Gesetzgeber des KapMuG verfolgt, werdenaber auch dann verfehlt, wenn die Beschränkungen der Rechts-kraftbindung des Musterbescheides greifen, weil keine hinrei-chende Einflussnahmemöglichkeit der Beigeladenen bestandund deshalb weitere Verfahren nötig werden. Das in der Regie-rungsbegründung als einziger Grund gegen eine streitgenössi-sche Nebenintervention angeführte Problem divergierenderRechtsmittelfristen lässt sich m.E. demgegenüber einfach da-durch lösen, dass man insoweit an die Bekanntmachung desMusterentscheids im elektronischen Klageregister anknüpft.

Ob solche aktiven Anspruchsinhaber bereit sein werden, sichmit den ihnen nach dem Alternativentwurf vom Muster-/Grup-penkläger eröffneten Informations- und Einflussnahmemöglich-keiten zu begnügen, bleibt abzuwarten. Da die dahingehendenPflichten des Klägers in dem Gesetzentwurf ausdrücklich unterdem Vorbehalt stehen, dass ihm dies mit vertretbarem Aufwandmöglich ist, erscheint dies fraglich. Es steht daher zu befürch-ten, dass aktive Anspruchsinhaber sich bei dem vorliegendenRegelungsmodell dazu veranlasst sehen, separat Rechtsstreitezu führen, was den Intentionen eines Gruppen-/Musterverfah-rens zuwiderläuft.

Meines Erachtens sollte erwogen werden, aktiven Anspruchsin-habern die Möglichkeit eines Beitritts als Nebenintervenientzur Gruppenklage einzuräumen. Die Notwendigkeit, hierzueinen Rechtsanwalt zu beauftragen, und die damit verbunde-nen Kosten dürften ein hinreichendes Mittel sein, um die Zahl

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Weigel, Sammelklagen oder Musterverfahren

der in diesem Wege zusätzlichen Verfahrensbeteiligten geringzu halten.

4. Mehrere Beklagte

Gerade bei Massenklageverfahren richtet sich der Focus ver-ständlicherweise auf die Vielzahl der Kläger. Dass darüberhinaus auch die Möglichkeit besteht, dass die Ansprüche gegenmehrere Beklagte gerichtet sind, wird demgegenüber oft über-sehen. So finden sich in manchen Telekom-Verfahren nebendieser und dem Vorstand Ron Sommer auch die KfW und dieBundesrepublik Deutschland sowie die Deutsche Bank und ge-rade in letzter Zeit auch Goldman Sachs auf der Beklagtenseite,ohne dass dies jedoch andererseits bei allen Verfahren der Fallwäre. Gerade bei Prospekthaftungsverfahren ist die Möglichkeitmehrerer Prospektverantwortlicher nur zu nahe liegend.

Trotzdem findet sich in dem KapMuG keine Regelung hierfür.In der Gesetzesbegründung ist lediglich erwähnt, dass eineStreitgenossenschaft auch auf Beklagtenseite möglich sei. Dieskann sich aber wohl nur auf die Beklagten der Ausgangsverfah-ren beziehen. Was mit Beklagten geschieht, die in den späterenVerfahren neben dem Musterbeklagten Partei sind oder sogarals einzige in Anspruch genommen werden, ist im Gesetz nichtgeregelt. Eine Beiladung findet gem. § 8 Abs. 3 nur hinsichtlichder „Kläger“ der übrigen Verfahren statt.

Obwohl die Parteistellung weder in § 7 noch in § 16 als Tatbe-standsmerkmal erwähnt ist, kommt eine Aussetzung oder garRechtskrafterstreckung gegenüber Beklagten, die nicht Partei desMusterverfahrens sind, wohl kaum in Betracht. Trotzdem findetsich im Gesetzentwurf keine Regelung dafür, wie weitere poten-tielle Beklagte in das Musterverfahren einbezogen werden, so-fern sie nicht Partei der Ausgangsverfahren sind, was allein vomZufall abhängt. So waren etwa die KfW, Goldmann Sachs undder Bund bei den ersten Telekom-Klagen nicht beteiligt.

Nach allgemeinen prozessualen Möglichkeiten dürfte potenti-ellen weiteren Beklagten zwar die Möglichkeit einer Nebenin-tervention auf Beklagtenseite offen stehen, geregelt oder auchnur erwähnt wird dies jedoch weder in dem Gesetzesentwurfnoch in der Begründung.

Eine zwangsweise Einbeziehung ist nicht vorgesehen, so dasswegen derselben Kapitalmarktinformation gegebenenfalls meh-rere Musterverfahren durchgeführt werden müssten, soweit un-terschiedliche Beklagte in Betracht kommen. Schon aus Grün-den der Parität würde es nahe liegen, auch anderen (potentiel-len) Beklagten die Stellung von Beigeladenen einzuräumen, so-weit sie in einem der sonstigen Klageverfahren Partei sind, wo-bei gerade sie allerdings meines Erachtens die Stellung streitge-nössischer Nebenintervenienten haben sollten.

Der Alternativentwurf geht auf diese Frage überhaupt nicht ein.Da eine Wirkungserstreckung auf nicht unmittelbar am Muster-/Gruppenverfahren Beteiligte nicht vorgesehen ist und eine Ne-benintervention Interessierter zumindest möglich erscheint, istdies allerdings hier auch nicht ganz so tragisch.

5. Kosten

Ein erhebliches Problem bei Massenverfahren sind die Verfah-renskosten. Zum einen summieren sich auch bei moderatenStreitwerten der einzelnen Verfahren die Gesamtkosten für denBeklagten, wenn er es mit einer Vielzahl von Klägern zu tunhat. Auf der anderen Seite ist bei derartigen Verfahren die Be-weiserhebung oft sehr teuer. So sind beim Telekom-Verfahrendie Kosten für die Neubewertung des Immobilienvermögensauf 17 Mio. Euro veranschlagt. Wenn mehrere gleichgerichteteGutachten hierzu eingeholt werden müssten, hätte dies für dieBeklagtenseite prohibitive Kosten zur Folge. Hinzu kommt,dass sich wohl auch eine ausreichende Anzahl von Sachver-ständigen nur schwer finden lassen würde.

Der Entwurf des KapMuG sieht vor, die Kläger von ihrer norma-len Kostenvorschusspflicht zu befreien. Das hätte zur Folge,dass zunächst die Staatskasse mit diesen Kosten belastet wirdund sie nur dann auf alle Kläger umgelegt werden, wenn derenKlage nicht erfolgreich ist. Der Bundesrat geht deshalb in seinerStellungnahme – wohl zu Recht – davon aus, dass dies eineVermehrung solcher Klagen – auch wenn die Anspruchsbe-rechtigung unklar ist – und damit eine Mehrbelastung der Justizzur Folge haben wird. Ferner rügt er, dass dies eine unangemes-sene Bevorzugung von Kapitalanlegern darstelle, die angesichtsleerer Staatskassen nicht zu rechtfertigen sei. Die Beklagtenhätten zumindest den Vorteil, dass nicht mehrere solcher Gut-achten eingeholt werden müssten.

Dieser Bündelungseffekt tritt auch bei einer Muster- oder Grup-penklage nach dem Alternativentwurf ein, weil auch hier meh-rere Verfahren zusammengefasst werden. Eine Kostenentlas-tung der Kläger ist hier allerdings nicht vorgesehen. Es ist viel-mehr die Aufgabe des Musterklägers oder der Verbraucher-schutzvereinigung, die als Kläger auftritt, sich um die Finanzie-rung zu kümmern.

Im Hinblick auf die bei den Telekom-Verfahren prognostizier-ten Kosten hätte dies auf Klägerseite allerdings nur dann einenEntlastungseffekt zur Folge, wenn es dem Kläger gelingt, dieseKosten auf eine Vielzahl anderer Beteiligter zu verteilen. Ande-rerseits dürfte hierdurch der aus den USA bekannten Gefahrentgegengewirkt werden, dass durch kreative „Klageanwälte“aufgestachelte Geschädigte nach Großschäden dubiose An-sprüche als Gruppenklage geltend machen, ohne eigene Inves-titionen befürchten zu müssen, die normalerweise eine sorgfäl-tige Anspruchsprüfung zur Folge haben.

6. Zuständiges Gericht

Um die notwendige Sachkompetenz des Gerichts sicherzustel-len, sieht der Entwurf des KapMuG auch die Einführung einereinheitlichen Zuständigkeit für alle Klagen wegen fehlerhafterKapitalmarktinformationen vor. Dieses Ziel ist zu begrüßen.Aus diesem Grund – und um einige bei lokalen Gerichten auf-getretene Auswüchse zu verhindern – wurde in den USA dieZuständigkeit für das actions auf die jeweiligen Bundesgerichteverlagert (Class Action fairness act). Nach dem neu vorgesehe-nen § 32b ZPO soll das Gericht am Sitz des Emittenten bzw.der Zielgesellschaft zuständig sein.

Gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage gemäß § 48 BörsenGund § 18 VerkaufsprospektG, die auf den Ort der Börsenzulas-sung oder den Sitz des BaFin abstellen, hat die Neuregelungallerdings eine Zersplitterung der Gerichtsstände zur Folge.Während bisher die überwiegende Zahl der Prospekthaftungs-klagen bei der entsprechend sachkundigen Kammer des Land-gerichts Frankfurt stattfand, muss zukünftig wohl jedes Landge-richt entsprechende Kammern einrichten, die dann auch regel-mäßig das Klageregister überwachen müssen. Der Bundesratschlägt deshalb in seiner Stellungnahme vor, stattdessen aufden Börsenstandort oder den Sitz des BaFin abzustellen(Bl. 16 f.).

Darüber hinaus trägt der Gesetzentwurf insofern nicht geradezur Klarheit bei, als er auf den Begriff des „Emittenten“ abstellt,obwohl die bisher gängige Begriffsbestimmung auf einige derin § 1 aufgeführten Kapitalmarktinformationen nicht passt. Ge-meint ist hier wohl jeder Herausgeber einer Kapitalmarktinfor-mation, d.h. die Gesellschaft selbst.

Der Alternativentwurf sieht lediglich vor, dass die Klagen amSitz des Beklagten erhoben werden, wobei für Gruppenklagendie erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG und ganz allge-mein, d.h. nicht nur für die einheitliche Feststellung, der allge-mein verbindlichen Vorfragen, begründet werden soll. Dieoben angesprochenen Bedenken gelten daher auch hier.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 169

Berger, Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte

IV. Resümee

Im Ergebnis lässt sich aufgrund der vorstehenden Erwägungenfesthalten, dass weder das KapMuG noch der Alternativvor-schlag des Verbraucherministeriums alle im Zusammenhangmit dem Phänomen von Massenklagen auftretenden Problemezu lösen imstande sind. Insgesamt erscheint das Regelungsmo-dell des Alternativentwurfs flexibler und damit wohl auch pra-xisnäher, weil es im stärkeren Maße auf die Initiative des Mus-terklägers und die Eigenverantwortung der beitretenden Grup-penmitglieder setzt. Aus demselben Grund dürfte dieses Mo-dell auch einen größeren Entlastungseffekt für die Gerichte ha-ben als das KapMuG, das wegen der zwingenden Rechtskraft-erstreckung viel rigider sein muss, als es bei einem opt in-Mo-dell der Fall ist. Auch der Bundesrat scheint deshalb in seinerStellungnahme ein solches Modell zu favorisieren.

In Anlehnung an den Alternativentwurf der Professoren Mick-litz und Stadler erscheint mir ein Modell am erfolgsverspre-chendsten, bei dem sich entweder eine überschaubare Zahlvon Klägern darauf einigt, ihren (vermeintlichen) Zahlungsan-spruch durch einen Kläger gebündelt im Wege der Leistungs-klage geltend zu machen, indem dieser entweder zur Prozess-

führung ermächtigt wird oder die Ansprüche abgetreten erhält.Aus Gründen der „Hygiene“ wäre meines Erachtens allerdingszu erwägen, die Klägerstellung in solchen Verfahren vertrau-enswürdigen Obleuten, möglicherweise nicht unbedingt Ver-braucherschutzverbänden, vorzubehalten.

Daneben sollte es die Möglichkeit geben, mit verjährungshem-mender Wirkung im Wege eines Feststellungsverfahrens vor-greifliche Sach- und Rechtsfragen mit Wirkung für alle An-spruchsinhaber klären zu lassen, die einem solchen Verfahrenzustimmen (opt in) oder – soweit sie glauben, sich einbringenzu müssen – als Nebenintervenienten beitreten. Diese Mög-lichkeit muss dann aber auch auf der Beklagtenseite bestehen.Ich denke, private Eigeninitiative ist eher geeignet, die sich ausder Vielzahl ergebenden logistischen Probleme zu bewältigen,als die Gerichtsverwaltung.

Wie das Problem der individuellen Anspruchsvoraussetzungengelöst werden kann, falls die Anspruchsvoraussetzungen alsbestehend festgestellt worden sind, aber entweder die Klägeroder die Beklagten nicht einigungsbereit sind, vermag ich nichtzu erkennen. Es bleibt m.E. nur auf die Vernunft der Beteiligtenzu hoffen.

Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte1

Prof. Dr. Christian Berger, Leipzig

I. Einleitung

Görg Haverkate hat 1996 in einem Beitrag in der JuS2 dieGrundlagen und die Ziele der anwaltsorientierten Juristenaus-bildung an der Universität Heidelberg dargestellt. Er wirft dabeidie Frage auf: „Rechtswissenschaft oder Rechtskunde?“. Darinkommt die Besorgnis zum Ausdruck, dass die Einbindung deranwaltlichen Sichtweise den wissenschaftlichen Anspruch desjuristischen Studiums trüben könnte. Diese Besorgnis ist ver-ständlich, meines Erachtens aber unbegründet: Wer sich nichtnur vordergründig mit Rechtsnormen befassen möchte, son-dern sich für die Entstehungsbedingungen und Wirkungsweisenvon Recht interessiert, darf die Perspektive der Vertragsgestal-tung nicht übergehen. „Praxisbezug und Wissenschaftlichkeitstellen richtig verstanden keine Gegensätze dar.“3

Bemerkenswert ist allerdings, dass die wissenschaftliche Kom-ponente in der Diskussion über die anwaltsorientierte Juristen-ausbildung nur am Rande eine Rolle spielt. Man begründet dieNotwendigkeit anwaltsbezogener Lehrinhalte mit der hohenZahl der Absolventen, die den Beruf des RA ergreifen4; den zu-künftigen Anwälten sollen bereits innerhalb des Studiums ersteEinblicke in die Tätigkeit des RA ermöglicht werden.

Allein dieser Begründungsansatz – so wichtig er ist – vermagallerdings die Befassung mit Rechtsgestaltung an der Universi-

tät nicht zu rechtfertigen. Die Universitäten sind zwar ver-pflichtet, die ihr anvertrauten Studenten auf die Berufsaus-übung vorzubereiten5. Das entbindet sie aber nicht von demPostulat der Wissenschaftlichkeit.

Auch die Protagonisten anwaltsorientierter Juristenausbildungbehandeln das Thema bislang eher zurückhaltend. Man betont,Anwaltsorientierung müsse selbstverständlich „kritisch“ erfol-gen; sie habe „keine Abstriche an Wissenschaftlichkeit“6 zurFolge. Eine positive Begründung hierfür wird nicht gegeben.

Diese defensive Grundhaltung überrascht. Es sollte nämlichnicht übersehen werden, dass an der Einbindung der Rechtsge-staltung in den akademischen Unterricht grundsätzliche Kritikgeübt wird: Studenten sollten nicht zu früh mit den Möglichkei-ten der Interessenwahrnehmung vertraut gemacht werden. DieInteressenverfolgung durch Vertragsgestaltung sieht man als miteiner der „Gerechtigkeit“ verpflichteten Rechtsordnung nicht inEinklang stehend. Lehrgegenstand sollte zunächst einmal die„objektive“ Rechtsordnung sein.

Ich möchte im Folgenden die Gegenposition einnehmen undbegründen. Meine Thesen lauten:

– Rechtsgestaltung ist ein unverzichtbarer Baustein der Privat-rechtsordnung.

– Rechtsgestaltung ist ein der Richterperspektive gleichwerti-ges Instrument einer wissenschaftlichen Befassung mit Recht.

– Rechtsgestaltung ist daher nicht nur ein zu duldender, son-dern ein sachlich unentbehrlicher Bestandteil der wissen-schaftlichen Lehre.

1 Der Beitrag beruht auf einem Vortrag, den der Verfasser auf der6. Soldan-Tagung zur anwaltsorientierten Juristenausbildung am23. April 2004 an der Universität Leipzig gehalten hat. Die Vortrags-form wurde beibehalten. – Der Verfasser ist Direktor des Instituts fürAnwaltsrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig.

2 Haverkate, JuS 1996, 478.3 Barton, in: Barton/Jost, Die inhaltliche Neuausrichtung des rechts-

wissenschaftlichen Studiums – 5. Soldan-Tagung zur anwaltsorien-tierten Juristenausbildung, S. 15.

4 Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl.2003, Rdnr. 6.

5 Vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Sächsisches Hochschulgesetz.6 Otte, Diskussionsbericht in Barton/Jost, Die inhaltliche Ausrichtung

des rechtswissenschaftlichen Studiums, 5. Soldan-Tagung zur an-waltsorientierten Juristenausbildung, S. 131, 132 (unter 9.).

170 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Berger, Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte

Damit ist wiederum der Begriff der „Wissenschaftlichkeit“ ge-fallen, dessen Klärung den hier gegebenen Rahmen sprengenwürde.

Verständigen können wir uns freilich über Elemente rechtswis-senschaftlicher Lehre. Neben der unverzichtbaren Vermittlungpositiven Wissens, die von einer kritischen Grundhaltung getra-gen sein sollte, befasst sich Rechtswissenschaft mit den Entste-hungsbedingungen und Wirkungsweisen von Recht. Ferner hatWissenschaft die Aufgabe der Systematisierung. Und spezielldie Rechtswissenschaft sollte die Rechtspraxis kritisch begleitenund Vorschläge zur Lösung praktischer Fragestellungen entwi-ckeln.

II. Bestandsaufnahme

Was wurde bislang wissenschaftlich auf dem Gebiet derRechtsgestaltung erreicht?

Betrachtet man die Publikationen zur Vertragsgestaltung, fälltauf, dass zahlreiche Bücher und Aufsatzreihen sich schwer-punktmäßig mit der Lösung von Gestaltungsaufgaben befas-sen7. Darin kommt der Praxisbezug zum Ausdruck. Diese Wer-ke eigenen sich vorzüglich für Übungen.

Recht weit gehen die Darstellungen freilich schon bei der „Me-thode anwaltlicher Vertragsgestaltung“8. Wenngleich hier nichtalles, was unter dem Methodenbegriff dargeboten wird, übereinfache Hilfen hinausgeht, so sind hier doch wichtige Erkennt-nisse formuliert worden. Schritte der Vertragsgestaltung wie9:

– Bestimmung des Gestaltungsziels

– Untersuchung der bestehenden Rechtslage

– Bestimmung des Gestaltungsbedarfs

– Ermittlung und Bewertung der Gestaltungsinstrumente

– Formulierung der Gestaltung (gewöhnlich in einer Urkundeoder einem Schriftsatz)

eröffnen die Möglichkeit der Rationalität, Kontrolle und Refle-xion über die Tätigkeit.

In diesem Rahmen kann der kritische Umgang mit den Formu-larbüchern und Musterverträgen gelehrt werden10. Die Funkti-on der rechtlichen Rahmenbedingungen und das Postulat des„sichersten Wegs“11 lassen sich darstellen. Schließlich ermög-licht dieses Vorgehen die Einbindung des herkömmlichen ma-teriellen Rechts und des Prozessrechts.

Neben Fragen der Methodik fällt einer wissenschaftlichen Dis-ziplin die Aufgabe der Systematisierung zu. Insoweit sind dieAnstrengungen nicht über erste Ansätze hinausgekommen. Ichmöchte Ihnen dazu im Folgenden einige Überlegungen vortra-gen. Mehr als Denkanstöße können es nicht sein. Ich erhebehier nicht den Anspruch, auch nur Prolegomena einer Theorieder Lehre vom rechtlichen Gestalten vorzutragen. Es handeltsich dabei um Früchte einer ergänzenden Lehrveranstaltung,die ich in Leipzig vor einigen Jahren angeboten hatte. Ich be-schränke mich auf das Privatrecht.

III. Begriff

Unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlicher Befassung miteinem Gegenstand ist eine exakte Begrifflichkeit. Daher zu-nächst einige Worte zum Begriff:

Ich halte den Begriff der „Vertragsgestaltung“ für eine unzuläs-sige Verkürzung. Es geht nicht nur um Verträge, sondern umden gestalterischen Umgang mit allen von der Rechtsordnungzur Verfügung gestellten Instrumenten. Der Vertrag nimmt da-bei zweifelsfrei eine herausragende Stellung ein. Daneben tre-ten aber auch einseitige Gestaltungsmöglichkeiten wie Voll-machtserteilung, Kündigung und Testament.

Ferner muss eine Verengung auf das materielle Recht vermie-den werden. Gerade auch die Rechtsverwirklichung und damitVerfahren und Vollstreckung sind unverzichtbar für das Ver-ständnis von Recht12. Dieser weite Ansatz muss sich in demBegriff niederschlagen. Wir sollten daher nicht von „Vertrags-gestaltung“ sprechen, die unser Anliegen auf eine Handlungs-form des materiellen Rechts verengt, sondern von „Rechtsge-staltung“.

Rechtsgestaltung in diesem weiten Sinne umfasst den Weg unddas Gestaltungsergebnis, beispielsweise die Vertragsurkunde.Wir betrachten das Verfahren und sein Resultat.

IV. Bedeutung und Funktion

1. Rechtsanwendung

Rechtliches Gestalten unterscheidet sich von der streitigenRechtsanwendung durch den Richter. Gleichwohl bleibt esRechtsanwendung. Das bedeutet, dass Rechtskenntnisse unddie Methoden der Gesetzesauslegung auch bei der Rechtsge-staltung ihre Bedeutung behalten. Das folgt schon daraus, dasssich das abzudeckende Regelungsspektrum (der Regelungsbe-darf) nicht ohne Ermittlung der gesetzlichen Ausgangslage be-stimmen lässt13. Ferner sind bei der Auswahl und der Bewer-tung der möglichen Gestaltungsmittel und bei ihrer UmsetzungRechtskenntnisse unverzichtbar.

2. Interessenwahrnehmung

Rechtsgestaltung dient der Interessenverfolgung. Dies scheintmit dem „Ideal“ des rechtswissenschaftlichen Studiums nicht inEinklang zu stehen, wonach Rechtsfragen möglichst objektiv zubeurteilen seien14.

Rechtliche Regelungen werden mit Recht an einem Gerechtig-keitsanspruch gemessen. Der Inhalt eines Vertrags freilich ent-zieht sich diesem Maßstab. Er spiegelt Verhandlungsstärke undMachtverhältnisse wider. Nur die Rahmenbedingungen seinesZustandekommens unterliegen rechtlicher Prägung, die Inhalteentziehen sich weithin rechtlichen Vorgaben.

Für das gesamte Gebiet der rechtlichen Gestaltung gilt: Interes-senverfolgung ist zulässig und legitim15. Es würde einen nach-haltigen Widerspruch bedeuten, wenn die Rechtsordnung ei-nerseits den RA aufgrund des Anwaltsvertrags dazu verpflichtet,einseitig die Interessen des Mandanten optimal wahrzuneh-men16, andererseits aber dieses Verhalten unter den Verdacht7 Vgl. beispielsweise die Fälle und Lösungen bei Barton/Jost, Anwalts-

orientierung im rechtswissenschaftlichen Studium, 2002, und Rit-tershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 2003,Rdnr. 326 ff.

8 Vgl. Langenfeld, Vertragsgestaltung, 2. Aufl. 1997; Weber, JuS 1989,636 ff., 818 ff.; Teichmann, JuS 2001, 870 ff., 973 ff., 1078 ff.,1181 ff., JuS 2002, 40 ff.

9 Vgl. Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl.2003, Rdnr. 223 ff.

10 Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl.2003, Rdnr. 46.

11 Dazu Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung,2. Aufl. 2003, Rdnr. 53.

12 Daher hat die Leipziger Juristenfakultät sich nicht auf Rechtsgestal-tung beschränkt, sondern auch die Rechtsdurchsetzung mit in denSchwerpunktbereich einbezogen.

13 Hommelhoff/Hillers, Jura 1983, 592, 593.14 Vgl. Kahlo, Gedächtnisschrift Meurer, 2002, S. 583, 602.15 Interessanterweise hat man gegenüber dem Prozessrecht, das eben-

falls der Interessendurchsetzung dient, sehr viel weniger Bedenkengeäußert.

16 Dies betonen Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestal-tung, 2. Aufl. 2003, Rdnr. 9.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 171

Berger, Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte

unethischen Handelns stellte. Mittel und Wege der Interessen-verfolgung dürfen nicht zum Tabu erklärt werden. Ob ein Ge-staltungsergebnis „gerecht“ ist oder nicht, mag dahinstehen. Esdarf nur die Grenzen der Privatautonomie nicht verletzen.

Damit ist der Aspekt angesprochen, der die Rechtsgestaltungüber die skizzierten Einwände hinwegführt. Rechtsgestaltungist Ausübung der Privatautonomie17. Folglich nimmt sie auchnormativ eine ganz herausragende Stellung ein. Sie ist unver-zichtbarer Bestandteil einer freiheitlichen Privatrechtsordnung.Damit sollten Legitimationsdefizite ein für alle mal behobensein. Rechtsgestaltung ist die Krone des Privatrechts, nicht ihrillegitimes Kind.

3. Verfassungsrechtliche AbsicherungNicht zuletzt steht Rechtsgestaltung auf einem gesicherten ver-fassungsrechtlichen Fundament, wenn man sie als Ausübungder Privatautonomie versteht. Nach ständiger Rspr. des BVerfGgenießt die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Ein-zelnen nach seinem Willen als Ausprägung der allgemeinenHandlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlichenSchutz. Der Gesetzgeber muss der Selbstbestimmung des Ein-zelnen im Rechtsleben einen angemessenen Betätigungsraumeröffnen. Die Gewährleistung der Privatautonomie „denkt diejustitielle Realisierung gleichsam mit und begründet daher diePflicht des Gesetzgebers, rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittelzur Verfügung zu stellen, die als rechtsverbindlich zu behan-deln sind und auch im Streitfall durchsetzbare Rechtspositio-nen begründen.“18 Wenn aber der Gesetzgeber verfassungs-rechtlich verpflichtet ist, Gestaltungsmittel vorzusehen, so be-darf die wissenschaftliche Befassung mit diesen Instrumentenkeiner weiteren Legitimation.

V. Allgemeiner Teil der Lehre von der Rechtsgestaltung

Wir hatten uns in Erinnerung gerufen, dass eine der wesentli-chen Aufgaben einer Wissenschaftsdisziplin in der Systemati-sierung des Stoffs besteht. Wie lässt sich der handlungsbezoge-ne Aspekt des Rechts systematisch darstellen? Ich möchte imFolgenden einige Überlegungen anstellen zu einem „Allgemei-nen Teil der Lehre der Rechtsgestaltung“.

1. Was ist Rechtsgestaltung?Rechtsgestaltung ist ein durch die Rechtsordnung determinier-tes Verfahren zur Erreichung bestimmter Ziele19. Die Lehre von der Rechtsgestaltung ist die Lehre von den recht-lichen Rahmenbedingungen und den Gestaltungsmitteln, diedie Rechtsordnung zur Erreichung bestimmter Handlungszielein Ausübung verfassungsrechtlich verbürgter Freiheit bereitstellt. Unter Rahmenbedingungen verstehe ich dabei insbesonderedie Schranken der Privatautonomie. Die Privatrechtsordnunglässt sich allerdings nicht allein als eine Schrankenordnung dar-stellen, selbst wenn man die verfassungsrechtlich verbürgte Pri-vatautonomie als Prämisse setzt. Vielmehr sind Gestaltungsmittel mit klar definierten Vorausset-zungen und Rechtsfolgen erforderlich.

2. Normentheorie

Nur am Rande sei angedeutet, dass sich dem Thema auchnormtheoretische Aspekte entnehmen lassen: Die Perspektive

der Rechtsgestaltung ist der handlungsbezogene Aspekt desRechts. Es geht nicht darum, Verhalten nachträglich – etwa aushaftungsrechtlichen Gründen – zu bewerten. Recht wird nichtals Bewertungsnorm gesehen. Es geht nicht um Ge- und Verbo-te, sondern um die Frage der Wirksamkeit einer Gestaltung.

Diese Perspektive lässt zugleich erkennen, wie wenig tragfähigdie „Imperativentheorie“ ist. Diese führt bekanntlich alleRechtssätze auf Sollenssätze zurück. Die Bedeutung beispiels-weise der Vormerkung (§ 883 BGB) lässt sich aber nicht aus ei-nem Sollenssatz ableiten.

Privatautonomie lässt sich zwanglos in ein „Normengebäude“einbinden. Anzuerkennen ist, dass auch der Vertrag Normqua-lität hat. Die Privatautonomie enthält damit auch eine Ermäch-tigung an die Rechtssubjekte zur Normsetzung. Nicht nur dassubjektive Recht20, sondern auch die Privatautonomie legiti-miert zur Normsetzung.

3. Subjekte rechtlicher Gestaltung – Beteiligtenlehre

Bei den handelnden Subjekten möchte ich unterscheiden zwi-schen den Vertragssubjekten, den Verhandlungssubjekten, Zu-stimmungsberechtigten und Dritten, die den Gestaltungsinhaltbestimmen.

a) Vertragssubjekte

Beteiligtenfragen spielen eine Rolle im Verfahrensrecht, im Zi-vilprozessrecht bei der Parteilehre, in der freiwilligen Gerichts-barkeit im Beteiligtenbegriff. Es geht dabei um die Problematik,wer Subjekt eines Verfahrens ist und wer dies sein darf bzw.sein muss.

Vergleichbare Fragen stellen sich bei der Rechtsgestaltung. Sollbeispielsweise ein Grundstück aus dem Nachlass einer Miter-bengemeinschaft im Zuge der Erbschaftsauseinandersetzungübertragen werden, kann dieses Ziel nur erreicht werden,wenn alle Miterben als Vertragspartei auftreten. Diese Erkennt-nis ist trivial. Gleichwohl lässt sich an ihr die grundlegendeFunktion der Verfügungsbefugnis darstellen.

Die Frage stellt sich bei jeder Rechtsübertragung. Soll sie wirk-sam werden, muss der Vertrag mit dem Inhaber des Rechts ge-schlossen werden. Nur dann kann der Vertrag die gewolltenWirkungen auch herbeiführen. Damit erweist sich die Verfü-gungsbefugnis als dasjenige Kriterium, das – ähnlich wie dieProzessführungsbefugnis – den Beteiligtenkreis umreißt.

Zugleich lässt sich daran die Bedeutung der Rechtsscheinsträ-ger wie Grundbuch, Handelsregister oder Erbschein deutlichmachen.

b) Verhandlungssubjekte

Die Eigengestaltung des Vertrags durch die Vertragspartei ist je-denfalls bei umfassenderen Geschäften eher selten. Von denVertragssubjekten sind die Verhandlungssubjekte zu unter-scheiden.

Verhandlungssubjekte agieren als Vertreter. Ihre Rechtsmachtist entscheidend für die Wirksamkeit des Geschäfts. Die Bedeu-tung der Innenbindung zum eigentlichen Vertragssubjekt istgroß, wie das Beispiel des RA zeigt.

Als Teilnehmer der Gestaltung nehmen ferner Notare eine be-sondere Rolle ein, überdies Verbände beispielsweise bei Mus-terverträgen und Testamentsvollstrecker bei Nachlassauseinan-dersetzungen.

17 Rittershaus/Teichmann, Anwaltliche Vertragsgestaltung, 2. Aufl.2003, Rdnr. 212.

18 BVerfGE 89, 214, 231 f. 19 Die Bedeutung der Rechtsgestaltung für die Rechtsordnung betont

Redekker, NJW 1989, 1141. 20 Vgl. Buchner, Subjektives Recht als Rechtssetzungsbefugnis.

172 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Berger, Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte

Die wissenschaftliche Fragestellung lautet hier, in welcher Wei-se der unterschiedliche „Status“ der Verhandlungssubjekte undihre persönliche Pflichtenlage Einfluss auf die Vertragsgestal-tung nehmen.

c) Zustimmungsberechtigte

Eine weitere Form der Beteiligung an einem Rechtsgeschäft istdie Zustimmung. Der Zustimmungsberechtigte kann den Inhaltdes Geschäfts nicht unmittelbar beeinflussen, sondern nur „Ja“sagen.

In der universitären Lehre lassen sich die Fragen anhand derZustimmung des Ehegatten bei Rechtsgeschäften über das Ge-samtvermögen (§§ 1365, 1366 BGB) exemplarisch aufgreifen.Bedeutung erlangt diese bekanntlich bei Gesellschaftsverträgenund Grundstücksgeschäften.

d) Regelung durch Dritte

Von den zuvor genannten Beteiligten zu unterscheiden sindPersonen, die durch das Rechtsgeschäft in die Gestaltungsent-scheidung eingebunden werden.

Beispiele hierfür bilden die Möglichkeit der Leistungsbestim-mung durch Dritte nach § 317 BGB und die Bestimmung desZuwendungsempfängers bei Verfügungen von Todes wegen.

Die wissenschaftliche Lehre wird erstens die Möglichkeiten derDrittbestimmung des Gestaltungsinhalts darstellen, zweitensihre Bezüge zu anderen Fällen der Fremdgestaltung wie bei-spielsweise die Vollmacht aufarbeiten, ferner den Umfang (unddie Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich) der gerichtlichenKontrolle der gewählten Bestimmung untersuchen und nichtzuletzt Gründe für die unterschiedliche gesetzliche Schranken-regelung bei Drittgestaltungen analysieren.

Ein sehr lehrreiches Beispiel bietet das Erbrecht. Bekanntlichscheidet nach § 2065 Abs. 2 BGB eine Bestimmung des Erbendurch Dritte aus, wohl aber kann nach § 2151 BGB der Ver-mächtnisnehmer durch einen Dritten bestimmt werden. Wirhaben die Gründe dieser uneinheitlichen Ausgestaltung privat-autonomer Handlungsfreiheit darzustellen, zu bewerten undvor diesem Hintergrund die von der Kautelarjurisprudenz ent-wickelten „Umgehungskonstruktionen“ – der Erblasser über-lässt nicht die „Bestimmung“, wohl aber die „Bezeichnung“des Erben nach vorgegebenen Kriterien einem Dritten21 – zuanalysieren.

4. Mittel rechtlicher Gestaltung – Handlungsformen

Unter den Gestaltungsmitteln lassen sich Handlungsformensystematisieren.

Lehrreich ist hierbei eine nähere Analyse der Unterschiede ein-seitiger und konsensualer Handlungsformen im Hinblick aufdie gerichtliche Kontrolldichte.

Als Beispiel böte sich die Beendigung eines Rechtsverhältnisses(Arbeitsvertrag, Mietvertrag, Gesellschaftsvertrag) durch Kündi-gung einerseits und durch einen Aufhebungsvertrag anderer-seits an. Darzustellen ist, dass einseitige Handlungsformen ge-wöhnlich einer intensiveren gerichtlichen Inhaltskontrolle un-terliegen als konsensuales Handeln. Der Aufhebungsvertragschafft daher höhere Rechtssicherheit als die Kündigung. Ande-rerseits hat die Mitwirkung des Vertragspartners am Aufhe-bungsvertrag regelmäßig einen Preis.

Neben der Systematisierung bietet es sich an, die Funktion ein-zelner Gestaltungen näher darzustellen und zu analysieren. Inder Praxis spielt die „Option“ eine überragende Rolle, und

zwar in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, etwa beimVertrieb von Baugrundstücken, bei Finanzgeschäften oder imLizenzhandel. Der Reiz dieser Gestaltung besteht darin, dassnur eine Partei des Optionsvertrags gebunden ist, die andereSeite jedoch frei bleibt und die Möglichkeit hat, den Rechtser-werb zu einem späteren Zeitpunkt durch einseitige Erklärungzu vollenden. Es lassen sich an diesem Beispiel Gestaltungsin-teressen, die verschiedenen Gestaltungsmittel und die Siche-rung (im Beispiel des Grundstücks durch Vormerkung) darstel-len.

Bei der Lehre von den Gestaltungsmitteln sollte der Hinweisnicht fehlen, dass das Gesetz selbst Vorbilder einer interessen-gerechten Gestaltung bereithält.

Ein Beispiel hierfür bildet die Anfechtung eines Vertrags infolgearglistiger Täuschung nach § 123 BGB. Es ist durchaus bemer-kenswert und lehrreich, dass das BGB einen Vertrag, der durch(Eingehungs-)Betrug (§ 263 StGB) zustande kam, nicht nach§ 134 BGB für nichtig erachtet. Vielmehr legt das Gesetz dieEntscheidung über die Nichtigkeit in die Hände des Betroge-nen. Die Willensfreiheit ist kein Dogma des BGB. Der Betroge-ne soll über den Bestand des Vertrags disponieren können. Die-se Lösung steht repräsentativ für einen Weg kluger Vertragsge-staltung: Nicht selten ist es günstiger, für den Fall nachträglicherStörungen eines Vertragsverhältnisses Handlungsrechte vorzu-sehen und nicht schon vorab einen Automatismus an Rechtsfol-gen zu vereinbaren, die sich später nicht mehr als interessenge-recht erweisen können.

5. Objekte rechtlicher Gestaltung – Gegenstände

Angesichts der Vielzahl möglicher Inhalte von Rechtsgeschäf-ten würde es zu weit führen, hier eine Systematisierung zu ver-suchen.

Ein Aspekt sei jedoch hervorgehoben. Vertragsgestaltung alsTeil des rechtlichen Gestaltens dient sehr häufig dem Güter-transfer.

Grundvoraussetzung vertraglichen Güteraustauschs bildet dieZuordnung von Gegenständen (Sachen, Erfindungen, Kennzei-chen, auch Forderungen) zu einer Person. Die Zuordnung istrechtlich insbesondere durch Ausschließlichkeitsrechte organi-siert. Diese bilden zugleich den Gegenstand der Verfügung.Wir übertragen nicht Gegenstände, sondern Rechte an Gegen-ständen. Diese lassen sich ohne Einbuße vom bisherigenRechtsträger lösen und gehen unverändert auf den Erwerberüber. Dieses Identitätsdenken ist eine herausragende rechtskul-turelle Leistung.

Die Entwicklung ist keineswegs abgeschlossen, wie das Bei-spiel eines Lizenzvertrags über ein Betriebsgeheimnis lehrt.Das Betriebsgeheimnis ist kein übertragbares Recht, sondernnach § 17 UWG gegen Ausspähung geschützt. Gleichwohlwerden Verträge darüber geschlossen. Dies wirft die Fragenach dem Vertragsgegenstand auf.

Rechtsübertragung setzt ferner eine Befreiung von aktionen-rechtlichem Denken voraus. Die „actio“ als Klagerecht kannnicht übertragen werden, wohl aber ein materiellrechtlich ge-dachter Anspruch. Die berühmte Schrift von Windscheid, dieentscheidend zur heute gedanklichen Trennung von Prozess-und materiellem Recht beigetragen hat, enthält in ihrem zwei-ten Teil denn auch eine umfassende Zessionslehre.

Didaktisch überaus ertragreich ist eine Analyse der Vorausset-zungen und Folgen, die sich für die Rechtsgestaltung aus unter-schiedlichen Gestaltungsobjekten bei gleich bleibendem Ge-staltungsziel ergeben. Als Beispiel genannt sei der bei einerErbauseinandersetzung auftretende Unterschied zwischen derÜbertragung aller Erbanteile einer Erbengemeinschaft an einenDritten und der Übertragung (nur) des Nachlassgrundstücks.

21 Gelungene Darstellung bei Leipold, Erbrecht, 14. Aufl. 2002,Rdnr. 281 ff.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 173

Berger, Zum wissenschaftlichen Anspruch anwaltsorientierter Lehrinhalte

6. Schranken der Gestaltung

Vor dem Hintergrund der Privatautonomie spielen die Schran-ken der rechtlichen Gestaltung eine herausragende Rolle. Diesist die Stelle, an der Gerechtigkeitsvorstellungen der Rechtsord-nung wirksam werden.

Die systematisierende Darstellung wird dabei die Erschei-nungsformen von Schranken weniger im Hinblick auf dieRechtsfolgen unterscheiden. Unter dem Handlungsaspekt desRechts wichtiger sind die „Vorwirkungen“ der Rechtsfolgen fürdas Verhalten der Gestaltungssubjekte.

Gestaltungsverbote (§§ 134, 138 BGB) richten sich gegen denInhalt eines Rechtsgeschäfts und zwingen dazu, das Geschäftgar nicht oder mit einem anderen Inhalt abzuschließen.

Zahlreiche Gestaltungsschranken wenden sich aber nicht ge-gen den Inhalt der Gestaltung, sondern begründen Vorgabenfür die Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts. Hierzu zählendie im Verbraucherschutzrecht verbreiteten Obliegenheiten zuInformation und Belehrung, ferner alle Formvorschriften.

In den Zusammenhang der Schranken rechtlicher Gestaltunggehört auch die Frage des „gerechten Preises“ oder die Voraus-setzungen eines „Umgehungsgeschäfts“.

Selbstverständlich sollten auch die „Schranken der Schranken“der Privatautonomie ihren Platz finden, die sich insbesondereaus dem Verfassungsrecht und der gesetzgeberischen Vernunftergeben.

7. Rahmenbedingungen der Rechtsgestaltung

Zu den Rahmenbedingungen gestalterischen Handelns zählendie Pflichten, die die Rspr. hinsichtlich der Haftung wegen Ver-schuldens bei Vertragsverhandlungen entwickelt hat, nament-lich Informationspflichten, ferner die Vorgaben über den Ab-bruch von Vertragsverhandlungen.

„Weiche“ Gestaltungsbedingungen wie das Steuerrecht undzunehmend auch das Sozialrecht haben große Bedeutung.

8. Abschluss der Gestaltung

Erfolgreiche Vertragsverhandlungen münden in einen Vertrags-abschluss. Hier spielen neben Formfragen Probleme des Auf-baus der Urkunde, ihre Gliederung und der Wortlaut der ein-zelnen Formulierungen eine Rolle. In Übungen kann der ge-stalterische Umgang mit der Rechtsordnung gelehrt werden,wenn die Teilnehmer vor die Aufgabe gestellt werden, eigen-ständig eine Gestaltung zu formulieren.

Lehrreich ist in diesem Zusammenhang auch die Rechtsverglei-chung. Sie lässt den Einfluss der objektiven Rechtsordnung aufdie Formulierung von Vertragsurkunden erkennen. Eine Kodifi-kation reduziert den zu leistenden Gestaltungsaufwand. Die„Amerikanisierung der Vertragspraxis“22 mit seitenlangen Defi-nitionen und langatmigen Klauseln findet hier eine Erklärung.Es ist kein Zeichen einer selbstbewussten Kultur rechtlichenGestaltens, dass sie auf rein innerdeutsche Verträge ausstrahlt.

9. Sicherung der Vertragsdurchführung

Ferner sollte sich die Lehre von der Rechtsgestaltung befassenmit den überaus wichtigen Fragen der Vertragsdurchführungund der Sicherung der vereinbarten Gestaltungen insbesonderefür den Insolvenzfall.

Hier verdienen die Instrumente Synallagma, Bedingung, Rück-tritt, die Sicherungsrechte wie Eigentumsvorbehalt und Vormer-kung, Verwirkungsklauseln usw. besondere Beachtung, ferner

prozessuale Fragen wie Gerichtsstands- und Schiedsvereinba-rungen sowie Titulierungsmöglichkeiten.

10. Kosten rechtlicher Gestaltung

Nicht übergangen werden dürfen schließlich die Fragen derKosten rechtlicher Gestaltung. Transaktionskosten sind einwichtiger Faktor für die Akzeptanz einer vorgeschlagenen Ge-staltung durch den Mandanten. Sie bilden damit einen nicht zuunterschätzenden Gestaltungsfaktor. Unter Kostenaspekten magsich auch die Frage stellen, ob eine Urkunde im Ausland nichtpreiswerter errichtet werden kann.

VI. Schluss

Lassen Sie mich mit drei Bemerkungen schließen:

1. Wem diese Überlegungen zu theoretisch erscheinen, demsei entgegnet: Alles das, was hier skizziert worden ist, findetsich im Vertrag wieder. Betrachten Sie einen beliebigen Grund-stückskaufvertrag! Sie finden dort von den Beteiligten in ihrenunterschiedlichen Rollen, der Bezeichnung des Vertragsgegen-stands, Pflichten, Zusicherungen und Haftungsfreizeichnungenbis hin zu Sicherheiten, Abwicklung und Kostenfragen alle diegenannten Aspekte wieder.

Es ist lehrreich und für ein vertieftes Verständnis der Privat-rechtsordnung unverzichtbar, deutlich zu machen, dass sich so-gar so fundamentale Weichenstellungen wie beispielsweise dasTrennungsprinzip – die Unterscheidung zwischen Verpflich-tung und Verfügung – in jedem Grundstückskaufvertrag mitVerpflichtung und Auflassung wiederfinden.

2. Das alles ist nicht neu! Die Darstellung des Privatrechts un-ter dem Blickwinkel der Rechtsgestaltung greift große Teile derRechtsgeschäftslehre auf. Insofern bewegt sie sich auf gesicher-ter Grundlage.

Die Betonung liegt aber auf der Erkenntnis, dass Recht nichtvorgegeben ist, sondern „gemacht“ wird. Der Student soll her-austreten aus der passiven Rolle des Rechtsunterworfenen, inder er sich erlebt, und an die Aufgaben herangeführt werden,die sich ihm in Zukunft stellen werden. Die Perspektive derRechtsgestaltung betont die Subjektsqualität des Staatsbürgers.

3. Der skizzierte „Allgemeine Teils der Lehre von der Rechtsge-staltung“ stellt das Privatrecht unter der Perspektive des gestal-terischen Umgangs mit der Rechtsordnung dar.

Er stellt damit zugleich ein Fundament bereit, auf das andereVeranstaltungsformen wie beispielsweise die Vermittlung derGestaltungspraxis in den Einzelgebieten (Vertragsrecht, Famili-en- und Erbrecht, Gesellschaftsrecht usw.), die Analyse konkre-ter Verträge und die Lösung vorgegebener Gestaltungsaufgabenin Übungen und in der anwaltlichen Ausbildungspraxis23 auf-bauen können.

Die Lehre von der Rechtsgestaltung an der Universität bedarfdamit keiner Rechtfertigung. Anwaltsorientierte Juristenausbil-dung, soweit sie sich mit Rechtsgestaltung befasst, bildet einenunverzichtbaren Bestandteil der wissenschaftlichen Lehre vomPrivatrecht.

Lassen Sie mich daher schließen mit den Worten Haverkates:

„Wenn wir anwaltliche Praxis einladen, verzichten wir nichtauf Wissenschaft, sondern betreiben sie ernstlich“24.

22 Vgl. den Leserbrief von Vorbrugg, FAZ v. 3.1.2002.

23 Im Rahmen des von RA und Fachanwalt für Insolvenzrecht MichaelC. Frege (CMS Hasche Sigle, Leipzig) gemeinsam mit dem Institutfür Anwaltsrecht der Universität Leipzig ins Leben gerufenen Pro-gramms „Anwalt Studieren!“ (http://www.uni-leipzig.de/urheber-recht/anwstud/anwstud.php) werden bereits Studenten an die an-waltliche Gestaltungspraxis herangeführt.

24 Haverkate, JuS 1996, 478, 482.

174 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Kempter/Kopp, Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft kraft Richterrecht

Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft kraft Richterrecht

zugleich: Anmerkung zum Beschluss des BGH vom 10. Januar 20051

Rechtsanwalt Dr. Fritz-Eckehard Kempter, München,1 und Rechtsanwalt Stephan Kopp, Ebenhausen2

1. Vorbemerkung

Mit der Entscheidung vom 10.1.2005 stellt der BGH fest, dassneben der Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH aucheine Gesellschaft in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft alsBerufsausübungsgesellschaft zugelassen werden kann. Der Be-schluss ist ein wichtiger Markstein in der überfälligen Fortent-wicklung des deutschen Anwaltsrechts und richtungsweisendfür die RAKn, die die Zulassung von Rechtsanwaltsgesellschaf-ten und deren Widerruf im Einklang mit den geltenden Geset-zen zu verbescheiden haben.

2. Widerruf der Zulassung bei Rechtsformwechsel

In der Entscheidung stellt der BGH zunächst klar, dass die Zu-lassung einer GmbH als Rechtsanwaltsgesellschaft zu widerru-fen ist, wenn diese nach einem Formwechsel nicht mehr dieVoraussetzungen des § 59c BRAO erfüllt, also keine Gesell-schaft mit beschränkter Haftung mehr ist. Die Änderung derRechtsform durch einen Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwGsteht dem nicht entgegen, weil die Zulassung als Rechtsan-waltsgesellschaft von personenbezogenen Voraussetzungen ab-hängt und deshalb nicht ipso iure mit der gesellschaftsrechtli-chen Umwandlung übergeht, sondern neu erteilt werden muss.Der BGH betont hiermit ausdrücklich den personenbezogenenCharakter auch von anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaf-ten in Form von Kapitalgesellschaften.

3. Verfassungsrechtlicher Anspruch einer Aktiengesellschaft auf berufsrechtliche Zulassung

Nahezu vergleichbar mit einer verwaltungsgerichtlichen Be-scheidungsklage kommt der BGH im zweiten Teil seiner Ent-scheidung zu der Feststellung, dass ein Anspruch einer Aktien-gesellschaft auf Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft bestehtund dies zur Verpflichtung der zuständigen RAK führt, über denZulassungsantrag neu zu entscheiden, wenn die Zulassungskri-terien, die sich „in Anlehnung an“ §§ 59c ff. BRAO herleitenlassen, erfüllt sind.

a) Der BGH leitet den Anspruch auf eine berufsrechtliche Zu-lassung unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GGab. Obwohl der Gesetzgeber in den §§ 59c ff. BRAO explizitnur die GmbH regeln und keine Aussagen zu anderen Gesell-schaftsformen treffen wollte, und hierin letztlich durchaus einfaktischer Ausschluss für andere Gesellschaftsformen gesehenwerden kann,3 geht der BGH davon aus, dass ein zulässiges ge-

setzliches Berufsverbot i.S.v. Art. 12 GG nicht besteht.4 DerBGH stellt klar, dass allein die Absicht des Gesetzgebers, keineanderen Gesellschaftsformen als diejenige der GmbH regeln zuwollen, nicht ausreicht, um eben jene anderen Gesellschafts-formen von der Zulassung auszuschließen. Hierfür wäre es not-wendig, dass ein auf ein Verbot gerichtetes gesetzgeberischesWollen aus dem Gesetzeswerk selbst mit hinreichender Deut-lichkeit zu entnehmen wäre. An dieser Deutlichkeit fehlt esnach Auffassung des BGH in den §§ 59c ff. BRAO. Leider ist erin seiner Begründung nicht näher auf die Regelung in Art. 8Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der BRAO, der PatO und an-derer Gesetze vom 31.8.19985 eingegangen, die die anderenGesellschaftsformen zumindest für die Zeit ab Ablauf der Über-gangsfrist bis zum 1.3.2000 ausdrücklich von der Befugnis zurFührung der Bezeichnung „Rechtsanwaltsgesellschaft“ und da-mit auch aus der Anwendbarkeit des Regelwerkes zur Rechts-anwaltsgesellschaft ausschließt.

b) Auch aus dem Rechtsberatungsgesetz, welches sich demWortlaut nach auf „Rechtsanwaltsgesellschaften“ bezieht, wel-che sich wiederum nach den Vorschriften der BRAO de legelata bisher nur auf die Rechtsform der GmbH beschränkten, er-gibt sich nach Auffassung des BGH kein Verbot des Zugangs ei-ner Aktiengesellschaft zur anwaltlichen Berufstätigkeit. Diesfolgert das Gericht daraus, dass die Berufsausübung „der zuge-lassenen Rechtsanwälte“ nach § 3 RBerG vom Erlaubnisvorbe-halt nicht berührt werde. Zu Recht stellt der BGH hierbei fest,dass das RBerG die Frage, ob ein Anspruch auf Zulassung zurRechtsanwaltschaft besteht, nicht selbst regelt.6

c) Zuzustimmen ist dem BGH wohl auch darin, dass mangelseiner planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Rege-lung eine analoge Anwendung der §§ 59c ff. BRAO grundsätz-lich nicht möglich ist.7

d) Nach Auffassung des BGH ist der Anspruch einer Aktien-gesellschaft auf Zulassung zur anwaltlichen Berufstätigkeit alsRechtsanwaltsgesellschaft in Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1GG als „unmittelbar geltendes Recht“ verfassungsrechtlich be-gründet. Dies folgt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wo-nach die Aktiengesellschaft in berufsrechtlicher Hinsicht nicht

1 AnwZ (B) 27 u. 28/03; abgedr. auch in NJW 2005, 1568 ff. Vor-instanz: AGH Nordrhein-Westfalen, BRAK-Mitt. 2003, 186 ff.

2 Der Verfasser Dr. Kempter ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mit-glied der Partnerschaft Kempter, Gierlinger und Partner in Münchensowie Vizepräsident der RAK München und des Verbandes freierBerufe in Bayern und Vorsitzender des Ausschusses Gesellschafts-recht der BRAK; der Verfasser Kopp ist stellvertretender Hauptge-schäftsführer der RAK München und Lehrbeauftragter für anwalt-liches Berufsrecht an der Universität Passau.

3 Vgl. im Einzelnen Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605 ff.4 Vgl. hierzu auch Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c

Rdnr. 18; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. § 59a, Rdnr. 34; Klei-ne-Cosack, BRAO, 4. Aufl. Vor § 59a Rdnr. 35; Römermann, in:Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., BRAO, Vor§ 59a Rdnr. 88.

5 BGBl. I 1998, 2600, 2607; BT-Drucks. 13/9820, 9, 22.6 So auch schon Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605, 3607.7 So auch Hartung/Holl-Römermann, Anwaltliche Berufsordnung,

2. Aufl., BRAO, Vor § 59a Rdnr. 94; eine Übertragung der §§ 59c ff.BRAO wegen des Fehlens der verfassungsrechtlich gebotenen Be-stimmtheit der Normen nur hinsichtlich Mindestvoraussetzungenbefürwortend: Hennsler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vor§ 59c Rdnr. 22 ff.; aufgrund vernünftiger Erwägungen des Allge-meinwohls im Interesse einer geordneten Rechtspflege eine Erstre-ckung von § 59k BRAO auf die AG befürwortend: Kempter/Kopp,NJW 2000, 3449, 3451.

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 175

Kempter/Kopp, Berufsrechtliche Zulassung der Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft kraft Richterrecht

schlechter gestellt werden kann als die GmbH, für die die be-rufsrechtliche Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft durch§§ 59c ff. BRAO geregelt ist. Voraussetzung für die Zulassungist, dass die Aktiengesellschaft in einer ihrer Rechtsform ent-sprechenden Weise den wesentlichen Anforderungen genügt,die an die Zulassung einer GmbH als Rechtsanwaltsgesell-schaft zu stellen sind und die in §§ 59c ff. BRAO für die Zulas-sung einer GmbH ihren Niederschlag gefunden haben.8 ZuRecht verweist der BGH darauf, dass die Grundrechte ausArt. 3 Abs. 1 und 12 GG u.a. auch die Gesetzgebung als un-mittelbar geltendes Recht binden. Damit stellt der BGH gewolltoder ungewollt klar, dass es Aufgabe des Gesetzgebers gewe-sen wäre, nicht nur die GmbH, sondern auch andere Kapitalge-sellschaften in den Vorschriften über die Zulassung als Rechts-anwaltsgesellschaft in der BRAO zu regeln.

e) Wenn überhaupt setzt hier gewisse Kritik an der Entschei-dung an. Denn der BGH hätte diese Aussage auch eindeutigtreffen können, indem er deutlich Zweifel an der Unvereinbar-keit der §§ 59c ff. BRAO mit Art. 3 Abs. 1 GG, die in der Be-schränkung ausschließlich auf die Rechtsform der GmbH liegt,festgestellt und die Rechtssache dem BVerfG vorgelegt hätte.Das BVerfG seinerseits hätte die Feststellung der Verfassungs-widrigkeit mit der Aufforderung an den Gesetzgeber verbindenkönnen, innerhalb einer bestimmten Frist Abhilfe zu schaffen9

und seine bewusste Enthaltung aufzugeben. Der nun vom BGHgewählte Weg enthebt den Gesetzgeber der Notwendigkeit desTätigwerdens; er überlässt alle mit der Entscheidung verbunde-nen und aus ihr folgenden Unsicherheiten der Arbeit der Kam-mern und der Gerichte.

4. Die konkrete Zulassung

Für die konkrete Zulassung einer Kapitalgesellschaft alsRechtsanwaltsgesellschaft bezieht sich der BGH zunächst aufdie in der Rspr., vor allem der vom BayObLG10 herausgearbei-teten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Rechtsanwalts-gesellschaft mbH, als diese gesetzlich noch nicht geregelt war.Der BGH geht hierbei unmittelbar von den vom BayObLG ent-wickelten Kriterien für die Annahme der Zulässigkeit über zuden Kriterien für die Zulassung als Rechtsausübungsgesell-schaft, die bei der GmbH allerdings vom BayObLG nach denGrundsätzen der Gewaltenteilung, des Gesetzesvorbehalts unddes Vorrangs des Gesetzes dem Gesetzgeber überlassen undvon diesem schließlich auch geregelt wurden.

a) Grundsätzlich ist es allerdings zu begrüßen, dass der BGHsich für die Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsan-waltsgesellschaft ausdrücklich an den bereits für die GmbH vorderen gesetzlicher Regelung hervorgehobenen Wesensmerk-malen des Anwaltsberufes als eines freien Berufes sowie an denhieraus entwickelten Vorschriften in den §§ 59c ff. BRAO fürdie Zulassung einer GmbH als Rechtsanwaltsgesellschaft orien-tiert hat. Nur wenn die Aktiengesellschaft die wesentlichenVoraussetzungen für die berufsrechtliche Zulassung nach§§ 59c ff. BRAO erfüllt, kann sie aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3Abs. 1 GG ebenso wie die GmbH einen Anspruch auf Zugangzur anwaltlichen Berufsausübung durch Zulassung als Rechts-anwaltsgesellschaft in einem Zulassungsverfahren gem. § 59dBRAO ableiten.

b) Die §§ 59c ff. BRAO kommen hierbei zwar nicht unmittelbarzur Anwendung. Jedoch müssen die notwendigen Vorausset-zungen für die berufsrechtliche Zulassung einer Aktiengesell-schaft nach Auffassung des BGH „in Anlehnung an §§ 59c ff.BRAO“ in der Satzung der Aktiengesellschaft zuverlässig be-achtet werden. Hierzu zählen zurecht die in der Entscheidungim Einzelnen erwähnten Kriterien der Eigenverantwortlichkeitund der Weisungsfreiheit der in der Aktiengesellschaft tätigenRAe, die Beschränkung des Unternehmensgegenstandes aufdie Übernahme von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit vonRechtanwälten gehören, und das Verbot eines beruflichen Zu-sammenschlusses für die Aktiengesellschaft. Die Pflichteigen-schaften für die Stellung als Aktionär, insbesondere die Be-schränkung des Kreises der Aktionäre auf in der Gesellschaftberuflich tätige RAe und Angehörige der in § 59a Abs. 1 Satz 1,Abs. 3 BRAO genannten Berufe, sowie die berufsrechtlichenAnforderungen an den Vorstand und den Aufsichtsrat der Ak-tiengesellschaft entsprechend den § 59e und f BRAO.11 Hinzukommt noch die Verpflichtung, die Aktien nach der Satzungnur als vinkulierte Namensaktien auszugeben, deren Übertra-gung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden bleibt(§ 68 Abs. 2 AktG).

Selbstredend sind die weiteren vom BGH aufgestellten Voraus-setzungen nach §§ 59d Nr. 2, 7 Nr. 9 BRAO (kein Vermögens-verfall) und nach §§ 59d Nr. 3 und 59j BRAO (hinreichendeBerufshaftpflichtversicherung), sowie die Verpflichtung zur Be-achtung der anwaltlichen Berufspflichten sinngemäß § 59mAbs. 2 BRAO.

Für die Gestaltung der Satzung einer Aktiengesellschaft könnennach dieser Entscheidung des BGH nunmehr durchaus die Hin-weise von Kempter/Kopp, abgedr. in NJW 2001, 777 ff. heran-gezogen werden.

5. Der Widerruf der Zulassung

Wichtig für die verwaltungsrechtliche Zulassungspraxis derRAKn ist auch der Hinweis des BGH, dass der Wegfall dieser„in Anlehnung“ an die §§ 59c ff. BRAO erforderlichen Zulas-sungskriterien in gleicher Weise zum Erlöschen, zur Zurück-nahme oder zum Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung ei-ner Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft wie bei derGmbH führt. Dies ist nur konsequent, auch wenn unter Berück-sichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG für entsprechende Maßnah-men als direkter Eingriff in die Berufsfreiheit eine gesetzlicheRegelung für erforderlich gehalten werden müsste.

Ebenso zu begrüßen ist die Klarstellung des BGH, dass die ihreZulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft beantragende Aktien-gesellschaft ebenso wie die dann zugelassene Aktiengesell-schaft einer Pflicht zur Transparenz hinsichtlich ihrer für dieZulassung maßgeblichen Verhältnisse unterliegt. Der BGH hatdamit klargestellt, dass die jeweilige Kapitalgesellschaft in glei-cher Weise wie jeder RA an der Ermittlung des Sachverhaltsmitzuwirken hat.12 Betroffen hiervon sind insbesondere jedeÄnderung der Satzung, der Aktionäre, des Vorstands und desAufsichtsrates sowie die Errichtung oder Auflösung von Zweig-niederlassungen.

6. Zurückverweisung statt Zurückweisung

Obwohl der BGH in seiner Entscheidung mehrere Bedenkenhinsichtlich der Rechtmäßigkeit der betroffenen Satzung derAstin., insbesondere hinsichtlich der Beteiligung der Gesell-schaft an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufs-

8 So auch schon Kempter/Kopp, NJW 2001, 777 ff.; a.A. Schumacher,AnwBl 1998, 364; ders. AnwBl 2000, 409; Pluskat, AnwBl 2003,131; dieselbe in: AnwBl 2004, 22, 26.

9 Entsprechend verfuhr das BVerfG z.B. in der Entscheidung zur Rege-lung der Rechtsstellung des Vaters bei Adoption der nichtehelichenKinder, abgedr. in: NJW 1995, 2155, 2158 („Frist höchstens bis zumEnde der Legislaturperiode“) oder zur Neuregelung des Sorgerechtsbei nichtehelichen Kindern, abgedr. in: NJW 2003, 955, 961 („Fristbis 31.12.2003“).

10 BayObLG, NJW 1995, 201 = DB 1994, 2540.

11 Ähnlich schon Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vor§ 59c Rdnr. 23; Kempter/Kopp, NJW 2001, 777 ff.

12 Vgl. hierzu auch §§ 59m Abs. 1, 36a Abs. 2 BRAO.

176 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Kopp, Bericht über die 4. Berufsrechtsreferentenkonferenz

ausübung und hinsichtlich der Anforderungen an die Aktionä-re, zum Ausdruck brachte und hierbei noch nicht einmal weite-re durchaus anzuführende Bedenken, insbesondere hinsicht-lich des Unternehmensgegenstandes, der auch die nichtanwalt-lichen Berufstätigkeiten anderer Berufsgruppen, also auch derWP, einbezieht, kommt der BGH im Ergebnis überraschender-weise nicht zu dem Ergebnis, dass damit auch der Zulassungs-antrag der Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft zu-rückzuweisen ist. Stattdessen räumt er der Astin. ein, dass ihrvor einer weiteren Entscheidung über ihren Zulassungsantragseitens der RAK Gelegenheit gegeben wird, den geäußerten Be-denken des Gerichts durch eine entsprechende Satzungsände-rung Rechnung zu tragen. Dies begründet sich soweit ersicht-lich dadurch, dass die zuständige RAK den Zulassungsantragschon aus formellen Gründen abgelehnt hat und damit erst garnicht in die materielle Rechtsprüfung eingetreten war. Dies er-gibt sich aus dem Hinweis des BGH auf die Vorschrift in § 59gAbs. 2 und 3 BRAO.

7. Ergebnis

Trotz der gezeigten Unschärfe in der Begründung des BGH istder Entscheidung im Ergebnis zuzustimmen. Dies gilt insbeson-dere für die Klarheit, mit welcher der BGH auf die wesentli-chen Voraussetzungen für die berufsrechtliche Zulassung derRA-AG eingeht. In Anbetracht der hier herrschenden Mei-nungsvielfalt13 gibt der BGH den Kammern eine klare Hand-lungsanweisung, wie und wonach sie künftige Zulassungsan-träge zu prüfen und insbesondere im weiteren Fortgang auchzu überprüfen haben. Insgesamt also ein durch und durch salo-monisches Urteil.

13 Vgl. etwa Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vor § 59cRdnr. 23; Hartung/Holl-Römermann, Anwaltliche Berufsordnung,2. Aufl., BRAO, Vor § 59a Rdnr. 96 ff.; Muthers, NZG 2001, 930 ff.;Kilian, NZG 2001, 150 ff.; Pluskat, AnwBl 2003, 131 ff.; Kempter/Kopp, NJW 2001, 777 ff.

Bericht über die 4. Berufsrechtsreferentenkonferenz

RA Stephan Kopp, Ebenhausen

Am 30.10.2004 fand in Düsseldorf die 4. Konferenz der Berufs-rechtsreferenten der RAKn statt. Wie die vorangegangenen 3Konferenzen stand die ganztägige Veranstaltung unter der be-währten Leitung des Präsidenten der RAK München, RA Hans-jörg Staehle. Der Zweck der Veranstaltung war wieder der ge-genseitige Informations- und Gedankenaustausch aus der all-täglichen Arbeit der Berufsrechtsabteilungen. Teilgenommenhaben Vertreter nahezu aller RAKn in Deutschland. Die Ergeb-nisse der Tagung lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusam-menfassen:

1. Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und An-ordnung der sofortigen Vollziehung bei Insolvenz desRechtsanwalts

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs er-folgt in den Fällen des Vermögensverfalls dann, wenn einüberwiegendes öffentliches Interesse über den Vermögensver-fall hinaus besteht. Dies kann gegeben sein, wenn in ursächli-chem Zusammenhang mit dem Vermögensverfall bereits Man-dantengelder veruntreut wurden. Wenn der Schuldentilgungs-plan im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erfüllt wird, kannggf. von „geregelten“ Vermögensverhältnisse ausgegangenwerden, die im Einzelfall zu einem Absehen vom Widerrufder Zulassung führen können. Wird allerdings gegen den In-solvenzplan verstoßen, besteht erneut die Notwendigkeit füreinen Widerruf.

2. Anwendbarkeit des anwaltlichen Berufsrechts auf dieTätigkeit als Insolvenzverwalter

Das Berufsrecht ist insoweit nicht auf anwaltliche Insolvenzver-walter anwendbar, als diese ihre Pflichten aus der Insolvenz-ordnung herleiten. Die Mitarbeit eines Mitglieds einer Sozietätin einem kanzleifremden Insolvenzverwalterbüro stellt daherkeinen Verstoß gegen das Verbot der Sternsozietät dar. Auch§ 28 BRAO ist im Falle eines gesonderten Büros für Insolvenz-verwaltung nicht einschlägig. Über § 43 BRAO können jedocheinzelne Tätigkeiten der anwaltlichen Insolvenzverwalter be-rufsrechtlich relevant werden.

3. Verschwiegenheitsverpflichtung innerhalb einer Büro-gemeinschaft

In einer Bürogemeinschaft ist auf die Einhaltung der Verschwie-genheitsverpflichtung auch gegenüber Mitarbeitern der ande-ren beteiligten Kanzleien zu achten. Es ist empfehlenswert, denUmgang mit Daten und Akten in der Bürogemeinschaft und dieentsprechenden Anweisungen an das gemeinsame Kanzleiper-sonal schriftlich festzuhalten.

4. Interessenkollision nach der Zusammenlegung zweier wi-derstreitend tätig gewordenen Kanzleien

Die Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 2 BORA betrifft ledig-lich den Fall des Sozietätswechsels. Aus den Gesetzesmotivenzur BRAO von 1994 ist nicht zu entnehmen, dass § 43a BRAOgegenüber der davor bestehenden Rechtslage zu einer Ein-schränkung führen sollte. § 45 BRAO sollte lediglich den An-wendungsbereich der Fälle mit Interessenkollision erweitern.Grundsätzlich steht damit das Verbot der Vertretung widerstrei-tender Interessen der Zusammenlegung zweier widerstreitendtätig gewordenen Kanzleien entgegen. Nach der bekannt ge-wordenen Ansicht einer (hier nicht zu nennenden) Staatsan-waltschaft soll § 43a Abs. 4 BRAO nur den einzelnen RA be-treffen, nicht jedoch die Sozietät. Andererseits erstreckt sich je-doch die Mandatserteilung in der Regel auf die gesamte Sozie-tät, so dass die Fälle der Interessenkollision auf jedes Mitgliedder Sozietät ausgedehnt werden müssen (vgl. zur Mandatsertei-lung an die gesamte Sozietät: OVG Lüneburg, NJW 2004, 312).Anders ist dies nur bei freien Mitarbeitern und Angestellten zubeurteilen.

Im Ergebnis stellen die Teilnehmer der Tagung zudem fest, dass§ 43a Abs. 4 BRAO im Rahmen von § 3 BORA eine Klarstel-lung erhalten sollte.

5. Führen von Anderkonten

Anderkonten sind nicht statusbildend für den Rechtsanwalts-beruf. Nach § 4 Abs. 1 BORA und § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAOsind Anderkonten nur dann verpflichtend einzurichten, wennFremdgelder nicht unverzüglich weitergeleitet werden, sondernlängere Zeit vom RA verwaltet werden. Die bloße Entgegen-

BRAK-Mitt. 4/2005 Aufsätze 177

Kopp, Bericht über die 4. Berufsrechtsreferentenkonferenz

nahme von Fremdgeldern verpflichtet noch nicht zur Einrich-tung von Anderkonten, soweit diese unverzüglich weitergelei-tet werden. Grundsätzlich ist aber die Einrichtung eines Ander-kontos zu empfehlen. Geradezu zwingend ist dies geboten,wenn die Geschäftskonten des RA im Soll geführt werden.

6. Werbung um das Einzelmandat durch das Auslegen vonStapelvollmachten

In den Richtlinien von 1973 fand sich noch ein Verbot für dasAuslegen von Stapelvollmachten. Dieses ist mit der Neurege-lung des Berufsrechts im Jahr 1994 entfallen. Heute ist das Aus-legen von Stapelvollmachten grundsätzlich als zulässig anzuse-hen, da ein Beratungsbedarf weder mit Beratungsgegenstandnoch mit einem Mandanten konkretisiert wurde und damitnoch keine unzulässige Werbung um das Einzelmandat vor-liegt. Es handelt sich lediglich um eine Art „invitatio ad offeren-dum“.

Zu prüfen ist jedoch, ob das Auslegen von Stapelvollmachtenbei bestimmten mit einer gewissen Autorität ausgestattetenStellen, z.B. Behörden, ggf. nach der Rspr. zum UWG einen„Autoritätsmissbrauch“ darstellt.

7. Werbung um das Einzelmandat durch Informationsermitt-lung bei Nichtmandanten?

Es handelt sich um den Fall, dass ein RA bereits mehrere ge-schädigte Gesellschafter gegen deren Gesellschaft vertritt undvon den übrigen geschädigten Gesellschaftern mit einem Hin-weis auf die bereits erteilten Mandate weitere Informationenoder Unterlagen zum schädigenden Verhalten der Gesellschafterbittet. Die Grenze des „Bedrängens des Beworbenen“ unddamit zur unzulässigen Werbung um das Einzelmandat ist hiernoch nicht überschritten. Es ist daher von einer berufsrecht-lichen Zulässigkeit auszugehen.

Solche Fälle sind ggf. nur hinsichtlich sonstiger berufsrecht-licher Verstöße, z.B. bei der textlichen Gestaltung ahndbar, wieim Falle der Selbstanpreisung oder der unzulässigen Angabevon Mandanten.

8. Werbung um das Einzelmandat durch themenbezogenePlatzierung von Zeitungsanzeigen?

Es ist zulässig, z.B. in Zeitungen unter den Todesanzeigen eineWerbung mit dem Hinweis „Spezialist für Erbrecht“ zu veröf-fentlichen. Die Bezeichnung „Spezialist für Erbrecht“ könnteallerdings durch die Einführung des Fachanwaltstitels für Erb-recht gerade unter Berücksichtigung des Beschlusses desBVerfG vom 28.7.2004 (NJW 2004, 2656 ff.) unzulässig sein.

9. Werbung mit überdimensional großen Schildern

Betroffen ist ein Werbeschild mit den Ausmaßen 13 x 1,5 Me-ter. Es besteht hierbei Einvernehmen darüber, dass allein dieGröße des Werbemediums kein Kriterium für eine Berufs-rechtswidrigkeit darstellt (vgl. hierzu auch BVerfG, AnwBl.2005, 68 ff.).

10. Führung des Titels „Dipl.-Jur. Univ.“ auf dem Briefkopf

Es stellt sich die Frage, ob durch die Angabe des neu eingeführ-ten und rückwirkend erteilten akademischen Titels „Dipl.-Jur.Univ.“ auf anwaltlichen Briefköpfen in irreführender Weiseeine zusätzliche Qualifikation vorgetäuscht wird. Grundsätz-lich können jedoch akademische Titel angegeben werden. Eshandelt sich damit bei der Angabe des Titels „Dipl.-Jur. Univ.“um die Unterrichtung über ein Qualifikationsmerkmal, dasdurch die Ablegung des Zweiten Juristischen Staatsexamensnicht entfällt.

11. Briefkopfgestaltung von Kooperationen

Der Briefkopf muss eindeutige Angaben über die konkreteKanzlei und den Standort enthalten. § 9 BORA verweist bezüg-lich der Führung einer einheitlichen Kurzbezeichnung nur auf

Sozietäten, Partnerschaften und die gemeinschaftliche Berufs-ausübung in sonstiger Weise (freie Mitarbeit, Angestelltenver-hältnis). Kooperationen dürfen daher grundsätzlich keinen ein-heitlichen Briefkopf verwenden. Auch ein Hinweis auf die Koo-peration über Sternchen oder Fußnoten ist grundsätzlich be-rufsrechtlich unzulässig. Allerdings könnte aufgrund der haf-tungsrechtlichen Rechtsprechung dann kein wettbewerbswidri-ges Verhalten vorliegen, wenn aufgrund des äußeren Anscheinsdes Bestehens einer Sozietät auch die Kooperation eine Haf-tungsgemeinschaft darstellt.

In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage erörtert, obfür die Kooperationspartner auf dem Briefkopf eine Adresse an-zugeben sei. Dies wurde mehrheitlich verneint, da lediglich aufden Kooperationspartner hingewiesen wird.

12. Spezialistenbezeichnung und sonstige Selbstbenennungen

Nach der Rspr. des BVerfG vom 28.7.2004 (NJW 2004, 2656)ist es zulässig, sich als „Spezialist“ für ein Rechtsgebiet zu be-zeichnen. Allgemein gültige Kriterien als Voraussetzungenhierfür enthält das Urteil allerdings nicht. Ebenso könnte einRA sich nunmehr als „Spezialist für Allgemeinrecht“ bezeich-nen. Im Ergebnis wird deshalb festgestellt, dass die RAKn dieSelbstbenennungen als Spezialist in jedem Falle hinsichtlichihres Wahrheitsgehaltes überprüfen müssen.

13. Kanzleibenennungen

Es besteht Einigung darüber, dass Kanzleibezeichnungen sach-lich gehalten sein müssen und nicht marktschreierisch sein dür-fen. Angesichts der Streichung von § 9 Abs. 2 und 3 BORA, derbisherigen Rspr. zum Namen von Partnerschaftsgesellschaftenund der Praxis bei der Firmierung von Rechtsanwaltsgesell-schaften sind heute auch reine Phantasiebezeichnungen ohneBezug auf den Namen eines Sozius als zulässig anzusehen.

14. Anforderung an die „geeignete Ausbildung“ zum Media-tor i.S.v. § 7a BORA

Es wird eine Fachausbildung einschließlich eines Rollenspielsim Umfang von insgesamt rund 90 Stunden für erforderlich ge-halten. Die verschiedenen Mediationsphasen müssen in einemRollenspiel vollständig durchlaufen sein.

15. Konkretisierung des Vorwurfs eines berufsrechtlichen Ver-stoßes bei der ersten Anhörung im Beschwerdeverfahrengem. § 59 BRAO

Beim Anhörungsschreiben sollen die berufsrechtlichen Verstö-ße konkretisiert werden. Weitere Berufsrechtsverstöße, die imBeschwerdeschreiben nicht geltend gemacht wurden, aber fürden Sachbearbeiter erkennbar sind, sind von Amts wegen auf-zugreifen.

16. Informierung des Beschwerdeführers über den Ausgangdes Beschwerdeverfahrens

Aus berufs- und datenschutzrechtlichen Gründen dürfen demBf. keine konkreten Hinweise auf den Ausgang des Beschwer-deverfahrens gegeben werden. Die Vertraulichkeit des Verfah-rens beruht auf dem Recht des RA auf die informationelleSelbstbestimmung. Der Bf. soll darauf hingewiesen werden,dass die Beschwerde berechtigt gewesen sei und das Erforderli-che veranlasst wurde bzw. dass zu berufsrechtlichen Maßnah-men kein Anlass bestand. Auch die Abgabe an die General-staatsanwaltschaft kann mitgeteilt werden. Dies gilt insbeson-dere im Falle der Abgabe zum Zwecke der Durchführung wei-terer Ermittlungen. Dem Bf. kann zudem die Stellungnahmedes betroffenen RA zur Kenntnisnahme weitergeleitet werden.

17. Abgabeverfügungen an die Generalstaatsanwaltschaft

Es besteht Einvernehmen darüber, dass im Falle der Abgabean die Generalstaatsanwaltschaft eine kurze Darstellung derRechtsauffassung des Kammervorstands beigelegt werden soll.

178 Aufsätze BRAK-Mitt. 4/2005

Kopp, Anbringung eines Kanzleischildes als Voraussetzung für die Einrichtung einer Kanzlei

18. „Automatisches Inkasso“ durch Rechtsanwaltskanzleien

Nach der Rspr. ist ein automatisiertes Inkassoverfahren vonRAen grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange das Compu-terprogramm verantwortlich von einem RA gestaltet und beauf-sichtigt wird. Der anwaltliche Bearbeiter muss für Rückfragenzur Verfügung stehen.

19. Abrechnungspflicht gegenüber dem Mandanten (§ 23BORA)

Es besteht die Einigkeit darüber, dass § 23 BORA nur anwend-bar ist, wenn ein Honorarvorschuss gezahlt oder Fremdgelderangenommen wurden. Ansonsten besteht keine berufsrechtli-che Verpflichtung zur Abrechnung. Evtl. Streitigkeiten über die

konkrete Abrechnung beurteilen sich ausschließlich nach demallgemeinen Zivilrecht.

20. Verschwiegenheitsverpflichtung in Honorarprozessen

Die Verschwiegenheitsverpflichtung gilt auch in Honorarpro-zessen grundsätzlich für solche Tatsachen, die nicht unbedingtzur Geltendmachung der Honorarforderungen offenbart wer-den müssen.

21. Hinweispflicht auf die Erhebung von Gebühren nach demGegenstandswert (§ 49b Abs. 5 BRAO n.F.)

Es ist einhellige Auffassung der Konferenzteilnehmer, dass sei-tens eines RA ein Hinweis auf die Erhebung von Gebührennach dem Gegenstandswert erfolgen muss und den RA diesbe-züglich die Beweispflicht trifft.

Anbringung eines Kanzleischildes als Voraussetzung für dieEinrichtung einer Kanzlei

Rechtsanwalt Stephan Kopp, Ebenhausen

Der Beschluss des Sächsischen AGH vom 4.11.20041 gibt An-lass, einer gern zitierten2, aber unrichtigen Darstellung entge-genzutreten:

Der Sächsische AGH schreibt in der Begründung zur Frage, obein Kanzleischild für die Einrichtung einer Kanzlei erforderlichist:

In vielen Kammerbezirken werden bereits Syndikusanwältevon der Verpflichtung, ein Praxisschild zu unterhalten, aus-genommen. Dementsprechend hat auch der Kammervor-stand München inzwischen gänzlich auf die Pflicht einesPraxisschildes verzichtet (s.a. BGH, DtZ 1995, 132; Hartung[Anm. d. Verf.: Anwaltliches Berufsrecht], Rdnr. 13 zu § 5BORA).

Der Sächsische AGH verweist hierbei auf eine Fundstelle imKommentar zur Anwaltlichen Berufsordnung (Hartung/Holl,Anwaltliche Berufsordnung, Rdnr. 13 zu § 5 BORA), in derHartung ebenfalls behauptet:

Die RAK München hat sich deswegen dafür entschieden,dass ein Praxisschild nicht länger notwendiger Bestandteileiner Kanzleieinrichtung ist.

Er verweist in der Fußnote (31) auf die Mitteilungen der RAKMünchen aus dem Jahre 1978 (!).

Diese Darstellung entspricht jedoch weder der Rechtsauffas-sung des Vorstands noch der ständigen Verwaltungspraxis derRAK München.

Im Jahre 1978 hatte sich der Vorstand der RAK München aus-weislich der uns vorliegenden Protokolle mit der Kanzleipflichtvon Rechtsanwälten im Anstellungsverhältnis zu befassen. Zu-grunde lagen Schwierigkeiten, die sich bei der postalischen Er-reichbarkeit ergaben, wenn Rechtsanwälte ihre Kanzlei in denBüroräumen eines anderen Rechtsanwalts einrichteten und ihrName weder auf einem Kanzleischild noch sonst nach außenin Erscheinung trat. Hierbei wurde im Vorstand die Frage erör-tert, ob es für die ordnungsgemäße Einrichtung einer Kanzleiim Sinne von § 27 BRAO und deren Manifestierung nach au-

ßen erforderlich oder entbehrlich sei, ein Namensschild (mitoder ohne Berufsbezeichnung) an der Haustür oder an sonstgeeigneter Stelle anzubringen. Dabei wurden die Schwierigkei-ten gesehen, einen anwaltlichen Arbeitgeber zu verpflichten,dem angestellten Rechtsanwalt die Anbringung eines Namens-schildes in jedem Fall zu gestatten. Die Mehrheit des Vorstan-des war daher damals der Auffassung, dass der Rechtsanwaltdie Einrichtung seiner Kanzlei nach außen ordnungsgemäß aufzwei Arten kenntlich machen kann: entweder durch Anbringeneines Kanzleischildes oder durch Verwendung einer Adressbe-zeichnung (im Schriftverkehr) mit einem c/o- oder ähnlichenZusatz, der die postalische Erreichbarkeit der Kanzlei sicher-stellt.

In den Kammermitteilungen vom Dezember 1978 wurde zwarin der Tat aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründenausgeführt:

Der Vorstand der RAK ist der Auffassung, dass ein Kanzlei-schild nicht notwendiger Bestandteil der Kanzleieinrichtungist.

Diese Darstellung muss jedoch berichtigt werden. Die Auffas-sung, dass für die Einrichtung einer Kanzlei die Anbringung ei-nes Kanzleischildes nicht erforderlich sei, wurde vom Vorstandder RAK München weder damals im Jahre 1978 noch davornoch danach vertreten. Entsprechend der allgemeinen Anforde-rungen an die Einrichtung einer Rechtsanwaltskanzlei fordertauch der Vorstand der RAK München neben dem Vorhan-densein von einem oder mehreren Räumen, der telefonischenErreichbarkeit auch ein auf die Existenz der Kanzlei hinweisen-des Praxisschild3. Gerade letzte Anforderung hält der Vorstandder RAK München angesichts der Vorschriften über die Durch-suchung von Geschäftsräumen, die Beschlagnahme von Unter-lagen und der Gefahren des „Lauschangriffs“ im Einzelnen so-wie zur Wahrung der anwaltlichen Verschwiegenheitsver-pflichtung im Allgemeinen für unabdingbar. In einem jüngstvor dem BGH geführten Verfahren wurde das Erfordernis einesKanzleischildes erst wieder höchstgerichtlich bestätigt4.

1 BRAK-Mitt. 2005, 31 ff.2 Vgl. auch AnwG Hamm, AnwBl. 2000, 316.

3 Vgl. i.e. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 27 Rdnr. 5 m.w.N.4 Vgl. BGH, NJW 2005, 1420.

BRAK-Mitt. 4/2005 Pflichten und Haftung des Anwalts 179

Das aktuelle Urteil

Pflichten und Haftung des Anwalts

Rechtsanwältin Antje Jungk und Rechtsanwalt Bertin Chab

Allianz Versicherungs-AG, München,

Rechtsanwalt Holger Grams

Das aktuelle Urteil

Beratungspflichten vor Vergleichswiderruf

Bei Abschluss eines Widerrufsvergleichs ist der Anwalt verpflich-tet, den Mandanten umfassend zu beraten, damit dieser eineeigenverantwortliche Entscheidung treffen kann, ob er den Ver-gleich bestandskräftig werden lassen will oder nicht. Wenn vonmehreren Handlungsalternativen (hier: Widerruf oder Bestands-kraft) eine zur Erreichung des wirtschaftlichen Zieles des Man-danten deutlich sicherer ist, muss der Anwalt die Chancen undRisiken der Alternativen bei seiner Beratung entsprechendgewichten.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.2.2005 – I-24 U 119/04,LG Wuppertal, Urt. v. 21.5.2004 – 19 O 400/03

Besprechung:

Im letzten Heft (BRAK-Mitt. 2005, 111) hatten wir eine Ent-scheidung des KG besprochen, wonach der Anwalt einenWiderrufsvergleich widerrufen muss (und damit auch widerru-fen darf, ohne sich haftpflichtig zu machen), wenn er innerhalbder Frist keine ausdrückliche Zustimmung des Mandanten zudem Vergleich erhält. Unklarheiten bei der Stellungnahme desMandanten musste sich der Mandant selbst zurechnen lassen.Der hier besprochene Fall steht damit nur scheinbar im Wider-spruch. Die beiden Fälle beleuchten aber gut das Spannungs-feld, in dem sich der Anwalt bewegt.

Auch hier ging es um die Frage, ob der Widerruf eines objektivgünstigen Vergleichs eine anwaltliche Pflichtverletzung dar-stellt, wenn der Mandant sich bis zum Fristablauf nicht eindeu-tig geäußert hat. Bei genauem Hinsehen liegt die von LG undOLG (vom OLG als Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2ZPO, woraufhin der Anwalt seine Berufung zurücknahm)bejahte Pflichtverletzung jedoch darin, dass der Anwalt zuvorden Mandanten über Einzelheiten des Vergleichs und dieabsehbar nachteiligen Folgen eines Widerrufs nicht hinrei-chend belehrt hatte, so dass dieser keine fundierte, eigenver-antwortliche Entscheidung treffen und eine entsprechendeWeisung erteilen konnte.

Der Anwalt hatte in einem Arbeitsrechtsstreit auf Gehaltszah-lung und Kündigungsschutz für den Arbeitgeber widerruflichzwei Teilvergleiche geschlossen. Der Teilvergleich bezüglichder Gehaltsforderung sah ein weitgehendes Nachgeben desArbeitgebers vor. Der zweite Teilvergleich enthielt eine für denArbeitgeber günstige Regelung zur Beendigung des Arbeitsver-hältnisses. Beide Teilvergleiche waren jeweils selbstständig undeinzeln widerruflich. Der Mandant äußerte sich nicht eindeu-tig, ob er die Vergleiche akzeptiere oder nicht. Daraufhinwiderrief der Anwalt beide Teilvergleiche. Schließlich wurdedie arbeitgeberseitige Kündigung vom ArbG für unwirksamerklärt, was weitere Gehaltsansprüche der Arbeitnehmerinnach sich zog.

Nach den gerichtlichen Feststellungen hatte der Anwalt denMandanten weder über die Möglichkeit des separaten Wider-rufs der beiden Teilvergleiche belehrt, noch auf das hohe Risikoder Unwirksamkeit der Kündigung hingewiesen. Dies waren diePflichtverletzungen, die zur Haftung des Anwalts führten, undnicht der Widerruf der Vergleiche (insbesondere des Beendi-gungsvergleichs) an sich. Dies ist der maßgebliche Unterschiedzu der im letzten Heft besprochenen Entscheidung des KG.

Bei der Frage des Abschlusses bzw. Nichtabschlusses eines Ver-gleichs treffen den Anwalt besondere Beratungspflichten. Ermuss dem Mandanten Chancen und Risiken, pro und contragegenüber den Aussichten im Fall einer streitigen Entscheidungdarlegen (BGH, NJW 1994, 2085). Bei günstigen Vergleichs-möglichkeiten muss er zur Annahme raten, bei ungünstigenabraten. Mathematische Genauigkeit wird dabei nicht verlangt;insofern steht dem Anwalt ein Ermessensspielraum zu (BGH,NJW-RR 1991, 1499). Einzukalkulieren sind Beweislastfragenund auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Fehlentscheidung(Zugehör/Sieg, Handbuch der Anwaltshaftung, Rdnr. 758).Auch wirtschaftliche und andere Faktoren (z.B. Gesundheitoder psychischer Zustand des Mandanten) dürfen hier in dieBeratung einfließen (BGH, NJW 1993, 1325). Für objektiv feh-lerhafte Prognosen haftet der Anwalt jedoch (BGH, BB 2000,536 = BRAK-Mitt. 2000, 126 m. Anm. Jungk).

Hinweisen muss der Anwalt insbesondere auf die Reichweitevon Abgeltungsklauseln (BGH, NJW 2002, 292 = BRAK-Mitt.2002, 22 m. Anm. Chab), vor allem bei möglichen unbekann-ten Ansprüchen, z.B. Zukunftsschäden (insbesondere beiunfallbedingten Körperschäden). Eine Vergleichsempfehlungdes Gerichts enthebt den Anwalt nicht von seiner eigenen Ver-antwortung gegenüber dem Mandanten, ist jedoch bei derAbwägung zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenngegen eine Entscheidung dieses Gerichts kein Rechtsmittelmehr möglich wäre (Zugehör/Sieg, a.a.O., Rdnr. 759).

Die Beweislast für eine anwaltliche Pflichtverletzung trägt zwargrundsätzlich der Mandant (BGH, NJW 1996, 2571). Dies giltselbst dann, wenn er negative Tatsachen behauptet, z.B. eineunterlassene Belehrung durch den Anwalt. Der Anwalt mussjedoch eine behauptete Belehrung konkret und substantiiertdarlegen (Inhalt der Belehrung, Reaktion des Mandanten etc.,BGH, NJW 1987, 1322; 1995, 2842). Auch wenn der Anwalteine Belehrung nicht nachweisen muss, empfiehlt es sich drin-gend, Belehrungen zumindest durch Aktennotizen zu doku-mentieren, um das eigene Gedächtnis zu stützen. Auch im vor-liegenden Fall hatte der Anwalt vorgetragen, er habe den Man-danten umfassend unterrichtet. Dies war den Gerichten – imLichte der BGH-Rspr. zu Recht – zu unsubstantiiert. Bzgl. derFrage der separaten Widerrufbarkeit der Teilvergleiche ver-misste das OLG überhaupt einen diesbezüglichen Vortrag.

Rechtsanwalt Holger Grams

180 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 4/2005

Rechtsprechungsleitsätze

Rechtsprechungsleitsätze

Zurechnungszusammenhang bei mehreren hintereinandertätigen Anwälten

Verursacht der RA durch pflichtwidrige Untätigkeit, dass einAnspruch des Mandanten verjährt, den er durchzusetzen beauf-tragt war, wird der Zurechnungszusammenhang nicht dadurchunterbrochen, dass der Mandant später einen anderen Anwaltbeauftragt, der es fahrlässig versäumt, noch rechtzeitig den Ein-tritt der Verjährung zu vermeiden.

BGH, Urt. v. 7.4.2005 – IX ZR 132/01

Anmerkung:

Die Zurechnung von dem Mandanten entstandenen Schädenist immer wieder dann ein Thema, wenn mehrere Anwälte – seies zeitlich nebeneinander oder auch nacheinander – ein Man-dat bearbeiten. Man ist fast geneigt zu sagen, gerade dannscheinen sich Haftungskonstellationen besonders „gerne“ auf-zutun, frei nach dem Motto: „Viele Köche verderben den Brei“.

Im vom BGH entschiedenen Fall haben zum einen gleichzeitigverschiedene Anwälte gewirkt, nämlich ein Prozessanwalt undein Verkehrsanwalt. Außerdem aber war das Mandat des hierverklagten Prozessanwalts bereits seit Monaten beendet, alsschließlich die Zugewinnausgleichsansprüche der Mandantinverjährten. Zu diesem Zeitpunkt war schon ein weiterer Anwaltmit der Sache befasst. Dennoch und damit gegen die beidenVorinstanzen rechnet der BGH das Verschulden des zunächsttätigen hier verklagten Anwalts noch zu. Dieser habe geradedurch seine Untätigkeit die Kausalkette erst in Gang gesetzt,indem er zunächst ein PKH-Verfahren wegen des Zugewinn-ausgleichs in Gang setzte, nach Zurückweisung aber völliguntätig blieb. Den Zurückweisungsbeschluss hatte er nacheigener Einlassung nie erhalten. Da er aber auch anschließendweder einen durch den Korrespondenzanwalt vorbereitetenSchriftsatz einreichte noch sich nach dem Stand des Verfahrenserkundigte, konnte ihn das nicht entlasten. Auch wenn die Ver-jährung dann letztlich nicht mehr in der Zeit seiner Mandatsbe-arbeitung eintritt, sondern vielmehr ein weiterer Anwalt zu die-sem Zeitpunkt schon eingeschaltet ist, der das Verjährungspro-blem aber auch nicht erkennt, wird hierdurch nach der Rspr.des BGH der Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nichtunterbrochen. Ausnahmen liegen dort, wo das Verhalten Drit-ter als ganz ungewöhnliche Beeinflussung des Geschehensab-laufs zu werten ist oder wenn der später tätige Anwalt mit demexpliziten Auftrag betraut wird, die Fehler des Erstanwalts zukorrigieren. Beides war hier nicht der Fall, so dass der BGHzurückwies und in den Urteilsgründen auf bereits früher indiese Richtung ergangene Entscheidungen wie diejenige vom29.11.2001 (in den BRAK-Mitt. 2002, 64 besprochen vonJungk) verwies. Was im Übrigen den daneben tätigen Verkehrs-anwalt angeht, so ließ sich die Mandantin hier im Verhältniszum beklagten Prozessanwalt ein hälftiges Mitverschuldenanrechnen.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Einrede der beschränkten Erbenhaftung

Der RA ist verpflichtet, die Einrede der beschränkten Erbenhaf-tung zu erheben, es sei denn, eine Überschuldung des Nachlassesscheidet eindeutig aus.

KG, Urt. v. 3.2.2005 – 20 U 11/04

Anmerkung:

Es geschieht gar nicht so selten, dass die Erben von einemGläubiger des Erblassers in Anspruch genommen werden,nachdem sie die Erbschaft bereits angenommen haben. Es kanndann dazu kommen, dass der Nachlass zur Befriedigung nichtausreicht. Um den Erben vor solch bösen Überraschungen zuschützen, gibt es die Vorschrift des § 1990 BGB, die den Erbenberechtigt, die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweitzu verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Bei gerichtli-cher Geltendmachung ist es allerdings erforderlich, die Einrededer beschränkten Erbenhaftung auch zu erheben, um eine Voll-streckung in das Privatvermögen des Erben zu verhindern.Hieran sollte der die Erben vertretende Anwalt immer denken.Das KG weist zutreffend darauf hin, dass die Erhebung der Ein-rede keine Kosten verursacht und ein Unterlassen des Anwaltsallenfalls dann vertretbar ist, wenn nach der Sachlage eindeutigeine Überschuldung des Nachlasses ausscheidet. Dies dürfteeher die Ausnahme sein.

Die bloße Inanspruchnahme des Privatvermögens stellt indesnoch keinen Schaden dar, sondern es hat ein Gesamtvermö-gensvergleich zu erfolgen. Ein wirtschaftlicher Schaden ist nurdann eingetreten, wenn der ausgeurteilte Betrag ganz oder teil-weise nicht aus dem Nachlass zu decken ist. Hierfür, d.h. auchfür den Wert des Nachlasses, ist der Mandant beweispflichtig.Das KG legt dar, dass selbst der Umstand der Eröffnung desNachlassinsolvenzverfahrens den Schaden noch nicht indiziert.Der erfüllende Erbe erwirbt ja einen entsprechenden Anspruchzur Quote. In dieser Höhe hat er im Ergebnis keinen Schaden.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Beratung bei Versicherung für fremde Rechnung

Vertritt der Anwalt bei einer Unfallversicherung für fremde Rech-nung das versicherte, aber nicht selbst zur Geltendmachung derAnsprüche aus dem Versicherungsvertrag berechtigte Unfallopfer,nicht aber den Versicherungsnehmer, muss er den Mandanten aufdie Rechtslage hinweisen und ihn umfassend und vollständigbelehren, wie die fünfzehnmonatige Ausschlussfrist zur Geltend-machung von Dauerschäden gewahrt werden kann.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.11.2004 – 5 U 143-02-14

Anmerkung:

Der Mandant war bei einem Unfall schwer verletzt worden.Sein Vater hatte für ihn eine Unfallversicherung abgeschlossen;Versicherungsnehmer (VN) war aber der Vater. Der Versicherer(VR) teilte dem Anwalt, der für den Mandanten Ansprüche gel-tend gemacht hatte, mit, dass er eine Vollmacht des VN vorle-gen müsse. Der Anwalt bat den VR, sich direkt an den VN zuwenden, da er insofern kein Mandat hätte. Der VR wies denVN auf die 15-Monats-Frist gem. § 8 Abs. 2 AUB 61 (entspricht§ 7I Abs. 1 Satz 3 AUB 94 bzw. Ziff. 2.1.1.1 Satz 2 AUB 99) fürdie ärztliche Feststellung und Geltendmachung einer Invaliditäthin, die jedoch mangels rechtzeitiger Feststellung und Geltend-machung nicht gewahrt wurde, obwohl Invalidität innerhalbeines Jahres nach dem Unfall eingetreten war.

Bei einer Unfallversicherung gegen Unfälle eines Dritten(„Gefahrperson“) handelt es sich gem. § 179 Abs. 2 VVG imZweifel um eine Versicherung für fremde Rechnung nach§§ 75 ff. VVG. Zur Ausübung der Rechte ist gem. § 16 Abs. 1Satz 2 AUB in Abweichung des abdingbaren § 75 Abs. 2 VVGnur der VN berechtigt. Aufgrund dieser Aufspaltung entstehtein gesetzliches Treuhandverhältnis zwischen VN und demVersicherten, aufgrund dessen der VN zur Einziehung und Wei-terleitung der Versicherungsleistung an den Versicherten ver-pflichtet ist (BGH, NJW 1973, 1368; 1991, 3031).

Haftung

BRAK-Mitt. 4/2005 Pflichten und Haftung des Anwalts 181

Rechtsprechungsleitsätze

Welche Beratung der Anwalt dem Mandanten erteilt hat, warstreitig. Nach seinem eigenen Vortrag hat er über die Frist des§ 8 Abs. 2 AUB und über das Fehlen der Möglichkeit der Gel-tendmachung von Ansprüchen beim VR im eigenen Namenbelehrt. Auch nach seinem eigenen Vortrag hat der Anwaltjedoch nicht über das gesetzliche Treuhandverhältnis belehrt,aus dem der Mandant einen Anspruch gegen seinen Vater aufGeltendmachung der Ansprüche gegen den VR gehabt hätte.Wegen dieser Unvollständigkeit der Belehrung bejahte dasOLG eine haftungsbegründende anwaltliche Pflichtverletzung.

Rechtsanwalt Holger Grams

Beiläufige Fristenüberprüfung

Wenn dem RA die Handakten zur Anfertigung der Berufungs-schrift vorgelegt werden, muss er auch prüfen, ob die Berufungs-begründungsfrist richtig notiert ist (Bestätigung von BGH, Beschl.v. 1.12.2004 – XII ZB 164/03).

BGH, Beschl. v. 13.4.2005 – VIII ZB 77/04BGH, Beschl. v. 19.4.2005 – X ZB 31/03

Anmerkung:

Im Kern war der Sachverhalt beider Beschlüsse gleich. DieBerufungsbegründungsfrist war falsch bzw. gar nicht notiert,was aus der Akte heraus erkennbar war. Die Anwälte hatten beiEinlegung der Berufung jeweils die Möglichkeit und im Ergeb-nis auch die Pflicht, die Eintragung der Berufungsbegründungs-frist zu prüfen. Geschieht das nicht, gibt es keine Wiedereinset-zung. Der RA hat eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Fristrichtig berechnet wurde, wenn ihm die Akte zur Bearbeitungder fristgebundenen Tätigkeit vorgelegt wird. Eine gewisseErweiterung erfährt dieser Grundsatz darin, dass seit der Ände-rung des Fristbeginns für die Begründungsfrist durch die ZPO-Reform mit der Berufungseinlegung auch gleich die korrekteNotierung der Berufungsbegründungsfrist zu prüfen ist. Das istinzwischen st. Rspr., Rechtsbeschwerden werden bereits alsunzulässig zurückgewiesen (so geschehen mit dem zitiertenBeschl. v. 13.4.2005), weil weder Fragen von grundsätzlicherBedeutung aufgeworfen werden, noch die Fortbildung desRechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Ent-scheidung erfordert.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Zweiter Fristverlängerungsantrag und Einwilligung desGegners

Das Vertrauen auf die Bewilligung der beantragten (weiteren)Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist nicht gerechtfer-tigt, wenn der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers dieihm gegenüber erklärte, gem. § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderli-che Einwilligung des Gegners in den Verlängerungsantrag nichterwähnt.

BGH, Beschl. v. 22.3.2005 – XI ZB 36/04

Anmerkung:

Der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers hatte beimOLG eine zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfristbeantragt. Als Begründung gab er Arbeitsüberlastung an. DerSenatsvorsitzende lehnte den Antrag ab, weil die gem. § 520Abs. 2 ZPO erforderliche Einwilligung des Gegners nicht vor-getragen worden war. Daraufhin beantragte der Anwalt Wie-dereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, die

Einwilligung des Gegners zu der zweiten Fristverlängerunghabe ihm ja vorgelegen, daher habe er auf die Gewährung derzweiten Verlängerung vertrauen dürfen. Seine Bürokraft habeversehentlich seine Anweisung, im Verlängerungsantrag aufdas Einverständnis des Gegners hinzuweisen, nicht beachtet.Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesenund die Berufung verworfen.

Der BGH verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig, da dieRechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung habe und eineEntscheidung auch nicht zur Sicherung einer einheitlichenRspr. erforderlich sei. Die Entscheidung des OLG entsprecheder st. BGH-Rspr. Der zweite Fristverlängerungsantrag sei man-gels Darlegung der erforderlichen Zustimmung des Gegnersunvollständig gewesen und habe daher kein schützenswertesVertrauen des Anwalts begründet, dass dem Antrag stattgege-ben werde (BGH, NJW 1993, 134; NJW-RR 1998, 573). DerFehler der Bürokraft entlaste den Anwalt nicht, weil er Schrift-sätze vor Unterzeichnung selbst sorgfältig auf Richtigkeit undVollständigkeit zu prüfen habe (BGH, NJW 1995, 1499; NJW1998, 908).

Rechtsanwalt Holger Grams

Einzelweisung zur Faxübermittlung eines Schriftsatzes

Auf eine allgemeine organisatorische Regelung kommt es nichtentscheidend an, wenn im Einzelfall konkrete Anweisungen vor-liegen, deren Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte.Außerhalb der Weisung liegende sonstige organisatorische Maß-nahmen, die eine zuverlässige Fristkontrolle gewährleisten, sinddamit nicht außer Kraft gesetzt. (eigener Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 3.5.2005 – XI ZB 41/04

Anmerkung:

Der Prozessbevollmächtigte unterschrieb den Berufungsschrift-satz, bevor er dann die Kanzlei wegen einer Geschäftsreise ver-ließ. Zuvor hatte er seine Rechtsanwaltsgehilfin mündlichangewiesen, den Schriftsatz noch am selben Tag an das OLGzu faxen und anschließend in die normale Geschäftspost zugeben. Die Gehilfin strich die Frist noch in seinem Beisein,bevor sie das Fax ans Gericht sandte. Die Versendung gerietanschließend in Vergessenheit, weil der Schriftsatz versehent-lich in eine Parallelakte eingelegt wurde. Hierin lag der Organi-sationsmangel bzw. das Anwaltsverschulden, das letzten Endesdie Wiedereinsetzung verhinderte. Auch wenn Einzelweisun-gen erteilt werden – so der BGH –, müssen die übrigen not-wendigen organisatorischen Maßnahmen eingehalten werden.Insbesondere darf auch dann die Frist erst nach ordnungsgemä-ßem Faxausgang gestrichen werden. Der Anwalt hätte die früh-zeitige Friststreichung, bei der er noch anwesend war, unbe-dingt verhindern müssen. Dass er am nächsten Tag noch vonunterwegs aus anrief und nach der Erledigung fragte, entlasteteihn nicht, zumal es zu diesem Zeitpunkt auch schon zu spätwar, um noch geeignete Maßnahmen treffen zu können.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Vertretungsregelung im Krankheitsfall

Der RA muss Vorkehrungen dafür treffen, dass im Fall seinerErkrankung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungenvornimmt. Für den Fall einer plötzlichen und längerfristigenErkrankung muss er sein Büropersonal allgemein anweisen, umVertretung durch einen Anwaltskollegen bemüht zu sein odererforderlichenfalls einen Antrag nach § 53 Abs. 2 BRAO zu stel-len. (eigener Leitsatz)

BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 74/04

Fristen

182 Aus der Arbeit der BRAK BRAK-Mitt. 4/2005

Anmerkung:

Die Prozessbevollmächtigte wurde durch eine plötzlich auftre-tende heftige Sommergrippe für längere Zeit aus dem Verkehrgezogen. Zwar wurde ein anderer Anwalt damit beauftragt,Einlegungsfristen zu wahren, nicht aber Begründungsfristen.Hierfür hatte dieser auch keine Zeit. Die Anwältin hatte offen-bar darauf vertraut, rechtzeitig zur Fertigung des Begründungs-schriftsatzes wieder gesund zu sein, was sich in der Folge abernicht bewahrheitete.

Maßstab für die Vertretungsregelung im Krankheitsfall mussimmer sein, dass auch bei plötzlichem Ausfall des sachbearbei-tenden RA sämtliche Fristen gewahrt werden. Es muss also demBüropersonal ein konkreter anderer Anwalt bzw. eine Sozietätbenannt werden, die kurzfristig, d.h. notfalls auch am selbenTag noch fristwahrende Maßnahmen ergreifen kann. Kann derso benannte Vertreter aus Zeitgründen nicht für längere Zeitdiese Aufgabe erfüllen, so muss auf andere Weise die Fristwah-rung bzw. allgemein die Wahrung der Mandanteninteressensichergestellt werden, ggf. eben auch durch einen Antrag aufBestellung eines Vertreters nach § 53 Abs. 2 Satz 2 BRAO. DasVertrauen des Anwalts darauf, dass er schon rechtzeitig wiedergesund wird, reicht hier nicht. Gerade bei Unfällen und schwe-ren Erkrankungen kommt es vor, dass der Anwalt selbst garnichts mehr veranlassen kann. Dann muss das Personal wissen,was es zu tun hat.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Prüfung der Faxnummer

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen dieVersäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen Übermittlungdes Schriftsatzes an das falsche Gericht mit Telefax erfordert dieDarlegung, welche Anweisungen zur Prüfung der in einemSchriftsatz angegebenen Faxnummer des Empfängers bestanden,

wenn diese Nummer zur Übermittlung verwendet wurde, aberfehlerhaft war.

BGH, Beschl. v. 1.3.2005 – VI ZB 65/04

Anmerkung:

Zu der Frage, um was sich der Anwalt bei der Übermittlungeines Schriftsatzes per Fax selbst kümmern muss, was er dele-gieren darf und wofür er letzterenfalls Anweisungen gebenmuss, gibt es umfangreiche Wiedereinsetzungsrechtsprechung,die in dieser Rubrik ja auch regelmäßig auftaucht. Vorausset-zung für eine ordnungsgemäße Büroorganisation ist es, dassdie Frist nur dann gestrichen werden darf, wenn die Bürokraftanhand eines Einzelsendeberichts (z.B. BGH, MDR 2002,1095; BGH, NJW-RR 2002, 60 hat auch eine telefonischeNachfrage bei Gericht genügen lassen) sowohl die Anzahl derübertragenen Seiten als auch die Richtigkeit der Faxnummerüberprüft hat. In Bezug auf die Art und Weise der Überprüfungder Faxnummer lässt sich der Wiedereinsetzungsrechtspre-chung nichts Eindeutiges entnehmen. Bereits 1995 hatte dasBAG (NJW 1995, 2742) verlangt, dass nach erfolgter Faxüber-tragung die Faxnummer nochmals überprüft wird, und zwarwohl nicht nur anhand der Nummer auf dem Schriftsatz, son-dern anhand des Verzeichnisses, aus dem die Nummer ent-nommen wurde. Während der IX. ZS des BGH (NJW-RR 2002,860) dies wohl für zu weitreichend hielt, verlangte BGH AnwZ7/01 tatsächlich eine weitere Überprüfung anhand der Quelle(vgl. BRAK-Mitt. 2002, 171 mit Anm. Jungk).

Über diese Problematik brauchte der VI. ZS vorliegend aber garnicht zu entscheiden. Der Prozessbevollmächtigte hatte imWiedereinsetzungsgesuch nämlich nicht einmal dargelegt, dassdas Büro angewiesen war, die Faxnummer auf dem Schriftsatzanhand eines Verzeichnisses zu überprüfen. Der Anwalt, derdie Faxnummer selbst in den Schriftsatz eingefügt hatte, ist indiesem Zusammenhang keine verlässliche Quelle!

Rechtanwältin Antje Jungk

Aus der Arbeit der BRAK

Empfehlungen des Ausschusses Internationale Sozietäten

Der BRAK-Ausschuss „Internationale Sozietäten“ hat zur Frageder Zulassung ausländischer Rechtsanwaltsgesellschaften inForm einer LLP oder einer Kapitalgesellschaft folgende Empfeh-lungen an die RAKn abgegeben:

1. Anerkennung ausländischer Gesellschaften nach europäi-schem Recht:

Nach der vom EuGH angewendeten Gründungstheorie ist aufGesellschaften regelmäßig das Recht des Staates anzuwenden,in dem die Gründung der Gesellschaft erfolgt ist. Dies gilt unterBerücksichtigung der Niederlassungsrichtlinie nicht nur bei derEinrichtung von Zweigniederlassungen, sondern auch bei Ver-legung des Verwaltungs- oder des Hauptsitzes ins Ausland.Selbst die erklärte Absicht, eine Gesellschaft im Ausland nachausländischem Recht nur zu dem Zweck zu gründen und deren

tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland zurück zu verlegen, uminländisches Recht zu umgehen, stellt nach der Rspr. des EuGHkeinen Missbrauchstatbestand dar (vgl. EuGH – Rs. C-212/97(Centros) in: IPRax 1999, 360; Rs. C-208/00 (Überseering) in:IPRax 03, 65, 117, 193; Rs. C-167/01 (InspireARt) in: IPRax 04,46 m. Anm. Behrens, S. 20).

2. Limited Liability Partnerships (LLP):

a) Rechtsnatur:

Die LLP nach englischem Recht ist eine juristische Person, diehinsichtlich ihrer Gesellschaftsform, ihren Bilanzierungs- undVeröffentlichungspflichten sowie ihres Organisationsstatuts undihrer Haftungsstruktur zwar in vielen Bereichen der Gesell-schaftsform einer Kapitalgesellschaft ähnelt, andererseits aberdurch die Gesellschafterstruktur und die Haftung des handeln-den Partners neben der Gesellschaft für Ansprüche des Man-danten/Kunden wesentliche Grundzüge einer Personengesell-schaft aufweist.

BRAK-Mitt. 4/2005 Amtliche Bekanntmachungen 183

b) Eintragung der LLP in das Partnerschaftsregister:

Die LLP weist zwar Wesenszüge einer Kapitalgesellschaft auf,ähnelt jedoch hinsichtlich ihres Haftungsstatus gerade im Hin-blick auf die Handelndenhaftung der Partnerschaft nach demdeutschen Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG). Nach derGesetzesbegründung zum PartGG steht dieses Gesetz auch fürausländische Gesellschaften offen, die der Partnerschaftsgesell-schaft ähnlich sind. Zudem ist § 13d HGB analog anwendbar,der wiederum auf ausländische Gesellschaften Bezug nimmt.Steuerrechtlich wird die LLP wie eine Personengesellschaftbehandelt.

Diese Gesichtspunkte führten im BRAK-Ausschuss zu demErgebnis, dass die LLP im Falle ihrer Niederlassung oder derEinrichtung einer Zweigstelle in Deutschland entsprechend denVorschriften zur Partnerschaftsgesellschaft in das Partnerschafts-register einzutragen ist, selbst wenn die LLP mit der deutschenPartnerschaftsgesellschaft nicht vollkommen übereinstimmt.Die RAKn sollten diese Auffassung sowohl gegenüber denGesellschaftern als auch gegenüber Gerichten bei entsprechen-den Anfragen vertreten. Die Eintragung in das Partnerschaftsre-gister hätte zudem den Vorteil, dass eine Publizität aller Partnerder LLP gewährleistet ist. Die Postulations- und Vertretungsbe-fugnis lässt sich analog aus § 7 Abs. 4 PartGG ableiten. Bis zueiner entsprechenden Klarstellung im Gesetz ist es ratsam, denGesellschaften in der Rechtsform einer LLP zu empfehlen,Handlungen nur durch Personen vornehmen zu lassen, die diefür die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vor-geschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllen.

Zur Rechtssicherheit ist de lege ferenda eine Klarstellung in § 7PartGG empfehlenswert.

c) Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft?

Da die LLP nach obigem Ergebnis ihrer Rechtsnatur nach ehermit der Partnerschaftsgesellschaft vergleichbar ist, sieht derBRAK-Ausschuss „Internationale Sozietäten“ gegenwärtigebenso wie bei Partnerschaftsgesellschaften keine Notwendig-keit, eine Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft nach denVorschriften der §§ 59c ff. BRAO zu verlangen. Selbst die Ein-tragung der LLP bei der Law Society of England nach engli-schem Recht würde nicht die zusätzliche Eintragung oderZulassung bei einer deutschen RAK bedingen.

3. Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH oder Limited):

a) Rechtsnatur:

Bei den Kapitalgesellschaften handelt es sich um juristischePersonen des Privatrechts, die ausschließlich für Verbindlich-keiten der Gesellschaft haften. Eine persönliche Haftung derGesellschafter besteht daneben nicht.

b) Eintragung in das Handelsregister:

Als Kapitalgesellschaften sind die GmbH und die Limited imHandelsregister einzutragen. Diese Gesellschaften unterliegenauch dem Körperschaftsteuerrecht.

c) Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft:

Grundsätzlich ist zwischen Berufsausübungsgesellschafteneinerseits und Verwaltungs-/Besitzgesellschaften andererseitszu unterscheiden. Soweit die ausländische Berufsausübungsge-sellschaft in Deutschland beratend tätig werden möchte, bedarfsie im Falle der Verlegung des Hauptsitzes oder des Tätigkeits-schwerpunktes bzw. der Errichtung einer Zweigstelle inDeutschland der Zulassung der Gesellschaft bei der zuständi-gen RAK. Hierfür sind die §§ 59c ff. BRAO analog anzuwen-den, wobei de lege ferenda konkrete klarstellende Regelungenwünschenswert wären. Aus europarechtlicher Sicht ist zudemzu beachten, dass keine zusätzlichen Anforderungen gestelltwerden, die für inländische Gesellschaften nicht erforderlichsind oder eine übermäßige Hürde darstellen.

Hinsichtlich der Prüfungskriterien für die Zulassung einer aus-ländischen Kapitalgesellschaft oder deren Zweigniederlassungsollte beachtet werden, dass für die Zulassung im Wesentlichendie Vorschriften der §§ 59c ff. BRAO gelten. Insbesondere mussbei einer eigenen Haftung der Gesellschaft der Abschlusseiner Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nachgewiesenwerden, der den Anforderungen von § 59j BRAO entspricht,soweit die Gesellschaft nicht eine nach den Regeln des Her-kunftsstaates geschlossene Versicherung oder eine anderwei-tige Garantie nachweist, die hinsichtlich der Modalitäten unddes Deckungsumfangs gleichwertig ist. Auch muss die Kapital-gesellschaft den Regeln zur anwaltlichen Berufsverschwiegen-heit, der Beschlagnahmefreiheit, dem Verbot der Vertretungwiderstreitender Interessen und der Verpflichtung zur Unab-hängigkeit von Weisungen unterliegen.

Amtliche Bekanntmachungen

Beschlüsse der 4. Sitzung der 3. Satzungs-versammlung bei der Bundesrechtsanwalts-

kammer am 21.2.2005 in Berlin

BerufsordnungI.

§ 6 Werbung

§ 6 Abs. 2 BORA wird wie folgt neu gefasst:

„(2) Die Angabe von Erfolgs- und Umsatzzahlen ist unzulässig.Hinweise auf Mandate und Mandanten sind nur in Praxisbro-

schüren, Rundschreiben und anderen vergleichbaren Informati-onsmitteln oder auf Anfrage zulässig, soweit der Mandant aus-drücklich eingewilligt hat.“

Der bisherige § 6 Abs. 3 BORA wird gestrichen.

Der bisherige § 6 Abs. 4 wird § 6 Abs. 3.

II.

§ 7

Die Überschrift des § 7 lautet nunmehr wie folgt:

„§ 7 Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit“

184 Amtliche Bekanntmachungen BRAK-Mitt. 4/2005

§ 7 Abs. 1 BORA wird wie folgt gefasst:

„(1) Unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen darf Teilbe-reiche der Berufstätigkeit nur benennen, wer seinen Angabenentsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbil-dung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonsti-ger Weise erworben wurden. Wer qualifizierende Zusätze ver-wendet, muss zusätzlich über entsprechende theoretischeKenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erhebli-chem Umfang tätig gewesen sein.“

§ 7 Abs. 2 BORA wird wie folgt gefasst:

„(2) Benennungen nach Absatz 1 sind unzulässig, soweit siedie Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaftenbegründen oder sonst irreführend sind.“

§ 7 Abs. 3 BORA wird wie folgt gefasst:

„(3) Wer Teilbereiche der Berufstätigkeit benennt, ist verpflich-tet, sich auf diesen Gebieten fortzubilden. Auf Verlangen derRechtsanwaltskammer ist dies nachzuweisen.“

In § 7 wird folgender Absatz 4 angefügt:

„(4) Die vorstehenden Regelungen gelten für Berufsausübungs-gemeinschaften nach § 9 entsprechend.“

III.

§ 10 Abs. (1) und (4) Briefbögen

redaktionelle Änderungen

§ 10 Abs. 1 lautet:

„(1) Auf Briefbögen müssen auch bei Verwendung einer Kurz-bezeichnung die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindes-tens einem ausgeschriebenen Vornamen aufgeführt werden.Gleiches gilt für Namen anderer Personen, die in einer Kurzbe-zeichnung gemäß § 9 enthalten sind. Es muss mindestens eineder Kurzbezeichnung entsprechende Zahl von Gesellschaftern,Angestellten oder freien Mitarbeitern auf den Briefbögennamentlich aufgeführt werden.“

§ 10 Abs. 4 lautet:

„(4) Ausgeschiedene Kanzleiinhaber, Gesellschafter, Ange-stellte oder freie Mitarbeiter können auf den Briefbögen nurweitergeführt werden, wenn ihr Ausscheiden kenntlichgemacht wird.“

Die vorstehenden Beschlüsse werden hiermit ausgefertigt.

Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 26.5.2005, ein-gegangen bei der Bundesrechtsanwaltskammer am 30.5.2005

An dieBundesrechtsanwaltskammerLittenstraße 910179 Berlin

Betr.: Teilweise Aufhebung der Beschlüsse der 4. Sitzung der 3.Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer am21.2.2005

Bezug: Ihr Schreiben vom 28.2.2005

Auf Grund des § 191e der Bundesrechtsanwaltsordnung, einge-fügt durch Artikel 1 Nr. 32 des Gesetzes vom 2.9.1994 (BGBl. I

S. 2278), hebt das Bundesministerium der Justiz in Nummer IIder Beschlüsse der Berufsordnung der 4. Sitzung der 3. Sat-zungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer am21.2.2005, die am 23./24.2.2005 ausgefertigt und dem Bun-desministerium der Justiz am 3.3.2005 übermittelt wordensind, den neu gefassten § 7 Abs. 3 der Berufsordnung (BORA)auf.

§ 7 Abs. 3 BORA-E regelt die anwaltliche Fortbildungspflicht(§ 43a Abs. 6 BRAO). Hierfür fehlt die erforderliche gesetzlicheErmächtigungsgrundlage.

Der Katalog der Ermächtigungsregelung des § 59b Abs. 2BRAO enthält keine ausdrückliche Befugnis, Regelungen zuranwaltlichen Fortbildung durch Satzung in der Berufsordnungzu treffen.

Die Regelung zur Fortbildung in § 7 Abs. 3 BORA-E kann nichtauf die Ermächtigung zur Regelung der Werbung (§ 59b Abs. 2Nr. 3 BRAO) oder auf einen anderen Kompetenztitel (etwa§ 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a BRAO) gestützt werden.Ermächtigungsnormen für Satzungsregelungen reichen nur soweit, wie der Gesetzgeber erkennbar selbst zu einer solchenGestaltung des Rechts den Weg bereitet. Mögliche Einschrän-kungen muss der Gesetzgeber besonders deutlich vorgeben,wenn die Berufsangehörigen in ihrer freien beruflichen Betäti-gung empfindlich beeinträchtigt werden (BVerfGE 101, 312[323] zu § 13 BORA – Versäumnisurteil).

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Neuordnung desBerufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom2.9.1994 (BGBl. I S. 2278) die Satzungsversammlung bei derBundesrechtsanwaltskammer nicht dazu ermächtigt, die Fort-bildungspflicht näher zu regeln. Eine im Regierungsentwurfvorgeschlagene Kompetenz zur Regelung der Fortbildung istnicht beschlossen worden (Beschlussempfehlung und BerichtBT-Drs. 12/7656, S. 16, zu § 59b Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe gBRAO-E). In seinem Bericht hat es der Rechtsausschuss desDeutschen Bundestages ausdrücklich abgelehnt, eine entspre-chende Ermächtigungsvorschrift in das Gesetz aufzunehmen(Bericht a.a.O., S. 50). Eine Auslegung der Ermächtigungsvor-schrift des § 59b BRAO, die die Regelungskompetenz der Sat-zungsversammlung auf den Bereich der Fortbildung erstreckt,ist daher nicht möglich.

Brigitte Zypries

In-Kraft-TretenDie Änderungen treten mit Ausnahme der Änderungen zu § 7BORA1 am 1.11.2005 in Kraft. Nur insoweit werden dieBeschlüsse der 4. Sitzung der 3. Satzungsversammlung verkün-det.

Die 5. Sitzung der 3. Satzungsversammlung findet

am 7.11.2005 in Berlin statt.

Berlin, den 23.2.2005 Bamberg, den 24.2.2005gez. Dr. Dombek gez. Böhnlein

Vorsitzender Schriftführer

1 Da die Vorschrift des beschlossenen neuen § 7 BORA durch die teilweiseAufhebung durch das Bundesministerium der Justiz einen veränderten In-halt erhalten hat, wird § 7 BORA nicht verkündet. Die Satzungsversamm-lung wird sich mit § 7 BORA erneut in der nächsten Sitzung am7.11.2005 befassen.

BRAK-Mitt. 4/2005 Personalien / Berufsrechtliche Rechtsprechung 185

Europäischer Gerichtshof/Bundesverfassungsgericht

Personalien

Eberhard Haas 70

Zum Ende der 13. Legislaturperiode des Deutschen Bundesta-ges im Sommer 1998 hatte Eberhard Haas eines seiner wich-tigsten Ziele erreicht: Die Stärkung der Unabhängigkeit derAnwaltschaft. Bundestag und Bundesrat hatten genau 120Jahre nach dem In-Kraft-Treten der Rechtsanwaltsordnung von1878 der Übertragung der bisher den Landesjustizverwaltun-gen überantworteten Zulassungsverfahren auf die Rechtsan-waltskammern zugestimmt. Lange hatte Haas für dieses Kern-anliegen, dass nicht der Staat, sondern die Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte sich selbst zulassen, gekämpft. Haaswusste, dass in Zeiten knapper Kassen den Staat weniger dieFreiheit der Advokatur interessierte. Vorrangig interessierte dortvielmehr die damit verbundene Einsparung von Verwaltungs-kosten. Geschickt nutzte Haas diese Fremdmotivation deranwaltlichen Interessen. Dabei verhinderte er noch in letzterMinute die Einführung der Fachaufsicht, die von einigen Minis-terialbeamten gefordert worden war. Ihm ging es allein um dieStärkung der Selbstverwaltung, die Stärkung der Eigenverant-wortung der Anwaltschaft durch mehr Unabhängigkeit vonstaatlichen Einflussnahmen. Hierfür setzte sich Haas mehr alsein Jahrzehnt an vorderster Front für die deutsche Anwaltschaftein, zunächst als deren Vizepräsident im Präsidium der BRAKund schließlich von 1990 bis 1998 als Präsident der BRAK. DieAmtszeit von Eberhard Haas stand unter dem Einfluss von zweihistorischen Ereignissen, der Wiedervereinigung Deutschlandsund dem Zusammenwachsen Europas. Im Gegensatz zu vielenanderen erkannte Haas frühzeitig die Herausforderungen, diehierdurch auf die Anwaltschaft zukamen. Das Zusammen-wachsen der Anwaltschaften der beiden deutschen Staaten warihm eine Herzenssache. Um das Denken der ostdeutschenJuristen zu verstehen, nahm er noch vor der deutschen Einheitam Juristentag der DDR in Strausberg im März 1990 teil. Dieständige Präsenz und wachsende Effizienz der Brüsseler Reprä-sentanz der Bundesrechtsanwaltskammer war ihm besonderswichtig. Es lohnt sich auch ein Blick durch die „Akzente“, dieHaas in den acht Jahren seiner Amtszeit in den BRAK-Mittei-lungen schrieb. Ob die fundamentalen Änderungen des

anwaltlichen Berufsrechts, der beharrliche Einsatz für einegerechtere Honorierung anwaltlicher Leistung, der Kampfgegen den Lauschangriff oder die Beschränkung der Mandan-tenrechte im Rahmen der immer kürzeren Intervalle der „Justiz-reformen“ – in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellteHaas immer die Unabhängigkeit der Anwältinnen und derAnwälte im Dienst der Mandanten und der Gesellschaft.Beharrlich und unermüdlich, mit sozialer Kompetenz, freund-lich und mit durchsetzungskräftigem Charme, wie seinenahezu legendäre „Standhaftigkeit“ bei den vielen Sitzungender Satzungsversammlung, appellierte Haas an die Bewahrungder Rechtskultur in unserer Gesellschaft. Zugleich forderte ervon der Anwaltschaft, die fundamentalen Prinzipien derRechtskultur mit „Verantwortung, Vernunft und Anstand“1 zuverteidigen. Dafür tritt der bekennende „Bremer“ Hanseat Haasauch heute noch ein. Am 15.6.2005 wurde Rechtsanwalt undNotar Dr. Eberhard Haas 70 Jahre alt. Wer Eberhard Haaskennt, weiß, dass er nicht wirklich älter wird. Und das ist gutso, wie wir Berliner zu sagen pflegen. Für die Bundesrechtsan-waltskammer arbeitet er in diversen Gremien weiterhin enga-giert mit. Im Aufsichtsrat der Hans-Soldan-Stiftung sorgt erdafür , dass die anwaltsbezogene Ausbildung der Jura-Studen-ten Realität wird. Im Vorstand der Stiftung für internationalerechtliche Zusammenarbeit kümmert er sich um den Export desdeutschen Rechts in die mittel- und osteuropäischen Staaten.Wir werden ihn dort, weil wir seinen Rat benötigen, noch vieleJahre brauchen. Diese vielen Jahre in guter Gesundheitwünscht ihm das Präsidium der Bundesrechtsanwaltskammer.Es denkt dabei ganz eigennützig, will doch jedes Präsidiums-mitglied ganz schnell Mitglied der sog. Après-Ko werden, derKonferenz der ehemaligen Kammerpräsidenten, gegründet undgeleitet von Eberhard Haas. Und gerühmt von allen ihren Mit-gliedern vor allem wegen des berühmten hanseatischenHumors ihres Leiters.

Dr. Bernhard DombekPräsident der Bundesrechtsanwaltskammer

1 BRAK-Mitt. 1998, 101 f.

Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Beitreibungs-kosten nur bei nationaler Regelung

Richtlinie 2000/35/EG Art. 3 Abs. 1

Besteht auf der Grundlage des nationalen Rechts keine Möglich-keit, in die Berechnung der Kosten, in die ein privater Schuldner einer Geschäftsschuld verurteilt werden könnte, die Kosten für die Einschaltung eines RA auf Seiten des Gläubigers in einem

gerichtlichen Verfahren zur Beitreibung dieser Schuld einzubezie-hen, so kann die Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zah-lungsverzug im Geschäftsverkehr als solche nicht als Grundlage für eine derartige Möglichkeit dienen.

EuGH, Urt. v. 10.3.2005 – C-235/03 (QDQ Media SA ./. AlejandroOmedas Lecha)

Volltext unter www.brak.de

Berufsrechtliche Rechtsprechung

Europäischer Gerichtshof/Bundesverfassungsgericht*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

186 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beschlag-nahme von Daten einer Rechtsanwalts- und Steuerberater-kanzlei

StPO § 94, § 97, § 108, § 110 a.F., § 110 n.F.; GG Art. 1 Abs. 1,Art. 2 Abs. 1

*1. Die Beschlagnahme des gesamten Datenbestandes einer RA-und StB-Kanzlei greift in das Berufsrecht der Berufsträger undihrer Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung ein undbeeinträchtigt die hiermit zusammenhängenden Belange der All-gemeinheit und wegen seines Umfangs in schwerwiegenderWeise das rechtlich besonders geschützte Vertrauensverhältniszwischen den Mandanten und den für sie tätigen Berufsträgern.RAe als Organe der Rechtspflege sowie deren Mandanten sindauch im öffentlichen Interesse auf eine besonders geschützte Ver-traulichkeit der Kommunikation angewiesen.

*2. Die Stellung des RA als Organ der Rechtspflege und das recht-lich geschützte Vertrauensverhältnis zwischen RA und Mandantwird jedenfalls dann berührt, wenn wegen der Gefahr eines unbe-schränkten Datenzugriffs ein Mandatsverhältnis von Anfang anmit Unsicherheiten hinsichtlich seiner Vertraulichkeit belastetwird. Mit dem Ausmaß potentieller Kenntnis staatlicher Organevon vertraulichen Äußerungen wächst die Gefahr, dass sich auchUnverdächtige nicht mehr den Berufsgeheimnisträgern zurDurchsetzung ihrer Interessen anvertrauen.

*3. Dem staatlichen Handeln werden durch den Grundsatz derVerhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt. Der jeweilige Eingriff mussin einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere der Straftatund der Stärke des Tatverdachts stehen. Hierbei sind auch die

Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahrensowie der Grad des auf verfahrenserhebliche Daten bezogenenAuffindeverdachts zu bewerten.

4. Zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürli-chen Verfahrensverstößen ist ein Beweisverwertungsverbot alsFolge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme vonDatenträgern und darauf vorhandenen Daten geboten.

BVerfG, Beschl. v. 12.4.2005 – 2 BvR 1027/02

Volltext unter www.brak.de

Beitragspflicht zur berufsständischen Anwaltsversorgungwährend einkommensloser Kindererziehungszeiten

RAVG (BW) § 8; RAVwS (BW) § 11 Abs. 2, 3; GG Art. 3, Art. 6und Art. 12*1. Die Beitragsregelung der Satzung des Versorgungswerks derRAe in Baden-Württemberg, die zur Beitragsleistung auch bei Ein-kommenslosigkeit während der Erziehungszeiten eines Kindes indessen ersten drei Lebensjahren verpflichtet, verstößt gegen dasGebot der Gleichberechtigung aus Art. 3 Abs. 2 GG. Sie führt zueiner unzulässigen faktischen Benachteiligung von Frauen gegen-über Männern.

*2. Die Regelung kann jedoch bis zum In-Kraft-Treten einer ver-fassungskonformen Neuregelung, längstens bis zum 30.6.2006,weiter angewendet werden.

BVerfG, Beschl. v. 5.4.2005 – 1 BvR 774/02

Volltext unter www.brak.de

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Werbung – Kanzleibezeichnung „K.-Associates“

BRAO § 43b; BORA § 6

*1. Enthält die Kurzbezeichnung einer RA-Kanzlei den englischenBegriff „Associates“, erweckt dies beim rechtsuchenden Publikumnicht den Eindruck, dass es sich um einen Zusammenschluss vonRAen im internationalen Bereich handelt.

*2. Zwar mag durch die Verwendung des Zusatzes „Associates“im Rechtsverkehr die Vorstellung einer gewissen Internationalitäterweckt werden. Dies begründet jedoch dann nicht die Gefahreiner Irreführung, wenn zum einen ein internationaler Bezug derKanzlei bereits dadurch hergestellt ist, dass zumindest ein Kanz-leimitglied gleichzeitig auch im Ausland als RA zugelassen ist unddort eine Kanzlei unterhält und zum anderen der Tätigkeits-schwerpunkt aller Sozien im internationalen Steuer-, Gesell-schafts- und Wirtschaftsrecht liegt.

BGH, Beschl. v. 18.4.2005 – AnwZ (B) 35/04

Aus den Gründen:

I. Der Ast. ist ein in ... zugelassener RA, betreibt mit zwei wei-teren RAen sowie einem StB eine Kanzlei in ... . Er ist weiterhinals Attorney and Counselor at Law im Bundesstaat New York(USA) zugelassen und unterhält dort ebenfalls eine Kanzlei. ImKopf seiner in der Kanzlei in ... verwendeten Briefbögen fir-miert er mit der Kurzbezeichnung „... Associates“. Unterhalb

der Kurzbezeichnung, am rechten Seitenrand des Briefbogens,sind weiterhin unter der Überschrift „...“ der Name des Ast.sowie die Namen der drei übrigen Kanzleimitglieder nebstBerufsbezeichnungen und der Kanzleianschrift in ... aufgeführt.Darunter findet sich unter der Rubrik „New York“ nochmals derName des Ast. mit den Berufsbezeichnungen „Rechtsanwalt“und „Attorney and Counselor at Law“ sowie der Angabe seinerKanzleianschrift in New York.

Mit Schreiben v. 13.8.2003 hat der Vorstand der Agin. dem Ast.den „belehrenden Hinweis“ erteilt, dass er die Verwendung desZusatzes „Associates“ in der Kurzbezeichnung als unzulässigansehe. Der Begriff „Associates“ sei kein auf die gemeinschaft-liche Berufsausübung hinweisender Zusatz, jedenfalls nicht imdeutschen Sprachgebrauch. Der Ast. habe selbst darauf hinge-wiesen, dass die deutsche Übersetzung dieses Begriffs einer-seits „Gesellschafter“, andererseits aber auch „Mitarbeiter“bedeuten könne. Das Schreiben schließt mit einer Rechtsmit-telbelehrung, in der der Ast. auf die Möglichkeit eines Antragsauf gerichtliche Entscheidung gem. § 223 BRAO hingewiesenwird.

Der Ast. hat gegen den Bescheid Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung gestellt. Der AGH hat den Antrag zurückgewiesen.Zur Begründung hat er unter Bezugnahme auf das Urteil desBGH v. 25.4.1996 – I ZR 106/94 (NJW 1996, 2308) ausgeführt,dass die Kurzbezeichnung gegen das Verbot der irreführendenWerbung in § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA verstoße. Es werdeder Eindruck erweckt, dass auch die zwei weiteren im Briefbo-

Bundesgerichtshof

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 187

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

gen aufgeführten RAe und der dort benannte StB Mitgliedereiner internationalen Sozietät oder eines internationalen kör-perschaftlichen Zusammenschlusses auf anderer rechtlicherGrundlage seien. Tatsächlich sei aber bislang allein der Ast.international tätig, da nur er allein die Kanzlei in New Yorkunterhalte. Im Ergebnis nehme der Ast. durch die von ihmgewählte Kurzbezeichnung für seine inländische Kanzlei inihrer Gesamtheit eine internationale Bedeutung durch gesell-schaftsrechtliche Verflechtungen der inländischen RAe mit aus-ländischen RAen in Anspruch, die der Wirklichkeit nicht ent-spreche. Hierdurch werde im Verkehr die nicht unerheblicheFehlvorstellung erzeugt, im Falle einer Mandatserteilung seienzur Erledigung einer Angelegenheit mehrere zu einer Sozietätverbundene amerikanische und deutsche RAe verpflichtet, diegleichzeitig auch einer internationalen Kanzlei mit Sitz in NewYork angehörten.

Gegen die Entscheidung des AGH richtet sich die – zugelas-sene – sofortige Beschwerde des Ast.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 223 Abs. 3 BRAO statt-haft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.

Der Ast. war auch zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrensbefugt. Das Schreiben der Agin. v. 13.8.2003 ging über einebloße Belehrung (vgl. § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO) hinaus. Es han-delte sich bei dem angefochtenen Schreiben – wie auch dieangefügte Rechtsmittelbelehrung deutlich macht – um einehoheitliche Maßnahme, die geeignet war, den Ast. in seinenRechten einzuschränken (vgl. Senatsbeschl. v. 23.9.2002 –AnwZ [B] 67/01, NJW 2003, 346, m.w.N.).

III. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob der AGH den durch denInhalt des belehrenden Hinweises vorgegebenen Verfahrensge-genstand noch eingehalten hat. Jedenfalls verstößt die vom Ast.verwendete Kurzbezeichnung nicht gegen § 43b BRAO, § 6BORA.

a) Gemäß § 43b BRAO ist dem RA Werbung erlaubt, soweit sieüber die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unter-richtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfallgerichtet ist. Diese Bestimmung hat in den §§ 6 ff. BORA teil-weise eine nähere Ausgestaltung erfahren. Nach § 6 Abs. 1BORA darf der RA über seine Dienstleistung und seine Personinformieren, soweit die Angaben sachlich unterrichten undberufsbezogen sind.

b) Nach Auffassung des AGH ist die im Briefbogen des Ast. ver-wendete Kurzbezeichnung irreführend, weil durch sie imRechtsverkehr der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dassalle Sozietätsmitglieder gleichzeitig einer internationalenSozietät oder einem sonstigen internationalen Zusammen-schluss, namentlich mit Sitz in New York, angehörten. DieserEinschätzung vermag der Senat nicht zu folgen.

aa) Der in der Kurzbezeichnungverwendete englische Begriff„associate“ hat in deutscherÜbersetzung in erster Linie dieBedeutung Gesellschafter, Part-

ner, Sozius (vgl. Romain/Bader/Byrd, Wörterbuch der Rechts-und Wirtschaftssprache, 5. Aufl., Teil I). Er entspricht daher imWesentlichen dem bei gemeinschaftlicher Berufsausübungi.S.d. § 59a BRAO allgemein üblichen und mit Blick auf § 43bBRAO und § 6 BORA nicht zu beanstandenden Zusatz „undPartner“ (vgl. § 11 PartGG) oder „und Kollegen“.

bb) Die hier gegebene Besonderheit liegt lediglich darin, dassder Zusatz nicht in deutscher, sondern in englischer Sprachegehalten ist. Dieser Umstand ist jedoch – auch bei Berücksich-

tigung der Gestaltung des Briefbogens im Übrigen – nichtgeeinget, die vom AGH befürchtete Irreführung beim rechtsu-chenden Publikum zu begründen.

Dem durchschnittlichen Betrachter des vom Ast. verwendetenBriefbogens erschließt sich ohne weiteres, dass von den aufge-führten Personen lediglich der Ast. in New York als RA zugelas-sen ist und dort einen Kanzleisitz unterhält. Insoweit unter-scheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von dem imUrteil des BGH v. 25.4.1996 (NJW 1996, 2308) entschiedenen.Dort hatten die bekl. RAe auf ihrem Briefbogen, auf dem nebenden Namen der sechs RAe, die die inländische Kanzlei bilde-ten, die Namen zahlreicher weiterer RAe mit Kanzleisitz imAusland aufgeführt waren, die Bezeichnung „InternationaleSozietät von Rechtsanwälten und Attorneys-at-Law“ verwen-det, obwohl nur einer der inländischen RAe einer Sozietät mitden benannten ausländischen Rechtsberatern angehörte. Soverhält es sich hier indes nicht. Weder werden – neben demAst. – auf dem verwendeten Briefbogen weitere RAe mit Kanz-leisitz im Ausland benannt mit der Folge, dass der Eindruckeiner länderübergreifenden „internationalen Sozietät“ entste-hen könnte, noch ist aufgrund der vorgenommenen klarenTrennung zwischen den Kanzleisitzen ... und New York zubefürchten, beim rechtsuchenden Publikum könnte die Fehl-vorstellung erweckt werden, dass sämtliche Kanzleimitgliedergleichzeitig auch einer Kanzlei mit Sitz in New York angehör-ten. Zudem suggeriert – anders als in dem vom BGH im Jahr1996 entschiedenen Fall – die hier verwendete Kurzbezeich-nung nicht schon für sich gesehen das Vorliegen einer ausdeutschen und weiteren ausländischen RAen gebildeten „Inter-nationalen Sozietät“.

Zwar mag durch die Verwen-dung des Zusatzes „Associate“im Rechtsverkehr die Vorstellungeiner gewissen Internationalitäterweckt werden. Dies begründet jedoch hier nicht die Gefahreiner Irreführung. Zum einen ist ein internationaler Bezug derKanzlei des Ast. bereits dadurch hergestellt, dass mit ihmjedenfalls ein Kanzleimitglied gleichzeitig auch im Ausland alsRA zugelassen ist und dort eine Kanzlei unterhält. Zum ande-ren hat der Ast. unwidersprochen vorgetragen, dass der Tätig-keitsschwerpunkt aller Kanzleisozien im internationalenSteuer-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht liegt.

2. Die im Briefkopf des Ast. verwendete Kurzbezeichnung ver-stößt schließlich auch nicht gegen § 9 BORA. Bereits § 9 Abs. 3BORA a.F. erklärte einen auf die gemeinschaftliche Berufsaus-übung hinweisenden Zusatz zur Kurzbezeichnung ausdrück-lich für zulässig. Dies gilt erst recht für die am 1.11.2004 inKraft getretene (vgl. BRAK-Mitt. 2004, 177) Neufassung dieserBestimmung, in der die früheren Absätze 2 und 3 und damitdie dort enthaltenen Einschränkungen ersatzlos entfallen sind.

Fachanwalt – Drei-Jahres-Zeitraum der Praxiserfahrung beiZulassung

FAO § 5 Satz 1 1. Das Erfordernis, dass die nachzuweisenden besonderen prakti-schen Erfahrungen innerhalb der letzten drei Jahre vor derAntragstellung gesammelt sein müssen, ist mit höherrangigemRecht vereinbar.

*2. Nur die Festlegung eines bestimmten Zeitraums ermöglichteine eindeutige Überprüfung der nachzuweisenden besonderenpraktischen Erfahrungen.

*3. Das rechtsuchende Publikum darf mit Recht erwarten, dassein RA, dem die Befugnis verliehen wird, sich als Fachanwalt auf

associate =Gesellschafter,Partner, Sozius

Keine Irreführungdurch Internationalität

188 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

einem bestimmten Gebiet zu bezeichnen, sich auch mit seinenErfahrungen auf der Höhe der Zeit befindet.

BGH, Beschl. v. 18.4.2005 – AnwZ (B) 31/04

Aus den Gründen:

I. Der Ast. ist seit Juli 1999 zur Rechtsanwaltschaft und als RAbeim AG und LG M. zugelassen. Zuvor war er als Rechtssekre-tär beim Deutschen ...bund (...) angestellt und bearbeitete dortarbeitsrechtliche Angelegenheiten von Gewerkschaftsmitglie-dern. Er übte diese Tätigkeit persönlich und weisungsfrei aus,sie entsprach hinsichtlich der Bearbeitungs- und Büroabläufe –ausgenommen die Abrechnung – einer anwaltlichen.

Mit Antrag vom 31.12.2002 hat der Ast. beantragt, dieBezeichnung „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ führen zu dürfen.Er hat zum Nachweis seiner praktischen Erfahrungen eine Listemit 27 gerichtlichen und 43 außergerichtlichen Fällen, die erals RA bearbeitet hat, aus der Zeit von Ende 1999 bis Ende2002 vorgelegt, außerdem eine Liste mit 44 gerichtlichen und26 außergerichtlichen Fällen aus seiner Zeit als Rechtssekretär.Die Agin. hat den Antrag abgelehnt, weil der Nachweis derbesonderen praktischen Erfahrungen (§ 5 Satz 1 Buchst. c FAO)nicht erbracht sei. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidunghat der AGH mit Beschluss vom 8.3.2004 zurückgewiesen.Dagegen wendet sich der Ast. mit seiner zugelassenen soforti-gen Beschwerde.

II. Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 223 Abs. 3 Satz 1 BRAO) undzulässig (§ 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO) – die Beschwerdefristwurde durch Einlegung der sofortigen Beschwerde per Fax am29.3.2004 gewahrt –, es hat jedoch keinen Erfolg.

1. Ob der Antrag nach der ab 1.1.2003 geltenden neuen oderder früheren Fassung des § 5 FAO zu beurteilen ist, hat keineBedeutung.

Zwar unterscheiden sich das alte und das neue Recht dadurch,dass nach dem Wortlaut der früheren Fassung der Erwerbbesonderer praktischer Erfahrungen „in der Regel“ mitbestimmten Fallzahlen nachgewiesen war. Nach der neuen Fas-sung „setzt“ der Erwerb diese Fallzahlen „voraus“. Ob die Fall-zahlen nunmehr einen absoluten Charakter haben, der eineabweichende Gewichtung zugunsten des Ast. – etwa bei einereinschlägigen Vortätigkeit als Syndikusanwalt oder Verbands-syndikus (vgl. hierzu zuletzt BGH, Beschl. v. 18.6.2001 –AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131; v. 13.1.2003 AnwZ[B] 25/02, NJW 2003, 883, 884) nicht mehr zulässt (so Henss-ler in: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. § 5 FAO Rdnr. 8), istnoch nicht abschließend geklärt. Im vorliegenden Fall brauchtder Senat dazu nicht Stellung zu nehmen.

2. Denn die beiden Fassungen des § 5 FAO unterscheiden sichinsoweit nicht, als die nachzuweisenden besonderen prakti-schen Erfahrungen jeweils „innerhalb der letzten drei Jahre vorder Antragstellung“ gesammelt sein mussten/müssen. Selbstwenn die Bearbeitung von Fällen als Rechtssekretär grundsätz-lich geeignet wäre, zum Nachweis der besonderen praktischenErfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zu dienen,müsste die Fallbearbeitung innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraumsstattgefunden haben. Dieser Voraussetzung vermag der Ast.nicht zu genügen, weil seine Beschäftigung beim Deutschen...bund Mitte 1999 geendet hat. Innerhalb des maßgeblichenZeitraums war er ausschließlich als RA tätig.

Entgegen der Ansicht des Bf. bestehen gegen die ausschließ-liche Beachtlichkeit der Fallbearbeitung innerhalb des Drei-Jah-res-Zeitraums keine Bedenken, insbesondere keine verfassungs-rechtlicher Art. Die Festlegung eines bestimmten Zeitraumsermöglicht eine eindeutige Überprüfung der Voraussetzungen(Henssler in: Henssler/Prütting, a.a.O., § 5 FAO Rdnr. 2).

Mit drei Jahren ist die Beurtei-lungszeit relativ lang bemessen,damit ist – entsprechend denAbsichten der Satzungsversamm-lung (Protokoll der 1. Sitzung v.

7. bis 9.9.1999, S. 26) – die Zulassungsschranke leichter über-windbar als bei einem kürzeren Zeitraum (Henssler, a.a.O.).Ihn noch weiter auszudehnen oder davon abzusehen, dass derDrei-Jahres-Zeitraum der Antragstellung unmittelbar vorausge-hen muss, lässt sich nicht aus § 3 FAO begründen. Zwar istdanach Voraussetzung für die Verleihung der Fachanwaltsbe-zeichnung „eine dreijährige Zulassung und Tätigkeit innerhalbder letzten sechs Jahre vor Antragstellung“. Selbst wenn derAst. die letzten drei Jahre vor der Antragstellung nicht ununter-brochen als RA zugelassen war, muss er doch die besonderenpraktischen Erfahrungen, die nach § 5 Satz 1 FAO nachzuwei-sen sind, innerhalb dieser drei Jahre gesammelt haben. Dies hatdie Satzungsversammlung so gewollt (Protokoll der 7. Sitzungv. 18.9.2002 zu 4.2; ebenso Stobbe in: Henssler/Prütting, § 3FAO Rdnr. 9). Die gegenteilige Auffassung würde dem Bedürf-nis nicht gerecht, über den Antrag aufgrund zeitnaher Erkennt-nisse zu entscheiden. Im Interesse des rechtsuchenden Publi-kums darf davon nicht abgewichen werden. Praktische Erfah-rungen können nicht nur mit der Intensität und Dauer derBerufsausübung wachsen (Stobbe in: Henssler/Prütting, § 3FAO Rdnr. 3), sie können, falls sie zu lange zurückliegen, auch„altern“.

Das rechtsuchende Publikumdarf jedoch mit Recht erwarten,dass ein RA, dem die Befugnisverliehen wird, sich als Fachan-walt auf einem bestimmten Gebiet zu bezeichnen, sich auchmit seinen Erfahrungen auf der Höhe der Zeit befindet. Wenndie Drei-Jahres-Frist nicht strikt beachtet werden würde, könntedie Beurteilungsgrundlage nicht mehr verlässlich eingegrenztwerden. Müssten auch praktische Erfahrungen aus dem viertenJahr vor Antragstellung berücksichtigt werden, ließe sich nichtüberzeugend begründen, warum dies nicht auch für solche ausdem fünften usw. gelte.

In den Entscheidungen des BGH, die der Ast. für sein Begehrenanführt (BGH, Beschl. v. 18.6.2001 – AnwZ [B] 41/00, NJW2001, 3130, 3131; v. 13.1.2003 – AnwZ [B] 25/02, NJW 2003,883, 884), hatte die anzurechnende Tätigkeit als Verbandssyn-dikus (mit oder ohne Anwaltszulassung) jeweils innerhalb desDrei-Jahres-Zeitraums stattgefunden.

Fachanwalt – zur Beschränkung des Führens von Fachan-waltsbezeichnungen auf zwei Rechtsgebiete

BRAO § 43c Abs. 1 Satz 3; FAO § 15; GG Art. 12*1. Die für jeden RA geltende Vorschrift des § 43c Abs. 1 Satz 3BRAO, die das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen auf maxi-mal zwei Rechtsgebiete beschränkt, ist durch ausreichendeGründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

*2. Mit dieser Beschränkung auf zwei Fachgebiete wird bezweckt,dass der RA auf diesen Gebieten vertieft tätig wird und damit dieQualitätsvorstellungen des rechtsuchenden Publikums erfüllt.Diese Regelung dient daher der wahrheitsgemäßen Informationder Rechtsuchenden, dem Vertrauensverhältnis zwischen RA undMandant und damit der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege.

*3. Die erforderliche Qualitätssicherung eines Fachanwalts kannnicht allein durch die in § 15 FAO vorgesehene 10-stündige Fort-bildung im Jahr erreicht werden. Da sie eine verstärkte Tätigkeitauf dem Fachgebiet und den damit verbundenen Erfahrungsge-winn voraussetzt, kann es deshalb nicht allein darauf ankommen,dass ein RA die formalen Voraussetzungen für den Erwerb von

Drei-Jahres-Zeitraumbereits langbemessen

Aktuelle Erfahrungennotwendig

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 189

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

auch mehr als zwei Fachgebieten erfüllt. Entscheidend ist viel-mehr eine dauerhafte intensive Befassung mit den Spezialgebie-ten auch nach der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung.

BGH, Beschl. v. 4.4.2005 – AnwZ (B) 19/04

Aus den Gründen:

I. Der Ast. ist seit 1999 Fachanwalt für Familienrecht und seit2002 auch Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schon 1998 war ihmdie Befugnis verliehen worden, die Fachanwaltsbezeichnungfür Strafrecht zu führen. Diese Befugnis hat die Agin. 2002widerrufen, nachdem der Ast. im Hinblick auf den angestreb-ten Fachanwalt für Arbeitsrecht auf das Führen dieser Bezeich-nung verzichtet hatte. In der Folge hat der Ast. beantragt, ihmdie Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung für Strafrecht zuführen, erneut zu erteilen. Die Agin. hat dies mit Bescheid v.23.7.2003 unter Hinweis auf § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO, derdas Führen der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Rechtsge-biete beschränkt, abgelehnt. Den dagegen gerichteten Antragauf gerichtliche Entscheidung hat der AGH zurückgewiesen.Hiergegen wendet sich der Ast. mit seiner vom AGH zugelasse-nen sofortigen Beschwerde. Der Ast. hält die Beschränkung in§ 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO für verfassungswidrig, weil sie gegenArt. 12 Abs. 1 GG verstoße.

II. Die zugelassene Beschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3BRAO), hat jedoch keinen Erfolg.

Nach § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO darf die Befugnis, eine Fach-anwaltsbezeichnung zu führen, nur für zwei Rechtsgebiete ver-liehen werden. (Eine Beschränkung auf höchstens zwei Fachge-biete findet sich schon in den von einer Kommission der DAVim Februar 1930 erlassenen Richtlinien für die Einführung ers-ter Fachanwaltschaften, – Beschlüsse des gemischten Ausschus-ses vom 8.2.1930 IV. – AnwBl. 1930, 50.) Da der Ast. bereitszwei Fachanwaltsbezeichnungen führt, stand der Verleihungeiner weiteren Fachanwaltsbezeichnung die Regelung des§ 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO entgegen.

Die Bestimmung des § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist entgegender Auffassung des Ast. nicht verfassungswidrig:

Mit der Einrichtung der Fachanwaltschaft, die nunmehr in§ 43c BRAO und in der von der Satzungsversammlung auf-grund der Ermächtigung des § 59b Abs. 2 Nr. 2a BRAO erlasse-nen FAO ihre Rechtsgrundlage gefunden hat, steht der Anwalt-schaft ein Mittel zur Verfügung, besondere in einem formali-sierten Verfahren nachgewiesene Kenntnisse und Erfahrungenauf einem bestimmten Gebiet der Öffentlichkeit kundzutun.Dem in dieser Weise qualifizierten RA, dem die Fachanwalts-bezeichnung verliehen worden ist, steht damit eine zulässigeWerbemöglichkeit zur Verfügung, um neue Mandanten aufsich aufmerksam zu machen. Tatsächlich wird die Fachanwalts-bezeichnung von der rechtsuchenden Bevölkerung auch alsQualifikationsmerkmal verstanden;

Fachanwälte verfügen nachempirischen Untersuchungengegenüber den anderen Anwäl-ten im Durchschnitt über höhere

Umsätze und Einkommen (Nachweise bei Henssler/Prütting-Henssler, BRAO 2. Aufl., § 43 Rdnr. 10; Hartung/Holl-Holl,Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., Einführung FAO,Rdnr. 49 f.). Da die Regelung des § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAOden RA – trotz formaler Erfüllung der Kriterien für die Verlei-hung einer weiteren Fachanwaltsbezeichnung – daran hindert,das rechtsuchende Publikum auf diese Qualifikation hinzuwei-sen, greift sie in das Recht des Anwalts, die Öffentlichkeit inder von ihm gewünschten Weise werbend über die von ihm

ausgeübte Tätigkeit zu unterrichten, und damit in die durchArt. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit ein.Denn zu der Freiheit der Berufsausübung gehört nicht nur dieberufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mitder Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sieumfasst daher auch die Außendarstellung von selbstständigBerufstätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruch-nahme ihrer Dienste (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; 94, 372, 389;BVerfG, WRP 2000, 720, 721 = NJW 2000, 3195).

Als Berufsausübungsregelung ist sie deshalb nur dann mitArt. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch ausreichendeGründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im Übrigendem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE106, 216, 219, Senatsbeschl. v. 18.2.2005 – AnwZ [B] 3/03; v.16.10.2000 – AnwZ [B] 65/99 = NJW 2001, 1138, 1139 =BRAK-Mitt. 2001, 41 f.).

Die Einschränkung der Werbefreiheit durch die Regelung des§ 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist durch Gründe des Gemeinwohlsgerechtfertigt, hierfür geeignet und auch erforderlich.

Mit der Beschränkung auf zweiFachgebiete soll nach den Geset-zesmaterialien bei dem geforder-ten hohen Niveau der Kenntnisseeines Fachanwalts die Glaub-würdigkeit eines solchen Fachhinweises gewahrt werden(Bericht der Abgeordneten Eylmann, Kleinert (Hannover) undWiefelspütz, BT-Drucks. 11/8307, 16, 19). Dass damit geradeder Anwalt betroffen ist, der die für den Erwerb einer weiterenFachanwaltsbezeichnung geforderten formalen Kriterien erfülltund die auf dem weiteren Fachgebiet vorausgesetzten Kennt-nisse nachgewiesen hat, bedarf allerdings näherer Begründung:

Da die Fachanwaltsbezeichnung die besondere Qualifikationdes RA für das Fachgebiet ausweisen soll, kann dies von demrechtsuchenden Publikum nur dahin verstanden werden, dassder Fachanwalt über einen vertieften Wissensstand auf seinemFachgebiet nicht nur zum Zeitpunkt des Erwerbs der Fachan-waltsbezeichnung, sondern auch bei seiner späteren Tätigkeitverfügt. Dem entsprechen die Regelungen des § 43c Abs. 4Satz 2 BRAO und des § 15 FAO, nach denen der Fachanwaltzur Fortbildung verpflichtet ist und ein Verstoß gegen die Fort-bildungspflicht zum Widerruf der Fachanwaltsbezeichnungführen kann.

Die erforderliche Qualitätssiche-rung kann aber nicht alleindurch die in § 15 FAO vorgese-hene 10-stündige Fortbildungs-veranstaltung im Jahr (bzw. eine

wissenschaftliche Publikation) erreicht werden. Sie setzt viel-mehr eine verstärkte Tätigkeit auf dem Fachgebiet und dendamit verbundenen Erfahrungsgewinn voraus. Es kann deshalbnicht darauf ankommen, dass ein RA die formalen Vorausset-zungen für den Erwerb von auch mehr als zwei Fachgebietenerfüllt, entscheidend ist vielmehr eine dauerhafte intensiveBefassung mit den Spezialgebieten auch nach der Verleihungder Fachanwaltsbezeichnung. Eine solche intensive Betätigungerscheint aber angesichts des Umfangs und der Komplexitätdes modernen Rechts nur im begrenzten Umfang möglich.Letztlich folgt schon aus der Natur der Spezialisierung, dass sienur für einige Tätigkeitsfelder zu leisten ist, die zudem bei denjeweiligen Fachanwaltschaften weit bemessen sind. Mit derBeschränkung der Fachanwaltsbezeichnung auf zwei Fachge-biete wird bezweckt, dass der RA auf diesen Gebieten vertiefttätig wird und damit die Qualitätsvorstellungen der Öffentlich-keit erfüllt.

Besonderes Qualifi-kationsmerkmal

Wahrung der Glaub-würdigkeit einesFachhinweises

10-stündige jährliche Fortbildung nicht

ausreichend

190 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Die Regelung dient daher derwahrheitsgemäßen Informationder Rechtsuchenden, dem Vertrau-ensverhältnis zwischen Anwaltund Mandant und damit der Funk-tionsfähigkeit der Rechtspflege (Henssler/Prütting-Henssler,a.a.O., § 43c Rdnr. 14; Jährig, Fachanwaltschaften, S. 71; vgl.auch Senatsbeschl. v. 16.10.2000 – AnwZ [B] 65/99 = BRAK-Mitt. 2001, 41 und v. 26.5.1997 – AnwZ [B] 67/96 = NJW1997, 2522, jeweils zu Tätigkeitsschwerpunkten). Auch imSchrifttum wird die Regelung im Gegensatz zu der zahlenmä-ßigen Festlegung der Tätigkeitsschwerpunkte nach § 7 Abs. 1BORA nicht angegriffen oder problematisiert (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., Rdnr. 32; Henssler/Prütting-Henssler,a.a.O., Rdnr. 14; Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 9. Aufl., § 43cRdnr. 13; Hartung/Holl-Holl, a.a.O., BRAO, § 43c Rdnr. 12;Jährig, a.a.O., S. 70 f. jeweils zu § 43c). Die Bedenken, diegegen die Verfassungsmäßigkeit der zahlenmäßigen Begren-zung der Tätigkeitsschwerpunkte in § 7 Abs. 1 Satz 2 BORAteilweise erhoben worden sind (Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl.,Anh. I 1, Rdnr. 3, 4; Hartung/Holl-Römermann, a.a.O.,BerufsO, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 45 f.; dagegen für Verfassungsmä-ßigkeit von § 7 BORA Henssler/Prütting-Eylmann, a.a.O., § 7BORA Rdnr. 2; Feuerich/Weyland, a.a.O., § 7 BORA Rdnr. 4),sind für die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkungnach § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO schon deshalb nicht erheblich,weil die Fallgestaltungen nicht vergleichbar sind. Die Voraus-setzungen für die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten nach§ 7 BORA beruhen wesentlich auf einer Selbsteinschätzung derAnwälte, während die Qualifikation als Fachanwalt in einemformalisierten Verfahren überprüft wird. Im Übrigen haben bis-her weder der Senat noch das BVerfG die Begrenzung derTätigkeitsschwerpunkte beanstandet (vgl. BVerfG, Beschl. v.6.7.2001 – 1 BvR 1063/00 = BRAK-Mitt. 2001, 225; Beschl. v.25.4.2001 – 1 BvR 494/00 = AnwBl. 2001, 510; BGH, Beschl.v. 26.5.1997 – AnwZ [B] 67/96, NJW 1997, 2522, 2523 nochzur Rechtslage vor Erlass der BORA).

Die gesetzliche Beschränkung zur Führung von Fachanwaltsbe-zeichnungen auf zwei Fachgebiete ist auch zur Erreichung desverfolgten Zwecks geeignet. Unerheblich ist, dass andere Mitteldenkbar wären, mit denen eine Qualitätssicherung erreichtwerden könnte, insofern hat der Gesetzgeber Gestaltungsfrei-heit. Es reicht aus, dass sich die vom Gesetzgeber gewählteMöglichkeit als geeignet zur Erreichung des gesetzgeberischenZiels darstellt (Dreier, GG, 2. Aufl., Art. 12 Rdnr. 118).

Die Bestimmung des § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO ist auch imÜbrigen verhältnismäßig. Betroffen ist nur die Außendarstel-lung des RA. Der RA, der über Fachkenntnisse auf weiterenGebieten verfügt, ist nicht gehindert, auch auf diesen Gebietentätig zu werden. Ihm ist auch nicht verwehrt, auf andere Weiseim Rahmen der gesetzlichen Vorgaben für eine solche Tätigkeitzu werben.

Versagung der Zulassung wegen Vermögensverfalls

BRAO § 7 Nr. 91. Die Bestimmung des § 7 Nr. 9 BRAO über die Versagung derZulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfallsknüpft an eine abstrakte Gefährdung der Rechtspflege an(BVerfGE 108, 150, 164) und stellt anders als der Widerrufsgrunddes § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht darauf ab, ob eine Gefährdungder Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfallaufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen ist.

*2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung unter-schiedlicher Voraussetzungen für die Versagung und den Wider-ruf der Zulassung bei eingetretenem Vermögensverfall bestehen

nicht. Der Zwang zur Aufgabe eines frei und zulässig gewähltenBerufs wirkt ungleich stärker als das Hindernis, in einen Berufeinzutreten.

BGH, Beschl. v. 7.3.2005 – AnwZ (B) 7/04

Volltext unter www.brak.de

Zur Verfassungsgemäßheit der Vorschriften über die Zulas-sung als Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof

BRAO § 164, § 165, § 166, § 167, § 168, § 169, § 170; GGArt. 3, Art. 12

1. Die Bestimmungen in §§ 164 ff. BRAO über die besonderenVoraussetzungen für die Zulassung als RA bei dem BGH sind nichtverfassungswidrig.

*2. Gründe des Gemeinwohls, die eine Einschränkung der anwalt-lichen Berufsausübungsfreiheit hinsichtlich der Tätigkeit als RAbei dem BGH rechtfertigen, liegen vor. Die Besonderheiten deszivilrechtlichen Revisionsrechts stellen hohe Anforderungen anden bei dem BGH tätigen RA. Sie rechtfertigen es, nur solcheBewerber zuzulassen, die für diese Tätigkeit besonders qualifi-ziert sind.

*3. Das auf insgesamt drei Stufen dem Prinzip der Bestenausleseverpflichtete Auswahlverfahren nach den §§ 164 ff. BRAO istgeeignet und erforderlich, um das legitime Gemeinwohlinteressean einer Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfähige undin Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu verfol-gen. Sachgerechte Verfahrensalternativen für die Auswahl der ambesten qualifizierten Bewerber sind zwar vorstellbar, begründenaber nicht die Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Regelung.

*4. Ohne eine Bedarfsregelung i.S.d. § 168 Abs. 2 BRAO wäre dasInstitut einer besonderen Rechtsanwaltschaft, die ausschließlichbei dem BGH zugelassen ist und im Wesentlichen auch nur vordiesem Gericht auftreten kann, nicht aufrecht zu erhalten. Dievom BVerfG als verfassungsgemäß angesehene Einheit von berufs-rechtlicher Lokalisation, eingeschränkter Postulationsfähigkeitund Kanzleisitz der RAe bei dem BGH setzt die fortbestehendeZulässigkeit der Bedarfsprüfung voraus.

*5. Die Änderung des Revisionsrechts hat nicht zu einer derarti-gen Veränderung der Geschäftsbelastung der Zivilsenate des BGHgeführt, dass im Hinblick auf das Interesse der Rechtspflege eineÖffnung der Tätigkeit der RAe bei dem BGH für eine unbegrenzteAnzahl von RAen vertretbar oder gar geboten wäre.

BGH, Beschl. v. 18.2.2005 – AnwZ (B) 3/03

Aus den Gründen:

A. Der Ast. ist als RA beim LG K. und seit dem 1.7.2002 auchals RA beim OLG D. zugelassen. Seinen ursprünglich gestelltenAntrag auf Simultanzulassung als RA bei dem BGH lehnte derAg. ab. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung hat der Senat mit Beschl. v. 14.7.2003 (AnwZ 1/02,nicht veröffentlicht) zurückgewiesen, nachdem das BVerfG mitBeschl. v. 31.10.2002 (BVerfGE 106, 216) die Verfassungsbe-schwerde gegen den – in einem Parallelverfahren ergangenen –Beschl. des BGH v. 4.3.2002 (BGHZ 150, 70) nicht zur Ent-scheidung angenommen hatte.

Mit Schreiben v. 2.9.2003 beantragte der Ast. sodann, unterAufgabe seiner bisherigen Zulassung beim OLG D. außerhalbdes Verfahrens nach §§ 164 ff. BRAO als RA bei dem BGHzugelassen zu werden. Der Ag. lehnte auch diesen Antrag mitBescheid v. 4.11.2003 ab. Dagegen richtet sich der Antrag aufgerichtliche Entscheidung. Die Beteiligten haben auf mündli-che Verhandlung verzichtet.

B. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem der Ast.sein Begehren auf Singularzulassung als RA bei dem BGH wei-

Qualitätsvor-stellungen des

Rechtsuchenden

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 191

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

terverfolgt, ist zulässig (§§ 162, 163, 170, 21 Abs. 2, §§ 37, 39BRAO). Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I. Der Ast. erfüllt nicht die förmlichen Voraussetzungen, vondenen nach §§ 164 ff. BRAO die Zulassung als RA bei demBGH abhängig ist. Nach § 170 Abs. 1 i.V.m. § 164 BRAO kanndas BMJ nur solche Bewerber als RAe bei dem BGH zulassen,die ihm durch den Wahlausschuss für RAe bei dem BGHbenannt worden sind. Eine solche Benennung des Ast. durchden Wahlausschuss ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. DerAst. begehrt, außerhalb des Wahlverfahrens nach §§ 164 ff.BRAO als RA bei dem BGH zugelassen zu werden.

Das BMJ kann Bewerber nicht unabhängig von deren Benen-nung durch den Wahlausschuss als RA bei dem BGH zulassen.Soweit § 170 BRAO dem BMJ bei der Entscheidung über dieZulassung ein Ermessen bzw. Prüfungsrecht einräumt, beziehtsich dieses nur auf die fachliche und persönliche Eignung deszu ernennenden Bewerbers aus dem Kreis der vom Wahlaus-schuss benannten Bewerber (vgl. Feuerich/Weyland, BRAO,6. Aufl., § 170 Rdnr. 5). Dem BMJ wird damit nicht die Befug-nis eingeräumt, Bewerber außerhalb des Wahlverfahrens nach§§ 164 ff. BRAO zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH zuzulas-sen.

II. Der Ast. meint, ihm sei außerhalb des in §§ 164 ff. BRAOvorgesehenen Verfahrens die Singularzulassung als RA bei demBGH zu erteilen, weil das in den §§ 164 bis 170 BRAO gere-gelte Verfahren, das die Aufnahme des Bewerbers in Vor-schlagslisten, dessen Wahl durch den Wahlausschuss und dieabschließende Auswahl durch das BMJ vorsieht, mit Art. 12Abs. 1, Art. 3, Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar sei. Damit hatder Ast. keinen Erfolg. Die Bestimmungen in §§ 164 bis 170BRAO über das Auswahlverfahren für die Zulassung als RA beidem BGH sind nicht verfassungswidrig.

1. Durch § 170 Abs. 1 i.V.m. § 164 BRAO wird in die Berufs-freiheit des RA (Art. 12 Abs. 1 GG) eingegriffen. Als RA bei demBGH kann nur zugelassen werden, wer das in §§ 164 ff. BRAOvorgesehene Wahlverfahren durchlaufen hat. Diese Einschrän-kung der Berufsfreiheit des RA betrifft nicht die Berufswahl,sondern sie enthält nach der vom BVerfG gebilligten Rspr. desSenats nur eine Berufsausübungsregelung, mag sie auch Ele-mente enthalten, die einer Beschränkung der Berufswahl nahekommen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982, 1 BvR 278/75, nichtveröffentlicht, unter B I 1; BGH, Beschl. v. 14.5.1975 – AnwZ7/75; 10.5.1978 – AnwZ 11/78 und 23.6.1980 – AnwZ 2/80,jeweils nicht veröffentlicht; ferner BGH, Beschl. v. 28.2.1983 –AnwZ 37/82, BRAK-Mitt. 1983, 135, 136 unter II 2 b).

Das Verfahren nach §§ 164 ff. BRAO schränkt nicht die Freiheitein, den Beruf des RA zu wählen, sondern setzt lediglich derAusübung dieses Berufs mit Bezug auf einen speziellen Bereichder einem RA eröffneten Tätigkeiten Grenzen. Um eine Ein-schränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl handelt essich hierbei nicht, weil die Tätigkeit als RA bei dem BGH keineigenständiges Berufsbild begründet. Zwar trifft der RA, der alsbei dem BGH zugelassener RA tätig wird, eine grundlegendeund auf Dauer ausgerichtete Entscheidung, eine – in berufli-cher Hinsicht „Lebensentscheidung“ (vgl. BVerfGE 33, 125,161 zum Facharzt). Nach seiner Zulassung muss er seine bishe-rigen Mandate aufgeben. Er ist darauf angewiesen, neue Man-danten zu gewinnen, die ihn mit der Vertretung in Revisionenoder Beschwerden in Zivilsachen betrauen, und muss aucheine bisherige Sozietät aufgeben (§ 172a BRAO). Zudem istseine Postulationsfähigkeit auf das Auftreten vor dem BGH, denanderen obersten Gerichtshöfen des Bundes, dem gemeinsa-men Senat der obersten Gerichtshöfe und dem BVerfGbeschränkt (§ 172 BRAO). Auch benötigt der als RA bei dem

BGH zugelassene Anwalt spezielles Fachwissen für das Revisi-ons- und Beschwerdeverfahren.

Diese Besonderheiten der Tätigkeit als RA bei dem BGH recht-fertigen es aber nicht, die Entscheidung, sich dieser Tätigkeit zuwidmen, einer Berufswahl gleichzusetzen und die in §§ 164 ff.BRAO geregelten Zulassungsvoraussetzungen nach den Maß-stäben für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Einschrän-kungen der Berufswahlfreiheit zu beurteilen. Da die Zulas-sungsbeschränkungen für die Vertretung in zivilrechtlichenRevisions- und Beschwerdeverfahren nur einen Teil der anwalt-lichen Berufsausübung betreffen und da dieser Teil infolge Ein-schränkung des Revisionszugangs – vor der Reform des Revisi-onsrechts: § 554 b ZPO a.F.; seit Einführung der Zulassungsre-vision: §§ 543, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 und 9 EGZPO – seinerseitsbegrenzt ist, können die Zulassungsbeschränkungen nach§§ 164 ff. BRAO, wie das BVerfG ausgeführt hat, nicht den glei-chen strengen Anforderungen unterliegen wie in den Fällen, indenen qualifizierten Bewerbern der Zugang zu einem Berufaufgrund von Bedürfnisprüfungen schlechthin versperrt wird(Beschl. v. 24.3.1982, a.a.O. unter B I 1).

Auch nach den Gesetzesmateria-lien liegt den Zulassungsbe-schränkungen in §§ 164 ff.BRAO kein eigenständigesBerufsbild des RA bei dem BGH

zugrunde. Die Zulassung als RA bei dem BGH ist nicht als ori-ginäre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ausgestaltet, sondernals bloßer Zulassungswechsel innerhalb der – als Einheit ver-standenen – Rechtsanwaltschaft (BT-Drucks. 3/120, 110 zu§ 178). Die besondere Stellung der Rechtsanwaltschaft bei demBGH ist (nur) durch ihren Wirkungskreis bedingt; diese bleibtaber „ein Teil der gesamten Anwaltschaft“ (BT-Drucks. 3/120,110 zu § 176).

2. Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sindnur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie – unterBeachtung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit – durch hinrei-chende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (BVerfGE106, 216, 219 im Anschluss an BVerfGE 93, 362, 369 undBVerfGE 103, 1, 10). Diesen Anforderungen genügt das in§§ 164 ff. BRAO geregelte Auswahlverfahren für die Zulassungzur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH. Es gibt jedem Bewerbereine faire Chance, entsprechend seiner Eignung berücksichtigtzu werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.8.2004, 1 BvR 135/00,noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 27).

a) Gründe des Gemeinwohls, die eine Einschränkung deranwaltlichen Berufsausübungsfreiheit hinsichtlich der Tätigkeitals RA bei dem BGH rechtfertigen, liegen vor. Hierzu hat dasBVerfG in seiner Entscheidung vom 24.3.1982 ausgeführt, dassangesichts der für die anwaltliche Berufsausübung verbleiben-den vielfältigen Möglichkeiten weder RAe unverhältnismäßigbeeinträchtigt werden, noch im Übrigen die durch Art. 12Abs. 1 GG gezogenen Grenzen der gesetzgeberischen Rege-lungsbefugnis überschritten werden, wenn der Gesetzgeber füreinen speziellen Teil der anwaltlichen Tätigkeit aus schwerwie-genden Gemeinschaftsbelangen (Sicherung der Leistungs- undFunktionsfähigkeit der Rechtsanwaltschaft beim BGH als eineswichtigen Organs der Rechtspflege) Berufsausübungsbeschrän-kungen als unerlässlich betrachtet (a.a.O. unter B I 1).

Diese Erwägungen haben weiterhin Gültigkeit.

Die Besonderheiten des zivil-rechtlichen Revisionsrechts stel-len hohe Anforderungen an denbei dem BGH tätigen RA. Sierechtfertigen es, nur solcheBewerber als RA bei dem BGH zuzulassen, die für diese Tätig-

Kein eigenständigesBerufsbild des RA

bei dem BGH

Hohe Anforderungendes zivilrechtlichen

Revisionsrechts

192 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

keit besonders qualifiziert sind (Senatsbeschl. v. 28.2.1983,a.a.O. S. 136 unter II 2 b aa). Auch in seiner Entscheidung zurVerfassungsmäßigkeit des Gebots der Singularzulassung derRAe bei dem BGH (§ 171 BRAO) hat das BVerfG das überkom-mene Gemeinwohlinteresse an einer Stärkung der Rechtspflegedurch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besondersqualifizierte Anwaltschaft als legitim anerkannt (BVerfGE 106,216, 220).

b) Die gesetzliche Ausgestaltung des Auswahlverfahrens genügtden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Mit den Bestim-mungen in §§ 164 ff. BRAO wird nicht nur das Gemeinwohlin-teresse an der Gewinnung besonders qualifizierter Bewerberfür die Tätigkeit als RA bei dem BGH gewahrt, sondern auchder Anspruch der Bewerber auf chancengleichen Zugang zudieser Tätigkeit.

aa) Die BRAO schreibt für die Zulassung als RA bei dem BGHein dreistufiges Verfahren vor.

Die Entscheidung darüber, welche Bewerber dem Wahlaus-schuss vorgeschlagen werden, obliegt den RAKn (§ 166 Abs. 2BRAO) nach Maßgabe der in § 166 Abs. 3 BRAO geregeltenZulassungsvoraussetzungen und der persönlichen und fach-lichen Eignung der Bewerber (BT-Drucks. 3/120, 110 f. zu § 180a.E.; BGH, Beschl. v. 28.2.1983, a.a.O. S. 136 unter II 2 b aa).Das Vorschlagsrecht der BRAK auf der Grundlage der Vor-schläge der RAKn gewährleistet eine flächendeckende Einbezie-hung aller geeigneten Bewerber und bietet Bewerbern aus allenRAKn die Chance, an der Wahl teilzunehmen. Die Vorständeder RAKn beurteilen die Eignung eines Bewerbers aufgrundihrer Erfahrungen hinsichtlich dessen bisheriger anwaltlicherTätigkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.1983, a.a.O.). Die BRAKvergleicht darüber hinaus die Bewerber aus den verschiedenenRAK-Bezirken miteinander. Die RAK bei dem BGH schließlichbringt die besondere Sachkunde der bei dem BGH bereits zuge-lassenen RAe ein, ohne dass deren Interessen bei dem Vor-schlagsrecht oder im Wahlausschuss ein Übergewicht erlangenkönnen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982, a.a.O. unter B II 1).

Die anschließende Entscheidung darüber, welche Bewerberdem BMJ benannt werden, fällt in einer Wahl, der ebenfallseine Prüfung der persönlichen und fachlichen Eignung desBewerbers zugrunde liegt (§ 167 Abs. 1 BRAO). Im Wahlaus-schuss (§ 165 Abs. 1 BRAO) wirken außer den wahlberechtig-ten RAen der Präsident und die Vorsitzenden Richter der Zivil-senate des BGH mit, die insbesondere die aus der richterlichenSicht zu stellenden Anforderungen an einen zivilrechtlichenRevisionsanwalt zur Geltung bringen.

Auch die abschließende Entscheidung des BMJ darüber, wel-che Bewerber aus dem Kreis der vom Wahlausschuss benann-ten zur Rechtsanwaltschaft bei dem BGH zugelassen werden,ist kein Formalakt, sondern beruht nochmals auf einer selbst-ständigen Prüfung, welche der vom Wahlausschuss benanntenBewerber für die Zulassung als RA bei dem BGH am bestengeeignet sind (Feuerich/Weyland, a.a.O., § 170 Rdnr. 5).

Dieses – auf allen drei Stufendem Prinzip der Bestenausleseverpflichtete – Auswahlverfah-ren nach §§ 164 ff. BRAO ist

geeignet und erforderlich, um das legitime Gemeinwohlinter-esse an einer Stärkung der Rechtspflege durch eine leistungsfä-hige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwalt-schaft zu verfolgen. Sachgerechte Verfahrensalternativen für dieAuswahl der am besten qualifizierten Bewerber sind zwar vor-stellbar, begründen aber nicht die Verfassungswidrigkeit dergegenwärtigen Regelung.

bb) Es begegnet insbesondere keinen verfassungsrechtlichenBedenken, dass der Entscheidung des BMJ über die Zulassung

als RA bei dem BGH eine Wahl vorausgeht. In einem demokra-tischen Rechtssystem kann nicht zweifelhaft sein, dass Personal-entscheidungen auf der Grundlage von Wahlen getroffen wer-den dürfen (BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982, a.a.O. unter B I 3).Das GG sieht für die Ernennung von Berufsrichtern und ehren-amtlichen Richtern ein Wahlverfahren ausdrücklich vor (vgl.Art. 94 Abs. 1, 95 Abs. 2, 98 Abs. 4 GG). Das Wahlverfahrennach der BRAO entspricht weitgehend dem Verfahren zurRichterwahl nach dem Richterwahlgesetz. Der Richterwahlaus-schuss hat als Vorbild für den Wahlausschuss für RAe bei demBGH gedient (BT-Drucks. 3/120, 110 zu § 178).

Die Vorschriften über die Zusammensetzung des Wahlaus-schusses und über dessen Verfahren in §§ 165 ff. BRAO versto-ßen ebenfalls nicht gegen Grundrechte des Bewerbers. Hierzuhat das BVerfG in seiner Entscheidung v. 24.3.1982 ausgeführt,dass das in § 165 Abs. 1 BRAO vorgesehene Zusammenwirkenaller Kräfte, die ein berechtigtes Interesse an der Auswahlhaben, Sachverstand und Objektivität bei der Auswahl amehesten gewährleiste und auch hinlänglich geeignet erscheine,unterschiedliche Motivationen auszugleichen (a.a.O. unter B I3). Im Übrigen lasse die gesetzliche Regelung eine gerichtlicheÜberprüfung durch den Anwaltssenat des BGH zu, ob in einemkonkreten Wahlverfahren der Grundsatz der Wahl- und Chan-cengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt worden sei (a.a.O.).

Auch diese Erwägungen des BVerfG, denen die st. Rspr. desSenats zur – nach der Natur der Sache begrenzten – gericht-lichen Überprüfung der im Auswahlverfahren getroffenen Ent-scheidungen entspricht (Senatsbeschl. v. 28.2.1983, a.a.O.unter II 1 und 2 m.N.), sind weiterhin gültig. Entgegen der Auf-fassung des Ast. verstößt es nicht gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2GG, dass die Eignungsanforderungen für die Zulassung als RAbei dem BGH und die Kriterien für die Auswahl unter mehrerengeeigneten Bewerbern vom Gesetzgeber nicht im Einzelnengeregelt worden sind.

Eine gesetzliche Normierung derEignungskriterien ist erforderlich,wenn es um den Zugang zueinem Beruf geht (vgl. BVerfGE33, 125, 163 und 75, 295). DieBestimmungen über die Zulassung als RA bei dem BGH stellenjedoch, wie dargelegt, nur eine Berufsausübungsregelung dar(BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982, a.a.O. unter B I 1). Unter diesenUmständen reicht es aus, dass die gesetzlichen VorschriftenSachverstand und Objektivität im Auswahlverfahren durch dasZusammenwirken aller Kräfte, die ein berechtigtes Interesse ander Auswahl haben, gewährleisten (BVerfG, a.a.O. unter B I 3).

c) Auch die nicht auf die Eignung des Bewerbers, sondern aufden objektiven Bedarf abstellende Regelung in § 168 Abs. 2BRAO, nach welcher der Wahlausschuss aus den Vorschlagslis-ten die doppelte Anzahl von RAen benennt, die er für dieZulassung bei dem BGH für angemessen hält, ist nicht verfas-sungswidrig.

aa) Die Vorschrift des § 168Abs. 2 BRAO verstößt nichtgegen das verfassungsrechtlicheBestimmtheitsgebot (Art. 20Abs. 3 GG). Zwar hat der

Gesetzgeber dem mit der Bedarfsprüfung beauftragten Wahl-ausschuss in § 168 Abs. 2 BRAO keine Vorgaben zur Bestim-mung der Anzahl zuzulassender RAe bei dem BGH gemacht,sondern hierfür den unbestimmten Rechtsbegriff „angemessen“verwandt. Der Umstand, dass das Gesetz keine Kriterien für dieBemessung der Neuzulassungen vorsieht, wird aber dadurchausgeglichen, dass über die Anzahl der Neuzulassungen dersachkundig und gemischt zusammengesetzte Wahlausschuss

Prinzip der Bestenaus-lese erforderlich

Normierung der Eignungskriterien nicht notwendig

Bedarfsprüfung unter-liegt gerichtlicher

Kontrolle

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 193

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

(§ 165 Abs. 1 BRAO) entscheidet, dessen Zusammensetzungsicherstellt, dass partikulare Motivationen und Interessen nichtzu Lasten der Objektivität der Auswahlentscheidung gehen(BVerfG, Beschl. v. 24.3.1982, a.a.O. unter B I 1).

bb) Ob die konkreten Entscheidungen des Wahlausschussesüber die jeweils erforderlichen Neuzulassungen zu BedenkenAnlass geben könnten, unterliegt gerichtlicher Kontrolle (vgl.BVerfG, a.a.O. unter B I 1), ist im vorliegenden Verfahren abernicht zu prüfen, weil der Ast. nur die gesetzliche Regelungselbst angreift, nicht aber eine bestimmte Wahl und die dieserWahl vorausgegangene Beschlussfassung über die Zahl derNeuzulassungen. Es geht hier nur um die grundsätzliche Frage,ob eine Beschränkung der Anzahl der bei dem BGH zugelasse-nen RAe, wie sie in § 168 Abs. 2 BRAO geregelt ist, in verfas-sungsrechtlicher Hinsicht überhaupt zulässig ist. Das BVerfGhat dies in seiner Entscheidung v. 24.3.1982 bejaht, indem esdie Regelung in § 168 Abs. 2 BRAO erörtert und gebilligt hat(a.a.O. unter B I 1). Die neuere Rspr. des BVerfG rechtfertigtkeine andere Beurteilung.

aaa) Die Bestimmung in § 168 Abs. 2 BRAO räumt dem Wahl-ausschuss einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmungder angemessenen Zahl der bei dem BGH zuzulassenden RAeein. Deren Anzahl hat sich – ebenso wie bei der Bedarfsprü-fung für die Bestellung eines Notars (§ 4 BNotO) – nach denErfordernissen einer geordneten Rechtspflege zu richten.Bezugspunkt für die Bemessung der Neuzulassungen ist dem-entsprechend der Geschäftsanfall bei den Zivilsenaten desBGH. Im Hinblick darauf hat der Wahlausschuss bei der ihmobliegenden Bedarfsprüfung das Bedürfnis nach einer ange-messenen Versorgung der Rechtsuchenden, die Wahrung einergeordneten Altersstruktur der Rechtsanwaltschaft bei dem BGHund das Vorhandensein ausreichender Betätigungsmöglichkei-ten für die bei dem BGH zugelassenen Anwälte zu berücksich-tigen (vgl. BMJ, Vorschläge zur Neuregelung des Rechts derRechtsanwaltschaft bei dem BGH, Bericht der Kommission,1998, S. 35). Diese Kriterien – auch das zuletzt genannte – sindweiterhin sachgerecht, um das Gemeinwohlinteresse an einerleistungsfähigen und in Revisionssachen besonders qualifizier-ten Anwaltschaft (BVerfGE 106, 216, 220) zu verfolgen undauch in Zukunft besonders qualifizierte Bewerber als RAe beidem BGH zu gewinnen (Kommissionsbericht, S. 33).

bbb) In seiner Entscheidung vom 31.10.2002 (BVerfGE 106,216) hat das BVerfG das Festhalten an einer eigenständigenRechtsanwaltschaft bei dem BGH erneut gebilligt. Es hat dasGebot der Singularzulassung der RAe bei dem BGH (§ 171BRAO) als weiterhin mit dem Verfassungsrecht, insbesondereArt. 12 Abs. 1 GG, vereinbar angesehen (a.a.O, 222 f.). Zwarfolgt daraus nicht ohne weiteres die Zulässigkeit einer zahlen-mäßigen Beschränkung der bei dem BGH zugelassenen RAe,wie sie § 168 Abs. 2 BRAO vorsieht. Beide Regelungen hängenaber insofern sachlich eng zusammen, als das Gebot der Singu-larzulassung eine zahlenmäßige Beschränkung der ausschließ-lich bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwaltschaft geradezufordert. Ohne eine Bedarfsregelung (§ 168 Abs. 2 BRAO) wäredas Institut einer besonderen Rechtsanwaltschaft, die aus-schließlich bei dem BGH zugelassen ist (§ 171 BRAO) und imWesentlichen auch nur vor diesem Gericht auftreten kann(§ 172 BRAO), nicht aufrechtzuerhalten. Die vom BVerfG alsverfassungsgemäß angesehene Einheit von berufsrechtlicherLokalisation (§§ 171, 18 BRAO), eingeschränkter Postulations-fähigkeit (§ 172 BRAO) und Kanzleisitz (§ 27 BRAO) der RAebei dem BGH (a.a.O., 223) setzt die fortbestehende Zulässig-keit der Bedarfsprüfung nach § 168 Abs. 2 BRAO voraus.

Der enge sachliche Zusammen-hang der Regelungen in § 168Abs. 2 BRAO einerseits und§§ 171, 172 (sowie § 172a)BRAO andererseits ergibt sichdaraus, dass dem RA bei dem BGH die – allein ihm obliegen-den – Beschränkungen seiner Berufsausübungsfreiheit in§§ 171 ff. BRAO im Interesse der Rechtspflege nur auferlegtwerden können, wenn dem im Wesentlichen auf die Bearbei-tung zivilrechtlicher Revisionsverfahren beschränkten RA beidem BGH ein ausreichendes Betätigungsfeld offen steht, dasihm auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine berufliche Existenzermöglicht. Gerade besonders gute und qualifizierte RAe sindfür eine ausschließliche Tätigkeit bei dem BGH, die von ihnendie Aufgabe ihrer bisherigen Sozietäten und ihrer bisherigenMandate verlangt, nur zu gewinnen, wenn ihnen bei dem BGHeine ausfüllende Beschäftigung mit ausreichendem wirtschaftli-chen Ertrag geboten wird (Kommissionsbericht, S. 33).

ccc) Die vom BVerfG (a.a.O., 222 f.) aufgeworfene Frage nachden Auswirkungen der Reform des Zivilprozesses, insbeson-dere der Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gem.§ 544 ZPO n.F. auf das Revisionsverfahren, ist gegenwärtigdahin zu beantworten, dass das Gebot der Singularzulassungnach § 171 BRAO – und damit auch die Bedarfsprüfung nach§ 168 Abs. 2 BRAO – weiterhin sachlich gerechtfertigt sind.

Die Änderung des Revisions-rechts hat nicht zu einer derarti-gen Veränderung der Geschäfts-belastung der Zivilsenate desBGH geführt, dass im Hinblick

auf das Interesse der Rechtspflege eine Öffnung der Tätigkeitder RAe bei dem BGH für eine unbegrenzte Anzahl von RAenvertretbar oder gar geboten erscheinen ließe. Hinzu kommt,dass selbst eine Steigerung der Rechtsmitteleingänge bei demBGH aufgrund der mit der Reform des Zivilprozesses neu ein-geführten Rechtsmittel – Nichtzulassungsbeschwerde undRechtsbeschwerde – nicht ohne weiteres zu einer Steigerungdes wirtschaftlichen Ertrags der RAe bei dem BGH führenwürde. Denn aufgrund der streitwertunabhängigen Statthaftig-keit von zugelassenen Revisionen sowie von Rechtsbeschwer-den und – vorbehaltlich einer Gesetzesänderung – ab 1.1.2007(§ 26 Nr. 8 EGZPO) auch von Nichtzulassungsbeschwerdensowie aufgrund des Umstands, dass Revisionen – anders alsnach früherem Recht – sowie Nichtzulassungsbeschwerdenund Rechtsbeschwerden auch gegen Rechtsmittelentscheidun-gen des LG mit vergleichsweise niedrigem Streitwert statthaftsind, zeichnet sich jetzt bereits ab, dass sich die wirtschaftlicheSituation der bei dem BGH zugelassenen RAe durch dieReform des Zivilprozessrechts jedenfalls nicht verbessert hatund deshalb – im Interesse der Rechtspflege an einer leistungs-fähigen und in Revisionssachen besonders qualifiziertenAnwaltschaft (BVerfGE 106, 216, 220) – ein Wegfall derBeschränkung des Zugangs zur Rechtsanwaltschaft bei demBGH nicht sachgerecht wäre.

Zulassung – Widerruf wegen Vermögensverfalls

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7*1. Die Aufgabe der eigenen Kanzlei und die Aufnahme einerTätigkeit als angestellter RA ist auch im Hinblick auf die Entschei-dung des BGH v. 18.10.2004 (BRAK-Mitt. 2005, 86) nicht geeig-net, eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden infolgeeines Vermögensverfalls auszuschließen, wenn sich ein RA erstunter dem Druck eines Widerrufsverfahrens dazu entschließt,

Singularzulassung im Interesse der Rechtspflege

Neues Revisionsrecht rechtfertigt keine

Änderung

Anwaltsgerichtshöfe

194 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

einen Anstellungsvertrag – unter dem Vorbehalt der „Wiederher-stellung seiner anwaltlichen Zulassung“ – abzuschließen.

*2. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden,ob ein RA seinen Beruf bisher frei von Beanstandungen ausge-führt hat.

Schleswig-Holsteinischer AGH, Beschl. v. 2.5.2005 – 2 AGH 12/04(n.r.)

Volltext unter www.brak.de

Pflicht des Sozius zur Übernahme der Mandate eines ver-storbenen Kollegen

BRAO § 55 *1. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bestellung einesAbwicklers ist es zwar grundsätzlich unerheblich, ob der verstor-bene RA alleine praktiziert hat oder im Rahmen einer Sozietättätig war. Allerdings kommt diesem Umstand eine maßgeblicheBedeutung bei der Ausübung des Ermessens zu. Bei der Kanzleieines Einzelanwalts dürfte die Notwendigkeit der Bestellung einesAbwicklers die Regel, bei einem Mitglied einer Sozietät die Aus-nahme sein, da im letzteren Fall die Mandate durch die anderenSozietätsmitglieder betreut werden können.

*2. Es kommt nicht darauf an, ob ein Sozius persönlich in der Lageist, die nun für ihn zusätzlich anfallende Arbeit alleine zu bewälti-gen. Soweit dadurch eine persönliche Überlastung der anderenSozietätsmitglieder eintritt, können sie durch Einstellung zusätzli-cher RAe Abhilfe schaffen.

*3. Die zwischen einem Sozius und den Erben des verstorbenenRA bestehenden Auseinandersetzungsprobleme werden auchdurch die Bestellung eines Abwicklers nicht zwangsläufig gelöst.Die alleinige Bestellung zu diesem Zweck entspricht jedenfallsnicht den gesetzlichen Intentionen.

Bayerischer AGH, Beschl. v. 28.4.2005 – BayAGH I – 4/05 (n.r.)

Aus den Gründen:

I. 1. Der Ast. betrieb zusammen mit dem am 12.1.2005 verstor-benen RA ... eine RA-Kanzlei in der Rechtsform einer GbR. Einschriftlicher Gesellschaftsvertrag wurde nicht vereinbart, insbe-sondere eine Regelung der Rechtsnachfolge ist nicht erfolgt.

Die Erbin des Verstorbenen ist nicht als RAin zugelassen, eineLiquidation der GbR ist noch nicht erfolgt. Im Rahmen eineszwischen der Erbin des Verstorbenen und dem Ast. vor dem LG... durchgeführten einstweiligen Verfügungsverfahrens (...)einigten sich die Parteien mit Prozessvergleich v. 10.2.2005u.a. darauf, dass zur Abwicklung der Sozietät ein Abwicklergem. § 55 BRAO durch die Landesjustizverwaltung bestelltwerden soll.

2. Die Agin. hat mit Schreiben v. 21.2.2005 die Bestellungeines Abwicklers abgelehnt und hat dies damit begründet, dassweder die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen, nocheine Notwendigkeit hierfür bestehe. Die Agin. hat zugleich dieDurchführung einer Vermittlung nach § 73 Abs. 2 Ziff. 3 BRAOoder eines Schlichtungsverfahrens nach der Schiedsgutachten-und Schlichtungsordnung der RAK ... angeboten.

3. Gegen diese ablehnende Entscheidung der RAK wendet sichder Ast. mit seinem Schriftsatz v. 23.2.2005 und begehrt wei-terhin die Bestellung eines Abwicklers sowie den Erlass einereinstweiligen Anordnung dahingehend, dass für die Dauer vonvorläufig zwei Monaten ein Abwickler bestellt wird. ZurBegründung führt er im Wesentlichen an, er sei zu einerAbwicklung im Wege der Notgeschäftsführung nicht in derLage, ohne dass Mandate in Mitleidenschaft gezogen werden,zumal die Erbin des Verstorbenen auch bereits Konten derBGB-Gesellschaft gesperrt habe und der Ast. wegen der Über-lastung bereits ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.

4. Die Agin widersetzt sich der begehrten Bestellung einesAbwicklers. Sie ist der Ansicht, der Ast. könne als Notgeschäfts-führer der BGB-Gesellschaft in Liquidation alle Mandate bear-beiten, einer etwaigen Überlastung könne durch die Einstel-lung weiterer Anwälte begegnet werden.

5. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf dieSchriftsätze des Ast. v. 23.2.2005 und v. 7.3.2005 sowie denSchriftsatz der Agin. v. 21.4.2005 Bezug genommen.

II. 1. Der Erlass einstweiliger Anordnungen ist gem. §§ 223, 40Abs. 3 BRAO, 24 Abs. 3 FGG grundsätzlich zulässig.

Allerdings ist fraglich, ob dies mit dem hier zur Entscheidunganstehenden Inhalt geschehen kann, da das Gericht grundsätz-lich nur Anordnungen hinsichtlich der bereits eingetretenenWirkungen erlassen, nicht aber erst auf diesem Wege Verfü-gungen erst Wirksamkeit verschaffen kann (vgl. Feuerich/Wey-land, BRAO, § 40 Rdnr. 61). Eine nur vorläufige Bestellungeines Abwicklers ist mit dem Amt des Abwicklers schwerlichvereinbar, zumal auch das Gesetz selbst keinen nur vorläufigenAbwickler kennt. Schließlich würde die Anordnung der Bestel-lung (zumindest teilweise) zu einer Vorwegnahme der Haupt-sache führen. Darauf kommt es aber letztlich nicht mehr an,nachdem schon der Anordnungsanspruch aus den nachfolgen-den Gründen nicht besteht.

2. Der Ast. ist durch die Entscheidung der Agin., keinenAbwickler gem. § 55 BRAO zu bestellen, nicht in seinen Rech-ten beeinträchtigt (§ 223 Abs. 1 BRAO), da sich die Entschei-dung nicht als rechtswidrig erweist.

Die Bestellung eines Abwicklersist gem. § 55 Abs. 1 BRAO fürden Fall des Todes eines RA vor-gesehen, wobei der zuständigen

RAK (§ 224a BRAO) ein pflichtgemäßes Ermessen („kann“) ein-geräumt ist (Feuerich/Weyland, BRAO, § 55 Rdnr. 5). Die Maß-nahme hat Fürsorgecharakter und dient in erster Linie den Inte-ressen der Rechtsuchenden und dem Interesse an der Sicher-heit des Rechtsverkehrs. Die Mandanten des verstorbenen RAhaben ein berechtigtes Interesse daran, dass ihre Rechtsstreitig-keiten möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten abgewickeltwerden, gleichzeitig wird aber auch den Erben des Verstorbe-nen die Möglichkeit eröffnet, die Praxis zu verwerten (Feuerich/Weyland, BRAO, § 55 Rdnr. 2).

Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bestellung einesAbwicklers ist es zwar grundsätzlich unerheblich, ob der ver-storbene RA alleine praktiziert hat oder im Rahmen einer Sozi-etät oder Bürogemeinschaft. Allerdings kommt diesemUmstand eine maßgebliche Bedeutung bei der Ausübung desErmessens zu. Bei der Kanzlei eines Einzelanwalts dürfte dieNotwendigkeit der Bestellung eines Abwicklers die Regel, beieinem Mitglied einer Sozietät eher die Ausnahme sein, da imletzteren Fall die Mandate durch die anderen Sozietätsmitglie-der betreut werden können. So liegt der Fall aber hier.

Der Ast. ist als Mitgesellschafter des Verstorbenen grundsätz-lich in der Lage, die bislang vom Verstorbenen betreuten Man-date nur selbst fortzuführen, zumal die Mandate – soweitersichtlich – auch alle der Sozietät erteilt waren. Insoweitkommt es auch nicht darauf an, ob der Ast. persönlich in derLage ist, die nun für ihn zusätzlich anfallende Arbeit allein zubewältigen.

Soweit – wie dies eher regelmä-ßig der Fall sein dürfte – dadurcheine persönliche Überlastung deranderen Sozietätsmitglieder ein-tritt, können sie durch Einstellung zusätzlicher RAe Abhilfeschaffen.

PflichtgemäßesErmessen der RAK

Persönliche Über-lastung unerheblich

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 195

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Es ergibt sich auch keine andere Beurteilung aus demUmstand, dass der Ast. alleiniger Mitgesellschafter des Verstor-benen war. Konsequenz dieser Tatsache ist lediglich, dass dieGesellschaft sich damit in Liquidation befindet (§ 727 BGB)und der Ast., dessen Geschäftsführungsbefugnis bis zur Beendi-gung fortbesteht (§§ 729, 720 BGB), die erforderlichen Maß-nahmen ergreifen und insbesondere auch zusätzliche RAe fürdie Bearbeitung der Mandate des Verstorbenen einstellen kann.Die zwischen dem Ast. und der Erbin des verstorbenen Mitge-sellschafters bestehenden Auseinandersetzungsprobleme wer-den durch die Bestellung eines Abwicklers nicht zwangsläufiggelöst. Die Bestellung zu diesem Zweck entspricht auch dengesetzlichen Intentionen.

Vor diesem Hintergrund ist die Ermessensentscheidung derAgin. rechtlich nicht zu beanstanden, so dass der Antrag aufgerichtliche Entscheidung – über den noch endgültig zu ent-scheiden sein wird, falls keine das Verfahren beendende Erklä-rung abgegeben wird – keine Aussicht auf Erfolg hat.

Somit erweist sich auch der Antrag auf Erlass einer einstweili-gen Anordnung als unbegründet.

Verstoß gegen das Verbot widerstreitender Interessen

BRAO § 43a Abs. 4; BORA § 3 Abs. 2*1. Die Entscheidung des BVerfG, mit dem es § 3 Abs. 2 BORA fürmit Art. 12 GG unvereinbar und nichtig erklärt hat (BRAK-Mitt.2003, 231), steht einer Sanktionierung von zwei in einer Kanzleiverbundenen RAen, die Mandanten in ihren gegenläufigen Inter-essen vertreten, auch dann nicht entgegen, wenn sich diese hier-mit ausdrücklich einverstanden erklärt haben.

*2. Zwar bezieht sich § 43a Abs. 4 BRAO nach seinem Wortlautnur auf den Einzelanwalt, der in derselben Sache Parteien mitgegenläufigen Interessen vertritt. Eine am Zweck dieser Regelungorientierte Auslegung ergibt allerdings, dass auch in einer Kanzleiverbundene RAe diesem Verbot unterliegen, wenn im konkretenEinzelfall ein Interessenkonflikt besteht.

*3. Es liegt auf der Hand, dass insbesondere wegen der wirtschaft-lichen Abhängigkeit schwerwiegende Interessenkonflikte auftre-ten können, wenn ein Kanzleiinhaber und ein bei diesem ange-stellter RA widerstreitende Mandate vertreten. Aber auch inSozietäten sind Interessenkonflikte möglich, weil die Gefahrbesteht, dass ein Mandat als das für die Kanzlei wertvollere ange-sehen wird oder durch Organisationsmaßnahmen nicht hinrei-chend dafür Sorge getragen werden kann, dass dem „gegneri-schen RA“ nicht versehentlich für ihn nicht bestimmte Informati-onen zufließen.

Bayerischer AGH, Beschl. v. 6.4.2005 – BayAGH I – 31/04

Aus den Gründen:

1. Die Astin. begehrt gerichtliche Entscheidung über die Einlei-tung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens durch die Staatsan-waltschaft bei dem OLG ... gegen die RAe ... und ...

Die Astin. hat auf Beschwerde des mittlerweile verstorbenenVorsitzenden Richters am OLG ... ein Beschwerdeverfahrengegen die beiden vorgenannten RAe eingeleitet. Diesem lagfolgender Vorwurf zu Grunde:

RA ... hatte in den vergangenen Jahren zunächst in einem Straf-verfahren Herrn ..., dem Untreue u.a. zu Lasten seines früherenVertragspartners gelegt wurde, vertreten. Er hatte dessen Vertre-tung auch bei einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage, dieder Geschädigte ... vertreten durch RA ..., gegen Herrn ...führte, inne. Herr ... wurde erstinstanzlich durch das LG ... zu

Schadensersatz in Höhe von 16.200,00 Euro verurteilt. Gegendieses Urteil legten beide Parteien Berufung zum OLG ... ein.

RA ... beendete im Folgenden seine Tätigkeit als RA wegenKrankheit.

Der Astin. liegen nach ihren Angaben aus verschiedenenBeschwerdeverfahren Kenntnisse darüber vor, dass Herr RA ...die Kanzlei von RA ... übernommen hat, zumindest aber einenwesentlichen Teil der Akten dieser Kanzlei und deren zuGrunde liegenden Mandate und Forderungen.

In dem Berufungsverfahren vor dem OLG ... zeigte sich alsneuer anwaltlicher Vertreter an Stelle von RA ... RA ... an. Die-ser ist nach Kenntnissen der Astin. in der Kanzlei des RA ...tätig, wird jedoch auf dem Kanzleibriefkopf nicht aufgeführt.

Im Berufungsverfahren vor dem OLG ... nahm RA ... für denKl., ..., die Klage zurück. Der Bekl., ..., gab im Gegenzug dieErklärung ab, für den Schaden aufzukommen, wenn dieser sichnicht anderweitig realisieren lasse. Der Kl. übernahm diewesentlichen Kosten des Verfahrens. Im Anschluss an den Ver-gleich legte RA ... sein Mandat nieder.

In dem auf Veranlassung des Vorsitzenden Richters am OLG ...unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 BORA eingeleiteten Beschwerde-verfahren beriefen sich die RAe ... und ... in erster Linie auf dieEntscheidung des BVerfG v. 3.7.2003, wonach § 3 Abs. 2BORA mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtigsei. Sie behaupteten ferner, die Verfahrensweise sei bereits vorAufnahme des Mandats ... durch RA ... mit RA ... abgesprochengewesen. Im Übrigen seien beide Mandanten ... und ... mit die-ser Verfahrensweise einverstanden gewesen.

Die Astin. hat ihre Akten der Agin. aufgrund Beschlusses ihresVorstandes v. 26.6.2003 mit Schreiben vom gleichen Tag vor-gelegt und die Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrensbeantragt. Die Agin. hat mit Verfügung v. 8.9.2004 die Einlei-tung eines standesrechtlichen Ermittlungsverfahrens abgelehnt,da ein schuldhaftes standeswidriges Verhalten nicht nachweis-bar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag auf gerichtlicheEntscheidung gem. § 122 Abs. 2 BRAO v. 11.10.2004, einge-gangen beim Bayerischen AGH am 12.10.2004.

Die Astin. ist der Meinung, dass die Agin. bei ihrer Entschei-dung sowohl die rechtlichen Gegebenheiten anwaltlichenBerufsrechts, insbesondere die rechtlichen Inhalte des § 43aBRAO, als auch die Rechtsfolgen des Urteils des BVerfG v.3.7.2003 – 1 BvR 238/01 – verkannt habe.

Die Agin. vertrete erkennbar die Auffassung, dass aufgrund desUrteils des BVerfG RAe, die sich zur Berufsausübung verbun-den haben, sich generell nicht mehr berufswidrig dadurch ver-hielten, dass sie zwei Verfahrensgegner eines einzigen (kontra-diktorischen) Verfahrens wechselseitig vertreten, wenn diesesich mit der Erklärung verteidigten, die Mandantschaft habediese Konstellation erkannt und sei damit einverstanden.

Diese Meinung sei unzutreffend. Das BVerfG habe zwar dieVorschrift des § 3 Abs. 2 BRAO für nichtig erklärt, zugleichjedoch klargestellt, dass weiterhin im Einzelfall zu prüfen sei,ob die Vertretung streitiger Mandate innerhalb einer Kanzleimit § 43a Abs. 4 BRAO vereinbar sei.

Der Entscheidung des BVerfG habe ein Fall zu Grunde gelegen,in dem es zu keiner tatsächlichen kollidierenden Interessenver-tretung gekommen sei. Die gleichzeitige Vertretung auch desGegners innerhalb einer Sozietät in derselben Rechtssachestelle einen viel stärkeren Eingriff in die Sicherheit und Funk-

196 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

tion der Rechtspflege dar. Bei dieser Konstellation bestehe diegreifbare Gefahr von Absprachen zu Lasten des Mandantensowie von Verschwiegenheitsverletzung, von Vertrauensbruchoder von Konflikten zwischen dem Anwalt als Arbeitgeber unddem anderen Anwalt als Arbeitnehmer zu Lasten eines der bei-den Mandanten.

Eine derartige Konstellation müsse daher stets zu einer konkre-ten Vertretung widerstreitender Interessen führen. Mit einer sol-chen könne sich der Mandant auch nicht einverstanden erklä-ren, da eine solche Beschädigung der Rechtspflege nicht zu sei-ner Disposition stehen könne.

Eine Vertretung widerstreitender Interessen sei im vorliegendenFall evident. Der in erster Instanz teilweise obsiegende Kl. habedurch einen Vergleich erkennbar grundlos und im Ergebnisohne Gegenleistung einen vorläufig vollstreckbaren Titel aufge-geben, obwohl seine Aussichten, diesen Titel auch in der Beru-fungsinstanz behalten zu können, überdeutlich gewesen seien.

Die Astin. beantragt daher, die Agin. zu verpflichten, unter Auf-hebung ihrer Verfügung v. 8.9.2004 – AZ: EV 35/04 – dasanwaltsgerichtliche Verfahren gegen die Beschwerdegegnereinzuleiten.

Die Agin. beantragt, den Antrag als unzulässig, vorsorglich alsunbegründet zu verwerfen.

Die Agin. hält den Antrag für unzulässig, weil er den inhaltli-chen Anforderungen des § 122 Abs. 2 Satz 1 BRAO nichtgerecht werde. Der Gang des Verfahrens, der Inhalt der ange-griffenen Verfügung und die Gründe für deren behaupteteUnrichtigkeit würden nicht geschildert. Die Bezugnahme aufbeizuziehende Akten genüge zur Darlegung des Gangs desErmittlungsverfahrens nicht.

Der Antrag enthalte ferner keine Angaben zum Datum desZugangs der Ablehnungsverfügung bei der Astin. Da auch ausanderen Angaben der Antragsschrift nicht auf diesen Zeitpunktgeschlossen werden könne, könne schon nicht festgestellt wer-den, ob die Astin. die Frist des § 122 Abs. 2 Satz 1 BRAO ein-gehalten habe.

Der Antrag sei im Übrigen aus den in der Verfügung v.8.9.2004 genannten Gründen auch unbegründet.

Die Astin. trägt ergänzend vor, dass nach ihrer Auffassung dieRspr. zu § 172 StPO auf § 122 BRAO nicht übertragen werdenkönne, da unterschiedliche Zwecke verfolgt würden. Sie habedie formellen Anforderungen des § 122 Abs. 2 Satz 2 BRAO inihrem Antrag erfüllt und eine aus sich heraus verständlicheSachdarstellung abgegeben.

Die Verfügung der Agin. sei bei ihr am 13.9.2004 eingegangen.

Beigezogen ist die Ermittlungsakte – EV 35/04 – der Agin.

Zum weiteren Sachvortrag wird auf die eingereichten Schrift-sätze Bezug genommen.

II. Der gem. § 122 Abs. 2 Satz 1 BRAO statthafte Antrag aufgerichtliche Entscheidung ist unzulässig.

Nach § 122 Abs. 2 Satz 2 BRAO muss der Antrag die Tatsa-chen, welche die Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfah-rens begründen sollen, und die Beweismittel angeben.

Zwar findet gem. § 122 Abs. 5 BRAO die Vorschrift des § 172StPO keine Anwendung, weil das Antragsrecht nur der RAK,nicht aber dem betroffenen Mandanten zustehen soll. Dieinhaltlichen Anforderungen des § 122 BRAO an den Antragdecken sich aber mit denen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO. Ent-sprechend dieser Vorschrift ist daher eine verständliche Schil-derung des Sachverhalts mit der Darstellung des Ermittlungs-

verfahrens in seinen Grundzügen und schlüssigen Ausführun-gen, warum die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu bean-standen ist, notwendig (Henssler/Prütting – Dittmann, BRAO,2. Aufl., § 122 Rdnr. 6; Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 122Rdnr. 2).

Durch die Formanforderungen an den Antrag soll das zur Ent-scheidung berufene Gericht in die Lage versetzt werden, ohneRückgriff auf die Ermittlungsakten und Eingaben eine Schlüssig-keitsprüfung vorzunehmen (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl.,§ 172 Rdnr. 27, m.w.N.). Der Zweck der Formvorschriften in§ 172 Abs. 3 StPO und in § 122 Abs. 2 BRAO, nämlich eineEntlastung der mit der Überprüfung befassten Gerichte, weichtentgegen der Auffassung der Astin. nicht voneinander ab (vgl.Henssler/Prütting – Dittmann, BRAO, 2. Aufl., § 122 Rdnr. 6).

Diesen Anforderungen wird der Antrag der Astin. v.11.10.2004 nicht gerecht.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 122 Abs. 2Satz 1 BRAO nur zulässig, wenn er innerhalb eines Monatsnach der Bekanntmachung der Entscheidung der Staatsanwalt-schaft beim AGH eingegangen ist. Um die Zulässigkeit desAntrags beurteilen zu können, ist es daher erforderlich, dass dieAstin. angibt, wann ihr der Einstellungsbescheid der Staatsan-waltschaft bekannt gemacht worden ist (Meyer-Goßner, a.a.O.;BVerfG, NJW 1993, 382). Einer genauen Angabe des Eingangs-datums bedarf es lediglich dann nicht, wenn die Fristwahrungoffensichtlich ist. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor. DerAntrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid derAgin. v. 8.9.2004 ist erst am 12.10.2004 beim AGH eingegan-gen. Die Monatsfrist des § 122 Abs. 2 Satz 1 BRAO wäre dahernur dann eingehalten, wenn der Einstellungsbescheid derAstin. erst am 12.9.2004 oder später zugegangen ist.

Zwar hat die Astin. in ihrem nachgereichten Schriftsatz v.22.3.2005 mitgeteilt, dass ihr der Bescheid der Agin. am13.9.2004 zugegangen ist. Diese Ergänzung ist aber erheblicheZeit nach Ablauf der Frist des § 122 Abs. 2 BRAO erfolgt undkann daher den vorhandenen Formmangel nicht heilen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfüllt die inhaltli-chen Anforderungen gem. § 122 Abs. 2 BRAO auch insoweitnicht, als ihm nicht zu entnehmen ist, wann das beanstandeteVerhalten der RAe ... und ..., nämlich die Vertretung des Kl. ...,stattgefunden hat. Eine solche Angabe ist schon deshalb erfor-derlich, um feststellen zu können, ob eine Verfolgungsverjäh-rung gem. § 115 BRAO eingetreten ist. Auch aus den sonstigenAngaben der Astin. in ihrem Antrag lassen sich Schlüsse darauf,dass eine Verfolgungsverjährung von vornherein auszuschlie-ßen ist, nicht ziehen.

Offen bleiben kann, ob des Weiteren der Verlauf des Ermitt-lungsverfahrens und der Inhalt der Einstellungsverfügung aus-reichend wiedergegeben sind.

Ungeachtet der Unzulässigkeit des Antrags sieht sich der Senatveranlasst, in inhaltlicher Hinsicht Folgendes anzumerken:

Entsprechend der Auffassung der Astin. erscheint zweifelhaft,ob ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO verneint werdenkann, wenn sich die betroffenen Mandanten mit einer Vertre-tung ihrer gegenläufigen Interessen durch Anwälte einer Kanz-lei einverstanden erklärt haben.

Nach Ansicht des Senats steht die Entscheidung des BVerfG v.3.7.2003 (BVerfG, NJW 2003, 2520 ff.) in Fällen dieser Arteiner Sanktionierung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot,widerstreitende Interessen wahrzunehmen, nicht grundsätzlichentgegen.

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 197

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

gende Interessenkonflikte auftreten, wenn ein Kanzleiinhaberund ein bei diesem angestellter Anwalt widerstreitende Man-date vertreten. Aber auch in Sozietäten sind Interessenkonfliktemöglich, so z.B., weil die Gefahr besteht, dass ein Mandat alsdas für die Kanzlei wertvollere angesehen wird oder durchOrganisationsmaßnahmen nicht hinreichend dafür Sorge getra-gen werden kann, dass dem „gegnerischen“ Anwalt nicht ver-sehentlich für ihn nicht bestimmte Informationen zufließen.

Wie bereits ausgeführt, können die Mandanten nicht über§ 43a BRAO disponieren, soweit auch die Interessen derRechtspflege, die auf eine Geradlinigkeit der anwaltlichenBerufsausübung angewiesen ist (BVerfG, NJW 2003, 2520,2521), betroffen sind. Häufig werden die Mandanten zudemgar nicht in der Lage sein zu beurteilen, ob es aufgrund derkonkreten Situation zu Interessenkonflikten kommen kann.Dies gilt umso mehr, als sich derartige Probleme auch erstnachträglich entwickeln können, weil beispielsweise eineangestrebte einvernehmliche Lösung wider Erwarten dochnicht herbeigeführt werden kann.

Aufgrund der Unzulässigkeit des Antrags bedarf es im vorlie-genden Fall allerdings keiner Entscheidung darüber, ob nachdem oben Gesagten eine Verpflichtung der Agin., das anwalts-gerichtliche Verfahren durchzuführen, auszusprechen wäre.

Fachanwalt – zur Anerkennungsfähigkeit von Online-Semi-naren als Fortbildung

FAO § 15

*1. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck derRegelung des § 15 FAO können als Fortbildungsveranstaltung aus-schließlich von einem Veranstalter örtlich organisierte Tagungen,an denen eine Vielzahl von RAen zum Zwecke der beruflichenFortbildung teilnimmt, anerkannt werden.

*2. Nur die gemeinschaftliche Teilnahme bewirkt, dass eine Kom-munikation nicht nur zwischen den Dozenten und den Teilneh-mern, sondern auch zwischen den Teilnehmern untereinanderstattfindet.

*3. Bei Online-Seminaren fehlt zudem eine ausreichende Kon-trollmöglichkeit. Insbesondere ein Nachweis für eine durchge-hende Teilnahme an diesem Seminar kann nicht erbracht werden.

Schleswig-Holsteinischer AGH, Beschl. v. 17.3.2005 –1 AGH 1/2005 (n.r.)

Volltext unter www.brak.de

Abwickler – zum Umfang der Tätigkeit

BRAO § 53, § 55

*1. Für einen ersten Überblick des Abwicklers, ob in einer Sachenoch etwas zu veranlassen ist oder die betreffende Akte abgelegtwerden kann, kann grundsätzlich ein Zeitbedarf von einer Viertel-stunde pro Akte zugrunde gelegt werden.

*2. Die Tatsache, dass die Akten von dem ehemaligen RA nichtmehr sorgfältig geführt worden sind und einige Akten somit neuzusammengestellt werden müssen, ist eine in Abwicklungsfällennicht unübliche Erschwernis.

*3. Dass sich ein Abwickler in besonderer Weise für die Regulie-rung von Unterschlagungsfällen engagiert, ist für die Abwickler-vergütung ohne Belang, da diese Tätigkeit im Rahmen derAbwicklung nicht geschuldet ist.

AGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 21.1.2005 – 1 AGH 27/01

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Zwar bezieht sich § 43a Abs. 4BRAO nach seinem Wortlaut nurauf den Einzelanwalt, der in der-selben Sache Parteien mit gegen-läufigen Interessen vertritt. Eine

am Zweck dieser Regelung orientierte Auslegung ergibt aller-dings, dass auch in einer Kanzlei verbundene RAe diesem Ver-bot unterliegen, wenn im konkreten Einzelfall ein Interessen-konflikt besteht.

Der genannten Entscheidung des BVerfG lagen demgegen-über Fälle zugrunde, in denen es tatsächlich nicht zu Interes-senkonflikten kommen konnte. Es ging dabei um die Kanzlei-wechsel von RAen, die mit den widerstreitenden Mandatenweder in der bisherigen Kanzlei noch in der neuen Kanzleibefasst waren. Für diesen Fall hat das BVerfG festgestellt, dassdie an § 3 Abs. 2 BORA ausgerichtete Auslegung von § 43aBRAO die Freiheit der Berufsausübung unzulässig ein-schränkt. Es hat jedoch ausdrücklich offen gelassen, welcheFolgerungen zu ziehen wären, wenn der die Sozietät wech-selnde RA das „widerstreitende“ Mandat selbst betreut, es garin die aufnehmende Kanzlei einbringt (BVerfG, NJW 2003,2520, 2521).

Hier liegt ein Fall vor, in demzwei in einer Kanzlei tätigeAnwälte in einem kontradiktori-schen Verfahren gegnerische Par-teien vertreten haben. Allein derUmstand, dass sich die Verfahrensgegner damit einverstandenerklärt haben, dass ihre widerstreitenden Interessen von diesenin einer Kanzlei verbundenen Anwälten vertreten werden, hatnicht zur Folge, dass ein Verstoß gegen § 43a BRAO von vorn-herein nicht in Betracht käme.

§ 43a Abs. 4 BRAO gebietet vielmehr eine dem Einzelfallgerecht werdende Abwägung aller Belange unter besondererBerücksichtigung der konkreten Mandanteninteressen (BVerfG,NJW 2003, 2520, 2522). Das BVerfG hat deshalb § 3 Abs. 2BORA, der für eine Einzelabwägung keinen Raum ließ, für mitArt. 12 GG unvereinbar und nichtig erklärt.

Bei der gebotenen Auslegung des § 43a BRAO im Lichte desArt. 12 GG ist zu berücksichtigen, dass diese Norm nicht nurder Wahrung des Vertrauensverhältnisses zum Mandanten undder Sicherung der Unabhängigkeit des Anwalts im Dienste desRechtsuchenden, sondern darüber hinaus auch dem Gemein-wohl in Gestalt der Rechtspflege dient. Diese Belange tretennebeneinander und bedingen einander (BVerfG NJW, 2003,2520, 2521).

Die Wahrnehmung anwaltlicher Aufgaben setzt den unabhän-gigen, verschwiegenen und nur den Interessen des eigenenMandanten verpflichteten RA voraus, wobei diese Eigenschaf-ten nicht zur Disposition der Mandanten stehen (BVerfG,a.a.O.).

§ 43a Abs. 4 BRAO verlangt, dass im konkreten Fall die Vertre-tung widerstreitender Interessen vermieden wird (BVerfG, NJW2003, 2520, 2522).

Ob ein von § 43a BRAO umfasster Interessenkonflikt vorliegt,ist daher nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zubeurteilen. Bei der Vertretung widerstreitender Mandate durchzwei in einer Kanzlei verbundene Anwälte wird ein solcher Fallregelmäßig zu bejahen sein.

So liegt auf der Hand, dass ins-besondere wegen der wirtschaft-lichen Abhängigkeit schwerwie-

§ 43a IV BRAO giltauch für

Zusammenschlüsse

Einverständnis derMandantenunerheblich

SchwerwiegenderInteressenkonflikt

198 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars

BRAO § 49b; BORA § 6; RVG § 4 Abs. 2; BRAGO § 3 Abs. 5;GG, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 *1. Die Vorschrift des § 49b Abs. 1 und 2 BRAO verstößt nichtgegen das in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verankerte Grundrecht derBerufsfreiheit, da das Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshono-rars dem Schutz der Unabhängigkeit des RA und dem Vertrauender Allgemeinheit in diese dient.

*2. Da § 49b Abs. 1 BRAO wie auch § 4 Abs. 2 RVG verschiedeneGesichtspunkte enthält, die im konkreten Einzelfall eine Ermäßi-gung der gesetzlichen Gebühren zulassen, ist damit den Anforde-rungen des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend Genüge getan.Einer generell geltenden Pauschalierung als gesetzlicher Regelungbedarf es deshalb nicht.

Bayerischer AGH, Urt. v. 18.1.2005 – BayAGH II – 8/04 (n.r.)

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Werbung – Angabe eines Kooperationspartners

BRAO § 59a; BORA § 8*1. Die Vorschrift des § 59a BRAO gilt ausschließlich für Sozietä-ten und Bürogemeinschaften und findet keine entsprechendeAnwendung auf Kooperationen, die mithin auch mit nicht sozie-tätsfähigen Personen möglich und zulässig sind.

*2. Ist eine berufliche Zusammenarbeit in Form der Kooperationberufsrechtlich zulässig, gibt es keinen Grund, den Kooperations-partnern dem Grunde nach den wahrheitsgemäßen Hinweis aufeine solche Kooperation mit Dritten nach außen zu untersagen.Eine Tatsache, die berufsrechtlich zulässig ist, muss auch bekanntgemacht werden dürfen.

*3. Durch die Kundgabe einer Kooperation wird das rechtsu-chende Publikum auch nicht in die Irre geführt, da dieses durch-aus die Unterscheidung zwischen den von ihm beauftragten undmandatierten Anwälten, denen es sich anvertraut, und der davonzu unterscheidenden lockeren Zusammenarbeit einer Koopera-tion versteht.

AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 7.11.2003 – 2 ZU 10/03AGH NW (n.r.)

Aus den Gründen:

I. Die Ast. führen in der rechten Randleiste ihres Briefbogensunterhalb der Auflistung der einzelnen Anwaltssozien untereiner ausdrücklich kenntlich gemachten Rubrik „Kooperations-partner“ u.a. den Namen des Architekten ... unter Angabe derBerufsbezeichnung „Architekt ...“ auf. In der Fußzeile des Brief-bogens findet sich darüber hinaus das Feld der Anschriften, indem die Anschrift des RA-Büros, die Anschrift des kooperieren-den StB-Büros und separat die anderslautende Anschrift dessachverständigen Architekten aufgeführt sind.

Die Agin. hat mit ihrem belehrenden Hinweis v. 22.7.2003 dieAngabe des Architekten ... als Kooperationspartner der Ast. inder Randleiste des Briefbogens beanstandet und als berufs-rechtlich unzulässig bezeichnet. In der Begründung diesesbelehrenden Hinweises führt die Agin. aus, dass zwar auchnach ihrer Auffassung die Kooperation mit einem nicht sozie-tätsfähigen Berufsträger zulässig sei, sie vertritt jedoch dieAnsicht, dass die Kundgabe einer derartigen Zusammenarbeitin Form einer Kooperation nach außen nicht durch § 8 BORAgedeckt und daher unzulässig sei. Wolle man vom Gegenteilausgehen, wäre die lockerste Form der Zusammenarbeit, näm-lich die Kooperation, gegenüber anderen Formen der Zusam-menarbeit wie beispielsweise der Bürogemeinschaft ungerecht-fertigt privilegiert, da § 8 BORA eine Kundgabe der beruflichenZusammenarbeit im Falle einer Bürogemeinschaft nur mitsozietätsfähigen Personen erlaube. Außerdem würde im Falle

der Kundgabe einer Kooperation mit nicht sozietätsfähigen Per-sonen das rechtsuchende Publikum irregeführt, da der nichtsozietätsfähige Kooperationspartner weder der Verschwiegen-heit noch den damit korrespondierenden Aussageverweige-rungsrechten und Beschlagnahmeverboten unterfalle.

Demgegenüber vertreten die Ast. die Ansicht, eine Kooperationals solche mit nicht sozietätsfähigen Personen sei zulässig; esmüsse daher auch i.S.d. Transparenz die Kundgabe einer Koo-peration zulässig sein. Ein Irrtum im Rechtsverkehr werdedurch eine solche Kundgabe nicht hervorgerufen.

Mit ihrem am 7.8.2003 beim AGH eingegangenen Schreiben v.5.8.2003 haben die Ast. gerichtliche Entscheidung gegen diebelehrenden Hinweise der Agin. jeweils v. 22.7.2003, den Ast.jeweils zugestellt am 24.7.2003, beantragt.

II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Er iststatthaft gem. § 223 Abs. 1 Satz 1 BRAO, da die belehrendenHinweise in Form einer hoheitlichen Maßnahme i.S.d. § 223BRAO Rechtsansichten als verbindlich mitteilen, die in dieRechte der Ast. eingreifen und diese einschränken (vgl. Feue-rich/Weyland, BRAO, 6. Aufl. München 2003, § 223 Rdnr. 5m.w.N.). Der Antrag ist auch innerhalb der Monatsfrist des§ 223 Abs. 1 Satz 2 BRAO gestellt worden.

Der Antrag hat in der Sache Erfolg. Die Agin. hat mit den ange-fochtenen belehrenden Hinweisen zu Unrecht die Gestaltungdes Briefbogens der Ast. als berufsrechtswidrig bezeichnet.

1. Der Begriff der Kooperation istgesetzlich nicht definiert. ImUnterschied zur Sozietät wer-den bei einer Kooperation Man-date nicht gemeinschaftlich

angenommen und bearbeitet, die Haftung bezieht sich nur aufdas einzelne Kooperationsmitglied, es werden – dies auch inAbgrenzung zur Bürogemeinschaft – keine gemeinsamenRäume unterhalten, es findet auch keine gemeinsame Organi-sation des Büros statt. Infolge dieser in wesentlichen, charakte-ristischen Punkten deutlich geringer anzusiedelnden Qualitätund Intensität der Form der Zusammenarbeit bei einer Koope-ration geht der Senat – mit der wohl überwiegenden Meinungim Schrifttum – davon aus, dass § 59a BRAO, der nur Sozietä-ten und Bürogemeinschaften erfasst, keine Anwendung, auchkeine entsprechende Anwendung findet auf Kooperationen undsomit eine Kooperation auch mit nicht sozietätsfähigen Perso-nen möglich und zulässig ist (vgl. Feuerich/Weyland, 6. Aufl.,§ 9 BORA Rdnr. 7 m.w.N.; einschränkend Feuerich, § 59bBRAO Rdnr. 39 m.w.N.; ohne Einschränkung Römermann/Har-tung, Anwaltliches Berufsrecht, München 2002, § 29 Rdnr. 4 f.m.w.N.).

Auch die Agin. geht in der Begründung ihrer belehrenden Hin-weise explizit von der Zulässigkeit einer Kooperation mit nichtsozietätsfähigen Personen aus.

2. Ist eine berufliche Zusammen-arbeit in Form der Kooperationstandesrechtlich zulässig, kannes keinen rechtlichen Grund geben, den Kooperationspartnerndem Grunde nach den wahrheitsgemäßen und tatsächlich kor-rekten Hinweis auf eine solche Kooperation mit Dritten nachaußen zu untersagen. Eine Tatsache, die standesrechtlich zuläs-sig ist, muss auch bekannt gemacht werden dürfen. Jede andereEntscheidung würde geradezu die Verpflichtung der Kooperati-onspartner zur Täuschung des Rechtsverkehrs beinhalten.

Entgegen der Auffassung der Agin. steht § 8 BORA der Kund-gabe der Kooperation mit einer nicht sozietätsfähigen Personnicht entgegen. Der Wortlaut der Bestimmung bezieht sichgerade nicht auf Kooperationen mit sozietätsfähigen Personen,

Keine gemeinschaft-liche Mandats-

annahme

Hinweis ist zulässig

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 199

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

sondern spricht generalisierend nur von „Kooperation“. Aucheine Auslegung der Vorschrift führt zu keinem gegenteiligenErgebnis: Mit der Agin. ist davon auszugehen, dass in § 8 BORAeine Gleichstellung von verfestigten Kooperationen mit den imersten Halbs. der Bestimmung erwähnten Formen der berufli-chen Zusammenarbeit herbeigeführt wird, allerdings handelt essich nur um eine Gleichstellung in der Rechtsfolge, nicht dage-gen in dem tatbestandlichen Element der sozietätsfähigen Per-son. Wäre Letzteres die Absicht des Satzungsgebers gewesen,hätte nach allen Gesetzen der Logik und der sprachlichen Klar-heit nichts näher gelegen, als – ebenso wie im ersten Halbs.dieser Bestimmung – auch den Begriff „verfestigte Kooperation“mit dem Zusatz zu versehen „mit sozietätsfähigen Personen“.Dass Letzteres unterblieben ist, ist gerade ein Hinweis darauf,dass auch die Kundgabe verfestigter Kooperationen mit nichtsozietätsfähigen Personen zugelassen werden soll.

Entgegen der Ansicht der Agin. ist des Weiteren mit der Zulas-sung der Kundgabe einer Kooperation mit nicht sozietätsfähi-gen Personen auch keine ungerechtfertigte Privilegierung derlockersten Form der Zusammenarbeit gegenüber Sozietätenund Bürogemeinschaften verbunden. Sozietäten und auchBürogemeinschaften haben eine vollständig anders gelagerte,durchaus weitergehende Intensität und Qualität der Zusam-menarbeit zum Gegenstand. Der vordergründigste Umstandliegt darin, dass bei örtlichen Sozietäten und Bürogemein-schaften eine einheitliche Praxis genutzt wird und eine ein-heitliche Büroorganisation existent ist, die zwangsläufigjedem beteiligten Sozius und Mitglied der BürogemeinschaftZugang zu allen Mandantendaten ermöglicht. Bei dieserintensiven Form der Zusammenarbeit schon aus räumlicherSicht ist es von eminenter Bedeutung, alle Beteiligten denVerschwiegenheitspflichten zu unterwerfen. Genau dies ist imFalle einer bloßen Kooperation mit räumlicher Trennung –wie sie auch ausweislich der Adressenfelder vorliegend gege-ben ist – anders zu beurteilen.

Von einer Privilegierung derKooperation kann daher nichtgesprochen werden, da Koopera-tion einerseits und Sozietät/Büro-

gemeinschaft andererseits unterschiedliche und nicht miteinan-der vergleichbare Formen der Zusammenarbeit darstellen, diegerade mit Rücksicht auf ihre Unterschiede auch nicht ohneweiteres gleichbehandelt werden dürfen.

Keine Privilegierungder Kooperation

Schließlich liegt auch keine Irreführung des rechtsuchendenPublikums vor. Zum einen versteht der rechtsuchende Laiedurchaus die Unterscheidung zwischen den von ihm beauftrag-ten und mandatierten Anwälten, denen er sich anvertraut, undder davon zu unterscheidenden lockeren Zusammenarbeiteiner Kooperation, mit der er nichts „zu tun haben“ muss,soweit er dies nicht wünscht. Dies gilt umso mehr, als vorlie-gend die Differenzierung auf dem Briefbogen der Ast. deutlichund gut sichtbar hervorgehoben wird. Zum anderen ist auch inschlichtesten Bevölkerungskreisen bekannt, dass ein Architektkeiner Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Von einer Täu-schung des rechtsuchenden Publikums durch Kundgabe einerfür zulässig gehaltenen Kooperation ist daher nicht auszugehen.

Die konkrete Ausgestaltung des Briefbogens der Ast. wird vonder Agin. nicht beanstandet.

Pflicht zur Entgegennahme von Zustellungen

BRAO § 27; BORA § 5, § 14

*1. Auch wenn die Vorschrift des § 14 BORA ursprünglich nur dieZustellung von RA zu RA und mit Empfangsbekenntnis regelnwollte, beschränkt sich ihr Wortlaut nicht allein auf diese Zustel-lungsarten. Daher muss ein RA auch gewährleisten, dass Zustel-lungen mit Postzustellungsurkunde entgegengenommen werdenkönnen.

*2. Es ist eine allgemein – jedenfalls den mit gerichtlichen Verfah-ren vertrauten Personen – bekannte Praxis, dass, wenn es zu Irri-tationen bei der Zustellung mit Empfangsbekenntnis kommt, vonGerichts wegen die Zustellung mit Postzustellungsurkunde ver-fügt wird. Da es immer zu Irritationen bei der Zustellung kom-men kann, muss ein RA Vorsorge treffen, dass ihn Zustellungenmit Postzustellungsurkunde problemlos erreichen können.

*3. Es ist dem einzelnen RA grundsätzlich selbst überlassen, wieer seine Kanzlei führt. Erst wenn die individuelle Führung derAnwaltskanzlei gravierende Mängel erkennen lässt, die auf sachli-che, personelle oder organisatorische Fehlentscheidungen des RAzurückzuführen sind, ist ein Verstoß gegen die Kanzleipflichtanzunehmen. Ein solcher Verstoß kann bei der Erfolglosigkeit vonZustellversuchen an vier Tagen nicht festgestellt werden.

AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4.7.2003 – (2) 6 EVY 4/02 AGHNW (n.r.)

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Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Rechtsberatungsgesetz – Fördermittelberatung

RBerG Art. 1 § 1, § 5; UWG § 1 a.F., § 3, § 4 Nr. 11

1. Die Beratung über Fördermittel der öffentlichen Hand ist keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.v. Art. 1 § 1 RBerG.

*2. Auch die Vielfalt von Fördermitteln und die Komplexität derrechtlichen Rahmenbedingungen verwehrt es einem Unterneh-mensberater nicht, sich hierüber Kenntnisse zu verschaffen, aufsein Wissen werbend hinzuweisen und mit den tatsächlichenGegebenheiten eines Unternehmens abzustimmen. Die Regelungrechtlicher Verhältnisse steht hierbei nicht im Vordergrund.

BGH, Urt. v. 24.2.2005 – I ZR 128/02

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Werbung mit „optimaler Vertretung“

BRAO § 43b; BORA § 6; UWG § 3, § 4 Nr. 11

*1. Die Vorschrift des § 43b BRAO eröffnet nicht eine ansonstennicht bestehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert dieverfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit des RA. Deshalbbedarf nicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtferti-gung, sondern vielmehr deren Einschränkung.

*2. Das vom RA grundsätzlich zu beachtende Sachlichkeitsgebotverlangt keine auf die Mitteilung nüchterner Fakten beschränkteWerbung. Nicht jede positive Darstellung der Leistung des RA inseiner Werbung ist mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbar.Zudem sind Einzeläußerungen im Kontext der gesamten Werbe-aussage auszulegen.

200 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

*3. Ist die Formulierung „optimale Interessenvertretung“ in einerWerbung in eine Reihe von Sachangaben über die personelle undsachliche Ausstattung der Kanzlei eingebettet, kann hierin keinVerstoß gegen das Sachlichkeitsgebot gesehen werden.

BGH, Urt. v. 27.1.2005 – I ZR 202/02

Aus dem Tatbestand:

Die Kl. sind in einer Sozietät zusammengeschlossene RAe mitKanzleisitz in B. Der Bekl. ist Partner einer aus RAen bestehen-den Partnerschaft, die ihren Sitz in H.-B. hat. Auf der von derPartnerschaft eingerichteten Homepage heißt es u.a.:

„1950 gründete W. K., der Vater des heutigen Seniorpart-ners R. K., unsere Kanzlei im Zentrum von H. Im Jahre 1978wurde der Sitz der – zum damaligen Zeitpunkt von R. K. alleinbetriebenen – Kanzlei nach H.-B. verlegt. Heute stehen Ihnenacht RAe für die optimale Vertretung Ihrer Interessen in denverschiedensten Rechtsgebieten zur Verfügung. Eine moderneEDV, eine gut ausgestattete Fachbibliothek und der Zugriff aufumfangreiche juristische Datenbanken gewährleisten höchsteBeratungsqualität.“

Die Kl. sind der Auffassung, der Hinweis auf eine „optimaleVertretung“ sei eine reklamehafte Selbstanpreisung und stelleeine für einen RA unzulässige Werbung dar.

Die Kl. haben beantragt, dem Bekl. zu verbieten, im geschäftli-chen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für rechtsanwaltlicheTätigkeit wie folgt zu werben:

„Heute stehen Ihnen acht RAe für die optimale Vertretung IhrerInteressen in den verschiedensten Rechtsgebieten zur Verfü-gung.“

Der Bekl. ist der Klage entgegengetreten.

Das LG hat den Bekl. antragsgemäß verurteilt. Die Berufungdes Bekl. hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Hamburg,NJW 2002, 3183).

Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision verfol-gen die Kl. ihren Klageantrag weiter. Der Bekl. beantragt, dieRevision zurückzuweisen.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch derKl. verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Klagebefugnis der Kl. und die Passivlegitimation des Bekl.habe das LG zutreffend bejaht. Es sei auch zu Recht davon aus-gegangen, dass die Kl. nicht rechtsmissbräuchlich gegen denBekl. vorgegangen seien. Der angegriffene Teil des Internet-Auftritts der Partnerschaft, der der Bekl. angehöre, verstoßejedoch nicht gegen § 43b BRAO, § 6 BORA. Im Grundsatz seidavon auszugehen, dass RAen die Werbung für ihre beruflicheTätigkeit nicht verboten, sondern erlaubt sei. Das Sachlichkeits-gebot werde nicht durch auf den Beruf bezogene Tatsachenbe-hauptungen verletzt, deren Richtigkeit überprüft werdenkönne. Maßvolle Selbstbeschreibungen der persönlichen Kom-petenz, die subjektive Werturteile seien, seien ebenfalls nichtzu beanstanden, wenn sie einen objektiven Kern zu habenschienen und nach Form und Inhalt nicht in der Einkleidungeines „marktschreierischen Werbungsstils“ daherkämen. EinTeil des umworbenen Publikums werde die beanstandete Pas-sage im Gesamtzusammenhang der Geschichte der Kanzleidahin verstehen, durch die gestiegene Zahl der RAe könne einegrößere Anzahl von Rechtsgebieten abgedeckt werden. DasWort „optimal“ beziehe sich bei einem derartigen Verständnisauf die Breite der angebotenen Rechtsberatung und beinhalteim Wesentlichen eine der Überprüfung zugängliche Sachaus-sage. Aber auch wenn der Begriff als Bewertung der anwaltli-chen Leistung aufgefasst werde, entspreche die Aussage in der

konkreten Verwendungssituation noch dem Sachlichkeitsgebot.Zwar sei „optimal“ ein Superlativ; der Begriff sei jedoch durchseinen inflationären Gebrauch in der Werbung verblasst. Indem sprachlichen Kontext stelle er keine übermäßige reklame-hafte Übertreibung oder marktschreierische Herausstellung dar.

II. Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen,dass die Kl. als unmittelbar Verletzte klagebefugt und aktivlegi-timiert sind. Die Anspruchsberechtigung des unmittelbar Ver-letzten, die sich unter Geltung des § 13 Abs. 2 UWG a.F. ausder verletzten Rechtsnorm selbst ergab (BGH, Urt. v. 6.10.1999– I ZR 92/97, GRUR 2000, 616, 617 = WRP 2000, 514 – Aus-laufmodelle III), folgt nunmehr aus § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1Nr. 3 UWG. Zwischen den Parteien besteht nach den revisions-rechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Beru-fungsgerichts ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Par-teien gehören mittelgroßen Kanzleien mit Sitz in B. und H. an.Im Streitfall ist deshalb davon auszugehen, dass die Parteienversuchen, gleichartige Dienstleistungen innerhalb derselbenVerkehrskreise abzusetzen mit der Folge, dass das konkretbeanstandete Wettbewerbsverhalten den anderen beeinträchti-gen kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.10.2000 – I ZR 210/98, GRUR2001, 258 = WRP 2001, 146 – Immobilienpreisangaben; Urt.v. 6.12.2001 – I ZR 214/99, GRUR 2002, 985, 986 = WRP2002, 952 – WISO).

2. Den Kl. steht gegen den Bekl. jedoch kein Unterlassungsan-spruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m.§ 43b BRAO, § 6 BORA zu. Die beanstandete Passage in demInternet-Auftritt der Partnerschaft, der der Bekl. angehört, ver-stößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen die dieanwaltliche Werbung regelnden Vorschriften der § 43b BRAO,§ 6 BORA.

a) Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt derjenige unlauter i.S.d. § 3UWG, der einer gesetzlichen Bestimmung zuwiderhandelt, dieauch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer dasMarktverhalten zu regeln. Zu den Vorschriften, die im Interesseder Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, auch dasVerhalten von Unternehmen bestimmen, rechnen § 43b BRAO,§ 6 BORA. Als Bestimmungen, die sich ausdrücklich mit derZulässigkeit der anwaltlichen Werbung befassen, kommt ihneneine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunk-tion zu.

Die Rechtsnormqualität i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG erfüllt auch § 6BORA. Denn zu den gesetzlichen Vorschriften nach § 4 Nr. 11UWG zählt auch die durch Satzung nach § 59b Abs. 1, § 191aAbs. 2, § 191e BRAO ergangene BORA (vgl. Harte/Henning/v.Jagow, UWG, § 4 Nr. 11 Rdnr. 37; Baumbach/Hefermehl/Köh-ler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 11.24; Fezer/Götting, UWG, § 4 Nr. 11 Rdnr. 41).

b) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt die beanstandeteWerbeaussage jedoch nicht gegen das Sachlichkeitsgebot nach§ 43b BRAO, § 6 BORA.

aa) Nach § 43b BRAO ist dem RA Werbung erlaubt, soweit sieüber die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unter-richtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfallgerichtet ist. Die Bestimmung wird inhaltlich teilweise konkre-tisiert durch §§ 6 ff. BORA. Gem. § 6 Abs. 1 BORA darf der RAüber seine Dienstleistung und seine Person informieren, soweitdie Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind.

Die Vorschrift des § 43b BRAO eröffnet nicht eine ansonstennicht bestehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert dieverfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit. Deshalb bedarfnicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung,sondern deren Einschränkung. Sie ist nur dann mit Art. 12Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausrei-

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 201

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

chende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und imÜbrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (vgl.BVerfG, Beschl. v. 12.9.2001 – 1 BvR 2265/00, WRP 2001,1284, 1285; Beschl. v. 4.8.2003 – 1 BvR 2108/02, GRUR 2003,965 f. = WRP 2003, 1213, BGHZ 147, 71, 74 f. – Anwaltswer-bung II; BGH, Urt. v. 15.3.2001 – I ZR 337/98, WRP 2002, 71,73 – Anwaltsrundschreiben). Selbstdarstellungen des RA unter-liegen, soweit die Form und der Inhalt der Werbung nichtunsachlich sind, keinem generellen Werbeverbot.

Das von den Angehörigen einesfreien Berufs zu beachtendeSachlichkeitsgebot verlangtkeine auf die Mitteilung nüchter-

ner Fakten beschränkte Werbung (vgl. BVerfG, Beschl. v.26.8.2003 – 1 BvR 1003/02, GRUR 2003, 966, 968 = WRP2003, 1209; Beschl. v. 26.10.2004 – 1 BvR 981/00, WRP 2005,83, 87; BGH, Urt. v. 9.10.2003 – I ZR 167/01, GRUR 2004,164, 166 = WRP 2004, 221 – Arztwerbung im Internet).

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Teil der ange-sprochenen Verkehrskreise werde die Werbung aufgrund desZusammenhangs mit der Kanzleigeschichte dahin verstehen,durch die gewachsene Zahl der RAe könnten mehr Rechtsge-biete abgedeckt werden als durch lediglich einen RA. Das Wort„optimal“ beziehe sich auf die Breite der gebotenen Rechtsbe-ratung und enthalte eine der Überprüfung zugängliche Sach-aussage. Aber auch wenn andere Teile des Verkehrs die Wer-bung dahin auffassten, die anwaltliche Leistung werde als„optimal“ bezeichnet, liege im sprachlichen Kontext keineübermäßige reklamehafte Übertreibung oder gar marktschreie-rische Herausstellung der Mitglieder der Kanzlei des Beklagtenvor.

cc) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die beanstan-dete Werbung nach Form und Inhalt noch nicht reklamehaftselbstanpreisend den Boden sachlicher Information verlasse, istaus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht jede positive Dar-stellung der Leistung des RA in seiner Werbung mit dem Sach-lichkeitsgebot unvereinbar.

Zudem sind Einzeläußerungenwie der hier beanstandete Satzim Kontext der gesamten Werbe-aussage auszulegen (vgl. BVerfG,Beschl. v. 28.2.2003 – 1 BvR189/03, BRAK-Mitt. 2003, 127). Im Streitfall ist die Aussageüber eine „optimale Vertretung“ eingebettet in eine Reihe vonSachangaben, wonach – anders als in den Anfängen der Kanz-lei – nunmehr acht RAe für die Vertretung zur Verfügung ste-hen, eine moderne EDV und eine gut ausgestattete Fachbiblio-thek vorhanden sind und auf umfangreiche juristische Daten-banken zurückgegriffen werden kann.

Dies sind Grundlagen für eine mögliche optimale Vertretungder Mandantenbelange. Der beanstandete Werbesatz steht alsAussage über die Leistung der Kanzleimitglieder in einemengen inneren Zusammenhang mit diesen Angaben über diepersonelle und sachliche Ausstattung der Kanzlei. Das Beru-fungsgericht hat zudem rechtsfehlerfrei angenommen, dass diebeanstandete Aussage auch nicht deshalb übermäßig reklame-haft sei, weil das Wort „optimal“ auf das lateinische Wort „opti-mus“ zurückgehe, das „der Beste“ bedeute. Das Berufungsge-richt hat dargelegt, dass das Wort „optimal“ aufgrund seinervielfachen Verwendung in der Werbung nicht als Superlativempfunden werde. Es hat dementsprechend rechtsfehlerfreifestgestellt, dass die beanstandete Werbung nach dem Kontext,in den das Wort „optimal“ gestellt sei, nicht als Vergleich mitanderen RAen verstanden werde.

Unterlassungsanspruch wegen Berichterstattung überStraftaten eines Sozius

GG Art. 5

*1. Ein RA kann presserechtlich die Unterlassung einer Berichter-stattung verlangen, die ihn mit möglichen Straftaten seines Soziusin Verbindung bringt, wenn in der Berichterstattung nicht gleich-zeitig mitgeteilt worden ist, dass sich die strafrechtlichen Ermitt-lungen ausschließlich gegen den Sozius richten.

*2. Ist der für den unbefangenen Leser vielleicht auch nicht zwin-gende, aber doch nahe liegende Schluss auf einen über das aus-drücklich Gesagte hinausgehenden Sachverhalt falsch, so ist dieBerichterstattung jedenfalls dann wie eine unwahre Tatsachenbe-hauptung zu behandeln, wenn die Weglassung eines klarstellen-den Hinweises bewusst erfolgt ist.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.6.2005 – 14 U 16/05

Volltext unter www.brak.de

Werbung – wettbewerbswidrige Formulierungen in einemRundschreiben

BRAO § 43b; UWG § 6 Abs. 2 Nr. 5

*1. Behauptet ein RA in einem Werberundschreiben, dass fachlichnicht spezialisierte Anwaltskanzleien „allenfalls nur durchschnitt-liches Wissen“ anbieten könnten, liegt hierin eine wettbewerbs-widrige Herabsetzung von Mitbewerbern i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 5UWG.

*2. Die Qualität anwaltlicher Leistungen kann nicht ausschließ-lich auf das Fachwissen auf einem bestimmten Rechtsgebiet redu-ziert werden. Vielmehr wird der Erfolg anwaltlicher Tätigkeitauch vom Verhandlungsgeschick und allgemeinen Erfahrungengeprägt. Daher rechtfertigt eine nicht gesondert ausgewiesenefachliche Spezialisierung nicht die Schlussfolgerung, dass derbetreffende Berufskollege schlechtere anwaltliche Dienstleistun-gen anbietet.

OLG Thüringen, Urt. v. 20.4.2005 – 2 U 948/04

Aus den Gründen:

I. Die Parteien sind selbstständige RAe in R. (Kl.) und E. (Bekl.).Im Herbst 2003 übersandte der Bekl. an mehrere Versiche-rungsvertreter, u.a. an Frau ... in R., ein Anschreiben, das aus-zugsweise wie folgt lautet:

„Noch ein Wort in eigener Sache: Rechtsfragen werden immerkomplexer. Dies führt naturgemäß dazu, dass jeden Tag eineFlut von neuen Urteilen, Erkenntnissen und Spezialaussagen inalle Rechtsgebieten auftritt.

Gleichzeitig führt dies aber auch dazu, dass eine Anwaltskanz-lei, wenn sie sich mit all diesen Rechtsgebieten abgibt, allen-falls nur durchschnittliches Wissen anbieten kann.

Wir haben uns daher entschieden, unsere Tätigkeitsschwer-punkte in Zukunft auf die Bereiche Arbeits- und Vertragsrechtzu legen.

Zu diesem Zweck habe wir Verträge mit Anbietern von Online-Datenbanken geschlossen, welche uns u.a. ermöglichen, auf600.000 tagesaktuelle Dokumente im Arbeitsrecht zuzugreifen.

Weiterhin greifen wir im Vertragsmanagement auf Datenban-ken zu, welche die tagesaktuelle Rechtslage widerspiegeln unddie individuelle Anpassung i.S.d. Mandanten ohne weiteresermöglichen. Wir bauen darüber bundesweit ein Anwaltsnetzauf, so dass Ihr Fall, falls erforderlich, im Expertenteam gelöstwird.

Andere Rechtsgebiete, welche nicht in das Arbeits- und Ver-tragsrecht fallen, können wir aus Gründen der Spezialisierungkünftig nicht mehr bearbeiten, worauf wir vorsorglich hinwei-

Keine Beschränkungauf nüchterne Fakten

Kontext der gesam-ten Werbeaussage

maßgeblich

202 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

sen. Selbstverständlich können wir in derartigen Fällen an kom-petente Anwaltskollegen weiter empfehlen, mit welchen wirbereits seit Jahren zusammenarbeiten.“

Mit Schreiben v. 15.12.2003 mahnte die Kl. den Bekl. ab, dasie die Äußerungen in dem Anschreiben für wettbewerbswidrighält. Eine Reaktion des Bekl. unterblieb.

Die Kl. hat die Auffassung vertreten:

Der Bekl. preise sich in nicht hinnehmbarer Weise durch Her-absetzung anderer Berufskollegen selbst an und verschaffe sichhierdurch einen Vorsprung durch Rechtsbruch. Zudem werbeder Bekl. unzulässig mit Selbstverständlichkeiten wie der erfor-derlichen Rechtskunde und der Nutzung von Datenbanken.Die Aussage beinhalte auch eine unzulässige vergleichendeWerbung, indem Berufskollegen pauschal herabgesetzt wür-den. Als Wettbewerber sei der Bekl. zur Unterlassung derarti-ger Äußerungen verpflichtet.

Die Kl. hat – soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeu-tung – beantragt, den Bekl. zu verurteilen, es bei Meidungeines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu250.000,00 Euro (ersatzweise Ordnungshaft) und/oder Ord-nungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, zum Zwe-cke des Wettbewerbs zu werben und/oder werben zu lassendurch

– die Verbreitung der Behauptung, RAe ohne Spezialisierungauf ein oder wenige Rechtsgebiete böte maximal durchschnitt-liches anwaltliches Wissen,

– die besondere hervorhebende Betonung des Bestehens vonVerträgen zwischen ihm und den Anbietern von juristischenDatenbanken, deren Dokumente die aktuelle Rechtslagewiderspiegeln und tagesaktuell seien,

wobei insbesondere zu unterlassen ist, Rundschreiben zu ver-senden, welche folgende Passagen enthalten:

„Noch ein Wort in eigener Sache: Rechtsfragen werden immerkomplexer. Dies führt naturgemäß dazu, dass jeden Tag eineFlut von neuen Urteilen, Erkenntnissen und Spezialaussagen inallen möglichen Rechtsgebieten auftritt.

Gleichzeitig führt dies aber auch dazu, dass eine Anwaltskanz-lei, wenn sie sich mit all diesen Rechtsgebieten abgibt, allen-falls nur durchschnittliches Wissen anbieten kann.

Wir haben uns daher entschieden, unseren Tätigkeitsschwer-punkt in Zukunft auf die Bereiche Arbeits- und Vertragsrecht zulegen.

Zu diesem Zweck haben wir Verträge mit Anbietern vonOnline-Datenbanken geschlossen, welche uns u.a. ermögli-chen, auf 600.000 tagesaktuelle Dokumente im Arbeitsrechtzuzugreifen.“

Der Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Bekl. hat die Auffassung vertreten:

Die gerügten Äußerungen seien inhaltlich richtig und von sei-nem Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt. Eine unzu-lässige Qualitätswerbung liege nicht vor, der Hinweis auf seineSpezialisierung sei keine Selbstanpreisung, sondern informierenur darüber, dass er sich zu spezialisieren beabsichtige. EineHerabsetzung der Berufskollegen beinhalte dies nicht.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Es hat ausgeführt:

Die Kl. könne den geltend gemachten Unterlassungsanspruchnicht auf § 1 UWG i.V.m. § 43b BRAO stützen. Die gerügteAussage des Bekl. sei weder wettbewerbswidrig noch verstoßediese gegen das anwaltliche Berufsrecht. Insbesondere verletzeer nicht das Gebot sachlicher Werbung in § 43b BRAO. SeinAnschreiben sei als Werbemaßnahme anzusehen, da es bei der

gebotenen Gesamtbetrachtung darauf abziele, andere für dieInanspruchnahme der Leistungen zu gewinnen. Im Kern derAussage gehe es um die Absicht des Bekl., den Tätigkeits-schwerpunkt seiner Kanzlei auf den Bereich des Arbeits- undVertragsrechts zu legen, um sich auf dieses Gebiet zu speziali-sieren. Die Aussage, dass eine Spezialisierung zu einer Erhö-hung der Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiet führe, sei imGrunde Allgemeingut und bedeute nicht gleichzeitig eine Her-absetzung der nicht spezialisierten Kollegen. Hierin liegt keineunzulässige vergleichende Werbung, da es insbesondere aneinem konkreten Vergleich zwischen dem Bekl. und seinenMitbewerbern fehle.

Gegen das dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten derKl. am 27.9.2004 zugestellte Urteil hat diese durch ihren beimOLG Dresden zugelassenen Prozessbevollmächtigten mittelseines am 26.10.2004 beim Thüringer OLG eingegangenenSchriftsatzes Berufung eingelegt, der diese mittels eines am26.11.2004 beim Thüringer OLG eingegangenen Schriftsatzesbegründet hat.

Die Kl. ist der Auffassung:

Der Vergleich einer spezialisierten Kanzlei mit einer nicht spe-zialisierten sei weder sachlich geboten noch enthalte diesereinen Informationsgehalt. Hierdurch stelle sich eine speziali-sierte Kanzlei gegenüber einer allgemeinen Kanzlei heraus. Mitdem gewollten diskreditierenden Grundton der Werbunggegenüber anderen Wettbewerbern/Kollegen verstoße der Bekl.gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 43b BRAO und damitauch gegen § 1 UWG.

Die Kl. beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG ... v.22.9.2004 (...) den Bekl. zu verurteilen, es bei Meidung einesim Zuwiderhandlungsfall gerichtlich festzusetzenden Ord-nungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ord-nungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unter-lassen, zu Zwecken des Wettbewerbs zu werben durch die Ver-breitung der Behauptung, RA-Kanzleien, welche sich nicht spe-zialisieren und sich stattdessen mit einer Mehrzahl von Rechts-gebieten abgeben, seien lediglich in der Lage, maximal durch-schnittliche anwaltliche Leistungen zu erbringen, wobei insbe-sondere zu unterlassen ist, in Rundschreiben die Behauptung„gleichzeitig führt dies (dass Rechtsfragen immer komplexerwerden) dazu, dass eine Anwaltskanzlei, wenn sie sich mit alldiesen Rechtsgebieten abgibt, allenfalls nur durchschnittlichesWissen anbieten kann“, aufzustellen.

Der Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Bekl. ist der Auffassung:

Das LG habe die Klage rechtsfehlerfrei abgewiesen. Der Kl.stehe der geltend gemachte Anspruch gem. § 3 UWG i.V.m.§ 43b BRAO nicht zu. Die Grenzen der zuletzt genanntenNorm seien von ihm offensichtlich eingehalten worden. DieWerbung sei nach Form und Inhalt sachlich. Dem Sachlich-keitsgebot des § 43b BRAO trage diese ausreichend Rech-nung, da sie auf eine reklamehafte Selbstanpreisung verzichte.Die Grenze der Sachlichkeit sei noch nicht überschritten,wenn er ausführe, eine Spezialisierung führe zur Erhöhung derLeistungsfähigkeit in dem genannten Rechtsgebiet. Hierbeihandele es sich um eine Selbstverständlichkeit. Er gebe nureine Lebenserfahrung wieder, die letztlich allgemeiner Ein-schätzung entspreche. Die Mitteilung von Spezialisierungensetze nicht spezialisierte Kollegen nicht unsachlich herab. SeinAnschreiben halte sich in den Grenzen einer sachlichenUnterrichtung über seine berufliche Tätigkeit bzw. seine Kanz-lei.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezuggenommen auf die Schriftsätze der Kl. v. 9.2.2004 (Bl. 1–6),

BRAK-Mitt. 4/2005 Berufsrechtliche Rechtsprechung 203

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

5.5.2004 (Bl. 32–33), 17.9.2004 (Bl. 53) und 25.11.2004(Bl. 81–85), die Schriftsätze des Bekl. v. 31.3.2004 (Bl. 25–31),15.6.2004 (Bl. 39–41), 4.9.2004 (Bl. 49–51) und 5.1.2005(Bl. 99–105) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungvor dem LG ... v. 1.9.2004 (Bl. 46–47) und vor dem erkennen-den Senat v. 2.3.2005 (Bl. 106–107).

II. Auf die zulässige Berufung war das angefochtene Urteilabzuändern und der Bekl. nach Maßgabe des in der Berufungs-instanz noch verfolgten Unterlassungsbegehrens antragsgemäßzu verurteilen.

Die Kl. kann die in der Berufungsinstanz noch geltendgemachte Unterlassung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG bean-spruchen, da der Bekl. mit der Behauptung in dem streitgegen-ständlichen Rundschreiben § 3 UWG zuwidergehandelt hat.Die Aktivlegitimation der Kl. beruht auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG,was auch der Bekl. im Rahmen seiner Verteidigung gegenüberdem Unterlassungsbegehren nicht in Frage gestellt hat. Mit derunter Hervorhebung eigener Spezialisierung aufgestelltenBehauptung, von RAen ohne Spezialisierung könne maximaldurchschnittliches Wissen erwartet werden, hat der Bekl.unlauter i.S.d. § 3 UWG gehandelt.

a) Dies ist nach § 6 Abs. 2 UWG u.a. der Fall, wenn der Bekl.vergleichend wirbt und dabei eine der in § 6 Abs. 2 UWG auf-gezählten Fallgruppen verwirklicht.

aa) Mit dem in der vorstehend wiedergegebenen Behauptungliegenden Vergleich hat der Bekl. gegen § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWGverstoßen. Der Erklärungsgehalt der Aussage in dem von demBekl. versandten Rundschreiben kann im Hinblick auf dieangesprochenen Verkehrskreise nicht isoliert dahin verstandenwerden, dass fachlich spezialisierte Anwälte mehr wissen alssolche ohne fachliche Spezialisierung. Vielmehr nimmt derBekl. in dem Rundschreiben einen wertenden Vergleich vor,der nach seinem Gesamteindruck seine eigene fachliche Spezi-alisierung in den Vordergrund rückt und sich selbst mit Berufs-kollegen ohne Spezialisierung vergleicht. Dies vermittelt demEmpfänger den Eindruck, dass der Ratsuchende bei einem fach-lich spezialisierten Anwalt in dem betreffenden Fachgebiet bes-sere anwaltliche Leistungen erhält als bei Berufskollegen ohnefachliche Spezialisierung.

In dieser Aussage ist eine Herab-setzung der von einem fachlichnicht spezialisierten Mitbewer-ber angebotenen Dienstleistungzu sehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 5

UWG), da für das Unlauterkeitsurteil eine Minderung der Wert-schätzung der von Mitbewerbern angebotenen Dienstleistun-gen genügt (vgl. OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 2005, 347 [347];Fezer/Koos, UWG, 2005, § 6 Rdnr. 233). Aus diesem Blickwin-kel geht der in dem Rundschreiben angestellte Vergleich übereine bloße Gegenüberstellung hinaus. Vielmehr wird demEmpfänger suggeriert, dass dieser von fachlich nicht speziali-sierten Anwälten schlechtere anwaltliche Leistungen zu erwar-ten hat. Damit geht das Rundschreiben über die mit jedem Ver-gleich notwendig verbundene negative Wirkung hinaus. DieQualität anwaltlicher Leistungen kann nicht ausschließlich aufdas Fachwissen auf einem bestimmten Rechtsgebiet reduziertwerden. Vielmehr wird der Erfolg anwaltlicher Tätigkeit auchvon Verhandlungsgeschick, Erfahrungen etc. geprägt. Deshalbrechtfertigt eine nicht gesondert ausgewiesene fachliche Spezi-alisierung nicht die Schlussfolgerung, dass der betreffendeBerufskollege schlechtere anwaltliche Dienstleistungen anbie-tet. Insoweit schließt sich der erkennende Senat den überzeu-genden Ausführungen des OLG Braunschweig in dem Urteil v.31.10.2002 an (OLG Braunschweig, NJW-RR 2003, 686[687]).

bb) Mit der angegriffenen Behauptung hat sich der Bekl. miteinem Mitbewerber verglichen. Im Rahmen des § 6 Abs. 2Nr. 5 UWG genügt es, wenn die Werbung den Mitbewerberund die von ihm angebotenen Dienstleistungen zumindest mit-telbar erkennbar macht. Damit ist allerdings nicht gemeint,dass jede noch so fern liegende, „nur um zehn Eckengedachte“ Bezugnahme ausreicht, so dass allein in der Anprei-sung der eigenen Leistungen in der Regel noch kein Vergleichmit den Leistungen von Mitbewerbern zu sehen ist, weil es indiesem Fall an einer Gegenüberstellung fehlt (BGH, GRUR2002, 982 [983] Die „Steinzeit“ ist vorbei!; OLG Frankfurta.M., NJW-RR 2005, 347 [347]).

Hierüber geht die Behauptung des Bekl. in der angegriffenenPassage des Rundschreibens jedoch hinaus. Er hat sich nichtdarauf beschränkt, die von ihm angestrebte Spezialisierunghervorzuheben, sondern stellt diese den Leistungen andererAnbieter von anwaltlichen Dienstleistungen gegenüber, dieüber keine Spezialisierung verfügen bzw. davon absehen,diese gesondert herauszustellen. Dabei ist es nach der Legal-definition in § 6 Abs. 1 UWG unschädlich, dass der Bekl. dieMitbewerber nicht namentlich benannt hat. Es genügt, wenndie Werbung so deutlich gegen einen oder mehrere bestimmteMitbewerber gerichtet ist, dass sich den angesprochenen Ver-kehrskreisen eine Bezugnahme auf sie förmlich aufdrängt(BGH, GRUR 2002, 982 [983] Die „Steinzeit“ ist vorbei!).Dies kommt nach den Grundsätzen der höchstrichterlichenRspr. umso eher in Betracht, je kleiner der Kreis der Adressatenist.

Für die mittelbare Erkennbarkeitder in den Vergleich einbezoge-nen Mitbewerber spricht hier,dass sich der Bekl. mit seinemRundschreiben nicht – wie beieinem Zeitungsinserat – in allgemeiner Form an das Publikum,sondern gezielt an ausgewählte Personen gerichtet hat, vondenen der Bekl. erwartete, dass sie als Nachfrager spezialisier-ter anwaltlicher Dienstleistungen in Betracht kommen. Dem-entsprechend musste sich für die Empfänger der Eindruck auf-drängen, dass der Bekl. bessere anwaltliche Leistungen anzu-bieten vermag als die im unmittelbaren örtlichen Bereich derEmpfänger tätigen RAe ohne gesondert kenntlich gemachteSpezialisierung. Aufgrund dieser Besonderheit der von demBekl. durchgeführten vergleichenden Werbemaßnahme warenfür die Empfänger der Rundschreiben die in den Vergleich ein-bezogenen Mitbewerber auch ohne deren namentliche Benen-nung eindeutig erkennbar.

cc) Ob für ein unlauteres Wett-bewerbsverhalten i.S.d. § 3UWG auch bei den von § 6Abs. 2 UWG erfassten Sachver-halten eine nicht nur unerhebli-

che Beeinträchtigung des Wettbewerbs erforderlich ist (zumDiskussionsstand vgl. stellvertretend Fezer/Koos, UWG,2005, § 6 Rdnr. 26 ff.), bedarf in dem hier zu beurteilendenRechtsstreit keiner Entscheidung. Die unlautere Wettbewerbs-handlung des Bekl. hat die Schwelle einer lediglich unerheb-lichen Beeinträchtigung überschritten, da der Bekl. potenti-elle Interessenten unmittelbar angeschrieben und das Rund-schreiben gezielt zur Gewinnung von Mandanten eingesetzthat.

dd) Für die Begründetheit des Unterlassungsbegehrens kannsich der Bekl. nicht darauf berufen, dass sich sein Rundschrei-ben in den durch § 43b BRAO für die Werbung eines RAgezogenen Grenzen bewegt. Selbst wenn sich der Bekl. indem streitgegenständlichen Rundschreiben auf eine in Form

Herabsetzung fachlich nicht

spezialisierter RAe

MittelbareErkennbarkeit der

Mitbewerber

Keine nur unerhebli-che Beeinträchtigung

des Wettbewerbs

204 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 4/2005

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

und Inhalt sachliche Unterrichtung über seine beruflicheTätigkeit beschränkt hat, umschreibt § 43b BRAO den rechtli-chen Rahmen, unter denen RAe für ihre Tätigkeit werben dür-fen, nicht abschließend. Insbesondere entfaltet § 43b BRAOkeine privilegierende Wirkung für eine dem Sachlichkeitsge-bot entsprechende Werbung. Das gilt vor allem, wenn dieanwaltliche Werbemaßnahme den lauterkeitsrechtlichen Vor-gaben für eine vergleichende Werbung in § 6 Abs. 2 UWGwiderspricht.

ee) Soweit sich der Bekl. im Rahmen der Berufungserwide-rung für den Inhalt seines Rundschreibens auf die grundrecht-liche Gewährleistung der Meinungsäußerungsfreiheit in Art. 5Abs. 1 Satz 1 GG beruft, steht dem Art. 5 Abs. 2 GG entge-gen, der den Gesetzgeber in den durch den Verhältnismäßig-keitsgrundsatz gezogenen Grenzen berechtigt, die Meinungs-äußerungsfreiheit im Interesse anderer Rechtsgüter einzu-schränken. Dies ist durch § 6 Abs. 2 UWG in verfassungs-rechtlich nicht zu beanstandender Weise im Hinblick auf diegleichfalls grundrechtlich geschützte berufliche Tätigkeit derMitbewerber geschehen. Auch das legitime Anliegen desBekl., seine angestrebte fachliche Spezialisierung hervorzuhe-ben, rechtfertigt es nicht, hierbei die anwaltlichen Leistungenseiner fachlich nicht spezialisierten Berufskollegen herabzu-setzen.

b) Da der Bekl. bereits wegen seines Verstoßes gegen § 6Abs. 2 Nr. 5 UWG über die §§ 3, 8 Abs. 1 UWG verpflichtetist, die in dem Antrag umschriebene Behauptung zu unterlas-sen, konnte der erkennende Senat dahingestellt sein lassen, obseine Aussagen in dem streitgegenständlichen Rundschreibengegen das Sachlichkeitsgebot in § 43b BRAO verstoßen unddamit nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter sind.

Werbung – Ausführungen einer Kanzlei zu den Dienstleis-tungen ihres Mandanten

BRAO § 43b

*1. Es stellt eine sachliche Information über die Tätigkeit vonRAen dar, dass diese bestimmte – auch bedeutsame – Mandatebetreuen.

*2. Es stünde nicht mit dem Berufsbild des unabhängigen Organsder Rechtspflege im Einklang, wenn sich ein Anwalt unter Bezug-nahme auf seine Tätigkeit in die kommerzielle Werbung vongewerblich tätigen Mandanten einschalten ließe. Ohne sachlichenAnlass dürfte ein gewerbliches Unternehmen in der Werbung fürseine Produkte oder Dienstleistungen die Autorität eines RA zurUnterstützung der Werbebotschaft nicht einsetzen.

*3. Die von einer RA-Kanzlei in einem Schreiben mitgeteilteInformation über eine von ihr betreute Mandantin, welche Ver-wertungsrechte von musikalischen Urhebern wahrnehmen sollund sich daher in einem Bereich betätigen wird, der sich mit derrechtsanwaltlichen Tätigkeit durchaus berührt, ist zulässig.

LG Hamburg, Beschl. v. 3.9.2004 – 312 O 801/04

Aus den Gründen:

I. Die Ast. sind RAe in H. und stellen ihr rechtsberatendesDienstleistungsangebot u.a. auch mit einem eigenen Internet-auftritt gegenüber dem rechtsuchenden Publikum dar. Die Ag.sind RAe in M. Mit einem Schreiben v. 19.8.2004 auf demBriefkopf der Anwaltskanzlei der Ag. stellen die Ag. gegenübereinem Unternehmen in H. eine neue Verwertungsgesellschaftfür musikalische Urheberrechte vor, die von den Ag. anwaltlichvertreten wird.

Die Ast. sind der Auffassung, dass das Anpreisen der Leistun-gen eines Mandanten berufsrechtlich dem RA untersagt ist undmöchten mit ihrem Verfügungsantrag es den Ag. verbieten las-sen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des WettbewerbsWerbung für die Dienstleistungen der Firma ... zu betreiben,sofern dies unter gleichzeitigem Hinweis auf die anwaltlicheTätigkeit der Ag. geschieht.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nichtbegründet. Dem RA ist Werbung gem. § 43b BRAO prinzipiellerlaubt. Die neuere Rspr. des BGH geht unter Berufung auf diegrundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit entgegendem Gesetzeswortlaut von § 43b BRAO davon aus, dass RAenWerbung für ihre berufliche Tätigkeit im Grundsatz nicht ver-boten, sondern erlaubt sei, dass mithin nicht die Gestattungder Anwaltswerbung der Rechtfertigung bedarf, sondern derenEinschränkung (siehe Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. 2002,Rdnr. 835 zu § 1 UWG a.F.). Ein Eingriff in die Berufsaus-übungsfreiheit ist nur gerechtfertigt, wenn ihr im Einzelfallausreichende Gründe des Gemeinwohls, wie sie auch in§ 43b BRAO zum Tragen kommen, entgegenstehen und derGrundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird (BGH, Urt. v.1.3.2001, NJW 2001, 2087 „Anwaltswerbung II“). Werbungist nach Maßgabe des § 43b BRAO dem RA insoweit erlaubt,als über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlichunterrichtet wird und die Werbung nicht auf die Erteilungeines Auftrages im Einzelfall gerichtet ist (Baumbach/Hefer-mehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, Rdnr. 682a zu § 1UWG a.F.)

Das von den Ast. beanstandete Schreiben v. 19.8.2004 ist nachdiesen Grundsätzen nicht als unzulässige Werbung zu beurtei-len. Allerdings stellt sich dieses Schreiben auch mittelbar alsWerbung für die RA-Kanzlei der Ag. dar, die zum Ausdruckbringen, dass sie die anwaltlichen Vertreter der neuen Verwer-tungsgesellschaft für musikalische Urheberrechte seien, derenVorzüge im Einzelnen in dem Schreiben dargestellt werden.Diese Erwähnung des Mandatsverhältnisses ist jedoch nachden Grundsätzen über die Anwaltswerbung nicht zu beanstan-den. Es stellt eine sachliche Information über die Tätigkeit derRAe dar, dass diese bestimmte – auch bedeutsame – Mandatebetreuen. Das Schreiben war nicht auf die Anbahnung eineskonkreten Mandatsverhältnisses mit der angeschriebenenFirma gerichtet.

Die Bedenken der Ast., die es als generell unzulässig ansehen,dass RAe sich lobend oder anpreisend über Leistungen einesMandanten in Form der Werbung äußern, vermag die Kammerim vorliegenden Fall nicht zu teilen. Allerdings würde es mitdem Berufsbild des unabhängigen Organs der Rechtspflegenicht in Einklang stehen, wenn dieser unter Bezug auf seineAnwaltstätigkeit sich in die kommerzielle Werbung vongewerblich tätigen Mandanten einschalten ließe. So könntebeanstandet werden, wenn ohne sachlichen Anlass eingewerbliches Unternehmen in der Werbung für seine Produkteoder Dienstleistungen die Autorität eines RA zur Unterstützungder Werbebotschaft einsetzen würde.

Hiervon kann jedoch bei dem Schreiben der Ag. v. 19.8.2004nicht die Rede sein. Die Mandantin der Ag. soll Verwertungs-rechte von musikalischen Urherbern wahrnehmen. Sie wirdsich daher in einem Bereich betätigen, der sich mit der rechts-anwaltlichen Tätigkeit der Ag. durchaus berührt, so dass einhinreichender Anlass für die Vorstellung dieser neuen Verwer-tungsgesellschaft innerhalb der interessierten Branche durchdie Ag. anzuerkennen ist.

Demnach war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfü-gung zurückzuweisen.