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Festungsweg Ebersberg Grafik: Lines & Dots GmbH, Fotos: Archiv MHS ZH und C.+Z. Hanzek, Goldach, Texte und Bildauswahl: Felix Nöthiger Festungsweg Ebersberg Du stehst hier in der unteren Hälfte des Festungsweges Ebersberg bei der zweiten Informationstafel. Hinunter durch die Weide führt Dich der Weg in fünf Minuten zur Brückenverteidigung und zur ersten Informationstafel. Und nach zehn Minuten bergwärts gelangst Du vor die Geschützscharten des einzigen Zürcher Artilleriewerkes. Entlang dieser Scharten kommst Du zum Beobachterstand 1 des Werkes mit der dritten Informationstafel. Nach Westen führt der Weg in noch einmal zehn Minuten hinauf zum Aussichtspunkt «Tüfels Chanzle», unter dem im Sandstein der heute verschüttete Stollen des Artilleriebeobachtungspostens liegt. Die Schiesskarte der Panzerab- wehrkanone unseres Bunkers zeigt nicht nur Schussrichtung und Schussdistanzen, sondern mit den blau kolorierten Flä- chen auch die «schusstoten Räume», jene Zielgebiete also, in die wegen des Geländes nicht geschossen werden konn- ten. Sie zeigt uns aber auch die Nachbarwerke «Ziegelhütte» und Artilleriewerk «Rüdlingen» mit ihren schützenden Stachel- drahthindernissen und den Schusswinkeln ihrer Waffen. Für eilige Leser... Du stehst hier mitten in einer wichtigen Abwehr- stellung der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg. Die Sperrstelle am zürcherischen Ebersberg trägt etwas irreführend die Bezeichnung «Sperrstelle Rüdlingen», das «Artilleriewerk Rüdlingen» liegt aber nicht im schaffhausischen Rüdlingen, sondern in der Zürcher Gemeinde Berg am Irchel. Der Bunker, vor dem Du stehst, ist ein Infanteriewerk mit Panzerabwehrkanone und zwei Maschinengewehren. Sein Name war zu- gleich sein Auftrag: «Rüdlingen Brücke». Zusammen mit dem darüber liegenden Artilleriewerk und zwei Kampfbauten am Rheinufer bildet er ein militärisches Ensemble, das seit 2004 als Baudenkmal von nationa- ler Bedeutung eingestuft ist. Es wird von der Militär- historischen Stiftung des Kantons Zürich in Freiwilligen- arbeit restauriert und gepflegt. Das Infanteriewerk hatte drei verschiedene Aufgaben: Sichern der wichtigen Rheinbrücke bis zur Sprengung, Sicherstellen der Brückensprengung. Verhindern der Baues einer feindlichen Notbrücke und von feindlichen Übersetzaktionen. Schutz des Gegenwerkes A 5441 «Ziegelhütte» im Angriffsfall. Auch im Kalten Krieg behielt die Sperrstelle noch lange ihre Bedeutung. 1978 wurde das Artilleriewerk aufge- geben, weil unterdessen ein Angriff auf den Zielraum im Feuerbereich dreier moderner Festungsminenwerfer mit einer mehrfach gesteigerten Wirkung lag. Der Bunker aber diente bis 1995 der Sicherung der Brücke und der Sicherstellung einer Sprengung. Schliesslich wurde ja noch 1988 eine russische Panzer- karte gedruckt, auf der die Rüdlinger Brücke mit einem Code als panzergängig für russische Panzer T72 und T80 bezeichnet ist. Du findest diese Karte auf der Tafel bei der Brücke. Unser Bunker steht seinerseits in der Feuerlinie des Bunkers «Ziegelhütte», den Du bei gefallenem Laub am Rheinufer gut erkennen kannst. Ein Bunker und die Weltgeschichte 1934 Als nach der Machtübernahme Hiltlers zuneh- mend forschere Töne über den Rhein klingen und im «Reich» die Rüstung massiv vorange- trieben wird, reaktiviert die Armee das BBB, das «Bureau für Befestigungsbauten», das neue Normen für Kampfbauten und Hindernisse fest- legt. Schon 1934 rekognoszieren Genieoffi- ziere die kritischen Schwachstellen entlang der deutschen Grenze, auch die Rüdlinger Brücke. Hier soll mit geschätzten Kosten von 55'000.– Franken ein Werk mit einer 4.7cm Infanteriekanone gebaut werden. 1936 Aber zuerst werden in Koblenz, in Eglisau, in Feuerthalen und Stein am Rhein die vier ersten Kampfbauten zur Sicherung der wichtigsten Rheinübergänge gebaut. Weil diese ersten Festungen am Vorabend des zweiten Welt- krieges allein auf sich gestellt sind und keine schützenden Gegenwerke haben, versieht man sie auf der feindabgewandten Seite mit vielen Gewehrscharten zur Rundum-Verteidigung. 1938 Die Spannung in Europa steigt. Am 11. März 1938 marschieren deutsche Truppen in Öster- reich ein, am 20. Mai erlässt die Tschechoslo- wakei die Mobilmachung seiner Armee nach anhaltenden deutschen Gebietsforderungen. Doch am 29. September beugen sich die Alliierten Westeuropas an der Konferenz von München den Kriegsdrohungen Hitlers, zwei Tage später rollen deutsche Panzer in das tschechische Sudetenland. Nun werden die Pläne für unseren Bunker endlich fertiggestellt. Am 24. November wird der Bau für 119'798.– Franken vergeben, sieben Tage später wird schon mit dem Aushub begonnen. In Rekord- zeit wird durch den Winter hindurch ausge- hoben, geschalt und betoniert, am 27. Juni 1939, zwei Monate vor Kriegsbeginn, wird der Neubau abgenommen. Nun werden rund um das Werk 7 – 12 Meter breite Infanteriehindernisse mit Stacheldraht gebaut, Telefonleitungen volltreffersicher in drei Meter tiefen Gräben verlegt, die Waffen ein- geschossen und die Panoramen für das blinde Schiessen bei Nacht und Nebel gezeichnet. 1939 Als sich Hitler nach seinem ersten Blitzkrieg gegen Polen in der Adventszeit 1939 der Planung des Westfeldzuges zuwendet, ist das Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» abwehr- bereit, die Brücke geladen. Die Stahlträger der beiden Panzerhindernisse in der Kantonsstrasse beidseits der Brücke liegen bereit zum Ein- stecken in ihre Schächte. 1940 Noch deutlicher wird der General in seinem Armeebefehl vom 15. Mai 1940. Bei täglich neuen Nachrichten über die Niederlage der französischen Armee bekräftigt er den Willen der Armeeleitung zum unbedingten Wider- stand bis zum Letzten: Ein typisches Infanteriewerk In der militärischen Fachsprache ist ein I.W., ein Infanteriewerk, eine Kampfbaute im Fels oder Beton, die mit Panzerabwehrkanonen und Maschinengewehren bewaffnet ist. Dazu gehört auch ein eigener Beobachterstand, von dem aus die Feuerwirkung beobachtet und das Feuer geführt werden kann. Die Einrichtung im Infanteriewerk mag uns heute dürftig vorkommen. Aber verglichen mit den stromlosen Einzelbunkern am Rhein war das Leben im Infanteriewerk geradezu komfortabel: Elektrischer Netzstrom Notstrom mit einem Petrolmotor der Marke «Zürcher» Wasser vom Artilleriewerk «Rüdlingen» Sogenanntes «Turco-Closett» mit Spülung und separater Lüftung Lüftung und Filteranlage strombetrieben Kleiner Schlafraum für den Bunker- kommandanten Liegestellen und Aufenthaltsraum im Untergeschoss Kleine Küche mit Wasseranschluss, Petrolkocher und Ablufthaube Rundherum wehrhaft... Eingang Hg-Auswurf Mg 11 links I.K. 4.7 cm Beobachter oder Lmg Flankenschild Mg 11 rechts WC Schleuse Notstrom- Generator Leiterschacht zur Unterkunft Notausstieg Flanken- schild 0 1 2 3 4 5 Meter Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» Grundriss Erdgeschoss Alle typischen Merkmale des defensiven Festungsbaues sind vorhanden: Die Flankenschilde verhindern Feuer auf die Scharten aus schusstoten Räumen, der verwinkelte Eingang verunmöglicht den Direktbeschuss der Panzertüre. Neben den Auswurföffnungen über den Waffen gibt es auch drei Handgranatenschächte beim Eingang und gar aus dem legendären «Turco-Closett». Unterkunft Ventilation Küche Bunker kdt Hg Auswurf Pak 50/57 Beobachter Mg links Mg rechts Infotafel 0 1 2 3 4 5 Meter Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» Schnitt Im Untergeschoss Unterkunft, Kleinküche, Telefonzentrale und Ventilation. Durch die Gasschleuse beim Leiter- abstieg ist es möglich, das Untergeschoss immer frei von Kampfstoffen und eigenen Schiessgasen zu halten. Im Kampfraum des Erdgeschosses dagegen muss beim Schiessen die Schutzmaske getragen werden. Fotopanorama der Panzerabwehrkanone 9 cm im Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» 1963 Das an derWand befestigte Fotopanorama zeigt die gleichen Ziele, die auch auf der seiten- und höhenverkehrt montierten Panoramatafel über dem Geschütz markiert sind. Rot die Zone stehender Panzer jenseits der gesprengten Brücke. Sie wären durch die Steckbarrikade in der Strasse an der Weiterfahrt gehindert worden – der ideale Moment, um auf kurze Distanz die feindlichen Panzer zu treffen. Grün die Ziele bei einem Übersetzmanöver. Die Zielfelder sind nummeriert, die einzelnen Schussziele im Feld mit einem Punkt markiert.Aussenbeobachter, Beobachter in den Werken, Schützen und Richter kannten die Nummern der Ziele ihrer Waffen auswendig – ein Nachschlagen wäre im Feuer des Gefechtes nicht möglich gewesen. Infanteriewerk A 5439 «Rüdlingen Brücke» Das 2009 von der Militärhistorischen Stiftung des Kantons Zürich restaurierte Infanteriewerk A 5477 «Güetli» kontrollierte die wichtige Rheinbrücke Feuerthalen – Schaffhausen. Es gehört zu den ersten vier von über 2200 Kampf- und Schutzbauten, die vor und während des Zweiten Weltkriegs gebaut wurden. Es ist wie dieses Infanteriewerk mit Maschinengewehr und Panzerabwehrkanone ausgerüstet und hat einen eigenen Beobachterstand. Die vier ersten auf sich allein gestellten Festungswerke von 1936 unterscheiden sich von späteren Werken durch ihre rückwärtigen Gewehrscharten für eine Rundum-Verteidigung. 1938 Unser Bunker bleibt in Planung und soll zuerst als Anhängsel des hoch liegenden Artillerie- werks gebaut werden. Am 2. März 1938 wird entschieden, dass der Standort des Werkes an den Fuss des Ebersberges genau in die Brük- kenachse verschoben wird. Aber die Idee der Verbindung der beiden Werke lebt weiter: So- wohl im Artilleriewerk im Ebersberg wie im Untergeschoss unseres Bunkers wird ein Stol- lenansatz erstellt für das spätere Anschliessen eines Verbindungsstollens. Er wird nie gebaut. 72 Jahre nach dem Bau wird das Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» als Baudenkmal 2008 restauriert: Rostschäden werden saniert, Graffitti entfernt, die Tarnbemalung mit den ursprünglichen drei Farbtönen rekonstruiert. Links der Schartendeckel für das Mg. r., das Maschinengewehr rechts, das rheinaufwärts wirkte und das Gegenwerk am Ufer schützte. Hinter der grossen Scharte in der Mitte stehen von links nach rechts: Maschinengewehr links, Beobachterstand, Geschützstand Panzerabwehrkanone. Ganz rechts das Auspuffrohr des Petrolmotors für die Stromerzeugung. Klare Befehle... Der Leutnant, die zwei Unteroffiziere und die 29 Soldaten, die das Infanteriewerk, den Leichtstand an der Brücke und das Gegenwerk «Ziegelhütte» halten, haben im Spätherbst 1939 einen klaren Auftrag. Der General lässt keine Zweifel offen, was er von seinen Män- nern erwartet. 4. Oktober 1939 Operationsbefehl Nr. 2 des Generals: «Die Armee besetzt und hält eine Stellung vom Becken von Sargans über Wallensee – Linth – Zürichsee – Limmat – Bözberg – Hauenstein bis zum Gempen- plateau mit Schwergewicht zwischen Zürichsee und Hauenstein. An der Grenze und zwischen Grenze und Armeestellung verzögern die Grenz- und Vortruppen den Vorstoss des Gegners nachhaltig. Die Besatzun- gen der an der Grenze und Abwehrfront gelegenen Werke und Stände leisten bis zur letzten Patrone Widerstand, auch wenn sie umgangen und vollstän- dig auf sich allein gestellt sind.» Kein Absetzen, kein Rückzug. Halten. Kämpfen. Und kämpfend für die Divisionen an der zu- rückliegenden Armeestellung an Linth und Limmat Zeit gewinnen. Einen Tag, drei Tage. Damit sie einrücken und ihre Stellungen be- setzen können. Operation «Tannenbaum» Nach dem Fall Frankreichs in Juni 1940 plant die Wehrmacht unter dem Decknamen «Opera- tion Tannenbaum» den Angriff auf die Schweiz, man rechnet für die Besetzung des Mittellan- des mit fünf Kampftagen. Als die Bedrohung schon fast zu Greifen ist, erhalten die Wehr- männer an der Grenze gestaffelt einen Tag Urlaub, um sich von ihren Familien zu verab- schieden. Viele denken, es sei für immer... Die ersten Angriffsplanungen gegen die Schweiz des Generalstabsoffiziers Rittmeister Otto Wilhelm von Menges rechnet im August 1940 mit einem Mittelbedarf von wenigen Divisionen. Diese Schätzungen des notwen- digen Angriffpotenzials werden laufend er- höht. Am 4. Oktober 1940 schätzt der deut- sche Generalstab den Truppenbedarf für den Angriff auf die Schweiz auf 18 bis 21 Divisio- nen! Ebenfalls bereit ist Mussolini mit 6 schon fest zugeteilten Divisionen. Am 18. Juni 1940 hat er in München mit Hitler die Aufteilung der Schweiz in eine italienische und eine deutsche Zone vereinbart, auf den Angriffs- karten ist diese neue Staatsgrenze mit einem dicken Strich markiert. Aber Hiltler hat im Moment keine zwanzig Divisionen für einen zähen Gebirgskampf zur Verfügung. Auch nach der verlorenen Luft- schlacht über dem Ärmelkanal steht ein gros- ser Teil der Wehrmacht in Nordwestfrankreich für die Operation Seelöwe bereit, die Beset- zung Englands. Und während diese Truppen warten, studiert Hitler bereits das Unter- nehmen Barbarossa, den Angriff auf die Sowjetunion, der seit dem 29. Juli 1940 unter grösster Geheimhaltung geplant wird. Das Schicksal meinte es gut mit der Schweiz: Zwischen dem erst um Weihnachten 1940 abgeblasenen Angriff auf England und dem zuerst für Mai 1941 vorgesehenen Angriff auf die Sowjetunion wäre es höchst unklug gewe- sen, über 20 Divisionen in einen als schwierig eingeschätzten Kampf gegen die 600'000 Mann der Schweizer Armee einzusetzen. Die Einnahme der Schweiz wurde aufgeschoben – ein Spottvers der Landser erinnert daran: Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, das nehmen wir im Rückweg ein! An zwei Fakten dieser glücklichen Fügung gibt es nichts zu rütteln: Der Kriegseintritt der USA mit der massiven Rüstungshilfe an die Sowjetunion und der Eröffnung mehrerer Fronten banden der deutschen Wehrmacht so viele Armeen und Divisionen, dass ein Angriff auf die neutrale Schweiz immer unwahrschein- licher wurde. Und ebenso klar ist, dass ohne die entschlossene Abwehrbereitschaft der ver- gleichsweise grossen Schweizer Armee im Juni 1940 die Schweiz einfach annektiert wor- den wäre. Wie Österreich, wie Dänemark, wie die Niederlande. Reichsmarschall Göring hatte der Schweiz ja schon früher angedroht, er werde «die Schweiz mit der freiwilligen Feuerwehr von Stuttgart heim ins Reich holen...» Die Panzerabwehrkanone 9 cm Pak 50/57 liegt genau in der Brückenachse der Rüdlinger Brücke.Mit Ihren 2 Kilogramm schweren Hohlladungsgeschossen hätte sie auch die verstärkten Panzerungen neuerer russischen Tanks noch durchschlagen können. Die Einsatzdistanz auf stehende Ziele beträgt 800 Meter, reicht also bis zur Geländekante Richtung Rafz. Der Richter fährt auf seinem Sitz die Bewegungen der Lafette mit, hat den Blick durch das Zielfernrohr und kann den Schuss durch Handzug oder Kniedruckschalter auslösen. Das Feuer wird geführt über Telefon, an der Wand der Kopfhörer mit Kehlkopfmikrofon. Für das Blindschiessen bei Nacht verfügt die Waffe über eine Panoramatafel mit den wichtigsten Zielen. Kadenz: 10 – 12 Schuss pro Minute. Und nach 1960 werden auch die alten und wassergekühlten Maschinengewehre von 1911 in den Festungen durch das luftgekühlte Ma- schinengewehr 1951 ersetzt, dazu kommen Einrichtungen, die die Scharten gegen feind- liche Flammenwerfer abdichten. Das Infanteriewerk schiesst mit der Panzer- abwehrkanone und dem Maschinengewehr links auf die Brücke und die Strasse vom Raf- zerfeld her, mit dem Maschinengewehr rechts Richtung Gegenwerk «Ziegelhütte» und Rhein- ufer. Aber auch an den Flanken und am be- wusst verwinkelt angelegten Eingang ist die Mannschaft nicht wehrlos: In der Panzertüre ist eine Scharte für ein leichtes Maschinenge- wehr eingebaut und neben den beiden hinter- einander liegenden Stahltüren findet man eine armdicke runde Öffnung in Bodennähe. Hier wären einem Angreifer durch die Handgrana- tenschächte abgezogene Handgrana- ten 1917 entgegengekollert... Schau einmal nach unten! Das kleine Loch in der Betonwand ist die dritte von insgesamt sechs Auswurf- öffnungen für Handgranaten. Zum Schutz der Scharten dienten auch die Flan- kenschilde, jene oft mächtigen und immer ab- gerundeten Betonpfeiler seitwärts der Scharten. Sie sollen verhindern, dass eine gegnerische Waffe direkt auf die Scharte schiessen kann, und sich dabei selbst im toten Winkel der ange- griffenen Waffenstellung befindet. Eine Schwei- zer Bunkerwaffe kann auf jede Position schies- sen, aus der sie angegriffen werden kann. Der Operationsplan der deutschen Heeresgruppe C zur Besetzung der Schweiz vom 16. August 1940 zeigt, dass im Raum Eglisau-Rüdlingen die 260. Infanteriedivision mit damals 15'019 Mann zum Angriff bestimmt war. Mit Ortskenntnis der Angreifer war zu rechnen: Die 260er waren Badenser und Württemberger von jenseits der Grenze. Die Division hatte damals bereits Kriegserfahrung aus dem Westfeldzug. Sie wurde im Russlandfeldzug praktisch aufgerieben; nachdem über 13'000 Mann gefallen waren, löste sich der Verband am 5. Juli 1944 an der Beresina auf. Zur Panzerabwehr diente 1938 eine normale kleine Infanteriekanone mit Kaliber 4.7 cm auf einer Ständerlafette. Bei dieser Lafettenkon- struktion liegt der Drehpunkt des Geschützes genau in der Mitte der Panzerplatte. Damit kann die Öffnung für das Geschützrohr sehr klein gehalten werden, ohne dass die Bewe- gungsfreiheit des Geschützes eingeschränkt wird. Bei den rasch stärker werdenden Panze- rungen der deutschen Panzer während des Kriegsverlaufs ist bei Kriegsende das kleine Kaliber der Waffe schon ungenügend. Bereits 1950 und 1958 werden neue Panzerabwehr- geschütze Pak 9 cm 50/57 in Dienst gestellt, die mit ihren Hohlladungsgeschossen die Durchschlagskraft der alten Waffe mehrfach übertreffen. Beobachterstand Der Beobachter kontrolliert das Feuer von Pak und Mg links durch sein Ziel- fernrohr und korrigiert direkt über seine Sprechgarnitur. Sein Fernglas ist auf einer Lafette mit Panoramatafel montiert, die alle Ziele zeigt. Er sitzt lärmgeschützt in seinem kleinen Stand auf einem Velosattel. «Zürcher-Motor» Der in Neuenburg gebaute Petrolmotor der Marke «Zürcher» mit aufgeflansch- tem Generator war Standard in allen Infanteriewerken. Zum Anwerfen wurde er aus einem kleinen Tank mit Reinbenzin gespeist, bei vollen Touren- zahlen konnte man auf Petrolbetrieb umschalten. Das Maschinengewehr war die Hauptwaffe der meisten kleineren Bunker. Jede Waffenstellung war für das Blindschiessen bei Nacht und Nebel eingerichtet, aber auch gegen Angriffe mit chemischen Kampfstoffen und Flammenwerfern. Bei Tag half das grosse Zielfernrohr parallel zur Waffe, nachts wurde nach den telefo- nisch übertragenen Anweisungen des Beobachters und des Bunkerkommandanten mit Hilfe der Panorama- tafel geschossen. Der erfahrene Schütze verstand es, pro angegebenes Zielfeld einen Gurt Munition mit 200 Schuss gleichmässig zu verteilen. Links die Gasmaske mit Schlauchanschluss am Kollektivmaskenschutz KMS, Kopfhörer und Sprechgarnitur, darunter auf einer Konsole die Ersatz-Zielfernrohre und der Wechsellauf der Waffe. Mg-Tisch mit Gurtenfüllapparat und Munitionskistchen. Über der Waffe das beleuchtete Schiess- panorama, an der Wand Photopanorama und Schiesskarte mit blau markierten schusstoten Räumen. Die Waffe ist ein luftgekühltes Mg 51 mit einer Kadenz von 1'000 Schuss pro Minute. Bunkerkomfort: Ein Tisch, zwei Bänke, acht Liegestellen, ein Petrolkocher. Der Festungsweg Ebersberg verbindet drei Wehrbauten der wichtigsten Zürcher Festung aus der Zeit am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Das Ensemble ist seit 2004 ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung und wird von der Militär- historischen Stiftung des Kantons Zürich in Freiwilligenarbeit restauriert und gepflegt. Die Stiftung übernimmt vom Bund alle militärischen Baudenkmäler von nationaler Bedeutung und erhält sie für die Nachwelt. Dabei wird sie von ihrer Sponsorenvereinigung «Freundeskreis Militärgeschichte» unterstützt. Spenden an diese Kulturarbeit sind im Kanton Zürich steuerlich vollumfänglich absetzbar. Weitere Informationen im Internet unter www.festungen-zh.ch. Beschädigungen eines nationalen Baudenkmals durch Graffitti oder Einbruch- versuche erfüllen den Straftatbestand der Sachbeschädung nach Art. 144 StGB, die in schweren Fällen mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet wird. DHG 17

Festungsweg Ebersberg InfanteriewerkA5439«RüdlingenBrücke»

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Page 1: Festungsweg Ebersberg InfanteriewerkA5439«RüdlingenBrücke»

Festungsweg Ebersberg

Grafik: Lines & Dots GmbH, Fotos: Archiv MHS ZH und C.+Z. Hanzek, Goldach, Texte und Bildauswahl: Felix Nöthiger

Festungsweg EbersbergDu stehst hier in der unteren Hälfte des Festungsweges Ebersberg bei der zweiten Informationstafel.Hinunter durch die Weide führt Dich der Weg in fünf Minuten zur Brückenverteidigung und zur erstenInformationstafel. Und nach zehn Minuten bergwärts gelangst Du vor die Geschützscharten des einzigenZürcher Artilleriewerkes. Entlang dieser Scharten kommst Du zum Beobachterstand 1 des Werkes mit derdritten Informationstafel.

Nach Westen führt der Weg in noch einmal zehn Minuten hinauf zum Aussichtspunkt «Tüfels Chanzle»,unter dem im Sandstein der heute verschüttete Stollen des Artilleriebeobachtungspostens liegt.

Die Schiesskarte der Panzerab-wehrkanone unseres Bunkerszeigt nicht nur Schussrichtungund Schussdistanzen, sondernmit den blau kolorierten Flä-chen auch die «schusstotenRäume», jene Zielgebiete also,in die wegen des Geländesnicht geschossen werden konn-ten. Sie zeigt uns aber auch dieNachbarwerke «Ziegelhütte»und Artilleriewerk «Rüdlingen»mit ihren schützenden Stachel-drahthindernissen und denSchusswinkeln ihrerWaffen.

Für eilige Leser...Du stehst hier mitten in einer wichtigen Abwehr-stellung der Schweizer Armee im Zweiten Weltkrieg.Die Sperrstelle am zürcherischen Ebersberg trägt etwasirreführend die Bezeichnung «Sperrstelle Rüdlingen»,das «Artilleriewerk Rüdlingen» liegt aber nicht imschaffhausischen Rüdlingen, sondern in der ZürcherGemeinde Berg am Irchel. Der Bunker, vor dem Dustehst, ist ein Infanteriewerk mit Panzerabwehrkanoneund zwei Maschinengewehren. Sein Name war zu-gleich sein Auftrag: «Rüdlingen Brücke». Zusammenmit dem darüber liegenden Artilleriewerk und zweiKampfbauten am Rheinufer bildet er ein militärischesEnsemble, das seit 2004 als Baudenkmal von nationa-ler Bedeutung eingestuft ist. Es wird von der Militär-historischen Stiftung des Kantons Zürich in Freiwilligen-arbeit restauriert und gepflegt.

Das Infanteriewerk hatte drei verschiedene Aufgaben:

• Sichern der wichtigen Rheinbrücke bis zurSprengung, Sicherstellen der Brückensprengung.

• Verhindern der Baues einer feindlichen Notbrückeund von feindlichen Übersetzaktionen.

• Schutz des Gegenwerkes A 5441 «Ziegelhütte»im Angriffsfall.

Auch im Kalten Krieg behielt die Sperrstelle noch langeihre Bedeutung. 1978 wurde das Artilleriewerk aufge-geben, weil unterdessen ein Angriff auf den Zielraumim Feuerbereich dreier moderner Festungsminenwerfermit einer mehrfach gesteigerten Wirkung lag. DerBunker aber diente bis 1995 der Sicherung der Brückeund der Sicherstellung einer Sprengung.

Schliesslich wurde ja noch 1988 eine russische Panzer-karte gedruckt, auf der die Rüdlinger Brücke mit einemCode als panzergängig für russische Panzer T72 undT80 bezeichnet ist. Du findest diese Karte auf der Tafelbei der Brücke.

Unser Bunker steht seinerseits in der Feuerlinie desBunkers «Ziegelhütte», den Du bei gefallenem Laubam Rheinufer gut erkennen kannst.

Ein Bunker und dieWeltgeschichte1934Als nach der Machtübernahme Hiltlers zuneh-mend forschere Töne über den Rhein klingenund im «Reich» die Rüstung massiv vorange-trieben wird, reaktiviert die Armee das BBB,das «Bureau für Befestigungsbauten», das neueNormen für Kampfbauten und Hindernisse fest-legt. Schon 1934 rekognoszieren Genieoffi-ziere die kritischen Schwachstellen entlangder deutschen Grenze, auch die RüdlingerBrücke. Hier soll mit geschätzten Kosten von55'000.– Franken ein Werk mit einer 4.7cmInfanteriekanone gebaut werden.

1936Aber zuerst werden in Koblenz, in Eglisau, inFeuerthalen und Stein am Rhein die vier erstenKampfbauten zur Sicherung der wichtigstenRheinübergänge gebaut. Weil diese erstenFestungen am Vorabend des zweiten Welt-krieges allein auf sich gestellt sind und keineschützenden Gegenwerke haben, versieht mansie auf der feindabgewandten Seite mit vielenGewehrscharten zur Rundum-Verteidigung.

1938Die Spannung in Europa steigt. Am 11. März1938 marschieren deutsche Truppen in Öster-reich ein, am 20. Mai erlässt die Tschechoslo-wakei die Mobilmachung seiner Armee nachanhaltenden deutschen Gebietsforderungen.Doch am 29. September beugen sich dieAlliierten Westeuropas an der Konferenz vonMünchen den Kriegsdrohungen Hitlers, zweiTage später rollen deutsche Panzer in dastschechische Sudetenland. Nun werden diePläne für unseren Bunker endlich fertiggestellt.Am 24. November wird der Bau für 119'798.–Franken vergeben, sieben Tage später wirdschon mit dem Aushub begonnen. In Rekord-zeit wird durch den Winter hindurch ausge-hoben, geschalt und betoniert, am 27. Juni1939, zwei Monate vor Kriegsbeginn, wirdder Neubau abgenommen.

Nun werden rund um das Werk 7 – 12 Meterbreite Infanteriehindernisse mit Stacheldrahtgebaut, Telefonleitungen volltreffersicher in dreiMeter tiefen Gräben verlegt, die Waffen ein-geschossen und die Panoramen für das blindeSchiessen bei Nacht und Nebel gezeichnet.

1939Als sich Hitler nach seinem ersten Blitzkrieggegen Polen in der Adventszeit 1939 derPlanung des Westfeldzuges zuwendet, ist dasInfanteriewerk «Rüdlingen Brücke» abwehr-bereit, die Brücke geladen. Die Stahlträger derbeiden Panzerhindernisse in der Kantonsstrassebeidseits der Brücke liegen bereit zum Ein-stecken in ihre Schächte.

1940Noch deutlicher wird der General in seinemArmeebefehl vom 15. Mai 1940. Bei täglichneuen Nachrichten über die Niederlage derfranzösischen Armee bekräftigt er den Willender Armeeleitung zum unbedingten Wider-stand bis zum Letzten:

Ein typischesInfanteriewerkIn der militärischen Fachsprache ist ein I.W.,ein Infanteriewerk, eine Kampfbaute im Felsoder Beton, die mit Panzerabwehrkanonenund Maschinengewehren bewaffnet ist. Dazugehört auch ein eigener Beobachterstand, vondem aus die Feuerwirkung beobachtet unddas Feuer geführt werden kann.

Die Einrichtung im Infanteriewerk mag unsheute dürftig vorkommen. Aber verglichenmit den stromlosen Einzelbunkern am Rheinwar das Leben im Infanteriewerk geradezukomfortabel:

• Elektrischer Netzstrom• Notstrom mit einem Petrolmotorder Marke «Zürcher»

• Wasser vom Artilleriewerk «Rüdlingen»• Sogenanntes «Turco-Closett» mitSpülung und separater Lüftung

• Lüftung und Filteranlagestrombetrieben

• Kleiner Schlafraum für den Bunker-kommandanten

• Liegestellen und Aufenthaltsraumim Untergeschoss

• Kleine Küche mit Wasseranschluss,Petrolkocher und Ablufthaube

Rundherum wehrhaft...

Eingang

Hg-Auswurf

Mg 11 linksI.K. 4.7 cm

Beobachteroder Lmg

FlankenschildMg 11 rechts

WC

Schleuse

Notstrom-Generator

Leiterschachtzur Unterkunft

Notausstieg

Flanken-schild

0 1 2 3 4 5 Meter

Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» Grundriss ErdgeschossAlle typischen Merkmale des defensiven Festungsbaues sind vorhanden: Die Flankenschilde verhindern Feuerauf die Scharten aus schusstoten Räumen, der verwinkelte Eingang verunmöglicht den Direktbeschuss derPanzertüre. Neben den Auswurföffnungen über den Waffen gibt es auch drei Handgranatenschächte beimEingang und gar aus dem legendären «Turco-Closett».

Unterkunft VentilationKüche

Bunkerkdt

HgAuswurf

Pak 50/57

Beobachter Mg links Mg rechts Infotafel

0 1 2 3 4 5 Meter

Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» SchnittIm Untergeschoss Unterkunft, Kleinküche, Telefonzentrale und Ventilation. Durch die Gasschleuse beim Leiter-abstieg ist es möglich, das Untergeschoss immer frei von Kampfstoffen und eigenen Schiessgasen zu halten.Im Kampfraum des Erdgeschosses dagegen muss beim Schiessen die Schutzmaske getragen werden.

Fotopanorama der Panzerabwehrkanone 9 cm im Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» 1963Das an derWand befestigte Fotopanorama zeigt die gleichen Ziele, die auch auf der seiten- und höhenverkehrt montierten Panoramatafel über dem Geschütz markiert sind. Rot die Zone stehender Panzer jenseits der gesprengten Brücke. Sie wärendurch die Steckbarrikade in der Strasse an der Weiterfahrt gehindert worden – der ideale Moment, um auf kurze Distanz die feindlichen Panzer zu treffen. Grün die Ziele bei einem Übersetzmanöver. Die Zielfelder sind nummeriert, die einzelnenSchussziele im Feld mit einem Punkt markiert.Aussenbeobachter, Beobachter in denWerken, Schützen und Richter kannten die Nummern der Ziele ihrerWaffen auswendig – ein Nachschlagen wäre im Feuer des Gefechtes nicht möglich gewesen.

Infanteriewerk A 5439 «Rüdlingen Brücke»

Das 2009 von der Militärhistorischen Stiftung des Kantons Zürich restaurierte Infanteriewerk A 5477 «Güetli»kontrollierte die wichtige Rheinbrücke Feuerthalen – Schaffhausen. Es gehört zu den ersten vier von über2200 Kampf- und Schutzbauten, die vor und während des Zweiten Weltkriegs gebaut wurden. Es ist wiedieses Infanteriewerk mit Maschinengewehr und Panzerabwehrkanone ausgerüstet und hat einen eigenenBeobachterstand. Die vier ersten auf sich allein gestellten Festungswerke von 1936 unterscheiden sich vonspäterenWerken durch ihre rückwärtigen Gewehrscharten für eine Rundum-Verteidigung.

1938Unser Bunker bleibt in Planung und soll zuerstals Anhängsel des hoch liegenden Artillerie-werks gebaut werden. Am 2. März 1938 wirdentschieden, dass der Standort des Werkes anden Fuss des Ebersberges genau in die Brük-kenachse verschoben wird. Aber die Idee derVerbindung der beiden Werke lebt weiter: So-wohl im Artilleriewerk im Ebersberg wie imUntergeschoss unseres Bunkers wird ein Stol-lenansatz erstellt für das spätere Anschliesseneines Verbindungsstollens. Er wird nie gebaut.

72 Jahre nach dem Bau wird das Infanteriewerk «Rüdlingen Brücke» als Baudenkmal 2008 restauriert:Rostschäden werden saniert, Graffitti entfernt, die Tarnbemalung mit den ursprünglichen drei Farbtönenrekonstruiert. Links der Schartendeckel für das Mg. r., das Maschinengewehr rechts, das rheinaufwärts wirkteund das Gegenwerk am Ufer schützte. Hinter der grossen Scharte in der Mitte stehen von links nach rechts:Maschinengewehr links, Beobachterstand, Geschützstand Panzerabwehrkanone. Ganz rechts das Auspuffrohrdes Petrolmotors für die Stromerzeugung.

Klare Befehle...Der Leutnant, die zwei Unteroffiziere und die29 Soldaten, die das Infanteriewerk, denLeichtstand an der Brücke und das Gegenwerk«Ziegelhütte» halten, haben im Spätherbst1939 einen klaren Auftrag. Der General lässtkeine Zweifel offen, was er von seinen Män-nern erwartet.

4. Oktober 1939 Operationsbefehl Nr. 2 desGenerals:

«Die Armee besetzt und hält eine Stellung vom Beckenvon Sargans über Wallensee – Linth – Zürichsee –Limmat – Bözberg – Hauenstein bis zum Gempen-plateau mit Schwergewicht zwischen Zürichsee undHauenstein. An der Grenze und zwischen Grenze undArmeestellung verzögern die Grenz- und Vortruppenden Vorstoss des Gegners nachhaltig. Die Besatzun-gen der an der Grenze und Abwehrfront gelegenenWerke und Stände leisten bis zur letzten PatroneWiderstand, auch wenn sie umgangen und vollstän-dig auf sich allein gestellt sind.»

Kein Absetzen, kein Rückzug. Halten. Kämpfen.Und kämpfend für die Divisionen an der zu-rückliegenden Armeestellung an Linth undLimmat Zeit gewinnen. Einen Tag, drei Tage.Damit sie einrücken und ihre Stellungen be-setzen können.

Operation«Tannenbaum»Nach dem Fall Frankreichs in Juni 1940 plantdieWehrmacht unter dem Decknamen «Opera-tion Tannenbaum» den Angriff auf die Schweiz,man rechnet für die Besetzung des Mittellan-des mit fünf Kampftagen. Als die Bedrohungschon fast zu Greifen ist, erhalten die Wehr-männer an der Grenze gestaffelt einen TagUrlaub, um sich von ihren Familien zu verab-schieden. Viele denken, es sei für immer...

Die ersten Angriffsplanungen gegen die Schweizdes Generalstabsoffiziers Rittmeister OttoWilhelm von Menges rechnet im August1940 mit einem Mittelbedarf von wenigenDivisionen. Diese Schätzungen des notwen-digen Angriffpotenzials werden laufend er-höht. Am 4. Oktober 1940 schätzt der deut-sche Generalstab den Truppenbedarf für denAngriff auf die Schweiz auf 18 bis 21 Divisio-nen! Ebenfalls bereit ist Mussolini mit 6 schonfest zugeteilten Divisionen. Am 18. Juni 1940hat er in München mit Hitler die Aufteilungder Schweiz in eine italienische und einedeutsche Zone vereinbart, auf den Angriffs-karten ist diese neue Staatsgrenze mit einemdicken Strich markiert.

Aber Hiltler hat im Moment keine zwanzigDivisionen für einen zähen Gebirgskampf zurVerfügung. Auch nach der verlorenen Luft-schlacht über dem Ärmelkanal steht ein gros-ser Teil der Wehrmacht in Nordwestfrankreichfür die Operation Seelöwe bereit, die Beset-zung Englands. Und während diese Truppenwarten, studiert Hitler bereits das Unter-nehmen Barbarossa, den Angriff auf dieSowjetunion, der seit dem 29. Juli 1940 untergrösster Geheimhaltung geplant wird.

Das Schicksal meinte es gut mit der Schweiz:Zwischen dem erst um Weihnachten 1940abgeblasenen Angriff auf England und demzuerst für Mai 1941 vorgesehenen Angriff aufdie Sowjetunion wäre es höchst unklug gewe-sen, über 20 Divisionen in einen als schwierigeingeschätzten Kampf gegen die 600'000Mann der Schweizer Armee einzusetzen. DieEinnahme der Schweiz wurde aufgeschoben –ein Spottvers der Landser erinnert daran:Die Schweiz, das kleine Stachelschwein, dasnehmen wir im Rückweg ein!

An zwei Fakten dieser glücklichen Fügunggibt es nichts zu rütteln: Der Kriegseintritt derUSA mit der massiven Rüstungshilfe an dieSowjetunion und der Eröffnung mehrererFronten banden der deutschen Wehrmacht soviele Armeen und Divisionen, dass ein Angriffauf die neutrale Schweiz immer unwahrschein-licher wurde. Und ebenso klar ist, dass ohnedie entschlossene Abwehrbereitschaft der ver-gleichsweise grossen Schweizer Armee imJuni 1940 die Schweiz einfach annektiert wor-den wäre. Wie Österreich, wie Dänemark, wiedie Niederlande. Reichsmarschall Göring hatteder Schweiz ja schon früher angedroht, er werde«die Schweiz mit der freiwilligen Feuerwehrvon Stuttgart heim ins Reich holen...»

Die Panzerabwehrkanone 9 cm Pak 50/57 liegt genau in der Brückenachse der Rüdlinger Brücke. Mit Ihren 2Kilogramm schweren Hohlladungsgeschossen hätte sie auch die verstärkten Panzerungen neuerer russischenTanks noch durchschlagen können. Die Einsatzdistanz auf stehende Ziele beträgt 800 Meter, reicht also biszur Geländekante Richtung Rafz. Der Richter fährt auf seinem Sitz die Bewegungen der Lafette mit, hat denBlick durch das Zielfernrohr und kann den Schuss durch Handzug oder Kniedruckschalter auslösen. Das Feuerwird geführt über Telefon, an derWand der Kopfhörer mit Kehlkopfmikrofon. Für das Blindschiessen bei Nachtverfügt die Waffe über eine Panoramatafel mit den wichtigsten Zielen. Kadenz: 10 – 12 Schuss pro Minute.

Und nach 1960 werden auch die alten undwassergekühlten Maschinengewehre von 1911in den Festungen durch das luftgekühlte Ma-schinengewehr 1951 ersetzt, dazu kommenEinrichtungen, die die Scharten gegen feind-liche Flammenwerfer abdichten.

Das Infanteriewerk schiesst mit der Panzer-abwehrkanone und dem Maschinengewehrlinks auf die Brücke und die Strasse vom Raf-zerfeld her, mit dem Maschinengewehr rechtsRichtung Gegenwerk «Ziegelhütte» und Rhein-ufer. Aber auch an den Flanken und am be-wusst verwinkelt angelegten Eingang ist dieMannschaft nicht wehrlos: In der Panzertüreist eine Scharte für ein leichtes Maschinenge-wehr eingebaut und neben den beiden hinter-einander liegenden Stahltüren findet man einearmdicke runde Öffnung in Bodennähe. Hierwären einem Angreifer durch die Handgrana-tenschächte abgezogene Handgrana-ten 1917 entgegengekollert...Schau einmal nach unten! Das kleineLoch in der Betonwand ist die drittevon insgesamt sechs Auswurf-öffnungen für Handgranaten.Zum Schutz der Scharten dienten auch die Flan-kenschilde, jene oft mächtigen und immer ab-gerundeten Betonpfeiler seitwärts der Scharten.Sie sollen verhindern, dass eine gegnerischeWaffe direkt auf die Scharte schiessen kann,und sich dabei selbst im totenWinkel der ange-griffenen Waffenstellung befindet. Eine Schwei-zer Bunkerwaffe kann auf jede Position schies-sen, aus der sie angegriffen werden kann.

Der Operationsplan der deutschen Heeresgruppe C zur Besetzung der Schweiz vom 16. August 1940 zeigt,dass im Raum Eglisau-Rüdlingen die 260. Infanteriedivision mit damals 15'019 Mann zum Angriff bestimmtwar. Mit Ortskenntnis der Angreifer war zu rechnen: Die 260er waren Badenser und Württemberger vonjenseits der Grenze. Die Division hatte damals bereits Kriegserfahrung aus dem Westfeldzug. Sie wurde imRusslandfeldzug praktisch aufgerieben; nachdem über 13'000 Mann gefallen waren, löste sich der Verbandam 5. Juli 1944 an der Beresina auf.

Zur Panzerabwehr diente 1938 eine normalekleine Infanteriekanone mit Kaliber 4.7 cm aufeiner Ständerlafette. Bei dieser Lafettenkon-struktion liegt der Drehpunkt des Geschützesgenau in der Mitte der Panzerplatte. Damitkann die Öffnung für das Geschützrohr sehrklein gehalten werden, ohne dass die Bewe-gungsfreiheit des Geschützes eingeschränktwird. Bei den rasch stärker werdenden Panze-rungen der deutschen Panzer während desKriegsverlaufs ist bei Kriegsende das kleineKaliber der Waffe schon ungenügend. Bereits1950 und 1958 werden neue Panzerabwehr-geschütze Pak 9 cm 50/57 in Dienst gestellt,die mit ihren Hohlladungsgeschossen dieDurchschlagskraft der alten Waffe mehrfachübertreffen.

BeobachterstandDer Beobachter kontrolliert das Feuervon Pak und Mg links durch sein Ziel-fernrohr und korrigiert direkt überseine Sprechgarnitur. Sein Fernglas istauf einer Lafette mit Panoramatafelmontiert, die alle Ziele zeigt. Er sitztlärmgeschützt in seinem kleinen Standauf einem Velosattel.

«Zürcher-Motor»Der in Neuenburg gebaute Petrolmotorder Marke «Zürcher» mit aufgeflansch-tem Generator war Standard in allenInfanteriewerken. Zum Anwerfenwurde er aus einem kleinen Tank mitReinbenzin gespeist, bei vollen Touren-zahlen konnte man auf Petrolbetriebumschalten.

Das Maschinengewehr war die Hauptwaffe der meisten kleineren Bunker. Jede Waffenstellung war für dasBlindschiessen bei Nacht und Nebel eingerichtet, aber auch gegen Angriffe mit chemischen Kampfstoffenund Flammenwerfern. Bei Tag half das grosse Zielfernrohr parallel zur Waffe, nachts wurde nach den telefo-nisch übertragenen Anweisungen des Beobachters und des Bunkerkommandanten mit Hilfe der Panorama-tafel geschossen. Der erfahrene Schütze verstand es, pro angegebenes Zielfeld einen Gurt Munition mit 200Schuss gleichmässig zu verteilen. Links die Gasmaske mit Schlauchanschluss am Kollektivmaskenschutz KMS,Kopfhörer und Sprechgarnitur, darunter auf einer Konsole die Ersatz-Zielfernrohre und der Wechsellauf derWaffe. Mg-Tisch mit Gurtenfüllapparat und Munitionskistchen. Über der Waffe das beleuchtete Schiess-panorama, an der Wand Photopanorama und Schiesskarte mit blau markierten schusstoten Räumen. DieWaffe ist ein luftgekühltes Mg 51 mit einer Kadenz von 1'000 Schuss pro Minute.

Bunkerkomfort:Ein Tisch, zwei Bänke, acht Liegestellen,ein Petrolkocher.

Der Festungsweg Ebersberg verbindet drei Wehrbauten der wichtigsten ZürcherFestung aus der Zeit am Vorabend des Zweiten Weltkrieges. Das Ensemble istseit 2004 ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung und wird von der Militär-

historischen Stiftung des Kantons Zürich in Freiwilligenarbeit restauriert undgepflegt. Die Stiftung übernimmt vom Bund alle militärischen Baudenkmälervon nationaler Bedeutung und erhält sie für die Nachwelt. Dabei wird sie von

ihrer Sponsorenvereinigung «Freundeskreis Militärgeschichte» unterstützt.Spenden an diese Kulturarbeit sind im Kanton Zürich steuerlich vollumfänglichabsetzbar. Weitere Informationen im Internet unter www.festungen-zh.ch.

Beschädigungen eines nationalen Baudenkmals durch Graffitti oder Einbruch-versuche erfüllen den Straftatbestand der Sachbeschädung nach Art. 144 StGB,die in schweren Fällen mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet wird.

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