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2 Studienergebnisse Führung von multiprofessionellen und multikulturellen Teams März 2013 Gabriel Wüst Inhaltsverzeichnis 1. Management Summary 2 2. Ausgangslage 3 3. Zielsetzungen der Befragung 3 4. Methodik und Untersuchungsgruppe 3 5. Studienergebnisse 4 5.1 Erfolgsfaktoren eines multiprofessionel- len und –kulturellen Teams 4 5.1.1 Organisatorisch-strukturelle Erfolgs- faktoren 5 5.1.2 Interpersonelle Erfolgsfaktoren 6 5.1.3 Individuelle Erfolgsfaktoren 6 5.2 Blockaden und Spannungsfelder in mul- tiprofessionellen und –kulturellen Teams 7 5.2.1 Persönlichkeitsbezogene Faktoren 7 5.2.2 Ziel- und Interessensdivergenzen 7 5.2.3 Kulturelle Unterschiede 7 5.2.4 Profession / beruflicher Hintergrund 7 5.2.5 Sprache 8 5.3 Wie werden Herausforderungen bewäl- tigt und welche Hilfsmittel stehen dafür zur Verfügung? 8 5.3.1 Gemeinsame Werte 8 5.3.2 Einheitliche Methodologie 9 5.3.3 Führung 9 5.3.4 Personalauswahl 9 5.3.5 Briefing/Debriefing 9 5.3.6 Informelle Kontakte 9 5.3.7 Direkte Kommunikation und gemein- same Lösungssuche 9 5.3.8 Übergeordnete Instanz zur Unter- stützung bei der Problemlösung 10 6. Erkenntnisse 10 Anhang: Liste der befragten Unternehmen 13

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Studienergebnisse

Führung von multiprofessionellen und multikulturellen Teams

März 2013

Gabriel Wüst

Inhaltsverzeichnis

 

1. Management Summary 2

2. Ausgangslage 3

3. Zielsetzungen der Befragung 3

4. Methodik und Untersuchungsgruppe 3

5. Studienergebnisse 4

5.1 Erfolgsfaktoren eines multiprofessionel-len und –kulturellen Teams 4

5.1.1 Organisatorisch-strukturelle Erfolgs-faktoren 5

5.1.2 Interpersonelle Erfolgsfaktoren 6

5.1.3 Individuelle Erfolgsfaktoren 6

5.2 Blockaden und Spannungsfelder in mul-tiprofessionellen und –kulturellen Teams 7

5.2.1 Persönlichkeitsbezogene Faktoren 7

5.2.2 Ziel- und Interessensdivergenzen 7

5.2.3 Kulturelle Unterschiede 7

5.2.4 Profession / beruflicher Hintergrund 7

5.2.5 Sprache 8

5.3 Wie werden Herausforderungen bewäl-tigt und welche Hilfsmittel stehen dafür zur Verfügung? 8

5.3.1 Gemeinsame Werte 8

5.3.2 Einheitliche Methodologie 9

5.3.3 Führung 9

5.3.4 Personalauswahl 9

5.3.5 Briefing/Debriefing 9

5.3.6 Informelle Kontakte 9

5.3.7 Direkte Kommunikation und gemein-same Lösungssuche 9

5.3.8 Übergeordnete Instanz zur Unter-stützung bei der Problemlösung 10

6. Erkenntnisse 10

Anhang: Liste der befragten Unternehmen 13

       

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1. Management Summary

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine explorative Befragung von Führungskräften, Projektleitenden und HR-Spezialisten aus 26 erfolgreichen, hauptsächlich international ausgerichteten Unternehmen, Kultur- und Forschungsin-stitutionen, zwei Spitälern und einem Ver-band. Ziel der Befragung war es, Beson-derheiten von multiprofessionellen und –kulturellen Teams bezüglich Erfolgsfakto-ren, Spannungsfeldern und deren Hand-habung zu eruieren.

Als wesentlich für den Erfolg solcher Teams wird auf der organisatorisch-strukturellen Ebene die Zusammenset-zung, die Ziel- und Ergebnisorientierung, Klärung der Interessen, Verantwortlichkei-ten und Kompetenzen sowie klare Struktu-ren, Abläufe und Prozesse genannt. Auf der Ebene der Zusammenarbeit sind die Art der Kommunikation, Spielregeln, Teamspirit und gegenseitiges Vertrauen die zentralen Erfolgsfaktoren. Schliesslich werden auf der individuellen Ebene die Sozial- und Selbstkompetenz – im Spezi-ellen die interkulturelle Sensitivität - , die Arbeitshaltung und intrinsische Motivation als erfolgswirksame Elemente erwähnt.

Spannungen liegen hauptsächlich in per-sönlichkeitsbezogenen Faktoren wie un-terschiedliche Denkhaltungen, Wahrneh-mungen sowie in Ziel- und Interessendi-vergenzen begründet. Kulturelle Unter-schiede werden von den meisten Inter-viewteilnehmenden nicht als hauptsächli-che Stolpersteine gesehen. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass viele Mitarbei-tende in internationalen Unternehmen kul-turell sensibilisiert sind. Auch der berufli-che Hintergrund, bzw. die berufliche So-zialisation spielt in Bezug auf mögliche Spannungsfelder keine wesentliche Rolle.

Einzig eine zu starke Bezogenheit auf die eigene berufliche Fachexpertise kann für die multiprofessionelle Zusammenarbeit erschwerend wirken.

Zur Überwindung solcher Schwierigkeiten legen vor allem grosse Konzerne ihr Schwergewicht auf die Vermittlung und Verankerung bestimmter Werte in der Un-ternehmenskultur. Im Wesentlichen sind dies Werte wie Toleranz, Respekt und eine offene, transparente Kommunikation. In der Industrie und in grossen Beratungs-unternehmen schafft eine gemeinsame Methodologie wie z.B. ein einheitliches Projekt- oder Prozessmanagement den Grundstein für die professionsübergreifen-de Verständigung und beugt Differenzen vor. Ebenso sind die sorgfältige Personal-auswahl bei der Teamzusammensetzung, die aktive Klärung von Zielen, Interessen und der Zusammenarbeit zu Beginn der Kooperation wirksame, präventive Mass-nahmen. Grundsätzlich ist eine aktive Füh-rung, die transparente und direkte Kom-munikation unter Teammitgliedern für die Lösung von Schwierigkeiten ausschlagge-bend. Für den Fall, dass im Team keine gemeinsame Lösung gefunden wird, kann ein multiprofessionelles, unterstützendes Gremium auf höherer Funktionsstufe hilf-reich sein.

       

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2. Ausgangslage

In vielen Schweizer Spitälern und kran-kenhausnahen Institutionen ist in den letz-ten Jahren der Anteil an ausländischem Gesundheitspersonal stark gestiegen (2009: 36% der Gesamtbelegschaft sind Ausländer)1. Infolge Fachkräftemangels (bis 2020 werden zusätzlich 25‘000 Fach-kräfte benötigt2) werden die Organisatio-nen gezwungen sein, weiterhin viele Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutie-ren. Die multikulturelle Zusammensetzung der Arbeitsteams ist bereits heute Realität und die Thematik wird in den nächsten Jahren an Brisanz gewinnen.

Doch nicht nur die multikulturellen, son-dern auch die multiprofessionellen Her-ausforderungen haben aufgrund der enge-ren Zusammenarbeit des medizinischen Fachpersonals und der steigenden Kom-plexität in der Patientenversorgung zuge-nommen. Die Qualität der Patientenver-sorgung hängt somit in hohem Masse vom Funktionieren der multiprofessionellen Teamarbeit ab.

Für beide Herausforderungen – die zu-nehmend multikulturelle und multiprofessi-onelle Zusammenarbeit - gibt es bislang nur wenige Untersuchungen und Arbeits-modelle. Als einer der führenden Ausbil-dungsdienstleister von Führungspersonen im Gesundheitswesen nehmen wir uns dieser Thematik an und erhoffen uns mit dieser Befragung Impulse für die Entwick-lung von neuen Lösungswegen.

                                                                                                                         1 H.Jaccard, M.Widmer: Obsan-Bericht Nr. 39, Ausländi-

sches Gesundheitspersonal in der Schweiz, 2010  2    H. Jaccard, F. Weaver, M. Roth & M. Widmer: obsan

fact sheet, Gesundheitspersonal in der Schweiz – Be-standesaufnahme und Perspektiven bis 2020, Feb. 2009  

3. Zielsetzungen der Befragung

Diese Befragung hat den Charakter einer explorativen Studie, um Erfolgsfaktoren und Rahmenbedingungen für eine erfolg-reiche interdisziplinäre Zusammenarbeit bei multiprofessionellen und -kulturellen Teams zu eruieren. Sie soll

- aufzeigen, wie Organisationen aus verschiedenen Branchen erfolgreich multiprofessionelle und –kulturelle Teams führen.

- Anregungen geben zur Optimierung der multiprofessionellen und -kulturellen Zusammenarbeit im Ge-sundheitswesen.

- als Grundlage dienen für die Entwick-lung von entsprechenden Instrumen-ten und Gefässen.

- Impulse geben für inhaltliche Schwer-punkte des neuen Certificate of Ad-vanced Studies (CAS): ‚Führen von multidisziplinären Teams‘, welches Bestandteil des Masterstudiengangs Health Care Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) ist. wittlin stauffer ag führt die-ses Studium in Kooperation mit der HWZ durch.

4. Methodik und Untersuchungs-

gruppe

Wir haben von März bis November 2012 eine qualitative, mündliche Befragung mit Leitfragen zu drei Themenbereichen durchgeführt:

- Was zeichnet aus der eigenen Erfah-rung heraus ein erfolgreiches multi-professionelles und –kulturelles Team aus?

- Was blockiert oder behindert eine gu-te Zusammenarbeit?

       

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- Wie werden diese Herausforderungen überwunden und welche Hilfsmittel stehen dazu zur Verfügung?

Da es sich um eine qualitative Befragung handelt, lassen sich die Ergebnisse nicht mit statistischen Testverfahren auswerten.

Die Interviews wurden in 26 bekannten Institutionen und Firmen aus unterschied-lichen Branchen in der Schweiz durchge-führt: Diese reichen vom renommierten Sportverband über ein Kulturhaus, zwei Spitälern, Forschungsinstitutionen zu be-kannten nationalen und internationalen Unternehmen in der Industrie und Bera-tung, im Banken- und Versicherungssektor sowie im Hightech- und Softwarebereich (vgl. Anhang)

Bei den interviewten Personen handelt es sich vorwiegend um Führungspersonen und Projektleitende von multikulturellen und –professionellen Teams oder HR-Fachpersonen mit klarem Bezug zum un-ternehmensinternen Diversity Manage-ment.

Die Teamzusammensetzung der inter-viewten Personen variierte zwischen mul-tiprofessionell, multikulturell oder beides zusammen.

5. Studienergebnisse

Für eine einfachere Lesbarkeit der Stu-dienergebnisse werden in den folgenden Ausführungen die multiprofessionellen und – kulturellen Teams in neutraler Form als Teams erwähnt.

Vorab soll die Grundfrage geklärt werden, welche Rahmenbedingungen eine multi-professionelle Teamarbeit überhaupt not-wendig machen. Die Interviewteilnehmen-

den erachten folgende Entscheidungs-merkmale als sinnvoll:

- Art der Aufgabe oder Problemstellung: Komplexität, Innovation (Projekte)

- Ausprägung der bereichsübergreifen-de Aufgabenfelder

- Verzahnung / Abhängigkeiten mit ver-schiedenen Abteilungen

Multiprofessionelle Teams machen dem-entsprechend bei klar abgrenzbaren, pri-mär (bereichs-) internen Themen und/oder Aufgaben ohne wechselseitigen Abhän-gigkeiten mit anderen Bereichen wenig Sinn. Die multikulturelle Teamzusammenset-zung ergibt sich bei den befragten Unter-nehmen mehrheitlich aus der internationa-len Ausrichtung der Organisation (länder-übergreifende Zusammenarbeit).

5.1 Erfolgsfaktoren eines multiprofes-sionellen und -kulturellenTeams

Gemäss unserer Studie lassen sich Er-folgsfaktoren in drei Bereichen finden:

− Organisatorisch-struktureller Be-reich

− Interpersoneller Bereich (Zusam-menarbeit)

− Individueller Bereich (Persönlich-keit)

       

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Grafik1: Übersicht der genannten Erfolgsfaktoren

5.1.1 Organisatorisch-strukturelle Er-folgsfaktoren

Teamzusammensetzung Wichtig bei der Zusammensetzung ist es, eine gute Mischung zwischen Generalis-ten und Spezialisten zu finden. Damit sol-len sowohl die Weitsicht als auch die De-tailtiefe gewährleistet werden. Die Erfah-rungen zeigen, dass je grösser die Fach-expertise resp. die Spezialisierung eines Mitarbeitenden ist, desto realitätsnaher und detaillierter die Themenbehandlung; auf der anderen Seite desto grösser die Gefahr, sich auf eigene Positionen zu ver-steifen und andere Sichtweisen nicht zu-zulassen. Je nach Branche und Themen-gebiet werden Fachspezialisten nur punk-tuell in einem Projekt beigezogen. Ziel- und Interessensklärung Um zu einer gemeinsamen Zielausrichtung zu kommen, ist es zu Beginn der Zusam-menarbeit unerlässlich, die Ziel(e) und die Interessen der Teammitglieder zu klären

und abzustimmen. Dies wird transparent besprochen.

Verantwortlichkeiten und Kompetenzen Für die meisten befragten Personen be-dingt eine erfolgreiche Kooperation zu Beginn eine offene Klärung der Verant-wortlichkeiten und Kompetenzen. D.h. jedes Teammitglied kennt seinen Beitrag und seinen Entscheidungsspielraum hin-sichtlich der Zielerreichung. Strukturen, Abläufe und Prozesse Erfolgreiche Teams scheinen sich ganz nach dem Motto zu orientieren: Soviel Struktur wie nötig, sowenig wie möglich. Deshalb sind sie eher flach und schlank aufgebaut. Abläufe und Prozesse werden rasch Rou-tine und gleichzeitig wird die ‚best practise‘ laufend in die bestehende Prozessland-schaft eingebaut. Der Wissensaustausch findet dort statt, wo er sinnvoll ist und die Mitarbeitenden inspirieren sich gegensei-tig.

       

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Erfolgreiche Teams zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie die richtigen Perso-nen frühzeitig involvieren und bei Bedarf die Zusammenarbeit über die Teamgren-zen hinweg anstreben. Ergebnisorientierung Die stetige Ausrichtung auf das Erreichen der Ziele bzw. guter Resultate ist ein zent-rales Markenzeichen erfolgreicher Teams.

5.1.2 Interpersonelle Erfolgsfaktoren

Kommunikation Der Kommunikationsstil, der untereinander gepflegt wird, ist besonders erfolgsver-sprechend, wenn dieser offen, transpa-rent, direkt und empathisch erfolgt. Spielregeln Eine Besonderheit von erfolgreichen Teams ist die Akzeptanz und der konstruk-tive Umgang mit unterschiedlichen Mei-nungen. Diese werden gewünscht, denn die Erfahrung zeigt, dass tragfähige und innovative Ideen durch Meinungsverschie-denheiten begünstigt werden. Ein kom-promissgeprägtes Harmoniedenken wirkt dagegen eher hinderlich. Lösungen wer-den in erfolgreichen Teams gemeinsam gesucht und regelmässig hinterfragt. Dazu gehört auch, dass man sich gegenseitig Feedback gibt. Der Umgang mit Fehlern ist ein wichtiger Faktor in der Zusammenarbeit; erfolgrei-che Teams nutzen Fehler, um daraus zu lernen. Dies erfolgt in Form einer gemein-samen nachträglichen Reflexion im Sinne von: ‚Was ist passiert? Warum? Wie kön-nen wir solche Fehler in Zukunft vermei-den.‘ Spielregeln können auch auf formaler Ebene bezüglich des Umfangs der Sitzun-

gen, Präsentationen und der Korrespon-denz aufgestellt werden. Teamspirit In erfolgreichen Teams arbeiten Mitarbei-tende, die sich als Teil des Ganzen sehen und sich gegenseitig unterstützen. Zum Gefühl der Teamzugehörigkeit gehören ebenso Humor und Spass. Erfolge werden in diesen Teams gewürdigt und gefeiert. Gegenseitiges Vertrauen Das Vertrauen bildet die Basis für alle in-terpersonellen Erfolgsfaktoren. Ohne Ver-trauen keine Offenheit, ohne Offenheit kein freier Beziehungsfluss. Das gilt be-sonders für multiprofessionelle Teams, da die verschiedenen Berufsgruppen unter-schiedliche Aufgabenschwerpunkte und Blickwinkel haben. Wenn nun beispiels-weise der Einkäufer dem Produktentwick-ler misstraut und statt hochwertig-teures günstigstes, aber qualitativ schlechteres Material einkauft, kann sich dies verhee-rend auf das Endprodukt auswirken.

5.1.3 Individuelle (personale) Erfolgs-faktoren

Kompetenzen Soziale und persönliche Kompetenzen haben in diesen Teams eine noch grösse-re Bedeutung als in uniprofessionellen bzw. homogenen Teams und sind Grund-steine für eine erfolgreiche Zusammenar-beit. Grosse internationale Technologie-, Versi-cherungs- und IT-Firmen verlangen von Führungspersonen bei multikulturellen Projekten ausgeprägte personale und so-ziale Kompetenzen bezüglich der 'inter-personal awareness' bzw. eine hohe Aus-prägung der interkulturellen Sensitivität (Offenheit, Neugier und Respekt). Diese

       

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Kompetenzen werden bei der Personal-auswahl explizit geprüft. Arbeitshaltung Eine positive Arbeitseinstellung, Engage-ment und Freude an der Arbeit jedes ein-zelnen Mitglieds sind wesentlich und tra-gen massgeblich zu einem positiven Teamspirit bei. Untrennbar mit der Arbeitshaltung verbun-den, ist die eigene intrinsische Motivation. Nur wer sich mit dem Arbeitsinhalt identifi-zieren kann und sich gefordert (jedoch nicht überfordert) fühlt, kann seine Arbeit kraftvoll ausüben.

5.2 Blockaden und Spannungen in mul-tiprofessionellen und -kulturellen Teams

Die Häufung der genannten Blockaden und Spannungen in multiprofessionellen und –kulturellen Teams ergibt folgende Reihenfolge:

− Persönlichkeitsbezogene Faktoren

− Ziel- und Interessensdivergenzen

− Kulturelle Unterschiede

− Sprache

− Profession / beruflicher Hintergrund

5.2.1 Persönlichkeitsbezogene Fakto-

ren

In erster Linie sind weder der kulturelle noch berufliche Hintergrund der Mitarbei-tenden Ursache für Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit, sondern vielmehr per-sönlichkeitsbezogene Faktoren. Dazu ge-hören Unterschiedlichkeiten von Persön-lichkeiten, gegenseitige Sympathie/Anti-pathie, unterschiedliche Wertvorstellun-

gen, Denkweisen und Wahrnehmungen. Bestimmte Charaktereigenschaften wie Verschlossenheit, Drang zur Provokation oder eine bewahrende Grundhaltung sind prädestiniert für Schwierigkeiten im Team.

5.2.2 Ziel- und Interessensdivergenzen

Oftmals sind auch unterschiedliche Ziel-vorstellungen und Interessen verantwort-lich für Spannungen und Konflikte in ei-nem Team. Diese sind selten direkt sicht-bar, sondern zeigen sich erst, wenn sie direkt angesprochen und geklärt werden.

5.2.3 Kulturelle Unterschiede

Gerade in internationalen Grossunterneh-men sind Kulturunterschiede eher selten Stolpersteine, da die Mitarbeitenden durch ihre tägliche (internationale) Zusammen-arbeit kulturell sensibilisiert sind. Verein-zelt werden kulturspezifische Unterschiede bei internationaler Zusammenarbeit ge-nannt. Beispielsweise berichten Inter-viewpartner, dass Mitarbeitende aus dem asiatischen Kulturraum in der Regel sehr fleissig und diszipliniert arbeiten und ein ausgeprägtes Hierarchiedenken pflegen. Dies zeigt sich darin, dass Aufträge von Vorgesetzten mit allen möglichen Mitteln und Aufwänden erfüllt werden auch wenn diese nicht sinnvoll und verständlich sind. Europäer würden in diesen Fällen den Auftrag bzw. dessen Sinnhaftigkeit hinter-fragen. Weiter würden Unannehmlichkei-ten, Konflikte und unerfüllte Forderungen in asiatischen Kulturen eher indirekt oder nicht kommuniziert (möglicher Grund: ‚Ge-sichtsverlust‘). Dies wird von Inter-viewpartnern, -gerade bei Projektverzöge-rungen-, als herausfordernd erlebt.

       

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Die Interviewteilnehmenden empfehlen, die wichtigsten kulturspezifischen Gepflo-genheiten der Partner zu kennen, Rück-sicht zu nehmen, sich jedoch nicht gänz-lich anzupassen. Gerade die kulturtypi-schen Unterschiede werden vielerorts ge-schätzt. Sie bereichern die Zusammenar-beit.

Ein befragter HR-Spezialist meinte, dass seiner Erfahrung nach die Kulturdifferen-zen eher konfliktverstärkend wirken, die eigentlichen Ursachen jedoch eher in Inte-ressensdivergenzen oder Persönlichkeits-unterschieden begründet liegen. Er schil-derte eine Situation von einem portugiesi-schen Vorgesetzen, der einen Konflikt mit einem Schweizer Mitarbeiter hatte. Beim eigentlichen Konflikt ging es um die unter-schiedlichen Arbeitsstile – da jedoch der Portugiese von seiner Kultur her gewohnt war, Konflikte lautstark auszutragen, war der Schweizer überfordert und der Konflikt verschärfte sich.

5.2.4 Profession / beruflicher Hinter-

grund

Die Profession beziehungsweise der be-rufliche Hintergrund spielen selten eine Rolle bei Konflikten und Spannungen im Team. Dies tritt eher zutage in Form von unterschiedlichen Denkweisen / Herange-hensweisen und einer unterschiedlichen Terminologie bzw. Fachsprache. So zieht ein Interviewpartner einen Erfahrungsver-gleich heran: Ein junger Projektleiter mit wenig Erfahrung und wenig vertieftem, fachlichen Know-how hat mehr erreicht mit seinem Team als ein langjähriger, fachlich sehr versierter Projektleiter. Während der junge Projektleiter hoch motiviert sein Pro-jektteam moderierte, nahm der erfahrene Projektleiter ausschliesslich die Rolle des

Fachexperten ein, was für den gesamten Lösungsprozess eher hinderlich war.

5.2.5 Sprache

Bei internationalen Teams kann die Spra-che ein Stolperstein sein. So ist in interna-tionalen Grosskonzernen meistens Eng-lisch die offizielle Unternehmenssprache. Mitarbeitende mit englischer Mutterspra-che haben bisweilen wenig Verständnis für die Sprachschwierigkeiten anderer und dominieren die Teams. Dies ist vor allem für anderssprachige Vorgesetzte eine grosse Herausforderung.

5.3 Wie werden Herausforderungen

bewältigt und welche Hilfsmittel stehen dafür zur Verfügung?

Massnahmen wie Hilfsmittel können je nach Einsatz und Ausgestaltung präventi-ver oder akuter Natur sein, indirekt oder direkt wirken, alleinig oder flankierend an-gewendet werden. Nachfolgend sind die am häufigsten genannten Massnahmen bzw. Hilfsmittel aufgelistet, wobei die ers-ten beiden von einigen Interviewpartnern als am wichtigsten erachtet wurden.

− gemeinsame Werte

− einheitliche Methodologie

− Personalauswahl

− Führung

− Briefing/Debriefing

− Informelle Kontakte

− direkte Kommunikation und gemein-same Lösungssuche

− übergeordnete Instanz zur Unterstüt-zung bei der Problemlösung

       

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5.3.1 Gemeinsame Werte

In grossen Unternehmen, vor allem bei Banken, Versicherungen, IT- und High-tech-Firmen bilden gemeinsame Werte die Basis zur Minimierung und Lösung von Konflikten und Spannungen. Die Werte geben den Mitarbeitenden einen verbindli-chen, kulturellen Rahmen und haben sich als ‚code of conduct‘, oder ‚Verhaltens- und Ethikkodex‘ etabliert. Diese Kodizes beinhalten Werte wie Respekt, Vertrauen, Toleranz oder offene Kommunikation. Vermittelt werden sie in Einführungsver-anstaltungen, Führungsausbildungen oder kulturellen Sensibilisierungstrainings. Bei einigen Unternehmen müssen neue Mitar-beitende sogar vor Eintritt ihr schriftliches Einverständnis dazu abgeben. Zentral ist jedoch, dass diese Werte gelebt werden resp. Verstösse dagegen Konsequenzen haben. Während im Fussball die Konse-quenz ‚Ersatzbank‘ lautet, findet in einem Betrieb beispielsweise eine gemeinsame Analyse darüber statt, gegen welche Wer-te verstossen wurde, warum und wie es nun besser gemacht werden kann.

5.3.2 Einheitliche Methodologie

In Industrie- und Beratungsunternehmen ist ein einheitliches Instrumentarium für die Abwicklung von Projekten und die Ent-wicklung von Innovationen eine zentrale Grundlage für die Überwindung von Span-nungen und Konflikten. Diese einheitliche Methodologie verschafft den Mitarbeiten-den das gleiche Verständnis zu den Ar-beitsprozessen und hilft, allfällige Proble-me zu versachlichen.

In Industrieunternehmen spielen Qualitäts-richtlinien und interne Audits eine bedeu-tende Rolle bei der Versachlichung der Probleme und Schwierigkeiten. Gerade in

asiatischen Ländern wird der interne Audi-tor sehr geachtet und seine Optimierungs-vorschläge werden viel eher akzeptiert als die direkte Kritik vom Vorgesetzten.

5.3.3 Personalauswahl

Ein weiterer Faktor zur (präventiven) Mi-nimierung von Problemen in der Zusam-menarbeit ist eine optimale Zusammen-setzung und Auswahl der Teammitglieder. Dabei wird auf kooperationsrelevante Fak-toren geachtet wie z.B. persönliche, sozia-le und interkulturelle Kompetenzen.

5.3.4 Führung

Die Führungsperson spielt eine Schlüssel-rolle bei der Überwindung von Spannun-gen und Konflikten. Sie sollte die Mitarbei-tenden gut kennen und einschätzen kön-nen. Sie baut Vertrauen auf, gibt Feed-back, lebt Wertschätzung vor und fördert Toleranz bzw. lässt Intoleranz nicht zu. Weiter sorgt sie dafür, dass die Mitarbei-tenden den Kontext und das Ziel der Auf-gaben verstehen.

5.3.5 Briefing/Debriefing

Die Klärung zu Beginn der Zusammenar-beit hinsichtlich Auftrag, Zielen und Spiel-regeln, ebenso wie die Regelung der Ver-antwortlichkeiten und Kompetenzen sind nicht nur wesentliche Bestandteile des Teamerfolgs, sondern wirken auch prä-ventiv gegen allfällige Blockaden und Wi-derstände.

Ein Debriefing in Form einer Reflexion während oder nach der Zusammenarbeit wird für eine permanente Prozessoptimie-

       

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rung als sehr hilfreich empfunden. Obwohl sie eher selten zum Zuge kommt, wurden von den Interviewteilnehmenden aus-schliesslich positive Erfahrungen damit gemacht.

5.3.6 Informelle Kontakte

Der Stellenwert informeller Kontakte wird oftmals unterschätzt. Dieser hilft, Vertrau-en aufzubauen und schafft Verständnis für die Partner. Der gemeinsame Pausenkaf-fee oder - gerade im internationalen Um-feld -, ein Besuch am Arbeitsplatz des Kol-legen werden von einigen Interviewpart-nern sogar als wichtigster Faktor für den Aufbau von Vertrauen und gegenseitigem Verständnis genannt.

5.3.7 Direkte Kommunikation und ge-

meinsame Lösungssuche

Treten Schwierigkeiten bei Entscheidun-gen oder bei der Lösungsfindung auf, können Entscheidungskriterien definiert und Lösungsansätze nach diesen beurteilt werden.

Für eine erfolgreiche Überwindung von Hindernissen sind stets eine direkte, offe-ne und respektvolle Kommunikation aller Betroffenen und eine gemeinsame Lö-sungssuche unerlässlich.

Im Universitätsspital Zürich gibt es soge-nannte Boards, wo Ärzte verschiedener Fachdisziplinen gemeinsam Patientenbe-sprechungen vornehmen mit dem Ziel, ein für die Patienten optimales und ganzheitli-ches Behandlungskonzept zu finden.

Für vertrackte Situationen wenden Inter-viewpartner bisweilen auch unkonventio-nelle Methoden an wie z.B. am runden

Tisch die Beteiligten, solange ausharren lassen bis eine Lösung gefunden ist oder Mitarbeitende verschiedener Abteilungen ohne Vorgesetzte eine Lösung suchen zu lassen.

5.3.8 Übergeordnete Instanz zur Unter-

stützung bei der Problemlösung

Für zeitlich beschränkte Projektteams Können (sachbezogene) Uneinigkeiten über (Teil-)Ziele, Sachfragen, Ressourcen o.ä. im Projektteam nicht geklärt und be-reinigt werden, ist es sinnvoll, sich frühzei-tig mit dem Sachkonflikt an den Projekt-ausschuss zu wenden. Dieser gilt vieler-orts als wichtige Lösungsinstanz.

Für langfristige, institutionalisierte Arbeits-gruppen Bei einer permanenten, multiprofessionel-len Zusammenarbeit ist es hilfreich, ein abteilungsübergreifendes Gremium zu haben, das sich im Falle einer Proble-meskalation um die Lösungsfindung auf höherer Funktionsstufe befasst. So gibt es beispielsweise beim Airport Steering, wo viele Firmen bzw. Institutionen (Swissport, Zoll, Polizei, Technics, Swiss, Flughafen Zürich u.a.) partnerschaftlich und auf engstem Raum zusammenarbeiten, ein sogenanntes Seven-Day-Meeting: Füh-rungsverantwortliche treffen sich jede Wo-che, um Probleme, welche die Mitarbei-tenden untereinander nicht lösen konnten, miteinander zu klären und gelöste Prob-leme im Hinblick auf eine nachhaltige Ver-besserung der Zusammenarbeit zu reflek-tieren.

In all diesen Gremien existieren bestimmte Regeln wie z.B. die Fallführerschaft, Ent-scheidungsregeln oder der gegenseitige Umgang miteinander.

       

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6. Erkenntnisse

Für die Zusammensetzung von multipro-fessionellen und multikulturellen Teams spielen bei der Mehrheit der befragten Unternehmen der kulturelle und berufliche Hintergrund der Mitglieder eine unterge-ordnete Rolle. Dies liegt unter anderem daran, dass die meisten Mitarbeitenden für kulturelle Unterschiede sensibilisiert sind. Viel entscheidender sind persönliche Fak-toren wie Offenheit, Respekt und Tole-ranz. Erfolgreiche internationale oder kul-turell durchmischte Unternehmen legen daher grossen Wert darauf, Verbindlichkeit für Firmenwerte bei ihren Mitarbeitenden zu schaffen und diese aktiv im Betriebsall-tag zu verankern. Ein zentraler Wert für die Führung solcher Teams ist das gegen-seitige Vertrauen. Dieses wird in internati-onalen Teams vielfach durch informelle Kontakte und Besuche am Arbeitsplatz geschaffen.

Konflikte sind nach Meinung der Interview-teilnehmer selten in der Diversität (Unter-schiedlichkeiten in Kultur, Alter, Erfahrung etc.) begründet, sondern resultieren viel-mehr aus unterschiedlichen Zielen und Interessen der Mitarbeitenden. Kulturun-terschiede können aber konfliktverstär-kend wirken und werden dann vorder-gründig als Ursache herangezogen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die multipro-fessionelle und –kulturelle Zusammenar-beit ist die Klärung der Zielsetzungen, In-teressen und der Zusammenarbeit. Diese Aspekte spielen hier eine viel grössere Rolle als bei uniprofessionellen Arbeits-teams.

Eine gemeinsame Methodologie bzw. ein einheitliches Projekt-, Prozess- oder Quali-tätsmanagement sind vor allem in der In-dustrie wichtige Grundlagen für eine er-folgreiche Zusammenarbeit über verschie-denen Abteilungen und Berufsgruppen

hinweg. Sie schafft eine gemeinsame Sprache und hilft, Uneinigkeiten und Prob-leme auf der Sachebene zu minimieren.

Einige Unternehmen führen für Uneinigkei-ten und Konflikte ein übergeordnetes mul-tiprofessionelles Gremium, das von den Teams angerufen werden kann und diese im Problemlösungsprozess unterstützt.

Als sehr wertvoll für die Optimierung der Zusammenarbeit erscheint zu Beginn ei-nes Prozesses die Klärung über das Wie der Zusammenarbeit in Form eines Brie-fings und am Ende die Reflexion darüber in Form eines Debriefings. Obwohl nur selten angewendet, werden beide Instru-ment sehr positiv erlebt.

Zum Wie gehören neben klar definierten Spielregeln im interpersonellen Bereich ebenfalls die Transparenz der Entschei-dungsfindung bzw. die Klärung des Ent-scheidungsmodus (demokratisch, partizi-pativ, konsensorientiert oder vom Vorge-setzten gefällt). In internationalen Grossunternehmen wird bei der Rekrutierung von international ausgerichteten Positionen die interkulturel-le Sensitivität geprüft. Die Sensibilisierung für multikulturelle Zusammenarbeit wird weiter gefördert durch interne Angebote wie Mentoring (durch erfahrene Projektlei-tende), Vorträge (z.B. Mitarbeitende unter-schiedlicher Glaubensrichtungen stellen ihren Glauben und dessen Auswirkungen im täglichen Leben vor), Netzwerke und Schulungen. Aufgrund der durchgeführten und ausge-werteten Interviews haben wir ein Rah-menmodell entwickelt, welches den opti-malen Ablauf einer (neuen) Zusammenar-beit in multiprofessionellen und -kulturellen Teams beschreibt. Dieses Rahmenmodell kann als Checkliste verwendet werden,

       

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erhebt jedoch keinen Anspruch auf Voll-ständigkeit:

Grafik 2: Rahmenmodell und Ablauf einer multiprofessionellen, -kulturellen Teamführung

       

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Anhang: Liste der befragten Unternehmen

Projektleitende, Führungskräfte und HR-Fachpersonen aus folgenden Unternehmen wurden befragt:

- ABB Schweiz

- Airport Steering, Flughafen Zürich

- Alstom

- Axa Winterthur

- Bio Rad

- Bühler

- Case Management, Stadt Zürich

- Credit Suisse

- ETH Biologie

- Hilti

- Huber & Suhner

- IBM

- Inselspital Bern

- Mammut

- Mettler Toledo

- Microsoft Schweiz

- Opernhaus Zürich

- Phonak

- Paul Scherrer Institut (PSI)

- PricewaterhouseCoopers (PwC)

- Schweizerischer Fussballverband SFV

- Swisscom

- Syngenta International

- UBS

- Universitätsspital Zürich

- Zurich Versicherungen