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ABHANDLUNGEN Finanzierungstheoretische Analyse der Versicherungsunternehmen and Versicherungsmarkte Von Wolfgang Muller, Frankfurt a.M. Inhaltsubersicht 1. Problemstellung 2. Grundkonzepte der Finanzierungstheorie 2.1 Das Portefeuiiiemodell 2.1.1 Die Modellwelt der Portefeuilleentscheidungen 2.1.2 Die Auswahl offizienter Portefeuilles 2.1.3 Effiziente Portefeailles bei Existenz eines risikofreien Wert- papiers 2.1.4 Des Risiko eines Weri'papiers im Portefeuille 2.1.5 Analyse der Diversifikationswirkungen 2.2 Das Kapitalmarktmodell 2.2.1 Voraussefzungen des Capital Asset Pricing Model (CAPM) 2.2.2 Die Weripapierrendite im Marktgleichgewicht 3. Die Versicherungswirtschaf t im Lichte der Finanzierungstheorie 3.1 Interpretation der Versicherungsunternehmen als Finanzintermediare 3.2 Theoretische Grundlagen der Pramienkalkulation 3.2.1 Die These von den negativen Kosten der Kapitalbeschaffung 3.2.2 Empirische Befunde 3.3 Pramienkalkulation auf der Grundlage des Capital Asset Pricing Model 3.4 Kritik der finanzierungstheoretischen Ergebnisse zu Zeichnungsrendite and PrBmienkalkulation 3.4.1 Interpretation and Verzinsung der versicherungstechnischen Ruckstellungen 3.4.2 Eignung des Risikozuschlages nach dam CAPM zur Abgeltung des Zeichnungsrisikos 3.4.3 Prdmienkalkulation auf der Grundlage der CAPM-Formel 3.5 Weitere versicherungswirtschaftliche Anwendungen der Finanzierungstheorie 4. Zusammenfassung Literaturverzeichnis 54a Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 4

Finanzierungstheoretische Analyse der Versicherungsunternehmen und Versicherungsmärkte

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ABHANDLUNGEN

Finanzierungstheoretische Analyseder Versicherungsunternehmen and Versicherungsmarkte

Von Wolfgang Muller, Frankfurt a.M.

Inhaltsubersicht

1. Problemstellung

2. Grundkonzepte der Finanzierungstheorie

2.1 Das Portefeuiiiemodell

2.1.1 Die Modellwelt der Portefeuilleentscheidungen2.1.2 Die Auswahl offizienter Portefeuilles2.1.3 Effiziente Portefeailles bei Existenz eines risikofreien Wert-

papiers2.1.4 Des Risiko eines Weri'papiers im Portefeuille2.1.5 Analyse der Diversifikationswirkungen

2.2 Das Kapitalmarktmodell

2.2.1 Voraussefzungen des Capital Asset Pricing Model (CAPM)2.2.2 Die Weripapierrendite im Marktgleichgewicht

3. Die Versicherungswirtschaf t im Lichte der Finanzierungstheorie

3.1 Interpretation der Versicherungsunternehmen als Finanzintermediare

3.2 Theoretische Grundlagen der Pramienkalkulation

3.2.1 Die These von den negativen Kosten der Kapitalbeschaffung3.2.2 Empirische Befunde

3.3 Pramienkalkulation auf der Grundlage des Capital Asset PricingModel

3.4 Kritik der finanzierungstheoretischen Ergebnisse zu Zeichnungsrenditeand PrBmienkalkulation

3.4.1 Interpretation and Verzinsung der versicherungstechnischenRuckstellungen

3.4.2 Eignung des Risikozuschlages nach dam CAPM zur Abgeltungdes Zeichnungsrisikos

3.4.3 Prdmienkalkulation auf der Grundlage der CAPM-Formel

3.5 Weitere versicherungswirtschaftliche Anwendungen derFinanzierungstheorie

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

54a Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 4

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1. Problemstellung

Mit bemerkenswerter Deutlichkeit hat Schwebler (1983, S. 171) jungstdas geringe Interesse der Versicherungstheorie fur die aktuellen Pro-bleme der Kapitalanlagen der Versicherungswirtschaft beklagt. Tat-sachlich lielie sick leicht eine langere Liste finanzwirtschaftlicher Pro-bleme der Versicherungswirtschaft erstellen, deren Diskussion nichtselten an geeigneter theoretischer Fundierung leidet.

Diese Untersuchung kann keine fertigen Antworten auf diese Fragenanbieten. Sie mochte aber die Aufmerksamkeit auf eine theoretischeEntwicklung lenken, die moglicherweise einen Ansatz fur die leistungs-fahige theoretische Analyse der vielfaltigen Finanzierungsfragen bietet,die in den Versicherungsunternehmen and auf dem Kapitalmarkt auf-treten. Die Finanzierungstheorie hat bereits seit langerer Zeit einenwichtigen Platz in der Betriebswirtschaftslehre eingenommen. JungerenDatums and bislang weitgehend auf die Literatur in den USA be-schrankt sind dagegen die Versuche, die Finanzierungstheorie fur dieUntersuchung versicherungswirtschaftlicher Fragen nutzbar zu machen.Ausloser war auch dort ein aktuelles praktisches Problem. Im Rahmender Diskussion uber den angemessenen Gewinnzuschlag bei staatlichzu genehmigenden Pramien stellten einige Finanzierungstheoretiker dieBehauptung auf, daB versicherungstechnische Gewinne gleichbedeutendmit der Kapitalbeschaffung zu negativen Zinsen seien. Bei der finanzie-rungstheoretischen Analyse der Kalkulationsgrundlagen wird ein Mo-dell verwendet, das Kapitalanlage- and Zeichnungsgeschaft des Ver-sicherungsunternehmens integriert sowie ein spezifisches Risikokonzeptbenutzt. Das Ergebnis ist eine neue Kalkulationsformel, die offenbarvon den regionalen Aufsichtsbehorden der USA weitgehend akzeptiertworden ist. Neben der Pramienkalkulation sind inzwischen verschie-dene andere Versicherungsprobleme mit finanzierungstheoretischenModellen untersucht worden, so daB ein breites Anwendungspotentialder Finanzierungstheorie sichtbar wird.

Da die Finanzierungstheorie in der deutschen Versicherungsdiskus-sion bislang relativ wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, werden imfolgenden Abschnitt dieser Arbeit zunachst die wichtigsten Grundkon-zepte, Modelle and Ergebnisse der beiden zentralen Theoriebereiche,der Portefeuilletheorie and der Kapitalmarkttheorie, eingefuhrt. DasSchwergewicht liegt dabei auf den fur die Versicherung besonders re-levanten Fragen der Messung and Bewertung von Risiko sowie der Di-versifikation and Auswahl effizienter Wertpapierportefeuilles. In Ab-schnitt 3 wird die finanzierungstheoretische Interpretation der Ver-sicherungsunternehmen als Finanzintermediare am Kapitalmarkt ent-

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wickelt and sodann aus dieser Sicht das Problem der Pramienkalkula-tion untersucht. DiesemAnwendungsfall der Finanzierungstheorie wirdrelativ breiter Raum gewidmet, weil die Analyse dieses nicht nur inden USA aktuellen Problems am weitesten fortgeschritten ist. Zudemtreten hierbei einige zentrale Konzepte auf, die allgemein fur diefinanzierungstheoretische Analyse der Versicherungswirtschaft von Be-deutung sind. Sie werden einer ausfuhrlichen kritischen Diskussionunterzogen, in der die Aussagekraft der vorliegenden Ergebnisse imVersicherungskontext uberpruft wird. AuBerdem werden einige kurz-gefaf3te Hinweise auf weitere finanzierungstheoretische Untersuchun-gen von Versicherungsproblemen gegeben. Abschnitt 4 enthalt eineZusammenfassung der Untersuchungsergebnisse.

2. Grundkonzepte der Finanzierungstheorie

Untersuchungsgegenstand der Finanzierungstheorie sind sowohl dieKapitalmarkte, auf denen Wertpapiere angeboten and nachgefragt wer-den, als auch die Entscheidungen der auf diesen Markten handelndenInvestoren uber Finanzinvestitionen and FinanzierungsmaBnahmen.Diese beiden Problembereiche werden durch zwei verschiedene, frei-lich eng zusammenhangende Modellansatze dargestellt and analysiert.Mit Hilfe von Kapitalmarktmodellen wird versucht, die realen Bedin-gungen and Funktionszusammenhange von Kapitalmarkten zu be-schreiben and zu erklaren. Diese deskriptiven Modelle sind bereitsdurch zahlreiche empirisehe Untersuchungen uberpruft worden. Da-gegen sind die Modelle der Portefeuilletheorie, die das Entscheidungs-verhalten der Kapitalanleger untersuchen, normativer Natur. Es wirdvorausgesetzt, daB jeder Investor wirtschaftlich rationale Entscheidun-gen trifft. Gemeinsames Merkmal aller Modelle der Finanzierungstheo-rie ist die Beriicksichtigung der Tatsache, daB Investitions- and Finan-zierungsentscheidungen fast immer mit unvollstandigen Informationen,also unter Unsicherheit, getroffen werden mussen.

Sowohl fiir Kapitalmarkt- als auch fur Portefeuillemodelle liegenverschiedene Versionen vor, die sich insbesondere durch unterschied-liche Pramissen uber einzelne Markt- and Entscheidungsbedingungenunterscheiden. Die Finanzierungstheorie stellt sich also noch nicht alseine abgesicherte, geschlossene Theorie dar. Sie enthalt aber eineReihe von grundlegenden Konzepten and Aussagen, die inzwischenweitgehend akzeptiert and die teilweise auch bereits fur praktische In-vestitionsentscheidungen, insbesondere von institutionellen .Kapitalan-legern, verwendet werden. Die folgende Darstellung beschrankt sick

34a*

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auf solche Grundkonzepte der Finanzierungstheorie, die fiir ihre spatereAnwendung auf Versicherungsfragen als notwendig angesehen werden'.

2.1 Das Portefeuillemodell

Das von Markowitz (1952; 1959) entwickelte Portefeuillemodell gibtdie Entscheidungskriterien an, nach denen ein rational handelnder Ka-pitalanleger in optimaler Weise einzelne Wertpapiere auswahlt andein Wertpapierportefeuille zusammenstellt. Um angesichts der kom-plexen Vielfaltigkeit realer Entscheidungsprobleme zu generellen Aus-sagen caber die grundlegenden Zusammenhange zu kommen, wird imModell von einigen vereinfachenden Pramissen caber den Kapitalanle-ger, die Marktbedingungen and das Entscheidungsproblem ausgegan-gen. Die wichtigsten Pramissen sollen zunachst kurz erlautert werden.

2.1.1 Die Modellwelt der Portefeuilleentscheidungen

Von wirtschaftlich rational handelnden Entscheidern wird generellangenommen, daB sic das Ziel verfolgen, unter den moglichen Hand-lungsalternativen jene auszuwahlen, die den hochsten personlichenNutzen erwarten laBt. Diese allgemeine Zielformulierung laBt sich furKapitalanlageentscheidungen dahingehend konkretisieren, daB der In-vestor genau jene Wertpapiere auswahlen wird, durch die er sein Ver-mogen am Ende der Planungsperiode maximieren kann. Dies ist beigegebenem Anfangsvermogen gleichbedeutend mit dem Ziel, die Er-trage aus der Kapitalanlage, wozu Dividenden, Zinsen, Kursverande-rungen usw. gehoren, zu maximieren. Allerdings sind diese Ertrage imEntscheidungszeitpunkt nicht mit Sicherheit bekannt, so daB der Kapi-talanleger nur seine Erwartungen caber die kunftigen Anlageertragemaximieren kann. Zugleich muB er die Moglichkeit berucksichtigen,daB am Ende der Planungsperiode die Anlageertrage nicht genau denErwartungen entsprechen, also Abweichungen zwischen erwartetenand realisierten Ertragen auftreten. Die Gefahr derartiger Abweichun-gen ist das Risiko von Anlageentscheidungen bei unvollkommenen In-formationen. Fur das Portefeuillemodell wird generell unterstellt, daBKapitalanleger risikoscheu sind, also Abweichungen von ihren Er-tragserwartungen zu vermeiden versuchen. Uber das AusmaB der Ri-sikoscheu werden jedoch keine konkreten Annahmen gemacht. Dies

1 Umfassende Darstellungen der Finanzierungstheorie finden sich bei Fame(1976), Schneider (1980) sowie Sharpe (1981). Eine ausfuhrliche Einfuhrunggibt Rudolph (1979). Anwendungsmoglichkeiten der Portefeuilletheorie furdie Versicherungswirtschaft sind bereits von Zloch (1975) untersucht worden.Die nachfolgende Darstellung stutzt sich auf Fama (1976).

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hangt von der subjektiven Risikoeinstellung des individuellen Kapital-anlegers ab2 .

Das Portefeuillemodell geht, wie aurh das anschlieBend darzustel-lende Kapitalmarktmodell, von der Annahme aus, daB alle Wertpapier-geschafte von Kapitalanlegern auf einem vollkommenen Kapitalmarktabgewickelt werden. Das heifit insbesondere, daB jeder Kapitalanlegerjedes Wertpapier in beliebig teilbaren Mengen kaufen oder verkaufenkann, daB durch keinen einzelnen Investor der Preis der Wertpapierebeeinflult werden kann and daB keine Transaktionskosten, wie Pro-visionen, Courtagen usw., entstehen. Durch diese Pramissen werdendie Einfliisse des Marktes auf die Anlageentscheidungen allein durchdie Preise der Wertpapiere zum Ausdruck gebracht.

Schlielilich enthalt das Portefeuillemodell einige Annahmen, die derVereinfachung des Entscheidungsproblems des Kapitalanlegers dienen.Die bereits beschriebenen unsicheren Erwartungen uber den kunftigenErtrag eines Wertpapiers konnen durch die Interpretation des Er-trages als Zufallsvariable erfal3t werden. Diese Zufallsvariable kannverschiedene Werte annehmen, and fur jeden Wert lat3t sich eineWahrscheinlichkeit dafur angeben, daB gerade dieser Wert am Endeder Planungsperiode realisiert wird. Je nach semen Erwartungen uberden Eintritt bestimmter Faktorkonstellationen, wie Entwicklung desZinsniveaus oder der Auftragslage eines Unternehmens, wird der Ka-pitalanleger die verschiedenen moglichen Ertrage eines Wertpapiersmit hoheren oder niedrigeren Wahrscheinlichkeiten gewichten. Dadurchentsteht insgesamt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung uber die mog-lichen Ertrage eines bestimmten Wertpapiers. Generell wird angenom-men, daB die Wahrscheinlichkeitsverteilung fur die Ertrage jedes ein-zelnen Wertpapiers ebenso wie fur jedes Portefeuille von Wertpapierendurch Normalverteilungen dargestellt werden konnen. Da sich Normal-verteilungen mit Hilfe der beiden Parameter ,Erwartungswert" and,,Standardabweichung" bzw. „Varian" vollstandig beschreiben lassen,kann der Kapitalanleger seine Anlageentscheidung allein anhand die-ser beiden Parameter treffen. Sein Entscheidungsproblem reduziertsich also auf den Vergleich der verschiedenen Wertpapieralternativen

2 Fait man die einzelnen Entscheidungsziele, wie Ertragsmaximierung andRisikominimierung, in systematischer Weise zusammen, so entsteht die Ziel-bzw. Nutzenfunktion des Entscheiders. Bei risikoscheuen Entscheidern hatthese Nutzenfunktion stets einen konkaven Verlauf. Zur Vereinfachung derModellanalyse wird in der Portefeuilletheorie zumeist unterstellt, daB dieNutzenfunktion einen quadratischen Verlauf besitzt. Diese Pramisse gilt auchfur die folgenden Ausfiihrungen. Zur Kritik quadratischer Nutzenfunktionenbei Entscheidungen von Versicherungsunternehmen siehe FreifeIder (19761,S. 32 ff.).

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mit Hilfe ihrer Erwartungswerte and Standardabweichungens. Diesebeiden Parameter lassen sich zudern gut mit den beiden wichtigstenEntscheidungszielen des Investors in Einklang bringen. Der Erwar-tungswert des Wertpapierertrages dient dem Investor as MaBstab fursein Ertragsziel. Die Standardabweichung ist ein Indikator fur dieSchwankungen der Ertrage um den Erwartungswert. Sie kann mithinals MaB fur das Risiko4 eines Wertpapiers interpretiert werden and er-laubt dem Kapitalanleger ein Urteil daruber, inwieweit seine Risiko-vorstellungen erreicht werden.

2.1.2 Die Auswahl effizienter Portefeuilles

Da die Annahme normalverteilter Ertrage nicht nur fur einzelneWertpapiere, sondern auch fur Wertpapierportefeuilles gemacht wird,gelten die bisherigen flberlegungen gleichermafen fur das primarinteressierende Entscheidungsproblem des Aufbaus eines Portefeuillesdurch Kombination von Wertpapieren mit unterschiedlichen Erwar-tungswerten and Standardabweichungen. Fur dieses Entscheidungspro-blem laBt sich nun folgende Entscheidungsregel formulieren:

Risikoscheue Kapitalanleger werden nur solche Portefeuilles prafe-rieren, die bei einer gegebenen Standardabweichung den hochsten Er-wartungswert des Ertrages bringen and die bei gegebenem erwartetenErtrag die geringste Standardabweichung besitzen. Ein Portefeuille,das diesen beiden Bedingungen genugt, wird als effizientes Portefeuillebezeidhnet. Alternativ 1a13t sich auch sagen, daB ein Portefeuille danneffizient ist, wenn es kein anderes Portefeuille mit gleichem oder ho-herem Erwartungswert des Ertrages and niedrigerer Standardabwei-chung gibt.

Die schematische Darstellung dieser Entscheidungssituation (Abb. 1)zeigt im Koordinatenkreuz der beiden Entscheidungsparameter Erwar-

tungswert des Portefeuilleertrages, E (rP), and Standardabweichung,

a (ri), alle alternativen Portefeuilles, unter denen der Kapitalanlegerzu wahlen hat. Jeder Punkt in der Flache ABC reprasentiert einPortefeuille, das durch eine bestimmte Kombination von Erwartungs-wert des Ertrages and Risiko (Standardabweichung) charakterisiert ist.

3 Mit der Annahme, daB es sich um einen rationalen Entscheider handelt,ist auch impliziert, daB er diese Verteilungsparameter fur alle Wertpapieregenau ermitteln kann.

4 In der Literatur zur Finanzierungstheorie wird sowohl die Standard-abweichung, (a), als auch die Varianz, (a2), als allgemeines RisikomaB ver-wendet.

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Abbildung 1

E (r )p

0

erwarteterErtrag

B

A

Risiko (Standardabweichung) o(rP)

Es ist offensichtlich, daB die meisten der in der Flache ABC derAbb. 1 enthaltenen Portefeuilles nicht effizient im Sinne der oben for-mulierten Entscheidungsregel fur den risikoscheuen Kapitalanlegersind. Effiziente Portefeuilles liegen vielmehr nur auf dem positiv an-steigenden Ast der linken Begrenzung der Flache ABC, also auf derStrecke BC. Nur fur Portefeuilles auf diesemAbschnitt, der als effizien-ter Rand bezeichnet wird, gilt die Bedingung, daB es kein anderesPortefeuille mit gleichem oder hoherem Erwartungswert des Ertragesand niedrigerer Standardabweichung gibt.

Jedes Portefeuille auf dem effizienten Rand ist durch eine andereErtrags-Risiko-Kombination gekennzeichnet, wobei allgemein gilt, daBein hoherer Ertrag mit einem hoheren Risiko verbunden ist and viceversa. Aus der Menge der effizienten Portefeuilles muff der Kapital-anleger nun noch das subjektiv optimale Portefeuille auswahlen. Eswird vom Verlauf seiner Nutzenfunktion, die insbesondere seine Er-tragsziele and seine Risikoeinstellung erfalt, bestimmt. Die graphischeLosung dieses letzten Entscheidungsschrittes bei der Portefeuilleaus-wahl ist in Abb. 2 dargestellt. Hier ist nur nosh der effiziente Rand derMenge aller moglichen Portefeuilles angegeben. Die Kurven Ul bis U3sind beispielhafte Darstellungen der Nutzenbewertung von Ertrags-Risiko-Kombinationen durch einen Kapitalanleger.

Auf jeder dieser Kurven, von denen es in realen Entscheidungs-situationen wesentlich mehr geben kann, liegen alle Ertrags-Risiko-Kombinationen, die fur den Kapitalanleger den gleichen Nutzen brin-

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Abbildung 2

E (rP)

erwarteterErtrag

Risiko (Standardabweichung) a(rp )

gen, die, in anderen Worten, fur den Kapitalanleger nutzenindifferentsind. Das Nutzenniveau der verschiedenen Ertrags-Risiko-Kombinatio-nen ist um so hoher, je weiter die entsprechende Indifferenzkurve inAbb. 2 nach links oben verschoben ist, also U3 > U2 > U1. Folglich istdas optimale effiziente Portefeuille jenes, das auf der hochsten erreich-baren Indifferenzkurve liegt. In Abb. 2 ist das Portefeuille D optimal.

2.1.3 Effiziente Portefeuilles bei Existenz einesrisikofreienreien Wertpapiers

Die Auswahl des optimalen Portefeuilles aus der Menge der effizien-ten Portefeuilles lafit sick wesentlich vereinfachen, wenn die zusatz-liche Annahme in das Modell eingefuhrt wird, daB es ein risikofreiesWertpapier F mit dem sicheren Zinssatz rF gibt, das jeder Kapitalan-leger kaufen oder verkaufen kann. Der Kauf des risikofreien Wert-papiers entspricht einer sicheren Kapitalanlage, etwa in Schatzanwei-sungen oder auf einem Sparkonto; der Verkauf des risikofreien Wert-papiers ist dagegen als Kreditaufnahme zu verstehen. Mit Hilfe desrisikofreien Wertpapiers kann der Kapitalanleger sein Portefeuille ausrisikobehafteten and risikofreien Wertpapieren zusammensetzen anddadurch gunstigere Ertrags-Risiko-Kombinationen erreirhen, als siebislang durch den effizienten Rand gegeben waren. Die Portefeuille-alternativen, die das risikofreie Wertpapier eroffnet, sind in Abb. 3dargestellt.

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Abbildung 3

E(rP

erwarteterErtrag

r F

Risiko (Standardabweichung) a(;P)

Falls der Kapitalanleger aufgrund seiner Risikoeinstellung vorzieht,nur das risikofreie Wertpapier F zu erwerben, so wahlt er das Porte-feuille im Punkt rF. Will er dagegen nur in risikobehaftete Wertpapiereinvestieren, so kann er dies mit der Wahl des Portefeuilles G, das aufdem effizienten Rand liegt. J eder Punkt, der zwischen diesen beiden

Alternatives auf der Strecke rF G liegt, reprasentiert ein Portefeuille,das anteilig aus den Portefeuilles rF and G zusammengesetzt ist. DurchKreditaufnahme zum risikofreien Zins, rF, kann der Kapitalanlege r zu-dem Portefeuilles erreichen, die auf der Verlangerung der Strecke rF Gliegen, wenn er den Kredit fur eine entsprechend groBere Investitionin das Portefeuille G verwendet. Alle effizienten Portefeuilles liegen

nun auf der Geraden rF G and dominieren, mit Ausnahme des Punktes

G, die Portefeuilles auf der Kurve BC. Die erwarteten Ertrage and dasRisiko dieser effizienten Portefeuilles lassen sich wie folgt angeben:

(1) E (r2,) = a rF -I- (1 — a) E (r G)

(2) 6(r) _ (1- a) 6 (rG) , x 1.

Dabei bedeuten:

E (i): Erwartungswert des Ertrages des Portefeuilles p, ausgedruckt dutchdie Rendite rz, (die Tilde bezeichnet generell Zufallsvariable)

a: Anteil des gesamten Anlagekapitals, der in das Wertpapier F inve-stiert ist; bei Kreditaufnahme ist a < 0

rF : risikofreier Zinssatz des Wertpapiers F

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E (ii): Erwartungswert der Rendite des risikobehafteten Portefeuilles G

a (rz,): Standardabweichung der Rendite des Portefeuilles p

o (r0): Standardabweichung der Rendite des Portefeuilles G

2.1.4 Das Risiko eines Wertpapiers im Portefeuille

Es ist eine bekannte Tatsache, daB durch den zweckmaligen Aufbaueines Wertpapierportefeuilles die Risikosituation des Investors erheb-lich beeinfluBt werden kann. Das Portefeuillemodell ermoglicht diegenauere Analyse uber den Zusammenhang zwischen dem Risiko eineseinzelnen Wertpapiers and dem Portefeuillerisiko sowie uber die Wir-kungen der Diversifikation. Dabei wird, wie bisher, von der Normal-verteilung der Portefeuilleertrage ausgegangen, so daB die Wertpapiereand Portefeuilles durch die Erwartungswerte ihrer Renditen E (r), so-wie durch die Streuung der Renditen um die Erwartungswerte charak-terisiert werden konnen. Als StreuungsmaB wird im folgenden die Va-rianz der Renditen, a2 (r), herangezogen.

Allgemein stehen dem Kapitalanleger n verschiedene Wertpapierezur Verfugung, die mit i = 1, ..., n bezeichnet werden konnen. SeinePortefeuilleentscheidung besteht darin, den Anteil x; p zu bestimmen,mit dem jedes einzelne Wertpapier im Portefeuille p enthalten sein soll.Verschiedene Portefeuilles unterscheiden sich durch un terschiedliche

Anteile xap. Die Erwartungsrendite eines Portefeuilles, E (rn), ergibt s ich

aus der Summe der Erwartungsrenditen der einzelnen Wertpapiere, E (ri),die mit ihren Anteilen am gesamten Portefeuille, xz,, gewichtet werden:

(3) E (rp) _ ^}^l xip E (ri)

Der Beitrag des einzelnen Wertpapiers i zur Erwartungsrendite desPortefeuilles ist also xZ1, E (r;).

Bei der Ermittlung der Varianz des Portefeuilles ist zu berucksichti-gen, daB die Schwankungen der Wertpapierrenditen nicht immer un-abhangig voneinander auftreten, sondern teilweise in einem systemati-schen Zusammenhang stehen. Deshalb ist es erforderlich, die Abhan-gigkeit der Renditen zwischen jedem _We_rtpapierpaar i, j zu erfassen.Dies erfolgt durch die Kovarianz coy (r;, r,) = cij (wobei ai; die einfacheVarianz des Wertpapiers i bezeichnet). Die Varianz des Portefeuilles plaBt sich somit angeben mit

(4) o? (r7,) = E l fEl^x^^xip a^i .

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Um den Beitrag des einzelnen Wertpapiers zum Portefeuillerisiko her-auszuarbeiten, wird die Gleichung (4) umformuliert:

(5) 62 (rp) = xij Qijz=1 VVV=1

Daraus wird erkennbar, daB sich die gesamte Varianz des Portefeuilleszusammensetzt aus dem gewichteten Durchschnitt der Kovarianzen desWertpapiers i mit alien Wertpapieren im Portefeuille

n

(6) E xjp aii , i = 1, .. , nj=1

sowie den Anteilen xip, die jedes Wertpapier am Portefeuille besitzt.

Die im Ausdruck (6) angegebenen Kovarianzen des Wertpapiers iwerden als das Risiko des Wertpapiers i in bezug auf das Portefeuille pinterpretiert5 . Das gesamte Risiko des Portefeuilles p entsteht dannnach (5) als gewichteter Durchschnitt der mit den einzelnen Wertpapie-ren verbundenen Risiken.

Diese Form der Risikobestimmung fur ein Wertpapier in einemPortefeuille unterscheidet sich grundlegend von den iiblichen Risiko-konzepten. Das Wertpapierrisiko wird nicht mehr in absoluter Weisefur das einzelne Wertpapier ermittelt, sondern relativ zum Porte-feuille, in dem es enthalten ist. Da verschiedene Portefeuilles in ihrerZusammensetzung durch unterschiedliche Gewichte xip voneinanderabweichen, wird dementsprechend das Risiko eines Wertpapiers eben-falls unterschiedlich zu bewerten sein. Ob ein Wertpapier mit positiverVarianz fur ein bestimmtes Portefeuille einen positiven oder negativenRisikobeitrag leistet, hangt von der Zusammensetzung des Portefeuil-les ab.

2.1.5 Analyse der Diversifikationswirkungen

Der grundsatzliche Zusammenhang zwischen Wertpapier- and Porte-feuillerisiko ist seit langem bekannt and wird in der Form der Diver-sifikation zu nutzen versucht. Die Portefeuilletheorie bietet nicht nurein adaquates Risikokonzept an, sondern erlaubt auch die differenzier-tere Analyse der Vorgange, die bei der Diversifikation zur Risikoredu-zierung fiihren. Der gewichtete Durchschnitt der Kovarianzen -des Wert-papiers i in Ausdruck (5) enthalt auch den Fall i = j, also die Kovarianzdes Wertpapiers i mit sich selbst, die als Varianz aii = a2 (re) des Wert-papiers i zu verstehen ist. Die Differenzierung des Risikos des Wert-papiers i in bezug auf das Portefeuille p nach Varianz and Kovarianzenergibt sich durch Umformulierung von Ausdruck (6) in

5 Diese Darstellung des Wertpapierrisikos folgt Fama (1976, S. 242). In derFinanzierungsliteratur sind verschiedene Risikospezifikationen zu finden, diesich allerdings zumeist nur wenig voneinander unterscheiden.

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(7) GJ xj7, aij = xiP a2 (ri) + xj, 6ijj=1 j=1

j+i

Schon diese Darstellung laBt erkennen, daB tendenziell der Beitragder Varianz des Wertpapiers i zu seinem Portefeuillerisiko mit wach-sender Zahl n der Wertpapiere im Portefeuille abnimmt, da die Zahlder Kovarianz-Terme in (7) auf n — 1 zunimmt, wahrend die Varianzimmer nur mit einem Term vorhanden ist. Wesentlich genauer laBt sichdie Diversifikationswirkung einer wachsenden Zahl von Wertpapierenerfassen, wenn ein Portefeuille betrachtet wird, in dem N Wertpapiere

mit jeweils gleichem Anteil enthalten sind, so daB xip = 'NUnter dieser Voraussetzung laBt sich das gesamte Portefeuillerisiko

nach Gleichung (5) and unter Beruicksichtigung der Aufspaltung derWertpapierrisiken in Varianz and Kovarianz nach Gleichung (7) wiefolgt schreiben (vgl. Fama 1976, S. 251):

1 1 N _ 1 N N

(8) a (r) = [N iE1 62 + Nz i21 ,Ej ail

i+i

Bezeichnet man die in (8) enthaltenen Durchschnittswerte der Varianzmit

(9) a2 (ri) =— G, ci2 (ri)1-1

sowie der Kovarianz mit_ 1 NN

(10) aij = N (N —1)j+i

so ergibt sich fur das Portefeuillerisiko

1 N-1 —( 11 ) 62 (rp) = N a2 (ri) + N ail

Da der Faktor N — bei groBeren Werten von N nahe 1 ist, wird

deutlich, daB der Beitrag der Kovarianzen zum Portefeuillerisiko nurin unbedeutendem MaBe von der Anzahl der Wertpapiere im Porte-feuille abhangig ist. Dagegen nimmt der Beitrag der Varianzen derWertpapiere zum Portefeuillerisiko in umgekehrt proportionalem Ver-haltnis zur Anzahl der Wertpapiere N ab. Dies fuhrt bei wachsendemN sowohl zur Reduzierung des gesamten Portefeuillerisikos als auch zuabnehmenden relativen Anteilen der Varianzen am gesamten Porte-feuillerisiko.

Die theoretische Analyse ist durch empirische Untersuchungen besta-tigt worden. So hat Fama (1976, S. 245 ff.) fur zufallig zusammenge-

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stellte Aktienportefeuilles festgestellt, daB der Anteil der Varianzender Aktienrenditen am Gesamtrisiko von mehr als 80 0/0 bei N = 2 aufweniger als 10 0/o bei N = 50 zuruckgegangen ist. Zugleich ist das Ge-samtrisiko der Portefeuilles insbesondere bei den ersten 20 Wertpapie-ren drastisch gesunken. Diese Ergebnisse der Portefeuilletheorie ver-mitteln klare Vorstellungen von der Wirkungsweise des Diversifika-tionseffektes. Besonders wichtig erscheint die Erkenntnis, daB Diver-sifikation durch Erhohung der Anzahl der Wertpapiere im Portefeuillelediglich uber die Varianzen der Renditen wirksam ist.

Eine spezielle Form der Diversifikation ergibt sich, wenn angenom-men wird, daB zwischen den Wertpapierrenditen eines Portefeuilleskeine systematischen Schwankungszusammenhange bestehen, sie alsovollstandig unkorreliert sind. In diesem Falle sind die Kovarianzenaij in Gleichung (11) gleich null and das Portefeuillerisiko ist

(12) 62 (rp) = N 62 (ri)

oder

(13) a (Tp) = (ra)N ,

wenn Risiko durch die Standardabweichung gemessen wird. Bei grol3erZahl von Wertpapieren geht das Portefeuillerisiko gegen null.

Diese Form der Diversifikation wird in der Finanzierungstheorie alsdas ,Versicherungsprinzip" bezeichnet. In der Versicherungs- and Ri-sikotheorie wird die analoge Problemstruktur mit entsprechenden Vor-aussetzungen als ,Gesetz der grolen Zahl" behandelt (vgl. z. B. Brae/i1960, S. 27 ff.; Buhlmann 1970, S. 32 ff.) and der Diversifikationseffekthaufig als ,Ausgleich im Kollektiv" bezeichnet.

2.2 Das Kapitalmarktmodell

2.2.1 Voraussetzungen des Capital Asset Pricing Model (CAPM)

Das im vorigen Abschnitt dargestellte Portefeuillemodell ist jenerTeil der Finanzierungstheorie, der sich mit der Problemstellung be-faf3t, wie einzelne — private and institutionelle — Kapitalanleger opti-male Wertpapierportefeuilles auswahlen sollen. Auf der Grundlage derPortefeuilletheorie sind verschiedene Kapitalmarktmodelle entwickeltworden, deren Ziel es ist, die Funktionsweise des gesamten Kapital-marktes zu erklaren. Dadurch sollen insbesondere die Bedingungen derPreisbildung fur die Wertpapiere herausgearbeitet werden, deren Ver-standnis Voraussetzung fur zahlreiche theoretische and wirtschafts-politische Fragestellungen ist. Die folgende Darstellung beschrankt sich

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548 Wolfgang Muller

auf die wichtigsten Ergebriisse des von Sharpe (1964), Lintner (1965)

and Mossin (1966) konzipierten Kapitalmarktmodells, das unter der Be-zeichnung Capital Asset Pricing Model (CAPM) breite Akzeptanz ge-funden hat and auch fur die Untersuchung von Versicherungsmarktenzumeist verwendet worden ist.

Das CAPM geht im wesentlichen von den gleichen vereinfachendenModellpramissen aus wie das Portefeuillemodell, also rational han-delnde Kapitalanleger, vollkommener Kapitalmarkt and normalver-teilte Ertrage, die es ermoglichen, Wertpapiere and Portefeuilles durchdie Erwartungswerte and die Varianzen bzw. Standardabweichungenihrer Renditen zu charakterisieren. Autierdem wird die bereits disku-tierte Situation vorausgesetzt, daB es am Kapitalmarkt ein risikofreiesWertpapier F gibt, das zum Zinssatz rF Kapitalanlagen and Kreditauf-nahme erlaubt. Schliefilich werden die Informationsvoraussetzungender Kapitalanleger scharfer gefaft als in der Portefeuilletheorie. Eswird angenommen, daB alle Kapitalanleger die gleichen Kenntnissefiber die kunftigen Wertpapierertrage besitzen and somit uberein-stimmend die Menge der effizienten Portefeuilles anhand ihrer erwar-teten Renditen and ihres Risikos bestimmen konnen.

2.2.2 Die Wertpapierrendite im Marktgleichgewicht

Bei vollkommenem Markt pendeln sich die Preise der Wertpapiereso ein, daB sich Angebot and Nachfrage ausgleichen. Der Markt hatdann einen Gleichgewichtszustand erreicht. Mit Hilfe des CAPM wer-den die bei Marktgleichgewicht herrschenden Wertpapierkurse be-stimmt, wobei diese Kurse zumeist durch die Wertpapierrenditen, Ti,

reprasentiert werden. Das ist deshalb moglich, weil das CAPM ein Ein-Perioden-Modell ist, bei der der gegebene Anfangszustand einer Ent-scheidungsperiode mit dem kunftigen and deshalb unsicheren Endzu-stand verglichen wird. Die Differenz der Wertpapierkurse, bezogenauf deren Anfangskurse, ist dann die Wertpapierrendite.

Zur Bestimmung des Marktgleichgewichtes kann an die Darstellungin Abschnitt 2.1.3 angeknupft werden. Dort wurde gezeigt, daB beiExistenz eines risikofreien Wertpapiers alle effizienten Portefeuillesauf einer Geraden liegen, die durch zwei Punkte bestimmt ist (s. Abb. 3):den Zinssatz rF des risikofreien Wertpapiers and den TangentialpunktG mit dem effizienten Rand. Alle relevanten risikobehafteten Wert-papiere sind im Portefeuille G enthalten, and alle Punkte zwischen rFand G sind Kombinationen dieser beiden Portefeuilles. Der Anteil xdes Anlagekapitals wird in das risikofreie Wertpapier F and der An-teil (1 — x) in das riskante Portefeuille G investiert. Unter diesen Vor-aussetzungen kann ein Marktgleichgewicht nur erreicht werden, wenn

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers.-unternehmen und -markte 549

im riskanten Portefeuille alle auf dem Markt vorhandenen risikobehaf-teten Wertpapiere genau im Verhaltnis zu ihren Marktwerten enthal-ten sind. Dieses Portefeuille wird nun als Marktportefeuille M and dieStrecke rF M als Kapitalmarktgerade bezeichnet (Abb. 4).

Abbildung 4

erwarteteErtra

E(rP

E (r M

rF

c( r ) Risiko (Standard- a(rM abweichung) p

Die Kapitalmarktgerade ist mithin im Gleichgewicht der Ort allereffizienten Portefeuilles, and jeder Kapitalanleger wird aufgrund derAnnahme homogener Erwartungen entsprechend seiner Risikoeinstel-lung ein Portefeuille wahlen, das auf der Kapitalmarktgeraden liegt.

Da sich die Kapitalmarktgerade durch die Beziehung

(14) E (rp) = rF + E (6 (rM)rF) ci (rp)

darstellen laBt, wird fur alle effizienten Portefeuilles ein linearer Zu-sammenhang zwischen dem Erwartungswert der Portefeuillerendite,E (rp), and dem Portefeuillerisiko deutlich. Die Erwartungsrendite setztsich aus dem Zinssatz fur das risikofreie Wertpapier and einem Risiko-zuschlag zusammen, der proportional mit der Standardabweichung der

Rendite, a (rp), ansteigt. In analoger Weise 1al3t sich zeigen (s. z. B. Fama1976, S. 258 ff.), daB eine lineare Beziehung zwischen der Erwartungs-rendite eines einzelnen Wertpapiers i and seinem Risiko besteht. Dazu

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550 Wolfgang Muller

wird zunachst entsprechend dem oben entwickelten relatives Risiko-konzept das Risiko des Wertpapiers i, das im Marktportefeuille enthal-ten ist, in bezug auf das Risiko des Marktportefeuilles bestimmt:

coy (ry, TM)(15) ^ibt = 9 (rte)

Die Erwartungsrendite des Wertpapiers i ist dann

(16) E (ri) = rF -F [E (rx) — rF] J'a:x •

Sie setzt sich also ebenfalls aus dem risikofreien Marktzins, TF, andeinem Risikozuschlag zusammen, der aus der_Differenz zwischen dererwarteten Rendite des Marktportefeuilles, E (TM), and dem risikofreienZins, multipliziert mit dem relativen Risiko des Wertpapiers i, besteht.Der im Ausdruck (15) angegebene Beta-Faktor, fi2M, ist ein MaB fur denBeitrag des Wertpapiers i zum Risiko eines effizienten Portefeuilles.Der Beta-Faktor erfaBt die Ertragsschwankungen des Wertpapiers i imVerhaltnis zu den Ertragsschwankungen des Marktportefeuilles. Dem-entsprechend wird der Beta-Faktor auch als Marktrisiko oder systema-tisches Risiko des Wertpapiers bezeichnet. Dabei ist zu beachten, daB in(15) nur die Kovarianz des Wertpapiers i mit dem Marktportefeuilleberucksichtigt wird. Fur jedes effiziente Portefeuille gilt im Markt-gleichgewicht, daB es perfekt diversifiziert ist and damit die Varianzender einzelnen Wertpapiere null sind.

Das Capital Asset Pricing Model bestimmt also den Gleichgewichts-preis fur ein Wertpapier aus dem risikofreien Marktzins and einemRisikozuschlag, der, durch den Beta-Faktor, das vom Markt verursachtesystematische Risiko honoriert. Dieses Ergebnis impliziert, daB fur dasdiversifizierbare nicht-systematische Risiko vom Markt kein Risikozu-schlag gezahlt wird.

Der Erkenntnisstand der Finanzierungstheorie fiber Bedingungen,Wirkungsbeziehungen and Prozesse bei Kapitalanlageentscheidungenand Kapitalmarkten ist erheblich differenzierter, als durch dieseknappe Bestandsaufnahme der grundlegenden Konzepte and Ergeb-nisse vermittelt werden kann. Dennoch stellt sich die Frage, ob diestark vereinfachte Modeliwelt derKapitalmarkte, die auf verschiedenenwenig realistisch erscheinenden Pramissen aufbaut, sinnvolle and nutz-liche Einsichten iffier die realen Kapitalmarkte erlaubt. TheoretischeUberlegungen and mehrere groBe empirische Untersuchungen habenwiderspruchliche Ergebnisse gebracht, die aber insgesamt die grund-legenden Aussagen der Finanzierungstheorie nicht erschUttern konn-

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers.-unternehmen und -markte 551

tens. Zumindest kann gesagt werden, daB die Finanzierungstheorie ge-nauere Vorstellungen uber Kapitalmarkte and zweckmiiBige Finanz-entscheidungen eroffnet hat als andere Denkansatze zu diesem Pro-blembereich. Diese Einschatzung wird durch die Tatsache unterstutzt,daB finanzierungstheoretische Modelle zunehmend auch zur Losungpraktischer Probleme herangezogen werden, beispielsweise fur diestaatliche Preiskontrolle der offentlichen Betriebe (s. z. B. Pettway 1978)and der Versicherungswirtschaft.

3. Die Versicherungswirtschaft im Lichte der Finanzierungstheorie

3.1 Interpretation der Versicherungsunternehmen als Finanzintermediare

Die Einbeziehung der Versicherungswirtschaft in den Untersuchungs-bereich der Finanzierungstheorie liegt nahe, denn die Versicherungs-unternehmen (VU) gehoren zu den wichtigen Akteuren am Kapital-markt. Um jedoch nicht nur die Kapitalanlagefunktion der VU, son-dern such die mit dem technischen bzw. Zeichnungsgeschaft verbun-dene Kapitalbeschaffung zu erfassen, bedarf es einer besonderen Be-trachtungsweise.

Bei der Anwendung der Finanzierungstheorie auf VU werden dieseals Finanzintermediare interpretiert. Das sind Finanzunternehmen, andenen sich einzelne Kapitalanleger beteiligen, anstatt eigene Wert-papierportefeuilles zu bilden (vgl. Rudolph 1979, S. 1052). Bei dieserInterpretation der VU ist der AbschluB von Versicherungsvertragen alsVerkauf von Wertpapieren am Kapitalmarkt zu verstehen, die bedingteAnspriiche gegeniiber den VU begriinden. Die besondere Funktion derVersicherungs-Wertpapiere, die sie etwa von Anleihen oder Invest-mentanteilen unterscheidet, liegt in ihrer stark risikoreduzierendenWirkung fur den Kaufer, die sich aus ihrer negativen Korrelation mitdem Wertzustand der versicherten Vermogenspositionen des Kaufersergibt '(vgl. Haugen/Kroncke 1971). Die Einlosung der aus dem Wert-papierverkauf entstandenen Anspriiche erfolgt, nach Abzug der Ver-kaufs- and Verwaltungskosten, durch die Schadenszahlungen.

Fur das VU ist der Verkauf seiner Wertpapiere zugleich mit derBeschaffung von Kapital verbunden. Obwohl sich Versicherer grund-satzlich nicht mit Fremdkapital finanzieren durfen, ergibt sich doch ausder zeitlichen Struktur der Zahlungsstrome, daB das VU Kapital an-sammeln kann. Wahrend die Pramien aus dem Verkauf der Policen

6 Eine ausfuhrliche Diskussion empirischer Testverfahren und -ergebnissezum CAPM findet sich bei Fama (1976, S. 320 ff.). Eine Ubersicht, die auchauf Untersuchungen des deutschen Aktienmarktes hinweist, gibt Rudolph(1979, S. 1047 ff.).

35 Zeitschr. f. d. ges. Versicherungsw. 4

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552 Wolfgang Muller

dem Versicherer zu Beginn einer Vertragsperiode zuflieBen, treten dieSclhadensereignisse verteilt iffier die ganze Periode auf. Zudem liegtzwischen Schadenseintritt and Schadenszahlung nochmals ein mehroder weniger langer Zeitraum. In der Form der nicht verdienten Bei-trage sowie der nicht regulierten Schaden stehen dem Versicherer alsojederzeit bestimmte Pramienanteile zur Verfugung 7. Trotz stetigen Zu-und Abflusses an Pramieneinzahlungen and Schadenauszahlungen sam-melt sich ein Kapitalbestand dauerhaft an, dessen Hohe insbesonderevom Pramienvolumen sowie von der Regulierungsdauer der Schadenabhangt. Da die Regulierungsdauer stark spartenabhangig ist, schwanktdieser Kapitalbestand bei den einzelnen VU entsprechend der Zusam-mensetzung des Zeichnungsgeschaftes. Nach einer groben Faustregelwird der dauerhafte Kapitalbestand aus der zeitlichen Verschiebungder Zahlungsstrome des VU auf etwa eine Jahrespramie geschatzt 8 .

Dieses Kapital, das als Fremdkapital des VU betrachtet wird, kann derVersicherer zusammen mit seinem Eigenkapital zurAnlage am Kapital-markt verwenden. In seiner Rolle als Finanzintermediar tritt das VUalso auch als Kaufer von Wertpapieren am Kapitalmarkt auf.

Bei dieser Sicht der VU tritt der enge Zusammenhang zwischen ihremZeichnungs- and Anlagegeschaft deutlich zutage. Da sich beide Ge-srhaftsbereiche als risikobehaftete Wertpapierportefeuilles darstellenlassen, eignet sich die Finanzierungstheorie von der Konzeption her furdie integrierte Analyse bestimmter gesamtwirtschaftlicher and unter-nehmerischer Fragestellungen der Versicherungswirtschaft. Die Pra-missen der finanzierungstheoretischen Modelle werden bei ihrer An-wendung auf die Versicherungswirtschaft ubernommen. Versicherersind demnach prinzipiell rational handelnde Entscheider, die stets effi-ziente Portefeuilles auswahlen. Zeichnungs- and Anlageportefeuillesder VU lassen sich generell durch den Erwartungswert ihrer Renditensowie die Standardabweichung bzw. Varianz ihrer Renditen als Risiko-mas beschreiben. Die Versicherungsmarkte werden als vollkommeneMarkte angesehen, die den Gleichgewichtsanforderungen des CAPMentsprechen.

Gewisse Einschrankungen werden bei der Anwendung der Finan-zierungstheorie auf die Versicherungswirtschaft zumeist hinsichtlichder Versicherungszweige and der Rechtsformen der VU beachtet. Urn

T Zur ausfiihrlichen Erlauterung dieser Kapitalquellen s. z. B. Roy / Witt(1976, S. 58 ff.), Weiler (1980, S. 55 ff.) and Farny (1983, S. 400 f.).

8 Fair die Sachversicherer der USA hat Fairley (1979, S. 204) einen fiberalle Sparten gewichteten Durchschnitt fur die Jahre 1971 - 1975 in Hohe von80 % der Pramieneinnahmen angenommen. Farny (1983, S. 477) gibt als typi-sche Relation fur das derzeitige deutsche Schaden-/Unfallversicherungsge-schaft versicherungstechnische Riickstellungen brutto in Hohe von 130 % derBruttopramien an.

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers.-unternehmen und -markte 553

die Besonderheiten der Kapitalbildung in der Lebensversicherung zuvermeiden, werden nur Sachversicherungen im Sinne von Nicht-Lebens-versicherungen in die Untersuchung einbezogens. Die weitere Beschran-kung auf Versicherungs-Aktiengesellschaften ergibt sich aus der prak-tischen Tatsache, daB nur fur sie die Eigenkapitalrenditen anhand derAktienkurse beobachtet werden konnen. Eventuelle Unterschiede inden Zielfunktionen von Gegenseitigkeitsversicherern werden dagegennicht als prinzipielles Hindernis fur ihre Einbeziehung in die finan-zierungstheoretischen "Uberlegungen angesehen (s. z. B. Quinn! Waters1975, S. 429). SchlieBlich soil schon an dieser Stelle betont werden, daBdie Finanzierungstheorie durch die Darstellung der VU allein anhandihrer Zahlungsstrome notwendigerweise nur solche Fragestellungensinnvoll behandeln kann, die tatsachlich uberwiegend von Zahlungs-stromen gepragt werden. Wie nosh gezeigt werden wird, besitzt derrelevante Anwendungsbereich der Finanzierungstheorie erhebliches Ge-wicht. Mit dieser Feststellung soil nur darauf hingewiesen werden, daBInterdependenzen vor allem mit Produktions-, Absatz- and Organisa-tionsaspekten des VU bestehen, die in der Finanzierungstheorie nichtexplizit berucksichtigt werden.

3.2 Theoretische Grundlage der Pramlenkalkulation

3.2.1 Die These von den negativen Kosten der Kapitalbeschaffung

Die tYbertragung finanzierungstheoretischer Modelle, insbesonderedes CAPM, auf die Versicherungswirtschaft hat sich zunachst stark aufdas Problem der Pramienkalkulation konzentriert, das bis heute Ge-genstand der Mehrzahl aller relevanten Veroffentlichungen ist. Obwohldieses Interesse an der Pramienkalkulation durch eine spezielle Situa-tion in den USA and Kanada hervorgerufen worden ist, besitzt dieProblemstellung doch generelle theoretische and praktische Bedeu-tung. Ihre finanzierungstheoretische Analyse wird deshalb hier relativausfuhrlich behandelt and zugleich zum AnlaB fur einige kritischeUberlegungen genommen.

In den USA findet seit langerem eine intensive Diskussion uber dieZweckmaligkeit von Verfahren der Pramienkalkulation statt. DerGrund dafiir liegt in der Struktur der Versicherungsaufsicht der USA,die dezentral von den einzelnen Bundesstaaten durchgefuhrt wird andzu deren Aufgaben prinzipiell die Genehmigung aller Versicherungs-pramien gehort. Die Kontroverse uber die Pramienkalkulation entzun-det sick primar an der staatlichen Genehmigungspraxis, die keines-

9 Da in der Bundesrepublik die Krankenversicherung ,nach Art der Le-bensversicherung" betrieben wird, bedarf sie, wie die Lebensversicherung,einer gesonderten Betrachtung.

35.

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554 Wolfgang Muller

wegs einheitlich ist. Strittig ist vor allem, ob die Ertrage aus Kapital-anlagen in die Kalkulation einzubeziehen sind and in welcher Hoheden Versicherern ein versicherungstechnischer Gewinn zugestandenwerden soil (s. z. B. Haugen/Kroncke 1971; Fairley 1979). Finanzierungs-theoretiker haben in die Debatte vor allem unter zwei Gesichtspunk-ten eingegriffen: Zum einen erschien es ihnen aus theoretischen Grun-den hochst ungewohnlich, daB fur die Kalkulation der Versicherungs-pramien uberhaupt Gewinnzuschlage zugelassen werden; zum anderenglauben sie, mit Hilfe des CAPM Kalkulationsverfahren entwickeln zukonnen, die theoretisch besser begriindet and praktisch einfacher zuhandhaben sind als die bislang verwendeten Verfahren.

Die theoretischen Bedenken gegenuber einem Gewinnzuschlag aufdie Schaden- and Verwaltungskosten der VU folgen direkt aus derInterpretation der VU als Finanzintermediare. Wahrend andere Finanz-intermediare, wie Investmentgesellschaften, fur das Fremdkapital, mitdem sie ihre Kapitalanlagen finanzieren, Zinsen zahlen oder Gewinn-anteile ausschiitten, scheinen die Versicherer dieses Grundprinzip desKapitalmarktes zu durchbrechen. Sie kalkulieren einen Zeichnungs-gewinn and setzen ihn, soweit sie ein positives versicherungstechni-sches Ergebnis erzielen, auch am Markt durch. ,Sie zahlen folglich dasaufgenommene Fremdkapital, das sie selbst ertragsbringend anlegen,nicht vollstandig zuriick. Quirin and Waters (1975, S. 430) bezeichnendie Versicherungsnehmer, die bereit sind, Geld zu verleihen and denSchuldner dafur nosh zu bezahlen, als „the answer to a treasurer'sprayer". Tatsachlich laBt sich bei integrierter Betrachtung der Versiche-rungsgeschafte ein positives versicherungstechnisches Ergebnis als nega-tiver Zins auf das aus dem Zeichnungsgeschaft finanzierte Fremdkapi-tal iinterpretieren, das zudem einen Kapitalertrag abwirft. Im Sinne derFinanzierungstheorie kann allgemein von negativen Kasten (der Kapi-talbeschaffung gesprochen werden.

3.2.2 Empirische Befunde

Diese generelle These von den negativen Kapitalkosten der Ver-sicherer ist durch eine empirische Untersuchung von Quirin and Waters(1975) uberpruft and konkretisiert worden. Sie haben dabei die Ge-schaftsergebnisse der 25 grofiten kanadischen Sachversicherer fur dieJahre 1961 - 1971 ausgewertet. Zunachst wurde ermittelt, daB die kana-dischen Versicherer fur den Untersuchungszeitraum einen durchschnitt-lichen versicherungstechnischen Uberschul3, also einen Zeichnungsge-winn, in Hohe von 1,8'0/o der Pramieneinnahmen erwirtschaftet haben.Anhand dieses and weiterer empirischer Werte haben Quirin and Wa-ters (1975, S. 430 ff.) den Bereich moglicher Rendite-Risiko-Positionen

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers.-unternehmen und -markte 555

Abbildung 5

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Kapital-/ K N /gmarkt- /

linie / 1L Ln N

I `fl % /N^

8^24. / `:o

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a(rM ) Mkeine

12mien

rF E(r ) 12

M24

Erwartungswert der EK-Rendite (%)

fur das Eigenkapital der Versicherer errechnet. Die graphische Darstel-lung dieses Bereiches in Abb. 5 (nach Quinn! Wa ters 1975, S. 432)_zeigt

im Koordinatenkreuz von Erwartungsrendite, E (r), and Risiko, a (r), desEigenkapitals eine Kurvenschar, die auf der Grundlage der empiri-

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556 Wolfgang Muller

schen Daten durch Variation von zwei Entscheidungsparametern ent-steht:

— Jede einzelne Kurve reprasentiert ein bestimmtes Verhaltnis vonFremdkapital, P, zum Eigenkapital, K. Die aul3erste linke KurverF M steht fur die eher theoretische Grenzsituation, daB ein Ver-sicherer uberhaupt keine Pramien einnimmt and damit auch keinFremdkapital, sondern nur Eigenkapital fur Kapitalanlagen zurVerfugung hat. Die weiteren Kurven zeigen wachsende Verhaltnissevon Fremdkapital zu Eigenkapital.

— Jede der verschiedenen Kurven entsteht durch die Variation desVerhaltnisses risikobehafteter Kapitalanlagen, z. B. Aktien, zumEigenkapital. Jede Kurve beginnt bei einem Anteil von null derriskanten Anlagen am Portefeuille and zeigt dann die Wirkungenstetig steigender Anteile riskanter Anlagen auf die Rendite-Risiko-Position.

Die Untersuchung hat weiterhin ergeben, daB die weitaus grolteZahl (etwa 75 0/o) der beobachteten Versicherer tatsachlich Rendite-Risiko-Ergebnisse erzielt hat, die in dem in Abb. 5 dargestellten Mog-lichkeitsbereich liegen. Bei einer Kontrollgruppe von 21 Investment-fonds haben dagegen weniger als 30 0/ den Bereich der Abb. 5 erreicht.Schliellich wurde auch ermittelt (Quinn! Waters 1975, S. 437), daB dieungewohnlich gunstigen Rendite-Risiko-Positionen auf das Zeichnungs-geschaft der Versicherer zuruckgefuhrt werden mussen, denn beimAnlageergebnis allein zeigten sick keine bemerkenswerten Resultate.

Die besondere Bedeutung dieser empirischen Befunde wird erst imLichte des CAPM sichtbar. Nach diesem Modell kann die linke Kurverr M der Abb. 5 als Kapitalmarktgerade interpretiert werden, also jenerOrt, auf dem im Marktgleichgewicht alle effizienten Anlage-Portefeuil-les (s. Abschnitt 2.2.2) 10 liegen. Bei Marktgleichgewicht kann es jedochkein Portefeuille geben, dessen Rendite-Risiko-Positionen giinstiger alsdie der Kapitalmarktgeraden sind, also in Abb. 5 rechts von ihr liegen.Da Quinn and Waters empirisch ermittelt haben, daB der uberwiegendeTeil der kanadischen Sachversicherer tatsachlich die Kapitalmarkt-gerade iibertrifft, kann daraus die Moglichkeit der Versicherer gefol-gert werden, bei einer gegebenen Risikohohe eine wesentlich hohereKapitalrendite zu erzielen, als sie unter effizienten Marktbedingungenerreichbar ware and von anderen Kapitalmarktteilnehmern erreichtwird.

10 Gegenuber der Darstellung der Kapitalmarktgeraden in Abb. 4 sind inAbb. 5 die Koordinatenachsen vertauscht worden.

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers —unternehmen und -markte 557

Weitere empirische Untersuchungen der realisierten Zeichnungs-ergebnisse sind von Walter (1979) and Fairley (1979) durchgefuhrt wor-den. Die Befunde von Walter bestatigen weitgehend das Bild vonQuinn! Waters. Fur eine Stichprobe von 25 Versicherern, die uberwie-gend Sachgeschaft betreiben, hat er fur die Jahre 1966 - 1976 einendurchschnittlichen Zeichnungsgewinn von 1,6 a/o ermittelt and zudemeinen wesentlich hoheren Anstieg der Aktienkurse der VU festgestelltals ein umfangreicher Aktienindex (Standard and Poor's 500) erreichthat. Dagegen wurde von Fairley (1979, S. 206) fur einige Versicherungs-zweige (Auto, Hausrat and Arbeitsunfall) der Jahre 1956 -1975 eindurchschnittlicher Zeichnungsverlust von 4 O/o errechnet.

Zwar konnten fur diese empirischen Ergebnisse keine eindeutigenUrsachen ermittelt werden. Wahrend Walter seine Befunde mit Markt-ineffizienzen infolge der Versicherungsaufsicht and der Herausnahmeder Versicherungswirtschaft aus der Kartellaufsicht erklart, sehen Qui-rin and Waters eher in einem erhohten Ruinrisiko, das durch aufsichts-rechtliche Restriktionen geschaffen wurde, einen wichtigen Grund furdas Streben der Versicherer nach technischen Gewinnen. Fairleyschlief3lich sieht in semen Ergebnissen eine Bestatigung fur die Funk-tionsfahigkeit des Wettbewerbs auf den untersuchten Versicherungs-markten, da trotz kalkulierter Zeichnungsgewinne durchschnittlich Ver-luste realisiert warden sind. Es besteht jedoch Einigkeit, da13 ein theo-retisch abgesicherter MaBstab fur die Beurteilung des Pramienbedarfssowie empirisch beobachteter realisierter Zeichnungsergebnisse drin-gend benotigt wird.

3.3 Pramienkalkulation auf der Grundlage des Capital Asset Pricing Model

Die Verwendung des CAPM als theoretische Grundlage fur die Pra-mienkalkulation durch die Versicherungsaufsicht wird in erster Liniemit der Zielsetzung begrundet, dal3 die Auswirkungen der staatlichenPramienkontrolle auf die Funktionsfahigkeit der Versicherungsmarktemoglichst gering gehalten werden sollten. Zu hohe Pramien wirkensich nachteilig fur die Konsumenten aus, zu niedrige Pramien beein-trachtigen die Eigenkapitalausstattung der VU and das Angebot an Ver-sicherungsprodukten. Das CAPM wird trotz seiner teilweise starkrestriktiven Pramissen als geeigneter MaBstab fur die Pramienkontrolleangesehen, weil es fur die Situation des Marktgleichgewichtes angibt,welche Ertrage einschlieBlich der Risikozuschlage Kapitalanlegern ge-zahlt werden mussen, die ihre Mittel in risikobehaftete Wertpapiere,also Versicherungsaktien, investieren wollen.

In Gleichung (16) wurde die allgemeine Beziehung zwischen erwarte-ter Wertpapierrendite and Risiko nach dem CAPM dargestellt. Diese

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558 Wolfgang Muller

Gleichung ist, enter der Annahme, dal3 auch die Preise der Aktien vonSachversicherern von ihr bestimmt werden, Ausgangspunkt der Ablei-tungen des zu erwartenden Ergebnisses aus dem Zeichnungsgeschafteines VU. Inzwischen liegen zwar mehrere Ableitungsvarianten vor,die auch verschiedene Grade an Differenziertheit aufweisen (s. z. B.Joskow 1973; Biger/Kahane 1978; Fairley 1979), ihre Grundstrukturstimmt jedoch uberein. Im folgenden wird eine einfache Version wie-dergegeben (vgl. Biger/Kahane 1978, S. 122 ff.) and dann auf einigeErweiterungsmogIichkeiten hingewiesen. Es wird angenommen, daBder Versicherer nur einen Versicherungszweig betreibt, aus den ver-sicherungstechnischen Ruckstellungen einen Fremdkapitalbestand inHohe einer Jahrespramie zur Verfugung hat and dieses Fremdkapitalzusammen mit seinern Eigenkapital in Wertpapieren anlegt, die eine

durchschnittliche erwartete Rendite von rR erbringen. In diesem FalllaBt sich der unsichere Ertrag des VU, Y, fur eine Periode als Differenz(Summe) aus deco Ergebnis des Anlagegeschaftes and dem Verlust(Gewinn) des Zeichnungsgeschaftes

(17) Y= (K+P)r—Prz

schreiben.

Dabei bedeuten:

K: Eigenkapital des VU

P: Pramieneinnahmen des VU

ra : Kapitalanlagerendite netto fur eine Periode

r: Zeichnungsverlust (-gewinn) fur eine Periodeaus Schadenquote and Verwaltungskosten in Prozentder Pamieneinnahmen

Um die Rendite des Eigenkapitals, Ty = K , zu erhalten, ist der Aus-

druck (17) auf das Eigenkapital zu beziehen:

(18) ry=(I+Klra —Krz

Setzt man L = K and nimmt den Erwartungswert der Eigenkapital-

rendite, da es sich urn Planungswerte handelt, so ergibt sick

(19) E (re) = (1 + L) E (Ta) — L E (re).

Da das systematische Risiko in der Gleichgewichtsbeziehung (16) eingewichteter Durchschnittswert ist, laBt es sich auf das Anlage- andZeichnungsrisiko des VU aufteilen:

(20) Hunt = (1 + L) &M — L,lzM ,

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Finanzierungstheor. Analyse d. Vers.-unternehmen und -markte 559

wobei /aM das systematische Risiko des Anlageportefeuilles and PaM

das systematische Risiko des Zeichnungsportefeuilles angibt. Danachl'Bt sich die allgemeine Gleichgewichtsbeziehung (16) fur die hier be-trachtete Erwartungsrendite der Aktien eines Sachversicherers ange-ben mit

(21) E (r) = TF + [E (rM) — TF] [(I + L) NaM — L PzM]

Die Darstellung der Erwartungsrendite anhand ihrer Komponenten inGleichung (19) ist nun mit der Bestimmung der Erwartungsrenditenach der Gleichgewichtsbeziehung des CAPM in (21) gleichzusetzen:

(22) (1 + L) E (ra) — L E (rz) = rF + [E (i ) — TF] [(1 + L) PaM — L PaM]

Aus diesem Ausdruck ist der Erwartungswert des Zeichnungsergeb-nisses, E (re), zu ermitteln. Da auch fur das erwartete Anlageergebnisdie Gleichgewichtsbedingung

(23) E (Ta) = TF + [E (r') — rF] PaM

gilt, kann durch entsprechende Substitution fur den Ausdruck (22) ge-schrieben werden:

(24) (1 + L) [rF + (E (T M) — rF') &aM] — L E (rx)

=rF+[E(r%) — rF] [(1 +L)PaM — LPzM]

Aus dieser Gleichung ergibt sich durch einige Umformungen:

(25) E (rz) = rF + [E (iM) — rF] i'zM .

Diese Grundbeziehung fur die erwartete Zeichnungsrendite lalit sichstarker der Realitat annahern, indem Gewichtungsfaktoren fur meh-rere Versicherungszweige, ein Kapitalaufbringungsfaktor fur das Ver-haltnis Fremdkapital zu Pramieneinnahmen (s. z. B. Kahane 1979) andSteuersatze (s. Fairley 1979) eingefuhrt werden. Der Ausdruck (25) wirddann entsprechend komplexer, bleibt aber in seiner Struktur erhalten.

Rein formal gesehen kann das Ergebnis kaum uberraschen. Wenndas Zeichnungsgeschaft als ein Wertpapierportefeuille im Sinne derFinanzierungstheorie betrachtet wird, dann gilt fur den Erwartungs-wert der Rendite dieses Portefeuilles bei Marktgleichgewicht, was nachdem CAPM fur alle Wertpapier- and Portefeuillerenditen gelten muf3:Ihr Erwartungswert setzt sich aus dem risikofreien Marktzins andeinem Risikozuschlag zusammen, der proportional zum systematischenRisiko ist.

Freilich ist zu beachten, daB das erwartete Zeichnungsergebnis, Pre,in die Verhaltensgleichung (17) mit negativem Vorzeichen eingefuhrtwarden ist. Das Ergebnis der Gleichung (25) ist also von der erwarteten

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560 Wolfgang Muller

Anlagerendite abzuziehen, sofern nicht fur das systematische Zeich-nungsrisiko, fZ,u, ein hoher negativer Wert anzusetzen ist. Da die Schat-zungen fur fZM eher im Bereich um null liegenll, ist das Ergebnis derGleichung '(25) gleichbedeutend mit einem versicherungstechnischenVerlust.

Aus dem CAPM folgt bei Pznc - 0, daB im Marktgleichgewicht jedesVU einen Zeichnungsverlust erleiden wird, dessen Hohe etwa beim ri-sikofreien Marktzins liegt. Bei der Kalkulation der Versicherungspra-mien auf der Grundlage des CAPM ist demnach ein Verlust in dieserHohe vorzusehen.

Entsprechende Empfehlungen fur die Pramienkalkulation zum Zweckeder staatlichen Pramienkontrolle sind von Vertretern der Finanzie-rungstheorie in den USA bereits vor einigen Jahren abgegeben andoffenbar auch von den Aufsichtsbehorden akzeptiert worden (s. insb.Fairley 1979, S. 193 f.). Die Verwendung des CAPM bei der Pramien-festsetzung durch die Aufsicht in den USA ist inzwischen weit verbrei-tet (s. Michel/Norris 1982, S. 628). Die Frage scheint nicht mehr zu sein,ob auf der Basis des CAPM die angemessenen Zeichnungsrenditen derVersicherer bestimmt werden sollen, sondern nur nosh, wie ihr syste-matisches Zeichnungsrisiko genau and zuverlassig ermittelt werdenkann12. Der Vorzug der Pramienkalkulation auf der Basis des CAPMwird nicht nur in ihrer theoretischen Fundierung, sondern auch in ihrergrol3eren Objektivitat gesehen. Die Bestimmungsgleichung (25) hangtnicht von •der tatsachlichen Zusammensetzung des Anlageportefeuillesoder dem realisierten Kapitalertrag des einzelnenVU ab, so daB schwie-rige Ermittlungen and Berechnungen erspart bleiben.

SchlieBlich sei,.noch auf einige weitergehende SchluBfolgerungen ausdieser finanzierungstheoretischen Analyse des Zeichnungsgeschafteshingewiesen. Die bkonomische Interpretation der Zeichnungsrenditenach Gleichung (25) scheint eindeutig zu sein (vgl. Fairley 1979, S. 201;Kahane 1979, S. 235). Das erste Glied der rechten Seite, der risikofreieMarktzins rF, soil die indirekten Zinszahlungen angeben, die das VU inForm einer ermaBigten Pramie an die Versicherten fur die temporareUberlassung des Fremdkapitals zahlt. Das VU hat nun keine negativenKosten der Kapitalbeschaffung mehr, sondern muB sick, wie jeder an-dere Finanzintermediar, sein Fremdkapital zu positiven Kosten be-

11 Quinn l Waters (1975, S. 431) nehmen fur das systematische Zeichnungs-risiko einen Wert von null an, and Biger / Kahane (1978, S.130) kommen auf-grund einer empirischen Untersuchung zum gleichen Wert. FairZey (1979,S. 204) hat einen Wert von — 0,21 empirisch ermittelt, durch den jedoch dasnegative Vorzeichen von (25) nicht geandert wird.

12 Zu den methodischen Schwierigkeiten bei der Schatzung des systema-tischen Zeichnungsrisikos ^ZM siehe Michel/Norris (1982).

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schaffen. Das zweite Glied auf der rechten Seite von (25) wird als Ri-sikozuschlag fur das systematische Risiko des einzelnen Versicherungs-vertrages verstanden. Kahane (1979) hat vorgeschlagen, diesen Aus-druck als generelles Risikomal3 fur individuelle Risiken in die Risiko-theorie einzufuhren and es anstelle der bislang verwendeten Risiko-mal3e, wie Standardabweichung, Varianz, Streuungskoeffizient u. a. (s.z. B. Brae/3 1960; Bilhimann 1970; Berliner 1976), fur die Berechnungvon Risikozuschlagen heranzuziehen. Kahane stiltzt sich dabei auf dasrelative Risikokonzept Eder Finanzierungstheorie (s. Abschnitte 2.1.4 and2.2.2), wonach das Risiko eines einzelnen Wertpapiers, also auch einesVersicherungsvertrages, immer nur an dem Beitrag gemessen werdenkann, den es zu dem Portefeuille leistet, in dem es enthalten ist. DieserBeitrag wird durch den Beta-Faktor gemessen, so daB in Abhangigkeitvom Vorzeichen von Beta ein Risikozuschlag, aber auch ein Risikoab-schlag kalkuliert werden sollte. AuBerdem sollte der Risikozuschlagentsprechend dem objektiven Marktpreis fur eine Risikoeinheit, derdurch die Differenz zwischen Erwartungsrendite des Marktportefeuillesand risikofreiem Zinssatz, also E (TM) — rF, bestimmt wird, and nichtnach subjektiven Vorstellungen der VU bemessen werden (vgl. Kahane1979, S. 236).

3.4 Kritik der 8nanzierungstheoretischen Ergebnissezu Zeichnungsrendite and Pramienkalkulation

Die finanzierungstheoretische Perspektive bei der Untersuchung vonversicherungswirtschaftlichen Fragestellungen fuhrt zu einigen deut-lichen Abweichungen gegenuber herrschenden theoretischen Auffassun-gen and praktischen Verfahrensweisen. Diese Feststellung ist schon andieser Stelle moglich, obwohl nur die Anwendung des CAPM auf einenbegrenzten Problembereich dargestellt and das weitere Potential derFinanzierungstheorie fur Versicherungsprobleme nosh nicht betrachtetworden ist. Da bislang allein die finanzierungstheoretische Analyse derZeichnungsrendite and der Pramienkalkulation in der Literatur relativweit vorangetrieben worden ist and praktische Relevanz gewonnen hat,wahrend fur andere Anwendungsbereiche nur vereinzelte Untersu-chungen vorliegen, wird die kritische Auseinandersetzung auf die obendargestellten Konzepte and Ergebnisse konzentriert.

Zunachst erscheinen nosh einige aligemeine Bemerkungen zur Finan-zierungstheorie, insbesondere zum Kapitalmarktmodell (CAPM), ange-bracht. Es wurde oben (s. Abschnitt 2.2.2) bereits darauf hingewiesen,daB die Finanzierungstheorie and ihre verschiedenen Modelle wegenteilweise recht restriktiver Pramissen nicht unumstritten sind. Vielesspricht jedoch dafur, data die Finanzierungstheorie zumindest fur eine

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Reihe wichtiger Fragestellungen in den Bereichen der Finanzentschei-dungen and der Kapitalmarkte eine hinreichende Annaherung an dieRealitat ist and niitzliche Ergebnisse bringt.

Deshalb soil im folgenden keine Fundamentalkritik an den Pramis-sen der Finanzierungstheorie geubt, sondern gepruft werden, ob dieVersicherungsmarkte zu jenen Bereichen gehoren, in denen mit Hilfekapitalmarkttheoretischer Konzepte and des CAPM sinnvolle and nutz-liche Erkenntnisse gewonnen werden konnen.

Zu diesem Zwecke werden folgende Fragen untersucht:

— Ist die Interpretation der versicherungstechnischen Riickstellungenals Fremdkapital der VU sinnvoll and seine Verzinsung in Hohe desrisikofreien Marktzinses begriindet?

— Ist der nach dem CAPM ermittelte Risikozuschlag als Produkt aussystematischem Zeichnungsrisiko and Marktpreis des Risikos ge-eignet, das Risiko der VU aus dem Zeichnungsgeschaft adaquat ab-zugelten?

— Kann die Kalkulation der Versicherungspramien sowie die staatlichePramienkontrolle auf der Grundlage der CAPM-Formel fur die er-wartete Zeichnungsrendite erfolgen?

3.4.1 Interpretation and Verzinsung derversicherungstechnischen Rilckstellungen

Die Behandlung der versicherungstechnischen Riickstellungen alsFremdkapital, die aus der Interpretation der VU als Finanzintermediarefolgt, and die -damit verbundene Verzinsung dieses Kapitalbestandessind keine grundsatzlich neuen Vorstellungen. Allerdings ist die gene-relle Beriicksichtigung von Kapitalertragen bei der Pramienkalkulationin der Sachversicherung recht umstritten. Die Versicherer sehen in denErtragen aus der Fremdkapitalanlage sowie in kalkulierten Zeich-nungsgewinnen eine Art stiller Reserve, mit der unerwartet hoheSchadens- and Verwaltungskosten aufgefangen werden sollen. Teil-weise bieten diese Ertragskomponenten auch Verhandlungsspielraumbei starkem Preiswettbewerb. In einigen Sparten der Sachversiche-rung allerdings erfolgt zumindest 'die partielle Einbeziehung vonFremdkapitalertragen schon bei der Pramienkalkulation. Dies gilt ins-besondere fur die staatlich kontrollierten Pramien der Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung. Die durch die jtingste Hochzinsphase ausgelostePraxis des Cash Flow Underwriting ist ebenfalls ein Beispiel fur dieVerzinsung von Fremdkapital, die freilich betrachtliche Irritationenhervorgerufen hat (s. Gerathewohl 1982 and 1983). Aus diesem Grunde

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hat Farny (1983) einen ,neuen Pramienkalkul" vorgeschlagen, in demerstmals allgemein Ertrage aus Kapitalanlagen berucksichtigt werdenls.

Der grundsatzliche finanzierungstheoretische Ansatz zur Ermittlungder Zeichnungsrendite der VU steht somit nicht in prinzipiellem Wider-spruch zur Entwicklung in der Versicherungswirtschaft. Die finanzie-rungstheoretische Analyse besitzt die beachtlichen Vorziige, daB sie ineiner allgemeinen Theorie der Kapitalmarkte verankert ist sowie dieintegrierte Betrachtung der im Zeichnungs- and im Anlagegeschaft derVU entstehenden Finanzstrome ermoglicht. Die prinzipielle Feststellung,daB die VU fur ihr Fremdkapital positive Kapitalkosten aufbringensollten, erhalt dadurch erhebliches Gewicht.

Wesentlich schwieriger als diese grundsatzliche Beurteilung des finan-zierungstheoretischen Ansatzes ist die Bewertung des konkreten Ergeb-nisses, daB nach der Bestimmungsgleichung (25) fur die Zeichnungsren-dite der VU (im folgenden kurz als CAPM-Formel bezeichnet) derenFremdkapital in Hohe des risikofreien Marktzinses verzinst werdensoil. Ein Ansatzpunkt fur die Uberpriifung dieses Ergebnisses zu denFremdkapitalkosten der VU besteht darin, daB zunachst geklart wird,ob es sich tatsachlich um risikofreies Fremdkapital handelt. Die Be-schaffung dieses Fremdkapitals ist untrennbar mit dem Verkauf vonVersicherungspolicen verbunden, die freilich bedingte Verpflichtungender VU zu Schadenszahlungen begrtinden. Da auch bei kollektiver Be-trachtungsweise die Ruckzahlung des Fremdkapitals durch Schadens-zahlungen nicht mit Sicherheit in der Hohe der aufgenommenen Kapi-talbetrage liegen wird, ist die Fremdkapitalbeschaffung fiir die VUrisikobehaftet. Die mogliche and in der Realitat die Regel darstellendeDiskrepanz zwischen Kapitalaufnahme und -ruckzahlung begrundet dasversicherungstechnische bzw. Zeichnungsrisiko. Insofern ist es weniguberzeugend, daB fur die TJberlassung des Fremdkapitals der VU derrisikofreie Marktzins gezahlt werden soil.

Nach den Grundgedanken des CAPM ware zu erwarten, daB derTrager des Zeichnungsrisikos zumindest fur dessen systematischen An-teil einen Risikozuschlag zum risikofreien Zins erhalt. Da bei Aktien-gesellschaften dieses Risiko letztlich durch das von den Aktionareneingebrachte Eigenkapital zu tragen ist, mufte dieser Risikozuschlagfiber die Zeichnungsrendite der Wertpapierrendite der Versicherungs-

13 Eine ausfilhrliche Darstellung der Argumente fur and gegen die Ver-zinsung des Fremdkapitals der VU sowie die Berucksichtigung der ent-sprechenden Kapitalertrage bei der Pramienkalkulation findet sich bei Weiler(1980, S. 149 ff.). Er kommt zu dem Ergebnis, daB aus wirtschaftlicher Sichtdie Verzinsung des von den Versicherungsnehmern uberlassenen Kapitalsbegri ndet ist.

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aktien zufieBen._Es lage also nahe, den zweiten Term in der CAPM-Formel (25), [E (ry) - rF] J3zM, als Risikozuschlag fur die Aufnahme desriskanten Fremdkapitals zu interpretieren. Diese Sicht wird formaluntermauert, wenn die Renditeschreibweise der CAPM-Formel in ab-solute GroBen transformiert wird, indem die erwartete Zeichnungs-rendite mit dem entsprechenden Fremdkapitalbestand, K1, multipliziertwird14 :

(26) E (re) K, = rF K1 + [E (rM) — rF] flzM K/

Trotz ihrer Plausibilitat ist diese Interpretation der CAPM-Formeljedoch nicht ohne weiteres zulassig. Das CAPM enthalt die wichtigePramisse, daB aile Kapitalanleger in unbegrenzter Hohe Kredit zumrisikofreien Marktzins aufnehmen konnen. Aus dieser Pramisse folgtdirekt der risikofreie Zins rF in der CAPM-Formel (25), and wegendieser Pramisse ist er bislang auch als Fremdkapitalverzinsung be-handelt worden. Risikobehaftete Fremdkapitalbeschaffung ist also indiesem Modell der Kapitalmarkttheorie nicht vorgesehen 15 and kanndeshalb auch der CAPM-Formel nicht unterstellt werden. Streng ge-nommen steht also die risikobehaftete Kapitalbeschaffung der VU imGegensatz zu einer zentralen Pramisse des CAPM. Es bedarf deshalbklarender analytischer and empirischer Untersuchungen, um naher zubestimmen, welche Auswirkungen diese Inkonsistenz auf die tatsach-liche Aussagekraft der CAPM-Formel zur Verzinsung des Fremdkapi-tals der VU besitzt.

3.4.2 Eignung des Risikozuschlages nach dem CAPM zurAbgeltung des Zeichnungsrisikos

Nach der CAPM-Formel soil die Zeichnungsrendite des VU einenRisikozuschlag oder -abschlag enthalten, dessen Hohe vom Marktpreisdes Risikos, E (rM) — rF, sowie proportional vom systematischen Zeich-nungsrisiko des Versicherers, 14ZM, abhangt. Unabhangig von der soebenerorterten, ungeklarten Frage, wie dieser Risikozuschlag zu interpre-tieren ist, mull seine Beziehung zum Zeichnungsrisiko der VU deutlichherausgestellt werden. Vor allem bedarf die Aussage der CAPM-For-mel der Aufmerksamkeit, daB der Risikozuschlag nur fur das systema-tische Zeichnungsrisiko gezahlt werden soil.

14 In Gleichung (17) wurde mit der Annahme operiert, daB ein durchschnitt-licher Fremdkapitalbestand in Hohe einer Jahrespramie vorhanden ist. Furdiesen vereinfachenden Spezialfall gilt Kf = P.

15 Es erscheint auch wenig aussichtsreich, die Fremdkapitalbeschaffung derVersicherer als Leerverkaufe im Sinne des Black-Modells der Kapitalmarkt-theorie zu interpretieren, da dessen Pramissen zumindest ebenso unrealistischsind wie die des risikofreien Kreditzinses. Siehe dazu Fama (1976), S. 300.

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Grundlage ist die fur die Finanzierungstheorie zentrale Zerlegungdes gesamten Risikos eines Wertpapiers oder Portefeuilles in zweiKomponenten, das systematische and das nicht-systematische Risiko.Durch das systematische Risiko werden Schwankungen der erwartetenPortefeuillerendite erfat3t, die auf generell wirksame Veranderungender Kapitalmarktbedingungen zuruckzufuhren sind, wie Inflationsrateoder Zinsniveau. Derartige Markteinfliisse betreffen alle Wertpapiere,and folglich ist das systematische Risiko nicht diversifizierbar. Mit dernicht-systematischen Risikokomponente werden dagegen Einflusse aufden Renditeverlauf erfaBt, die begrenzt wirksam sind, insbesondere furein Wertpapier oder einen Wirtschaftszweig spezifische Schwankungen(s. zur ausfiihrlichen Diskussion Sharpe 1981, S. 346 ff.). Das nicht-systematische Risiko laBt sich durch diversifizierten Aufbau eines Por-tefeuilles reduzieren, im Grenzfall vollig ausschalten. Die Unterschei-dung zwischen systematischem and nicht-systematischem Risiko ent-spricht formal der in Gleichung (7) dargesteliten Aufspaltung des Ri-sikos eines Wertpapiers in Varianz and Kovarianz. Der Diversifika-tionseffekt auf das nicht-systematische Risiko ist aus Gleichung (11) zuerkennen.

Unter den Gleichgewichtsbedingungen des CAPM enthalt jedes risiko-behaftete Portefeuille einen Anteil am effizienten Marktportefeuille(s. Abschnitt 2.2.2). Da dieses perfekt diversifiziert ist and somit keinnicht-systematisches Risiko aufweist, gilt auch fur jedes Anlegerporte-feuille, daft es nur mit systematischem Risiko behaftet ist. Folglichkann unter den Bedingungen des CAPM jeder Kapitalanleger fur dieRenditen seiner Wertpapiere einen Risikozuschlag allein fur das syste-matische Risiko seines Portefeuilles erwarten. Die CAPM-Formel re-flektiert also auch beim Risikozuschlag die zentralen Pramissen desCAPM and wendet sie uneingeschrankt auf das Zeichnungsportefeuilledes VU an.

Um die Konsequenzen dieser Risikokonzeption des CAPM herauszu-arbeiten, soll sie zunachst den in der Risikotheorie and Versicherungs-praxis vorhandenen Vorstellungen zum versicherungstechnischen Risikogegenubergestellt werden. Mit dem versicherungstechnischen Risikowird grundsatzlich das gesamte Risiko des Zeichnungsportefeuilles er-faBt, wobei die Diversifikationswirkungen insbesondere nach dem Ge-setz der groBen Zahl berucksichtigt werden. Wegen der Schatz-, Ande-rungs- and Kumulrisiken sowie heterogenen Schadenserwartungswertekann die Diversifikation im Zeichnungsportefeuille realiter immer nurunvollkommen sein. Das versicherungstechnische Risiko umfaBt folg-lich das verbleibende nicht-systematische Restrisiko sowie das systema-tische Risiko and wird stets groBer sein als das systematische Risiko.

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Die Auffassurig, daB den VU nur fur das systematische Zeichnungs-risiko ein Pramienzuschlag zustehe, kann jedoch durch die CAPM-Formel (25) nicht eindeutig begrundet werden. Sie enthalt keine ex-plizite Aussagen Uber den dem Versicherer zustehenden Risikozuschlag,sondern fiber einen Risikozuschlag, den die Eigenkapitalgeber des VU,also die Aktionare, erhalten sollen. Deren erwartete Aktienrendite sollnach der CAPM-Formel einen Anteil aus dem Zeichnungsgeschaft ent-halten, der, unter den im vorigen Abschnitt geauBerten Vorbehalten,als Risikozuschlag interpretiert werden kann, den das Eigenkapital furdie Obernahme des systematischen Risikos des Zeichnungsportefeuilleserhalt. Die Bestimmung dieses Risikozuschlages in Abhangigkeit alleinvom systematischen Zeichnungsrisiko kann aus dem CAPM erklartwerden. Nach dessen Gleichgewichtsbedingungen werden die Versiche-rungsaktionare, ebenso wie jeder andere Kapitalanleger, vollstandigdiversifizierte Wertpapierportefeuilles halten. Angenommen, die Ren-diten der Versicherungsaktien waren auch mit einem nicht-systemati-schen Zeichnungsrisiko belastet. Dann wurde es in den Wertpapier-portefeuilles der Versicherungsaktionare voraussetzungsgemaB voll-standig zerstreut werden, and diese wurden ebenfalls nur einen Zu-schlag fur das systematische Zeichnungsrisiko erhalten.

Daraus folgt, daB aus der CAPM-Formel kein zwingender SchluBfiber den Diversifikationsgrad des Zeichnungsportefeuilles des VU andmithin auch nicht uber die Hohe seines nicht-systematischen Risikosgezogen werden kann. Die CAPM-Formel ist in bezug auf das nicht-systematische Zeichnungsrisiko unbestimmt. Auch mit allgemeinen Ana-logieuberlegungen, etwa den Diversifikationsbedingungen im Markt-gleichgewicht, laBt sich die Unbestimmtheit der CAPM-Formel nichtbeseitigen, denn diese CAPM-Voraussetzungen gelten nur fur risiko-behaftete Anlageportefeuilles. Das Zeichnungsportefeuille ist dagegenein risikobehaftetes Kreditportefeuille, and uber diese wird im CAPMnichts ausgesagt. Selbst unter Marktgleichgewichtsbedingungen laBtsick demnach anhand des CAPM nicht nachweisen, daB die VU keinnicht-systematisdies Zeichnungsrisiko zu tragen haben. Somit beruhtauch die Behauptung der Finanzierungstheoretiker, daB der Beta-Fak-tor, ,B,zM, der das systematische Zeichnungsrisiko miBt, ein theoretischgut begrundetes RisikomaB fur das Zeichnungsgeschaft sei, bislang nochauf einer schwachen Analogievermutung.

Ungeklart ist bis jetzt auch die versicherungsspezifische Deutung derzweiten Komponente im_Risikozuschlag der CAPM-Formel, des Markt-preises 'des Risikos, E (TM) — rF. Zunachst ist zu beachten, daB dieserMarktpreis grundsatzlich nur fur systematisehe Risiken gilt. Sollte sichdie Berucksichtigung des nicht-systematischen Zeichnungsrisikos als

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notwendig erweisen, so durfte dies nicht unbesehen mit dem Markt-preis bewertet werden. Daruber hinaus stellt sick die Frage nach derprinzipiellen Eignung ides unter CAPM-Bedingungen addquaten Markt-preises fur die Bewertung von Zeichnungsrisiken der VU. Zusatzlichzur bereits diskutierten Problematik des risikobehafteten Kreditporte-feuilles ist der Marktpreis des Risikos an die CAPM-Bedingung ge-bunden, daB jedes Anlegerportefeuille riskante Wertpapiere in dergleichen Zusammensetzung enthalt wie das Marktportefeuille (s. Ab-schnitt 2.2.2). Mag diese Bedingung auch fur zahlreiche, insbesondereinstitutionelle Kapitalanleger hinreichend gut erfiillt sein, so fallt esdoch schwer, sie ohne weiteres fur die Zeichnungsportefeuilles von VUzu akzeptieren. Ihre Existenzberechtigung im Kapitalmarkt grundetsich auf die spezifische Funktion der in ihnen enthaltenen Versiche-rungspolicen, daB diese stark negativ mit anderen Wertpapieren 16 derKaufer der Policen, also der Versicherten, korreliert sind. Die VUsehen aber nur einen Teil aller Risiken als versicherbar an, d. h., siebieten nur eine gezielte Auswahl derartig negativ korrelierter Wert-papiere an, die zwar im Umfang nicht genau abgegrenzt werden kann,aber vermutlich nur einen relativ kleinen Bruchteil aller moglichenPolicen ausmacht. Beispielsweise ist es nicht moglich, die systemati-schen Risiken von Wertpapierportefeuilles zu versichern. Mithin darfnicht stillschweigend unterstellt werden, daB die VU in ihren Zeich-nungsportefeuilles einen Anteil des Marktportefeuilles bzw. das nega-tive Korrelat davon halten and die Voraussetzungen fur die Verwen-dung des Marktpreises des Risikos erftillen.

Insgesamt zeigt diese Analyse, daB die in der CAPM-Formel ent-haltenen Konzepte zur Messung and Bewertung des Zeichnungsrisikosder VU nicht unbesehen herangezogen werden konnen. Die kapital-markttheoretische Fundierung dieser Konzepte wird bei der flbertra-gung auf die Versicherungssituation durch mehrere Lucken andSchwachstellen beeintrachtigt, die bisher nur durch Vermutungen oder,,heroische" Annahmen uberbruckt werden konnen. Mit dieser Fest-stellung soll die Relevanz der Kapitalmarkttheorie fur die Versiche-rungsmarkte nicht generell bestritten werden17. Moglicherweise wirkensich die hier analytisch aufgezeigten Schwachen nicht besonders gra-vierend auf die Erklarungskraft der Kapitalmarkttheorie fur die Ver-sicherungsmarkte aus. Zur Klarung dieser Frage sind jedoch noch ge-

16 Hiermit sind Wertpapiere i. S. der Vermogenspositionen der Versichertengemeint, s. Abschnitt 3.1.

17 Die generelle Ablehnung der kapitalmarkttheoretischen Untersuchungenvon Versicherungsmarkten durch Weiler (1980, S. 140) ist nicht haltbar. Dievon Weiler erhobene Kritik deutet auf ein elementares MiBverstandnis derfinanzierungstheoretischen Grundlagen hin.

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eignete Untersuchungen, vor allem empirische Uberprufungen erfor-derlich.

3.4.3 Prdmienkalkulation auf der Grundlage der CAPM-Formel

Der erklarte Zweck der Untersuchungen zur erwarteten Zeichnungs-rendite der VU besteht primar darin, finanzierungstheoretisch fundierteEmpfehlungen fur die Pramienkalkulation zu entwickeln, die der Ver-sicherungsaufsicht als MaBstab bei der Pramienkontrolle dienen kon-nen. Nach der gerade dargelegten Kritik an der CAPM-Formel (25) be-darf es keiner weiteren Begrundung, um gegen die Eignung der CAPM-Formel fur diesen Zweck starke Bedenken zu erheben. Dies um somehr, als Pramienkalkulation and staatliche Pramienkontrolle nichtfur die erheblich vereinfachte Welt der Kapitalmarkte im Gleichge-wicht durchgefuhrt werden, sondern fur unvollkommene reale Ver-sicherungsmarkte and fur Versicherer mit wesentlich ungunstigerenInformationsvoraussetzungen als vom CAPM unterstellt. Insofern mus-sen die Hinweise in der Literatur auf die starke Verbreitung des CAPMals Grundlage fur die staatliche Pramienaufsicht in den USA wohlohnehin eher verfahrenstechnisch verstanden werden. Die theoretischermittelte Pramie durfte um Zuschlage fur praktisch unvermeidbareZeichnungsrisiken, wie Schatz-, Anderungs- and Kumulrisiken, erhohtwerden. Da uber derartige Verfahren keine naheren Angaben vor-liegen, muB auch die Frage zunachst offen bleiben, wie stark dadurchdie angestrebte finanzierungstheoretische Begrundung der Pramien-kalkulation wieder verwassert wird.

Bei alien Zweifeln an der theoretischen Zuverlassigkeit and prakti-schen Anwendbarkeit der gegenwartig vorliegenden kapitalmarkttheo-retischen Empfehlungen zur Pramienkalkulation soll die Gultigkeit deruntersuchten Problemstellung nicht in Frage gestellt werden. Nicht nurfur die staatliche Pramienkontrolle, sondern auch fur andere Eingriffeder Versicherungsaufsicht, wie z. B. Kapitalanlage- and Solvabilitats-vorschriften, ist es wichtig, daB die Auswirkungen auf die Versiche-rungsmarkte sowie auf die Handlungsbedingungen der VU maglichstzuverlassig bestimmt werden. Nur so kann sich die Aufsichtsbehorderechtzeitig vergewissern, daB sie die zweckmaBigen MaBnahmen zurErreichung ihrer Ziele einsetzt and zugleich moglichst schonend in dieMarktfunktionen eingreift. Die dabei auftretenden komplexen Zusam-menhange konnen ohne leistungsfahige theoretische Modelle kaumanalysiert werden.

Die Nutzung der Kapitalmarkttheorie fur diese Aufgaben steht nochin den Anf ingen. Immerhin lassen sich aus den vorliegenden Modell-analysen einige Hinweise entnehmen:

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— Fur die Pramienkalkulation ist die integrierte Betrachtung vonKapitalanlage- and Zeichnungsgeschaft der VU erforderlich.

— Auch VU arbeiten mit Fremdkapital, das marktgerecht zu verzinsenist.

— Fur die Begrundung von Gewinnen aus dem Zeichnungsgeschaft,die dem Eigenkapital uber die erforderlichen Risikozuschlage furdie Rendite hinaus zuflief3en sollen, liefert die theoretische Unter-suchung keine Anhaltspunkte.

Daruber hinaus bietet die Kapitalmarkttheorie verschiedene inter-essante Konzepte an, deren Erklarungskraft fur versicherungsspezi-fische Situationen and Probleme noch nicht uberzeugend nachgewiesenist. Hier stellt sich die Aufgabe, die Bedingungen fur die Anwendungder Kapitaimarkttheorie auf die Versicherungsmarkte naher zu erfor-schen, eventuell auch die Theorie der Versicherungsrealitat starker an-zupassen.

3.5 Weitere versicherungswirtschaftliche Anwendungender Finanzierungstheorie

Neben der Analyse von Zeichnungsrendite and Pramienkalkulationsind in jungster Zeit vermehrt weitere Versicherungsprobleme mitfinanzierungstheoretischen Modellen untersucht worden. Obwohl es sichhierbei um erste Ansatze handelt, die noch kein zuverlassiges Bild vonihrer Leistungsfahigkeit erkennen lassen, sollen einige wichtig er-scheinende Arbeiten kurz dargestellt werden. Dadurch soil die Breitedes theoretischen and praktischen Potentials der Finanzierungstheorieaufgezeigt sowie verdeutlicht werden, daB sie auch fur Entscheidungeneinzelner VU Relevanz besitzt.

Optimale Struktur von Zeichnungs- and Anlageportefeuilles

Die Portefeuilletheorie, die sich allgemein mit der Auswahl effizien-ter Wertpapierportefeuilles durch Kapitalanleger befalit, wurde zurEntwicklung von integrierten Entscheidungsmodellen herangezogen,die die Interdependenzen zwischen Zeichnungs- and Kapitalanlage-entscheidungen explizit beriicksichtigen. Nach Vorarbeiten von u. a.Kahane (1977) haben kurzlich Cummins/Nye (1981) ein Versicherungs-Portefeuillemodell vorgelegt, das operationale Entscheidungen auf demeffizienten Rand der moglichen Ertrags-Risiko-Kombinationen sowohlfur einzelne Versicherungszweige als auch fur wichtige Arten der Ka-pitalanlage ermoglichen soil. Dieses Modell wurde beispielhaft anhandder veroffentlichten Daten eines groBen Sachversicherers numerischberechnet.

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Policenannahme and Zeichnungskapazitat

Zum gleichen Problembereich der optimalen Gestaltung von Ver-sicherungsportefeuilles wurde von Doherty ,(1980 and 1983) ein partiel-les Entscheidungsmodell auf der Grundlage der Portefeuilletheorie ent-wickelt. Es sieht vor, daB Entscheidungen uber die Annahme von Ver-sicherungspolicen anhand ihrer Beitrage getroffen werden, die sie zurErtrags-Risiko-Situation der vorhandenen Zeichnungs- and Anlage-portefeuilles des VU leisten. Aus diesem Modell lassen sich Kriterienfur die Bestimmung der Zeichnungskapazitat eines VU sowie durchAggregation fur den gesamten Versicherungsmarkt ableiten.

Cash Flow Underwriting and Leverage-Effekt

Auch das oben im Zusammenhang mit der Verzinsung des Fremd-kapitals der VU bereits angesprochene Problem des Cash Flow Under-writing ist ein spezifischer Aspekt der Entscheidungen zur integriertenGestaltung von Zeichnungs- and Anlageportefeuilles. Dabei wird derin der Finanzierungspraxis seit langem bekannte and in der Finanzie-rungstheorie als Leverage-Effekt (s. z. B. Schneider 1980, S. 488 ff.) be-zeichnete Zusammenhang zwischen der Hohe der Fremdkapitalfinan-zierung and der Eigenkapitalrendite eines Unternehmens zum Gegen-stand gezielter Entscheidungen. Unter gewissen Bedingungen kanndurch Erhohung des Verschuldungsgrades eine Verbesserung der Eigen-kapitalrendite erzielt werden, wobei allerdings die Auswirkungen zu-satzlichen Fremdkapitals auf die Risikosituation zu beachten sind. Eineallgemeine Interpretation des Leverage-Effektes fur VU wird vonWeiler (1980, S. 179 ff.) entwickelt. Ein versicherungsspezifisches Ent-scheidungsmodell zur Bestimmung des optimalen Verschuldungsgradesist von Roy! Witt (1976) vorgelegt worden. Im Prinzip wird Cash FlowUnderwriting von jedem VU betrieben, das durch das Zeichnungsge-schaft Fremdkapital aufnimmt and dieses ertragreich am Kapitalmarktinvestiert. Das Problem ist die zuverlassige Entscheidung uber den nachErtrags- and Risikokriterien optimalen Verschuldungsgrad.

Auswirkungen der Ruckversicherung aufErstversicherer-Porte f euilles

In einer kapitalmarkttheoretisch begrundeten empirischen Untersu-chung kanadischer Sachversicherungsmarkte haben Doherty/Korkie(1980) die Wirksamkeit von Ruckversicherungsmalnahmen in Fragegestellt. Nach ihren Befunden waren die Wirkungen der Ruckversiche-rung auf die Ertragsstabilitat and Risikoverminderung der Erstver-sicherer-Portefeuilles nur gering. Allerdings weisen sie selbst darauf

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hin, daB sie fur dieses Ergebnis keine iiberzeugende Erklarung findenand nicht entscheiden konnten, ob es auf ineffiziente Riickversiche-rungsvertrage oder auf unzureichende Erfassung der Riickversiche-rungsziele im Modell zuruckzufuhren ist.

4. Zusammenfassung

Der Zweck dieser Untersuchung ist eine Bestandsaufnahme and kri-tische Wurdigung der in den letzten Jahren entwickelten finanzie-rungstheoretischen Modelle zur Analyse von Problemen der Versiche-rungsmarkte sowie von Entscheidungsaufgaben der Versicherungsun-ternehmen. Zur Grundlegung erfolgt zunachst eine kurze Darstellungder wichtigsten Konzepte, Pramissen and Aussagen der Finanzierungs-theorie, insbesondere der Portefeuilletheorie and des Capital AssetPricing Model (CAPM) der Kapitalmarkttheorie. Die Anwendung derFinanzierungstheorie auf versicherungswirtschaftliche Fragestellungenwird ausfuhrlich anhand der Diskussion uber die adaquaten Zeichnungs-renditen and theoretische Begrundung der Pramienkalkulation gezeigt.Dabei wird die These von den negativen Kapitalkosten der VU ent-wickelt, auf die Ergebnisse einiger relevanter empirischer Untersu-chungen hingewiesen sowie die auf der Grundlage des CAPM ermittelteEmpfehlung an die Versicherungsaufsicht der USA zur marktkonfor-men Pramienkalkulation abgeleitet. Da sick in dieser Formel zur Be-stimmung der Zeichnungsrendite der VU einige zentrale Konzepte andPramissen der Kapitalmarkttheorie auswirken, wird ihre Aussagekraftfur versicherungswirtschaftliche Bedingungen einer differenzierten kri-tischen Analyse unterworfen. SchlieBlich werden in knapper Formeinige weitere finanzierungstheoretische Untersuchungen von Versiche-rungsproblemen, insbesondere auf der Portefeuilletheorie aufbauendeEntscheidungsmodelle zur optimalen Gestaltung der Zeichnungs- andKapitalanlageportefeuilles einzelner VU dargestellt.

Zweifellos befindet sich die Entwicklung versicherungsspezifischerModelle der Finanzierungstheorie noch im Anfangsstadium. Die vor-liegenden Untersuchungen sind haufig erste Ansatze mit teilweise uber-raschenden Ergebnissen, fur die iiberzeugende Erklarungen noch feh-len. Jedoch zeichnen sick bereits einige beachtenswerte Aspekte diesertheoretischen Entwicklung ab. Die Finanzierungstheorie ist eine breitangelegte Markt- and Entscheidungstheorie, die bei alien Schwachenim Detail auf einem festen Fundament der okonomischen Theorie steht.Durch die Beziehung zu diesem Theorierahmen erhalten Losungs-ansatze fur Versicherungsprobleme ein betrachtlich starkeres Gewichtals isoliert entwickelte Modelle. Die breite theoretische Basis zeigt sick

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auch im Potential der Finanzierungstheorie, verschiedenartige, bisherseparat betrachtete Versicherungsprobleme mit einer einheitlichen Kon-zeption anzugehen. Ganz konkret wird die umfassende Perspektive derFinanzierungstheorie darin deutlich, daB sie die integrierte Betrach-tung aller Finanzstrome in den Versicherungsunternehmen, also Zeich-nungs- sowie Anlagegeschaft, aber auch auf den VersicherungsmarkteneinschlieBlich ihrer Verflechtungen mit den allgemeinen Kapitalmark-ten ermoglicht. Dadurch bieten sich wichtige Erweiterungsmoglichkei-ten der auf das Zeichnungsgeschaft beschrankten Risikotheorie sowieder partiellen Theorie der Versicherungsmarkte.

Allerdings sind dieser generellen Einschatzung der Bedeutung derFinanzierungstheorie fur die Versicherungswirtschaft einige qualifi-zierende Bedingungen and Begrenzungen hinzuzufiigen. Die kritischeAnalyse der CAPM-Formel fur die Zeichnungsrendite der VU and ihrerKonsequenzen fur die Pramienkalkulation hat deutlich gezeigt, daBzumindest gegenwartig nosh die Gefahr schematischer 'Obertragungvon finanzierungstheoretischen Konzepten and Ergebnissen auf ver-sicherungsspezifische Problemsituationen besteht. In ihrer allgemeinenFormulierung beruht die Kapitalmarkttheorie — starker als die Porte-feuilletheorie — auf Pramissen, die in so deutlichem Widerspruch zuden Bedingungen der Versicherungswirtschaft stehen, daf3 sie nichtdurch kuhne Annahmen ubergangen werden konnen. Deshalb kannauch den mit dem CAPM begrundeten analytischen and empirischenErgebnissen nur beschrankte Aussagekraft fur die Versicherungsreali-tat unterstellt werden. Bislang fehlt der uberzeugende Nachweis, daBdie Finanzierungstheorie, insbesondere das CAPM, trotz ihrer Pramis-sen fur Versicherungsunternehmen and Versicherungsmarkte hinrei-chend zuverlassige Ergebnisse bringt. Um diese Zweifel zu beseitigen,sind vor allem geeignete empirische Untersuchungen erforderlich, diewahrscheinlich auch genauere Hinweise erbringen konnen, in welchenTeilen die Finanzierungstheorie moglicherweise der Anpassung an ver-sicherungsspezifische Bedingungen bedarf. Im gleichen Sinne durfte esnotwendig sein, durch analytische and empirische Untersuchungen da-fur zu sorgen, daB die spezielle Situation der deutschen Versicherungs-markte berucksichtigt wird.

Die Konsequenz aus den in der Kritik aufgedeckten M ingeln sollalso nicht die Zuruckweisung der Finanzierungstheorie als ungeeignetoder irrelevant fur die Versicherungswirtschaft sein, sondern ein Pro-gramm zu ihrer Absicherung and Anpassung fur die Zweeke der Ver-sicherungswirtschaft. Damit wird die Aussicht eroffnet, daB kunftigleistungsfahige theoretisehe Grundlagen fur die Losung von Finanzpro-blemen der Versicherungswirtschaft zur Verfugung stehen.

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Literaturverzeichnis

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