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Informationsblatt des Berufsverbandes Diplomierter Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs F O C U S EFL Beratung Focus 15 November 2011 I N DIESER A USGABE : I NTERVIEW MIT A RNOLD R ETZER G EDANKEN ZUR GEMEINSAMEN O BSORGE F ORTBILDUNGEN K OOPERATION MIT VPA

Focus 15 Okt 11:1-20berufsverband-efl-beratung.at/documents/Focus15Okt11_imp.pdf · Kopf ein Buch zu lesen und nehmen sich nicht die Zeit und das Geld ein Seminar zu besuchen

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Informationsblatt des Berufsverbandes Diplomierter Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs

F O C U SEFL B e r a t u n g

Focus 15 November 2011

IN DIESERAUSGABE:

INTERVIEW MITARNOLD RETZER

GEDANKEN ZURGEMEINSAMENOBSORGE

FORTBILDUNGENKOOPERATION MITVPA

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Erschienen im Mai 2008im LIT Verlag 360 S.Paperback19,90 EuroISBN AT 978-3-7000-0671-8

Das Buch bietet einen Überblick über die Entstehung, Charakteristikund Entwicklung der EFL-Beratung (Ehe-, Familien- und Lebensbera-tung) und versucht sie in Abgrenzung bzw. Gegenüberstellung zu ande-ren psychosozialen Bera tungstätigkeiten näher zu definieren. Die unterschiedlichen Zugänge und Sichtweisen der AutorInnen spie-geln soziale Wirklichkeiten, Diffuses klärt sich. Damit sind eine guteBasis und ein Bezugspunkt für die beständig notwendige Weiterent-wicklung gegeben.Was das Buch von anderen erschienenen und erscheinenden Titeln zumThema Beratung abhebt, ist zum einen die österreichische Prägung undzum anderen der Focus auf die Wirksamkeit der zwischenmenschlichenBeziehung in Praxis, Theorie und Lehre.

AutorInnen: Christa Gutmann, Christiane Sauer, Leo Pöcksteiner, Elisabeth Birklhuber, Stefan Schäfer, Karin Urban, Brigitte Ettl,

ICH WERDEN AM DUBEZIEHUNGS- UND PROZESSGESTALTUNG IN DER EHE-, FAMILIEN- UND LEBENSBERATUNG

BERUFSVERBAND DIPLOMIERTER EHE-, FAMILIEN- UND LEBENSBERATERINNEN ÖSTERREICHS

(HRSG.)

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Christine Kügerl, Eva Bitzan, Helga Goll, Barbara Bittner, Martin Christandl, Josef Hölzl, Rolf Sauer, Barbara Wagner-Tichy,Emmi Ott, Konrad Peter Grossmann, Ilse Simml.

Bestellungen bitte an: Mag Elisabeth Birklhuber, [email protected]

Ich bin sehr

beeindruckt von der Qualität

der Beiträge. . . . Jedenfalls

wird das Buch ab jetzt allen unseren

Studierenden dringend empfohlen.

Dr. René Reichel, MSc

Donau-Universität Krems

WIE TRENNUNG UND SCHEIDUNG FÜRELTERN UND KINDER GELINGT. 120 Minuten, Deutsch, HD-QualityZu bestellen im Pädagogischen Buchver-sand (www.pbv.at )Preis:24,90 €

Jährlich lassen sich im deutschsprachi-gen Raum ca. 200.000 Paare scheiden,das sind mehr als 400.000 betroffeneFrauen und Männer und rund 170.000betroffene minderjährige Kinder. Elternhaben in dieser Situation meist nicht denKopf ein Buch zu lesen und nehmen sichnicht die Zeit und das Geld ein Seminarzu besuchen. Susanne Strobach, Media-

DVD-TIPP: „WIR PLANTEN DIE ZUKUNFT,

DOCH SIE WAR SCHNELLER”

torin und Autorin des Buches „Schei-dungskindern helfen“ (Juventa, 2. Aufl.2010) vermittelt Eltern auf dieser DVD,worauf sie in dieser anspruchsvollen Zeitbei ihren Kindern achten müssen und wiees gelingt, die Belastungen für ihr(e)Kind(er) so gering wie möglich zu halten.Wie Eltern wegkommen von gegenseiti-gen Schuld zuweisungen und Opferrollenund in eine neue bessere Zukunft gehenkönnen, verrät Eveline Gisela Amort. Tiefgehende Geschichten und einfühlsameMärchen zu den einzelnen Themenberei-chen, erzählt von Michael Thonhauser,helfen, die unterschiedlichen Lösungsan-sätze besser zu verinnerlichen und bieten

so einezusätzl icheUn te r s tü t -zung aufdem Wegzu inneremFrieden und Heilung alter Wunden. DasVideo wurde zur Gänze in freier Naturaufgenommen, vier Jahreszeiten symboli-sieren ein Jahr der Veränderung und desNeubeginns.

Ein sehr brauchbares und nützl ichesMedium, welches für KlientInnen, aberauch für uns BeraterInnen auf unterhalt-same Weise informativ und hilfreich ist.

Genauso verstehen auch wir unsereArbeit und die hat es sich verdient, someine ich, als Aushängeschild zu gelten –sowohl auf kirchlicher wie auch auf politi-scher Ebene!

In diesem neuen Focus finden Sie u. a.eine Rückschau auf eine wirklich gelun-gene Tagung zum Thema „Paare in Zeitenwie diesen“ und noch einige Beiträge derdort anwesenden ReferentInnen.

Mit dem Nachbearbeiten der einen Veran-staltung geht schon Hand in Hand dieVorbereitung der nächsten: Die Jahresta-gung 2012 wird von 25.–27. Mai 2012wieder in St. Virgil stattf inden. DerMensch in der Arbeitswelt, seine Nöte,Betroffenheiten, aber auch möglicheVisionen zu diesem Thema werden unsbeschäftigen. Bitte reservieren Sie unbe-dingt im Kalender diesen Termin!

Der Brief an die FamilienrichterInnen, derhier abgedruckt ist, schließt an unsereStellungnahme im Frühling zum neuenKindschaftsrechtsänderungsgesetz 2012an. Es soll nun, nach einem ExpertInnen-gespräch im Justizministerium, ab Beginnnächsten Jahres einige Gerichte in Öster-reich geben, an denen die sog. Familien-gerichtshilfe – ein ExpertInnenpool an derSeite der RichterInnen – als Modellprojektläuft. Unser Ziel ist es, interessiertenEFL-BeraterInnen die Möglichkeit zugeben, Teil diesesPools zu werden.

So freue ich michauf einen spannen-den und arbeitsin-tensiven Herbst!

Maga. Eva BitzanVorsitzende

EDITORIALINHALT

• Inhalt/Editorial/Neue Mitglieder/ 3

• Liebe in der Krise – Ist die Ehe nochzu retten? Arnold Retzer im Interview mit ChristineHaiden 4

• Beziehungen gestalten und vertiefenErich Lehner 7

• Buchtipp 11

• Brief an die Familiengerichte Eva Bitzan, Andrea Holzer-Breid u. Elisabeth Birklhuber 12

• Gedanken zur gemeinsamen ObsorgeUlrich Wanderer 13

• Wenn zwei sich streiten – oder dieKraft der KonflikteJosef Hölzl 14

• Kreative MethodenEva Bitzan 19

• Sei nachsichtig! Mit dir selbst!Zusammenfassung: Martha Schicho 21

• FortbildungenKooperation VPA 22

• Bilderbogen Tagung 2011 23

• Tagung 2012 24

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Als Berufsverband sind wir bemüht, das unsbetreffende Berufsfeld der psychosozialenBeratung immer aufs Neue einer Standort-bestimmung zu unterziehen. Wir vernetzenuns mit Kolleginnen und Kollegen öster-reichweit, auch mit anderen Berufsverbän-den.Wir schauen aber auch über die Gren-zen und beobachten mit Interesse die Ent-wicklungen in Deutschland, gerade auchderen intensiveres kirchliches Eingebundenbzw. Getragen sein.

In Österreich erleben wir diese „Kirchen-nähe“ sehr unterschiedlich quer durch dieBundesländer. Angefangen von unkompli-ziertem kirchlichem Selbstverständnis,Menschen in existentiellen Krisensituatio-nen kompetente Beratung und Begleitunganzubieten – als pastoralen Dienst sozu-sagen – und dafür auch Geld undRessourcen in die Hand zunehmen bisdahin, Beratung als wirtschaftl ichesAnhängsel dahintümpeln zu lassen.

Ich erlaube mir, einen Absatz aus demProfil einer deutschen kath. EFL-Bera-tungsstelle zu zitieren: „Die institutionellekath. EFL-Beratung unterstützt Einzelne,Paare und Familien, ihre Probleme undKonflikte konstruktiv zu lösen, Krisendurchzustehen und zu verarbeiten odermit nicht behebbaren Belastungen inerträglicher Weise zu leben und so einhöheres Maß an persönlicher Entfaltungs-,Beziehungs- und Partnerschaftsfähigkeitzu erreichen. […] Sie ist bestrebt, durchdie Entwicklung neuer Orientierungen undVerhaltensalternativen eigenverantwortli-che Entscheidungen zu ermöglichen. Siesucht die Fähigkeit zu stärken, Beziehun-gen zu anderen Menschen einzugehenund aufrechtzuerhalten.“ (mehr unterwww.bv-efl.de unter „newsletter“ sept. 11)

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NEUE MITGLIEDER

Andreas Hagler,4922 Geiersberg

Christine Otter,6300 Wörgl

Dorothea Langegger,2833 Bromberg

Franziska Gurnig,8092 Mettersdorf

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LIEBE IN DER KRISE

IST DIE EHE NOCH ZU RETTEN?VERLIEBTHEIT SEI EINE PSYCHIATRISCHE AUFFÄLLIGKEIT, MIT DEM LEBEN UND DER EHE NICHT

VEREINBAR, SO BESTSELLERAUTOR ARNOLD RETZER. DER PAARTHERAPEUT PLÄDIERT FÜR MEHR

VERNUNFT UND REALITÄT IN DER EHE, DANN SEI SIE ERFOLGREICH.

Interview mit Christine Haiden erschienen in Welt der Frau, Ausgabe Juli/August 2011 (http://www.welt-der-frau.at)

»Welt der Frau«: Herr Retzer, Sie sind mehrals 30 Jahre als Paartherapeut tätig und seit23 Jahren verheiratet. Sind Sie eigentlichglücklich verheiratet?Arnold Retzer: Manchmal ja – manchmalnein! Die meiste Zeit bin ich ganz zufrie-den mit meiner Ehe.

Reicht das, um eine Ehe zu retten?Mir hat es gereicht, meiner Frau wohlauch. Aber warum ist eigentlich bei demGedanken an Ehen so oft gleichzeitig vonnotwendigen Rettungsmaßnahmen dieRede? Sind Ehen in einer rettungsbedürf-tigen Notlage? Man hat ja den Eindruck,als seien Ehen und Partnerschaftenextrem gefährdete Unternehmungen,ohne Rettungsmaßnahmen und Rettungs-dienste in ständigen Krisen und unwei-gerlich dem Untergang geweiht. Hinweiseauf die bekannten Scheidungsraten wer-den dann noch schnell mitgeliefert. Dabeihandelt es sich aber bei genauerem Hin-schauen um eine systematische Fehlein-schätzung von Ehe und Partnerschaften,um eine grobe Wahrnehmungsstörung.Denn: Noch niemals in der Geschichte derMenschheit lebten so viele Menschen solange, das heißt ohne Scheidung, mit einund demselben Menschen zusammen wieheute. Die Krise der Ehe ist ein gewaltigerIrrtum. Ehen sind viel besser als ihr Ruf.60 % aller Erwachsenen leben (zumindestin Deutschland) in einer Ehe und davonwiederum 60 % schon seit 45 Jahren.Untersuchungen zeigen, dass ein Großteildavon, nämlich ca. 60–70 % mit ihrerEhe sogar zufrieden sind, eheähnlichePartnerschaften noch gar nicht mitge-rechnet. Auch als Paartherapeut unter-liegt man leicht der Gefahr einer Fehlein-schätzung. Man ist betriebsblind, weilman es ja meist mit Paaren in Krisen zutun hat, und denkt dann, so seien ebenPaare. In meinem Buch »Lob derVernunft ehe« habe ich deshalb nicht die

Frage »Was machen Paare falsch?«beantwortet, sondern die meines Erach-tens wichtigere Frage versucht zu beant-worten: »Was machen diese erfolgreichenPaare, also die Mehrheit aller Paare, rich-tig?« Meine Antwort lautet: Offenbarleben sie ihre Liebe mit Vernunft. Daherhabe ich solche erfolgreichen Ehen alsVernunftehen bezeichnet.

Was meinen Sie damit?Eine Vernunftehe ist eine vernünftiggeführte Ehe. Man weiß um die Grenzenund Begrenzungen einer Ehe und berück-sichtigt sie. Man lernt aus Erfahrungen,das heißt, was funktioniert, setzt manfort, und mit dem, was nicht funktioniert,hört man auf. Unvernünftig ist es dage-gen, an unerreichbaren Erwartungen, Zie-len und Wünschen trotz leidvoller Erfah-rungen festzuhalten.

Was ist denn nun vernünftig in der Ehe?Schon am Beginn einer Ehe ist es ver-nünftig, zwischen der Liebe und einer Ehezu unterscheiden und dann schon baldfestzustellen, dass die Liebe mit demLeben nicht vereinbar ist.

Herr Retzer, das glaube ich nicht!Ich will versuchen, es zu erklären. Fangenwir mit der Liebe an: Sie hat zwei wesent-l iche Aspekte: Da ist zunächst derZustand, den wir an uns selbst feststellenkönnen, wenn wir verliebt sind. Er hatgroße Ähnlichkeit mit psychiatrischenAuffälligkeiten: Schlaf- und Konzentra-tionsstörungen, Körperhalluzinationen wieSchmetterl inge im Bauch usw. Einezwanghafte Besessenheit. So angenehmdieser Zustand vorübergehend ist, aufDauer ist er sehr anstrengend undäußerst unbekömmlich. Die Liebe bzw. diegeschilderten Zustände gehen aber auchnoch, wenn man den entsprechenden Lie-bespartner findet, mit einer bestimmten

Beziehungsform einher, einer Liebesbe-ziehung. Eine Beziehungsform, die sichdurch folgende Aspekte auszeichnet:Absolute Exklusivität, das heißt, Dritteoder Drittes finden in einer Liebesbezie-hung keinen Platz. Eine Liebesbeziehungzeichnet sich durch eine ungehemmteund unzensierte Kommunikation aus. Manhat das Recht, mit allem, absolut allem,was einem in den Sinn kommt, ein offe-nes Ohr zu finden, und umgekehrt diePflicht, für alles, absolut alles, was einemzu Gehör gebracht wird, ein offenes Ohrzu haben. Auch das ist mit dem Lebennicht vereinbar, das heißt der Organisa-tion des alltäglichen Lebens. Spätestensmit der Geburt des ersten Kindes wirdman feststellen, dass die absolute Exklu-sivität und die ungehemmte und unzen-sierte Kommunikation nicht mehr möglichsind angesichts durchwachter Nächte,der arbeitsteiligen Organisation des All-tags und der notwendigen Verhandlungenüber die Organisation des Alltags. ZumGlück gibt es eine andere, eine gemäßig-tere Organisationsform von Intimität, dieEhe oder Partnerschaft. Die Ehe ist einVertragsabschluss zweier geschäftsfähi-ger Individuen, die sich zwecks Optimie-rung ihrer Interessen zusammentun. EineEhe und eine Liebesbeziehung sind alsozwei gänzlich verschiedene soziale Orga-nisationsformen.

Das heißt, die Ehe ist die vernünftigere underfolgreichere Beziehungsform als die Lie-besbeziehung?Nur wenn sie vernünftig geführt wird.Man kann sie aber natürlich auch unver-nünftig führen.

Wie lässt sich eine Ehe unvernünftig führen?In der Regel ist es doch so: Man verliebtsich und denkt: Das ist ein ganz netterKerl. Der hat zwar zwei oder drei Macken,aber das kriegen wir auch noch hin, und

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man heiratet. Gemeint hat man aber: Ichkriege dich auch noch hin! Und schonversucht man, den anderen zu verändern.Wenn man viel Glück hat, sind dann zehnoder fünfzehn Jahre ins Land gegangen.Der Partner hat aber in den meisten Fäl-len dieselben Macken, und zwar mindes-tens in dem gleichen Ausmaß wie amBeginn der Ehe. In der Zwischenzeit istaber ein Großteil der Lebensqualität bei-der Partner auf der Strecke geblieben.Das ist nicht vernünftig! Die Vernunftehe,wie ich sie in meinem Buch beschreibe,respektiert dagegen die Tatsache, dassdie meisten Probleme in einer Ehe, z. B.die Eigenarten und Werte des Partners,unlösbare Probleme sind. Es ist aberäußerst unvernünftig, unlösbare Problemelösen zu wollen. Den Ausweg bzw. dievernünftige Berücksichtigung dieser Tat-sache habe ich die resignative Reifegenannt, das heißt die Einsicht: Es istnichts zu machen, ich kann den Partnernicht verändern. Vom »So soll es sein«zum »So ist es«! Viele altgediente Paarestellen irgendwann fest, dass ihre Versu-che, den Partner zu verändern, nur mini-male Ergebnisse gebracht haben. Dafürwaren die Kosten unverhältnismäßighoch.

Interessanterweise kann es einem passie-ren, wenn man die Veränderungsanstren-gungen am Partner aufgibt, dass sichunter Umständen diese unlösbaren Pro-bleme wie von selbst auflösen. Weil derPartner sich nicht mehr angegriffen fühltund sich daher auch nicht mehr verteidi-gen muss.

Herr Retzer, darf ich Sie fragen, was diewesentlichen Macken Ihrer Frau sind?Gerne. Meine Frau meint, dass sie dasHauptverdienst daran hat, dass wir seit23 Jahren einigermaßen über die Rundengekommen sind.

Was stört Sie daran?Weil mir das Hauptverdienst zukommt.Aber ich fürchte, meine Frau wird es nie-mals einsehen. Das ist die Macke meinerFrau, mit der ich leben muss.

Und welche Macken würde Ihre Frau Ihnenzuschreiben?Ich habe keine Macken! (Lacht)

Gleichheit und Gerechtigkeit ist aber docheine wichtige Bedingung für eine gelungeneEhe?Es ist eine weitverbreitete Vorstellung.Die Voraussetzung für die Verwirklichungvon Gleichheit und Gerechtigkeit wäreaber, dass es eine objektive Bezugsgröße,eine feste Währung gibt, an der wir bei-des messen können. Die gibt es abernicht. Die Dinge, um die es in Partner-schaften geht, wie Leid und Anerkennung,sind nicht auszählbar und messbar unddaher auch nicht rückzahlbar.

Sie meinen: Wenn ich an Gerechtigkeitsidea-len festhalte, schade ich meiner Beziehung?Was ist denn die Folge dieser Idee derGerechtigkeit? Einer fühlt sich über denTisch gezogen und findet, er habe nochetwas gut. Er ist sozusagen der Gläubiger,der sich berechtigt glaubt, dem anderenVorwürfe zu machen, Ansprüche einkla-gen zu dürfen und um Gerechtigkeitkämpfen zu müssen. Das wird irgend-wann in Rache übergehen: Wenn es mirschon nicht so gut geht wie meinem Part-ner, soll es dem wenigstens genausoschlecht gehen wie mir!

Was heißt das beispielsweise bei einer Affä-re eines Partners?Affären sind für die meisten Menschenimmer noch die tiefste Verletzung, dieman sich in Paarbeziehungen zufügenkann. Aber es gibt die Möglichkeit derVergebung. Das heißt, ich werde mir mei-ner angestauten Ansprüche noch einmal

bewusst: Man hat mir etwas angetan. Ichbesitze gewissermaßen Schuldscheine,weil der andere mir etwas schuldiggeblieben ist. Und dann gebe ich dieseAnsprüche auf und verbrenne die Schuld-scheine. Das hat nur etwas mit mir selbstzu tun. Vergeben ist ein Akt unter zweiAugen, nicht unter vier Augen. Ob mandas kann, ob man das will, ist eine ganzandere Frage. Ich würde mich deshalb nieerdreisten zu sagen: Man soll vergeben.Und ich sage meinen Klienten immer wie-der: Wenn man jemandem vergibt, bedeu-tet das noch in keiner Weise, dass manwüsste, was die Konsequenzen wären.

Es handelt sich also nicht um einen Trick,mit dem ich meine Ehe garantiert rettenkann.Nein. Vielleicht wird ein Neuanfang mög-lich. Vergebung kann aber auch das Endeder Ehe bedeuten, wenn meine Ansprücheund meine Ausgleichskämpfe die letzteKlammer waren, die uns zusammengehal-ten hat.

Das klingt ja alles vernünftig und plausibel.Aber wir sehnen uns doch vielleicht nachetwas ganz anderem. Nach einer glückli-chen, gleichberechtigten und harmonischenPartnerschaft?Der Wunsch nach dem Glück ist auchnichts Schlechtes. Aber wenn wir versu-chen, daraus Wirklichkeit werden zu las-sen, machen wir uns eher unglücklich.

Wieso?Wenn man sich für die Herstellung desGlücks verantwortlich macht und es wie-der einmal nicht ganz geschafft hat, istman nicht nur nicht glücklich, sondernauch noch schuld, weil man es nichtgeschafft hat. Alle Versuche, sich selbstfür das eigene Glück und das des Part-ners verantwortlich zu machen, führendazu, dass automatisch Unglück herrscht,wann immer das Ideal nicht befriedigend

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erreicht wird. Dadurch gibt es nur nochGlück oder Unglück. Das ist doch einewesentl iche Verschlechterung derLebensqualität, auch in Ehen.

Wofür plädieren Sie stattdessen?Glück und Unglück sind extreme Erlebnis-weisen bzw. Erlebnisausnahmen. Dazwi-schen liegt ein großer Bereich, den ichdie Banalität des Guten nenne: Zufrieden-heit, die täglichen Sorgen, Freuden undQuerelen. Aber es ist heutzutage nichtleicht, diese Banalität des Guten zuakzeptieren. In jeder Buchhandlung fin-den Sie Anleitungen bis zum Abwinken,wie man sein Glück herzustellen hat. Wirstehen unter dem Druck, die Schmiedeunseres Glückes zu sein. Dieser Aufgabekönnen wir nie gerecht werden.

Was aber ist mit den Streitigkeiten, die es invielen Ehen gibt? Kann ich etwas tun, damites von vornherein weniger Streit gibt?Streit ist nichts Schlechtes, im Gegenteil.Streit gibt es nur dort, wo man sich nahe-kommt. Wir haben in intimen Beziehun-gen das unlösbare Problem, dass wir denWiderspruch zwischen Nähe und Distanz,zwischen Gebundenheit und Freiheit nie-mals lösen, sondern nur ausbalancierenkönnen. Jeder Versuch, nur auf die Frei-heit oder nur auf die Gebundenheit zusetzen, führt meiner Meinung nach in dieKatastrophe. Da kann Streit eine guteMöglichkeit sein, die Balance wiederherzustellen. Das unangenehme Gefühlbeim Streiten, dass man eben nicht einHerz und eine Seele ist, führt wieder zuder nötigen Distanz. Und umgekehrt kannStreit auch Nähe herstellen, denn Konflik-te verbinden ja auch. Insofern sind Kon-flikte aus meiner Sicht auch hochwirksamfür das Funktionieren von Paarbeziehun-gen.

Wie viel Konflikt verträgt aber eine Ehe?Die Frage scheint mir falsch gestellt,nicht »Wie viel Konflikt verträgt eineEhe?«, sondern »Wie viel Konflikt vertra-

gen die Beteiligten an einer Ehe?«. Aberman muss dann auch die wenig gestellteFrage stellen: Wie viel Harmonie verträgteine Ehe? Ich mache seit vielen Jahrendie Erfahrung, dass nicht wenige Ehennicht an zu viel Konflikt, sondern an zuviel Harmonie scheitern bzw. genauer:ersticken.

Herr Retzer, sind es immer noch die Frauen,die die Beziehungspflege anregen und vor-antreiben?Ja, das ist in der Tat so. Die meistenPaartherapien werden von Frauen ange-regt. Die meisten Scheidungen und Tren-nungen werden allerdings auch von Frau-en vorangetrieben und schließlich vollzo-gen. Frauen sind nicht nur an der Verbes-serung ihrer Paarbeziehung interessiert,sondern auch diejenigen, die nicht umjeden Preis die Paarbeziehung aufrech-terhalten wollen. Frauen sind eben dasmutigere Geschlecht.

Woran erkennt man, dass eine Beziehung amEnde ist?Ich habe keine Ahnung. Es gibt ja nochkeinen Urin- oder Bluttest für gescheiter-te Ehen. Oder anders formuliert: Das kön-nen immer nur die Endverbraucher, alsodie Beteiligten an einer Paarbeziehung,selbst bestimmen. Noch genauer formu-liert: einer der Partner. Auch wenn für denBeginn einer Ehe zwei nötig sind, reichtfür das Ende einer. Der, der nicht mehrwill.

Bewertungskriterien für die Partner kön-nen aber beispielsweise sein, dass mannicht mehr bereit ist, Einsatz zu bringen,dass die Loyalität gelitten hat, dass diePartnerschaft kein sicherer und freier Ortmehr ist, dass es Alleingänge des Part-ners in für mich wichtigen Fragen gibt,dass körperliche Berührung und Näheunerträglich unangenehm geworden sind,dass etwas für mich Unverzeihlichesgeschehen ist. Die Antworten sind not-wendigerweise subjektiv.

Was aber, wenn Kinder da sind?Kinder werden häufig ungefragt zurRechtfertigung für eine sich über Jahrehinziehende Aufopferung eines oder bei-der Elternteile. Und noch schlimmer: Esentwickelt sich während dieser Opferjah-re vielleicht sogar die Erwartung, dassman später von den Kindern Dank dafürerhalten sollte, was man alles für sie anLeid auf sich genommen hat. Das allessollte man seinen Kindern nicht antun.Man missachtet sich aber auch selbst,weil man gegen eigene Wünsche undÜberzeugungen entscheidet und handelt.Und nicht zuletzt wird dem Partner eineEhe vorgespielt, die weder etwas mit ihmnoch mit einem selbst zu tun hat. Es gibtdann eigentlich nur noch Verlierer.

Zur Person:Der Paartherapeut Arnold Retzer ist Fach-arzt für psychotherapeutische Medizin. Erstudierte Medizin, Psychologie und Sozio-logie und gründete 2004 das Systemi-sche Institut Hei-delberg. Er bildetT h e r a p e u t I n n e nund BeraterInnenaus, lehrt als Pri-vatdozent und hatein Standardwerkzur systemischenPaartherapie ver-fasst. Sein Buch»Lob der Vernunftehe. Eine Streitschriftfür mehr Rea-lismus in derLiebe« wurdezum Bestsel-ler. Retzer istseit 23 Jah-ren verheira-tet und hatdrei erwach-sene Kinder.

LIEBE IN DER KRISE – IST DIE EHE NOCH ZU RETTEN?

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BEZIEHUNGEN GESTALTEN UND VERTIEFEN.PERSPEKTIVEN AUS DER GESCHLECHTERFORSCHUNG, PSYCHOANALYSE UND THEOLOGIE

Erich Lehner

1. DER MENSCH: EIN BEZIEHUNGS-WESEN

Es klingt zutiefst widersprüchlich: Einer-seits gibt es hohe Scheidungszahlen undandererseits gibt es ein ungebrochenesBedürfnis nach dauerhaften Beziehungen,wie dies die deutschen Forscher GunterSchmidt, Silja Mathiessen, Arne Dekker,Kurt Starke (2006) dokumentiert haben.In ihrer Untersuchung befragten sie Män-ner und Frauen im Alter von 30, 45 und60 Jahren zu ihren Beziehungs- undSexualbiografien. Der Vergleich desBeziehungsverhaltens dieser drei Genera-tionen brachte zunächst gravierende Ver-änderungen zu Tage. Nicht-ehelicheLebensformen nehmen zu. Zudem istauch die „Fluktuation der Beziehungenvon Generation zu Generation erheblichgestiegen.“ Die Autor/innen sprechendavon, dass „Beziehungen[…] serieller“werden (S. 26). Erkennbar wird dies da -ran, dass heute 30-Jährige schon mehrBeziehungen hatten als früher 60-Jährigein ihrem ganzen Leben. Mit diesem häufi-geren Beziehungswechsel ist zugleicheine häufigere Trennungserfahrung ver-bunden, die immer als belastend erlebtwird. Denn damit sind zwei Gefühlslagenverbunden: entweder Belastung, die sichin Einsamkeit, Kränkung, Verzweiflungund Wut ausdrücken kann, oder Entlas-tung als Erleichterung, sich gelöst zuhaben. Entscheidend für das Erleben istnicht, ob es sich dabei um eine wieder-holte Trennungserfahrung handelt, son-dern ob man die Trennung aktiv herbeige-führt hat oder nicht (S. 28). Trotz derschmerzlichen Trennungserfahrungenwerden die häufigen Beziehungserfahrun-gen vom Großteil der Befragten als wich-tiger Erprobungs- und Lernprozess gese-hen (S. 33ff).

Die große Überraschung dieser Studie lagjedoch in der Erkenntnis, dass „der Wan-del nur die Organisationsform sowie die

Fluktuation und die Dauer von Beziehun-gen, nicht die Beziehungsneigung oderBeziehungsbereitschaft“ (S. 31) betrifft.Für 95 % aller Befragten ist eine festeZweierbeziehung die gewünschte und ide-ale Lebensform, die für die meisten – vorallem Frauen –, monogam sein sollte.Darüber hinaus stellt die Beständigkeiteiner Beziehung einen wichtigen Wert dar.83 % der 30-Jährigen wünschen sich „einLeben lang” mit dem jetzigen Partner bzw.der jetzigen Partnerin zusammenzublei-ben. 80 % der befragten 30-Jährigen wol-len ein Kind mit dem aktuellen Partnerbzw. der aktuellen Partnerin und etwazwei Drittel (65 %) wollen ihn oder siespäter einmal heiraten. Ganz offensicht-lich gibt es ein Bedürfnis nach stabilen,dauerhaften Beziehungen. Allerdings istdie Dauer allein für den Wert einer Bezie-hung zu wenig. „Es geht nicht um Daueran sich, sondern um Dauer bei hoheremotionaler, intimer und (seltener) sexuel-ler Intensität. Es klingt paradox, aber esist so: Die Instabilität heutiger Beziehun-gen resultiert nicht aus Bindungsunfähig-keit oder -unlust; sie ist vielmehr die Kon-sequenz des hohen Stellenwerts, derBeziehungen für das persönliche Glückbeigemessen wird und der hohen Ansprü-che an ihre Qualität“ (S. 33).

Ähnlich weisen die Ergebnisse der öster-reichischen Wertestudie in dieselbe Rich-tung. Der Lebensbereich Familie wird vorArbeit, Freizeit, Freunde und Bekannte,Religion und Politik als der wichtigsteLebensbereich angegeben. Der Familiekommt hohe Bedeutung zu, obwohl dieZustimmung von 89 % in der Untersuchung1999 auf 79 % im Jahr 2008 zu rück -gefallen ist. Auffällig ist, dass der Rück-gang der Wichtigkeit der Familie parallelzu einer zunehmenden Wertschätzung vonFreunden und Bekannten verläuft. Wäh-rend Freunde und Bekannte 1999 von44 % als sehr wichtig angesehen wurden,stieg ihre Zahl 2008 auf 55 Prozent.

Dieses Ansteigen könnte im Zusammen-hang mit den Veränderungen in modernenGesellschaften, die dem Einzelnen einHöchstmaß an Flexibilität und Mobilitätabverlangen, in zweifacher Weise interpre-tiert werden: Die Attraktivität der Bezie-hungen zu Freund/innen und Bekanntenkönnte in dem Umstand liegen, dass sieweniger verbindlich sind und leichter alsFamilienmitglieder ausgetauscht werdenkönnen. In der gestiegenen Bedeutsamkeitvon Freunden und Bekannten könntejedoch auch die Einsicht enthalten sein,dass bei immer kleiner werdenden Fami-lien die Notwendigkeit stabiler und belast-barer Beziehungen außerhalb der Familiewächst (Hamachers-Zuba/Lehner/Tschi-pan 2009, S. 110).

Auch in Österreich ist feststellbar, dassdie Beziehungen vor allem bei den Jun-gen serieller werden. Dennoch definiertsich für mehr als die Hälfte der Österrei-cher/innen das private Glück über das„kleine Glück zu zweit“. Dabei wirdbesonderes Gewicht auf die Beziehungs-qualität und die emotionale Geborgenheitgelegt. Treue, Respekt, gegenseitigesVerständnis und die Bereitschaft, an derBeziehung zu arbeiten, sind die wichtigs -ten Erwartungen an eine gute Ehe.

In jüngster Zeit wird auch die materielleSicherheit zunehmend bedeutsam (S.109). Wenngleich die Akzeptanz und diePraxis von alternativen Lebensformen wienicht-ehel icher-Lebensgemeinschaften(NEL), Living-apart-together (LAT) zuge-nommen hat, dominiert im Kern das tradi-tionelle Bild von Vater/Mann, Mutter/Frauund Kind. „Diesem Modell gegenüberwerden NEL und LAT als Vor- bzw. Über-gangsformen geführt, die in das traditio-nelle Modell auf Basis einer Ehe überge-leitet werden, sobald Kinder kommen.“(Hamache r s -Zuba /Lehne r / T sch i ppan2009, S. 126)

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2. VATER – MUTTER – KIND

Im Grunde ist die große Beziehungsnei-gung nichts Überraschendes. Der Menschist als soziales Wesen von Geburt an aufBeziehungen angelegt. Gerade in denletzten Jahrzehnten hat die Psychoanaly-se auf der Grundlage der Ergebnisse derSäuglingsforschung diese Beziehungs-orientierung des Menschen in das Zent -rum ihrer Theorien gestellt. Während inder Tradition der Psychoanalyse voneinem Säugling „das Bild eines passiven,undifferenzierten und seinen Trieben aus-gelieferten Wesens gezeichnet [wurde],das in einem langen Kampf die Schreckendieser Zeit der Hilflosigkeit und Abhän-gigkeit bewältigen muss“ (Dornes 1993,S. 21), kam es durch die Ergebnisse derSäuglingsforschung zu einem Paradig-menwechsel. Im Mittelpunkt steht nun der„kompetente Säugling“, der von allemAnfang an vielfältige Fähigkeiten mitbe-kommen hat, die Welt und sich selbst zuempfinden. Seine Motivation und seineEntwicklung ist zentral um einen „Wahr-nehmungs- und Handlungsdialog“ (Lich-tenberg 1991, S. 6) mit der(n) Bezugsper-son(en) zentriert.

Mit diesen Überlegungen ist die Vorstel-lung von der symbiotischen Dyade amAnfang der menschlichen Entwicklunggrundlegend zu überdenken. Der Säuglingist mit der Mutter nicht bloß symbiotisch-passiv verbunden, sondern gestaltet alskompetenter Säugling aktiv das Bezie-hungsgeschehen mit. Ebenso verände-rungswürdig ist die Sicht des Säuglings,dass er in der Dyade Mutter-Kind zentriertist. Ein Baby ist von allem Anfang anbestrebt, sofern es die Möglichkeit hat,mit unterschiedlichen Personen in Bezie-hung zu treten (Grieser 2003, S. 104). Fürein Kind entscheidend ist daher dasDreieck Vater-Mutter-Kind als primäreEinheit für die kindliche Entwicklung. Eszeigte sich, dass „die Fähigkeit zur Indivi-duierung sich über verschiedene Entwick-lungsschritte vor allem aus der Qualitätdes Zusammenspiels innerhalb der Triadeentwickelt, aus der Art und Weise, in derinnerhalb der Familie die Spannung zwi-schen dyadischen und triadischen Inter-aktionen von allen Beteiligten stets aufs

Neue bewältigt wird“ (King 2002, 527).

Die Notwendigkeit einer triadischenSichtweise auf die Entwicklung von Kin-dern zeigt sich auch in der Geschlechter-forschung. Anstoß dazu ist die Frage, wiegroß die Präsenz von Vätern in der Fami-lie sein soll. Zahlreiche Untersuchungenzeigen, dass engagierte Väter einen posi-tiven Effekt auf die Entwicklung von Kin-dern haben (Fthenakis 1999, 121). Vor-schulkinder von stark engagierten Väternzeigen beispielsweise größere kognitiveKompetenz, eine verstärkte internale Kon-trollüberzeugung und mehr Empathie.Kinder im Alter zwischen sechs und sie-ben Jahren reagieren auf das positiveväterl iche Engagement mit besserenschulischen Leistungen und sozialer Rei-fe. Ebenso wirkt sich das väterliche Enga-gement auf die Entwicklung von Selbst-kontrolle, Selbstwertgefühl, Fertigkeitenzur Lebensbewältigung sowie sozialerKompetenz im Grundschulalter und in derJugend positiv aus.

In neueren Untersuchungen ließ väterli-ches Engagement im Alter von 5 Jahrenpositive Vorhersagen auf eine spätereempathische Einstellung anderen gegen-über zu. Ebenso konnten positive Effekteauf bildungsbezogene und berufl icheMobilität von Söhnen und Töchtern imAlter von 20 Jahren festgestellt werden.Wassilios Fthenakis (1999, S. 122) fasstzusammen: „Umfassendes väterl ichesEngagement wirkt sich insbesondere aufdie Entwicklung kindlicher Eigenschaftenwie Empathie, soziale Kompetenz, schuli-sche Leistungsfähigkeit und Problembe-wältigungsfertigkeiten aus.“Allerdings sind diese positiven Auswir-kungen väterlicher Präsenz an Bedingun-gen gebunden. Sie wurde bei Vätern fest-gestellt, die 42 % und mehr der konkre-ten Versorgungsarbeit übernommenhaben (Fthenakis 1999, S. 121). Mit AloisHerlth lässt sich sagen, „je mehr [Väter]sich im Haushalt engagieren, desto unter-stützender werden sie von ihren Kindernwahrgenommen“ (Herlth 2002, S. 603).Der positive Effekt väterlicher Anwesen-heit ist also mit dem Faktor Zeit und mitkonkreter pflegerischer Versorgungsar-beit verbunden.

Dies führt zu der Frage, wie wichtig in derväterl ichen Anwesenheit der FaktorGeschlecht ist. Zunächst einmal liegt derWert der väterlichen Präsenz im Umstandbegründet, dass ein Kind zwei präsenteElternteile hat. Es kann unabhängige undnahe Beziehungen zu zwei unterschied-lichen Persönlichkeiten aufbauen. Damithat es ein größeres Spektrum an Außen-reizen und Interaktionsmöglichkeiten. Derwesentliche Wert liegt primär nicht imGeschlecht des Vaters, sondern in derAnwesenheit zweier verlässlicher Bezugs -personen. Diese elterlichen Bezugsperso-nen können deshalb auch gleichge-schlechtlich sein (Stacey 2001, S. 160).Darüber hinaus gibt es geschlechtsspezi-fische Auswirkungen auf die psychose-xuelle Entwicklung und Geschlechtsiden-tität. Engagierte Väter ermöglichen ihrenSöhnen die Entwicklung einer Männlich-keit aus einer affektiv-körperlichen Bezie-hung und ihren Töchtern die Erfahrungder Annahme und Wertschätzung durcheinen Mann innerhalb einer nicht-sexuali-sierten Beziehung. Anwesende Väter ver-hindern, „dass Väter, Männer und Männ-lichkeit zu einer Art angstmachendem,dunklem Kontinent’ werden“ (Schon2002, 487; Lehner 2001, 61ff).

Bei aller gebotenen Vorsicht können auf-grund der vorl iegenden Befunde dreiDimensionen einer positiv erlebten Vater-schaft formuliert werden: (1) eine einiger-maßen kontinuierliche Zeit der Anwesen-heit, (2) eine Anteil-nehmende und Anteil-gebende Kommunikation und (3) konkreteFürsorgearbeit (Hausarbeit). Diese Famili-enorientierung des Vaters, d.h. wie er sei-ne Rolle in der Familie definiert, wie sehrer sich in Kinderbetreuung und Haushaltengagiert, kommt auch der Qualität derPartnerbeziehung zugute. „[E]ine nicht-traditionelle Rollenaufteilung in der Fami-lie [kommt] sowohl den Ehebeziehungenwie den Vater-Kind-Beziehungen zugute“(Herlth 2002, S. 592).

Als Zwischenresumee lässt sich also fest-halten: Trotz einer beobachtbaren Plurali-sierung von Familienformen, die zu einerRelativierung der Bedeutsamkeit derInstitution Ehe führt, gibt es eine starkeBeziehungsneigung. Sie entspricht dem

BEZIEHUNGEN GESTALTEN UND VERTIEFEN.

Focus efl Beratung 9

Wesen des Menschseins, das nur inBeziehungen erfüllend gelebt werdenkann. Diese Beziehungsneigung spiegeltsich in Umfragen wider, in denen derWunsch nach dauerhaften stabilen Bezie-hungen zum Ausdruck gebracht wird. Dievorrangige Frage ist demnach nicht, wieMenschen beziehungsfähig werden kön-nen, sondern welche gesellschaftlichenRahmenbedingungen sie brauchen, umihren Wunsch nach Beziehungen auchleben zu können.

3. PARTNERSCHAFTLICHKEIT

Wenngleich aufgrund der vorliegendenErgebnisse deutlich wird, dass für eineoptimale Entwicklung von Kindern einepartnerschaftlich ausgeglichene Präsenzvon Eltern notwendig wäre, wird dieösterreichische Familie nach wie vor vomFamilienernährer/Hausfrauen- bzw. Teil-zeiterwerbsarbeits-Modell (Lehner/Schnabl2005, 226f) geprägt. Gemäß diesemModell gehen die meisten Männer einemVollzeiterwerb nach, während die Frauenfür Familie und Haushalt und bestenfallsfür einen Teilzeitzuverdienst zuständigsind. Damit wird Partnerschaftlichkeit inden Familien zu einer großen Herausfor-derung. Wenige Kinder können gleichwer-tige Beziehungen zu elterlichen Bezugs -personen erleben. In den meisten Fällen

sind sie auf eine Bezugsperson – dieMutter – verwiesen, eine Situation dieangesichts der Forschungsergebnisse alsbestenfalls suboptimal angesehen werdenkann.

Die fehlende Partnerschaftlichkeit in denBeziehungen lässt sich an der Frage derAufteilung der Hausarbeit beschreiben.Laut österreichischer Mikrozensuserhe-bung 2002 geben von den rund 2 Millio-nen österreichischen Paaren 57 % an,dass die Frau allein oder überwiegend fürden Haushalt zuständig ist, 28 % der Paa-re teilen sich Hausarbeit partnerschaftlichund in 12 % der Fälle verrichtet die Haus-arbeit die Frau und eine dritte Person,während der Mann (fast) nicht beteiligtist. Bei Paaren, in denen die Frau und derMann vollzeiterwerbstätig sind, erhöhtsich der Wert der partnerschaftl ichgeführten Haushalte auf 36 %, wobeiimmerhin 47 % der Frauen weiterhinallein oder überwiegend für Hausarbeitzuständig sind und noch 13% die Hausar-beit mit einer dritten Person ohne Beteili-gung des Mannes bewältigen.

Erfreulicherweise ist die Kinderbetreuungetwas ausgeglichener: 54 % aller Paaremit Kindern unter 15 Jahren betreuenihre Kinder partnerschaftlich. Dennoch istjede dritte Frau allein oder überwiegend

für die Kinderbetreuung zuständig. Wennbeide Elternteile berufstätig sind, wird dieKinderbetreuung von 57 % der Paaregemeinsam erledigt; und auch dort, wodie Frau nicht arbeiten geht, kümmernsich immerhin noch 43 % der Paaregemeinsam um die Kinder.

Bei jüngeren Paaren – vor allem in derGruppe der 18–30-jährigen – ist dieBereitschaft zu partnerschaftlichem Ver-halten etwas stärker ausgeprägt als beiälteren (Kytir/Schrittwieser 2003, 27ff).Hausarbeit ist Frauensache. Männer zei-gen zwar eine größere Bereitschaft fürpartnerschaftl iche Beteil igung in derFamilien- und Hausarbeit, wenn sie Vätersind, aber auch dieses Engagement istbegrenzt. In der österreichischen Män-nerstudie „Männer 2002“ bevorzugtendie Männer im Umgang mit ihren KindernFreizeit-Aktivitäten wie spielen, Sporttreiben, spazieren gehen. Versorgungstä-tigkeiten wie waschen, ins Bett bringen,kranke Kinder pflegen, zum Kinderarztgehen, Elternsprechtage und Schulveran-staltungen besuchen, überließen sie ger-ne den Frauen (Zulehner 2003, S. 83). Inderselben Untersuchung zeigte sich aucheine nach wie vor traditionelle Aufgaben-verteilung in der Beziehung: Die Männerder Untersuchung hielten Männer für diematerielle Existenzsicherung, das Treffenvon Entscheidungen und die Zukunftspla-nung zuständig und lokalisierten bei denFrauen Gemütlichkeit und das Gesprächüber die Partnerschaft (Zulehner 2003, S.65).

Diese Ungleichheit in den Beziehungenhat Konsequenzen. Kürzlich machteRobert Neuwirth im Rahmen des „Genera-tion and Gender survey 2008/09“ auf derGrundlage von Untersuchungsergebnis-sen aus acht verschiedenen Staaten dieFeststellung: „mehrheitlich Frauen stellendie Beziehung in Frage.“ (Neuwirth 2009)Die Partnerschaftsstabilität nimmt mitzunehmendem Alter zu, die Partnerzu -friedenheit nimmt bei Frauen mit demzunehmenden Alter graduell ab. „Wäh-rend Männer über alle Altersgruppen hin-weg relativ konstante Zufriedenheitswertehinsichtlich der Aufteilung der Haushalts -agenden und der Kinderbetreuung und

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auch nur geringe Schwankungen bei dergenerellen Zufriedenheit mit der Partner-schaft aufweisen, ist bei Frauen nahelie-gend, dass ihr negativer genereller Part-nerschaftszufriedenheitsverlauf über dieAlterskohorten weitgehend von derzunehmend unterdurchschnitt l ichenZufriedenheit mit der Aufteilung derHaushalts- und der Kinderbetreuungstä-tigkeiten geprägt ist“ (Neuwirth 2009). Esgibt also ein europaweites Phänomen,demnach vor allem Frauen aufgrund derzu geringen Partnerschaftlichkeit in ihrenBeziehungen unzufrieden sind.

Als Ausdruck dieser Unzufriedenheit kannder Umstand gesehen werden, dass dieMehrzahl der Scheidungen von Fraueninitiiert wird. Bis es jedoch zu diesemSchritt kommt, finden lange Entschei-dungsprozesse statt, in denen ge -schlechtsspezifische Muster erkennbarsind. Wie Ulrike Zartler und Harald Wern-eck beschreiben, erleben und kommuni-zieren Frauen zunächst eine jahrlangeZeit der Unzufriedenheit, welche vonMännern nicht als dramatisch wahrge-nommen wird: Für sie ist Beziehung einsich selbst organisierender Prozess.Wenn Frauen dann nach dieser Zeit derÜberlegungen den Entschluss zur Tren-nung artikulieren, erleben dies Männerals plötzlich, überraschend und unerklär-lich. Nun erst erkennen auch sie dieDringlichkeit und wären bereit, alles zutun, um die Beziehung aufrechtzuerhal-ten. Für Frauen ist die Entscheidung mitt-lerweile endgültig und nicht mehr rück-gängig zu machen. (Zartler/Werneck2004)

Gerne wäre man an dieser Stelle geneigt,zu betonen, dass dort, wo es in einerPartnerschaft Unzufriedenheit gibt, es zuverstärkten Kommunikationsprozessenkommen sollte. In der Tat hält die Wissen-schaft die Fähigkeit, angemessen zukommunizieren (Kommunikationskompe-tenz), für eine der drei wesentlichen Kom-petenzen für eine glückliche Partner-schaft. Weitere Voraussetzungen sind dieFähigkeit, Alltagsprobleme effizient lösen(Problemlösungskompetenzen) sowie denAlltagsstress wirksam bewältigen zu kön-nen (Stressbewältigungskompetenzen)

(Bodenmann 2004). Eine zentrale Rollespielt dabei der Umgang mit Stress. Esgibt viele Paare, die zwar gut kommuni-zieren und Probleme lösen können, diejedoch unter Einwirkung von Stress dieseFähigkeit verlieren. Guy Bodenmann gehtaufgrund seiner Forschungen davon aus,dass in vielen Fällen nicht partnerschafts-interne Faktoren wie neurotische Partner-wahl oder mangelnde Passung, sondernexterne Umstände wie der Alltagsstressdie Hauptursache für Trennung undScheidung sind (Bodenmann 2003, 491).Dieser Alltagsstress kann auf ein Paareinen derartig negativen Einfluss aus -üben, dass es weder durch Kommunika-tion noch durch Problemlösungen zuein-anderfinden kann. Geschlechterverhält-nisse, die auf fehlender geschlechterge-rechter Partnerschaftlichkeit in den Fami-lien basieren, können als ein Hauptfaktorfür den Alltagsstress in Beziehungenangesehen werden. „UnterschiedlicheRollenleitbilder, insbesondere die familialeArbeitsteilung und die Verantwortlichkeitder Väter betreffend, spielen eine wesent-liche Rolle im Trennungsprozess“ (Beham/Zartler 2003, 80). Das Problem liegtjedoch nicht im fehlenden persönlichenWollen von Frauen und Männern, sondernin den gesellschaftlichen Strukturen, dieFrauen und Männer ungleich positionie-ren. Ein Paar kann dann trotz allem Bemü-hen um die Beziehung auf individuellerEbene nicht mehr ausgleichen, was aufstruktureller Ebene defizitär angelegt ist.

4. DIE BEDEUTUNG DES GESELL-SCHAFTLICHEN UMFELDS

Die Lösung dieser Probleme kann nichtvon den Familien erwartet werden, son-dern muss auf politisch-struktureller Ebe-ne erfolgen. Sie müsste Frauen und Män-nern eine geschlechtergerechte Verein-barkeit von Beruf und Familie ermög-lichen, sodass Frauen und Männer part-nerschaftlich ausgeglichen in der Familiepräsent sind, und auch zu gleichen Teilenfür den Erwerb zuständig sind. Dies wür-de eine Weiterentwicklung der gesell-schaftl ichen Strukturen, die vomFamilienernährer -Hausfrauen- bzw. Teil-zeiterwerbsarbeits-Modell geprägt sind,hin zu einem Doppelverdiener/innen-Dop-

pelversorger/innen-Modell erforderl ichmachen.

Wenn Menschen ein großes Bedürfnisnach stabilen Beziehungen haben, sollteder Schwerpunkt christl icher Pastoralnicht darauf liegen, Menschen den Wertvon Beziehungen nahe zu bringen bzw.sie zum Leben solcher Beziehungen zumotivieren. Kirche kann vielmehr Men-schen in ihrem Ringen um Beziehungenbegleiten, indem sie sich als einen Raumnichtwertender Kommunikation anbietet,in dem Menschen ihre gelingenden, abervor allem auch ihre nicht gelingendenBeziehungserfahrungen austauschen undreflektieren können. Darüber hinaus istsie gefordert, sich für geschlechterge-rechte Strukturen in Gesellschaft und Kir-che einzusetzen. Eine männerdominierteGeschlechterhierarchie ist Ausdrucksündhafter Strukturen. Kirche ist gefor-dert, diese Strukturen zu benennen,sichtbar zu machen und sich für ihregeschlechtergerechte Veränderung einzu-setzen. „ … denn das Reich Gottes istnicht Essen und Trinken, es ist Gerechtig-keit, Friede und Freude im Heiligen Geist“(Röm 14,17).

LITERATUR:

Beham, Martina/Zartler, Ulrike (2003):Wie viel väterliche Erwerbstätigkeit ver-trägt Familie? In: „working father“ Män-ner zwischen Familie und Beruf. Psycho-logische, soziologische, ökonomische,kommunikationswissenschaftl iche undweitere Aspekte, Dokumentation zurTagung der Österreichischen Gesellschaftfür Interdisziplinäre Familienforschung(ÖGIF), Wien, 79–84Bodenmann, Guy (2003): Die Bedeutungvon Stress für die Partnerschaft. In: Grau,Ina/Birhoff, Hans-Werner (Hg.): Sozialpsy-chologie der Partnerschaft, Berlin, 481–504Bodenmann, Guy (2004): Wie Partner-schaft gelingt. In: Fthenakis, WassiliosE./ Textor (Hg.), Martin R., Online-Famili-enhandbuch.www.famil ienhandbuch.de/cma in /a_Sea rch .h tm l?q=bodenmann(02.06.2010)

BEZIEHUNGEN GESTALTEN UND VERTIEFEN.

Focus efl Beratung 11

Dornes, Martin (1993): Der kompetenteSäugling. Frankfurt a. MainFthenakis, Wassilios (1999): EngagierteVaterschaft. Die sanfte Revolution in derFamilie, Opladen Jürgen Grieser (2003): Von der Triadezum triangulären Raum. In: ForumPsychoanalyse, (19), 99–115Herlth, Alois (2002): Ressourcen derVaterrolle. Familiale Bedingungen derVater-Kind-Beziehung, in: Walter, Heinz(Hg.): Männer als Väter. Sozialwissen-schaftliche Theorie und Empirie, Gießen,585–608Hamachers-Zuba, Ursula/Lehner, Erich/Tschippan, Claudia (2009): Partnerschaft,Familie und Geschlechterverhältnisse inÖsterreich. In: Friesl, Christian/Polak,Regina/Hamachers-Zuba, Ursula (Hg.):Die Österreicher –innen. Wertewandel1990–2008. Czernin-Verlag, Wien, 87–141Kytir, Josef/Schrittwieser Karin (2003):Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Pfle-ge, Ergebnisse des Mikrozensus 2002.Bundesministerium für soziale Sicherheit,Generationen und Konsumentenschutz,WienLehner, Erich (2001): Männer an derWende. Grundlagen kirchlicher Männerar-beit. InnsbruckLehner, Erich/Schnabl, Christa (2005):Geschlechtergerechte Politik – Grundla-

gen für die Konzeption von Männerpolitik.In: Krall, Hannes (Hg.): Jungen- und Män-nerarbeit. Bildung, Beratung und Begeg-nung auf der „Baustelle Mann“. Wiesba-den, 221–236 Neuwirth, Robert (2009): Zufriedenheit inder Partnerschaft und Partnerschaftssta-bilität. In: Neuwirth, Robert/Huber, Isabel-la (Hg.): Familienentwicklung in Öster-reich. Erste Ergebnisse des Generations-und gender-Survey (GGS) 2008/09, WienLichtenberg, Jospeh D. (1991): Psychoa-nalyse und Säuglingsforschung. BerlinSchmidt, Gunter/Mathiessen, Silja/Dekker,Arne/Starke, Kurt (2006): SpätmoderneBeziehungswelten. Report über Partner-schaft und Sexualität in drei Generatio-nen. VS Verlag für Sozialwissenschaften,WiesbadenSchon, Lothar (2002): Entwicklungspsy-chologische Betrachtung der ersten Jah-re. In: Walter, Heinz (Hg.): Männer alsVäter. Sozialwissenschaftl iche Theorieund Empirie, Gießen. 477–517Stacey Judith/Biblarz Timothy J. (2001):(How) does the sexual orientation ofparents matter? In: American SociologicalReview (66),159–183Zartler, Ulrike/Werneck, Harald (2004):Die Auflösung der Paarbeziehung: Wegein die Scheidung. In: Zartler, Ulrike/Wilk,Liselotte/Kränzl-Nagl, Renate (Hrsg.):Wenn Eltern sich trennen. Wie Kinder,

Frauen und Männer Scheidung erleben,New York/Frankfurt am Main, 57–106Zulehner, Paul M. (2003) (Hg.): MannsBil-der. Ein Jahrzehnt Männerentwicklung. ImAuftrag des Bundesministeriums für sozi-ale Sicherheit, Generationen und Konsu-mentenschutz, Ostfildern

Erstmals erschienen:Lehner, Erich (2010): Beziehung gestaltenund vertiefen. Perspektiven aus derGeschlechterforschung, Psychoanalyseund Theologie. In: Krieger, Walter/Siebe-rer, Balthasar (Hg.): Beziehung leben zwi-schen Ideal und Wirklichkeit. Linz, Wag-ner-Verlag, S. 41–53

Mag. Dr. ErichLehner ist Psy -cho analytiker infreier Praxis; wei-tere Arbeitsberei-che sind: Männer-und Geschlech-terforschung, Pal-l iative Care ander Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Graz, Wien; Fakul-tät -IFF Abteilung Palliative Care undOrganisations-Ethik. Siehe: www.erich-lehner.at

Rechtzeitig zum Weltmännertag am 3.November hat Markus Hofer, Leiter desVorarlberger Männerbüros, sein neues Buchveröffentlicht, in dem sich alles um die 2.Halbzeit dreht, die nicht nur im Fußball denAusschlag gibt.

Mit viel Humor, Einfühlungsvermögen undjeder Menge Erfahrung legt er den Finger aufwunde Punkte wie Karriere, Körper, Gesund-heit, Sexualität, Partnerschaft, Rollenbilderu.v.m. Er zeigt die Herausforderungen, aberauch die Vorteile des Älterwerdens auf. Dageht es um bunte Hunde und heilige Narren,

BUCHTIPP

ewige Kinder und gebrochene Helden, für dieauch schon einmal Clint Eastwood als Vor-bild herhalten muss. Ein amüsanter Leitfa-den für Männer im “besten Alter”.

Die Lektüre ist auch für Frauen lohnend,denn vieles daraus (be)trifft und hilft unsauch und wo doch Unterschieden bleiben,kann das Buch helfen Männer besser zu ver-stehen:

Markus HoferDie zweite Halbzeit entscheidetStrategien für Männer ab 40

144 Seiten, Tyrolia-Verlag 2011ISBN 978-3-7022-3145-3, €12,95 / SFr. 18,90

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SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN!

Bereits im März dieses Jahres hat der Berufsverband der Dipl. Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs einen schrift-lichen Beitrag zur Diskussion rund um den Gesetzesentwurf des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 2012 u.a. an das Justizmi-nisterium geschickt. Schon darin war es uns ein Anliegen auf unsere Kompetenzen, aber auch auf die bereits bestehenden Syner-gien zwischen Familienberatung und Gericht hinzuweisen.

Diesmal erlauben wir uns, Ihnen einige Informationen und Überlegungen bezüglich unseres Berufsstandes und den angedachtenModellprojekten FAMILIENGERICHTSHILFE und SCHLICHTUNGSSTELLEN zukommen zu lassen.In Österreich gibt es – gefördert vom Familienministerium – 83 Stellen von Familienberatung bei Gericht. Viele Richterinnen undRichter arbeiten eng mit BeraterInnen zusammen und haben diese Kooperation, so wird uns laufend rückgemeldet, schätzengelernt. Leider gibt es solche Angebote aus Budgetgründen nicht flächendeckend.Die Familienberatung bei Gericht wird jeden Dienstagvormittag während des Amtstags am Gericht angeboten. Das Angebot istniederschwellig und die Menschen können mit allen familienrechtlichen und familienrelevanten Themen kommen.Das Beratungsteam besteht aus einer/einem Juristin/Juristen und einem/einer (psychosozialen) FamilienberaterIn.Die BeraterInnen bei Gericht klären über alle Angelegenheiten von Trennung, Scheidung, Obsorge und Besuchsrecht auf und ermu-tigen und motivieren Menschen zur gemeinsamen Verantwortungsübernahme. Ziel ist immer, eine gut lebbare Lösung, vor allem imBlick auf und für die Kinder, zu finden. Zusatzkompetenzen der BeraterInnen, wie etwa Kinder- und Jugendberatung, Mediation undErfahrungen aus pädagogischen Quellberufen ermöglichen hier wertvolle Angebote.

• Die BeraterInnen bei Gericht arbeiten systemisch: Sie klären, wer von der Familie (Vater, Mutter, Kinder, Großeltern, Stiefeltern,etc.) am Problem beteiligt ist und wer wie in die Problemlösung einbezogen werden muss.

• Die BeraterInnen bei Gericht arbeiten lösungsorientiert: Sie überlegen mit den KlientInnen alle Möglichkeiten immer mit demFocus auf die Problemlösung.

• Die BeraterInnen bei Gericht fungieren als Clearingstelle, d.h. sie klären Anliegen, Bedürfnisse und Ziele der KlientInnen undvermitteln an die nächsten kompetenten Stellen, z.B. Familienberatungsstelle, Psychotherapie Jugendwohlfahrt, Mediation,Schuldnerberatung, Rechtsanwälte usw.

Im Wissen wie wichtig eine gute Erstberatung für den weiteren positiven und kooperativen Verlauf einer Scheidungist, plädieren wir dafür, dass an jedem Gericht in Österreich eine Familienberatung bei Gericht installiert wird. Weiters, dass alle möglichen Kooperationen oder Synergiemöglichkeiten zwischen den bereits bestehenden Fami-lienberatungsstellen und den geplanten Schlichtungsstellen angedacht und umgesetzt werden.

Zusätzlich ist uns wichtig darauf hinzuweisen, dass die Familienberatung, geregelt durch das Familienbera-tungsförderungsgesetz (BG Bl. Nr. 80/1974 in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 734/1988 und BGBl. I Nr. 130/1997)im Rahmen von Obsorge- und Besuchsrechtsfragen eine qualifizierte Partnerin ist. Die Kompetenzen und meistlangjährigen Erfahrungen der Dipl. Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen befähigen diese ausgezeichnet alsMitarbeiterInnen in der Familiengerichtshilfe.

In dem Expertengespräch zum Thema Familiengerichtshilfe am 3.5.2011 im Justizministerium wurde wiederholt darauf hingewie-sen, wie wichtig für alle an Scheidungsprozessen Beteiligten – allen voran Eltern und Kinder, aber auch Richterinnen und Richter– eine RASCHE Abwicklung sei. Menschen, die bald wieder die Möglichkeiten erhalten, nach einem Bruch in ihrem Leben neueWege zu gehen, gewinnen rasch Zuversicht und Lebenskompetenz zurück.Wir sind überzeugt, hierbei sowohl unsere KlientInnen als auch Familienrichterinnen und -richter bestens unterstützen zu können.

Mag. Eva Bitzan Mag. Elisabeth Birklhuber Mag. Andrea Holzer-BreidVorsitzende des Berufsverbandes der Stellvertr. Vorsitzende Dipl. Familienberaterin bei GerichtDipl. EFL-BeraterInnen Österreichs am BG Grieskirchen in Oberösterreich

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GEDANKEN ZUR GEMEINSAMEN

OBSORGE

Ulrich Wanderer

Im Rahmen der Diskussionen der letztenJahre zum Kindrechtsänderungspaketgehen die Emotionen hoch. Während dieeinen in harschen Worten die obsorge-rechtliche Steinzeit heraufdämmern sehen,scheint für andere die verpflichtendegemeinsame Obsorge beider Elternteileder Stein der Weisen zu sein.Freilich hängt hier der Blick auf dasgewünschte Ergebnis sehr vom jeweiligenStandpunkt ab. Die einen beharren stolzauf der alleinigen Obsorge und argumen-tieren, dass der Ex-Partner ja schon in derBeziehung keine Verantwortung gezeigthat, die anderen erhoffen nun endlich eineGegenleistung zum permanent erhöhtenUnterhalt.Es ist psychologisch bestätigt, dass derVertrauensvorschuss, welcher im Rahmender gemeinsamen Obsorgevereinbarungdem zukünftigen Ex-Partner und dann nurnoch Mutter/Vater des gemeinsamen Kin-des gegeben wird, in der weiteren Folgekleine Wunder wirken kann.Ändern wir einmal einige Bezeichnungen:Während die Obsorge immer als Sorge-recht bezeichnet wird, so bleibt in diesemWort ein sehr wesentlicher Aspekt außerAcht. Es handelt sich eigentlich um dasRecht des Kindes, wohl umsorgt aufwach-sen zu können, also um die Sorgepflichtder Eltern. Es ist primär das Recht des Kin-des, Kind sein zu dürfen und nicht dasRecht der Obsorgeverpflichteten, Machtauszuüben.

Freilich klingt es erfreulich, wenn man dasRecht hat, für sein Kind zu unterschreiben,ihm auch den Aufenthalt vorzuschreibenoder die Schule auszusuchen, aber dieseWortspiele dürfen keineswegs über dieTatsache hinwegtäuschen, dass es sichdabei um eine besonders wichtige Pflichthandelt, welche bei Nichtbeachtung auchmassive Folgen zeitigen kann.Werden die schulischen Leistungen derSprösslinge nicht von den Eltern abge-zeichnet, so wird die Schule (in weitererFolge vielleicht gar der Jugendwohlfahrts-träger) nachfragen, wie es denn mit derKindererziehung bestellt ist. Bleiben die

Kinder bis spät in die Nacht aus, so klopftunter Umständen gar die Polizei an die Tür.Die aus dem Obsorgerecht resultierendePflicht der Eltern geht also durchaus mitgroßer Verantwortung und so manchenBelastungen einher.

Ein weiterer Aspekt, welcher anlässlichjener Enquete im Parlament im Frühling2010 angesprochen wurde, fügt sich hierthematisch ein. Der OGH hätte in einemErkenntnis ausdrücklich ausgesprochen,dass das Besuchsrecht des nicht Unter-kunft gebenden Elternteils seiner Ansichtnach NICHT dazu diene, dass sich derandere Elternteil einmal frei nehmen underholen könne. Offenbar war im damaligenAnlassfall die Besuchsregelung mit einem“Wellnessurlaub” des Unterkunft gebendenElternteils verbunden worden, was derOGH zum Anlass nahm, diese harte Junkti-mierung in den Raum zu stellen.Nun, sei es einmal so: Das Besuchsrecht istRecht des Kindes und nicht eine Möglich-keit eines Kollateralvorteils des erziehendenElternteils auf eine kurze Erholung – Scha-de eigentlich, dass nach Ansicht des Obers -ten Gerichts nicht beides möglich ist.Der Autor kann sich an dieser Stelle einkleines Gedankenspiel nicht verkneifen:Ändert man ein wenig die Diktion, beseitigtden Ausdruck des „Besuchs“-Rechts undstellt „Betreuungszeit“ gedanklich an des-sen Stelle, so wäre der Weg für ein mögli-cherweise neues Verständnis geebnet. Esginge nicht mehr um den Besuch beiMama oder Papa, sondern vielmehr um diezeitlich begrenzte Übernahme von Verant-wortung für das gemeinsame Kind. Wegvon kurzen Kino- oder Cafebesuchen, dienach Stunden wieder beendet werden, hinzu Verantwortung auf Seite des einen, undEntlastung des anderen Elternteils. DieseEntlastung würde bestenfalls auch Hand inHand mit einem gewissen Vertrauensvor-schuss gehen, welcher freilich für eine gutfunktionierende Betreuungszeitregelungunumgänglich ist.Wobei Vertrauen freilich ein Stichwort beider heftig entflammten Diskussion zurgeplanten verpflichtenden gemeinsamen

Obsorge ist. Wird im Rahmen einer einver-nehmlichen Scheidung über die Sorge-pflicht für die Kinder gesprochen, so wirddie Konfliktkultur der baldigen Ex-Partnerbeziehungsweise baldigen „Nur-noch-Eltern“ auf eine sehr harte Probe gestellt.Wie eingangs schon erwähnt ist freilichgerade hier einer harten Auseinanderset-zung Tür und Tor geöffnet. Unterhalt wirdgegen vermeintliche Rechte gegengerech-net, der Kontakt zu den Kindern hängt alsSchwert des Racheengels über dem ohne-dies schon heißen Konflikt.

Niemand will etwas von der alleinigen Ver-antwortung hergeben, schon gar nicht um„Der/Dem da!“ etwas zu schenken.Dann hat sich auch noch der völlig irrefüh-rende Begriff der „geteilten“ Obsorge inden Köpfen der Menschen breit gemacht.Doch ist das Gegenstück zur alleinigenSorgepflicht, der auf den Schultern einesElternteils alleine ruhenden Verantwortungfür das Leben, Gesundheit, die Erziehungund Pflege, die Vertretung und auch dasVermögen nicht die je 50:50 aufgeteilteSorgepflicht, sondern vielmehr die Verdop-pelung der Pflichten zu je 100 % auf bei-den Schultern, wie auch in aufrechter Ehe. Der Vertrauensvorschuss, welcher durchdie Vereinbarung einer gemeinsamen Sor-gepflicht offenbar wird, hilft bei der Dis-kussion über die sonstig noch zu verhan-delnden Themen einer einvernehmlichenScheidung. Der Unterhalt und die Vermö-gensaufteilung werden in der Praxis derMediation dann weit entkrampfter disku-tiert, viel schneller kommt man zu einemtragfähigen Ergebnis. Ändert sich das Ein-vernehmen bezüglich der Kinder, so stehtes derzeit jedem Elternteil frei, einenAntrag auf alleinige Obsorge zu stellen.Bereits die Tatsache, dass ein solcherAntrag gestellt wird, ist für das entschei-dende Gericht ausreichend, um ein Zer-würfnis zwischen den Eltern anzunehmenund die gemeinsame Obsorge aufzuheben.Hier jedoch bahnt sich eine Änderung an.Es könnte der Automatismus der Beendi-gung der gemeinsamen Sorgepflicht beiAntragstellung fallen, falls das Gericht zur

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„LEUTE IM EHESTAND MÜSSEN

MANCHMAL STREITEN, DANN ERFAH-REN SIE ETWAS VONEINANDER“(NACH J.W. GOETHE)

BEZIEHUNGSKONFLIKTE – ZUGÄNGE:

Jedes Paar beginnt seine Beziehung mitder Hoffnung, möglichst konfliktfrei undglücklich zu leben. Schließlich ist man javerliebt und mag den Partner/die Partnerin. Man möchte Konflikte vermeiden, nichtwahrhaben und man ist geneigt, sie alssehr unangenehm und störend abzutun.Und sie werden damit unterdrückt, tabui-siert und in ihrer Funktion verkannt.Das Wort Konflikte bedeutet: „Zusammen-stoßen, kämpfen, streiten“ – Zusammen-stoßen von grundsätzlichen, unvereinba-ren Interessen in für die Beteiligten wich-tigen Angelegenheiten und Zusammen-hängen bei gleichzeitigem Bestehen vonRealisierungstendenzen. Zwischenmensch-lichen Konflikten – um die geht es uns –liegen meist unbenannte Bedürfnisseund/oder Gefühle zugrunde.Nach Martin Koschorke, einem BerlinerEhetherapeuten, geht es beim Streiten umden unerfüllten Wunsch nach Zuwendung,Anerkennung, Wertschätzung und Zärtlich-keit. Die Lösung wäre demnach sehr ein-fach: Geben Sie Ihrem Partner, Ihrer Part-nerin das Gewünschte. Leider erwarten wirirgendwann im Laufe der Beziehung vomanderen Teil den ersten Schritt.Paare wollen Harmonie herstellen underhalten und beginnen die Beziehungenmit der Idee: Dort wo Liebe ist, wird mansich doch nicht verletzen wollen. Beidesgeht nicht auf: Gerade, wo Liebe und Nähemöglich sind, steigt das Verletzungsrisiko.

Paar- und Familienkonflikte sind seltenreine Sach- und Interessenskonflikte undsind daher auch nicht so zu händeln, wieKonfl ikte in Geldangelegenheiten, ingeschäftlichen Dingen oder die Ausei -nandersetzung über Politik und Sport.

Konflikt und Streit in Ihrer Partnerschaftbedeuten: Sie sind unterschiedlich!Wenn sie mit dem/r Partner/in in Konfliktgeraten, in Streit geraten, zeigen Sie,dass Ihnen aneinander etwas liegt. Eroder sie sind Ihnen nicht gleichgültig. Miteinem Menschen, der Ihnen völlig gleich-gültig ist, würden Sie nicht streiten. DasGegenteil von Liebe ist nicht Hass oderWut, sondern Ignoranz und Indifferenz.Lust an der Auseinandersetzung kanndurchaus ein Zeichen sein, dass dieBeziehung lebendig ist. Streit kann dieLuft reinigen wie ein Gewitter. Streiten tutmanchmal sehr weh, aber die Partnerspüren sich wieder. Nach einer Ausei -nandersetzung gehen die Partner in derRegel behutsamer um und eine neueAchtsamkeit kann entstehen. Wenn derStreit allerdings in Kampf ausartet undjeder siegen will, dann können die Wun-den mit der Zeit so tief werden, dass sienicht oder nur schwer zu heilen sind.Dazu muss man wissen, dass es beimStreit in der Beziehung nicht um das Sie-gen geht. Partnerschaft ist anders alsTennis: Es gibt immer nur zwei Gewinneroder zwei Verl ierer. (Vgl. Koschorke,2011, S. 134 ff).

In der Eheberatung sagte einmal einMann: „Aber irgendwer muss doch rechthaben und sie soll das doch auch einmaleinsehen. Sie betonen aber immer: siehaben Recht, und meine Frau hat auchRecht – ich hätte am liebsten alleine

WENN ZWEI SICH STREITEN

– ODER DIE KRAFT DER

KONFLIKTE

MIT BEZIEHUNGS- UND FAMILIENKONFLIKTEN KONSTRUKTIV

UMGEHEN

Josef Hölzl

Erkenntnis gelangt, dass die gemeinsameSorgepflicht weiterhin zielführend für dasKindeswohl sei.

Wie sich die Lage des Familienrechts nachdem Familienrechtsänderungspaket derkommenden Monate gestalten wird, stehtzwar noch in den Sternen, doch lasseneinige wenige Meldungen bereits Änderun-gen im Bereich der Besuchsrechtsregelung(möglicherweise gesetzliche Vorgaben fürdie Zeiten der Ausübung des Besuchs-rechts) erahnen. Das Namensrecht könnteauch zugunsten der erweiterten Möglich-keit von Doppelnamen geändert werden. Inweiterer Folge könnte auch die Rechtspre-chung des EuGH dahingehend Auswirkun-gen zeitigen, dass auch das Antragsrechtlediger Väter nicht mehr zwingend hinterder sozialen Familie zurücksteht.

Lassen wir uns von den neuen Rahmenbe-dingungen überraschen. Die Klienten in derBeratung werden dieselben bleiben, eben-so wie auch die Themen. Zu hoffen bleibt,dass möglicherweise der Spielraum zurLösungsfindung etwas erweitert werdenkönnte und die viel zitierten neuen Famili-enformen aus der rechtlichen Grauzone indie Verbindlichkeit gehoben werden.

Mag. Ulrich Wanderer, Mediator, in freierPraxis, Jurist beiFamil ienberatungs-stellen in NÖ undKärnten, sowie derKontaktstelle fürA l l e i n e r z i e h e n d e ,sowie Vortragenderzum Thema Famili-enrecht.

GEDANKEN ZUR

GEMEINSAMEN

OBSORGE

Focus efl Beratung 15

Konflikteskalation und Gewalt –zwei verschiedene Verhalten – zweiVerantwortlichkeiten Es ist notwendig zu differenzieren zwi-schen Konflikteskalation und der Anwen-dung von Gewalt. Um dies anschaulicherzu gestalten, ist es hilfreich den Aspektder Verantwortungsabgabe bei Täterngenauer zu beleuchten:Es ist dem Täter unerklärlich, wie es dazugekommen ist. Er versteht nicht, wie kanner seine Frau schlagen, denn das wollte ernie tun. Also fängt er an nach Ursachen zusuchen. Und Täter suchen den Grund nichtbei sich, sondern beginnen beim Opfer undbei den Umständen. In dieser Phase gibt erdie Verantwortung ab – und das mit gro-ßem Nachdruck und viel Raffinesse.

„Was hat sie getan, dass es so weitgekommen ist?“ – und er wird etwas fin-den: „Sie hat mich provoziert.“, „Sie hörtnicht auf zum Streiten.“, „Der andere hatbegonnen.“, „Die verbale Demütigungund Abwertung des anderen ist mindes-tens genauso, schlimm.“ – oder „Ich bineinfach ausgerastet.“, „Ich mache dasnur wenn ich getrunken habe.“ usw.Männer verwechseln etwas: Sie meinen, weildas Opfer den Konflikt miteskaliert hat, ist esauch für die Gewalttat verantwortlich. Dasgilt es auseinanderzuhalten. Einen Konflikteskalieren können immer beide und beidetragen dafür die Verantwortung. Für dieGewalttat ist nur der Täter verantwortlich.

Von der Ohnmacht zur Selbstverant-wortung und Handlungskompetenz Ein Mann der nicht alles im Griff hat,denkt von sich, er ist kein richtiger Kerl,denn Durchsetzungsvermögen wird alsAusdruck von „richtiger“ Männlichkeiterachtet und Männer machen die Erfah-rung, dass es real Situationen gibt, diesie ganz und gar nicht im Griff haben.In Konfliktsituationen kommen dann man-che Männer in einen gefährlichenGefühlszustand, sie finden keine Argu-mente, fühlen sich hilflos und haben dassubjektive Gefühl nichts mehr machen zukönnen. Durch das Zuschlagen wird die-ser unerträgliche Gefühlszustand been-det, sozusagen „weggeschlagen“, demMenschen „übergeben“, der ihnen nahesteht (vgl. Oelemann, Lempert 1998).Merkt ein Mann, dass er in Gefahr ist,gewalttätig zu werden, ist es hilfreich,dass er den Ort verlässt. Wartet er zu lan-ge, kann er möglicherweise die Gewaltnicht mehr stoppen und subjektiv hat erden Eindruck: es ist ihm passiert, erkonnte gar nicht anders. Wenn der Mann

weggeht, ist es wichtig, dass er seinerFrau sagt: 1. Dass er jetzt geht, 2. Wohiner geht, 3. Wann er wiederkommt (vergl.Karbiner, 2011, S. 100f). Dadurch sollverhindert werden, dass er wutentbranntverschwindet, die Partnerin im Ungewis-sen zurücklässt und dadurch weiter eska-liert. Günstig ist, diese Strategie in einerruhigen Stunde zu besprechen.

Bei Beziehungsgewalt ist es sehrsinnvoll Betroffenen professionelleHilfe zu empfehlen.In einer Beratung (oder Therapie) werdenMänner, die Gewalt ausgeübt haben, mitder Tat konfrontiert und lernen, Verant-wortung für ihr Verhalten zu übernehmen.Sie lernen außerdem, sich besser wahr-zunehmen, Gefühle und Bedürfnissezuzulassen, sich auszudrücken sowie sichgewaltfrei und angemessen durchzuset-zen (vgl. Karbiner, 2011, S. 100f). WennAlkohol im Spiel ist, dann gilt es, zuerstdieses Thema zu behandeln und in denGriff zu bekommen. Alkohol ist keine Ent-schuldigung und wenn jemand weiß, dasser sich im alkoholisierten Zustand nichtim Griff haben wird, darf er nichts trin-ken, bzw. mit der Entscheidung zum Alko-hol nimmt er Gewalt in Kauf.

ZUM NUTZEN VON KONFLIKTEN –UND EIN PAAR RISIKEN:

Konflikt schafft Kontakt, Nähe, Inti-mität und Lebendigkeit:Durch den Konflikt komme ich mit mir inKontakt mit meinen eigenen Emotionen,mit meinen Sehnsüchten, Bedürfnissenund Wünschen, auch mit meinen Stärken.Leider spüren wir auch unsere Ängste,Unsicherheit, Ohnmacht, unsere Grenzen– also Seiten, die wir an uns nicht mögen.Durch Konfrontation und Auseinanderset-zung entsteht eine besondere Form von

Intimität zwischen den Partnern. Intimitätwird bei uns verklärt, doch sie ist auchdort vorhanden, wo sich Menschen nichtsmehr vormachen, sich gegenseitig ihrepersönliche „Wahrheit“ zumuten. Diesewechselseitige „Zumutung“ kann Paarenäher bringen. Beides bedeutet letztlich: wir kommen inKontakt mit der eigenen Lebendigkeit

Konflikte ermöglichen Autonomietrotz Einheit und Nähe:Ein grundlegender Paarkonflikt ist derzwischen dem Bedürfnis nach Autonomieund jenem nach Abhängigkeit bzw. Bin-

Recht.“ Faktum ist, dass im Beziehungs-streit tatsächlich meistens jeder aus sei-ner subjektiven Sicht sozusagen Rechthat. Die Kunst von Verständnis und Empa-thie wäre dann, ich versuche zu akzeptie-ren, dass es für dich so ist, weil dir dasund das wichtig ist, ja weil du so bist, wiedu bist.

GEWALT IST KEIN KONFLIKT:

Wenn in der Familie, in der PaarbeziehungGewalt geschieht, wird sehr schnell hän-deringend nach den Ursachen und Erklä-rungen gesucht. Eine Erklärung ist, dassGewalt am Ende einer Konfliktspiralesteht. Dabei haben die Männer – meistsind es Männer – in der Regel ein starkesBedürfnis ihr Leben und ihre Beziehungs-konflikte ohne Gewalt zu lösen. Gleichzei-tig unternehmen sie oftmals nichts umaus dem Gewaltkreislauf auszusteigen.Gewalt – wie Beziehungsgewalt – werdenüberwiegend durch das desolate Umfeld,eine schwierige Kindheit oder durch einepsychische Krankheit, Alkoholkonsum undKonfliktunfähigkeit der Täter erklärt.

Gewalt ist weder ein biologisches Phä-nomen, noch eine Krankheit, sondern einVerhalten, welches zu 90 % von Männernausgeübt wird, hat also eine geschlechts-spezifische Komponente. (Gewalt an Kin-dern wird auch von Frauen ausgeübt.)Gewalt besteht aus Denkmustern, Einstel-lungen und wird vor allem durch Handlun-gen sichtbar und ist kein Zeichen vonStärke.

Definition von Gewalt Oftmals werden die Begriffe Gewalt,Aggression und Konflikt in einem Satzverwendet und vermischt. Nicht, dassAbwertung, Diffamierungen, Beschimp-fungen und andere Grenzverletzungennicht auch schlimm sind, aber sie mitdem Gewaltbegriff zu vermischen, er -schwert die Verantwortungsübernahme.„Gewalt“ meint jede Verletzung der kör-perlichen Integrität einer Person durchandere. „Gewalt“ bezieht über körperlicheGewalthandlungen hinaus auch Formenpsychischer Gewalt mit ein, insoweit die-se von physischer Gewalt begleitet sindoder auf deren Androhung beruhen.

Noch vereinfachter: Gewalt ist jede Formkörperlicher Beeinträchtigung und ihreAndrohung (vgl. Lempert 1998).

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• Streit kann Energie bringen, aber vorallem immer wiederkehrende Konfliktekosten auch viel Energie. Paare fühlensich nachher erschöpft, kraftlos, aus-gelaugt, sind resigniert. Besondersdann, wenn es nicht gelingt, den Streitoder Konflikt einzugrenzen.

• Streiten verbindet – aber keine Wun-den. Das Gegenteil ist der Fall. Oftwerden kaum vernarbte Wunden wie-der aufgerissen und die Verletzungenerneut akut oder tiefer. Die Sehnsuchthinter dem Streit, der Partner/die Part-nerin möge mich doch verstehen, wirdleider äußerst selten gestillt.

• Die meisten Bedürfnisse, die man imStreit dem Partner nahebringen will,werden nicht verstanden und schongar nicht erfüllt.

• Dauerstreit, immer wiederkommendeKonfliktthemen können zu einer dauer-haften Vergiftung des Beziehungskli-mas führen. (vergl. Koschorke, 2011.S. 143).

WIE ESKALIERT MAN(N) ERFOLG-REICH – EINE ANLEITUNG:

Lerne viel auszuhalten, sage langenichts, mache gute Miene zum„bösen“ Spiel, …“ Nach außen sagen gerade Männer gernemal: „Naja, wenn du meinst, dann machenwir es so, …“ oder: „Von mir aus...“ undmeinen innnerlich ein Nein oder denken,„Das wird sich mit der Zeit schon geben,...“ Die Rechnung geht nicht auf: Garnichts gibt sich, es wird noch schwieriger,und das halbherzige Ja wird immer mehrzum kraftlosen „Herumeiern“.…übrigens, man stellt der Partnerin inAussicht „Eigentlich bin ich ja gar nichtso...“ und weckt damit Hoffnungen undErwartungen, die letztlich nie erfüllt – jagar nicht erfüllt werden können. Die Ent-täuschung, die damit provoziert wird, istKeim von Unzufriedenheit und Wut.

Ignorieren und abwarten: sich taubstellen für die Veränderungswünsche derFrauen. Ich will es nicht hören, was sie zusagen hat und höre es tatsächlich auchnicht. „Wenn sie ärgerlich wird, finde ichden Anlass oft lächerlich und nichtssa-gend. Dann lächle ich ein bisschen, dasmacht sie noch wütender… wenn meine

Mutter ärgerlich war, sagte ich auchnichts. Ich ging einfach meinen Weg, unddas mache ich auch mit meiner Frau.“Oder Männer warten, bis sich Dinge von„selbst erledigen“. Das „selbst“ ist dannmeist die Frau, die eben macht – geradewenn es um Kinder und Haushalt geht.„Ich sitze still da, denn es ist ihre Aufga-be, nach den Kindern zu schauen. Ichreagiere einfach nicht. Im Allgemeinenfunktioniert das“ (vgl. Nuber U., Psycho-logie Heute, Juli 2009, S. 29f).

Argumentieren und Rechtfertigen:Mit guten Argumenten wird bekundet,dass der Partner falsch liegt und dass eswirklich keine Gründe für die Unzufrie-denheit gibt. Eine andere sehr eskalie-rende Form ist die Rechtfertigung. Füralles, was sie sagt, gibt es eine Rechtfer-tigung, eine Erklärung (oder ein Ausrede).Das verhindert sehr wirksam, dass diePartnerin bei mir ankommt. Auf dieGefühle des Partners wird nicht einge-gangen. Übrig bleibt Verwirrung, Frustge-fühl und Enttäuschung (vgl. Nuber U.,Psychologie Heute, Juli 2009, S. 29f).

Ignorieren und Konservieren vonÄrgergefühlen.Ärger ist ein der Beziehung dienlichesGefühl. Er beweist, dass die Beziehungstark und bedeutsam ist. Wenn ich nichtwahrhaben will, dass mich etwas nervtoder ärgert am Verhalten des Partners,und ich einen „edlen“ Verzicht eingehe,indem dieser Ärger unterdrückt wird, hatdas seinen Preis. Ich stelle mich damitmoralisch über den Partner, zusätzlichwerden Ärger- und Frustgefühle, diedurchaus vom Partner ausgelöst werdenkönnen, im Langzeitgedächtnis abgespei-chert (vergl. Retzer, 2009. S. 182ff) – wirbeginnen „Rabattmarkerln“ zu sammeln.Bei jedem neuen verdrängten Ärger undverdrängten Konflikt kommt ein „Markerl“dazu. Irgendwann ist das Konto so voll,dass es nur mehr schwer auszuhalten ist.Die Reaktion kann dann unangemessenheftig und zerstörend ausfallen. Aus kon-struktiven Ärger- und Wutgefühlen wirdlähmender Frust und Resignation. Manschiebt das, obwohl Unzufriedenheit undFrustration selbstbezogene Gefühle sind– dem Partner in die Schuhe.

WENN ZWEI SICH STREITEN – ODER DIE KRAFT DER KONFLIKTE

dung. In uns allen gibt es die Angst vorVerschmelzung und der Auflösung der„Eigenheit“ in der Ehe und den gleichzei-tigen Wunsch nach Nähe und Geborgen-heit. Es gibt den Wunsch sich selbst treuzu sein und dem Partner treu zu sein bzw.umgekehrt die Befürchtung, uns oder denPartner zu verraten. Es gibt den Wunschnach Kontrolle und die Verantwortung zubehalten und gleichzeitig den Wunsch,beides abzugeben. Es gibt den Wunschnach Gleichheit und den Wunsch nachpersönlicher Freiheit (vgl. Retzer, 2009.S. 195f). Diese Spannung ist letztlichMotor für die Entwicklung von einemselbst und für die Paarbeziehung und sieist Garant für die Lebendigkeit, dennnichts ist gefährlicher als die aufkom-mende und sich manifestierende Lange-weile in dauerhaften Beziehungen.

Konflikte ermöglichen Entscheidun-gen und Klarheit.Vermeiden wir Konflikt und Risiko, kannes passieren, dass wir wie der Esel zwi-schen zwei Heuhaufen stehen und ver-hungern, weil wir uns nicht für den einenund gegen den anderen entscheiden kön-nen. So irren wir auch in der Ehe manch-mal ratlos umher und Konflikte führen unszu einem nächsten Schritt. Ja mehr noch,viel an Unklarheit, die sich im Laufe derZeit so ansammelt, wird im Ärger, in derUnzufriedenheit und in der darauf folgen-den Auseinandersetzung sichtbar.

… und Streiten bringt Vorteile• Durch Streit kommen Sie unweigerlich

in Kontakt – Streiten verbindet. DasBedürfnis nach Nähe wird erfüllt – undSie stellen gleichzeitig sicher, dass Siesich nicht zu nahe kommen.

• Sie spüren ihre Kraft – und bekommendie Kraft des Partners/der Partnerin zuspüren, wenn er/sie sich wehrt oderschützt.

• Sie verstehen im Streit eher, was derPartner/die Partnerin will und braucht.Streit tritt oft auf, wenn Veränderungenanstehen. Irgendetwas in ihrer Bezie-hung und in ihrem Management desAlltags wil l anders werden. (vgl.Koschorke, 2011. S. 142).

Streit, vor allem Dauerkonflikt, birgtauch Gefahren und kostet Energie.

Focus efl Beratung 17

Verwenden Sie die sechs Giftworte:Immer, nie, alles, nichts, ty pisch undselbstverständlich (vergl. Koschorke,2011. S. 94).Sagen Sie alles gleich, obwohl der Partnernicht zuhören will oder nicht kann. AlteGeschichten dem aktuellen Konflikt bei-mengen – Partner sind sehr unvergess-lich, „…und damals hast du auchschon…“, „…typisch, dass du dich soaufregst…“ „…bleib doch ruhig undsachlich“, ist ein Lieblingsargumentgerade von Männern…

Dem Partner die Familie vorwerfen:Zuschreibungen, wie: „Du bist genau wiedeine Mutter!“ „Dein Vater hat auchnie…“ „Das scheint bei euch in der Fami-lie zu liegen!“ „Ist ja kein Wunder, dassdu so mit dem Geld umgehst, hast ja beidir zu Hause auch nichts anderesgelernt…“Das ist besonders unfair, aber wirksam,denn der andere kann nichts daraufsagen. Gibt er zu: „Ja, ich bin manchmalso durcheinander, wie meine Mutter.“,hat er verloren, weil Unterlegenheit ent-steht, leugnet er, wird der Vorwurf nurnoch verstärkt und provoziert weitereAngriffe. Es gibt außerdem zwei guteGründe, warum diese Methode der „Part-nerbeschreibung“ so gar nichts bringt.

Zum ersten: Es gibt zwei „Kategorien“ vonMenschen, die wir uns nicht aussuchenkönnen, unsere Eltern und unsere Kinder.Als zweites kommt zum Tragen, auchwenn wir mit manchem der Eltern sehrunversöhnt sind und daher der Vorwurfdes Partners tatsächlich trifft, im Zwei-felsfalle sind wir geneigt, die eigene Her-kunftsfamilie zu verteidigen, denn das istder „Stall“, aus dem wir herkommen, dassind unsere Wurzeln und die wollen wiruns nicht schlecht machen lassen.

Machen Sie VorwürfeVorwürfe haben in der Sache einen Wahr-heitsgehalt und trotzdem wirken siekonflikt eskalierend. (vergl. Willi,2004. S.261ff)1. Auf den Vorwurf des Partners einzuge-

hen hieße, ihm Überlegenheit zuzuge-stehen.Der Empfänger von Vorwürfen fühltsich zum hilfsbedürftigen Patientenoder erziehungsbedürftigen Kinddegradiert. Das Zugeständnis könntevom Partner benützt werden, seinenEinflussbereich auszubauen. Letztlich

fühlt man sich klein und unterlegenund das will man nicht hinnehmen ineiner ebenbürtigen Beziehung.

2. Dem Vorwurf mangelt es oft an Respektvor der Verantwortlichkeit des Partners.Der Vorwurfsempfänger hat den Ein-druck, der Partner/die Partnerin maßtsich an zu wissen, wie er/sie sein soll-te, was für ihn/sie gut ist, und wenn ersich nur richtig anstrengen würde,dann könnte er doch… Es entstehteine Respektlosigkeit gegenüber derEigenverantwortung. Der Partner/diePartnerin traut mir nicht zu, dass ichfür mich selbst Verantwortung über-nehmen kann (Bevormundung).

3. Die Vorwürfe neutralisieren sich wech-selseitig. Vorwürfe werden durchGegenargumente und Rechtfertigun-gen abgeschmettert und neutralisiert.

Beispiel: (vergl. Willi,2004. S. 261ff)

aufzuschieben, denn sonst steigt das Ver-letzungsrisiko ins Vielfache bzw. einer derPartnerInnen wird immer ruhiger und„kleiner“.

Sie greifen den anderen nicht unterder Gürtellinie an. Ein Rest von Ver-nunft (und Liebe) lässt sie scheuen, Din-ge zu sagen, die ihre Beziehung tief stö-ren oder gar zerstören (vgl. Koschorke,2011. S. 135). Letztlich treffen wir dieEntscheidung, wie weit wir gehen bzw.wann wir aufhören.

Darauf zu verzichten, den anderenändern und beeinflussen zu wollen.„Ich kann die Gefühle, Gedanken, Reak-tionen und Verhaltensweisen des Partnersnicht ändern, nicht beeinflussen, nichtkontrollieren, sondern nur die eigenen.“Diese Einsicht ist enttäuschend undbefreiend gleichzeitig.

Realität ist: Sie und Ihr Partner/Ihre Part-nerin sind unterschiedlich. Sie gehenmanchmal getrennte Wege, haben eigeneFreunde, sie haben verschiedene Vor -lieben und sie lösen Probleme anders. Esist daher sinnlos, ihn verändern zu wol-len, Partner und Pubertierende sind erzie-hungsresistent.

Frau MannIch will dich verändern, weil Ich kann keine Fehler zugeben, du keine Fehler zugeben kannst. weil du mich umerziehen willst.

Ich will dich nur deshalb kontrollieren, Ich bringe mich nicht ein, ziehe weil du dich sonst nicht in die Beziehung mich zurück, weil du micheinbringst. kontrollieren willst.

Ich beanspruche die Verantwortung für Ich mache nichts mit den Kindern,die Kinder, weil du sie nicht nimmst. weil sowieso du alles bestimmst.

Deeskalation heißt demnach: auf etwas ver-zichten, etwas nicht zu tun, was bishereine geliebte Gewohnheit geworden ist.Das klingt relativ logisch und einfach, istes aber nicht. Fälschlicherweise glaubenwir mit unserem erlernten Verhaltennichts zur Eskalation beizutragen, dabeiist womöglich gerade dieses Verhalteneskalierend.

WAS HILFT:

„Schmiede das Eisen, wenn es kaltist!“ Manchmal rate ich zu unterbrechen,

Meine/n Partner/in als Herausforde-rung für die eigene Entwicklunganzuerkennen.Konflikte geben Auskunft über unsereUnterschiedlichkeit und sie fordern unsheraus: Warum habe ich ausgerechnetden Partner gewählt, der so schwer vonseinem Standpunkt abzubringen ist. Manhat ihn (unbewusst) gewählt, um mit die-ser seiner Eigenschaft das eigene Ich zufordern und zu stärken. Wenn sich Part-nerInnen so begreifen, nutzen sie dieUnterschiedlichkeit des anderen für ihrpersönliches Wachstum und zur Stärkung

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Was kann man tun bei chronifizier-ten Konflikten:Unterstützung und Hilfe von außen:• Bei schwierigen Konflikten reicht meist

die Unterstützung von Freunden oderFamilienangehörigen nicht aus, weilsehr schnell das Risiko von einseitigenSympathien, Verbindungen oder Unter-stützungskundgebungen entstehenkann. Eine neutrale Person in einerBeratungsstelle ist hier hilfreicher.

• Wo und wie kann ich den Partner/diePartnerin noch immer wertschätzenund ihm Anerkennung geben. Denn esgibt immer etwas, das er/sie gutmacht, was an ihm/ihr besonders ist,was liebenswert ist.

• Was habe ich an ihm/ihr so geschätztund geliebt, wie wir uns kennengelernt haben?

• Was können wir trotzdem gut mitei -nander. Bei schwierigen Konflikten hilftes manchmal zu sagen: das könnenwir nicht bereden, nicht lösen, trotz-dem sind wir als Eltern ein gutes Team,oder wir haben Spaß miteinander beibestimmten Freizeitvorlieben, das ver-bindet uns, …

• Kleine Veränderungen wirken beinaheWunder.

• Einschränkungen der Kampf- und Kon-fliktzone auf das jetzt und den aktuel-len Konflikt (vgl. Retzer, 2009 S 205f).

Der Verzicht auf Streit hat seinenPreis:• Sie müssen ihren Partner mitteilen,

dass sie sich nach seiner Liebe undZuwendung sehnen.

• Sie müssen sich eingestehen und zei-gen, dass sie Bedürfnisse und schwa-che Seiten haben – ja dass sie denanderen brauchen. Dazu müssen Sieihre Ritterrüstung ablegen, sich nichtmehr verteidigen und rechtfertigen.Statt zum (verbalen) Gegenschlag aus-zuholen, werden Sie verletzbar undsind ungeschützt.„Menschen, die Schwäche zeigen,kann man leichter lieben“.

• Sie müssten ebenso auf die genussvol-le Befriedigung des Rechthabens undauf Rachegelüste verzichten und aufden Beweis, wie bescheuert er/sie istoder wie falsch er/sie liegt.

• Sie müssen darauf verzichten, denPartner/die Partnerin beim bestenFreund oder Freundin anzuschwärzenoder in Gegenwart der Kinder bloßzu-stellen.

• Sie müssten nach vorne denken, Pro-bleme selbst lösen, statt vom Partner(Lösungen) zu fordern.

LITERATUR

Jellouschek, H., (1995). Vom Fischer undseiner Frau. Wie man besser mit denWünschen seiner Frau umgeht. Stuttgart:Kreuz Verlag.Karbiner, R., (2011). Betriebsanleitung fürden Mann. Warum das starke Geschlechtnicht stark sein muss. Freya Verlag KG.Koschorke, M., (2011). Wie sie mit ihremPartner glücklich werden, ohne ihn zuändern! Führerschein für Paare. Freiburgim Breisgau: KreuzverlagHandbuch der Gewaltberatung, Männergegen Männer-Gewalt.(Hrsg.) OLE – Ver-lag, Hamburg, 2002.Jellouschek, H., (2009). Was die Liebebraucht. Stuttgart: Kreuz Verlag.Nuber, U., (2009). Ignorieren, abwarten,argumentieren. Wie Männer dafür sorgen,dass alles so bleibt, wie sie es wollen. In:Psychologie Heute, Juli 2009.Oelemann, B., Lempert, J. (1998).„...dann habe ich zugeschlagen“ Gewaltgegen Frauen. Auswege aus einem fata-len Kreislauf. München: dtv.Oelemann, B., Lempert, J. (2002). EndlichSelbstbewusst und stark. Gewaltpädago-gik nachdem Hamburger Modell – einLernbrief. Hamburg: OLE-Verlag.Retzer, A.,(2009). Lob der Vernunftehe.Eine Streitschrift für mehr Realismus inder Liebe. Frankfurt am Main S. Fischer.Willi, J., (2004). Psychologie der Liebe.Persönliche Entwicklungen durch Part-nerbeziehungen. Hamburg. Rowohlt.

Hölzl Josef MScDipl. Ehe-, Familien-und LebensberaterGewaltberater/Gewalt-pädagoge; Referent inder Erwachsenenbil-dung

WENN ZWEI SICH STREITEN – ODER DIE KRAFT DER KONFLIKTE

des eigenen Selbst. Sie haben ihn jagefunden, weil er anders ist, weil er sie ineinem Mangel ergänzt. Er hat etwas, dassie nicht haben und für ihre Entwicklungbrauchen (vgl. Jellouschek, 2009).

Arbeiten Sie an der Stärkung des„Wirgefühls“ – auch bei Konflikt- undReizthemen. Bei Problemlösungen dieInteressen des Partners berücksichtigen,Kompromisse vorschlagen, dem anderenentgegenkommen, sich in seine Welt ein-fühlen und seine Wege anerkennen, weilSie ihn/sie kennen, weil Sie wissen, dassin seiner/ihrer Welt das so ist.Das schafftVertrauen in eine gemeinsame Konflikt-kompetenz.

„An einem Strang ziehen?“Das „Wirgefühl“ wird besonders imUmgang mit den Kindern auf die Probegestellt. Fälschlicherweise wird hier das„Wirgefühl“ mit der Idee: „Wir müssenimmer an einem gemeinsamen Strangziehen!“ überstrapaziert. Das funktioniertin der Praxis so meist nicht, denn Siegehen auch an die Erziehungsarbeitunterschiedlich heran und es ist bisweilenrecht schwierig zu akzeptieren, auszuhal-ten und wertzuschätzen, dass der Part-ner/die Partnerin einen anderen Zugangzur Kindererziehung hat.Eine Stärkung des „Wirgefühls“ erreichtman im Umgang mit Kindern am besten,wenn sie den Partner achten als Vaterbzw. Mutter und seine/ihre Herangehens-weise respektieren und würdigen

Kritik am Partner muss mindestensin einem Verhältnis von 1 zu 5 ste-hen. Einer Kritik sollten 5 Wertschätzun-gen gegenüber stehen.Die 3 K zum Geben von Kritik: Kurz, Konkret, KonstruktivDie 3 Z zum Annehmen von Kritik:Zuhören, Zuhören, Zuhören

Konflikte lösen zu wollen heißt auch: sieaushalten, verdrängen, umzudeuten,abzuwerten, halbherzige Lösungen fin-den, manchmal ohnmächtig erkennen zumüssen: dafür gibt es keine Lösung...

„Statt fordern und klagen: bieten und bit-ten“ (vergl. Koschorke, 2011. S. 143f).

Focus efl Beratung 19

Oder

Zumindest ich konnte bei diesen vielfälti-gen und vielschichtigen Fragen der Ver-suchung nicht widerstehen, sie einmal fürmich selbst ansatzweise zu beantworten.Manche davon sind so komplex, dass manwahrscheinlich lange darüber nachden-ken kann und sozusagen „vom Hundert-sten ins Tausendste“ kommt. Manchesind kurz und bündig und manche sorgenvielleicht sogar für Betroffenheit, fürErschrecken.

In jedem Fall erlebe ich sie in der Arbeitals „Öffner“ in die eine oder andere Rich-tung.

Auf die Frage

KREATIVE METHODEN

Eva Bitzan

LIEBE KOLLEGINNEN, LIEBE KOLLEGEN!

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Maga. Eva Bitzan Dipl. EFL-Beraterin,Religionspädagogin

Auf dieser kreativen Seite geht es heuteums KÜSSEN! Ich denke, damit hat jede/rvon uns angenehme Erfahrungen – vonersten unsicheren Versuchen über sehrleidenschaftliche Varianten bis hin zufreundschaftlich-zärtlichen Berührungen.Genauer geht es hier um Fragen, die wieKüsse schmecken können. Zugrunde liegtdiesen Ausführungen ein Buch mit demgleichnamigen Titel von Carmen Kindl-Breitfuß, erschienen im Carl-Auer-Verlag.Zusätzlich gibt es eine Box mit 111 Fra-gekärtchen, wo viele im Buch angeführteund wohlausformulierte Fragen praktischzur Hand sind.

Für unsere Arbeit sind Fragen das Hand-werkszeug schlechthin – manche stellenwir in aller Regelmäßigkeit, sie sind unszur Gewohnheit geworden und wir wis-sen, wo sie in schleppenden Prozessenmitunter als Hebel dienen oder welcherasante Auseinandersetzungen besänfti-gen können.

Diese hier vorgestellten Varianten warenfür mich wirklich neu und haben Lustgemacht, sie Klientinnen und Klientengleich einmal „anzubieten“, mit nachHause zu geben – sie einfach auszupro-bieren. Oder haben Sie schon öfterdarüber nachgedacht

Oder darüber:

„In welcher Situation Sieebenso lustvoll wie ungeniertIhre Contenance sausen lassen?“

„Wenn Ihnen eine Filmrolleangeboten würde, welche würde Ihnen gefallen … undwelche würden Sie ablehnen?“

„Was würden Sie sagen, inwelchem Moment sind Sieerwachsen geworden?“

„Wie verbringen Sie Ihre freieZeit am liebsten? Welchenpersönlichen Freiraum habenSie über all die Jahre konsequent verteidigt?“

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kann die Erkenntnis folgen, dass es sowas wie Freizeit oder -raum bei der Klien-tin, dem Klienten schon lange nicht mehrgibt; oder die Wahrnehmung von bishergar nicht als solchen registrierten Frei-räumen. Veränderung kann in Gang kom-men.

Ich bin sicher, dass der Fragen-Virus die-ser Kärtchen auf euch übergeht und zurVerstärkung hier noch einige Beispiele:

Viel Spaß beim Küssen und beim Fragen– gerne können auch eigene ausgefalleneFragevarianten der Redaktion zugesandtwerden!

Mag. Eva Bitzan

www.dombuchhandlung.com

„Mit welchem Menschen sprechen Sie im Geistemanchmal? …und welchewertvolle Erfahrung schöpfenSie daraus?“

„Wie möchten Sie Ihren Kin-dern in Erinnerung bleiben?“

„Wie bringt man Sie am ehes-ten zum Lachen? In welcherSituation haben Sie zuletztschallend gelacht und sich gutamüsiert?“

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SEI NACHSICHTIG! MIT DIR SELBST!AUS: „PSYCHOLOGIE HEUTE“ 9/2011, URSULA NUBER, S. 21 FF.

Zusammenfassung: Dr. Martha Schicho

Besonders kritisch, herabsetzend undmisstrauisch sind viele Menschen –

weniger gegen andere – als viel mehrgegen sich selbst. Sie machen einen Feh-ler, verpatzen etwas und können sich diesnicht verzeihen, sie quälen sich mitSelbstvorwürfen. Wie wir aber in schwierigen Zeiten überuns selbst denken und urteilen – davonist zum Großteil die eigene seelischeGesundheit und Ausgeglichenheit abhän-gig. Wer sich selbst kein Freund seinkann, wird von den Stürmen des Lebensviel heftiger gebeutelt und kommt deut-lich mühsamer durch den Alltag. Weraber mit sich selbst in schwierigen Situa-tionen Nachsicht übt, dessen seelischesGleichgewicht gerät nicht so leicht inSchieflage.

Was bedeutet nun „freundlich zusich selbst sein“? Ganz sicher nicht dierosarote Brille des positiv Denkens undanderer ähnlicher Apelle. Ebenso wenig,sich passiv einzuigeln und sich zu bedau-ern, wenn die Dinge nicht so laufen, wiegewünscht. Dieses Selbstmitleid ist läh-mend und sucht die Schuld ständig beiden anderen, als deren Opfer man sichsieht.

Selbstmitgefühl hat viel mehr mit Empa-thie zu tun, die wir auch anderen ent-gegenbringen. Einfühlung und Verständ-nis erzeugt Mitgefühl für andere, und aufdieselbe Weise entsteht auch Mitgefühlfür uns selbst. Wenn wir uns als eine Per-son akzeptieren können, die nicht immeralles richtig machen kann, der Fehlerpassieren, die Probleme hat, würde Mit-gefühl entstehen, Mitgefühl mit unsselbst. Dieses besteht aus drei Komponenten: Selbstfreundlichkeit – gemeint ist Ver-ständnis, wenn nicht immer alles so rundläuft. Es gibt kein Allzeithoch. Wertschät-zung ist auch dann gefragt, wenn es Pro-bleme gibt, und wir mit dem Schicksalhadern. Seneca wird zit iert mit der„Fähigkeit, sich selbst Freund sein zukönnen, sich der Sorge für sich selbst zu

befleißigen und auf diese Weise nie alleinzu sein, da das Selbst mit sichzusammenleben kann“ (S.22) Verbundenheitsgefühl mit anderen. Pech-vogeldenken „das kann nur mir passie-ren, mir gelingt doch nie was“ kommterst gar nicht auf, da man weiß, dassScheitern und Niederlagen zu jedemmenschlichen Leben gehören. Man siehtdie momentane Situation in größeremZusammenhang. Achtsamkeit dem eigenen Erleben gegen -über. Nicht so schnell wie möglich zurNormalität übergehen, als ob nichts wäre!Nur wer sich erlaubt, wirklich zu spüren,wie es ihm geht, kann Selbstmitgefühl ent-wickeln. Mitgefühl bedeutet Akzeptanz:Die Person wird in ihrem Kummer, ihrerFehlerhaftigkeit, ihrer Schwäche wertge-schätzt und nicht zu allem vorhandenenLeid noch mit Vorwürfen und Kritikgequält. Was bei anderen nahe stehendenMenschen gelingt, scheint bei sich selbstbesonders schwer zu sein. Viele Menschenverurteilen sich selbst für jede Unge-schicklichkeit und glauben, dass Selbstkri-tik ihnen weiter hilft. Warum lassen wiruns selbst gerade in schwierigen Zeiten, indenen wir Verständnis und Mitgefühl drin-gend bräuchten, selbst im Stich?

Es gibt mehrere Ursachen. 1. Unser Hirn ist besonders empfänglich

für negative Signale. Es ist daraufgerichtet, Gefahren wahrzunehmen,das wiederum hat zu tun mit demÜberleben unserer Spezies. PositiveDinge sind da nicht so wichtig. Gefrä-ßige Krokodile im Fluss zu entdeckenist wichtiger als zu sehen, wie klar dasWasser im Fluss ist.

2. Manches mag mit unserer frühen Ver-gangenheit zu tun haben, wo nahe ste-hende Menschen uns oft ermahnten,um uns vor Gefahren zu schützen undUnheil zu ersparen „Pass auf, strengdich mehr an!“ Manches ist in Fleischund Blut übergegangen und hat sich sozu einem ständigen inneren Kritikerentwickelt, der immer seine Stimme

erhebt, wenn wir nicht in der Spur sind. 3. Viele wagen es nicht, freundlich mit

sich selbst umzugehen, weil sie fürch-ten, egoistisch zu erscheinen. Darf ichmich denn selber wichtig nehmen?Selbstmitgefühl wird mit Selbstmitleidverwechselt. Selbstmitleid hat zuRecht ein schlechtes Image. Es bedeu-tet, ständig nur um das eigene Unglückoder Problem zu kreisen und führt zueiner lähmenden Opferhaltung, woman selbst nichts tun kann, einem nurUnrecht geschieht und nur die anderenfür das eigene Elend verantwortlichsind.

4. Selbstmitgefühl fällt manchen Men-schen auch schwer, weil sie sichhauptsächlich darauf konzentrieren,was andere von ihnen denken könnten.Wenn sie glauben, in den Augen deranderen nicht bestehen zu können,entstehen Schamgefühle. Diese wiede-rum nähren die Selbstkritik.

Der Wunsch anderen zu gefallen, istdurchaus sinnvoll. Schon aus evolutions-theoretischer Sicht müssen Menschen einInteresse daran haben, andere positiv aufsich aufmerksam zu machen. Nur sobekommen sie die Fürsorge und Unter-stützung, die notwendig sind fürs Überle-ben und die Reproduktion. Auch entwi-ckeln wir erst ein Gefühl für das eigeneSelbst durch die Interaktion mit anderenMenschen. Wir brauchen die positiveResonanz anderer. Sie wird aber behin-dert, wenn der Wert der eigenen Personin einem zu hohen Maß von der Zustim-mung anderer Menschen abhängt. Das Selbstmitgefühl hat also viele Feinde.Wir müssen wissen: Selbstmitgefühl istnicht Selbstmitleid, ist nicht Selbstbezo-genheit, ist nicht Egoismus, es interes-siert sich nicht zu sehr dafür, was im Kopfder anderen vor sich geht, sondern sorgtsich darum, dass die Gedanken, die mansich über sich selbst macht, nicht insNegative abgleiten. Es ist zwar verwandtaber doch etwas anderes als das Selbst-wertgefühl. Dieses ist eher ein „Schön-

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wetterzustand“ und gerät in Krisen leichtins Strudeln. Selbstmitgefühl fängt unsauf, wo das Selbstwertgefühl uns imStich lässt. Es gilt: Nur wer sich angemessen um

sich selbst kümmert, ist in der Lage,sich auch um andere zu kümmern.Überlastete Mütter, pflegende Ange-hörige, Krankenschwestern, Alten-pfleger, Lehrkräfte und alle anderen

von Burnout bedrohten Helfer kön-nen durch Selbstzugewandtheitdafür sorgen, dass sie schwierigeSituationen nicht durch überflüssigeSelbstkritik erschweren.

FORTBILDUNG – FORTBILDUNG – FORTBIL

SEMINARORT: WIEN

30.03.12–31.03.12Problemtrance – Lösungstrance undLebensflussmodell Dipl.Psych. Brigitte Lämmle

13.04.12–14.04.12Geschichten und Metaphern DSAin Monika Gumhalter-Scherf

20.04.12–21.04.12„Wenn Eltern sich vor ihren Kindernfürchten“ Elterliche und professionelle Präsenz beiherausforderndem Verhalten15./16.6.2011 Follow up – Werkstattsemi-narDipl. Psych. Michael Grabbe

01.06.12–02.06.11„Ich schaff ‘s“ Lösungsorientiertes Programm für dieArbeit mit Kindern und JugendlichenDipl.Päd. MSc Werner Eder

09.11.12–10.11.12Mache Beziehungen und Verwicklun-gen sichtbar Skulptierende und visualisierende Verfah-ren am Beispiel „Familienbrett und Fin-gerpuppen“DDr. Alain Schmitt

SEMINARORT: LINZ

13.04.12–14.04.12„Wie können Sie mich schnellstmög-lich wieder loswerden?“ Methodisches Vorgehen in der aufsu-chenden FamilienarbeitDipl.Soz. (FH) Wolfgang Stammer

11.05.12–12.05.12„Machen Sie sich Ihr eigenes Bild“ – Arbeiten mit analogen Methoden DSAin Monika Gumhalter-Scherf

22.06.12–23.06.12Da fällt mir eine Geschichte ein... Einsatz von therapeutischen Geschichtenin Beratung und Therapie Stefan Hammel

SEMINARORT: KLAGENFURT

23.03.12–24.03.12Kinderschutz als Kooperationsauf-gabe interdisziplinäre Ansätze gemeinsa-men Handelns bei (drohender) Kindes-wohlgefährdungMarion Luksch BA, pth.

13.04.12Aspekte von Kindeswohl und Kin-deswohlgefährdung in der familien-rechtlichen Begutachtung Mag.a Michaela Lindner

05.10.12Wenn Trauer Hilfe brauchtPsychotherapeutische Unterstützung inder Bewältigung von Trauer, Schmerz undTod Dipl.Soz. (FH) Wolfgang Stammer

30.11.12–01.12.12Systemische Fragen – mit SpracheLösungen finden Mag.a Ingeborg Saval

Nähere Infos und weitere Seminare:www.vpa.at

* Verein für psychosoziale und psychothe-rapeutische Aus-, Fort- und Weiterbildung

KOOPERATION DES BERUFSVERBANDES MIT DEM VPA*

FÜR SIE BEDEUTET DAS: ALS VERBANDSMITGLIED WERDEN SIE REGELMÄßIG ÜBER DAS SEMINARAN-GEBOT INFORMIERT UND KÖNNEN AB 2012 VPA SEMINARE UND TAGUNGEN ZUM VERGÜNSTIGTEN

PREIS (PREISERSPARNIS 45,– EURO) BUCHEN, SOWIE KOSTENLOS AN DEN „KAMINGESPRÄCHEN“TEILNEHMEN.

Focus efl Beratung 23

BILDERBOGEN TAGUNG 2011

Arnold Retzer im Gespräch mit ElisabethBirklhuberMichael Cöllen und Ulla Holm

Es wurde viel gelachtmal mehr (Clemens Maria Schreiner) und mal ein bisschen weniger (Thomas Holtbernd)

Der jüngste Teilnehmer Lenny mit Mama Christiane Eichenberg

Auch für Pausen war gesorgt und derWettergott war uns wohlgesonnen

TeilnehmerInnen des letzten Lehr -ganges der Wiener Lehranstalt

Erich Lehner mit Daniel Hitschmann

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IMPRESSUM

Inhaber und Herausgeber: Berufsverband Diplomierter Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs Redaktion: Mag. Elisabeth Birklhuber, Jakob-Fuchs-Gasse 85, 2345 Brunn/Gebirge, [email protected]: Seite 1, 9, 17 und 24: fotolia.com; Titelbild: Birklhuber; 23: HandschurGraphische Gestaltung: Ing. Monika Simlinger, TYPE & PUBLISH kg, 2345 Brunn/Gebirge, [email protected] n. d. Mediengesetz: Offizielles Kommunikationsorgan des Berufsverbandes Diplomierter Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs.

Das Leben vieler Berufstätiger ist aus dem Lot geraten.Sie haben vielfach gute Jobs, arbeiten hart und viel, sind gesellschaftlich erfolgreich – doch wirklich zufrieden, oder gar glück-lich sind sie nicht. Denn ein aus der Balance geratenes Leben schafft viele Probleme. Vielfach wird dies als Folge von gesell-schaftlichen, lebensfeindlichen wirtschaftlichen Entwicklungen gesehen. Wie kann der Einzelnen dem entgegenhalten – dieEinzelne dem entgegentreten? Erfolgreich im Beruf sein und trotzdem ausreichend Zeit für die Familie haben – wie könnenMänner und Frauen mit dieser schwierigen Doppelanforderung umgehen? Wie können sie erfolgreich zwischen Beruf und Fami-lie steuern? Erfolgsdruck, Zeitmangel oder gar Existenzangst lassen auch das Privatleben nicht unberührt. Die Folgen sind Hin- und Her-gerissen Sein, Krankheiten, Scheitern von Beziehungen, Erschöpfung bis hin zu Burn-out. Strukturelle Rahmenbedingen führenmitunter zu Auswüchsen wie Mobbing. Für die Familienberatung ist dies ein weites Betätigungsfeld um KlientInnen bei ihrersogenannten Work-Life-Balance zu unterstützen, möglichst ohne dass wir BeraterInnen selber dabei ins Schleudern kommen.

Veranstalter: Berufsverband Diplomierter Ehe-, Familien- und LebensberaterInnen Österreichs

REFERENTINNEN:

• Dr. Paloma Fernández de la Hoz, Wien

• Dipl. Psych. Birgit Kollmeyer, Zürich

• Dr. Carmen Unterholzer, Wien

• DSA Elisabeth Schnepf, Wien

• Anneliese Gepp, Wien

• Verena Osanna, Wien

• Mag.a Sabine Gruber, Wien

TAGUNGSANKÜNDIGUNGJAHRESTAGUNG 201225. – 27. MAI 2012, SALZBURG, ST. VIRGIL

www.berufsverband-efl-beratung.at

Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt

Absender:Berufsverband Diplomierter Ehe-,Familien- und LebensberaterInnenÖsterreichsMag. Elisabeth BirklhuberJakob Fuchs Gasse 852345 Brunn am Gebirge

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du schon?KLIENTINNEN ZWISCHEN LEISTUNGSDRUCK UND LEBENSFREUDE – WIE KANN BERATUNG UNTERSTÜTZEN?