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Mitochondriale Dysfunktion bei Alzheimer-Demenz Das Zusammenspiel von Hirnalterung und genetischen Risikofaktoren T ypische neuropathologische Be- funde bei der Alzheimer-Demenz (AD) sind die Bildung von Beta- Amyloid-Plaques, die Akkumulati- on von intrazellulären neurofibril- lären Bündeln (Tangles) und ein ausgeprägter Verlust der Nervenzel- len im Gehirn (siehe Estifanos Ghe- bremedhin und Thomas Deller »Ri- sikofaktoren der Alzheimer-Krank- heit. Was verraten uns die Gene?«, Seite 90). Insbesondere die Anhäu- fung von Beta-Amyloid-Peptid (A) scheint eine zentrale Rolle in der Pathogenese zu spielen und kausal für den Zelluntergang verantwort- lich zu sein. Befunde unserer Ar- beitsgruppe deuten darauf hin, das A zu mitochondrialer Dysfunktion in den Nervenzellen führt. Wir un- tersuchen die Kaskade der Mecha- nismen, die von der Bildung von A über mitochondriale Dysfunkti- on letztlich zu Synapsenverlust und Zelltod führen, mithilfe von Zelllini- en und Mäusestämmen mit Alzhei- mer-typischen Merkmalen. /1, 2/ Ziel ist, einen Angriffspunkt für die me- dikamentöse Behandlung der Alz- heimer-Demenz zu finden. Als viel- versprechend hat sich die Wirkung von Statinen erwiesen, die als Cho- lesterinhemmer eingesetzt werden. Mitochondrien – Schaltstellen zwischen Leben und Tod Die Mitochondrien stellen der Zelle über die Atmungskette Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) zur Verfügung. Die meisten Mitochondrien befinden sich in Zel- len, die viel Energie verbrauchen, wie den Nervenzellen. Dabei wird die Menge der Mitochondrien einer Zelle ihrem Energiebedarf ange- passt. Eine Zelle, die alle ihre Mito- chondrien verliert, ist nicht in der Lage, diese zu regenerieren und stirbt ab. Mitochondrien sind aber nicht nur als Kraftwerke der Zelle lebensnotwendig, sie sind auch am programmierten Zelltod, der Apop- tose, beteiligt (siehe »Apoptose bei der Alzheimer-Krankheit« Seite 88). Intakte Mitochondrien sorgen da- für, dass die Apoptose nur in be- gründeten Fällen ausgelöst wird, et- wa um zu verhindern, dass entarte- te Zellen zu wuchern beginnen und Krebs verursachen. Bei Morbus Alzheimer ist der massenhafte Ver- lust von Nervenzellen im Gehirn teilweise durch apoptotisches Ab- sterben bedingt. Das lässt darauf schließen, dass die Mitochondrien ihre schützende Funktion nicht mehr korrekt ausüben können. Uns interessiert, inwieweit Alterungs- prozesse und genetische Risikofak- toren für die Dysfunktion der Mito- chondrien verantwortlich sind. Viele experimentelle Daten bele- gen, dass der normale Hirnalte- rungsprozess bei Tier und Mensch zu spezifischen Einschränkungen der mitochondrialen Funktion füh- ren kann. Infolgedessen wird weni- ger ATP synthetisiert, und es kommt zu einer vermehrten oxida- tiven Schädigung von ungesättigten Fettsäuren, Proteinen und Nuklein- säuren. Von diesen Veränderungen sind die Komplexe I und IV der At- mungskette besonders betroffen, während die Komplexe II und III weniger durch den Alterungspro- zess beeinträchtigt sind (siehe Jürgen Bereiter-Hahn und Ulrich Brandt »Störfall im Kraftwerk der Zelle«, Seite 82). Auch die, aller- dings begrenzten, neuro-degenera- tiven Veränderungen im Rahmen des normalen Hirnalterungsprozes- ses lassen sich über Einschränkun- gen der mitochondrialen Funktion und eine Aktivierung des intrinsi- schen apoptotischen Weges erklä- ren. Solche Veränderungen haben wir auch in dem von uns häufig be- nutzten Modell der gealterten NMRI-Maus auf verschiedenen Ebenen nachweisen können. /3/ Interessanterweise können aber auch die spezifischen histologischen Veränderungen der Alzheimer-Pa- thologie (vermehrte Ablagerung von A und hyperphosphoriliertem Tau) zu Störungen der mitochon- drialen Funktion führen, die den Störungen durch Alterungsprozesse sehr ähnlich sind. Das konnten wir durch Experimente mit transgenen Zelllinien beziehungsweise transge- nen Mäusen zeigen. Den Tieren, die in freier Wildbahn nicht an Alzhei- mer-Demenz erkranken, wurden für die Krankheit spezifische Gene eingepflanzt: Es handelte sich um Mutationen des Amyloid-Vorläufer- proteins beziehungsweise des Präse- nilin1-Gens. /4–6/ Auch die gentech- nisch ausgelöste Überexpression von hyperphosphoriliertem Tau 2 Forschung aktuell 86 Forschung Frankfurt 2/2007 Mäuse, die menschliche Gene mit Veränderungen tragen, die für die Alzheimer’sche Krankheit typisch sind, unterscheiden sich rein äußerlich nicht von ihren normalen Artgenossen. Allerdings lassen sich im Gehirn der Tiere deutliche Veränderungen nachweisen. 1

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Mitochondriale Dysfunktion bei Alzheimer-Demenz Das Zusammenspiel von Hirnalterung und genetischen Risikofaktoren

Typische neuropathologische Be-funde bei der Alzheimer-Demenz

(AD) sind die Bildung von Beta-Amyloid-Plaques, die Akkumulati-on von intrazellulären neurofibril-lären Bündeln (Tangles) und einausgeprägter Verlust der Nervenzel-len im Gehirn (siehe Estifanos Ghe-bremedhin und Thomas Deller »Ri-sikofaktoren der Alzheimer-Krank-heit. Was verraten uns die Gene?«,Seite 90). Insbesondere die Anhäu-fung von Beta-Amyloid-Peptid (A�)scheint eine zentrale Rolle in derPathogenese zu spielen und kausalfür den Zelluntergang verantwort-lich zu sein. Befunde unserer Ar-beitsgruppe deuten darauf hin, dasA� zu mitochondrialer Dysfunktionin den Nervenzellen führt. Wir un-tersuchen die Kaskade der Mecha-nismen, die von der Bildung vonA� über mitochondriale Dysfunkti-on letztlich zu Synapsenverlust undZelltod führen, mithilfe von Zelllini-en und Mäusestämmen mit Alzhei-mer-typischen Merkmalen. /1,2/ Zielist, einen Angriffspunkt für die me-dikamentöse Behandlung der Alz-heimer-Demenz zu finden. Als viel-versprechend hat sich die Wirkungvon Statinen erwiesen, die als Cho-lesterinhemmer eingesetzt werden.

Mitochondrien – Schaltstellen zwischen Leben und Tod

Die Mitochondrien stellen der Zelleüber die Atmungskette Energie inForm von Adenosintriphosphat(ATP) zur Verfügung. Die meistenMitochondrien befinden sich in Zel-len, die viel Energie verbrauchen,wie den Nervenzellen. Dabei wirddie Menge der Mitochondrien einerZelle ihrem Energiebedarf ange-passt. Eine Zelle, die alle ihre Mito-chondrien verliert, ist nicht in derLage, diese zu regenerieren undstirbt ab. Mitochondrien sind abernicht nur als Kraftwerke der Zellelebensnotwendig, sie sind auch amprogrammierten Zelltod, der Apop-tose, beteiligt (siehe »Apoptose beider Alzheimer-Krankheit« Seite 88).Intakte Mitochondrien sorgen da-für, dass die Apoptose nur in be-gründeten Fällen ausgelöst wird, et-wa um zu verhindern, dass entarte-te Zellen zu wuchern beginnen undKrebs verursachen. Bei MorbusAlzheimer ist der massenhafte Ver-lust von Nervenzellen im Gehirnteilweise durch apoptotisches Ab-sterben bedingt. Das lässt daraufschließen, dass die Mitochondrien

ihre schützende Funktion nichtmehr korrekt ausüben können. Unsinteressiert, inwieweit Alterungs-prozesse und genetische Risikofak-toren für die Dysfunktion der Mito-chondrien verantwortlich sind.

Viele experimentelle Daten bele-gen, dass der normale Hirnalte-rungsprozess bei Tier und Menschzu spezifischen Einschränkungender mitochondrialen Funktion füh-ren kann. Infolgedessen wird weni-ger ATP synthetisiert, und eskommt zu einer vermehrten oxida-tiven Schädigung von ungesättigtenFettsäuren, Proteinen und Nuklein-säuren. Von diesen Veränderungensind die Komplexe I und IV der At-mungskette besonders betroffen,während die Komplexe II und IIIweniger durch den Alterungspro-zess beeinträchtigt sind (sieheJürgen Bereiter-Hahn und UlrichBrandt »Störfall im Kraftwerk derZelle«, Seite 82). Auch die, aller-dings begrenzten, neuro-degenera-tiven Veränderungen im Rahmendes normalen Hirnalterungsprozes-ses lassen sich über Einschränkun-gen der mitochondrialen Funktionund eine Aktivierung des intrinsi-schen apoptotischen Weges erklä-ren. Solche Veränderungen habenwir auch in dem von uns häufig be-nutzten Modell der gealtertenNMRI-Maus auf verschiedenenEbenen nachweisen können./3/

Interessanterweise können aberauch die spezifischen histologischenVeränderungen der Alzheimer-Pa-thologie (vermehrte Ablagerungvon A� und hyperphosphoriliertemTau) zu Störungen der mitochon-drialen Funktion führen, die denStörungen durch Alterungsprozessesehr ähnlich sind. Das konnten wirdurch Experimente mit transgenenZelllinien beziehungsweise transge-nen Mäusen zeigen. Den Tieren, diein freier Wildbahn nicht an Alzhei-mer-Demenz erkranken, wurdenfür die Krankheit spezifische Geneeingepflanzt: Es handelte sich umMutationen des Amyloid-Vorläufer-proteins beziehungsweise des Präse-nilin1-Gens./4–6/ Auch die gentech-nisch ausgelöste Überexpressionvon hyperphosphoriliertem Tau

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Mäuse, die menschliche Gene mit Veränderungen tragen, die für die Alzheimer’sche Krankheit typischsind, unterscheiden sich rein äußerlich nicht von ihren normalen Artgenossen. Allerdings lassen sich imGehirn der Tiere deutliche Veränderungen nachweisen.

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führte zu analogen Dysfunktionender Mitochondrien./7/

Zusammenspiel von Alter und genetischen Faktoren

Die Hypothese lag nahe, dass Hirn-alterungsprozesse auf der einen Sei-te und Alzheimer-typische, aber al-tersunabhängige, Veränderungenauf der anderen Seite synergistischauf der Endstrecke einer mitochon-drialen Dysfunktion zusammenwir-ken. Diese Endstrecke, die schließ-lich mit dem programmierten Zelltod endet, ist durch einen ein–geschränkten Energiestoffwechselund vermehrten oxidativen Stressgekennzeichnet. Wir konnten dieseHypothese bestätigen, indem wirunterschiedliche Tiermodelle ver-wendeten. Eingesetzt haben wirhier Mäuse mit einer Alzheimer-re-levanten APP-Mutation sowie Mäu-se, die vermehrt hyperphosphori-liertes Tau bilden./7, 13/ Tatsächlichließen sich die sehr unterschiedli-chen Aspekte der Alzheimer-Er-krankung, wie frühe Störungen desEnergiestoffwechsels, synaptischeDysfunktion, Synapsenverlust unddie eigentlichen neurodegenerati-ven Veränderungen durch mito-chondriale Defizite erklären.

Aber nicht nur in den Nerven-zellen des Gehirns, sondern auchauf peripheren Blutzellen transge-ner Tiere sind Alzheimer-typischemitochondriale Veränderungennachweisbar./8/ Interessanterweisetreten analoge Veränderungen auchan Lymphozyten von Patienten mitsporadischer AD auf, wo sie mit derSchwere der Erkrankung immerausgeprägter werden. Im Momentüberprüfen wir in Zusammenarbeitmit der Arbeitsgruppe von Prof. Jo-

hannes Pantel von der Psychiatri-schen Universitätsklinik, Frankfurt,inwieweit sich diese lymphozytärenVeränderungen auch als biologischeMarker für die Früherkennung derAD einsetzen lassen./9/

Statine – mehr als nur Cholesterinsenker

Epidemiologische Beobachtungenweisen darauf hin, dass Menschen,die über lange Zeit Statine, eine be-stimmte Wirkstoffgruppe von Cho-lesterin senkenden Medikamenten,

einnehmen, ein geringeres Risikoaufweisen, an der AD zu erkran-ken. Die Statine hemmen ein imOrganismus an der Synthese desCholesterins beteiligtes Schlüsselen-zym, das vor allem in der Lebervorkommt. Dadurch sinkt im Blut-kreislauf die Konzentration desCholesterins. Das Cholesterin imGehirn ist aber von dem im Blutunabhängig, da es an Ort und Stellesynthetisiert wird. Ob die Statinedie Blut-Hirn-Schranke überwindenund die Cholesterinsynthese im Ge-hirn beeinflussen können, war lan-ge nicht bekannt. Aktuelle Untersu-chungen am Tier belegen, dass Sta-tine die Cholesterinkonzentrationim Gehirn senken können, abernur bei sehr hohen Dosen. Wie ak-tuelle molekularbiologische Unter-suchungen zeigen, beruht die se-gensreiche Wirkung der Statine im

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Mitochondriale Dysfunktion bei Alzheimer-Demenz

Alter PS1-Mutationen APP-Mutationen Trisomie 21

veränderte APP-ProzessierungVeränderte Lipidhomöostase Membrandefekte

Oligomeres, intrazelluläres Aß

Fibrillenbildung/extrazelluläre Aggregation

Neuritische PlaquesNeurofibrilläreTangles

Tau

III

III IV VAtmungskette

Statine PS1-MutationenAlter

mitochondriales TransmembranpotentialATP ProduktionROS Produktion

Mitochondriale und synaptische Dysfunktion

Apoptose

Um die Entstehung der Alzheimer-Krankheit zu verstehen und neue Medi-kamente zu entwickeln, reicht es nichtaus, nur an Zellen zu forschen. Um einebessere Übertragbarkeit auf den Men-schen zu gewährleisten, müssen wichti-ge Experimente auch an Tiermodellendurchgeführt werden, die speziell für ih-ren Einsatz im Labor gezüchtet werden.

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Die mitochondrale Dysfunktion repräsentiert einen frühen, gemeinsamen Signalweg der Hirnalterung,der Tau Pathologie und anderen noch nicht bekannten Risikofaktoren sporadischer und genetischer For-men der Alzheimer-Krankheit. Letztere sind durch Mutationen in Genen charakterisiert, die unter anderenfür das Präsenilin 1 (PS1) oder das Beta-Amyloid-Vorläuferprotein (APP) codieren. Möglicherweise störendas Altern und PS1-Mutationen direkt die mitochondriale Funktion, unabhängig von der Beta-Amyloid-Kaskade. Adensointriphosphat (ATP), ROS (Reaktive Sauerstoffspezies).

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Gehirn vermutlich eher darauf, dasssie zur Expression von Genen füh-ren, die unter anderem bei derApoptose eine Rolle spielen./10/ Einbesonders wichtiges anti-apoptoti-sches Protein, das unter Statinbe-handlung hochreguliert wird, istBcl-2./10/

Der Mechanismus, über den Sta-tine zu Veränderungen von pro-und anti-apoptotischen Faktorenführen, ist bisher nicht bekannt.Unsere weiterführenden Untersu-chungen haben sehr eindeutig ge-zeigt, dass diese Effekte unabhängigvon der Bildung von Cholesterin im

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Apoptose spielt bei vielen pathologischen, aber auchbei physiologischen Prozessen eine wichtige Rolle. Beider Apoptose werden die wichtigsten zellulärenStrukturen nach einem festgelegten genetischen Pro-gramm zerstört, weswegen die Apoptose auch als»programmierter Selbstmord« bezeichnet wird. Eskommt zur Zerstörung der Mitochondrien, zum ge-zielten Zerschneiden der DNA, wobei ein Apoptose-spezifisches Bandenmuster entsteht, und letztlich zurZerlegung der Zelle in apoptotische Körperchen. Dieapoptotische Zelle gibt sich nach außen zu erkennenund wird von Fresszellen eliminiert (phagozytiert).Daher ruft die Apoptose im Gegensatz zur Nekrose(dem örtlichen Gewebstod) keine Entzündungsreak-tionen hervor. Wenn das System der Apoptose ausden Fugen gerät, sind die Auswirkungen fatal: Ein»Zuwenig« an Apoptose erleichtert zum Beispiel dieEntstehung von Krebszellen, ein »Zuviel« kann zupathologischen Zellverlusten führen, vor allem beinicht mehr teilungsfähigen, ausdifferenzierten Zellen.Gehen Zellen in differenziertem Gewebe zugrunde, sowerden sie meistens durch Binde- und Stützgewebeersetzt, das aber deren Aufgabe nicht übernehmenkann. Ausfallerscheinungen in den betroffenen Orga-nen sind die Folge. Die Neurodegeneration bei Mor-bus Alzheimer ist zum Teil durch apoptotisches Ab-sterben der Neuronen bedingt. In Gehirnen von ver-storbenen Alzheimer Patienten lässt sich Apoptosenachweisen. Eine Zelle kann den Befehl zur Apoptosedurch äußere Faktoren (Signalmoleküle) erhalten.

Apoptose bei der Alzheimer-Krankheit

Pro-apoptischeProteine

BidBaxBadu.a.

DNA-Schäden

Mitochondrium

Cytochrom-c

Caspasen

Zelltod

p53

BCl-2

Die Zelle kann diese Entscheidung nach einer starkenSchädigung – zum Beispiel der Erbsubstanz – aberauch selbst treffen, um etwa zu verhindern, dass siezu einer Krebszelle entartet. Man spricht in diesemFall vom intrinsischen Apoptoseweg. Der intrinsischeApoptoseweg vollzieht sich innerhalb der Zelle undwird häufig auch als mitochondrialer Apoptosewegbezeichnet, da hier eine Störung der mitochondrialenFunktion im Mittelpunkt steht. Die Proteine der Bcl-2-Familie übernehmen eine entscheidende Funktionin der Regulation des intrinsischen Apoptosewegs. Sieregulieren vor allem die Freisetzung pro-apoptoti-scher Faktoren aus den Mito-chondrien. Zellulärer Stressund die Schädigung der Erb-substanz rufen die FaktorenBax und p53 auf den Plan. Nach Akti-vierung ändert Bax seine Strukturund bildet membranassoziierte Kom-plexe, die die Durchlässig-keit der Mitochondrienmem-bran unter anderem für Cy-tochrom C erhöhen. Derpro-apoptotische Faktor Cyto-chrom C aktiviert wiederum Caspasen-Enzyme. Nach Aktivierung schneiden Caspasen spezifischeSubstrate, die Prozesse auslö-sen, welche letztendlich zum Untergang der Zelle führen.

Die Untersuchungen zur mitochon-drialen Dysfunktion werden unter ande-rem an Zellen durchgeführt, die in spe-ziellen Schalen in Nährmedium wach-sen. Neben den Nährstoffen enthält dasMedium auch einen roten Indikatorfarb-stoff, der anzeigt, wann das Medium ge-wechselt werden muss.

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Gehirn sind./11/ Die durch Statinehervorgerufene vermehrte Bildungvon Bcl-2 schützt Mitochondrien indissoziierten Hirnzellen und beugtder Apoptose vor./11/ Weiterhinkonnten wir kürzlich zeigen, dassStatine Zellen vor der toxischenWirkung von Aβ schützen./12/ DieFreisetzung von Bcl-2 und andererProteine, die die Funktion von Mi-tochondrien steuern, wird über ver-schiedene Signalwege reguliert. Un-ter anderem scheint hier die Signal-substanz Stickstoffmonoxid (NO)eine entscheidende Rolle zu spie-len./6/ Inwieweit eine Hochregulie-rung der NO-bildenden Enzymedurch Statine deren neuroprotekti-ve Effekte erklären kann, wird der-zeit untersucht. Von besonderemInteresse sind in diesem Zusam-menhang unsere Befunde an Zel-

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Dr. Gunter P. Eckert, 38, ist Lebensmit-telchemiker, Umwelttoxikologe undFachpharmakologe der Deutschen Ge-sellschaft für Pharmakologie und Toxiko-logie und wurde bei Prof. Müller inFrankfurt promoviert. Nach Forschungs-aufenthalten in Brasilien und den USAbeschäftigt sich Dr. Eckert im Rahmenseiner Habilitationsarbeit mit Hirnalte-rungsvorgängen und neuroprotektivenMechanismen. Er ist als AkademischerOberrat am Pharmakologischen Institutfür Naturwissenschaftler der UniversitätFrankfurt tätig.

Dr. Kristina Leuner, 31, studierte Phar-mazie an der Freien Universität Berlinund promovierte anschließend am Phar-makologischen Institut für Naturwissen-schaftler bei Prof. Müller. Seit 2006 istsie Fachapothekerin für Arzneimittelin-formation und arbeitet als wissenschaft-liche Mitarbeiterin am Pharmakologi-

Die Autoren

schen Institut für Naturwissenschaftler.Im Rahmen ihrer Post Doc-Zeit beschäf-tigt sich Dr. Leuner mit der mitochon-drialen Fehlfunktion im Rahmen vonneurodegenerativen Erkrankungen.

Prof. Dr. Walter E. Müller, 59, studiertePharmazie und beendete seine Ausbil-dung zum Fachpharmakologen in Mainzund an der Johns Hopkins University,Baltimore. 1980 habilitierte er sich fürdas Fach Pharmakologie und Toxikologiein Mainz. Ab 1983 leitete ProfessorMüller das Psychopharmakologische La-bor am Zentralinstitut für Seelische Ge-sundheit in Mannheim und wurde dort1989 zum Professor für Psychopharma-kologie und Abteilungsleiter berufen.Seit 1997 ist er als Ordinarius und Di-rektor des Pharmakologischen Institutsfür Naturwissenschaftler am Biozentrumder Universität Frankfurt tätig.

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Literatur

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In den Arbeitsgruppen von Dr. Kristi-na Leuner und Dr. Gunter Eckert arbei-ten Pharmazeuten, Biologen und Bio-chemiker eng zusammen. Die Interdis-ziplinärität ihrer Forschung wird durchumfangreiche Kooperationen innerhalbder Universität, insbesondere über dasZAFES Expertenkluster Alzheimer undParkinson Forschung Frankfurt (APFF),gefördert.

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len, die viel oder wenig neurotoxi-sches Aβ-Protein bilden. Interessan-terweise kommt es in Zellen, dieviel Aβ-Protein bilden, zu einem er-höhten Angebot von NO, das zu-nächst neuroprotektiv zu seinscheint. Bei höheren Konzentratio-nen wirkt es allerdings neuroto-xisch, weil es den Komplex IV dermitochondrialen Atmungskettehemmt./6/ Auch hier haben wir ei-ne Verschiebung der relativen Kon-zentrationen pro- und anti-apopto-tischer Faktoren beobachten kön-nen.

Zusammenfassend spielt die mi-tochondriale Schädigung in unter-schiedlichen Modellen mit redu-zierter ATP Produktion, erhöhtemStress und vermehrter Apoptose alsgemeinsame Endstrecke vieler all-gemeiner und genetischer Risiko-faktoren der Alzheimer-Demenz ei-ne wichtige Rolle. MitochondrialeDysfunktion stellt daher ein aus-sichtsreiches Ziel für pharmakologi-sche Interventionen dar. ◆