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Mitochondriale Erkrankungen DGM-Handbuch Ein Patientenratgeber Herausgegeben von der DGM · Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. 1. Auflage · Januar 2014 Bundesgeschäftsstelle Im Moos 4 79112 Freiburg Telefon: 07665 / 9447-0 Telefax: 07665 / 9447-20 E-Mail: [email protected] Internet: www.dgm.org

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Mitochondriale Erkrankungen

DGM-Handbuch

Ein Patientenratgeber

Herausgegeben von der DGM · Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.

1. Auflage · Januar 2014

BundesgeschäftsstelleIm Moos 479112 FreiburgTelefon: 07665 / 9447-0Telefax: 07665 / 9447-20E-Mail: [email protected]: www.dgm.org

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DGM-HandbuchMitochondriale ErkrankungenEin Patientenratgeber

Impressum

Diagnosegruppe Mitochondriale Erkrankungen

Im Moos 479112 FreiburgTelefon: 07665 / 9447-0Telefax: 07665 / 9447-20E-Mail: [email protected]: http://www.dgm.org

Mit freundlicher Unterstützung der IKK classicwww.ikk-classic.de

Autoren:

Dr. Viktoria Bau, Dresden

Prof. Dr. Marcus Deschauer, Halle/Saale

Prof. Dr. Peter Freisinger, Reutlingen

Dipl.-Psych. Carsten Gamroth,

Psychologischer Psychotherapeut, Lübeck

PD Dr. W. Klingler, Ulm-Günzburg

Prof. Dr. Thomas Klopstock, München

Prof. Dr. Dr. h. c. Frank Lehmann-Horn, Ulm

Dr. Bert Obermaier-Kusser, Ludwigshafen

Dr. Carsten Schröter, Bad Sooden-Allendorf

Sandra Sittinger, Halle/Saale

Prof. Dr. Wolfgang Sperl, Salzburg

Prof. Dr. Ali Yilmaz, Münster

Mito-Diagnosegruppe der DGM

Karin Brosius, München

Claus-Peter Eisenhardt, Lauffen/Neckar

Januar 2014

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1 VORWORT ............................................. 4Claus-Peter Eisenhardt und Karin Brosius

2 WISSENSWERTES ÜBER DIE ....................... 5MITOCHONDRIALEN ERKRANKUNGENProf. Dr. Marcus Deschauer

3 SPEZIELLE KRANKHEITSBILDER .................. 7Prof. Dr. Marcus DeschauerProf. Dr. Peter FreisingerProf. Dr. Wolfgang Sperl

4 DIAGNOSTIK ....................................... 12Dr. Bert Obermaier-Kusser

5 ÜBERSICHT ZU DEN ............................... 15THERAPIEMÖGLICHKEITENProf. Dr. Marcus DeschauerProf. Dr. Peter FreisingerProf. Dr. Wolfgang Sperl

6 MITOCHONDRIALE ERKRANKUNGEN ............. 16UND SCHMERZDipl.-Psych. Carsten Gamroth

7 MITOCHONDRIALE ERKRANKUNGEN ........... 17UND PSYCHOTHERAPIEDipl.-Psych. Carsten Gamroth

8 AUGENBETEILIGUNG BEI ........................ 18MITOCHONDRIALEN ERKRANKUNGENDr. Viktoria Bau

9 DIAGNOSTIK UND THERAPIE ................... 21VON SCHLUCKSTÖRUNGENProf. Dr. Marcus DeschauerSandra Sittinger

10 HERZBETEILIGUNGEN BEI ...................... 23MITOCHONDRIALEN ERKRANKUNGENProf. Dr. Ali Yilmaz

11 PHYSIOTHERAPIE UND REHABILITATION ... 26BEI MITOCHONDRIALEN MYOPATHIENDr. Carsten Schröter

12 ANÄSTHESIE BEI MITOCHONDRIALEN ....... 28ERKRANKUNGENPD Dr. Werner KlinglerProf. Dr. Dr. h.c. Frank Lehmann-Horn

13 Fehldiagnosen ............................... 31Prof. Dr. Thomas Klopstock

14 DAS DEUTSCHE NETZWERK FÜR ............. 32MITOCHONDRIALE ERKRANKUNGEN(mitoNET)Prof. Dr. Thomas Klopstock

15 Spendenseite ................................ 35

16 Was tut die DGM ........................... 36

17 Beitrittsformular ........................... 37

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INHALT

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Bei dem Ihnen hier vorliegenden Patientenratgeberzu mitochondrialen Erkrankungen handelt es sichum eine neue Informationsbroschüre, die den ak-tuellen Wissensstand diesem Gebiet wiederspie-gelt. Seit der Gründung unserer Selbsthilfe-gruppe im Jahr 2006 hatten wir bereits zwei Bro-schüren herausgegeben. Die Entwicklung vom ur-sprünglich achtseitigen Faltblatt hin zu diesem um-fangreichen Handbuch zeugt eindrucksvoll vomgestiegenen Interesse an der wissenschaftlichenForschung zu den mitochondrialen Erkrankungen,das nicht zuletzt auf die Entstehung des DeutschenNetzwerkes für mitochondriale Erkrankungen (mi-toNET) zurückzuführen ist. Die Gründung unse-rer Selbsthilfegruppe und die Etablierung deswissenschaftlichen Forschungsverbundes mitoNETerfolgten ungefähr zur gleichen Zeit und wir stan-den als Patientenvertreter von der ersten Stunde anim Dialog mit den führenden Wissenschaftlern undKlinikern auf diesem Gebiet. Von diesem Dialogprofitierten beide Seiten. Wir Patientenvertreterlernten viel über unsere Krankheit und den neues-ten Stand der Forschung und konnten dieses Wis-sen in unzähligen Beratungsgesprächen und aufFachtagen an Betroffene weitergeben, die mit die-ser Diagnose oder Verdachtsdiagnose konfrontiertwurden. Umgekehrt konnten wir die Medizinerüber Symptome der Patienten informieren (z.B.Schluckbeschwerden, unspezifische Schmerzen),deren häufiges Auftreten den Ärzten vorher garnicht bewusst war und nun bei der Anamnese we-sentlich mehr Beachtung findet.

Dieses Handbuch ist Ausdruck der guten Zusam-menarbeit zwischen der Mito-Diagnosegruppe undder Wissenschaft und greift neben dem aktuellenÜberblick über die Grundlagen der mitochondria-len Erkrankungen nun auch die häufigsten Fragenvon Patienten auf, und widmet sich auch den ver-schiedenen Therapiemöglichkeiten wesentlich aus-führlicher als in den früheren Auflagen. Wir hof-fen, dass wir damit dem Informationsbedürfnis derBetroffenen über diese seltene und so komplexeund heterogene Erkrankung noch besser Rechnungtragen können.

In der Diagnostik mitochondrialer Erkrankungen –auch unter dem Namen Mitochondriopatien be-kannt – sind in den letzten Jahren bahnbrechendeEntwicklungen zu verzeichnen. Engagierten Wis-senschaftlern gelang es mittels neuer genetischerMethoden weit über 200 Gene zu identifizieren,

welche mit mitochondrialen Defekten und Dys-funktionen assoziiert werden.

Trotz der verstärkten Forschungstätigkeit in denletzten Jahren und dem Zuwachs an Kenntnissen inder Grundlagenforschung zeichnet sich leiderimmer noch kein fundamentaler Durchbruch inRichtung Heilung der mitochondrialen Erkrankun-gen ab. Umso wichtiger bleibt, neben der medizi-nischen Versorgung, die „Selbsthilfe“, d.h. derUmgang mit der Krankheit und den damit verbun-denen Behinderungen im Alltag. Dieser Säuleschenken wir weiterhin viel Aufmerksamkeit.

Wir laden alle Betroffenen ein, sich mit uns in derSelbsthilfe zu engagieren, und so eigene Wege zurSteigerung der Lebensqualität im Austausch mitanderen Betroffenen zu finden, aber auch die not-wendige Lobbyarbeit zu betreiben, um das Be-wusstsein für diese seltene Krankheit und ihregravierenden Folgen bei den politischen und ge-sellschaftlichen Entscheidungsträgern zu erhöhen.Kontaktadressen sind über die Geschäftsstelle derDGM in Freiburg und über die Internetseitenwww.dgm.org bzw. www.mito-erkrankungen.deerhältlich.

Ihre Sprecher der Mito-Diagnosegruppein der DGM e.V.

Claus-Peter Eisenhardt und Karin Brosius

Kontakte zur Diagnosegruppe Mitochondriale ErkrankungenDie Ansprechpartner der Mito-Diagnosegruppe finden Sie aktuell auf derHomepage www.mito-erkrankungen.de oderüber die DGM Bundesgeschäftsstelle unter Telefon 07665 / 94 47-0.

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Vorwort

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Prof. Dr. Marcus Deschauer, Halle/Saale

Was sind Mitochondrien?Mitochondrien sind Organellen (Strukturen derKörperzellen mit bestimmter Funktion), die für dieEnergiegewinnung der Zellen verantwortlich sind.Man kann sie als „Kraftwerke“ der Zellen bezeich-nen. In der sog. Zellatmung findet die „Verbren-nung“ von Sauerstoff statt. Dazu gibt es die sog.„Atmungskette“ an der inneren Membran der Mito-chondrien. Darüber hinaus haben die Mitochondrienaber noch weitere Funktionen, so sind sie z.B. auchfür den Abbau der Fettsäuren verantwortlich.

Allgemeines - MitochondrialeErkrankungen sind sehr vielgestaltige ErkrankungenMitochondriale Erkrankungen, die auch Mitochon-driopathien genannt werden, sind ein Oberbegrifffür Erkrankungen, bei denen ein Defekt in den Mi-tochondrien vorliegt. In der in der Regel liegt einegenetische Ursache zugrunde. Funktionsstörungender Mitochondrien betreffen insbesondere die Mus-kelzellen, da diese einen hohen Energiebedarf auf-weisen. Es kann zu einer mitochondrialen Myopa-thie (Muskelerkrankung) kommen. Aber auch an-dere Zellen und Gewebe können betroffen sein, soz.B. das Nervensystem, das Auge und das Innenohr.Störungen des Magen-Darm-Traktes, der Leberoder der Bauchspeicheldrüse kommen ebenfalls vor(Abb. 1).

Bei Erkrankungen der Mitochondrien handelt essich daher oft um sog. Multisystemerkrankungen, ei denen verschiedene Organe erkranken. Wenn dieMuskeln erkranken, spricht man von einer mito-chondrialen Myopathie, wenn das Gehirn betroffenist von einer mitochondrialen Enzephalopathie. EineMitochondrien-Erkrankung kann sowohl im Kindes-alter als auch im Erwachsenenalter auftreten, dieklinische Ausprägung kann im Verlauf wechseln.

Häufig berichten Patienten mit mitochondrialenMyopathien über eine belastungsabhängige Muskel-schwäche, allgemeine Erschöpfung und Belastungs-intoleranz. Aber auch eine andauernde Muskel-schwäche ist möglich. Wegweisend für eine mito-chondriale Myopathie ist, dass die Augenmuskelnbetroffen sind. Bei manchen Patienten kann eineHerzmuskelschwäche auftreten, aber auch Störun-gen der Nervenleitung im Herz sind möglich, waszu Herzrhythmusstörungen führen kann. Ist das Ge-hirn betroffen, können z.B. epileptische Anfälle,geistige Behinderungen oder schlaganfallähnlicheBeschwerden auftreten. Die Nerven von Armen undBeinen können ebenfalls betroffen sein. Am Augekönnen besonders der Sehnerv und die Netzhaut er-kranken. Außerdem sind die Betroffenen häufigauch mit Schwerhörigkeit und Diabetes belastet.Typische Kombinationen von Symptomen könnenden Arzt zur Diagnose der Mitochondriopathie füh-ren. Man spricht dann von charakteristischen Syn-dromen.

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2 Wissenswertes über die mitochondrialen Erkrankungen

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Einige dieser Syndrome werden später im Einzelnenvorgestellt. Allerdings weisen viele Betroffene nichtdas volle Bild dieser Syndrome auf und es gibtmanchmal auch eine Überlappung zweier Syn-drome. Mitochondriopathien gelten zwar als selteneErkrankungen, sind aber in der Summe gar nicht soselten (ca. 1:5000).

Genetische GrundlageMitochondriopathien liegen in der Regel Fehler(Mutationen) in der Erbsubstanz zugrunde, wobeinur manchmal eine Erbkrankheit in der Familie of-fensichtlich ist. Allerdings findet man nicht beiallen Patienten den Fehler in der Erbsubstanz, be-sonders bei Kindern bleibt der Gendefekt häufig un-bekannt.

Die Mitochondrien haben eine eigene Erbsubstanz(mitochondriale DNA), die zusätzlich zur Erbsub-stanz im Zellkern in der Zelle vorliegt, so dass ei-nige Eiweißstoffe in den Mitochondrien selbst ge-bildet werden können. Viele Eiweißstoffe werdenaber von der Kern-DNA gebildet und in die Mito-chondrien hinein transportiert. Liegt der Fehler inder Erbsubstanz der Mitochondrien, so wird die Er-krankung typischerweise von der Mutter auf dieKinder übertragen (maternale Vererbung), da diemitochondriale DNA nur von der Mutter an dieKinder weiter gegeben wird. Dies erklärt sich da-

durch, dass die Eizellen im Vergleich zu den Sper-mien tausendfach mehr Mitochondrien enthaltenund die wenigen Mitochondrien der männlichen Sa-menzelle nach der Befruchtung abgebaut werden.

Bei Veränderungen der mitochondrialen DNA istmeist nur ein Teil der DNA-Moleküle betroffen, sodass in einer Gewebeprobe normale mitochondrialeDNA neben mutierter mitochondrialer DNA gefun-den werden kann (Heteroplasmie). Dabei gibt eseine gewisse Beziehung zwischen dem Anteil derveränderten DNA und dem Schweregrad der Er-krankung. Leider ist bei Mutationen der mitochon-drialen DNA eine genetische Beratung von Familienund insbesondere Pränataldiagnose sehr schwierig,da der Heteroplasmiegrad beim Kind in den ver-schiedenen Geweben sehr unterschiedlich seinkann.

Liegt der Fehler aber in der Kern-DNA, so könnenauch Väter die Erkrankung weiter geben (autosomaldominanter Erbgang). Viel häufiger ist bei Mito-chondriopathien durch Fehler in der Kern-DNAaber ein sog. autosomal rezessiver Erbgang, wo inder Regel die Erkrankung auf eine Generation be-schränkt bleibt und normalerweise nur Geschwisterein Erkrankungsrisiko haben. Die Vererbbarkeit dereinzelnen Erkrankungen wird bei der Beschreibungdes Krankheitsbildes erläutert.

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ERKRANKUNGEN DURCH STÖRUNGDER ZELLATMUNG (DEFEKTE DERATMUNGSKETTE)

KRANKHEITEN MIT AUFTRETENTYPISCHERWEISE IM JUGEND- ODER ERWACHSENENALTER

Prof. Dr. Marcus Deschauer, Halle/Saale

Chronisch progressive externeOphthalomoplegie (CPEO)Diese Erkrankung ist durch eine langsam zuneh-mende (chronisch progressive) Lähmung (Ple-gie) der äußeren (externen) Augen (Ophthalmo)-Muskeln charakterisiert, was zur Bewegungsein-schränkung der Augen und zum Hängen derLider (Ptose) führt. Die Patienten bemerken dieeinschränkte Augenbeweglichkeit jedoch häufignicht selbst, da selten Doppeltsehen auftritt.Vielmehr fällt das Herabhängen der Lider auf,das nicht nur ein kosmetisches Problem darstellt,sondern auch zu einer Sehbeeinträchtigung nachoben führt, so dass die Patienten den Kopf nachhinten neigen. Bei Fortschreiten kann die Pupilleganz verdeckt werden, so dass der Patient nuretwas sieht, wenn er das Lid mit dem Finger an-hebt. Zusätzlich zur Augenmuskellähmung wei-sen viele, aber nicht alle Patienten, weitere Be-schwerden auf, man spricht dann von „CPEOplus“.

Dazu gehört insbesondere eine belastungsabhän-gige Muskelschwäche, die besonders die rumpf-nahen Muskeln von Armen und Beinen (Schul-tergürtel/Oberarme bzw. Beckengürtel) betrifft.Manchmal besteht auch eine andauernde Läh-mung dieser Muskeln. Pigmentstörungen an derNetzhaut im Auge (Retinopathie), können zueiner verminderten Sehschärfe, Gesichtsfeldein-schränkungen und Blendempfindlichkeit führen.Sind die Nerven von Armen und Beinen betrof-fen, so kommt es besonders zu Taubheitsgefüh-len in Füßen und Händen sowie zu Schwindel(sensible Ataxie). Weitere mögliche Störungensind: Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Reiz-leitungsstörungen im Herz, Kleinhirnschädigungmit Gleichgewichtsstörungen und Schwindel,Schwerhörigkeit. Tritt die Erkrankung bereits inder Jugend auf und liegen Netzhautveränderun-gen am Auge und Nervenleitungsstörungen imHerz vor, so spricht man vom Kearns-Sayre-Syndrom.

Wie es der Name CPEO bereits sagt, handelt essich um eine chronisch fortschreitende Erkran-kung, wobei das Fortschreiten in der Regel sehrlangsam ist. Daher wird die Muskelschwäche inden Beinen in der Regel nie so schlimm, dassPatienten nicht mehr laufen können. An den Au-genmuskeln kann hingegen im Verlauf eine voll-ständige Lähmung auftreten, die hinsichtlich derAugenbeweglichkeit jedoch wenig Beschwerdenmacht, hinsichtlich des Hängens der Lider aberschon. Die multisystemischen Beschwerden überdie Muskeln hinaus können auch im Verlauf derErkrankung hinzutreten, so dass regelmäßigeKontrolluntersuchungen dahingehend zu emp-fehlen sind.

Die CPEO ist eine sehr häufige Mitochondriopa-thie, die sehr unterschiedlich vererbt wird. Meistweisen die Patienten sog. einzelne (singuläre)Verkürzungen (Deletionen) der mitochondrialenErbsubstanz auf, die nur sehr selten von betroffe-nen Müttern an die Kinder vererbt werden (ca.4%). Andere Patienten haben sog. mehrfache(multiple) Verkürzungen der mitochondrialenDNA. Diese Veränderungen sind die Folge vonDefekten in Genen der Kern-DNA, die autoso-mal dominant oder rezessiv vererbt werden. Essind bislang 13 Gene bekannt (am häufigstentreten Defekte im POLG-Gen auf). Selten findensich sog. Punktmutationen der mitochondrialenErbsubstanz, die von Müttern vererbt werden.

Mitochondriale Enzephalomyopathie mit Laktatazidose und schlaganfallähnliche Episoden(MELAS-Syndrom)Bei dieser Mitochondriopathie ist vor allem dasGehirn betroffen und es kommt zu schlaganfall-ähnlichen Beschwerden, die bereits bei jungenMenschen auftreten. Es können plötzliche Läh-mungen einer Körperseite, aber auch Sehstörun-gen auf einer Seite des Gesichtsfeldes (nichteines Auges) auftreten. Diese verschwindendemnach nicht, wenn man ein Auge zukneift. ImUnterschied zum klassischen Schlaganfall, dertypischerweise schmerzlos ist, haben die Patien-ten dabei häufig Kopfschmerzen und auch Übel-keit und Erbrechen. Außerdem kommt es dabeivielfach auch zu epileptischen Anfällen. Eine charakteristische Laborveränderung ist eine sog. Laktatazidose (siehe Diagnose).

3 Spezielle Krankheitsbilder

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Auch bei dieser Erkrankung finden sich häufigzusätzlich ganz andere Beschwerden. Typischsind Schwerhörigkeit, Diabetes, Kleinwuchs, Be-lastungsintoleranz und Muskelschwäche sowieAbbau der geistigen Leistungsfähigkeit (De-menz). Auch eine hypertrophe Kardiomyopathiekann vorliegen. Diese Beschwerden finden sichaber nur bei einem Teil der Patienten. Die Er-krankung kann aufgrund der schlaganfallähnli-chen Episoden in krisenhaften „Schüben“ verlau-fen, von denen sich die Patienten nicht immerwieder vollständig erholen. Andere multisyste-mische Beschwerden wie z.B. die Schwerhörig-keit nehmen typischerweise im Verlauf der Er-krankung langsam kontinuierlich zu. DasMELAS-Syndrom ist nicht ganz so häufig wiedie CPEO. Die Erkrankung beruht auf einer sog.Punktmutation der mitochondrialen Erbsubstanz(meist handelt es sich um die Mutation3243A>G), die von der Mutter an Kinder vererbtwird. Vielfach tragen die Mütter von Kindernmit MELAS zwar die Mutation in sich, weisenaber nur geringe Beschwerden (z.B. eine leichteSchwerhörigkeit oder eine Zuckerkrankheit) auf.Es ist wichtig zu betonen, dass das bloße Vorlie-gen dieser Mutation 3243A>G nicht bedeutet,dass sich das Vollbild eines MELAS-Syndromsmit Schlaganfall entwickeln wird. Nur beieinem geringeren Anteil an Patienten kommt esdazu. Vielfach liegt in den Familien diese Muta-tion in unterschiedlichem Ausmaß (Heteroplas-miegrad) vor und Familienmitglieder sind unter-schiedlich betroffen, oft nur milde oder garasymptomatisch.

Myoklonusepilepsie mit Ragged-red-Fasern (MERRF-Syndrom)Bei dieser recht seltenen Mitochondriopathie ste-hen epileptische Anfälle und kurze Muskelzu-ckungen (Myoklonien) im Vordergrund. Zusätz-

lich namensgebend waren hier Veränderungen inder Muskelbiopsie, die sog. Ragged-red-Fasern(siehe unter Diagnostik). Diese Veränderungensind aber nicht typisch für das MERRF-Syndromund finden sich auch bei vielen anderen Mito-chondriopathien, z.B. auch bei der CPEO undbeim MELAS-Syndrom. Ähnlich wie bei diesenbeiden Erkrankungen finden sich beim MERRF-Syndrom zusätzliche multisystemische Be-schwerden. Die Vererbung ist ähnlich wie beimMELAS-Syndrom, also von der Mutter auf Kin-der, bedingt durch eine Punktmutation der mito-chondrialen Erbsubstanz (meist Mutation8344A>G).

Isolierte mitochondriale MyopathieEs gibt auch Mitochondriopathien, die sichdurch eine Muskelerkrankung (Myopathie) zei-gen, die nur die Muskeln von Armen, Beinenoder Rumpf betrifft und weder eine Schwächeder Augenmuskeln noch Störungen anderer Or-gane aufweisen. Manchmal handelt es sich umeine belastungsabhängige Symptomatik, die zukeiner bleibenden Lähmung führt und als psy-chisch bedingter Erschöpfungszustand verkanntwerden kann. Bei diesen isolierten mitochondria-len Myopathien sind die Gendefekte und die Ver-erbung sehr variabel.

Lebersche OptikusneuropathieAuf der anderen Seite gibt es eine Mitochondrio-pathie, die sich meist ausschließlich am Sehnerv(Nervus opticus) abspielt - die Lebersche Opti-kusneuropathie. Diese Erkrankung hat ihrenNamen vom Heidelberger Augenarzt TheodorLeber, der sie 1871 erstmals in der medizini-schen Fachliteratur beschrieb. Typischerweisekommt es bei jungen Männern innerhalb von we-nigen Wochen zu einer schmerzlosen Erblindung(oder hochgradigen Minderung des Sehvermö-gens) auf einem Auge, wenige Wochen späterfolgt das andere Auge. Bei wenigen Patientenkommt es in den ersten Jahren nach Erkran-kungsbeginn auch wieder zu einer spontanenBesserung des Sehvermögens. Viele Patientenbleiben aber leider praktisch blind.Die Lebersche Optikusneuropathie wird durchPunktmutationen der mitochondrialen Erbsub-stanz bedingt. Diese werden zwar von der Mutterauf die Kinder vererbt, die Mütter selbst sindaber meist beschwerdefrei, da Männer etwa 5-mal häufiger erkranken als Frauen.

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MRT (Kernspintomographie) als Diffusionswichtung von einem Patienten mit MELAS-Syndrom: In der rechten Gehirnhälfte (linke Bildseite) erkennt man eine hellere Darstellung der Hirnrinde.

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MITOCHONDRIALE ERKRANKUNGENMIT AUFTRETEN IM KINDESALTER

Prof. Dr. Peter Freisinger, ReutlingenProf. Dr. Wolfgang Sperl, Salzburg

Mitochondriale Erkrankungen treten im Kindes-alter zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Sogibt es Erkrankungen, die schon bei der Geburtzu erkennen sind, häufiger beginnen die erstenKrankheitssymptome im Säuglingsalter. Aller-dings gibt es auch Formen, die sich erst im Kin-des- und Jugendalter zeigen. Die Regel „je frü-her der Beginn, desto schwerer der Verlauf“ trifftsehr häufig – jedoch nicht ausnahmslos – zu.

Im Gegensatz zu den Erwachsenen leiden Kinderund Jugendliche selten an den typischen mito-chondrialen Syndromen wie z.B. MELAS, etc.(siehe vorhergehender Artikel). Viel häufigerzeigen betroffene Kinder eine Kombination un-spezifischer Symptome die mehrere Organe be-treffen. Deshalb wird die Diagnose häufig ver-spätet oder nicht sofort gestellt.

Da Mitochondriopathien zu Energiemangel füh-ren und jede Zelle mehr oder weniger Energiebenötigt, betreffen diese Erkrankungen fast alleOrgansysteme in unterschiedlichem Ausmaß.Dementsprechend können die Symptome auchsehr vielfältig sein.

Symptome Wir unterscheiden Symptome des Nervensys-tems, der Muskulatur und Symptome an anderenOrganen. Typische mitochondriale Symptomeam Nervensystem sind Störungen der Bewe-gungskoordination (Ataxie, Dystonie), Schluck-und Sprachstörungen, Störungen der geistigenEntwicklung, epileptische Anfälle (aber meist inKombination mit anderen Symptomen), Innen-ohrschwerhörigkeit-/Taubheit und Sehstörungen,die durch Schädigung der Netzhaut oder desSehnervs entstehen können. Am Muskel kanneine Reduzierung der Muskelkraft, der Muskel-spannung (Tonus) aber auch ein Abbau der Mus-kelzellen (Rhabdomyolyse) beobachtet werden

Typische Symptome an anderen Organen sinddie Kardiomyopathie, d. h. eine Schwäche desHerzmuskels oder Herzrhythmusstörungen, Le-berschwäche, bzw -versagen, Niereninsuffizienz

u.a. Auch die Bildung der Blutzellen kann be-einträchtigt sein (Knochenmarkinsuffizienz).Sowohl im Blut als auch im Gehirn findet sichmeist eine deutliche Erhöhung der Milchsäure(Laktat), die zu einer Übersäuerung des Organis-mus führen kann. Es ist wichtig zu wissen, dassnur selten alle Symptome in einem Krankheits-bild auftreten. Häufig finden sich unterschiedli-che Kombinationen von mehreren Krankheits-zeichen.

UrsachenDie genetischen Ursachen von mitochondrialenErkrankungen im Kindesalter sind sehr vielfältigund nur zum Teil bekannt. Im Gegensatz zu denMitochondriopathien im Erwachsenenalter, dieüberwiegend durch Veränderungen in der Erb-substanz der Mitochondrien selber bedingt sind(mitochondriale DNA), liegt bei den kindlichenErkrankungen häufiger eine Mutation der Erb-substanz im Zellkern (nukleäre DNA) vor. In denletzten Jahren wurden sehr große Fortschritte inder Genetik der kindlichen Mitochondriopathienerzielt. Inzwischen sind mehr als 250 Gene be-kannt, die eine Mitochondriopathie verursachenkönnen, leider ist jedoch der Anteil der Krank-heiten deren genetische Ursache wir noch nichtkennen, immer noch groß.

Die meisten Mitochondriopathien im Kindesaltersind mit einer Störung der Zellatmung (At-mungskette) vergesellschaftet. Es finden sichentweder einzelne oder kombinierte Defekte derunterschiedlichen Atmungskettenkomplexe(Komplex I-V) oder auch im Pyruvatdehydroge-nasekomplex (PDHC). Dies führt zum einen zueinem Mangel an ATP, dem wichtigsten „Brenn-stoff“ der Zelle, zum anderen zu einer Anhäu-fung von toxischen Sauerstoffradikalen, die dieZellwand schädigen und eine beschleunigte Zel-lalterung unterstützen.

Die Atmungskettenkomplexe lassen sich am bes-ten im Muskelgewebe nachweisen, weshalb häu-fig eine Muskelbiopsie notwendig ist.Im Folgenden werden die wenigen typischen mi-tochondrialen Syndrome im Kindesalter kurzdargestellt.

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Leigh-Syndrom oder Leigh-Erkrankung Das Leigh-Syndrom ist keine eigene Erkrankungsondern ein typischer Verlauf einer mitochon-drialen Erkrankung im Kindesalter, der ganz un-terschiedliche Ursachen haben kann. Es ist einefortschreitende, überwiegend neurologische Er-krankung, die meist im Säuglingsalter, manch-mal auch etwas später, beginnt. Die erstenSymptome treten meist nach Infekten auf, wobeidiese nicht die Ursache sind. Typischerweise ver-lieren die Patienten bereits erlernte Fähigkeitenwie z. B. das Halten des Kopfes, Gehen oderSprechen. Dies ist häufig begleitet von anderenZeichen wie Appetitverlust, häufigem Erbrechenund Krampfanfällen.

Die Erkrankung verläuft oft krisenhaft, d. h. eskommt nach Infekten oder Belastungssituationenzu einer akuten Verschlechterung, von der sichdie Kinder wieder erholen können. Meist errei-chen sie aber nicht mehr das gleiche Niveau wievor der Krise.

Weitere neurologische Zeichen sind mangelndeMuskelspannung, Nystagmus (Augenzittern)und eine generalisierte Störung in der Bewe-gungssteuerung (Ataxie).

Oft bleibt das Wachstum zurück (Kleinwuchs)und es sind andere Organsysteme wie das Herz,die Niere und die Leber beteiligt. Durch dieSchwäche der Muskulatur aber auch durch dieVeränderungen in tiefen Regionen des Gehirns(Atemzentrum) kann es zu teils schwerwiegen-den Schluck- und Atmungsstörungen kommen.Die meisten Patienten haben auch eine Über-säuerung mit Laktat.

In der Kernspinuntersuchung (MRT) des Gehirnszeigen die Patienten typische, symmetrische Ver-änderungen im Mittelhirn (Basalganglien) undim Hirnstamm. Diese Veränderungen sind be-dingt durch einen Untergang von besondersenergieabhängigem Gewebe in diesen Bereichen.

Das Leigh-Syndrom hat sehr viele unterschiedli-che Ursachen. Inzwischen sind Defekte in min-destens 50 unterschiedlichen Genen bekannt. Inder Muskelbiopsie findet man Veränderungen inallen Atmungskettenkomplexen (I-V) sowie imPyruvatdehydrogenasekomplex (PDHC). Wie bei

der überwiegenden Mehrzahl der mitochondria-len Erkrankungen gibt es bisher für das LeighSyndrom nur in Einzelfällen eine spezifischeTherapie. Die Behandlung umfasst in ersterLinie die Therapie der verschiedenen Komplika-tionen (z.B. Epilepsie, Herzinsuffizienz, Atemin-suffizienz, etc.s. Tabelle 1) sowie die Gabe vonVitaminen und Cofaktoren (z. B. Thiamin, Coen-zym Q10, Riboflavin u.a.), die je nachdem, wel-cher Atmungskettenkomplex betroffen ist, gege-ben werden und die z.T. zu einer Verbesserungder verbleibenden Aktivität dieser Enzyme füh-ren können. Bei Patienten mit Leigh Syndromund einem PDHC Defekt (E1) gibt es in einigenFällen ein Ansprechen mit klinischer Verbesse-rung auf Thiamin aber auch auf eine ketogeneDiät. Leider ist eine Heilung auch damit nichtmöglich, die Prognose für Patienten mit LeighSyndrom ist in den meisten Fällen sehr ernst.

Pearson-Syndrom Beim Pearson-Syndrom fallen betroffene Kinderim Säuglingsalter durch Blutarmut auf, die so-wohl die roten als auch die weißen Blutzellen be-treffen kann. Zudem haben sie häufig eine ein-geschränkte Funktion der Bauchspeicheldrüsesowie eine ausgeprägte Beeinträchtigung des Ge-deihens. Die geistige Entwicklung ist meist ver-zögert. Der Verlauf der Erkrankung ist unter-schiedlich stark ausgeprägt. Wird das Erwachse-nenalter erreicht, kann das Pearson-Syndromhäufig in ein Kearns-Sayre-Syndrom (KSS, s.dort) übergehen. Beim Pearson-Syndrom ist dieUrsache eine Deletion in der mitochondrialenDNA, d.h. ein größeres Bruchstück der mito-chondrialen Erbsubstanz ist verloren gegangen.

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Kernspintomographie (MRT) des Gehirnes eines Patienten mit Leigh-Syndrom (A) im Vergleich zu einem Gesunden (B). Deutlich zu erkennen sind die symetrischen Aufhellungen im Bereich der Basalganglien (Pfeil). Diese aufhellungen sind Zeichen einer Gewebsschädigung infolge des Energiemangels

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ERKRANKUNGEN DURCH STÖRUNGDES FETTSÄUREABBAUS UND ANDERESTÖRUNGEN IM MITOCHONDRIALENSTOFFWECHSEL

Mitochondrien enthalten neben der lebenswichti-gen sauerstoffabhängigen Energiegwinnung(oxidativen Phosphorylierung =OXPHOS) nochzahlreiche andere wichtige Stoffwechselvor-gänge wie die Oxidation von Fettsäuren, Häm-biosynthese, Harnstoffzyklus, Aminosäuresyn-these, Purin-, Pyrimidinbiosynthese, Cholesterol-stoffwechsel, Neurotransmitterstoffwechsel etc.In all diesen Stoffwechselbereichen sind Krank-heiten beschrieben, die wir aber nicht im enge-ren Sinne zu den Mitochondriopathien zählen.Sie werden daher auch in dieser Informations-broschüre nicht miterfasst.

ERKRANKUNGEN MIT MANGEL ANMITOCHONDRIALER ERBSUBSTANZ(MITOCHONDRIALE DNA-DEPLETIONS-SYNDROME)

Bei den mitochondrialen DNA-Depletions-Syn-dromen entsteht durch einen erblichen Defektein Mangel an mitochondrialer DNA, der wie-derum zu Störungen in der Atmungskette führt.Somit entsteht ein Energiemangel. Die Verer-bung ist autosomal rezessiv, d.h. in der Regelsind die Eltern symptomfreie Träger. Kindersind mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% be-troffen sein. Wir kennen heute mindestens 10verscheidene genetische Ursachen.

Diese Erkrankungen können unterschiedlicheOrgansysteme betreffen. Häufig ist die Kombi-nation einer Störung des Gehirns und der Leber(„hepatocerebral“ s.u.) und des Gehirns und derMuskulatur („muskulocerebral“). Die häufigsteKrankheitsform ist das Alpers-Syndrom. (Syno-nym: progressive infantile Poliodystrophie)Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch einefrühzeitig auftretende meist therapieresistenteEpilepsie, eine ausgeprägte mentale (geistige)Entwicklungsstörung, Spastik sowie eine zuneh-mende Störung der Leberfunktion, die sehr un-terschiedlich ausgeprägt sein kann. Meist habendie Patienten auch eine ausgeprägte Gedeihstö-rung. Die Ursache für das Alpers-Syndrom sindMutationen des Enzyms „Polymerase Gamma 1“(POLG1). Es gibt allerdings auch Mutationen inPOLG1, die nur zu einer schweren Epilepsieführen können, ohne dass andere Organsystemebeteiligt sind bzw. andere Fälle, in denen nur dieLeber betroffen ist. Bei einem weiteren hepato-cerebralen Syndrom ist der Mangel der mito-chon- drialen DNA durch Mutationen in demEnzym DGUOK bedingt. Die Patienten fallentypischerweise Tage bis Wochen nach der Geburtdurch ein beginnendes Leberversagen und Stö-rungen der Hirnfunktion auf. Der Verlauf wirddurch das zunehmende Leberversagen bestimmt.Bei einer kleinen Gruppe von Patienten mit weit-gehend normaler Gehirnfunktion kann eine Le-bertransplantation als Therapie erwogen werden.

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Dr. Bert Obermaier-Kusser, Ludwigshafen

Mitochondriopathien werden von Störungen derzellulären Energiebereitstellung in Form vonATP verursacht. Sie zeigen genetisch eine beson-dere Konstellation. Mutationen, die diese Stö-rungen verursachen, können nämlich sowohl inden Genen des Zellkerns, als auch in den eige-nen Genen der Mitochondrien, der mitochon-drialen DNA, vorkommen. Diese Störungen be-einträchtigen eine Vielzahl von Organsystemenund meist sind die Organe am stärksten betrof-fen, in denen besonders viel Energie bereitge-stellt werden muss.Aufgrund der Vielfalt der klinischen Symptomeund ihrer Kombinationen kann die Diagnosestel-lung bei mitochondrialen Erkrankungen zum Teilsehr schwierig sein und bedarf großer Erfahrung.Wird eine Mitochondriopathie differentialdiag-nostisch in Betracht gezogen, ist es deshalb ent-scheidend, das weitere Vorgehen in Absprachemit einem spezialisierten Zentrum zu planen.Adressen dieser Neuromuskulären Zentren mitdem Schwerpunkt mitochondriale Erkrankungensowohl für Kinder und Jugendliche als auch fürErwachsene können bei der DGM erfragt wer-den. Damit lassen sich überflüssige Untersu-chungen und Verzögerungen auf dem Weg zueiner gesicherten Diagnose deutlich reduzieren.

Das standardisierte Vorgehen bei Verdacht aufdas Vorliegen einer mitochondrialen Erkrankungbeinhaltet: Körperliche Untersuchung und neu-rologischen Status, Basisdiagnostik der Körper-flüssigkeiten, Belastungstests, sowie u. U. dieBestimmung der organischen Säuren im Urinund der Aminosäuren im Blut. Ein wichtigesLeitsymptom der Mitochondriopathien ist dieErhöhung des Laktats (Milchsäure). Eine Beur-teilung des Laktatspiegels in Blut (Serum) undNervenwasser (Liquor) gehört daher zur Basisdi-agnostik. Je nach Befund müssen weitere Unter-suchungen am betroffenen Gewebe, Organ, oderOrgansystem erfolgen. Dazu gehören neben bild-gebenden Verfahren insbesondere Kernspinto-mographie des Kopfes und Herzultraschall,EKG, EEG (Hirnstrommessung), Elektroneuro-graphie (mit Messung der Nervenleitgeschwin-digkeit) und Elektromyographie (Messung elek-tischer Aktivtität im Muskel), sowie Hörtests.Manchmal ist auch eine Ergometrie sinnvoll(standardisierter körperlicher Belastungstest mitLaktatmessung).

Erhärten diese Untersuchungen den Verdacht auf das Vorliegen einer Mitochondriopathie,muss in vielen Fällen betroffenes Gewebe, meistaus einer Muskelbiopsie untersucht werden(d. h. es ist die Entnahme eines erbsengroßenMuskelstückes unter lokaler Betäubung bzw. bei Kindern unter Narkose notwendig), um die Diagnose zu sichern.

Da sich Mitochondriopathien nicht generell injedem Gewebe nachweisen lassen, ist die Wahldes passenden Untersuchungsmaterials von ent-scheidender Bedeutung. Leider kann nur fürmanche mitochondrialen Erkrankungen Blut alsleicht zugängliches Material verwendet werden.Dies ist z.B. der Fall für den genetischen Nach-weis von MELAS, LHON und anderen sich vor-wiegend neurologisch manifestierenden Erkran-kungen, oder für den enzymatischen Nachweisbei einigen Störungen des Fettsäureabbaus. Häu-fig sind jedoch Untersuchungen im Skelettmus-kel erforderlich, so dass eine Muskelbiopsie not-wendig wird. Um mit diesem Gewebe alle diag-nostischen Möglichkeiten ausschöpfen zu kön-nen, müssen beim Umgang mit der Muskelprobebesondere Bedingungen eingehalten werden undmehrere unterschiedliche Untersuchungen zumEinsatz kommen.

Die Sicherung der Diagnose ruht auf drei unabhängigen Säulen:

1. Licht- und ev. Elektronenmikroskopie,

2. Messungen von enzymatischen Aktivitäten der Atmungskettenbestandteile bzw. anderenStoffwechselwege der Mitochondrien

3. genetische Untersuchungen.

Charakteristisch in der Mikroskopie ist derNachweis sogenannter Ragged-Red-Fasern inder Gomori-Trichromfärbung (siehe Abb.) dieabnorme Mitochondrien anzeigen. Da diese undweitere enzymhistochemische Färbungen unfi-xiertes Muskelgewebe erfordern, sollte eineMuskelbiopsie nur in einem entsprechend ausge-statteten Zentrum erfolgen. Damit wird zusätz-lich die Möglichkeit enzymologischer Untersu-chungen eröffnet, deren Ergebnisse zum einendie Diagnose sichern können und zum anderen

4 Diagnostik

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entscheidende Hinweise für die weiteren geneti-schen Untersuchungen geben. Beispielsweisekann die Aktivitätsminderung des Komplexes IVder Atmungskette durch mitochondriale Gende-fekte oder durch Mutationen nukleärer Gene wieSURF1 bzw. SCO2 verursacht werden. Ist derbetroffene Patient sehr jung und hat er zudemeine schwere Herzmuskelerkrankung ist es sinn-voll, gezielt das SCO2 Gen zu untersuchen. Häu-fig ist der Weg aber nicht so direkt (s.u.).Da gegenwärtig bei weitem nicht alle Gende-fekte bekannt sind, die einen bestimmten En-zymdefekt verursachen können, liefert in diesenSituationen der enzymologische Nachweis einerStörung in Verbindung mit einem entsprechen-den histologischen Befund die Bestätigung derVerdachtsdiagnose.

Eltern kleiner Kindern wollen verständlicher-weise den Eingriff einer Muskelbiopsie vermei-den. Da sich aber gezeigt hat, dass die Besonder-heiten der mitochondrialen Erkrankungen in vie-len Fällen keine ebenso sichere Alternative zurDiagnose eröffnen (Untersuchungen im Blutoder mittels Hautbiopsien, bzw. mittels Nadel-biopsien des Muskels), ist die offene Muskel-biopsie noch das Vorgehen der Wahl. Möglicher-weise können zukünftig Laboruntersuchungenaus Blut mehr Informationen liefern, erste Er-gebnisse zu dem Biomarker FGF21 lassen dieserhoffen.

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In jüngster Vergangenheit gab es wichtige Fort-schritte im Hinblick auf eine Optimierung der di-agnostischen Strategie und der zum Einsatzkommenden Untersuchungsverfahren. Trotz op-timaler diagnostischer Pfade ist es oft noch so,dass eine gezielte Auswahl eines Kandidatenge-nes sehr schwierig bzw. unmöglich ist. Dies liegtan der großen Anzahl der inzwischen bekanntenGene, bei denen Mutationen zu Mitochondriopa-

thien führen (> 250). Hinzu kommt jedoch nocheine unbekannte aber sicher sehr große Anzahlvon Genen, die wir noch nicht als Krankheits-gene für Mitochondriopathien kennen.

Erfreulicherweise haben sich in den letzten Jah-ren die Möglichkeiten der genetischen Diagnos-tik erheblich verbessert. Durch neue Methoden,bei denen ein Großteil des gesamten Erbgutesanalysiert wird (z.B. Exom-Screen) ist in dennächsten Jahren damit zu rechnen, dass bei vie-len mitochondrialen Erkrankungen der geneti-sche Defekt diagnostiziert und verstanden wird.Inzwischen werden sogenannte Panels entwi-ckelt, mit denen bis zu 170 mitochondriale Geneuntersucht werden können.

Um beim Verdacht auf eine mitochondriale Er-krankung zu einer abschließenden Beurteilungzu kommen bedarf es häufig der Beteiligung ver-schiedener medizinischer Fachrichtungen (Pädia-trie, Neurologie, Innere Medizin, Pathologie,Humangenetik, Labormedizin) und abschließendder zusammenfassenden Beurteilung aller dabeierhobenen Befunde.

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Histologische Untersuchung einer Muskelbiopsie mittelsGomori-Trichrom-Färbung: Ragged-Red-Faser in derMitte der Abbildung.

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Prof. Dr. Marcus Deschauer, Halle/SaaleProf. Dr. Peter Freisinger, ReutlingenProf. Dr. Wolfgang Sperl, Salzburg

Eine Heilung mitochondrialer Myopathien ist nichtmöglich und auch derzeit noch nicht absehbar.Selbst wenn der Gendefekt bekannt ist, kann er nichtbehoben werden. Forschungen mit dem Fernzieleiner Gentherapie werden derzeit unternommen. Medikamentös kann man versuchen, durch einMehrangebot bestimmter Substanzen, die für dieZellatmung erforderlich sind, das Energieangebotder Zellen zu verbessern. Zusätzlich wirken einigedieser Substanzen (z.B. Coenzym Q10) als sog. An-tioxidantien und können möglicherweise eine Schä-digung der Mitochondrien durch aggressive Sauer-stoff-Formen vermindern. Verschiedene Substanzenwurden in unterschiedlichen Kombinationen einge-setzt: Coenzym Q, Creatin, Carnitin, Vitamin B1,B2, C, E und K. Eindeutige Wirkungen konnten bis-her kaum bewiesen werden. Bei seltenen Fällen mitausgeprägtem erblich bedingtem Coenzym Q-Man-gel wurden aber deutliche Verbesserungen beobach-tet. Auch bei einer bestimmten Fettstoffwechselstö-rung (multipler Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel)ist eine Coenzym Q-Gabe zu empfehlen. Bei dieserErkrankung und wenigen anderen (z.B. ACAD9-De-fekt) ist auch die Gabe von Vitamin B2 wirksam.Da nennenswerte Nebenwirkungen durch Vitamineund Co-Faktoren nicht zu befürchten sind, ist einTherapieversuch auch bei anderen Mitochondriopa-thien gerechtfertigt, auch wenn eine Wirksamkeitnicht bewiesen ist. Eine Studie mit Idebenone beider Leber’sches Optikusneuropathie konnte zwarkeine Wirksamkeit im Allgemeinen zeigen, in derUntergruppe der Patienten mit bevorzugtem Befalleines Auges kam es aber zu einer besseren Erholungder Sehschärfe.

Patienten, meistens Kinder, mit einem PDHC Man-gel (E1 a Untereinheit) profitieren von einer ketoge-nen Diät, da der defekte Pyruvatdehydrogenasekom-plex umgangen werden kann. Auch bei Kindern mitMitochondriopathien und Anfallsleiden kann eineketogene Diät u.U. eine Therapieoption darstellen.Manche der PDHC Defekte sind auch noch durchVitamin B1 (Thiamin) beeinflussbar. Weitere sehrseltene kofaktorabhängige Defekte sind in jüngsterZeít beschrieben worden, hier ist eine gezielte Sub-stitution des betroffenen Kofaktors (z.B. Thiamin,Liponsäure, NAD) indiziert. Bei Störungen desFettsäureabbaus sollte eine kohlenhydratreiche Er-nährung bevorzugt werden, bzw. je nach Enzymde-fekt eine Diät mit mittelkettigen Fettsäuren einge-

halten werden. Besteht ein Carnitin-Mangel, sokann dieses ersetzt werden. Starke körperliche Akti-vitäten und Fasten sollten vermieden werden. Solltees zu einer Attacke mit Muskelzerfall (Rhabdomyo-lyse) kommen, die sich durch dunkelbraunen Urinund heftige Muskelschmerzen zeigen kann, musssofort ein Arzt konsultiert werden. Es muss reich-lich Flüssigkeit zugeführt werden, um die Niere zuspülen, in der sich das Abbauprodukt „Myoglobin“ablagern kann. In besonders schweren Fällen kannauch eine Dialyse (Blutwäsche) erforderlich sein. Bei den Mitochondriopathien in allen Altersstufenkommen unterstützenden Maßnahmen eine großeBedeutung zu. Bei Patienten mit Herzrhythmusstö-rungen ist die rechtzeitige Anlage eines Herzschritt-machers wichtig. Ein Hängen der Lider (Ptose)kann vom Augenarzt operativ korrigiert werden,wenn die Muskeln, die für den Augenschluss verant-wortlich sind, kräftig sind. Hörstörungen könnendurch ein Hörgerät gebessert werden, in Einzelfäl-len kann auch ein Cochlea-Implantat indiziert sein.Bei schwerer Myopathie kann einer nächtlichen Hy-poventilation (Minderatmung) durch eine nicht-in-vasive häusliche Maskenbeatmung entgegengewirktwerden. Schluckstörungen können durch logopädi-sche Behandlung häufig deutlich gebessert werden.Auch bei Sprechstörungen kann eine logopädischeTherapie helfen. Patienten mit Mitochondrien-Er-krankungen können auf bestimmte Medikamenteempfindlicher reagieren. Bei der medikamentösenBehandlung epileptischer Anfälle sollte auf Valproatund Barbiturate verzichtet werden, da dieses die Mi-tochondrienfunktion beeinträchtigen kann. Die Be-handlung eines Diabetes mellitus erfolgt nach allge-meinen Richtlinien, auf Metformin sollte aber ver-zichtet werden. Wenn eine Antibiotika-Therapie er-forderlich ist, sollten einige Wirkstoffe vermiedenwerden: Linezolid, Aminoglykoside, Chlorampheni-col und Tetrazykline. Auch manche Narkosemittelsollten bei Mitochondriopathien vermieden werden(Details dazu im Abschnitt „Anästhesie bei mito-chondrialen Erkrankungen“). Möglicherweise habenauch Statine (Cholesterin-Senker) und das Schmerz-/Fieber-Medikament Paracetamol einen negativenEinfluss auf die Mitochondrien.

Bei Patienten mit Defekten der Atmungskette wurdegezeigt, dass leichtes körperliches Ausdauertrainingdie Belastungsschwäche verbessern kann. Regelmä-ßige Krankengymnastik und physikalische Therapiesind wichtig für die Erhaltung der Beweglichkeitund zur Schmerzlinderung. Insbesondere bei Stö-rungen der Handfunktion ist die Ergotherapie vongroßer Bedeutung.

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5 Übersicht zu den Therapiemöglichkeiten

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Dipl.-Psych. Carsten Gamroth, Lübeck

Auf den zahlreichen durch die Mito-Diagnose-gruppe organisierten Patiententreffen schildern Be-troffene immer wieder ihre enorme Belastungdurch chronische Schmerzen.

Dieser Aspekt wurde in Amerika bereits seit Jahrenintensiv diskutiert, hatte sich in Deutschland aberlange der Wahrnehmung der Diagnostiker entzo-gen. Nunmehr zeigen auch die über das Mito-Re-gister erhobenen Daten eindeutig: ChronischeSchmerzen gehören für Menschen mit Mitochon-driopathien ausgesprochen häufig zu den Sympto-men mit größtem Leidensdruck. Wir können mitt-lerweile davon ausgehen, dass chronische Schmer-zen (Muskelschmerz und/oder migräneähnlicherKopfschmerz) neben der Muskelschwäche, der Be-lastungsintoleranz und Schluckstörungen ein Leit-symptom für mitochondriale Erkrankungen sind.Eigentlich ist dies nicht sehr überraschend, wennman bedenkt, dass bereits leichte bis mittelschwerekörperliche Belastung bei Erkrankten dermaßenstarke Beschwerden hervorruft, die ein Gesundervermutlich erst nach massiver körperlicher Über-forderung erleben würde.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Entste-hung und Aufrechterhaltung von Schmerzstörun-gen legen nahe, dass insbesondere für mitochon-drial Erkrankte das sogenannte Schmerzgedächtnisaktiviert wird. Dabei werden nicht nur dieschmerzverarbeitenden Zentren im Gehirn ange-sprochen, sondern auch Strukturen in der Muskel-zelle selbst verändern sich ebenso charakteristischwie die Konzentration der biochemischen Boten-stoffe in den Zellen (z.B. Endorphin oder Seroto-nin).

In der Folge von Schmerz, Muskelschwäche undErschöpfung kommt es zum weiteren Verlust vonMuskelzellen (primär durch muskeldystrophe Pro-zesse – sekundär durch krankheitsbedingte Inakti-vität) und zu ungünstigen Veränderungen in derDurchblutung der Muskulatur. Jetzt befindet sichder Betroffene im typischen Teufelskreis einerchronischen Schmerzerkrankung.

Leider werden diese Schmerzen von vielen behan-delnden Ärzten nicht ausreichend beachtet. DieAussage, dass Mitochondriopathien unheilbar sind,hat zu oft zur Folge, dass sämtliche Therapiemög-

lichkeiten von vornherein verworfen werden.Schmerzen lassen sich aber durch die Kombinationverschiedener Therapieansätze in ihrer Qualitätgünstig beeinflussen.

Die medikamentöse Schmerztherapie ist für Pa-tienten mit mitochondrialen Erkrankungen mit vie-len Einschränkungen und Risiken versehen (sieheauch das Kapitel über Anästhesie/Narkosen).Daher sollten Betroffene unbedingt einen Facharztfür spezielle Schmerztherapie oder eine interdis-ziplinäre Schmerzambulanz aufsuchen. Schmerz-therapeutische Praxen und insbesondere Schmerz-ambulanzen arbeiten eng mit speziell ausgebilde-ten Psychotherapeuten und Physiotherapeuten zu-sammen. Es ist erwiesen, dass eine sogenanntemultimodale Schmerztherapie (= Kombination vonärztlichen und nichtärztlichen Therapiebausteinen)den größten und langfristigsten Erfolg bei chroni-schen Schmerzen hat!

Für die Betroffenen, bei denen der Schmerz einführendes Symptom der mitochondrialen Erkran-kung ist, dürfte folgende Information bedeutsamsein: Seit Januar 2009 wurde im „Internationalenstatistischen Manual der Krankheiten und ver-wandter Gesundheitsstörungen“ (ICD-10) eineneue Diagnoseziffer vereinbart, die Muskelkrankenmit chronischen Schmerzen gegeben werden kann.Sprechen Sie Ihren Arzt darauf an, dass es mit derZiffer F45.41 (Chronische Schmerzstörung mit so-matischen und psychischen Faktoren) eine Diag-nose gibt, die Schmerzpatienten von dem Verdachtbefreit, dass der Schmerz eine psychische Grund-erkrankung sei. Vielmehr wird sichergestellt, dassder Schmerz eindeutig eine organische Ursachehat, die aber im späteren Verlauf auch psychischeFolgen nach sich zieht. Diese Diagnose wird er-freulicherweise zunehmend häufig durch die zu-ständigen Landesämter für soziale Dienste bei derFeststellung des Grades der Behinderung (GdB)als eigenständige Krankheitsentität gewertet.Nichts desto trotz werden Schmerzsignale aufkomplexem Wege durch den Körper geleitet umschließlich zentral im Gehirn verarbeitet zu wer-den. Dadurch gibt es ungeahnte Einflussmöglich-keiten auf die Qualität (Intensität und Dauer) derSchmerzen. Hierzu empfehlen wir die Informatio-nen der Schmerzgesellschaften in Deutschland zuverfolgen (www.dgss.org / www.dgpsf.de ). Dortfinden Sie auch ein Verzeichnis von qualifiziertenSchmerztherapeuten.

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6 Mitochondriale Erkrankungen und Schmerz

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Dipl.-Psych. Carsten Gamroth, Lübeck

Die Beschwerden und Einschränkungen, die vonBetroffenen durch Muskelerkrankungen im Allge-meinen und Mitochondriopathien im Besonderenin Kauf zu nehmen sind, wiegen sehr schwer. Eskommt zu gravierenden Veränderungen im Arbeits-leben, in sozialen Aktivitäten, in der Ausübung vonHobbys oder Sport etc.

Spätestens mit der Diagnosestellung wird den Be-troffenen bewusst, dass es keine Heilung im engs-ten Sinne gibt und die Krankheit in der Regel pro-gredient verläuft – d.h. die Symptome werden imweiteren Verlauf an Schwere und Umfang zuneh-men. Dies zu realisieren und sich an diese Verän-derungen zu gewöhnen bedeutet für die Erkranktenaber auch für das gesamte soziale Umfeld an Fami-lie und Freunden eine enorme Anpassungsleistung.Mediziner und Psychotherapeuten stellen in sol-chen Fällen häufig die Diagnose einer Anpas-sungsstörung.

Im Allgemeinen gilt eine solche Gesundheitsstö-rung, die zumeist durch einen hohen Grad an De-pressivität charakterisiert ist, als vollkommen ver-ständlich bei Menschen, die an einer chronischenund noch dazu unheilbaren Krankheit erkranktsind. Unverständlich ist dann, dass es noch nichtzum medizinischen Standard gehört, Betroffenenbereits bei der Diagnosestellung entsprechendeKontakte zu Psychotherapeuten anzuraten oder zubahnen.

Die Anzahl an Menschen, die aktuell in der Bun-desrepublik an Depressionen leiden, schätzt manauf 12-15 Prozent. Untersuchungen an Stichprobenvon Patienten mit chronischen progredienten Er-krankungen zeigen, dass der Anteil von depressi-ven Störungen auf bis zu 50 Prozent ansteigt. Dasbedeutet, dass vermutlich auch jeder zweite Mus-kelkranke über die Zeit auch behandlungswürdigeSymptome einer Depression aufweist.

Die typischen Symptome einer Depression sindneben der gedrückten, traurigen Stimmungfolgende:

• Antriebsminderung oder frühe Ermüdbarkeit

• Verlust von Interesse oder Freude an Aktivi-täten, die vormals angenehm erlebt wurden

• Konzentrationsstörungen

• Unschlüssigkeit

• Schlafstörungen

• Verlust von Selbstwertgefühl

• Beschäftigung mit dem Tod oder Gedankenan Suizid

• Appetitverlust oder gesteigerter Appetit

• Neigung zum Grübeln

Diese Symptome reduzieren ein weiteres Mal die Lebensqualität der Betroffenen und fördern in ungünstiger Weise die Chronifizierung von somatischen (körperlichen) Krankheitssymptomen(Schwäche, Schmerz, Schlafstörungen, Erschöpfung).

Man kann demnach die Empfehlung aussprechen,dass sich jeder Betroffene, der Unterstützung beider Krankheitsverarbeitung wünscht, direkt beieinem niedergelassenen Psychotherapeuten umeine Behandlung bemühen sollte. Dies gilt auchganz besonders für Eltern erkrankter Kinder. Esgilt die Ressourcen zur Bewältigung des Alltagsle-bens und die allgemeine Lebensqualität zu erhö-hen.

Psychotherapie ist eine Behandlungsform, die jedeKrankenkasse erstatten muss (gilt für Verhaltens-therapie oder tiefenpsychologisch-analytische Ver-fahren). Der Psychotherapeut stellt selber die Be-handlungsnotwendigkeit fest und beantragt in Ko-operation mit dem Hausarzt die Übernahme derBehandlungskosten. Informationen über zugelas-sene Psychotherapeuten finden Sie in Ihrem regio-nalen Telefonbuch, bei lokalen Psychotherapeuten-vereinigungen oder bei den Psychotherapeuten-kammern (www.bptk.de) und Ärztekammern derLänder (www.bundesaerztekammer.de). Sprechen Sie auch ruhig Ihre Ansprechpartner derDGM an. Sie werden sicherlich ebenfalls bei derSuche nach einem geeigneten Therapeuten behilf-lich sein.

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7 Mitochondriale Erkrankungen und Psychotherapie

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Dr. Viktoria Bau, Dresden

Mitochondriale Erkrankungen können sich am ge-samten Sehsystem manifestieren. Am häufigstenfindet man eine chronisch progressive externeOphthalmoplegie (CPEO) mit der typischen Be-weglichkeitseinschränkung der Lider und äußerenAugenmuskeln. Aber auch die Netzhaut, der Seh-nerv und die Sehbahn im Gehirn können betroffensein.

Chronisch progressive externeOphthalmoplegie (CPEO)Der Begriff CPEO wird sowohl zur Krankheitsbe-zeichnung als auch zur Bezeichnung des häufigs-ten Symptoms bei mitochondrialen Erkrankungenverwendet.

Dieses häufige Symptom soll hier beschriebenwerden und umfasst mehrere Teilsymptome an denAugen.

Das auffälligste, meist erste Zeichen einer CPEOist das beidseitige, langsam fortschreitende (chro-nisch progressive) Herabhängen der Oberlider(Ptose, Abb.1), vergesellschaftet mit einer fort-schreitenden Beweglichkeitseinschränkung derAugen (Lähmung = Plegie). Das Herabhängen derLider führt zur Einschränkung des Gesichtsfeldesvon oben, bei Verlegung der Pupillenmitte zu einerdeutlichen Sehbeeinträchtigung. Die Patienten neh-men dann zur Kompensation häufig eine be-stimmte Kopfhaltung ein (Kinnhebung) oder hebendas Oberlid mit den Fingern an. Asymmetrien (ungleichseitiges Herabhängen) sind nicht selten.

Sehr häufig findet sich neben den Problemen derLidöffnung auch eine Schwäche des Lidschließers(M. orbicularis oculi). Dies führt zu seltenerem Lid-schlag bis hin zu unvollständigem Lidschlussnachts. In Kombination mit der geringen Augenbe-weglichkeit verursacht dies eine unzureichende Ver-teilung des Tränenfilms auf der Augenoberfläche.Es kommt zu Austrocknungserscheinungen derHornhaut, die sich mit Brennen, Sandkorngefühl,Rötung und v.a. zeitweisem Verschwommensehenäußern. Aufgrund der Veränderungen des Tränen-films werden diese Probleme mit zunehmendem Le-bensalter stärker. Pupille und Linse sind in derRegel nicht von der Erkrankung betroffen.

Die Beweglichkeitseinschränkung der Augen kannsehr ausgeprägt sein bis zur völligen Bewegungs-unfähigkeit, betrifft alle Blickrichtungen und führtzur Verkleinerung des Blickfeldes. Häufig ist dieseEinschränkung den Patienten aber wenig bewusst,weil sie sich sehr langsam entwickelt und durchKopfbewegungen ausgeglichen wird.

Problematisch ist die herabgesetzte Konvergenzfä-higkeit (Zusammenführen der Augen nach innen),weil dies zu Doppelbildern in der Nähe (z.B. beimLesen) führt. Aber auch im Fernblick treten nichtselten Doppelbilder auf, wenn die Augen asymme-trisch betroffen sind und eine Schielstellung imGeradeausblick oder in einer Seitblickrichtung re-sultiert.

Je nach Störung der einzelnen Teilfunktionen kanneine erhebliche Herabsetzung der Sehleistung re-sultieren bzw. auch eine eigentlich gute Sehschärfenicht stabil genutzt werden.

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8 Augenbeteiligung bei mitochondrialen Erkrankungen

Abb. 1: Beidseitige Ptosis (Hängelid)

Abb. 2: Eingeschränkte Augenbeweglichkeitin allen Blickrichtungen

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Die Fahrtauglichkeit ist bei den meisten Patientenbei ausgeprägter Augenbeteiligung nicht mehr ge-geben und sollte in jedem Falle mit dem behan-delnden Augenarzt besprochen werden.

Diese typische Form der Augenbeteiligung findetsich v.a. bei Patienten mit einer mitochondrialenCPEO oder CPEO plus, aber kann in abge-schwächter Form auch im Rahmen anderer mito-chondrialer Syndrome vorkommen (z.B. beimMELAS-Syndrom).

Netzhaut, Sehnerv, SehbahnDie mitochondriale Störung kann auch die Netz-hautzellen, hier besonders das energieintensivePigmentepithel betreffen. Messbar werden die Ver-änderungen im Elektroretinogramm (ERG), wel-ches meist herabgesetzte, aber nur selten kompletterloschene, Potentiale zeigt. Damit unterscheidetsich die mitochondriale Netzhautdegeneration vonanderen Formen erblicher Netzhautdystrophien. Es finden sich Pigmentveränderungen am Augen-hintergrund, die der Augenarzt bei der Fundusspie-gelung sehen kann und die in ihrer Form typischfür eine mitochondriale Erkrankung sind (Stich-worte: Pfeffer-Salz-Fundus, peripapilläre Atro-phien). Diese Veränderungen können im Verlauf zueiner Sehschärfenminderung und Gesichtsfeldein-schränkung führen. Bei Patienten mit CPEO sinddiese in der Regel nur sehr langsam fortschreitendund eher mild im Ausmaß. Sie betreffen nur ca.30% der Patienten und zeigen sich meist schonzum Krankheitsbeginn. Patienten mit singulärerDeletion sind betroffen, Patienten mit multiplenDeletionen fast nie. Bei frühem Krankheitsbeginnvor dem 20. Lebensjahr spricht man vom Kearns-Sayre-Syndrom (s. Abschnitt CPEO plus).

In Einzelfällen kann eine solche Netzhautdegene-ration die Sehfunktion auch stark beeinträchtigenund sich relativ rasant entwickeln.

Neben der Netzhaut können auch der Sehnerv unddie Sehbahn im Gehirn von der Mitochondriopa-thie betroffen sein und zur Störung der Sehleistungführen. Hier sind die Ableitung der visuell evozier-ten Potentiale (VEP) und MRT-Untersuchungendes Kopfes hilfreich. Die LHON ist das klassischeBeispiel für eine mitochondriale Sehnerverkran-kung, aber auch im Rahmen anderer Mitochon-driopathien sind eine Sehnerv- oder Sehbahnbetei-ligung möglich, wenn auch selten.

TherapieAuch wenn keine ursächliche Therapie möglich ist,kommen doch verschiedene lindernde Maßnahmenin Betracht.

Zur Stabilisierung des Tränenfilms und besserenBefeuchtung der Augen ist die regelmäßige An-wendung von Tränenersatzmitteln (künstliche Trä-nen) anzuraten. Die Häufigkeit richtet sich nachdem Ausmaß der Beschwerden und des Krank-heitsbildes. Wässrige Tropfen sind gelartigen Prä-paraten vorzuziehen, da sie sich besser auf der Au-genoberfläche verteilen. Bei unvollständigem Lid-schluss, besonders nachts, kommen Augengele und-salben, manchmal auch Uhrglasverbände oderVerbandskontaktlinsen zum Einsatz. Tränenersatz-mittel werden von den gesetzlichen Krankenkassenbei unvollständigem Lidschluss (Lagophthalmus)übernommen.

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Abb. 3: Rote Augen und Hornhautveränderungen durch Austrocknungserscheinungen

Abb. 4: Typische Netzhautveränderungen bei CPEO

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Zur Linderung der Ptosis (Hängelid) gibt es ver-schiedene Modelle von Ptosisbügeln, die an dieBrille gebaut werden und das Lid mechanisch obenhalten. Eine operative Lidanhebung sollte nur er-wogen werden, wenn die Ptosisbügel nicht gutfunktionieren und die Ptosis das Sehen erheblichbeeinträchtigt. Lidmuskelverkürzende Verfahren(„Levatorresektion“) sind zu vermeiden, da diesefür einen ausreichenden Effekt zu stark dosiertwerden müssen und dann die große Gefahr derVerschlechterung des Lidschlusses besteht.

Hilfreicher ist eine Frontalissuspension, bei der dieLidöffnung durch einen Faden oder Silikon-schlauch über das Anheben der Augenbraue, alsoüber den Stirnmuskel (M. frontalis), erreicht wird.

Der große Vorteil dieses Verfahrens besteht darin,dass der Lidschluss bei vorsichtiger Dosierung nurwenig bis gar nicht beeinträchtigt wird. Insgesamtist eine sorgfältige Abwägung der Indikation aufder einen Seite und der Risiken sowie der notwen-digen Nachbetreuung auf der anderen Seite emi-nent wichtig.

Bei störenden Doppelbildern kommen weiterhinPrismenbrillen in Betracht. Bei jeglicher Brillen-verordnung sind die speziellen Gegebenheiten desKrankheitsbildes, insbesondere die verminderteAugenbeweglichkeit zu beachten. Deswegen musshäufig ein fester Arbeitsabstand eingehalten wer-den. Besondere Brillengläser, wie z.B. Gleitsicht-gläser sind bei verminderter Augenbeweglichkeitmeist nicht sinnvoll.

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Abb. 5: Ptosisbügel an der Brille

Abb. 6: Zustand nach Lidoperation rechts, links noch nicht operiert

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Prof. Dr. Marcus Deschauer, Halle/SaaleSandra Sittinger, Halle/Saale

Schluckstörungen (Dysphagie) können bei ver-schiedenen Mitochondriopathien auftreten. Bei derhäufigen CPEO kann es im Rahmen der Muskeler-krankung (Myopathie) auch zu einer Schwäche derSchlundmuskeln kommen. Aber auch bei Mito-chondriopathien, die eine Störung der Gehirnfunk-tion beinhalten, können Schluckstörungen auftre-ten, da die Schlundmuskeln nicht richtig angesteu-ert werden können. Vielfach ist nicht nur dasSchlucken erschwert, sondern auch die Spracheverändert (z.B. näselnde Sprache). Schluckstörun-gen sind gefährlich, wenn Nahrung in die „falscheRöhre“ gelangt. Statt in die Speiseröhre gelangtEssen oder Flüssigkeit in den Kehlkopf. Wenndurch Abhusten die Nahrung nicht wieder heraus-transportiert wird, kann sie in die Luftröhre gelan-gen und auf diesem Weg in die Lunge (Aspiration).Dies kann zu einer Lungenentzündung führen. Inschweren Fällen wird sogar der eigene Speichelverschluckt. Aufgrund von Sensibilitätsstörungenkann es auch zur Aspiration ohne Hustenreflexkommen (stille Aspiration). Wenn aufgrund derSchluckstörung nicht ausreichend Nahrung zuge-führt wird, kommt es zu Gewichtsverlust und Un-tergewicht. Aufgrund von einseitiger Ernährungkann auch eine Mangelernährung auftreten.

Um die Ursache und den Schweregrad vonSchluckstörungen besser zu erfassen, gibt es zweiapparative Verfahren, die den Schluckakt untersu-chen. Bei der Video-Endoskopie wird ein flexiblesEndoskop durch die Nase eingeführt und eineVideo-Aufnahme des Schluckaktes mit der Ka-mera des Endoskops vorgenommen. Bei der Video-Fluoroskopie schluckt der Patient ein Röntgen-Kontrastmittel (Bariumbrei) und es werden eineVielzahl von Röntgenbildern gemacht, die zueinem Video-Film zusammengefasst werden.

Schluckstörungen können durch logopädische Be-handlung häufig deutlich gebessert werden. Auchbei Sprechstörungen kann eine logopädische The-rapie helfen.

Da eine Heilung mitochondrialer Erkrankungenderzeit nicht möglich ist, spielen aktive Bewe-gungsübungen mit mehrfachen Wiederholungeneine untergeordnete Rolle (restituierende Therapie-verfahren zur Wiederherstellung der Muskelfunk-

tionen). Sie sind aufgrund der belastungsabhängi-gen Muskelschwäche häufig sogar kontraproduk-tiv. Wenn die Krankheit langsam voranschreitet,sind langsam ausgeführte Bewegungsübungen mitwenigen Wiederholungen zur Erhaltung und För-derung des Bewegungsausmaßes sinnvoll. Im fort-geschrittenen Stadium konzentriert sich die Thera-pie auf kompensierende und anpassende Metho-den. Die wichtigsten Empfehlungen bei Schluck-störungen zu Schlucktechniken und diätetischenMaßnahmen sind nachfolgend zusammengefasst.

Schlucktechniken:Es sollen nur kleine Speisemengen in den Mundgenommen werden z.B. einen Teelöffel voll. AuchTrinken sollte man nur in kleinen Schlucken. FesteKost muss gut gekaut werden und mit Speichelversehen werden bis ein Speisebrei entsteht. FesteKost darf nicht zu früh, d.h. in zu großen Stückengeschluckt werden, denn Speisebrei gleitet besserund lässt sich leichter hinunterschlucken. Wenneinem Patienten Nahrung angereicht werden muss,sollte die pürierte Kost mit einem Teelöffel auf dieZungenmitte geführt werden und leicht auf dieZunge gedrückt werden. Danach sollte er die Lip-pen möglichst aktiv schließen und sofort schlu-cken. Die Nahrung darf nicht an den oberenSchneidezähnen abgestreift werden. Beim Schlu-cken sollte der Kopf leicht nach vorne gebeugtwerden. Das Schlucken sollte bewusst und kraft-voll erfolgen. Nach dem Schlucken sollte ggf. nocheinmal leer nachschluckt werden. Man sollte zwi-schendurch eine „Stimmprobe“ machen und z.B.„Ooh“ sagen. Wenn die Stimme feucht klingt,muss man nochmals schlucken oder sich ggf. räus-pern. Während des Kauens und Schluckens darfman nicht sprechen. Beim Essen muss man sichZeit lassen und sollte nach ca. zehnmal Schluckeneine kleine Pause einlegen.

Diätetische Maßnahmen:Bei Schluckstörungen muss die Nahrung an die in-dividuellen Bedingungen angepasst werden, umdas Verschlucken von ungeeigneter Kost zu verhin-dern. Dazu müssen geeignete Lebensmittel ausge-wählt werden und die Nahrungskonsistenz festge-legt werden, die gut und sicher geschluckt werdenkann. Die Kost darf generell keine Körner, Fasern,Krusten, Kerne und Schalen enthalten. Auch sehrtrockene und klebrige Kost ist ungeeignet. FeuchteSpeisen schlucken sich besser. Kühle und sehrwarme Nahrung wird besser wahrgenommen und

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9 Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen

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lässt sich daher besser schlucken als lauwarme.Säuerliche Nahrung begünstigt die Speichelbil-dung, sehr süße Kost hingegen hemmt die Spei-chelbildung.

Die Veränderung der Nahrungskonsistenz führt zurerheblichen Schluckerleichterungen. Feste Kostwird häufig nicht klein genug gekaut und ist nichtausreichend gleitfähig. Sie kann im Rachen hängenbleiben und zum Verschlucken führen. Feste Nah-rung kann man zerkleinern, zerdrücken, pürierenoder passieren. Flüssigkeiten fließen zu schnellund können im Mund schlecht kontrolliert werden.Daher können sie vorzeitig in den Rachen abglei-ten mit der Gefahr des Verschluckens. Getränkesollte man andicken (z.B. mit Thick&Easy®, Fa.Fresenius Kabi; Nutilis Powder®, Fa. Nutricia; Re-source®ThickenUp, Fa. Nestlé) dabei sind Kon-sistenzen von sirupartig bis puddingartig möglich.Diese Andickungspulver, die Stärke enthalten, sindrelativ geschmacksneutral.

Bei Patienten mit Mangelernährung ist eine hoch-kalorische Ergänzungsnahrung zu empfehlen.

Diese zu Lasten der Krankenkassen verordnungs-fähige Flüssignahrung enthält alle wichtigen Vita-mine und Spurenelemente (z.B. Fresubin®, Fa.Fresenius Kabi; Nutilis Complete® (ist bereits an-gedickt) oder Fortimel®, Fa. Nutricia; Re-source®2.0 Fibre; Fa. Nestlé). Bei Bedarf kannFlüssignahrung auch angedickt werden.

Sondenernährung und Operation:In schweren Fällen kann auf natürlichem Wegnicht ausreichend Nahrung aufgenommen werdenund eine künstliche Ernährung über eine Sonde isterforderlich. Solch eine Sonde wird im Rahmeneiner Magenspiegelung angelegt. Ein dünnesSchläuchlein wird durch die Haut und Bauchdeckedirekt in den Magen gezogen (PEG = perkutaneendoskopische Gastrostomie). Je nach Bedarf kannFlüssigkeit oder Sondenkost (Flüssignahrung) ver-abreicht werden. Zusätzlich kann der Patient so gutes geht Kost zu sich nehmen. Wenn bei einerSchluckstörung die Ursache eine mangelhafte Er-schlaffung des oberen Schließmuskels am Eingangder Speiseröhre ist (krikopharyngeale Achalasie),kann manchmal eine Operation indiziert sein (kri-kopharyngeale Myotomie).

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Prof. Dr. Ali Yilmaz, Münster

Das menschliche Herz zählt zu denjenigen Orga-nen, die einen hohen Energieverbrauch bzw. Stoff-wechselumsatz aufweisen. Daher sind Herzbeteili-gungen bei mitochondrialen Multisystem-Erkran-kungen sehr häufig und können auch als Erstmani-festation der Erkrankung auftreten. Für bestimmteFormen von mitochondrialen Erkrankungen wurdein bisherigen Studien nicht nur ein rasches Fort-schreiten der Herzbeteiligung registriert, sondernauch eine insgesamt höhere Krankheits- und Ster-berate bei Patienten mit vorhandener Herzbeteili-gung im Vergleich zu denjenigen ohne Herzerkran-kung nachgewiesen. Insbesondere Kinder und Ju-gendliche mit Mitochondriopathien scheinen imFalle einer frühen Herzbeteiligung eine im Durch-schnitt schlechtere Prognose aufzuweisen.

Unterschiedliche Formen von HerzbeteiligungenDie Form und Schwere der Herzbeteiligung kannsehr unterschiedlich sein und ist abhängig von derzugrundeliegenden mitochondrialen Grunderkran-kung. Auch wenn eine identische Gen-Mutation inEinzelfällen zu sehr unterschiedlichen Herzerkran-kungen führen kann, so haben sich doch einigecharakteristische Muster herauskristallisiert:

• So werden z.B. dicke und dadurch steife Herz-kammern mit gestörter Pumpfunktion häufig beidenjenigen Patienten beobachtet, die Mutationenaufweisen, die sich auf die Funktion der mito-chondrialen tRNA auswirken (z.B. bei MELAS-Patienten). Ein verdickter Herzmuskel im Be-reich der Herzkammern (v.a. der linken Herz-kammer) wird als „hypertrophe Kardiomyopa-thie“ (HCM) bezeichnet. Eine solche HCM-ähn-liche Form der Herzbeteiligung wird bei mito-chondrialen Erkrankungen bisherigen Untersu-chungen zufolge am häufigsten beobachtet.

• Herzrhythmusstörungen (z.B. AV-Blockierungen,die zu einem sehr langsamen Herzschlag führen)hingegen wurden gehäuft bei solchen Patientenbeobachtet, die eine größere Deletion (einen fehlenden Genabschnitt) im Bereich der mito-chondrialen DNA aufweisen (z.B. bei KSS-Patienten).

• Eine andere Form der Herzbeteiligung stellt dieHerzvergrößerung im Bereich der Herzkammerndar, die wiederum mit einer Ausdünnung derHerzmuskelwand und einer eingeschränktenPumpfunktion einhergehen kann und als „dilata-tive Kardiomyopathie“ (DCM) bezeichnet wird.Eine solche DCM kann sowohl als Folge einerHCM-ähnlichen Erkrankung (z.B. bei MELAS-Patienten) als auch bei solchen Patienten auftre-ten, die anfangs „nur“ Herzrhythmusstörungenaufwiesen (z.B. KSS-Patienten).

Wie äußert sich eine Herzbeteiligung?Eine vorhandene Herzbeteiligung bei mitochon-drialer Myopathie muss nicht zwangsläufig auchzu Beschwerden (Symptomen) führen: Eine Herz-erkrankung kann jahrelang vorhanden sein (undauch fortschreiten), ohne dass der betroffene Pa-tient etwas davon spürt. Häufig werden Symptomevon den Patienten erst dann wahrgenommen, wenndie Herzerkrankung schon sehr weit fortgeschrittenist. Typische Symptome, die auf das Vorhandenseineiner Herzerkrankung hinweisen können, sind u.a.Kurzatmigkeit, rasche Luftnot bei Anstrengungen,Engegefühl in der Brust, Herzrasen, Herzklopfen,Herzstolpern, wiederholtes Schwindelgefühl (auchin Ruhe auftretend) sowie dicke und schwere Beine(v.a. abends). Da jedoch diese Symptome fehlenkönnen, sollten regelmäßige Herzuntersuchungenunabhängig davon durchgeführt werden.

Welche Diagnostik ist erforderlich?Genaue Leitlinien dazu wann, und in welchen Ab-ständen, welche Form von Herzuntersuchungendurchgeführt werden sollte, existieren bisher nicht.Eine erste Herzuntersuchung ist jedoch prinzipiellimmer bei Diagnosestellung zu empfehlen undsollte neben einem Ruhe-EKG auch eine Ultra-schall-Untersuchung des Herzens (Echokardiogra-phie) und ggf. ein Langzeit-EKG umfassen.

Mit der Echokardiographie kann die Größe/Dickeund Funktion des Herzens beurteilt werden. DasLangzeit-EKG kann helfen – häufig nicht wahrge-nommene – Herzrhythmusstörungen zu erkennen.In den letzten Jahren hat sich auch die „kardiale

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10 Herzbeteiligungen bei mitochondrialen Erkrankungen

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Magnetresonanztomographie“ (Herz-MRT) etab-liert: Mit diesem Verfahren können feinste Verän-derungen in der Struktur bzw. der Funktion desHerzens sehr genau erfasst werden (siehe Abbil-dung). Zudem kann man jeden Abschnitt des Herz-muskels ohne Einschränkung beurteilen, was mitder Echokardiographie aufgrund des erforderlichenSchallfensters häufig nicht möglich ist. Somitsollte bei der Erstuntersuchung eines Patienten mitmitochondrialer Myopathie u.a. die Größe der ein-zelnen Herzkammern, die Dicke des Herzmuskels,der Zustand der Herzklappen, die Pumpfunktionder linken bzw. rechten Herzkammer, die Strukturdes Herzmuskels als auch das Vorhandensein vonHerzrhythmusstörungen möglichst exakt beurteiltwerden.

Wenn der Erstbefund unauffällig ist, und die zu-grundeliegende Form der mitochondrialen Myopa-thie eher selten mit einer Herzbeteiligung assozi-iert ist, sollten weitere Kontrolluntersuchungen desHerzens in einem Abstand von 3-5 Jahren einge-plant werden. Sollten jedoch entweder auffälligeBefunde bei der Erstuntersuchung registriert wer-den und/oder es sich um eine Form der mitochon-

drialen Erkrankung mit relativ häufiger Herzbetei-ligung handeln (z.B. MELAS, KSS oder CPEO),so sollten Verlaufsuntersuchungen in jährlichenAbständen erfolgen.

Welche Therapie-möglichkeiten gibt es?Leider konnten die genauen Mechanismen auf Mo-lekül- bzw. Zell-Ebene, die zur Entstehung einerHerzerkrankung ausgehend von der zugrundelie-genden Gen-Mutation führen, für die Mitochon-driopathien bis heute nicht im Detail geklärt wer-den. Daher sind die Möglichkeiten der „gezielten“Therapie von Herzerkrankungen bei diesen Patien-ten leider begrenzt.

Prinzipiell gelten jedoch die gleichen Empfehlun-gen zur medikamentösen Therapie, in Abhängig-keit von der vorhandenen Form der Herzerkran-kung, wie sie auch für Patienten ohne Mitochon-driopathie gelten. Im Falle einer eingeschränktenPumpfunktion sollten ACE-Hemmer/AT2-Antago-nisten, ß-Blocker und Diuretika gemäß der aktuel-len Empfehlungen zur Behandlung einer „Herzin-suffizienz“ zur Anwendung kommen.

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Herz-MRT-Aufnahmen einer Patientin mit MELAS: In der Abb. A ist eine cine-Aufnahme zu sehen, die zur Beurteilung der Herzgröße,Herzwanddicke und Herzfunktion dient. Der rote Doppelpfeil markiert die Scheidewand der Herzkammern, die deutlich verdickt ist. InAbb. B ist eine Kontrast-Aufnahme in der gleichen Ebene zu erkennen. Im Bereich der verdickten Herzmuskelscheidewand ist einehelle Kontrastmittel-Anreicherung (rote Pfeile) zu sehen. Derartige Kontrastmittel-Anreicherungen sprechen für narbige Veränderungenim Herzmuskel und können Ursprungszentren für gefährliche Herzrhythmusstörungen darstellen. Mit einer reinen Ultraschalluntersu-chung des Herzens sind solche Narbenareale nicht erkennbar.

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Bei Vorliegen eines HCM-ähnlichen Krankheitsbil-des (dicke und steife Herzkammern) sollten ß-Blo-cker, Ca-Antagonisten vom Verapamil-Typ bzw.ACE-Hemmer, unter Berücksichtigung der indivi-duellen Besonderheiten, in Anlehnung an die ent-sprechenden Leitlinien zur HCM-Behandlung, ein-gesetzt werden.

Bei extrem dicken Herzkammern bzw. dokumen-tierten Herzrhythmusstörungen, die von den Herz-kammern ausgehen, muss die Notwendigkeit fürden operativen Einsatz eines Defibrillators (ICD,internal cardioverter-defibrillator) evaluiert werden.

Sollten Herzrhythmusstörungen im Sinne von AV-Blockierungen auftreten, so muss bereits frühzeitig(schon ab einem AV-Block ersten Grades!) dieNotwendigkeit zur Implantation eines Schrittma-chers diskutiert werden, da u.a. für KSS-Patientenin Einzelfällen ein rasches Fortschreiten einer„harmlosen“ AV-Blockierung ersten Grades zueiner „gefährlichen“ AV-Blockierung dritten Gra-des beobachtet wurde. Leider sind die verfügbarenStudiendaten zur Notwendigkeit einer Schrittma-cher- bzw. Defibrillator-Therapie für Patienten mitMitochondriopathien äußerst limitiert. Die Emp-fehlung „für“ oder „gegen“ einen Schrittmacher-bzw. Defibrillator-Einsatz sollte nach Möglichkeitdurch einen Kardiologen mit ausreichenden Kennt-

nissen auf dem Gebiet der neuromuskulären Er-krankungen und der Schrittmacher-/Defibrillator-Therapie getroffen werden. Dabei muss berück-sichtigt werden, dass eine Therapieentscheidung„für“ einen Schrittmacher bzw. Defibrillator in frü-hem Alter nicht nur mit dem Komplikationsrisikobei der Erstimplantation und dem anschließend be-stehenden Infektionsrisiko durch das Fremdmate-rial im Körper assoziiert ist, sondern spätestensnach ca. 8-10 Jahren ein erneuter Eingriff erforder-lich werden wird, wenn die Batterie des implantier-ten Geräts erschöpft ist. Insofern müssen die indi-viduellen Befunde des Betroffenen genau erhobenund beurteilt und die aktuelle Studien- und Emp-fehlungslage berücksichtigt werden, bevor diesbe-zügliche Entscheidungen gefällt werden können.

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. med. Ali YilmazProfessor für Kardiovaskuläre BildgebungDepartment für Kardiologie und AngiologieKlinik für KardiologieUniversitätsklinikum MünsterAlbert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude A148149 Mü[email protected]

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Dr. Carsten Schröter, Bad Sooden-Allendorf

Durch die verminderte Kapazität der Zellatmungist die Belastbarkeit bei Patienten mit mitochon-drialen Myopathien eingeschränkt. Das kann eineerhebliche Beeinträchtigung der Alltagsbewälti-gung, beispielsweise bei Treppensteigen oder Rad-fahren, aber auch die Abnahme der Bereitschaft zukörperlicher Bewegung zur Folge haben. Hierauskann ein Teufelskreis mit Dekonditionierung undweiterer Verminderung der Kapazität der Zellat-mung und wiederum der körperlichen Belastbar-keit resultieren.

Aus diesem Grunde wurden Untersuchungen mitder Frage des Effekts und der Verträglichkeit vonkörperlichem Training durchgeführt. In einer Stu-die von T. Taivassalo und Koautoren aus dem Jahre1996 war der belastungsabhängige Laktat-Anstiegim Blut nach einem Trainingsprogramm um 50Prozent geringer als vor dem Training. Die gleicheArbeitsgruppe veröffentlichte im Jahre 2001 eineweitere Studie an zehn Patienten mit mitochondria-len Myopathien, bei der ein aerobes Trainingspro-gramm physiologische (Sauerstoff-Aufnahme, ar-teriovenöse Sauerstoff-Differenz) und biochemi-sche (Spektroskopie und Atmungskettenaktivität)Parameter des Muskelstoffwechsels um 20 bis 50Prozent verbesserte, was den Wert der sportlichenBetätigung für die körperliche Belastbarkeit undLeistungsfähigkeit unterstreicht.

Pilar Cejudo und Mitarbeiter aus Sevilla und Ma-drid führten bei 20 Patienten mit mitochondrialenMyopathien eine 2005 veröffentlichte Studiedurch, bei der neben dem klassischen Training aufdem Ergometer-Fahrrad auch ein isotonisches Aus-dauertraining für die Armmuskulatur durchgeführtwurde. Alle Patienten tolerierten das Programmgut. Muskelkraft und -ausdauer hatten sich signifi-kant um 30 bis 60% gebessert.

Tina D. Jeppesen und Mitarbeiter aus Kopenhagenstellten im Jahre 2006 eine Untersuchung vor, beider sie ein aerobes Training bei zehn Männern undzehn Frauen mit definierten Defekten der mito-chondrialen DNA durchführten. Das Trainingspro-gramm wurde über 12 Wochen durchgeführt undumfasste 50 Trainingseinheiten von jeweils 30 Mi-nuten auf dem Ergometer. Keine der untersuchtenPersonen hatten durch das Ergometertraining einennegativen Effekt berichtet. Dagegen berichteten

von den 20 Patienten 8 über eine Verbesserung derzu bewältigenden Gehstrecke, 12 eine Verbesse-rung der Beinmuskelkraft, 17 eine Verbesserungder allgemeinen körperlichen Ausdauer. Die maxi-male Sauerstoffaufnahme besserte sich um 26 Pro-zent bei der Patientengruppe, bei der gesundenKontrollgruppe signifikant geringer mit 17 Pro-zent. Die CK-Werte im Blut waren bei drei Patien-ten vor dem Training erhöht, unter dem Trainingkam es bei keinem der untersuchten Patienten zueinem Anstieg der CK. Dreizehn der Patientenwurden anschließend für weitere 8 Wochen ohnejegliches physisches Training nachbeobachtet. Beiihnen gingen die erreichten Verbesserungen wiederauf den Ausgangswert zurück. Eine kontinuierlicheFortführung des Trainings ist also notwendig.

Trenell und Koautoren einer australischen Arbeits-gruppe zeigten im Jahre 2006, dass bei Patientenmit mitochondrialen Myopathien durch ein zwölf-wöchiges Ausdauer-Ergometer-Training die Masseder Oberschenkelmuskulatur um ca. 7 Prozent sig-nifikant zunahm. Die innerhalb von 6 Minuten zubewältigende Gehstrecke wurde durchschnittlichum 9,3 Prozent verbessert, die kardiorespiratori-sche funktionale Reserve und die Sauerstoffauf-nahme nahmen ebenfalls zu. Die Patienten hattenwährend der ersten vier Wochen des Trainings einevermehrte muskuläre Schwäche und allgemeineErschöpfung angegeben, was sich aber im weiterenVerlauf zurückbildete.

Im Mausmodell konnten T. Wenz und Mitarbeiteraus Miami in einer im Jahre 2009 veröffentlichtenStudie zeigen, dass ein Ausdauertraining den Be-ginn der Symptomatik der mitochondrialen Myo-pathie verzögerte und eine Vermehrung von Mito-chondrien sowie ATP induzierte, was zu einer Ver-besserung der Ausdauer führte.

Als besonders geeignet schilderten J. Schäfer undG. Reichmann in einer Übersicht aus dem Jahre2003 leichte, wenig intensive Ausdauersportarten,möglichst ohne exzentrische Muskelbelastung.Hier sind Schwimmen, Laufen, Radfahren undGolf als Beispiele zu benennen. Eine moderate Be-lastung und häufige Pausen werden empfohlen.Sportarten mit intensiver exzentrischer Muskelbe-lastung und hohem Kraftaufwand, z.B. Gewichthe-ben, werden dagegen als ungeeignet angesehen.

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11 Physiotherapie und Rehabilitation bei mitochondrialen Myopathien

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Die mögliche Beteiligung anderer Organsystemewie zentrales Nervensystem oder Herz ist bei Pa-tienten mit mitochondrialen Myopathien bei derPlanung eines körperlichen Übungsprogramms zubedenken. Deshalb sollte vor der Aufnahme einesTrainings eine ärztliche Untersuchung erfolgenund mit dem behandelnden Arzt besprochen wer-den, welches Training mit welcher Belastung sinn-voll und vertretbar ist. Vor Aufnahme einer sportli-chen Aktivität und im weiteren Verlauf ist eineärztliche Untersuchung zu empfehlen mit

• Neurologischer Untersuchung• Internistischer (kardiologischer) Untersuchung • Blutwerte: CK und evtl. Laktat• EKG• Echokardiographie• Langzeit-EKG• Ergometrie

Die individuelle Ausprägung und der bisherigeVerlauf der Symptomatik sind als Grundlage derEinschätzung der Belastbarkeit ebenso wichtig wieder Gendefekt. Wenn wir also den Gendefekt beimeinzelnen Patienten kennen, können wir besser ein-schätzen, ob die Empfehlungen zum Training an-hand der Studienlage auf den einzelnen Patientenzutreffen sollten. In allen Studien wurde das Trai-ning an die individuelle maximale Leitungsfähig-keit angepasst, in der Regel waren das zwischen 60und 70 Prozent.

Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr sollte unbe-dingt geachtet werden. Bei Infekten sollten sportli-che Betätigungen eingestellt werden, um dem Ri-siko von Rhabdomyolysen vorzubeugen. Körperli-che Überbelastungen sollten vermieden werden, daeine vermehrte Bildung von freien Radikalen unddaraus resultierenden Zellschädigungen nicht aus-zuschließen sind. Auch sollten starke Hitze- bzw.Kälteeinwirkungen ebenso wie Aufenthalte in gro-ßen Höhen mit niedrigem Sauerstoffpartialdrucksvermieden werden. In Bezug auf die Ernährungwird eine kalorienreiche Kost empfohlen, beste-hend aus mehreren kleinen Mahlzeiten pro Tag.

In den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fürNeurologie wird ein regelmäßiges, leichtes aerobesAusdauertraining unterhalb der Belastungsgrenze,z. B. 2– 3x pro Woche Fahrrad-Ergometrie nebenmoderatem Krafttraining und regelmäßiger ange-leiteter Physiotherapie empfohlen.

Physiotherapie steht im Mittelpunkt auch der Re-habilitation bei Patienten mit mitochondrialenMyopathien. Da im ambulanten Bereich wenigeTherapeuten in der Behandlung neuromuskulärer,insbesondere mitochondrialer Erkrankungen ver-siert sind, sollte eine Behandlung in einer Rehabili-tationsklinik erwogen werden, die in der Behand-lung dieser Erkrankungsgruppe versiert ist. Überdie allgemeine Verbesserung der Belastbarkeit undAusdauer hinaus steht in der Rehabilitation indivi-duell auf den Betroffenen bezogen die Verbesse-rung der Alltagsfunktionen und der Alltagsbewälti-gung im Vordergrund. Es wird ein Eigenübungs-programm für zuhause erarbeitet. Auch die Be-handlung von Schmerzsyndromen sowie der Um-gang mit der Erkrankung, die Krankheitsverarbei-tung müssen Beachtung finden. Dabei erfolgt dieBehandlung durch ein interdisziplinär arbeitendesTeam von Ärzten, Physiotherapeuten, Ergothera-peuten, Logopäden sowie Sozialarbeitern, Psycho-logen und Pflegepersonal.

Wenn erforderlich kann in der Rehabilitation auchdie Versorgung mit Hilfsmitteln erfolgen, die eben-falls die Alltagsbewältigung erleichtern und dieTeilhabe am sozialen Leben verbessern sollen.

Die Schmerztherapie wird in einem multimodalenBehandlungskonzept durchgeführt, welches nebender Physiotherapie und der physikalischen Thera-pie auch die psychologischen Gesichtspunkte bein-haltet, wie im speziellen Kapitel oben beschrieben.

Sozialmedizinische Gesichtspunkte werden be-leuchtet, beispielsweise ob und wie die beruflicheTätigkeit weitergeführt werden kann oder die Be-antragung einer (Teil-) Erwerbsminderungsrentenotwendig wird. Auch die weitere Versorgung zu-hause kann ein wichtiges Thema sein. Hierzu dientauch der Austausch mit anderen ähnlich betroffe-nen Patienten. Zudem erfolgen bei Bedarf Beratun-gen hinsichtlich Leistungen nach dem Pflegegesetzoder dem Schwerbehindertengesetz, da sich hie-raus ergebende Leistungen für die Alltagsbewälti-gung essentiell sein können.

Kostenträger für Rehabilitationsmaßnahmen ist inder Regel die Rentenversicherung, wenn der Be-troffene noch im Berufsleben steht. In allen ande-ren Fällen übernimmt im Allgemeinen die Kran-kenkasse Rehabilitationsmaßnahmen.

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PD Dr. Werner Klingler, Ulm-GünzburgProf. Dr. Dr. h.c. Frank Lehmann-Horn, Ulm

Planung einer Operation/Narkose bei MitochondriopathienDie gute Vorbereitung der Operation und der Anäs-thesie im Team der verschiedenen Fachabteilungenist entscheidend für den Erfolg der Intervention.Dem Anästhesisten müssen zur Vorbereitung alleBefunde vorliegen. Neben einer Beschreibung derkörperlichen Belastbarkeit und Untersuchung desAllgemeinzustandes werden bei Mitochondriopa-thien aus anästhesiologischer Sicht auf ein Elektro-kardiogramm (EKG) sowie ggf. auf eine Ultra-schalluntersuchung des Herzens (Echokardiogra-phie) und einen Lungenfunktionstest mit Blutgas-analyse Wert gelegt. Die Untersuchungsergebnisseermöglichen dem Anästhesisten zusammen mitdem Patienten und den anderen beteiligten Fach-disziplinen das im Hinblick auf die Operation undden Zustand des Patienten am besten geeigneteNarkoseverfahren zu wählen.

Im Vorgespräch mit dem Anästhesisten wird weiterfestgelegt, welche Medikamente auch am Tag derOperation eingenommen werden und welche auf-grund von Wechselwirkungen mit Narkosemittelnweggelassen werden müssen. Eine medikamentöseVorbereitung mit Beruhigungsmitteln wird bei Pa-tienten mit Mitochondriopathien zurückhaltendverordnet, in der Regel aufgrund der nachteiligenEffekte auf die Atmung.

Bereits vorab sollte die postoperative Überwa-chung (d.h. der Aufenthaltsort nach der Operation)auf einer Intensivstation geklärt werden und regel-haft erfolgen, denn hier können eventuelle Kompli-kationen nach einer Operation rasch erkannt undbehandelt werden. Die Nüchternheitsphase vor derOperation sollte so kurz wie möglich gehalten wer-den, ggf. werden Substrate wie Glucose und/oderAminosäuren als Infusion verabreicht.

Vollnarkose oder Regionalanästhesie?Ein wesentlicher Punkt beim Gespräch mit demAnästhesisten ist die Abwägung zwischen Voll-und Teilnarkose. Die spezifischen und individuel-len Vor- und Nachteile werden im Narkosevorbe-reitungsgespräch diskutiert. Die Art der Anästhesie

hängt vom Patienten, den Voruntersuchungensowie von der Art der Operation ab. In manchenSituationen (z.B. bei kleinen Kindern oder auchbei Bauchoperationen) ist nur eine Allgemeinanäs-thesie (Vollnarkose) möglich. Fast alle Anästhetikaund auch Lokalanästhetika haben negative Effekteauf die mitochondriale Funktion und werden des-halb für jeden Patienten individuell dosiert.

Vorteile der Regionalanästhesie sind die Spontan-atmung und die postoperative Analgesie. Mit ande-ren Worten bedeutet dies, dass bei einer Teilnar-kose die Gefahren der künstlichen Beatmung ent-fallen und dass nicht sofort nach der Operation dieGabe von ggf. mitochondrienschädigendenSchmerzmitteln notwendig ist, denn die Schmerz-ausschaltung durch das örtliche Betäubungsmittelhält in der Regel einige Stunden an. Auf der ande-ren Seite kann in seltenen Fällen durch Lokalanäs-thetika die Entstehung von epileptischen Krampf-anfällen begünstigt werden.

Gerade bei Patienten mit der Neigung zu Krampf-anfällen (MELAS/MERRF) ist eine individuelleRisikoabwägung nötig.Bei Allgemeinanästhesienwird der Patient mit einem Schlafmittel betäubt,die Muskelspannung wird herabgesetzt und einekünstliche Beatmung durchgeführt. Vorteile erge-ben sich für alle Operationen, bei denen eine Mus-kellähmung notwendig ist (z.B. Bauchoperatio-nen). Um die richtige Dosierung für die Muskelre-laxierung anzuwenden, wird das Ausmaß der Mus-kellähmung während der Narkose mit einem spe-ziellen Gerät engmaschig kontrolliert. Allgemein-anästhesien wurden sowohl mit Propofol (intrave-nöse Anästhesie) als auch mit volatilen Anästhetika(Narkosegase) komplikationslos durchgeführt.Nach dem Erwachen aus der Narkose ist es bei Pa-tienten mit Mitochondriopathien außerordentlichwichtig, dass Atemübungen durchgeführt werdenum die Lungenfunktion aufrecht zu erhalten undder Gefahr einer Lungenentzündung vorzubeugen.

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12 Anästhesie bei mitochondrialen Erkrankungen

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BESONDERHEITEN DERNARKOSEFÜHRUNG BEIMITOCHONDRIOPATHIEN

Eingeschränkte MuskelkraftIm Rahmen von Operationen und Narkosen kannes zur vorübergehenden Verschlechterung derMuskelkraft kommen. Durch die verminderte Mus-kelkraft und den gedämpften Atemantrieb kann eszur Entwicklung einer Minderbelüftung der Lun-gen kommen und die Gefahr einer Lungenentzün-dung entstehen. Sollten Medikamente zur Regula-tion der Muskelspannung unbedingt nötig sein,werden bei Patienten mit mitochondrialen Myopa-thien nur die sogenannten nicht-depolarisierendenMuskelrelaxanzien eingesetzt. Tracrium und ent-sprechende Derivate haben hier Vorteile gegenüberMivacurium, auf welches Patienten mit Mitochon-driopathie sehr sensibel reagieren. Succinylcholinals depolarisierendes Muskelrelaxans ist absolutkontraindiziert, denn es besteht die Gefahr einesMuskelzerfalls und von lebensbedrohlichen Elek-trolytstörungen. Allerdings verzögern nicht nurMuskelrelaxanzien die Erholung der Muskelkraft,sondern auch Beruhigungsmittel und Kortikoide.

Nährstoffe, Elektrolyte und WärmehaushaltPatienten mit mitochondrialen Myopathien sindbesonders empfindlich gegenüber Störungen desZuckerstoffwechsels, der Elektrolyte und des Wär-mehaushalts. Die vorbestehend eingeschränkte mi-tochondriale Funktion kann weiter verschlechtertwerden und den zellulären Energiemangel ver-schärfen. Bei mitochondrialen Myopathien kanndie sogenannte autonome Regulation z.B. der Tem-peratur gestört sein. Zittern nach Operationen (so-genanntes „shivering“) führt nicht nur zu einem er-höhten muskulären Energieverbrauch, sondernkann auch direkt den Muskel schädigen. Die beiOperationen häufig verwendeten Infusionslösun-gen enthalten zum Teil Laktat als Puffer. Es existie-ren Fallbeschreibungen von Patienten mit Mito-chondriopathien, bei welchen solche Lösungennicht zu erhöhten Laktatwerten im Blut führten.Lösungen mit anderen Puffern (Azetate oder Ma-leate) sind bei Mitochondriopathien dennoch zubevorzugen. Perioperativ wird der Laktatspiegel,der Zucker- und Elektrolythaushalt engmaschigkontrolliert und ggf. durch Gabe von Stoffwechsel-substraten wie Glucose, Aminosäuren oder Elek-trolyten korrigiert.

IntensivstationIn der Regel werden die Patienten mit mitochon-drialen Erkrankungen auf einer Intensivstationnachbetreut. Die Patienten werden meist wach vomOperationssaal übernommen, es wird ein entspre-chendes Monitoring durchgeführt und eine indivi-duelle Schmerztherapie eingeleitet. Besonderswichtig bei Patienten mit mitochondrialer Myopa-thie ist intensive Atemgymnastik.Sollte eine dauer-hafte Sedierung auf einer Intensivstation (landläu-fig als „künstliches Koma“ bezeichnet) notwendigsein, richtet sich die Auswahl und Dosierung derMedikamente nach den Auswirkungen auf den mi-tochondrialen Stoffwechsel. Häufig werden ver-schiedene Medikamente kombiniert bzw. abwech-selnd eingesetzt um den Energiestoffwechsel mög-lichst wenig zu belasten. Das Standardsedierungs-medikament Propofol hemmt die mitochondrialePhosphorylierung, das Enzym Carnitin-Palmitoyl-Transferase und auch direkt die Fettsäure-Oxida-tion. Das Risiko zur Entwicklung eines sogenann-ten Propofol-Infusions-Syndroms ist bei Patientenmit mitochondrialer Myopathie erhöht. Aus diesenGründen wird dieses Medikament bei Patientenmit mitochondrialer Myopathie auf Intensivstatio-nen zurückhaltend eingesetzt.

HerzrhythmusstörungenBei der anästhesiologischen Voruntersuchung wirddie Herzfunktion evaluiert, denn es geht bei denmitochondrialen Erkrankungen ein wesentliches,wenngleich auch sehr seltenes Narkoserisiko vonder Entwicklung eines sogenannten totalen Atrio-Ventrikulären Blocks (AV-Block III°) aus. Für die-sen Fall stehen im OP-Bereich und auf den Inten-sivstationen externe Herzschrittmacher zur Verfü-gung. Der Narkosearzt überwacht während der ge-samten Operation das EKG des Patienten und kannbei Herzrhyhtmusstörungen sofort handeln.

Assoziation von Mitochondriopa-thien zu Maligner HyperthermieUnter Maligner Hyperthermie versteht manschwere Stoffwechselkrisen bei Allgemeinanästhe-sien, die durch eine übermässige Kalziumfreiset-zung im Skelettmuskel verursacht wird. KlinischeSymptome sind Kohlendioxidanstieg (Hyperkap-nie), schwere Übersäuerung (metabolische Azi-dose), Muskelsteifigkeit, Herzrhythmusstörungen,Elektrolytstörungen und Temperaturanstieg (Hy-perthermie). Ursächlich sind grossteils Mutationenim Kalziumfreisetzungskanal des Skeletmuskels(sogenannter Ryanodinrezeptor Typ1). Behandelt

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wird die Maligne Hyperthermie mit dem spezifi-schen Gegenmittel Dantrolene (Ryanodin-RezeptorInhibitor). Obwohl die Stoffwechselkrisen bei Mi-tochondriopathien eine andere Pathogenese haben,zeigen sich klinisch ähnliche Symptome. Daherwerden solche Krisen auch als „MH-ähnlichenEpisoden“ bezeichnet. Der Einsatz von Dantrolenist vor allem bei den Fällen erfolgsversprechend,wenn Mutationen im Gen für den Ryanodin-Re-zeptor Typ 1 (z.B. bei klassischer Maligner Hyper-thermie) vorliegen.

Checkliste mit den wichtigsten Fakten:

• Gute Absprache zwischen Operateur und Anästhesist ist unabdingbar!

• Alle Befunde zum Narkosevorbereitungsge-spräch mitbringen!

• Die Aufklärung über den Ablauf der Narkosereduziert Ängste und Stress!

• Prämedikationsmedikamente vorsichtig dosieren oder weglassen!

• Kein Succinylcholin!

• Muskelrelaxanzien vorsichtig und nur mitneuromuskulärem Monitoring!

• Normothermie / Normoglykämie, ausgeglichener Wasser- / Elektrolythaushalt!

• Postoperative Überwachung auf Intensivstation!

Wichtig: Patienten sollten ihren Arzt und Anästhesistenvor einer OP unbedingt über diese Thematikinformieren. Am besten überreichen Sie die Broschüre anlässlich der Narkosesprechstundeund besprechen die eventuellen Risiken.

Kontakt:

PD Dr. Werner KlinglerNeuroanästhesie Neurochirurgische Universitätsklinik Ulm-GünzburgLudwig-Heilmeyer-Straße 2, 89312 GünzburgTelefon +49-8221-96 21 [email protected]

Prof. Dr. Dr. h.c. Frank Lehmann-Horn Division of Neurophysiology, Universität Ulm, Albert-Einstein-Allee 11, 89081 Ulm, GermanyTelefon +49-731-500-2 32 [email protected]

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Prof. Dr. Thomas Klopstock, München

Es ist sicherlich eine positive Entwicklung, dassden mitochondrialen Erkrankungen immer mehrAufmerksamkeit zuteilwird. Leider ist der Begriffder „mitochondrialen Medizin“ aber nicht ge-schützt, und wird gelegentlich von Anbietern imGesundheitswesen benutzt, die nicht nach denGrundsätzen wissenschaftlich begründeter Diag-nostik und Therapie verfahren.

Es sei an dieser Stelle daher darauf hingewiesen,dass die Diagnose und Therapie einer mitochon-drialen Erkrankung von erfahrenen Expertendurchgeführt werden sollte, wie sie zum Beispieldeutschlandweit im mitoNET organisiert sind.

Zu warnen ist hingegen vor der unkritischen Diag-nosestellung einer mitochondrialen Erkrankungdurch einzelne Labortests sowie vor der häufigkommerziell motivierten Verschreibung von Vita-minen und Nahrungsergänzungs-Mitteln.

Es kommt nicht selten vor, dass eine depressiveoder psychosomatische Erkrankung wegen Symp-tomen wie Erschöpfung fälschlicherweise als mito-chondriale Erkrankung eingeordnet wird.

Neben den Kosten, die im Allgemeinen vom Pa-tienten selbst getragen werden müssen, führt diesauch dazu, dass eine eigentlich wirksame antide-pressive Therapie oder Psychotherapie unterbleibt.

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13 Fehldiagnosen

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Prof. Dr. Thomas Klopstock, München

Das mitoNET wird seit Februar 2009 vom Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (BMBF)als eines von bundesweit 16 Netzwerken zu selte-nen Erkrankungen gefördert. Kliniker und Grund-lagenwissenschaftler mit besonderer Expertise aufdem Gebiet der mitochondrialen Medizin habensich zu einem Verbund zusammengeschlossen mitdem gemeinsamen Ziel, eine Verbesserung der me-dizinischen Versorgung von Patienten mit mito-chondrialen Erkrankungen zu erreichen. WeitereZiele sind auch die Verbesserung der Aufmerksam-keit von Öffentlichkeit und Expertenkreisen fürdiese in der Regel wenig bekannten Krankheitsbil-der, die Förderung der Zusammenarbeit zwischenGrundlagenwissenschaftlern und Klinikern zurVerstärkung von Synergie-Effekten, sowie die Or-ganisation von interdisziplinären Aktivitäten undAustauschprogrammen.

Horizontales klinisches Netzwerk,mitoREGISTER und BiobankenEine zentrale und entscheidende Rolle für das Ver-bundprojekt spielt das horizontale klinische Netz-werk. Derzeit sind sieben neurologische sowie achtpädiatrische Kliniken mit besonderer Expertise inmitochondrialer Medizin dem Netzwerk ange-schlossen. Sie sind zuständig für die Rekrutierungund Betreuung betroffener Patienten, Erfassungder klinischen Daten und deren Speicherung in derdafür vorgesehenen zentralen webbasierten Regis-ter-Datenbank (mitoREGISTER).

In dieses klinische Register können Patienten mitgesicherter mitochondrialer Erkrankung oder drin-gendem Verdacht eingeschlossen werden, beru-hend auf klinischer, morphologischer, biochemi-scher oder molekulargenetischer Evidenz. Die be-troffenen Patienten stellen sich regelmäßig (i. A.im Jahresabstand) vor, wobei der Abstand derFolge-Untersuchungen im Einzelfall je nach Aus-maß und Schweregrad der Erkrankung angepasstwerden kann. Mittels standardisierter und validier-ter Fragebögen werden relevante klinische Unter-suchungsbefunde und Angaben zur Lebensqualitäterfasst. Der Arzt erhebt zusätzlich auch anderewichtige Informationen wie z.B. eine ausführlicheKrankengeschichte, Familienanamnese sowie Er-gebnisse von bildgebenden, Labor- oder anderenUntersuchungen. Bei jedem Besuch findet - dieEinwilligung des Patienten vorausgesetzt - eineBlutentnahme zur Sammlung und Bereitstellung

von wertvollem biologischem Material statt. AuchKontrollpersonen (Lebenspartner, nicht betroffeneVerwandte) haben die Möglichkeit, freiwillig Blutfür das Projekt zu spenden. Die Bioproben werdenin der dafür vorgesehenen Biobank mitoSAMPLEaufbewahrt. Zudem können die Patienten entschei-den, ob sie mit der Freigabe von zu diagnostischenZwecken gewonnenen Myoblasten oder Fibroblas-ten für das Forschungsprojekt einverstanden sind,welche dann in einer weiteren dem Netzwerk zurVerfügung stehenden Biobank namens mitoCELLasserviert werden. In Kombination mit dem zentra-len klinischen Register schafft diese umfassendeSammlung von Blut- und Gewebeproben die Vo-raussetzung für Studien mit ausreichenden Proben-zahlen, wie sie sowohl in der Grundlagenforschungals auch für klinische Studien benötigt werden. Sieermöglicht Untersuchungen auf der DNA-, RNA-,Protein- und Metaboliten-Ebene. Die Bioprobenkönnen Wissenschaftlern sowohl innerhalb alsauch außerhalb des Netzwerks zu Forschungszwe-cken zur Verfügung gestellt werden.

Für die Durchführung zukünftiger therapeutischerStudien ist die zentrale Registrierung von Patientenmit seltenen Erkrankungen eine wichtige und not-wendige Planungshilfe. Entsprechende Einschluss-kriterien können bereits im Vorfeld überprüft undausgewählte Patienten rasch rekrutiert werden undsomit von etwaigen neuen Therapien schneller pro-fitieren (sogenannte „trial readiness“). Zum Bei-spiel konnte mit Hilfe des mitoREGISTER die bis-lang größte randomisierte klinische Studie beieiner mitochondrialen Erkrankung durchgeführtwerden, eine Untersuchung des Medikaments Ide-benone bei 85 Patienten mit Leberscher Hereditä-rer Optikus-Neuropathie.Die Erfassung der klini-schen Verlaufsdaten durch die regelmäßigen jährli-chen Kontrolluntersuchungen wird zudem wert-volle Erkenntnisse zum natürlichen Verlauf der mi-tochondrialen Erkrankungen liefern. Auch dieseDaten sind für die Planung zukünftiger Therapie-studien von hoher Relevanz.

Bei Patienten mit noch ungesicherter Verdachtsdi-agnose kann durch den Einsatz von innovativen di-agnostischen Methoden im Rahmen von mitoNETdie Diagnosefindung beschleunigt werden. z. B.durch Exom-Sequenzierung. Eine Übersicht überdie Entwicklung der Patienteneinschlüsse sowieder häufigsten Diagnosen im mitoNET zeigen Ab-bildung 1 und 2. Mit Stand September 2013 liegenim Register Daten von mehr als 750 Patienten mitgesicherter mitochondrialer Erkrankung oder

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14 Das Deutsche Netzwerk für mitochondriale Erkrankungen (mitoNET)

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hochgradigem Verdacht sowie mehr als 250 Daten-sätze mit Verlaufsdaten vor. In mitoSAMPLE sindbereits 869 Patientenproben sowie 236 Kontroll-proben gespeichert, über mitoCELL sind ca. 100Zellkulturen verfügbar.

mitoNET-ForschungsprojekteAuf wissenschaftlicher Ebene werden im Rahmenvon mitoNET zurzeit fünf Teilprojekte vom BMBFgefördert.

Vier von diesen Forschungsprojekten zielen aufeine Verbesserung der diagnostischen Mittel durchEtablierung neuer Methoden, ein Teilprojekt be-schäftigt sich mit der in vitro- und in vivo-Untersu-chung neuer Therapiemöglichkeiten.

Im Folgenden werden nur die Überschriften derProjekte und die Projektleiter genannt, Einzelhei-ten können unter www.mitoNET.org nachgelesenwerden.

mitoGEL - Quantifizierung von mitochondrialenMembranproteinkomplexen und Charakterisierungvon oxidativen Proteinmodifikationen bei mito-chondrialen Erkrankungen.Projektleitung: Ilka Wittig; Universität Frankfurt,Molekulare Bioenergetik

mitoMORPH - morphologische und biochemischeVeränderungen der Mitochondrien als Biomarkerfür Patienten mit mitochondrialen Erkrankungen

Projektleitung: Ludger Schöls und Doron Rapaport; Universität Tübingen, NeurologischeKlinik und Interfakultäres Institut für Biochemie

mitoGENE - Molekulare Diagnostik mittels NextGeneration Sequencing (NGS)Projektleitung: Holger Prokisch; Technische Universität München, Institut für Humangenetik

mitoSYSTEM - Erstellung eines Expertensystemszur Integration von Genotyp- und Phänotypdatenvon Patienten mit MitochondriopathienProjektleitung: Markus Schuelke; Charité VirchowKlinikum Berlin, Klinik für Pädiatrie mit Schwer-punkt Neurologie

mitoTREAT - Evaluation therapeutischer MöglichkeitenProjektleitung: Peter Freisinger, Holger Prokisch,Wolfgang Sperl, Tina Wenz, Christian Behl; Uni-versitäten TU München, Salzburg, Köln und Mainz

Fazit / AusblickDas mitoNET mit dem horizontalen klinischen Ex-perten-Netzwerk, dem Patientenregister, den Bio-banken und all seinen wissenschaftlichen Teilpro-jekten soll in erster Linie den Patienten zu Gutekommen, die durch verbesserte Diagnostik schnel-ler und direkter zu einer diagnostischen Einord-nung ihrer Symptome gelangen und längerfristigvon neuen Therapieverfahren profitieren werden.Für die behandelnden Ärzte werden sich neue Er-kenntnisse zu Pathogenese, Klinik und Therapie er-

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geben, die dann in die bestehenden Leitlinien ein-fließen und dadurch die medizinische Versorgungder Patienten optimieren werden. Interesse an die-sem Verbundprojekt besteht auch von Seiten derpharmazeutischen Industrie, da große, gut charak-terisierte Patientenkollektive für randomisiertekontrollierte Therapiestudien essentiell sind.Schließlich strebt das mitoNET eine noch intensi-vere Vernetzung der klinisch und grundlagenwis-senschaftlich tätigen Mitglieder an, sowie eine Ko-operation mit ähnlichen Registern auf internationa-ler Ebene. Das mitoNET leistet dadurch bereitsjetzt einen wertvollen Beitrag zur verbesserten Ver-sorgung von Patienten mit mitochondrialen Erkran-kungen. Eine weitere positive Entwicklung in die-sem Sinne ist für die nächsten Jahre zu erwarten.

Kontaktadresse für das mitoNET:Dr. med. Boriana Büchner (Chief Operating Manager)Prof. Dr. med. Thomas Klopstock (Koordinator)Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik Klinikum der Universität München-InnenstadtZiemssenstraße 1a · 80336 MünchenTelefon ab Juni 2014 +49 (0) 89-4400-5-7421+49 (0) 89-5160-7421

Fax ab Juni 2014 +49 (0) 89-4400-5-7402Fax +49 (0) 89-5160-7402boriana.buechner@med.uni-muenchen.dewww.baur-institut.dewww.mitoNET.org

In der DGM Broschüre Deutsches Netzwerk fürmitochondriale Erkrankungen mitoNET Patien-tenregister finden Sie die Kontaktdaten des hori-zontalen klinischen Netzwerks und der Autorendieses Handbuches aus dem mitoNET.

Bei folgender Klinik habensich die Rufnummern geändert:

Pädiatrische Abteilungen (Kinder)

ReutlingenKlinik für Kinder- und JugendmedizinKreiskliniken ReutlingenSteinenbergstraße 3172764 ReutlingenFax +49-7121-200-4481

Prof. Dr. med. Peter FreisingerTelefon +49-7121-200-4051 (Sekretariat)

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Liebe Leserin, lieber Leser,

das Mito-Team in der Diagnosegruppe „Mitochondriale Erkrankungen“ konnte in den letzten Jahren die Information und Aufklärung für Betroffene und ihre Angehörigen deutlichvoranbringen. Mit ihrem ehrenamtlichen Engagement unterstützen und begleiten sie Forschungsprojekte im Bereich der mitochondrialen Erkrankungen. Das Mito-Team sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Diagnosegruppe. Sie sind alle selbst betroffen undhochmotiviert. Zu ihren Aufgaben gehören:

Initiierung und Unterstützung von Forschungsprojekten auf dem Gebiet der mitochondrialen Erkrankungen

Umfassende Beratung im medizinischen, psychosozialen und sozialrechtlichem Bereich sowie zu Hilfsmitteln

Information der Betroffenen und der Öffentlichkeit

Ausrichtung und Organisation von Fachtagen

Zusammenarbeit mit Klinikern und der Wissenschaft

Vernetzung und Zusammenarbeit mit IMP (International Mito Patients)

Für die mitochondrialen Erkrankungen gibt es bis heute noch keine ursächliche Therapie. Durch engagierte Ärzte und Wissenschaftler konnten in den letzten Jahren in der Diagnostik große Fortschritte erzielt werden. Weltweit warten jedoch zahlreicheMenschen mit mitochondrialen Erkrankungen auf nachhaltige Therapiemöglichkeiten. Ob-wohl es viele gute Ansätze und Ideen für Forschungsvorhaben gibt, fehlen die finanziellenMittel zur Durchführung.

Mit Ihrer Spende versetzen Sie uns in die Lage Forschungsvorhaben zu fördern und unsere vielfältigen Aufgaben zu erfüllen.

Unsere Bankverbindung:Mito-Diagnosegruppe in der DGM e.V.Bank für SozialwirtschaftKonto-Nr. 777 22 08 · BLZ: 660 205 00IBAN: DE16660205000007772208 · BIC: BFSWDE33KRL

Mit der Bitte, um Ihre Unterstützung und den besten Grüßen verbleiben wirIhre Sprecher der Mito-Diagnosegruppe

Claus-Peter Eisenhardt Karin Brosius Telefon 07133/ 96 17 50 Telefon 089/ 311 43 [email protected] [email protected]

Unsere Arbeit ist von den obersten Finanzbehörden als besonders förderungswürdig und gemein-nützig anerkannt. Ihre Spende ist deshalb steuerlich abzugsfähig.

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Dafür brauchen wir Ihre Hilfe!

15 Spendenseite

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16 Was tut die DGM für muskelkranke Menschen?

Was tut die DGM für muskelkranke Menschen?Die DGM ist der älteste und größte Selbsthilfever-band für Menschen mit neuromuskulären Erkran-kungen in Deutschland.

UNSERE ZIELE SIND:

Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen:Das Angebot reicht von medizinischer über psy-chosoziale Beratung bis hin zur Hilfsmittelbera-tung. Ansprechpartner sind die mehr als 300 ehren-amtlichen Kontaktpersonen in ganz Deutschland,die meist selbst von einer Muskelerkrankung be-troffen sind, und das hauptamtliche Beraterteam inder DGM-Bundesgeschäftsstelle. Für einige Er-krankungen bestehen innerhalb der DGM spezielleDiagnosegruppen, in denen sich Betroffene mitdieser Diagnose engagieren. In Freiburg i.Br. un-terhält die DGM zwei Probewohnungen, in denenHilfsmittel und bauliche Lösungen auf Eignung imeigenen Alltag getestet werden können. Weitere Informationen und Kontaktdaten erhalten Sie beider Bundesgeschäftsstelle.

Forschungsförderung:Nach wie vor ist die Forschungsförderung eine we-sentliche Aufgabe der DGM. Durch die Vergabevon Forschungspreisen und die Förderung von For-schungsprojekten weckt die DGM bei Wissen-schaftlern Interesse für die Beschäftigung mit neu-romuskulären Erkrankungen. Dabei geht es nebender Suche nach einer Heilungsmöglichkeit darum,Wege für symptomatische Therapien zu entwi-ckeln, die das Leben der Betroffenen erleichtern.

Öffentlichkeitsarbeit:Die DGM hält für Betroffene, Angehörige, Ärzteund Therapeuten Informationen über die verschie-denen Krankheitsbilder und deren Behandlungs-möglichkeiten bereit. Sie können als Informations-broschüren oder im Internet (www.dgm.org) abge-rufen werden. Aktuelle Informationen über For-schungsergebnisse, Änderungen im (Sozial-) Rechtsowie Erfahrungen Betroffener enthält die Mitglie-derzeitschrift „Muskelreport“.

Politische Vertretung der Anliegen Muskelkranker:Die DGM vertritt die Interessen von Menschen mitneuromuskulären Erkrankungen in den übergeord-neten gesundheitspolitischen Gremien. Sie istdabei mit vielen anderen Organisationen vernetztund ist ein sehr wichtiges Mitglied in der ACHSEe.V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen).

Wie kann ich die DGM unterstützen?Mit ca. 7.800 Mitgliedern ist die DGM kein großerund leider auch kein reicher Verband. Als Selbst-hilfeorganisation erhalten wir kaum öffentlicheFördermittel. Um die beschriebenen Ziele verwirk-lichen zu können, ist die DGM auf finanzielle Un-terstützung und tatkräftige ehrenamtliche Mitarbeitangewiesen. Mit einer Spende helfen Sie unsdabei, unseren Einsatz für muskelkranke Menschen fortzusetzen. Als Mitglied unterstützensie die Arbeit der DGM durch Ihre Beiträge. Siekönnen sich darüber hinaus aktiv einbringen, z.B.als ehrenamtliche Kontaktperson.

Werden Sie Mitglied der DGM!

Helfen Sie mit Ihrer Spende!

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17 Beitrittsformular

Ja, ich will die DGM unterstützen!

Ich spende einen Betrag von _________________ ,– €.

Ich erkläre meinen Beitritt als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V.

Ich bin Betroffene(r)

Ich bin Angehörige(r)

Ich bin Förderer

Der jährliche Mindestbeitrag beträgt 50,– € .

Körperschaft (Unternehmen, Verein)

Der jährliche Mindestbeitrag beträgt 200,– € .

Zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag möchte ich gerne einen Zusatzbeitrag von ________ ,– € leisten.

Name, Vorname

Geburtsdatum

Straße, Hausnummer

PLZ, Wohnort / Firmensitz

Telefon E-Mail

Kurzdiagnose (für Beratungszwecke)

Ich bezahle per

Lastschrift *

Überweisung

SEPA-LastschriftmandatIch ermächtige die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V., Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weiseich mein Kreditinstitut an, die von der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen.

Hinweis: Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Esgelten die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.

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Kreditinstitut BIC

Datum Unterschrift

* Sie helfen uns, Verwaltungskosten zu sparen, wenn Sie den Lastschrifteinzug wählen. Damit kommt ein noch höherer Anteil der Mittel direktden Muskelkranken zugute.

Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.Gläuber-IdentNr.: DE10ZZZ00000041596Mandatsreferenz (wird separat mitgeteilt)Bank für Sozialwirtschaft KarlsruheIBAN: DE38 6602 0500 0007 7722 00BIC: BFSWDE33KRL

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