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DJI-Reihe Familie Band 8 Lis Keimeleder, Marianne Schumann, Susanne Stempinski, Karin Weiß Fortbildung für Tagesmütter Konzepte - Inhalte - Methoden Leske + Budrich, Opladen 2001

Fortbildung für Tagesmütter - DJI · 73 Methoden der Datenerhebung an den Modellorten 172 7.3-1 Dokumentenanalyse 172 7.3.2 Interviews 174 7.3.3 Schriftliche Befragung 176 ... die

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DJI-ReiheFamilie

Band 8

Lis Keimeleder, Marianne Schumann,Susanne Stempinski, Karin Weiß

Fortbildung fürTagesmütterKonzepte - Inhalte - Methoden

Leske + Budrich, Opladen 2001

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Das Deutsche Jugendinstitut e.V. (DJi) ist ein zentrales sozial wissenschaftlich esForschungsinstitut auf Bundesebene mit den Abteilungen „Kinder und Kinderbe-rreiiung", „Jugend und Jugendhilfe", „Familie und Familienpolitik", „Geschlech-terforschung und Frauenpolitik" und „Social Monitoring", sowie den Forschungs-schwerpunkten „Übergänge in Arbeit" und „Soziale Räume - Soziale Infrastruk-tur". Es führt sowohl eigene Forschungsvorhaben als auch Auftragsforschungdurch. Die Finanzierung erfolgt überwiegend aus Mitteln des Bundesministetiumsfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend und im Rahmen von Projektförderungaus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Weitere Zuwen-dungen erhält das DJI von den Bundeslandern und Institutionen der Wis-senschaftsförderung.

Das Modellprojekt „Entwicklung und Evaluation curricularer Elemente zur Quali-fizierung von Tagespflegepersonen" (Kurztitel: „Qualifizierung in der Tagespfle-ge") wurde durchgeführt im Auftrag und mit Mitteln des Bundesministeriums fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend, des Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern, des Ministeriums für Kultur, Jugend Familie und Frauen, Rhein-land-Pfalz und des Senars für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales,Bremen.

Gedruckt auf alterungsbeständigem und säurefreiem Papier

Die Deutsche Bibliothek —CIP-EinheitsaufnahmeEin Titeldatensatz für diese Publikation ist beiDer Deutschen Bibliothek erhältlich.

ISBN 3-8100-3274-3

© 2001 Leske + Budrich, Opladen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist uthebettechtlich geschützt. Jede Verwer-tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmungdes Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung inelektronischen Systemen.

Einbandgestaltung: discgno, WuppertalSatz: Leske + Budtich, OpladenDruck: DruckPartner Rübelmann, HemsbachPrinted in Germany

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend, dem Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern,dem Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen inRheinland-Pfalz und dem Senat für Frauen, Gesundheit, Jugend,Soziales und Umweltschutz in Bremen für die Förderung des Mo-dellprojekts. Ebenso danken wir den Mitgliedern des Projektbeiratsfür die konstruktive fachliche Unterstützung.

Besonderen Dank möchten wir unseren Projektpartnerinnen anden Modellorten für die wohlwollende Aufnahme und konstruktiveZusammenarbeit aussprechen. Nur durch die Bereitschaft der Refe-rentinnen, Kursleiterinnen, Vertreterinnen der öffentlichen undfreien Jugendhilfe und nicht zuletzt der Teilnehmerinnen an Qua-lifizierungsprogrammen, dem Projektteam einen Einblick in ihrePraxis zu gewähren, wurde es möglich, dieses Projekt durchzu-führen. Auch dem Video-Team, Frau Irini Karistianou und HerrnBerthold Schweiz, möchten wir Dank sagen für die einfühlsameund professionelle Erstellung der Videoaufnahmen.

Nicht zuletzt ist Herrn Dr. Rudolf Pettinger, Leiter der Abtei-lung „Familie und Familienpolitik" und Teamkollege, für die guteKooperation und fachliche Begleitung der Projektarbeit zu danken.Unser Dank gilt auch Frau Christina Kokodynsky-Haas für diekompetente und hilfreiche Sachbearbeitung und organisatorischeUnterstützung, Frau Kornelia Schneider für ihre kollegiale Bera-tung, sowie Herrn Hermann Schwarzer für die sorgfältige Bearbei-tung des Manuskripts.

Das Projekt- Team

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Inhalt

Lis KeimelederEinführung 11

Susanne StempinskilKarin Weiß1 Ziele und Arbeitsschritte des Modellprojekts 171.1 Literaturanalyse 191.2 Erhebungen an den Modellorten 191.3 Auswertung und Workshops 221.4 Formulierung von Qualitätsmerkmalen 231.5 Fortbildungsmaterialien/Curriculum für die

Tagespflege 23

Lis Keimeleder2 Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten ... 252.1 Die untersuchten Curricula 252.1.1 Aufbau, Gesamtumfang und Zielsetzungen der

Curricula 262.1.2 Thematische Schwerpunkte, Inhalte und Methoden 302.1.3 Rahmenbedingungen und Abschlußmodalitäten 362.2 Arbeitsbedingungen der Referentinnen an den

Modellorten 422.3 Trägerstrukturen und Qualifizierung im fachlichen

Kontext , 492.4 Die Sicht der Teilnehmerinnen der

Qualifizierungskurse 552.4.1 Motive für die Teilnahme 572.4.2 Zufriedenheit mit der Qualifizierung 592.4.3 Bewertung von Inhalten, Methoden und

Referentinnen 652.5 Zusammenfassende Ergebnisse aus den Hospitationen ... 68

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Inhalt

Karin Weiß3 Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung

in der Tagespflege 733.1 Erwachsenenpädagogischer Rahmen 773.1.1 Wann ist Lernen lebendig? 783.1.2 Didaktik: Wie kann lebendiges Lernen ermöglicht

werden? 793.1.3 Welche Lehrenden können lebendiges Lernen

ermöglichen? 823-1.4 Problemorientiertes Lernen (POL) als Umsetzung

einer ErmögÜchungsdidaktik 833.1-5 Eignung von POL für die Tagespflege-Qualifizierung ... 843.2 Kriterien der Frauenbildung 863-2.1 Lernen Frauen anders? 873.2.2 Was kennzeichnet weibliches Lernverhalten? 893.2.3 Woher kommen die Unterschiede? 913.2.4 Konsequenzen für die Gestaltung von Weiterbildung .... 923.3 Fachlich-inhaltliche Basis der curricularen Elemente 953.4 Definition von Gütemerkmalen für die Entwicklung

curricularer Elemente 983.4.1 Konstante Fortbildungsgruppe 1003.4.2 Fachübergreifende Themenbearbeitung 1013.4.3 Qualifizierung von Tagesmüttern nach den Prinzipien

der Frauenbildung 1013.4.4 Praxisorientierung und Bezug zur Tagespflege 1033.4.5 Themenzentrierter Erfahrungsaustausch 1033.4.6 Wesentliches Wissen vermitteln 1053.4.7 Theorie, Praxis, Reflexion und Selbsterfahrung in

ausgewogenem Verhältnis 1053.4.8 Ausgewogenes Verhältnis von Stoff und Zeit 1063.4.9 Vielfalt partizipativer Methoden 1073-4.10Zugewandte, wohlwollende, ermöglichende Haltung der

Referentin/des Referenten 1093.4.11 Angenehmer Rahmen 1103.4.12Verständliche und ansprechende Materialien 111

Inhalt 9

Karin Weiß4 Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument

für Referentinnen in der Qualifizierung zurTagespflege 113

4.1 Selbstevaluation als Königsweg derPersonalentwicklung? 114

4.2 Was ist Selbstevaluation? 1154.3 Wie aufwendig ist Selbstevaluation? 1164.4 Unser Bogen zur Selbstevaluation 1174.5 Förderliche Bedingungen für die Anwendung des

Bogens zur Selbstevaluation 1184.6 Praxisprüfung 1184.7 Rückmeldung der Referentinnen zum

Selbstevaluationsbogen 1194.7.1 Allgemeine Anmerkungen der Referentinnen 1244.7.2 Zusammenfassung der Ergebnisse 1254.8 Fazit 126

Susanne Stempinski5 Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines

Gesamtcurriculums 1275.1 Entwurf eines Themenspektrums 1275.2 Stundenumfang des Curriculums unter besonderer

Berücksichtigung der Familienkompetenzen 1335.3 Aufbau und thematische Schwerpunkte 1365.4 Zur praxisvorbereitenden und praxisbegleitenden

Funktion der Fortbildung 1375.5 Teilnahmeverpflichtung 1385.6 Empfehlungen zur Durchführung einer

Abschlußprüfung 1395.7 Ein spezielles Fortbildungsangebot für Personen mit

pädagogischer Vorbildung? 140

Marianne Schumann6 Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 1436.1 Aufbau und Struktur der curricularen Elemente 1436.2 Evaluation der curricularen Elemente 1466.3 Leitfaden zur Urnsetzung des Curriculums 1476.4 Beispiel: „Tageskinder - eigene Kinder: Wie komme

ich damit zurecht?" 1496.4.1 Leitfaden für Referentinnen 150

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10 Inhalt

6.4.2 Handreichung für Tagesmütter 1606.4.3 Einschätzbogen für Tagesmütter 1646.4.4 Referentinnen-Informationen 1656.4.5 Arbeitsblatt 1686.4.6 Literaturhinweise zum Thema „Tageskinder -

eigene Kinder" 170

Susanne Stempinski7 Anhang I: Wissenschaftliche Anlage des Projekts 1717.1 Mitglieder des Projektbeirats 1717.2 Zeitplan: Projektphasen und Arbeitsschwerpunkte im

Überblick 17273 Methoden der Datenerhebung an den Modellorten 1727.3-1 Dokumentenanalyse 1727.3.2 Interviews 1747.3.3 Schriftliche Befragung 1767.3.4 Hospitation von Qualifizierungsveranstaltungen/

Videohospitation 1777.3.5 Fachgespräche und Expertisen 180

Lis Keimeleder/Marianne Schumann/Susanne StempinskilKarin Weiß8 Anhang II: SelbstevaJuationsbogen 183

Literatur 207

Lis Keimeleder

Einführung

Tagespflege - als familienähnliche Form der Kinderbetreuung allerAltersstufen - hat in den letzten Jahren eine enorme Aufwertung er-fahren. Tagesmütter werden als Alternative und Ergänzung zumBetreuungsangebot in Einrichtungen wahrgenommen und zuneh-mend nachgefragt. Statistiken über die Zahl der Tageskinder liegenfür die Bundesrepublik Deutschland nicht vor, aber nach qualifi-zierten neueren Schätzungen sind es derzeit ca. 300.000 Kinder, diejährlich in Westdeutschland in Tagespflege betreut werden (Seckin-ger/van Santen 2000).

Aus Sicht der Eltern hat die Tagespflege viele Vorteile. Tages-pflege unterscheidet sich von der institutionellen Betreuung vor al-lem in der geringeren Anzahl der betreuten Kinder in der Tagesfa-milie, den engeren Kontakt zu einer Bezugsperson, der Möglichkeitder individuelleren Förderung des Tageskindes und der größerenFlexibilität in den Betreuungszeiten (häufig in Ergänzung zu Kin-dergarten und Hort).

Durch die Neuregelungen im Kinder- und Jugendhilfegesetz imJahre 1991 haben sich die gesetzlichen Grundlagen der Tagespflegeals Betreuungs- und Förderungsangebot für Kinder aller Altersstu-fen entscheidend verbessert. Im § 23 (KJHG) wird ihre Gleichran-gigkeit zur institutionellen Kinderbetreuung festgestellt. Darausläßt sich für das Angebot der Tagespflege ableiten, daß dieses nichtnur Betreuung und Pflege, sondern ausdrücklich auch Erziehung,Bildung und Förderung von Kindern umfassen soll.

Eltern haben einen Anspruch auf ein qualifiziertes Betreuungs-angebot — auch in der Tagespflege. Das gesellschaftliche und in ak-tuellen politischen Programmen erneut formulierte Ziel, die Be-rufstätigkeit von Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf, soll so - in Ergänzung zur institutionellen Kinderbetreuung -erreicht und gesichert werden. Damit rückt aber gleichzeitig auch

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X? Lis Keimeleder

die Fortbildung von Tagespflegepersonen in das Blickfeld, denn,anders als Erzieherinnen, durchlaufen Tagesmütter keine staatlichgeregelte Berufsausbildung, in der sie für ihr Praxisfeld qualifiziertwerden.

Es ist fachlich unbestritten, daß auch Tagesmütter für ihre ver-antwortliche Aufgabe eine vorbereitende und praxisbegleitendeQualifizierung benötigen. In der Bundesrepublik Deutschland wer-den deshalb an vielen Orten von öffentlichen und freien TrägernFortbildungsprogramme durchgeführt. Diese Kurse und Seminare,die Tagesmütter in freiwilliger Leistung - und bei entsprechendemAngebot - besuchen können, sehen in Abhängigkeit von Bundes-land und Fortbildungsträger sehr unterschiedlich aus. Bisher wur-den keine vereinheitlichenden Bestimmungen dazu erlassen.

Mit Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senio-ren, Frauen und Jugend sowie der Bundesländer Mecklenburg-Vor-pommern, Rheinland-Pfalz und Bremen wurde daher ein Modell-projekt initiiert, das bestehende Fortbildungsmaßnahmen in derTagespflege untersuchen und weiterentwickeln soll.

Das Modellprojekt „Entwicklung und Evaluation curricularerElemente zur Qualifizierung von Tagespflegepersonen" wurde inder Hauptphase von Juni 1998 bis November 2000 am DeutschenJugendinstitut durchgeführt. Zentraler Ausgangspunkt der For-schungsarbeit war die Frage, welche Fortbildungsprogramme sichfür die Tagespflege als geeignet erweisen. Dazu wurden neun Fort-bildungsprogramme für Tagesmütter an neun Standorten der Bun-desrepublik Deutschland evaluiert {vgl. Kapitel 1).

Ein weiterer Schritt des Projektes bestand darin, fundierteschriftliche Materialien (curriculare Elemente) für die Qualifizie-rung in der Tagespflege zu erarbeiten. Die Fortbildnerinnen vonTagesmüttern sollen in ihrer Aufgabe unterstützt werden, um dieQualität der Tagespflege im Interesse aller Beteiligten, insbesonderevon Kindern, Eltern und Tagespflegepersonen, zu erhöhen. DasProjekt bildet somit einen weiteren Baustein in den Bemühungenum das Ziel der Qualitätssicherung in der Tagespflege und die Um-setzung der Normen des Kinder- und Jugendhilfegesetztes in diePraxis der Jugendhilfe.

1 Und auch Tagesvätern - die selbstverständlich mit gemeint sind. In dievorliegende Untersuchung konnten jedoch keine Tagesväter einbezogenwerden, da in den Fortabildungsprogrammen keine männlichen Teilneh-mer anzutreffen waren.

Einführung 13

Damit knüpft das Deutsche Jugendinstitut an eine langjähtigeForschungstradition zum Thema Betreuung von Kindern in Ta-gespflege an, die mit dem Bundesmodellprojekt „Tagesmütter"(1974-79) ihten Anfang nahm. Ein gutes Jahrzehnt später folgtedas „Tagesmütter-Handbuch", das zu einem angesehenen Standard-Werk für alle an der Tagespflege Beteiligten und Interessiertenwutde. Mit dem hier dokumentierten Forschungsvorhaben zurQualifizierung in der Tagespflege fand diese Forschungsreihe ihreFortsetzung.

In der vorliegenden Buchpublikation werden Forschungsverlauf,zentrale Ergebnisse und Empfehlungen des Modellprojekts be-schrieben. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle auf zwei weitereProdukte des Modellprojekts:

- Der „Bogen zur Selbstevaluation für Referentinnen und Kursleite-rinnen in der Tagespflege-Fortbildung" stellt eine Antwort auf dengroßen Bedarf an fachlicher Supervision in diesem Feld der Er-wachsenenbildung dar. Die 41 Items des Bogens beziehen sichauf die im Projekt formulierten Qualitätsmerkmale, zugeordnetden relevanten Bewertungsdimensionen der Tagespflege-Fortbil-dung: Thema/Aufbau der Veranstaltung, Methoden, Inhalte,Kursleitung, Lernklima/Gruppenatmosphäre und äußerer Rah-men. In den Anmerkungen und Beschreibungen zu den Itemswerden den Referentinnen in der Tagespflege Orientierungs-und Reflexionshilfen für den Fortbildungsalltag zur Hand gege-ben. Der Bogen zur Selbstevaluation befindet sich im Anhangdes Buches.

— Im Rahmen einer Projektverlängerung bis Dezember 2001 wirdein vollständiges Curriculum für die Qualifizierung in der Tagespfle-ge im Umfang von etwa 160 Unterrichtsstunden etarbeitet und derPraxis zur Verfügung gestellt. Diese Erweitetung des ursprüng-lichen Projektansatzes wurde vorgenommen, nachdem eine Be-standsaufnahme der untersuchten Programme erfolgt war und er-ste Ergebnisse vorlagen. Die Untersuchung der beruflichen Situa-tion von Kursleiterinnen und Referentinnen zeigte, daß sie in derVorbereitung ihrer Angebote sehr auf sich selbst gestellt sind, dawenig ausgeteiftes didaktisches Material für die Tagespflege zurVerfügung steht. In vielen der untersuchten Fortbildungsveranstal-tungen und schriftlichen Matetialien wurden Qualifizierungsthe-men nicht auf die Spezifika der Tagespflege zugeschnitten. Dieskann in der Fortbildungspraxis dazu führen, daß die Themen — bei

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Lis Keimeleder

fehlender Erfahrung der Referentin auf dem Gebiet der Tagespfle-ge - nicht zielgruppengerecht aufbereitet werden. Diese und weite-re Aspekte, die in der Untersuchung der Fortbildungsprogrammesichtbar wurden (vgl. Kapitel 2), haben zu dem Vorhaben geführt,nicht nur einzelne curriculare Elemente, sondern ein vollständigesCurriculum zu erarbeiten. Die Veröffentlichung ist für das 2.Quartal 2002 vorgesehen.

Die Untersuchung im Überblick

Literaturanalyse- Erwachsenenbildung- Frauenbildung- Tagespflege-> Ziel: Identifizierung von Gütekriterien

für die Fortbildung in der Tagespflege

Evaluation von 9 Fortbildungsprogrammenzur Tagespfiege-Qualifizierung (bundesweit)

Dokumentenanalyse

Hospitationen vonKursveranstaltungen(150 Std.)

Fragebogen an 235Kursteilnehmerinnen

Expertisen

Interviews- Kursreferentinnen- Curriculumentwicklerlnnen- Kursteilnehmerinnen und

Tagesmütter- öff. u. freie Fortbildungsträger- Expertinnengespräche

Workshops mit Vertreterinnenaus den Modellorten

Synthese aus Theorie und Praxis

-> Ziele für die Fortbildung in der Tagespflege:- Formulierung von Qualitätsmerkmalen- Definition von „Mindeststandards"

\ /

Produkte-> Forschungsbericht-> Bogen zur Selbstevaluation für Referentinnen

(integriert in den vorliegenden Forschungsbericht)-> Curriculum für die Tagespflege

Fortbildungsmaterialien im Umfang von ca. 160 Ustd.(2. Quartal 2002)

Einführung 15

Insgesamt - so ist an dieser Stelle festzuhalten - stellen die im Pro-jekt untersuchten Qualifizierungsprogramme eine große Anstren-gung und Entwicklungsleistung der Praxis dar. Die Referentinnen,Kursleiterinnen und Pionierinnen der Tagespflege haben die Kurs-angebote häufig in ehrenamtlicher Arbeit aufgebaut. Zu nennen isthier vor allem das Werkstattcurriculum des Bundesverbandes fürKinderbetreuung in Tagespflege e.V., das 1996 auf diese Weise ent-standen ist und einen „Meilenstein" auf dem Weg der Quali-tätsentwicklung in der Tagespflege darstellte. Die Entwickler Innenan den Modellorten sind permanent bestrebt, dieses Angebot denBedürfnissen der Tagesmütter anzupassen. Diese Anstrengung fin-det nun zumindest darin Würdigung, daß einzelne curriculareElemente und Bausteine aus den untersuchten Fortbildungspro-grammen in das Curriculum des Deutschen Jugendinstituts einge-hen und dort für eine große Anzahl von Referentinnen und öffent-lichen und feien Trägern der Fortbildung in der Tagespflege ver-fügbar gemacht werden.

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Susanne Stempinski, Karin Weiß

1 Ziele und Arbeitsschritte desModellprojekts

Bei der Eröffnungstagung des Projekts im Juni 1998 formulierteder Vertreter des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frau-en und Jugend die Intentionen des Projekts wie folgt:

„Das herausragende Produkt des Modellversuchs sollen curriculare Bausteinefür eine Qualifizierung von Tagespflegepersonen sein. Diese Bausteine, aufbreiter Basis entwickelt und erprobt, können dreierlei leisten. Zum einen kön-nen sie denen eine Hilfestellung bringen, die Tagesmütter qualifizieren wollen.Solche Institutionen, wer immer es sei, brauchen nach dem Projekt das Radnicht mehr neu zu erfinden, sondern höchstens noch für sich passend zu ma-chen. Zweitens könnte - ich bin einmal optimistisch - mit den Ergebnissendes Projekts der Wildwuchs ein Ende haben, der darin besteht, daß jede Insti-tution nach der Methode ,Versuch und Irrtum' handelt. Drittens hat das Pro-jekt alleine durch seine Existenz eine nicht zu unterschätzende fachpolitischeWirkung, denn es unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung der Qualifizie-rung von Tagespflegepersonen. Nach dem Projekt wird es schwieriger werden,die Frage der Qualifizierung als zweitrangig abzutun. Das Projekt setzt damit —viertens - ein Gegengewicht zu den überall zu beobachtenden Anstrengungen,freiwillige, scheinbar nicht so wichtige Leistungen zu kürzen." (Dichans 1998,S.8)

Hauptziel des Modellprojekts war es daher, wissenschaftlich fun-dierte Anregungen hinsichtlich der curricularen Gestaltung vonQualifizierungsprogrammen in der Tagespflege zu erarbeiten.

Eine wichtige Grundlage für die Ausarbeitung von Curriculum-elementen bildete die Evaluation der pädagogischen Praxis an neunausgewählten Modellorten. Die bei dieser Bestandsaufnahme ge-wonnenen Einblicke dienten dazu, Aussagen zu treffen, welcheFortbildungsveranstaltungen geeignet sind, Tagespflegepersonenfür ihre Tätigkeit zu sensibilisieren, ihnen relevante Kenntnisse zuvermitteln und ihre Kompetenz für die Bewältigung typischer Si-tuationen im Tages pflege-Alltag zu erhöhen. Im Projektverlaufwurden diese Erkenntnisse den Vertreterinnen der Praxis zurück-

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18 Susanne Stempinski, Karin Weiß

gemeldet und mit ihnen diskutiert. In der nächsten Arbeitsphasearbeitete das Projektteam curriculare Elemente aus, die im Gegen-zug von den Fortbildungsreferentlnnen der Modellorte unter ande-rem auf ihre Umsetzbarkek hin begutachtet wurden. Auf ihreRückmeldungen hin nahmen die Wissenschaftlerinnen Überarbei-tungen vor und zogen Konsequenzen für die Entwicklung noch zuerstellender curricularer Elemente. In diesem Prozeß des gegenseiti-gen Auswertens und Rückmeldens und des darauf bezogenen Über-arbeitens wird der formative Evaluationsansatz des Projekts deut-lich2.

An dem Modellprojekt beteiligten sich neun Modellorte als Ko-operationspartner (vgl. Tabelle).

Ort Bundesland Träger

Bremen

Lkr. ParchimRostockNeubrandenburg

Neustadt a.d.Weinstr/BadDürkheim

Lkr. Bitburg-Prüm/Lkr. Daun

Essen

Lkr. Böblingen

Lkr. Harburg

Bremen

Mecklenburg-Vorpommern

Rheinland-Pfalz

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Niedersachsen

Paritätisches Bildungswerk

Ländliche Erwachsenenbildung

e.V. (LEB)

Volkshochschule

Sozialdienst katholischer Frauen{SkF) - Tageseltem e.V.

Tages- und Pflegeeltern e.V.

Tagesmütter und -väler e.V.

Durch das vergleichsweise anspruchsvolle Niveau fortgeschrittenerProgramme sollte eine gute Ausgangsbasis für die Weiterentwick-lung von Curriculum-Elementen geschaffen werden. Die Modell-orte wurden so ausgewählt, daß die Zusammensetzung der Stich-probe Variationen aufwies im Hinblick auf:

— Fortbildungskonzepte und Curricula- Stadt/Landkreis— alte/neue Bundesländer- Trägerschaft der Qualifizierungsprogramme

Formative Evaluation ist - im Unterschied zur summativen Evaluation -dadurch gekennzeichnet, daß „man nicht nur feststellen (will), wie erfolg-reich oder erfolglos ein Dienstleistungsangebot war. Die Evaluation soll au-ßerdem durch Prozeßbegleitung dazu beitragen, daß sich eine Organisationoder ein Team mit Hilfe der Informationen und Rückmeldungen der Eva-luatorinnen kontinuierlich korrigieren und sein Angebot verbessern kann"(Heiner 1996, S. 33).

Ziele und Arbeitsschritte des Modellprojekts 19

— Zielgruppen der Fortbildungsmaßnahmen (mit und ohne päd-agogische Vorausbildung bzw. gemischt)

Die Ansprechpartnerinnen an den Modellorten waren neben Trä-gervertreterinnen, Jugendamtsvertreterinnen, Tagesmüttern, Elternsowie Vertreterinnen der fördernden Bundesländer in der Hauptsa-che die für die Fortbildung zuständigen Referentinnen. Alle Betei-ligten brachten große Kooperationsbereitschaft mit. Die Zusam-menarbeit gestaltete sich dadurch außerordentlich positiv, so daßein konstruktiver und effektiver fachlicher Austausch gelang.

Um zum Projektziel - zur Erarbeitung curricularer Elemente —zu kommen, wurden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:

1.1 Literaturanalyse

Im Projekt-Team war aus vorangegangener langjähriger Forschungzum Thema Tagespflege bereits Expertinnen-Kompetenz vertreten.Schon in den 70er Jahren war am Deutschen Jugendinstitut im„Tagesmütter-Projekt"3 /bundesweit / relevante TGrundlagenarbeitdurchgeführt worden. Auch brachten alle aus dem Forschungsteameigene Erfahrungen als Referentinnen der Erwachsenenbildung mit.Zusätzlich zu diesem Expertinnen-Wissen wurde vor dem Kontaktmit der Praxis der Tagespflege-Qualifizierung in den Modellortenin einem ersten Schritt die aktuelle relevante Literatur zum ThemaErwachsenenbildung, Frauenbildung und Tagespflege ausgewertet. Aufdiese Weise war es möglich, erste Gütekriterien für die Evaluationder Qualifizierungsprogramme zu identifizieren.

1.2 Erhebungen an den Modellorten

In einem zweiten Schritt wurden Datenerhebungen durchgeführt,die zu einer Bestandsaufnahme über die Gestaltung der Fortbildungan den Modellorten führen sollten. Bei der Datenerhebung an denModellorten ging es vorrangig um die Ausstattung der pädagogi-schen Programme. Dokumentiert und ausgewertet wurden insbe-sondere folgende Aspekte:

3 Abschlußbericht der Autorengruppe „Tagesmütter-Projekt". PädagogischeGruppenarbeit und Beratung. Werkstattbericht aus dem Tagesmütter-Pro-jekt, 1980, München: Deutsches Jugendinstitut, unveröffentlicht.

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20 Susanne Stempinski, Karin Weiß

- didaktische Konzepte- Ziele und Programmaufbau- Inhalte- Methoden- Differenzierung nach spezifischen Zielgruppen- Rahmenbedingungen (räumlich, zeitlich, finanziell etc.)- Verbindlichkeitsgrad der Teilnahme an der Qualifizierung- Zertifikat und Bedingungen für den Erwerb- fachliche Voraussetzungen und Arbeitsbedingungen der Fach-

kräfte, die die Fortbildung durchführen

Es wurde ein multimethodisches Vorgehen gewählt. Die empirischeDatenerhebung in den Modellorten stützte sich auf die drei Säulen

- Dokumentenanalyse,- Hospitation bei Fortbildungsveranstaltungen und- schriftliche und mündliche Befragung relevanter Beteiligtengrup-

pen.

Zur ersten Bestandsaufnahme wurden zunächst Dokumentenanaly-sen von schriftlichen Kursmaterialien vorgenommen, die Aussagenhinsichtlich Aufbau, Durchführung, Inhalte und Methoden derQualifizierungsprogramme enthielten. Zur Verfügung standen hiervor allem Beschreibungen zu den Fortbildungsprogrammen, diesich an die Teilnehmerinnen richteten. In geringem Umfang konn-ten auch Seminarkonzepte einbezogen werden.

Nach dieser ersten Vororientierung wurden teilnehmende Beob-achtungen (Hospitationen) ausgewählter Veranstaltungen durchge-führt. Dazu waren meist zwei Projektmitarbeiterinnen vor Ort imQualifizierungskurs anwesend. Einzelne Veranstaltungen wurdenauch auf Video aufgezeichnet. Insgesamt wurden 150 Unterrichts-stunden auf diese Weise hospitiert. Während der Kursveranstaltun-gen wurden Verlaufsprotokolle angefertigt. Kriterien, die bereits imVorfeld durch Literaturstudien als maßgebend für die Qualität vonFortbildung identifiziert worden waren, strukturierten diese Proto-kollierung und bildeten einen ersten Anhalt für die Bewertung. DieVerlaufsprotokolle wurden von den Beobachterinnen inhaltsanaly-tisch ausgewertet und — unter Zuhilfenahme diskursiver Prozessealler Projektmitarbeiterinnen - evaluiert. Widersprüchliche Ein-schätzungen der Beobachterinnen wurden zum Ausgangspunkt ge-nommen, die jeweiligen Aspekte vertiefend zu betrachten und sichüber Ursachen für unterschiedliche Interpretationen einzelnerKurssituationen zu verständigen.

Ziele und Arbeitsschritte des Modellprojekts 21

Ergänzend zu den Hospitationen des Projektteams wurden zu derjeweiligen Veranstaltung die Teilnehmerinnen und Referentinnen zuAblauf, Zufriedenheit und zu weiteren Aspekten der Fortbildungs-veranstaltung befragt, um die Wahrscheinlichkeit von Fehlinterpre-tation zu verringern (vgl. Schründer-Lenzen 1997, S. 107). Diese sy-stematische Perspektiven verschränkung (Triangulation) gilt als zu-verlässiges Verfahren zur Validierung von Ergebnissen (vgl. Flick1995, S. 249ff.) in der Bildungsforschung (vgl. Gieseke 1995).

Aus diesem Grund wurden am Ende der hospitierten Kursveran-staltungen Fragebögen an die Kurs-Teilnehmerinnen verteilt. Siewurden gebeten, zu Hause Angaben zu ihrer Zufriedenheit mit die-ser besuchten Veranstaltung zu machen. Die Fragen wurden auf diewesentlichen Kriterien bezogen, die auch in den Hospitationen imZentrum der Betrachtung gestanden hatten und ermöglichten so-mit einen Vergleich mit den Hospitationsergebnissen des wissen-schaftlichen Teams.

Im Anschluß an die Hospitation führten die Wissenschaftlerin-nen Interviews mit den Referentinnen zur Einschätzung der soebendurchgeführten Fortbildungsveranstaltung und zu weiteren Aspek-ten, z.B. Rahmen- und Arbeitsbedingungen, Zufriedenheit, Zugangzu Fortbildungsmaterialien, Wünsche an ein Curriculum.

Ergänzend wurden meist zusätzlich leitfadengestützte Interviewsmit Personen geführt, die vor Ort für die Konzeption und Durch-führung der Qualifizierung verantwortlich sind (aus Trägerein-richtung, Jugendamt, Ministerium). Gegenstand dieser Gesprächewaren schwerpunktmäßig ortsspezifische Rahmenbedingungen, Er-wartungen an und Erfahrungen mit der Qualifizierung.

Um über punktuelle Eindrücke von Einzelveranstaltungen hin-aus auch Aussagen über einen ganzen Kursverlauf zu bekommen,wurden in Ergänzung zu dem bisher Beschriebenen auch Gruppen-interviews mit Teilnehmerinnen organisiert, die einen Kurs bereitsüber einen längeren Zeitraum hinweg besucht oder schon abge-schlossen hatten. In geringem Umfang konnten auch Erwartungenvon Eltern an eine Qualifizierung von Tagesmüttern erhoben undin die Auswertung einbezogen werden. Details zur Datenerhebungsind im Anhang nachzulesen.

4 Im Projekt hat sich gezeigt, daß sowohl die Tagespflcge selbst als auch dieQualifizierung von Tagespflegepersonen Arbeitsfelder sind, in denen fastausschließlich Frauen tätig sind. Dies wurde in der Sprachform in diesemBericht berücksichtigt.

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22 Susanne Stempinski, Karin Weiß

1.3 Auswertung und Workshops

Die jeweils vorgefundene Ausstattung der Fortbildungsprogrammewurde hinsichtlich ihrer Eignung für die Zielgruppe und das Pra-xisfeld Tagespflege untersucht und bewertet. Dazu wurde das um-fassende Datenmaterial in einem dritten Schritt auf Stärken undSchwächen in den oben genannten Aspekten ausgewertet. Das Zielwar, die im ersten Schritt in der Theorie aufgestellten Gütekriterienan der Praxis zu überprüfen und für das Praxisfeld der Tagespflegezu spezifizieren.

Nach Abschluß der Erhebungen an den Modellorten und derteaminternen Auswertung des Materials wurden die Ergebnisseaufbereitet und mit den pädagogischen Fachkräften aus den Mo-dellorten diskutiert. „Die Kooperation von Praxis und Forschunggarantiert vielleicht am ehesten eine wechselseitige Korrektur derblinden Flecke" (Heiner 1998, S. 30). Dieser Diskussionsprozeßfand konzentriert in Form von drei dreitägigen Workshops statt. DieWorkshops verfolgten folgende Ziele:

— Die wissenschaftliche Begleitung berichtete zentrale Ergebnisseaus der ersten Erhebungsphase und stellte sie zur Diskussion.Die intensive gemeinsame Reflexion der Analyseergebnisse undInterpretationen entspricht einer dialogischen Validierung, dievon Mayring als ein Gütekriterium qualitativer Forschung be-zeichnet wird {Mayring 1990, S. 105f).

— Entsprechend dem formativen Evaluationskonzept des Modell-projekts bearbeiteten die Teilnehmerinnen und das DJI-Teamauf den Workshops gemeinsam gezielte Fragestellungen zu aus-gewählten curricularen Inhalten.

— Diskutiert wurden auch notwendige und geeignete Rahmenbe-dingungen für die Qualifizierung von Tagespflegepersonen.

— Unter den Modellorten wurde ein intensiver Austausch angetegt,der einen Blick über den Tellerrand ermöglichen und Impulsefür die unmittelbate fachliche Weiterentwicklung vor Ort brin-gen sollte. Dieser Aspekt ist von den Teilnehmerinnen immerwieder als besonders wertvoller Projekt-Effekt hervorgehobenworden.

Die Themenwahl für die Workshops orientierte sich an den dreiHandlungsebenen der Tagesmutter: Arbeit mit Kindern, Koopera-tion mit den Eltern auf der Erwachsenenebene und Reflexion undaktive Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Außerdem wurde je-

Ziele und Arbeitsschritte des Modellprojekts 23

weils ein zu den Rahmenbedingungen gehörendes Thema bearbei-tet.

Workshop 1 „Förderung von Kindern in Tagespflege"„Arbeitsbedingungen der pädagogischen Fachkräfte"

Workshop 2 „Beziehungssystem Tagespflege"„Trägerschaft der Qualifizierungsmaßnahmen für Ta-gespflegepersonen"

Workshop 3 „Professionalisierung der Tagespflege"„Abschlußmodalitäten der Fortbildungsmaßnahmen"

Die Zusammenarbeit in den Workshops gestaltete sich für Wissen-schaftlerinnen und Teilnehmerinnen ausgesprochen konstruktivund ergiebig. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen wurden in Formvon drei projektinternen Rundbriefen ausführlich dokumentiert.

1.4 Formulierung von Qualitätsmerkmalen

Aus den zusätzlich in den Workshops überprüften und diskutiertenBefunden der Untersuchung und aus den Ergebnissen der Literatur-analyse wurden in einem vierten Schritt zentrale Gütemerkmale fürdie Fortbildung in der Tagespflege formuliert. Als Produkt für diePraxis entstand in diesem Zusammenhang ein Bogen zur Selbst-evaluation für Referentinnen und Referenten in der Tagespflege-Qualifizierung. Dieses Instrument, das die im Projekt fotmuliertenQualitätsmerkmale in die Praxis übersetzt, wurde im Sinne einerpraktischen Orientierungshilfe für den Fortbildungsalltag erstellt.Der Bogen zur Selbstevaluation wutde den Referentinnen aus denModellorten vorgelegt und von diesen fachlich evaluiert (vgl. Kap. 4).Er ist im Anhang II des Buches abgedruckt.

1.5 Fortbildungsmaterialien/Curriculum für dieTagespflege

In Bezug auf die Entwicklung von Praxismaterialien stellte sich dieFrage: Wie müssen schriftliche Materialien inhaltlich, methodisch,didaktisch gestaltet sein, um sich für Referentinnen als fachlichhilfreich bei der Durchführung qualifizierter Fortbildungsveran-staltungen für Tagesmütter zu erweisen?

Dieser Aspekt der Projektarbeit — die Erarbeitung von Praxismate-rialien auf Basis der Erhebungen und evaluierten Fortbildungspro-

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r7A Susanne Stempinski, Karin Weiß

gramme - erwies sich als Aufgabenstellung, die weit über eine reinePraxisevaluation hinausging, da es sich vorrangig um Entwicklungs-arbeit handelte. Es stellte sich heraus, daß das Projektteam - wenigerals anfangs angenommen - vorhandenes Fortbildungsmaterial weiter-entwickeln und überarbeiten oder ganz übernehmen konnte. Es wur-de vielmehr notwendig, überwiegend eine Neu-Entwicklung von cur-ricularen Elementen vorzunehmen, da in vielen Aspekten schriftlichesMaterial gar nicht oder nur unzulänglich vorhanden war und diehospitierte Praxis im Laufe des Projekts z.T. als wenig angemessen er-schien (z.B. zu wenig Bezug zur Praxis der Tagespflege). Diese Auf-gabenstellung forderte in hohem Maße das interdisziplinäre undkreative Potential der beteiligten Wissenschaftler!nnen, die sich fürdiese Arbeit jeweils auch in die inhaltlichen Themenstellungen einesTagespflege-Curriculums einarbeiten mußten.

Es wurde ein Themen- und Ablaufplan für ein Curriculum ent-worfen (s. Kap.5) und ein formales „Gerüst" für die curricularenElemente erstellt - mit Bestandteilen wie einem Leitfaden für Refe-rentinnen, Handreichungen für Teilnehmerinnen und Hinter-grund-Infos (vgl. Kap. 6). Nach diesem „Bauplan" „konstruierte"jede Wissenschaftlerin unter Zuhilfenahme von Fachliteratur und -in geringem Umfang - auch unter Zugriff auf schriftliches Material{Curricula, Unterlagen von Referentinnen, dokumentierte Hospi-tationen) verschiedene Fortbildungsveranstaltungen. Die Qualitäts-merkmale, die zuvor für die Gestaltung von Tagespflege-Qualifizie-rung formuliert wurden, gaben die Richtschnur und Orientie-rungshilfe ab, um die Themen, Inhalte und Methoden zielgrup-pengerecht entwickeln zu können (vgl. Kap. 6).

Auch diese Materialien wurden einer Evaluation unterzogen. Einrepräsentativer Teil der ausgearbeiteten curricularen Elemente (eineMappe mit neun Veranstaltungen im Umfang von 28 Unterrichts-stunden a 45 Minuten) wurde an die am Modellprojekt beteiligtenReferentinnen verschickt. In Gruppen- und Einzelgesprächen vorOrt wurden diese Elemente hinsichtlich Aufbau, Gestaltung undInhalt evaluiert. Durch dieses Verfahren erhielt das Projekt-Teamvon 26 Fachktäften eine fundierte fachliche Rückmeldung zu denneu entwickelten curricularen Elementen.

Als weiteres zentrales Projektergebnis wird ein fachlich ausgear-beitetes Curriculum für die Grundqualifizierung von Tagespflege-personen im Umfang von 160 Unterrichtsstunden erarbeitet wer-den und voraussichtlich im 2. Quartal 2002 vorliegen.

Lis Keimeleder

2 Die Ergebnisse der Erhebungen an denModellorten

I

Die im Rahmen des Projektantrags formulierte Ausgangssituationin der Tages pflegequalifizier ung wurde durch die vorliegenden Er-genbisse bestätigt: Die untersuchten Ausbildungsprogramme unter-scheiden sich voneinander hinsichtlich zeitlicher Struktur, Inhalte,Methoden und personeller Ausstattung. Im nächsten Abschnittwerden die untersuchten Curricula anhand ihrer zentralen Merk-male skizziert. Daran schließt sich eine Darstellung und kritischeBetrachtung der wesentlichen Ergebnisse zur Arbeitssituation derpädagogischen Fachkräfte an. In den darauffolgenden Abschnit-ten werden Ergebnisse zur Situation der Fortbildung an den Mo-dellorten im Kontext anderer Säulen der fachlichen Unterstützungsowie die wichtigsten Ergebnisse der Befragung der Teilnehmerin-nen der Kurse dokumentiert. Im fünften und letzten Abschnitt die-ses Kapitels werden die Ergebnisse zusammenfassend gewürdigt,insbesondere vor dem Hintergrund der Eindrücke und Ergebnisseaus den teilnehmenden Beobachtungen.

2.1 Die untersuchten Curricula

Die jeweils an den Modellorten realisierten Fortbildungsprogram-me wurden einer eingehenden wissenschaftlichen Evaluation unter-zogen. Es wurden die Perspektiven aller Personenfgruppen), die fürdie Konzeption und Durchführung der Fortbildung verantwortlichsind (Träger, Jugendämter, Pädagoginnen) sowie der Teilnehme-rinnen (Tagespflegepersonen) und indirekt Betroffenen (Eltern) er-hoben. Dabei wurde ein multimethodisches Vorgehen gewählt:Dokumentenanalysen, teilnehmende Beobachtung, Videoaufnah-men, schriftliche Befragungen, Einzel- und Gruppeninterviews stel-len sicher, daß die Sichtweisen aller Beteiligten Berücksichtigungfinden und umfassendes Datenmaterial über Konzepte, Inhalte,

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26 Lis Keimeleder

Merhoden, intendierte und nicht-intendierte Effekte der Fortbil-dungsprogramme gewonnen werden konnte (vgl. Kapitel 1 und inder Anlage). Die Qualifizierungsprogramme wurden hinsichtlichihrer Ziele, Struktur, Inhalte, methodischer Umsetzung, Rahmen-bedingungen, Abschlußmodalitäten sowie ihrer trägerspezifischenMerkmale ausgewertet.

2.1.1 Aufbau, Gesamtumfang und Zielsetzungen derCurricula

Aus der Analyse der zur Verfügung stehenden schriftlichen Unter-lagen der Modellorte wird ersichtlich, daß die Qualifizierungspro-gramme an den Modellorten jeweils in einem mehrjährigen Entste-hungsprozeß „gewachsen sind". Teilweise lagen dem Projekt-Teamzu einem Ort mehrere aufeinanderfolgende Versionen bis zu demaktuellen Programm vor. Der Aufbau der Kurse wird stark be-stimmt durch die regionalen Rahmenbedingungen und die Anfor-derungen der jeweiligen Zielgruppen.

Die Teilnehmerinnen besuchen in der Regel über einen Zeit-raum von neun Monaten bis eineinhalb Jahren Fortbildungsveran-staltungen. Der Gesamtumfang der untersuchten Programme liegtzwischen 132 und 195 Unterrichtsstunden. Die meisten weisenzwischen 160 und 170 Unterrichtsstunden auf, was der Empfeh-lung des tagesmütter Bundesverbands entspricht. Eine Besonderheitstellt dabei ein Kurs dar, der sich gezielt an ausgebildete Erzieherin-nen wendet und einen reduzierten Stundenumfang von 70 Unter-richtsstunden aufweist.

Die Struktur der Kurse weicht stark voneinander ab. An man-chen Orten wird das Curriculum in einem einzigen durchgehendenKurs behandelt. Andernorts wird der Kurs unterteilt in mehrereQualifizierungsabschnitte, z.B. in Orientierungs- bzw. Vorberei-tungskurs, Grundkurs und Aufbau- bzw. Weiterbildungskurs sowieNachqualifizierungen. Teilweise werden schon einzelne Fortbil-dungsabschnitte mit einem Zertifikat abgeschlossen. Ansonsten zer-tifizieren die Träger die Teilnahme an der Fortbildung erst, wenndas gesamte Programm vollständig absolviert ist. An einigen Ortenwird die Lizenz des tagesmütter Bundesverbands vergeben. Im Rah-men der Qualifizierung wird an einigen Orren von den Kursteil-nehmerinnen zusätzlich der Besuch einer Beratungsgruppe bzw. ei-nes Gesprächskreises erwartet. Jedoch finden nicht überall solche anAustausch orienrierten Veranstaltungen statt (teilweise übernehmen

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 27

andere Träger dieses Angebot außerhalb der Qualifizierung). Diemeisten Programme beinhalten eine vorbereitende Qualifizierung,die Tagespflegelnteressentlnnen eine Entscheidungshilfe bieten soll,ihre Erwartungen und Motivation zur Aufnahme der Tagespfle-gctätigkeit zu überprüfen. In der Regel ist ein Erste-HÜfe-am-Kind-Kurs zusätzlich zu absolvieren. Dieser wird im Kursprogramm an-geboten.

Die folgenden Darstellungen geben einen Überblick über dieKursstruktur an den Modellorten.

Paritätisches Bildungswerk BremenOrientierungskurs Grundkurs Aufbaukurs(12Ustd.) 73Ustd. 120Ustd.oder Informationsabend(3 Ustd.)

insgesamt 193 Ustd. c=C> Zertifikat des Paritätischen Bildungswerks(Orientierung/Informationwird nicht mitgerechnet)zusätzlich: ständige .stadtteilorientierte Beratungsgruppen

Tages- und Pflegeeltern Kreis Böblingen e. V.Pflichtkurs36 Unterrichtsstunden(incl. 12 Ustd.Vorbereitungskurs)

Zertifikat des Vereins(insgesamt 36 Ustd.)

Weiterbildungskurse I-HlWeiterbildungskurs I 45 Ustd.Weiterbildungskurs II 39 Ustd.Weiterbildungskurs III40 Ustd.

Lizenz des tagesmütter Bundesverbands(insgesamt 160 Ustd.)

Sozialdienst katholischer Frauen, SkF -Grundkurs12 Ustd.(4 Abende)zustätzlich:ständige Stadtteilgruppen

insgesamt 132 Ustd.

Aufbaukurs90 Ustd.(10 Samstage)

- Tageseltern e.V. EssenGesprächskreis30 Ustd.(10 Abende)

als Gespächs- und Beratungsangebot

•=> Zertifikat des Vereins

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Lis Keimeleder

Tagesmütter und -väter e.V. Landkreis HarburgVorbereitungskurs Grundkurs12 Ustd. 100 Ustd.4 Abende 2 Abende/Woche

(ca. 3 Mon.)

Zertifikat des Vereins(112 Ustd.)

Aufbaukurs48 Ustd.6 Samstage(ca. 6 Mon.)

Lizenz des tagesmütterBundesverbands

(160 Ustd.)

Ländliche Erwachsenenbildung e.V. Parchim(Modellstandorte: Neubrandenburg und Parchim)

insgesamt 170 Ustd. i £> Lizenz des tagesmütter Bundesverbandsdurchgängiger Fortbildungskurs

Ländliche Erwachsenenbildung e.V. Parchim(Modellstandort Rostock)

insgesamt 70 Ustd. c=£> Lizenz des tagesmütter BundesverbandsFortbildungskurs nur für Erzieherinnen

Volkshochschule Neustadt an der WeinstraßeLehrgang135 Ustd.insgesamt 195 Ustd.

Nachqualifizierung60 Ustd.

i > vhs-Zertifikat

Volkshochschule PrümLehrgang Nachqualifizierung142 Ustd. 40 Ustd.insgesamt 182 Ustd. \ > vhs-Zertifikat

Volkshochschule BitburgLehrgang Nachqualifizierung142 Ustd. 30 Ustd.insgesamt 172 Ustd. i > vhs-Zertifikal

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 29

Die Ziele, die mit der Qualifizierung angestrebt werden, liegen —soweit sie von den befragten Pädagoginnen formuliert wurden -auf drei Ebenen:

— Qualifizierungsziele für die Teilnehmerin— Ziele für die betreuten Kinder— Ziele für Tagespflege als Betreuungsform

Es wird deutlich, daß die Qualifizierung in der Tagespflege als viel-schichtiges Qualifizierungsgeschehen wahrgenommen wird. Wie injedem komplexen System sind Wechselwirkungen sowie direkteund indirekte Auswirkungen zu erwarten (vgl. Abbildung).

Abbildung: Qualifizierungsziele

indirekt

direkt

indirekt

Explizite und implizite Qualifizierungsziele fiir die Teilnehmerinnen:Neben dem direkten Wissens- und Handlungszuwachs in denfachlichen Disziplinen der Tagespflege spielen vor allem die Ge-sichtspunkte eine Rolle, die speziell die für die Frauenbildung typi-schen impliziten emanzipatorischen Bemühungen kennzeichnen.So sind gerade auch die Ziele „Förderung des Kompetenzbewußt-seins und der Selbstsicherheit", einen „eigenen Standpunkt finden"und „professionelles Bewußtsein entwickeln", übergreifende Ziele,die immer wieder genannt wurden.

Ziele fiir das Tageskind: Die Qualifizierung wird in erster Linie alsnotwendig hinsichtlich der Verbesserung der Betreuungssituationder Tageskinder gesehen. Die betreuten Kinder sollen profitieren,z.B. von dem Wissen und Verständnis über kindliche Entwicklung/kindliche Bedürfnisse, das der Tagesmutter durch Qualifizierung

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30 Lis Keimeleder

erwächst, aus der Auseinandersetzung der Tagesmutter mit eigenenEinstellungen und Handlungsmustern sowie durch ihr Wissen überdie Besonderheiten des Zwei-Familien-Systems Tagespflege. Eswird als ebenso wichtig gesehen, daß sich die positiven Effekte derFrauenbildung auf die Persönlichkeit der Tagesmutter und damitauch auf die Betreuungsbeziehung und Betreuungsqualität auswir-ken.

Ziele für die Tagespflege als Betreuungsform: Durch einen Zugewinnan Selbstsicherheit und professionellem Selbstverständnis bei denTagesmüttern werden Verbesserungen auch für die Strukturen derTagespflege erhofft, was deren gesellschaftliche, finanzielle und be-rufliche Rahmensituation betrifft. Der Kreis derjenigen, die ihr En-gagement für die Tagespflege auch öffentlich und politisch einset-zen (z.B. durch Herausgabe einer Vereinszeitung) soll größer undwirksamer werden. Es wird ebenfalls längerfristig ein Zugewinn ansozialer Anerkennung für die Tagespflege und die Tätigkeit der Ta-gesmütter mittels Qualifizierung angestrebt.

Auch die konkreten Strukturen vor Ort sollen sich verbessern:die Isolation der Tagesmütter soll aufgehoben werden und ein regerAustausch von Erfahrungen und Informationen soll stattfinden.Kennenlernen und Vernetzung (mit anderen Tagesmüttern, Ver-einen, Institutionen) und der Aufbau gegenseitiger Unterstützungs-und Vertretungsgemeinschaften (im Urlaubs- und Krankheitsfalle)sind weitere wichtige Ziele, die durch Qualifizierung erreicht wer-den sollen.

Übergreifend wurde auch das Ziel benannt, die bisher erreichtenQualitätsstandards in der Tagespflege durch eine verbindliche undbundesweit einheitlich geregelte Qualifizierung sichern zu wollen.

2.1.2 Thematische Schwerpunkte, Inhalte und Methoden

Die thematische Zuordnung der einzelnen Kurs-Veranstaltungenzu Themenschwerpunkten in den Programmen wurde weitgehendaus den vorliegenden Kursunterlagen zusammengestellt. Wo diesnicht möglich war, wurde nach Ermessen eine Einteilung vorge-nommen, obwohl dem Forschungsteam bewußt ist, daß diese Re-konstruktion zum Teil die Zuordnung der behandelten Inhalte ent-stellt abbilden könnte. Nicht alle Kufsbeschreibungen gaben ausrei-chend Aufschluß über die behandelten Inhalte.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 31

In der Aussagekraft der Kursbeschreibungen lassen sich deutlicheUnterschiede wahrnehmen. Manche Veranstaltungstitel wurdeneher überblicksartig in Einwortbeschreibungen formuliert, andereeher ausführlich mit zusätzlicher Legende. Es fiel auf, daß sie sichan manchen Orten eher an einem Fächerkanon orientieren (z.B.„Soziologische und familiensoziologische Grundaussagen"), wäh-rend sie an anderen Orten eher auf die Tagespflegepraxis bezogenwerden und teilweise auch in Frageform die Teilnehmerinnen an-sprechen sollen („Einführung in die Entwicklungspsychologie: Wasmuß die Tagesmutter/Kinderfrau darüber wissen? An was erkenntsie den Entwicklungsstand des Kindes, wie erkennt sie seine Be-dürfnisse?").

Generell stellt sich das Problem, daß die formulierten Überthe-men (z.B. Pädagogik/Psychologie) kaum eindeutig gegeneinanderabgrenzbar erscheinen. Die errechneten Stundenzahlen sind inso-fern von begrenzter Aussagekraft und dienen einer allgemeinenOrientierung. Einen Überblick über die Themen Verteilung inner-halb der Qualifizierungsprogramme an den Modellorten geben dienachstehenden Zusammenfassungen.

Landkreis BobhngenTagespflege als Betreuungsform ./.r>:H:^[:

Pädagogik

PsychologieSoziologieRechtUmwelt/GesundheitKo m mun ikation/KooperalionZertifizierungEthik und Kultur

nsgesamt

3remenPädagogik/Psychologie ..KooperationTagespflege als BetreuungsformKursreflexionGesundheit^echt/ Finanzen

nsgesamt

Unterrichtsstunden3733301512g

96

3

154 (excl. Erste-Hilfe-Kurs)

Unterrichtsstunden97

••382515126

193 (excl. Erste-Hilfe-Kufs)

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32

EssenPsychologiePädagogikTagespflege als BetreuungsformGesundheitKommunikationSonstiges (z.B. „Mit Kind und Kegel in den Urlaub")SoziologieErste Hilfe am KindReligiöse Erziehung : • . . ' ; .

insgesamt

Landkreis Harburg '"Pädagogik •PsychologieTagespflege als BetreuungsformSoziologieRechtGesundheit/ErnährungKommunikation/KooperationZertifizierungEthik und Kultur

insgesamt

NeubrandenburgPädagogik :

Tagespflege als Betreuungsform • .SoziologiePsychologieVorbereitungskursErste Hilfe am KindRechtEthikKooperation/InstitutionenKolloquium/Kursabschluli

insgesamt

NeustadtPädagogik

Psychologie - , : ; : . • • ' . " .'- .''.•'•"GesundheitSoziologie ": ' •• :; : 'Prüfung/ReflexionRechtTagesmutterzentrierte ThemenErste Hilfe am KindEthik und Kultur

insgesamt

Lis Keimeleder

Unterrichtsstunden36271512129993

132

Unterrichtsstunden4036

I V16118888

• 152 (excl. Ersie-Hilfe-Kurs).

Unterrichtsstunden .". •50

38202Q1210

9643

170

Unterrichtsstunden5120 '.15141310552

135

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten

ParchimPädagogikTagespftege als BelreuungsformSoziologiePsychologieVorbereitungskursErste Hilfe am Kind •• -RechtEthik und KulturKooperation/InstitutionenKolloqutum/Kursabschluß :

insgesamt

Bitburg/PrümErziehungslehreSpielpädagogikSoziales ManagementPsychologieGesundheitslehreBewegungserziehungSoziologieRechtskundeWiederholung/Prüfung ... .Grundlagen der Tagesbetreuung

insgesamt '• •'. V >f.!J/:':. \ t V : c f c

Rostock (Erzieherinnen)Tagespfiege als Betreuungsform -VorbereitungskursErste Hilfe am KindRecht

Insgesamt

Unterrichtsstunden503520201210

Q

6

3

170

Unterrichtsstunden2622181414111010107

142 (excl. Ersie-Hilfe-Kurs)

Unterrichtsstunden4012108

70

In der (vergleichenden) Auswertung der Inhalte und methodischenZugangsweisen in den unterschiedlichen Programmen kristallisier-ten sich folgende Aspekte heraus, die insgesamt verbesserungswür-dig erscheinen:

a) Orientierung an der Ausbildung von Erzieherinnenb) Bezug zur Tagespflegec) Qualifizierung von Tagespflegepersonen als Frauenbildung

Diese weitgehend in allen Programmen vorfindbaren Tendenzenbzw. Desiderate sollen nachfolgend erläutert werden.

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Lis Keimeleder

a) Orientierung an der Ausbildung von ErzieherinnenEs gibt Anzeichen dafür, daß sich manche Programme - eher im-plizit und vor allem in bestimmten Programmteilen — an der Fort-bildung für Erzieherinnen orientieren. Indizien dafür finden sichspeziell in den Bereichen Entwicklungspsychologie und Pädagogik,deren eher schulische Aufteilung in getrennte Fächer und stfikteStoffvorgaben an die Lehrpläne für Erzieherinnen bzw. Kinderpfle-gerinnen erinnert. Zwei Faktoren könnten dazu beitragen: zum ei-nen die Intention, durch die Nähe des Tagespflege-Lehrplans zuden Lehrplänen bereits anerkannter Berufe der Fortbildung vonTagespflegepersonen ein größeres fachliches Gewicht zu verleihen;zum anderen sind einige der Curriculum-Entwicklerlnnen und Re-ferentinnen in der Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen undKinderpflegerinnen tätig und ihnen mag eine Übertragung der In-halte und Methoden naheliegend scheinen.

Bei der Übertragung von Ansätzen aus dem institutionellen Be-reich besteht die Gefahr, die strukturellen Unterschiede zwischeneiner Förderung von Kindern in Tagespflege — also im familiärenKontext - und in Institutionen zu vernachlässigen. Zum anderenstellt sich die Frage, ob es — zumal angesichts der relativ kurzenFortbildungsdauer — sinnvoll ist, Tagesmüttern z.B. entwicklungs-psychologische Stufenlehren beizubringen, ohne danach zu fragen,welche Relevanz dies für ihr Verhalten im Alltag hat. Gerade imFach Entwicklungspsychologie wurde mehrfach im Rahmen derHospitationen eine Stoffülle beobachtet, die die Aufnahmekapazitätder Tagespflegepersonen überforderte und die letztlich unter lern-psychologischen Gesichtspunkten den Transfer in die Praxis frag-lich erscheinen läßt. In der gegenwärtigen Fachdiskussion wird diebisherige Ausrichtung der Erzieherinnen-Ausbildung grundlegendkritisiert: So heißt es z.B. in einer Stellungnahme der AGJ: „Spezifi-sche Inhalte (etwa nach einem Fächerkanon) verlieren (... ) insge-samt an Bedeutung, während die exemplarische Bearbeitung undVertiefung von praxisrelevanten Schwerpunkten und die entspre-chende Befähigung zum Erwerb von Schlüsselkompetenzen, Er-kenntnissen und Einstellungen an Bedeutung gewinnen." (Arbeits-gemeinschaft für Jugendhilfe, 1999, S. 8f. )

b) Bezug zur TagespflegeDie Ergebnisse der Hospitationen zeigen, daß sich die Veranstal-tungen sehr dahingehend untetschieden, ob sowohl bei der Formu-lierung des Themas als auch in der Durchführung immer wieder

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 35

Bezug genommen wurde auf typische Situationen in der Tages-pflege oder ob der Transfer in ihr Praxisfeld den Tagespflegeperso-nen weitgehend selbst überlassen wurde. Ebenso wurde auf die Er-fahrungen, die die Teilnehmerinnen aus ihrer Tagespflegetätigkeit- bzw. ihrer bisherigen sonstigen Erziehungstätigkeit — mitbringen,in sehr unterschiedlicher Intensität eingegangen. Auch methodischeAnsätze, die den Transfer in die Praxis fördern, wurden in sehrunterschiedlichem Ausmaß genutzt.

Es ist zu vermuten, daß zum einen fehlende Erfahrungen undKenntnisse mancher Referentinnen auf dem Gebiet der Tagespflegedazu beitrugen, daß ein Thema nicht spezifisch auf dieses Tätig-keitsfeld bezogen wurde. Zum anderen kann es selbst für versierteund tagespflegeerfahrene Referentinnen schwierig sein, die Ta-gespflegeSpezifik eines Themenkomplexes zu erkennen und praxi-sorientiert umzusetzen. Teilweise wurde unseres Erachtens auch zuwenig von den Fragen und Problemen ausgegangen, die die Teil-nehmerinnen aus ihrem konkreten Alltag in die Fortbildung mit-bringen. Bei Fragen der Entwicklung und Förderung von eigenenund aufgenommenen Kindern in TagespflegefamiÜen, also in denBereichen der Entwicklungspsychologie und Pädagogik, fiel dieseUnsicherheit besonders auf.

c) Qualifizierung von Tagespflegepersonen als FrauenbildungEs wurde deutlich, daß nicht in allen Programmen bewußt berück-sichtigt wird, daß es sich bei der Qualifizierung von Tagespflege-personen nahezu ausschließlich um Frauen handelt. Dies zeigte sichbeispielsweise am Sprachgebrauch und der Verwendung von männ-lichen Sprachformen.

Jenseits einer Definition von Geschlechterdifferenz ist es not-wendig, die geschlechtsspezifische Verteilung von Arbeit und Rol-len in Beruf und Familie zu teflektieren, mit dem Ziel, die Ent-wicklungs-, Wahl- und Entscheidungsspielräume von Frauen zu er-weitern. Professionell verstandene Erziehung und Beziehungsge-staltung erfordern ein Bewußtsein darüber, welche geschlechtsspe-zifischen „Botschaften" an die Kinder transportiert werden. Aufdem Weg dazu müssen „gesellschaftlich suggerierte Weiblichkeits-vorstellungen, die meist nicht erreicht wetden und deshalb ein ne-gatives Selbstbild erzeugen können, (...) im Alltag immer wieder ab-gewiesen werden" (Gieseke, 1995a, S. 44).

Außerdem ist es aus Sicht des Evaluationsteams wichtig, daß diestrukturelle Isoliettheit von Tagesmüttern in ihrer Tätigkeit als ty-

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Lis Keimeleder

pisches Frauenthema beachtet und im Fortbildungskonzept berück-sichtigt wird. Das Bedürfnis nach partnerschaftlicher Zusammen-arbeit in der Gruppe und dem Einbringen eigener Erfahrungen —wie es auch in den Antworten der Tagesmütter in Interviews undschriftlicher Befragung zum Ausdruck kommt — muß in diesemKontext gesehen werden.

Weiterhin verdienen das Ziel einer Stärkung des Selbstbewußt-seins der Teilnehmerinnen und ein Anknüpfen an vorhandenenRessourcen als Basis von Lernprozessen und Verhaltensänderungenin einer Frauengruppe besondere Beachtung (vgl. Sauer 1993,Schiersmann 1997a). In diesem Zusammenhang ist interessant, daßmanche Programme im Modellprojekt Anforderungen an die Teil-nehmerinnen stellten (z.B. Protokoll führen, selbst Spiele und Kin-derbücher in der Gruppe vorstellen, eine Hausarbeit schreiben), dievon den Teilnehmerinnen selbst — im Gruppen interview - als zwaranstrengend, aber gleichzeitig positiv für das eigene Selbstbewußt-sein geschildert wurden („Ich habe gar nicht gewußt, daß ich dasschaffe!").

Wie diese Anforderungen (Empowerment-Aufgaben) von Teil-nehmerinnen akzeptiert und antizipiert werden, hängt vermutlichdamit zusammen, wie diese Anforderungen eingeführt und begrün-det werden. Ebenso ist wahrscheinlich von Bedeutung, ob eine un-terstützende Betreuung und Begleitung, z.B. von schriftlichen„Hausarbeiten" oder Prüfungsaufgaben, durch die Referentin statt-findet. In den Orten, deren Kursprogramme diese Anforderungennicht aurweisen, gaben die Teilnehmerinnen bei ihrer Befragungstarke Ängste und eine abwehrende Haltung zu erkennen, z.B. beineu einzuführenden Prüfungsmodalitäten, die eher an schulischeStandards erinnern.

2.1.3 Rahmenbedingungen und Abschlußmodalitäten

In der Frage der Rahmenbedingungen der Kurse finden sich großeUnterschiede, die erhebliche Auswirkungen auf die Fortbildungsar-beit haben können. Insbesondere zwei Aspekte - die Zusammenset-zung der Fortbildungsgruppe und die Kursleitung ~ erscheinen beson-

5 Generell gilt dies für alle in der familialen Erziehungsarbeit Tätigen. Junge-Frauen betonen, daß sie sich mit den familialen Aufgaben allein gelassenfühlen und signalisieren gegenüber Weiterbildungsinstitutionen einenWunsch nach Unterstützung und Information (Gieseke 1997c).

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 37

ders hervorhebenswert. So gibt es einerseits Programme, in denenüber einen längeren Zeitraum eine bestimmte Kursleiterin für einein ihrer Zusammensetzung konstante Gruppe von Tages pflegeper-sonen zuständig ist. Zu bestimmten Themen werden dann meistenszusätzliche Referentinnen hinzugezogen, aber die Kursleiterlnbleibt auch bei diesen Veranstaltungen dabei. Bei dieser Varianteentsteht im allgemeinen in einem intensiven Kooperations- undVerständigungsprozeß ein enger persönlicher Bezug sowohl derGruppenteilnehmerinnen zueinander als auch zwischen Gruppeund Kursleiterln. In ähnlicher Struktur wurde auch die Gruppenar-beit im Tagesmütter-Projekt der 70er Jahre (vgl. Bundesministeri-um für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1996) durchgeführt,und dieses Konzept fand ebenfalls im Tages pflege-Projekt MaintalAnwendung (vgl. Kauert & Heibig 1994, 1995). Zweifellos ist diefachliche Kompetenz der Kursleiterln bei diesem Ansatz von be-sonderer Bedeutung.

Ein anderes Modell, das sich gewissermaßen am entgegengesetz-ten Ende der Skala befindet, sieht vor, daß sich die Gruppe proVeranstaltung aufgrund des Interesses an dem jeweiligen Themazusammensetzt und daher jedesmal variiert. Die Veranstaltungenwerden außerdem von jeweils unterschiedlichen Referentinnendurchgeführt. Zwar treffen die Tagespflegepersonen in den Veran-staltungen zufällig wieder zusammen, es ist aber nicht von einemkontinuierlichen Gruppenprozeß auszugehen. Auf Seiten der Refe-rentinnen kann auch nicht an vorherigen Lernerfahrungen ange-knüpft oder auf spätere Sequenzen verwiesen werden. Das Konzeptder Fortbildung im Bausteinsystem findet hier seine Umsetzung.

Zwischen diesen beiden Modellen gibt es verschiedene Variantenmit größerer und geringerer Konstanz von Teilnehmerinnen-Gruppe und Referentinnen.

Ein weiterer Aspekt in den Rahmenbedingungen, der die Fort-bildungsarbeit beeinflussen kann, stellt die an manchen Modellor-ten angebotene Möglichkeit der kursbegleitenden Kinderbetreuungdar. Bei Veranstaltungen, die untertags stattfinden, muß - mit Aus-nahme der Wochenenden — fast zwangsläufig eine Kinderbetreuungangeboten werden. Erfahrungsgemäß sind Mütter, deren Kinder inräumlicher Nähe betreut werden, im Kurs immer wieder abgelenkt.Meist gibt es einige Kinder, die gelegentlich in die Fortbildungs-gruppe kommen und sich ihrer Mütter versichern wollen. Kursemit Kinderbetreuung sind in der Regel weniger konzentriert undbrauchen deshalb unter Umständen mehr Zeit. Generell sind bei

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38 Lis Keimeleder

der kursbegleitenden Kinderbetreuung weitere Punkte zu berück-sichtigen, um sie sinnvoll in Hinblick auf die Qualifizierung unddie Bedürfnisse der Kinder zu gestalten (vgl. Kapitel 5).

Nicht zuletzt ist ein weiterer Unterschied in den Modellpro-grammen in den Teilnahmekosten zu sehen. An den Modellortenwurden Teilnahmebeiträge erhoben, die sich in einem Spektrumvon DM 36,— bis 300,- für den Grundkurs bewegen. Die Kostenwerden teilweise bei erfolgreichem Kursabschluß zurückerstattetund/oder sind mit einer Mitgliedschaft in einem Verein und z.B.einer günstigen Möglichkeit für eine Berufshaftpflichtversicherungverbunden. Es ist zu bedenken, daß, da die Teilnahme mit keinenfinanziellen Statusverbesserungen für die Tagesmutter verbundenist, der finanzielle Aufwand in keiner Relation zu den zu erwarten-den Einnahmen in der Tagespflege steht. Es könnten auch potenti-elle Teilnehmerinnen aus diesem Grunde von einer Qualifizierungabsehen. Grundsätzlich sollte eine Finanzierung aus öffentlichenHaushalten und damit eine Kostenfreiheit für die Teilnehmerinnenangestrebt werden.

Abschlußmodalitäten: An acht von neun beteiligten Modellortenwurden unterschiedliche Prüfungsformen bestehend aus mehrerenElementen praktiziert bzw. beobachtet. Einige davon befinden sichnoch im Experimentierstadium - bei anderen liegen bereits um-fangreiche Erfahrungen mit der Prüfungsgestaltung vor. Die Prü-fungskandidatinnen absolvieren in der Regel ein mündliches Kol-loquium. Teilweise werden ergänzend schriftliche Prüfunesleistun-gen verlangt.

Für den mündlichen Teil wird an allen Orten die Fotm desGruppengesprächs mit zwei bis vier Teilnehmerinnen gewählr. Häu-fig bereiten die Kandidatinnen ca. 10- bis 15minütige Vorträge vorund präsentieren sie nacheinander der Prüfungskommission. DieThemenstellung wird innerhalb der Dreiergruppe und mit derKursleitung vorher abgesprochen und orientiert sich an den Nei-gungen der jeweiligen Teilnehmerinnen. Dabei dürfen mitee-brachte Unterlagen wie z.B. Manuskripte benutzt wetden, auch An-schauungsmaterialien wetden zuweilen mitgebracht. An jeden Vor-trag schließt ein Fachgespräch an, in das meistens auch die anderenTeilnehmerinnen einbezogen werden. Wird kein mündlicher Vor-trag verlangt, so kann auch eine schriftliche Hausarbeit den Aus-gangspunkt für das Fachgespräch bilden, oder es findet eine münd-liche Befragung über ein vorher abgestecktes Themenspektrum

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 39

statt. Teilweise werden im Rahmen des Abschlußkolloquiums auchkreativere Formen wie z.B. Rollenspiele von den Teilnehmerinnenumgesetzt.

Die Auswahl und Bandbreite an behandelten Themen wird sehrunterschiedlich gehandhabt. Während das Curriculum des tages-mutter Bundesverbands vorgibt, daß die Teilnehmerinnen in denKolloquien Kompetenz in den sechs zentralen Themenfeldernnachweisen sollten, wird im Rahmen anderer Konzepte eher Wertgelegt auf eine vertiefte exemplarische Behandlung einer einzigenFragestellung. Das Fachgespräch eignet sich weniger zum Abfragenvon Detailwissen, sondern soll vorwiegend zeigen, daß die Kandi-datinnen in der Lage sind, ihre Tages pflege-Praxis mit der gelern-ten Theorie zu verbinden und sich darüber fachlich auszutauschen,sowie ihr Reflexions vermögen zu dokumentieren. Die Gesprächs-führung orientiert sich eher daran, Stärken der Teilnehmerinnensichtbar zu machen als systematisch nach Schwächen zu suchen.

Häufig wird zusätzlich eine schriftliche Prüfung durchgeführt. Aneinem Ort haben die Ptüfungskandidatlnnen z.B. 100 MinutenZeit, einen Katalog mit 18 Fragen aus fünf Themenfeldern zu be-antworten. Dabei wird den Kandidatinnen im Vergleich zu ande-ren Prüfungs formen relativ wenig Spielraum gelassen, eigene Ge-staltungsimpulse einfließen zu lassen und den Verlauf der Prüfungselbst mitzubestimmen. Die Referentinnen stehen zudem vor derAufgabe, für jeden Kurs neue Prüfungs fragen entwickeln zu müs-sen.

Eine weitere Variante ist die schriftliche Hausarbeit. Sie witd vonden Fortbildungsteilnehmerinnen an zwei Modellorten selbständigüber einen längeren Zeitraum parallel zum Kurs bearbeitet. DieThemenwahl erfolgt nach Neigung in Absprache mit der betreuen-den Referentin/dem betreuenden Referenten. Mit dieser Prüfungs-form wird aus dem relevanten Qualifikationsspektrum ein telativkleiner Ausschnitt exemplarisch erarbeitet. Zum Teil werden dieHausarbeiten der Teilnehmerinnen-Gruppe vorgetragen und ge-meinsam diskutiert. Die Referentinnen betonen den sehr hohenZeitaufwand, den die intensive persönliche Anleitung und Betreu-ung sowie die Bewertung der Ergebnisse erfordert.

An einem der Modellorte wutde der schriftliche Teil der Prü-fung (Hausarbeit) versuchsweise als Gruppenarbeit anhand vorge-gebener Fallstudien durchgeführt, was von den Teilnehmerinnenausgesprochen positiv angenommen wurde und gute Ergebnissehervorgebracht hat.

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Das Ergebnis der Abschlußprüfung drückt sich in den meistenFällen in den Kategorien „bestanden" bzw. „nicht bestanden" aus.Eine Benotung der Prüfungsleistung wird deutlich skeptisch betrach-tet. Teilweise ergibt sich aus der Prüfungsform, daß ein echter Lei-stungsvergleich nicht stattfinden kann. Die Ergebnisse sind kaummiteinander vergleichbar. Andererseits soll der Eindruck vermiedenwerden, daß z.B. eine Tagespflege-Kandidatin mit einer „Ab-schlußnote Zwei" als die bessere Tagesmutter wahrgenommen wer-den könnte im Vergleich zu einer Absolventin mit der „Abschluß-note Drei".

Grundsätzlich muß berücksichtigt werden, daß die Teilnehme-rinnen nicht im Rahmen der praktischen Arbeit im Tagespflegealltaggeprüfi werden. Bewertet werden ausschließlich Kenntnisse und Fä-higkeiten, die in der Fortbildungssituation zum Ausdruck kommen.Es wurde die Möglichkeit diskutiert, den Umgang mit Kindern imFamilienhaushalt oder etwa bei gemeinsamen Aktionstagen in dieBewertung miteinzubeziehen. Das Risiko besteht, daß Kinder da-durch leicht zu Vorführobjekten werden.

Bei den meisten Prüfungsformen finden die Kurs-Teilnehmerin-nen einen relativ großen Spielraum fiir persönliche Schwerpunktset-zungen vor. Erfahrungsgemäß erhöht dies die Identifikation mitden gewählten Themen und führt zu einer intensiveren Auseinan-dersetzung mit den Inhalten. Die Teilnehmerinnen werden inner-halb und außerhalb des Kurses zu Expertinnen. Die Zusammenar-beit innerhalb der Gruppe und die gegenseitige Unterstützung (z.B.durch Anerkennung von Fortschritten) sind ein wesentlicher Teilder Lernerfahrung'.

Der Stellenwert und die Aussagekraft der Prüfiing wurden von denpädagogischen Fachkräften unterschiedlich beurteilt. Viele Refe-rentinnen wollen den Kursabschluß nicht als Prüfung im strengenSinne verstanden wissen. Sie versuchen den Begriff Prüfung zuvermeiden und bevorzugen z.B. die Bezeichnung Abschlußkollo-quium.

In der praktizierten Form erfüllt die „Prüfung" in keinem Fall ei-ne Selektionsfunktion. Je nach Träger der Qualifizierung herrscht

6 Die Prüfungsformen, die an manchen Modellorten vorgefunden wurden,entsprechen sehr dem Lernansatz des problemorienticrten Lernens (POL),der im Rahmen einer Expertise in seiner Übertragbarkeit auf die Qualifizie-rung in der Tagespflege überprüft wurde (Handgraaf/Bögemamv Großheim2000, unveröffentlichte Expertise im Auftrag des Modellprojekts).

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 41

in bezug darauf ein unterschiedliches Selbstverständnis. Währendbei einem Bildungsträger wie z.B. der Volkshochschule eine Ab-schlußprüfung mit Zertifikat und Benotung eher mit Selbstver-ständlichkeit vorausgesetzt wird, müssen sich z.B. Tageseltern-Vereine, die eher auf einer Selbsthilfe-Basis tätig sind, bei der Ein-führung einer Abschlußprüfung stärker den grundsätzlichen Fragenstellen, wer wen wie (aufweiche Art und Weise) woraufhin (Inhal-te) und wozu (zu welchem Zweck) prüfen soll. Die Notwendigkeiteiner Abschlußprüfung wird dabei weitgehend anerkannt, denn eswird davon ausgegangen, daß eine Zertifizierung die Tagespflege-tätigkeit aufwertet.

Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang dieFrage, inwieweit durch den Kursabschluß tatsächlich eine Eignungder Teilnehmerinnen für die Tätigkeit als Tagespflegeperson doku-mentiert wird. Auch wenn Referentinnen und Dozentinnen objek-tiv nicht in der Lage (und der Funktion) sind, die tatsächliche Eig-nung einer Teilnehmerin für die Tagespflegepraxis zu beurteilen, somüssen sie sich doch im klaren sein, daß das ausgestellte Zertifikatin der Öffentlichkeit durchaus als Eignungsnachweis aufgefaßtwird. In der Diskussion zeigte sich, daß viele Referentinnen sichdieser Problematik bewußt sind und sich darum bemühen, anhandder Äußerungen und des Gesamteindrucks der Teilnehmerinnen inder Qualifizierung zu einem Urteil zu gelangen, ob sie die einzelnenPersonen „mit gutem Gewissen" mit einer Lizenz des Bildungsträ-gers aus der Qualifizierung entlassen können.

Falls die Kursleitung in Einzelfällen eine Teilnehmerin oder ei-nen Teilnehmer für nicht geeignet hält und die Vergabe eines Zer-tifikats grundsätzlich nicht verantworten kann, so wird versucht,dies im Vorfeld der Prüfung mit der Teilnehmerin zu klären, undvon einem weiteren Besuch der Fortbildung abgeraten. Dies gelingtjedoch nicht immer. Manchmal findet die Vermittlung eines Ta-geskindes auch ohne Kontakt zur Kursleitung statt. Der Umgangmit dem Thema „Eignung" manifestierte sich im Verlauf der Un-tersuchung als Problemfeld im Schnittpunkt von Qualifizierungund Vermittlung.

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2.2 Arbeitsbedingungen der Referentinnen an denModellorten

„Was uns fehlt, aber ich denke, so geht es vielen Referentinnen, das ist dieserinhaltliche Austausch. Ist das so in Ordnung, wie ich's mache? Wie machen esandere? Man kann beruhigter mit so einer Sache umgehen, wenn man sieht,die machen das auch so."(Referentin in einem Qualifizierungskurs in der Tagespflege)

Die Arbeitssituation der pädagogischen Fachkräfte war als Frage-stellung im Projekt insoweit von Bedeutung, als davon ausgegangenwurde, daß die Arbeitssituation der Referentinnen und Kursleite-rinnen sich auf die Gestaltung der Fortbildungsarbeit auswirkt. DieFragen zu den Arbeitsbedingungen der Referentinnen wurden:

— im Anschluß der Hospitationen eingebracht, im Rahmen der In-terviews, die mit den jeweiligen Pädagoginnen, Kursleiterinnengeführt wurden,

— in projektinternen Workshops und Tagungen mit den beteilig-ten Pädagoginnen und Kursleiterinnen aus den Modellorten be-arbeitet,

— sowie im Rahmen von Gesprächen mit Expertinnen der Tages-pflege oder/und Erwachsenenbildung diskutiert.

Es konnten vor allem vier Aspekte in den Arbeitsbedingungen derReferentinnen, Dozentinnen und Kursleiterinnen identifiziert wer-den, die die Qualität von Fortbildungsmaßnahmen in der Tages-pflege beeinflussen können . Zu nennen sind:

a) Regelmäßigkeit und Häufigkeit des Austausches mit anderen amModellort in der Ausbildung tätigen Kolleginnen,

b) Beschäftigungsstatus,c) Qualifikation,d) räumliche und materielle Ausstattung zur Durchführung von

Fortbildungsveranstaltungen.

Die vorgefundenen Bedingungen, die für die Situation der Erwach-senenbildung allgemein als charakteristisch angesehen werden kön-nen, sollen nachfolgend verdeutlicht werden.

7 Oie dabei festgestellten Aspekte und Tendenzen können unseres Erachtens- aufgrund der hohen Übereinstimmung in den Aussagen aller Befragten -als repräsentativ für die Gesamtheit der als Fortbildnerlnncn in der Tages-pflege tätigen Fächkräfte gesehen werden.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 43

a) Regelmäßigkeit und Häufigkeit des AustauschesDie Häufigkeit von Arbeitsbesprechungen zwischen Referentinnenunterscheidet sich sehr an den untersuchten Modellorten. Sie istmeist abhängig vom Beschäftigungsstatus der Referentinnen undvon der finanziellen und personellen Ausstattung des Trägers.

In der Regel finden an den Modellorten mehr oder weniger häu-fig Teamsitzungen statt, an denen die Organisatorinnen der Fort-bildung und Kursleiterinnen teilnehmen. Diese nehmen meist zu-sätzliche Funktionen (Beratung, Vermittlung) wahr und sind mitwenigen Ausnahmen angestellt (überwiegend in Teilzeit), so daßdiese Treffen im Rahmen der Arbeitszeit stattfinden können. Dieweit überwiegende Anzahl der Referentinnen ist jedoch als fteieHonorardozentinnen tätig (s.u.) und meist im Kurs nur für einspezielles Thema zuständig. Aus tausch treffen mit allen am Kurspro-gramm beteiligten Referentinnen finden an keinem Modellort statt.

Von den Referentinnen wurde häufiger berichtet, daß der man-gelnde Austausch mit Kolleginnen zu einer gewissen Verunsiche-rung führen kann. Es wurden Selbstzweifel berichtet, die vor allemzu Beginn der Tätigkeit auftraten und damit zusammenhängen,daß die Adressatinnen, Themen und Inhalte der Fortbildung nochunbekannt waren. Viele hätten nicht nur eine bessere schriftlicheVorlage, z.B. ein Curriculum als hilfreich für den Einstieg gesehen,sondern auch die Möglichkeit zum kontinuierlichen Austauch mitden anderen Referentinnen über Themen bzw. Inhalte und Me-thoden der Fortbildung. Die Inrerviews haben gezeigt, daß einigeder Referentinnen weder Einblick in das Fortbildungsprogramm,noch Kenntnis von Tagespflege hatten. Nicht zuletzt wird kollegia-le Supervision als wünschenswert erachtet, um z.B. im Kontakt mitden Teilnehmerinnen zu einer klareren Einschätzung zu gelangenoder auftretende Konflikte zu bearbeiten.

Vor allem in der Aufbauphase eines Kurses ist ein hohes Maß anAbstimmung notwendig. Aber auch für die laufende Koordinationund Auswertung sowie für die Weiterentwicklung eines Kurskon-zepts sind regelmäßige Zusammenkünfte der beteiligten Referen-tinnen sinnvoll und hilfreich. Solche Arbeitstreffen werden als soelementar angesehen, daß sie in den Projektorten zum Teil unbe-zahlt stattfinden. Allerdings können sich nur sehr engagierte Refe-rentinnen „leisten", auf längere Sicht ehrenamtlich tätig zu sein(z.B. Frauen, die eine Qualifizierung und/oder einen Verein mitaufgebaut haben und aus ideellen Gründen eher bereit sind, viel zu„investieren").

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AA Lis Keimeleder

Grundsätzlich stellt finanzielle Vergütung für die Beteiligteneher einen Anreiz dar, die organisatorischen Hindernisse zu über-winden. An einigen Orten können diese Team-Treffen bereits pau-schal vergütet werden — dies ist in den meisten Fällen über den en-gagierten Einsatz einer Kursleiterin bzw. Fachfrau vor Ort durchge-setzt worden.

Doch selbst bei Bezahlung haben Kursleiterinnen oft organisato-rische Schwierigkeiten, die Referentinnen zu einem gemeinsamenTreffen zu bewegen. Die Arbeits- und Lebensbedingungen vielerReferentinnen etlauben ihnen nicht ohne weiteres, sich von ihrenanderweitigen beruflichen oder privaten Verpflichtungen frei zumachen.

An einem Modellort sieht das Kurskonzept vot, daß die Kurs-leiterln bei Kurseinheiten von Gastreferentlnnen teilweise (in denPausen) anwesend ist. Dadurch sind Absprachen eher zu bewerk-stelligen, allerdings auch nur bilateral und nicht im Team. In länd-lichen Gebieten mit gtoßer Flächenausdehnung und langen Fahrt-wegen sind Treffen besonders schwierig zu realisieren. Mangels Al-ternativen muß oft noch zum Notbehelf Telefon gegriffen werden:Telefonabsprachen können einen Austausch im Team jedoch inkeinem Fall ersetzen und stellen eine Kurslekerln unter Umständenvor ausufernde Koordinationsanforderungen.

Als Fazit läßt sich festhalten, daß eine die Arbeitssituation vonTagesmüttern kennzeichnende Situation - der Mangel an kollegia-len und unterstützenden Gesprächskontakten und fachlichem Aus-tausch — in nahezu gleichem Ausmaß auf die in der Fortbildung tä-tigen Referentinnen und Dozentinnen zutrifft. Die Aufgaben derKursevaluation, der Weiterentwicklung und det Fallbesprechungmüssen bei fehlenden Team-Treffen leider oft zurückstehen.

b) BeschäfiigungsstatusDer Beschäftigungsstatus des weitaus überwiegenden Teils der Re-ferentinnen in der Qualifizierung von Tagesmüttern ist der vonfreien Honorarmitarbeiterinnen. Ihr Anteil in der vorliegendenUntersuchung lag bei 80 Prozent. Es ist aber davon auszugehen,daß diese Zahl in der Realität höhet anzusetzen ist, denn es wurdenalle Initiatorinnen, Organisatorinnen und Kursleiterinnen befragt,nicht aber alle Referentinnen. Die Referentinnen an den Modellor-ten, die wegen zusätzlichet Aufgaben und Funktionen oft zumin-dest teilzeit angestellt sind, sind dahet in det vorliegenden Erhe-bung überrepräsentiert.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 45

Im Bereich der Erwachsenenbildung ist die Beschäftigung in„prekären" Beschäftigungsfotmen weitgehend üblich. Sie ziehtstrukturelle Konsequenzen nach sich, bei denen für die Beteiligteneinige Vorteile gtavierenden Nachteilen gegenüberstehen. Als Vor-teile werden von den Betroffenen immer wieder die größere zeitli-che Flexibilität oder teilweise auch die Unabhängigkeit von Wei-sungsgebundenheit genannt. Einigen fällt es in einem unver-bindlichen Arbeitsverhältnis auch leichter, die beruflichen den fa-miliären Verpflichtungen nachzuordnen.

Die Referentinnen aus den Projektotten betonten jedoch, daßalle Flexibilität auch Grenzen hat. Als gtavierende Nachteile dieserBeschäftigungsform wurden die finanzielle Unsicherheit und diePlanungsunsicherheit für Referentinnen genannt. Im Votdergrundstehen dabei Fragen wie z.B.: Kommt der Kurs zustande? Kann ichmit meinem Honotar rechnen? Muß ich mir eine andere Ver-dienstmöglichkeit suchen? Wird meine Zeit für den Kurs gebrauchtodet kann ich sie anderweitig verplanen? Damit vetbunden ist diezunehmende Individualisierung von Risiken. Ausfallhonorare sindnicht üblich und von der hochqualifizierten Tätigkeit als Referen-tin in einem Kurs für Tagespflege laßt sich kein Lebensunterhaltbestreiten. Die Honorare, die den Referentinnen in den am Projektbeteiligten Orten gezahlt werden (können), schwankten in einemgroßen Spektrum zwischen DM 30,- und DM 70,- pro Unter-richtsstunde (meist im unteten Bereich liegend).

Unterschiedlich wird auch die Vergütung von Fahrtkosten ge-handhabt. Zeiten der Unterrichtsvor- und -nachbereitung werdenin der Regel nicht honoriert. Die Honorare sind von den Referen-tinnen noch zu versteuern, und auch Sozialversicherung und Sozi-alleistungen sind nicht vorgesehen. Die meist knappen Finanzie-rungsrahmen der Träger verhindern höhere Honorare, obwohl esein Bewußtsein darüber gibt, daß die Leistungen oft mehr „wertsind". Im Sinne einer hochwertigen Qualifizierung zur Tagespflege,die als Auftrag der Jugendhilfe den Kindern zugute kommen soll,ist daran zu erinnern: Professionalität braucht Vergütung. Die fi-nanzielle Vergütung ist auch eine Form von Anerkennung für Ar-

8 Betroffen sind überwiegend Frauen, die Rede ist daher auch von „Tagelöh-nerinnen im Bildungsbereich" (Poljak/Pulz 2000), die fehlende Soziallei-stungen und Zuschüsse der öffentlichen Hand durch ihre niedrige Bezah-lung ausgleichen müssen, damit die Bildungsinstitutionen ein noch bezahl-bares Bildungsangebot bereithalten können (Weisel 1998).

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beit und wirkt sich langfristig auf die Motivation und die Konti-nuität innerhalb eines Arbeitsverhältnisses aus.*

Mehr noch als in einem Angestelltenverhältnis müssen freie Re-ferentinnen ohne Kündigungsschutz auch das Bewußtsein entwik-keln: Ich bin austauschbar. Andererseits ist die Tendenz von Ho-norarkräften, sich nach einer Tätigkeit mit besseren Konditionenund mehr Verbindlichkeit umzusehen und die Honorartätigkeit als„Übergangslösung" zu sehen, zwangsläufig sehr groß. Mit einereingearbeiteten Fachkraft geht dann einer Qualifizierung auch alldie Kompetenz verloren, die sich eine Referentin zwischenzeitlicherworben hat. Der Träger muß kurzfristigen Ersatz anwerben, dererst eingearbeitet werden muß, und hat damit zu rechnen, daß derVorgang sich wiederholt. Im Verlauf des Forschungsprojektes istdiese Situation an verschiedenen Orten eingetreten und hat schwer-wiegende Organisationsprobleme aufgeworfen, die im Extremfallauch zu einem Kursausfall geführt haben. Die Personen, die mit derKursorganisation befaßt sind, werden in solchen Fällen oft vorenorme Probleme gestellt. Gerade in ländlichen Gebieten, wo Fach-referentlnnen {und ganz besonders solche mit einem „Hinter-grund" in Tagespflege) nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen,müssen dann große Anstrengungen unternommen werden, um „Er-satz" zu finden. Diese strukturell bedingte hohe Fluktuation desHonorarpersonals sowie die fehlende Tagespflege-Kompetenz stel-len ein Träger-Risiko dar und sind im Sinne der Qualitätssicherungnicht förderlich.

c) Qualifikation der ReferentinnenWeiterbildnerinnen in der Erwachsenenbildung sind hohen An-sprüchen und Erwarrungen an ihre Qualifikation ausgesetzt. Nebenfachlichem Wissen sollen sie eine umfangreiche pädagogischeHandlungskompetenz mitbringen: u.a. professionell beraten kön-nen, Lernprozesse moderieren und begleiten'", Prozesse der Identi-

9 Die Referentinnen können für die Teilnehmerinnen diesbezüglich keinModell für erfolgreiches berufliches Identitätslernen darstellen, denn: „dieDeutungen der Frauen enthalten schon die Einsicht: Auch eine gebildeteFrau (die Lehrerin) findet trotz engagierter, erfolgbringender Berufsarbeitkeine Anerkennung. Die immer drohende Erwerbslosigkeit der auf Ho-norarbasis arbeitenden Dozentinnen überschattet das Bild der Frauen undführt deren Bildungsgläubigkeit ad absurdum." (Sauer 1993, S. 95)

10 Der Ansatz des problemorientierten Lernens (POL) beschreibt die Anforde-rungen an Referentinnen in der Tagespfiege als die von Lernbegleiterlnncn

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 47

täts- und Persönlichkeitsenrwicklung begleiten, individuell auf dieBedürfnisse der Teilnehmerinnen eingehen, Gruppenprozesse steu-ern und als Modell für den Erwerb beruflicher Schlüsselqualifika-tionen dienen. Analog zu den pädagogischen Forderungen zur Ge-staltung von Lernwelten für Kinder und Jugendliche, sind die Refe-rentinnen in den Tages mütter-Kursen in besonderer Weise aufge-fordert, diese pädagogischen Ziele in der Gestaltung der Fortbil-dune von Taeesmüttern zu berücksichtigen. Das Bild eines „kom-petenten Kindes", das aktiv seine Lernwelten selbstbestimmt, kannin der Erwachsenenbildung am besten vermittelt werden, wenn dieForderungen nach aktivem und selbstbestimmtem Lernen in der ei-genen Kursgestaltung umgesetzt werden (vgl. das Konzept der„Ermöglichungsdidaktik" bei Arnold, 1996a).

Um qualifizierte Fortbildung im Bereich Tagespflege leisten zukönnen, sind nicht nur pädagogische, psychologische, rechtlicheoder einem anderen Fachgebiet zuzuordnende Kenntnisse sowieKnow-how aus dem Bereich der Erwachsenenbildung wichtig, son-dern zusätzlich auch Kenntnisse in der Tagespflege. Während dieKursleitungen, aufgrund ihrer häufig mehrfachen Aufgaben für denTräger (Beratung, Vermittlung) meist ein umfangreiches Wissenüber die Tagespflege in die Fortbildung einbringen können, verfü-gen viele der freien Honorarreferentlnnen über keine bis wenigeKenntnisse oder Erfahrungen auf dem Gebiet der Tagespflege. Aneinem der Modellorte müssen Referentinnen (wie auch Beraterin-nen von Eltern und Tagesmüttern) vor Beginn ihrer Tätigkeit des-halb selbst eine Qualifizierung durchlaufen und an einer Grund-stufe des Fortbildungsprogrammes für Tagesmüttet teilnehmen.

Die im Projekt untersuchten Trägerinstitutionen der Fortbil-dune haben meist keine bis wenig finanzielle Mittel für externeFortbildungen ihrer Referentinnen in ihrem Etat. Eine Weiterbil-dung ist meist an zusätzliche Aufgaben geknüpft, die Referentinnenim Verein bzw. in der Trägerinstitution erfüllen, z.B. als Leiterinvon Orts- oder Stadtteilgruppen oder als Beraterin. Es werden auchzum Teil interne „Fortbildungen" organisiert, z.B. in der Form,

bzw. Tutorlnnen: Diese geben ihre Rolle als traditionelle Wissensvermittle-rinnen zugunsten eines Rollenverhaltens auf, das selbstgesteuertes Lernenermöglicht, die Zusammenarbeit in der Gruppe stimuliert und auf die per-sönlichen Anliegen der Teilnehmerinnen eingeht. Eine didaktische Vorbe-reitung (Schulung der Tutorlnnen) der Referentinnen ist notwendiger Be-standteil des POL-Konzeptes (Bögemann-Großheim/Handgraaf 2000, un-veröffentliche Expertise im Auftrag des Modellprojekts).

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daß einzelne Referentinnen, die für sich an einer Fortbildung teil-genommen haben, das Neue, das sie dort gehört bzw. erlebt haben,an die Kolleginnen weitergeben. Doch macht sich auch an dieserStelle zunehmend bemerkbar, daß Sparmaßnahmen das wenigewegkürzen, was votdem vetgütet wurde. Damit rückt die Weiter-bildung für Fachkräfte und Refetentlnnen in det Tagespflege, diezur Erreichung einer qualitativ hochwertigen Tagespflege unerläß-lich ist und die auch vom tagesmütter Bundesverband e.V. gefordertwird (vgl. Trimpin 1998), wieder in die Ferne .

d) Räumliche und materielle Ausstattung zur Durchführung von Fort-bildungsveranstaltu ngenDie Befragungen in der vorliegenden Untersuchung ergaben, daßeine gute Gruppen und Lernatmosphäre sehr zur positiven Gesamt-einschätzung der Fortbildung duch die Teilnehmerinnen beiträgt.Dabei stehen zwischenmenschliche Aspekte im Votdergrund, aberauch die räumliche Ausstattung und eine angenehme und tendenzi-ell „verwöhnende" Lernatmosphäre wurden genannt. An den Mo-dellorten, die über Räume mit ansprechender und weniger ver-schulter Atmosphäre verfügen, die evtl. auch durch eine bewußteGestaltung durch die Referentin noch aufgewertet wurden, wirddies von den Teilnehmerinnen sehr positiv wahrgenommen. Nichtalle det untersuchten Modellorte verfügen aber über ein solchesRaumangebot für die Tagesmütter-Kurse. Zum Teil fanden dieFortbildungen sogar in Räumen statt, die keine Ausweichmöglich-keiten für Arbeitsgruppen boten oder in denen Arbeitsgruppen imWinter auf unbeheizte Hausflure ausweichen mußten. Mancherottswaren die Räume einfach zu klein, um eine Gruppe von 20 Perso-nen aufzunehmen bzw. Bewegungs- und Lockerungsübungen zuermöglichen.

Zum Teil waren die Räume nur für den Abend „ausgeliehen"und mußten wieder in den Ursprungszustand gebracht, z.B. vonWandzeitungen und Atbeitsprodukten befreit werden, auf die bei

11 Untersuchungen des DJI zur Situation von freien Trägern in der Kinder-und Jugendhilfe zeigen, daß Sparmaßnahmen vor allem die Fort- und Wei-terbildungen für Haupt- und Ehrenamrliche betreffen, da sie am wenigstenaus Haushaltsmitteln oder Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln abgedecktwerden können. Die Ergebnisse belegen andererseits auch einen Zusam-menhang zwischen der Qualität der Dienstleistungen freier Träger und de-ren Möglichkeiten der Aktualisierung und Vertiefung personeller Kompe-tenzen (vgl. Weigel/Seckinger/van Santen/Markert 1999).

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 49

Bedarf immer wieder hätte zurückgegriffen werden können und diefür die Ergebnissicherung im Kursverlauf wichtig gewesen wären.Ein gleichbleibender Raum ist auch insofern von Vorteil, als dieAtmosphäre bleibt und möglichst nicht jedesmal auf- und abgebautwerden muß.

Hinsichtlich einer ausreichenden Versorgung mit Getränken inden Pausen sowie als Anregung zum informellen Austausch derKursteilnehmerinnen untereinander und zwischen Referentin undTeilnehmerinnen ist eine zugängliche Cafeteria oder eine Teeküchemit der Möglichkeit, selbst Tee oder Kaffee zuzubereiten wün-schenswert.

Bei der Ausstattung mit Matetialien und Medien zur Kursge-staltung wurden ebenfalls Unterschiede festgestellt, die in Abhän-gigkeit zu den finanziellen Mitteln des Trägers der Fortbildung zusehen sind bzw. auch davon abhängen, ob über einen „festen"Raum mit „gesicherter" Ausstattung verfügt werden kann. Als Min-destausstattung, um eine abwechslungsreiche Kursgestaltung ge-währleisten zu können, die verschiedene Lernkanäle anspricht, wirdeine (White-board-)Tafel oder ein Flipchart inclusive ausreichen-dem Papier und Schreibstiften angesehen sowie ein Overheadpro-jektor. Auch die Möglichkeit der Bereitstellung audiovisueller Me-dien {TV, Video-Recorder, CD-Player) wurde von den Referentin-nen als wesentlich für eine ansprechende Kursgestaltung erachtet.Außerdem sollte unseres Erachtens ein Kopierer zugänglich sein,um der Referentin zu ermöglichen, ausreichend und für sie kosten-neutral die Unterlagen für die Teilnehmerinnen bereitzusrellen.Moderationswände gehören gerade unter dem Aspekt der aktivenTeilhabe der Teilnehmerinnen dazu und sind ein nahezu unver-zichtbares Utensil zur Präsentation von Arbeitsgruppenergebnissen.Ideal wären Moderationskoffer und ein Reservoir an unterschied-lichen Materialien und Werkzeugen (z.B. Scheren, Plakatpapier,Stifte).

2.3 Trägerstrukturen und Qualifizierung im fachlichenKontext

Die Qualifizierung von Tagespflegepersonen im Rahmen der Fort-bildung stellt nur einen Baustein eines umfassenden Qualifizie-rungssystems in der Tagespflege dar. Ein qualitativ hochwertigesund professionelles Tagespflegeangebot kann nur auf der Basis zu-

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sätzlich zur Qualifizierung stattfindender Angebote von Beratung,Vermittlung und praxisbegleitender Unterstützung entwickelt wer-den.

Die Frage, wie diese einzelnen Qualifizierungs-Bausteine an denModellorten ausgeprägt sind und sich im Sinne einer Weiterent-wicklung der Professionalität ergänzen, wurde im Rahmen der In-terviews mit den Beteiligten an den Modellorten und im Rahmeneines Projektworkshops bearbeitet.

Die Trägerstrukturen unterscheiden sich in typischer Weise nachdem Kriterium Stadt/Land bzw. Stadt/Kleinstadt. In größerenStädten gibt es inzwischen meistens mehrere Anbieter von Tages-pflege, zu denen die Jugendämter, Träger der freien Jugendhilfe wieTagesmütter-Vereine sowie zunehmend auch verschiedene gewerb-lich orientierte Vermittlungsagenturen gehören. Diese Stellen füh-ren meistens eigene Fortbildungsprogramme durch, die sich aller-dings im Umfang sehr voneinander unterscheiden.

Im Interesse einer kleinraumigen Organisation der Kinderbetreu-ung findet außerdem in Großstädten das Kriterium der Stadtteil-Zugehörigkeit Beachtung. So sind z.B. stadtteilorientiert verschie-dene Institutionen - im öffentlichen Auftrag - für die Vermittlungund Beratung in der Tagespflege tätig, zu denen beispielsweise auchTagespflege-Verein und Mütterzentrum gehören können. Die Fort-bildung ist allerdings - ebenfalls im öffentlichen Auftrag - zentralbei einem Bildungsträger angesiedelt.

In ländlichen Gebieten oder Kleinstädten gibt es meistens nurwenige Anlaufstellen für Tagespflege, und zwar im allgemeinen dasjeweilige Jugendamt und/oder die örtlichen Tagespflege-Vereine.Zunehmend allerdings bieten auch andere etablierte freie Träger,wie Kinderschutzbund, Diakonisches Werk und Caritas Tagespfle-ge an. Die Fortbildung wird auch in ländlichen Gebieten undKleinstädten oft von eingeführten Bildungsträgern übernommen,z.B. der Volkshochschule. Im Flächenstaat Mecklenburg-Vorpom-mern arbeitet der Bildungsträger Ländliche Erwachsenenbildunge.V. überregional mit einem Referentinnen-Team, das in allen Tei-len des Bundeslandes Qualifizierungskurse ausrichtet. Deshalb be-steht an den Orten, in denen die Fortbildungen durchgeführt wer-den, keine ständige Repräsentanz des Bildungsträgers. In diesemFall steht für Tagespflegepersonen in der Regel als Ansprechpartnerdas jeweilige Jugendamt zur Verfügung.

Es bietet sich eine sehr unterschiedliche Anzahl von Institutionenals Ansprechpartner an. Dort, wo es spezielle Tagespflege-Vereine

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 51

gibt, die - meistens per Delegation durch das Jugendamt - für Ver-mittlung und Beratung zuständig und ebenfalls Träger der Fortbil-dung sind, stehen den Eltern und Tagespflegepersonen meist festeKontaktpersonen für die verschiedensten Fragestellungen zur Ver-fügung. Diese Ansprechpartnerinnen sind haupt- oder ehrenamt-lich oft seit langer Zeit und kontinuierlich im Verein tätig und aufFragen der Tagespflege spezialisiert.

Bei einer Aufspaltung der verschiedenen Fachbereiche in der Ta-gespflege (insbesondere Öffentlichkeitsarbeit, Vermittlung, Bera-tung und Fortbildung) auf unterschiedliche Träger müssen sichTagespflegepersonen und Eltern mit einem größeren Kreis von Per-sonen auseinandersetzen. Dies kann insbesondere dann zu Proble-men, z.B. unzureichenden Spezialkenntnissen in der Tagespflegeund einer fehlenden Vertrauensbasis aus Sicht der Ratsuchenden,führen, wenn die Tagespflege nur eines von vielen Arbeitsgebietenin der jeweiligen Institution mit einer zu geringen Personalausstat-tung ist.

Im Projektworkshop wurden die in den Interviews gewonnenenEindrücke vertieft. Im Rahmen von Arbeitsgruppen wurden mitden Beteiligten aus den Modellorten einige kritische Situationen inder Beratung und Vermittlung vor Ort simuliert. Dabei ergabensich folgende Problemaussagen:

— Erreichbarkeit von Beraterinnen: Zur Qualität der Tagespflege ge-hört der zuverlässig einzulösende, im Kinder- und Jugendhilfege-setz festgelegte Anspruch von Eltern und Tagespflegepersonenauf Beratung in allen Fragen der Tagespflege. Erfolgt diese Be-ratung nicht rechtzeitig, können Konflikte eskalieren und gege-benenfalls zu einem Abbruch des Pflegeverhältnisses führen —zum Schaden des betroffenen Kindes. Nicht an allen Orten stehteine wirklich ausreichende Anzahl von Beratungs-Fachkräftenfür die Tagespflege zur Verfügung. Dies kann zu dem Mißstandführen, daß es nur wenige Tage in der Woche gibt, an denen dieFachkräfte erreichbar sind. Eine ratsuchende Mutter eines Ta-geskindes erfährt dann gegebenenfalls per Anrufbeantworter, daßsie mit ihrem Problem noch zwei Tage warten muß. Auch dasVersprechen, daß sie umgehend zurückgerufen wird, kann aufGrund des Arbeitspensums der Beraterinnen häufig nicht ein-gelöst werden. Eine erfolgreiche Beratung erfordert zudem einBeratungskonzept, das ein aktives Zugehen auf die Adressatin-nen vorsieht, im Sinne einer „Geh-Struktur", und sich nicht mit

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einem passiven Warten auf Anfragen begnügt, also einer„Komm-Struktur" entspricht {Schumann 1998).Vermittlung eines Tageskindes: Alle Orte bieten eine feste Anlauf-stelle für suchende Eltern an, die allgemeine - auch schriftliche -Informationen zur Tagespflege weitergeben und Tagespflegestei-len vermitteln. Es wird an allen Modellorten beklagt, daß die El-tern sich zu spät um die Vermittlung einer Tagesmutter bemü-hen. Dadurch wird der Zeitraum, innerhalb dessen eine Tages-mutter gefunden werden muß, zu knapp, da noch eine angemes-sen lange Eingewöhnungszeit (bis zu drei Wochen) einzuplanenist. Hier besteht ein großer Aufklärungsbedarf für potentielle El-tern in einem Tagespflegeverhältnis und Handlungsbedarf in derÖffentlichkeitsarbeit durch den zuständigen Träger vor Ort.Auch die Rahmenbedingungen für die Beratung von Eltern sindzu verbessern. Die erforderlichen zeitlichen und personellen Res-sourcen für die Information und Beratung der Eltern sind nichtallerorts in notwendigem Umfang vorhanden. Es ist für einenguten Einstieg und letztlich auch für die Kontinuität des Bezie-hungsgefüges Tagespflege unerläßlich, die Eltern vor Beginn desTagespflegeverhältnisses umfassend zu informieren und zu bera-ten. Zudem ist ein kontinuierliches Angebot an Beratung undEinbezug in gemeinsame Aktivitäten (z.B. Sommerfeste, Spielta-ge) wichtig, um Hilfestellung bei auftretenden Problemen gebenzu können und das Beziehungsgefüge Eltern-Tageseltern-Kindzu pflegen. Ein Vertrauensaufbau zwischen Beraterin und Elternsowie die Kontaktpflege über das gesamte Tages pflegeverhältnisgesehen ist sehr zeitaufwendig. Dieser Einsatz ist aber notwen-dig, denn nur auf der Basis eines gewachsenen Vertrauens gelingtes Eltern, die Hemmschwelle zu überwinden, bei Problemen mitKind oder Tagesmutter in die Beratung zu gehen.Die Nachfrage an Tagesmüttern nimmt insgesamt zu. In Groß-städten kommt es häufiger vor, daß in bestimmten Stadtteileneiner großen Nachfrage kaum Angebote gegenüberstehen unddaß statt dessen in andeten Stadtteilen (zum Beispiel mit einerhohen Frauenerwerbslosigkeit) erfahrene und fortgebildete Ta-gesmütter keine Tageskinder finden. Hier bieten sich stadtteil-übergreifende Lösungen an, auch wenn damit größere Fahrtzei-ten für Eltern und Kinder sowie der Nachteil vetbunden ist, daßdie Kinder nicht in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können.Als ein strukturelles Promblem erweist sich die Schnittstelle vonQualifizierung und Vermittlung, wenn die Vermittlung eines

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 53

Tageskindes ohne Kontaktaufnahme zu der qualifizierendenStelle stattfindet (z.B. durch Mitarbeiterinnen der Wohnsitzge-meinde). In der Praxis wird vorherrschend das Prinzip des „Mat-ching" angewandt: Das heißt, es wird im Einzelfall überlegt, wel-ches Kind zu welcher Tagesmutter und - im erweiterten Sinne -welche Familien zueinander passen. Dabei kommen ganz unter-schiedliche Kriterien zum Tragen, die der Individualität der Per-sonen und Betreuungsverhältnisse gerecht werden müssen. DieVoraussetzung dafür ist, daß die Vermittlerin die zu vermittelndeTagesmutter persönlich kennenlernen konnte — beispielsweise imKurs oder als Mitglied der Prüfungskommission - und somit ei-nen Eindruck gewinnen konnte, der über einen üblicherweiseder Vermittlung vorgeschalteten einmaligen Hausbesuch hinaus-geht. Dazu besteht ein Abstimmungsbedarf, der durch unter-schiedliche, teils konkurrierende Institutionen, Organisationenund Trägervereine nicht immer gewährleistet ist. Im Rahmen derprojektinternen Abschlußtagung wurde dies von den Fachkräftenvor Ort als einer der „Stolpersteine" für die Tagespflege benannt.

— Beratung in Krisensituationen: Konflikte im Tagespflegeverhält-nis, zwischen eigenen Kindern und Tageskindern oder zwischenTagesmutter und Eltern des Tageskindes, führen häufig zumAbbruch, wenn keine Lösungen gefunden werden. Da diese Si-tuationen emotional äußerst belastend und häufig mit Selbst-zweifeln sowie Schuldgefühlen verbunden sind, ist es zweifelloshilfreich, wenn im Vorfeld von Konflikten zur Beraterin einVertrauensverhältnis aufgebaut werden konnte. Die Beratungdurch unbekannte Beraterinnen ist für die Ratsuchenden oft mitgroßen Hemmschwellen verbunden, so daß diese - wenn sieüberhaupt in die Beratung kommen — zu lange abwarten.Aufgrund des Personalmangels ist es oft nicht möglich, einenvertrauensvollen Kontakt zu den Tagespflegepetsonen im Vor-feld von Konfliktsituationen herzustellen. Dabei muß erwähntwerden, daß sich die zuständigen Fachkräfte — wie auch erfah-rene Tagesmütter in den Vereinen - oft weit über das finanziellabgedeckte Maß hinaus für die Tagespflege engagieren. Sie ste-hen Tagesprlegepersonen und Eltern auch dann zur Verfügung,wenn dies nur noch auf einer ehrenamtlichen und unentgeltli-chen Basis geschehen kann. Als befriedigende Losung kann diesallerdings nicht angesehen werden, da der Anspruch auf Bera-tung auf diese Weise nicht zuverlässig eingelöst werden kann.

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Als strukturelles Problem kann in diesem Zusammenhang auchangesehen werden, daß die Referentinnen der Fortbildung, zudenen ebenfalls häufig ein Vertrauensverhältnis entstanden ist,als Ansprechpartnerinnen im Einzelfall meistens nicht zur Ver-fügung stehen. Wenn sie nach Abschluß der Fortbildung - wasin der Praxis häufig geschieht - immer wieder von ehemaligenTeilnehmerinnen angerufen werden und sich Zeit für ein Ge-spräch nehmen, so erhalten sie dafür keinerlei Vereütune.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß in den untersuchtenModellorten ein umfassendes System von Beratungs-, Vermitt-Iungs- und praxisbegleitenden Unterstützungsangeboten entwickeltwurde. Häufig wurde jedoch festgestellt, daß die personellen Kapa-zitäten nicht ausreichend sind, um den Bedarf an Unterstützunes-leistungen zu decken.

Ein wirkungsvoller Schritt, der zu einer Entlastung beratenderStellen führt, stellt die EtabÜerung zusätzlicher Gesprächsgruppendar, in denen (angehende) Tagesmütter - fortbildungs- und praxisbe-gleitend - sich über Praxisprobleme und Fragen austauschen können.Unterstützend dazu wirkt ein pädagogischer Ansatz in der Durchfüh-rung der Fortbildungsprogramme, der methodisch den Kontakt zwi-schen den Teilnehmerinnen fördert. Im Sinne einer „Hilfe zurSelbsthilfe" hat dies den (Neben-)Effekt, zur Entlastung der Referen-tinnen beizutragen, die nach Abschluß der Fortbildungskurse weiter-hin von den Teilnehmerinnen als beratende Expertinnen konsultiertwerden. Es ist aber auch unter dem Gesichtspunkt des Kompeten-zerwerbs sinnvoll, „die Fortbildung als einen Raum zu sehen, in demgesellige soziale Kontakte zu anderen Teilnehmerinnen aufgebautund gepflegt werden können (und) vorstellbar (im Verlauf des Fort-bildungskurses), einen .Stammtisch' zu gründen, gemeinsam kultu-relle Veranstaltungen zu besuchen, Exkursionen durchzuführen, kör-perliche Entspannungsübungen anzubieten, Feste und thematischeVeranstaltungen untereinander, mit Eltern von Tagespflegekindern,Ehepartnern, Kindern und Tagespflegekindern zu planen, zu orga-nisieren, durchzuführen und auszuwerten" (Bögemann-Großheim/Handgraaf 2000, unveröffentliche Expertise im Auftrag des Modell-projekts, S. 20). Auf diesem Wege aufgebaute kollegiale Supervisions-systeme, die im Idealfall aus der Fortbildung resultieren können, sindein wichtiger Baustein für die Qualität in der Tagespflege - sie kön-nen aber unter fachlichen Gesichtspunkten keinen Ersatz für profes-sionelle Beratung darstellen.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 55

Umso bedenkenswerter ist es, daß an einigen Modellorten imDelegationsverfahren von öffentlichen Trägern zunehmend Aufga-ben an freie Träger oder Vereine übertragen werden, ohne im Ge-genzug ausreichende finanzielle oder personelle Kapazitäten herzu-stellen.Wenn das Ziel eine Professionalisierung des Tagespflegean-gebots sein soll, ist es unzureichend, alleine auf das Angebot einerGrundqualifizierung zu bauen: „Wenn Jugendhilfe die Tagespflegenicht als Angebot begreift, das systematisch aufgebaut und gepflegtwerden muß, darf sie sich nicht wundern, wenn das Ergebnis nichtden Erwartungen entspricht" (Dichans 1996, S. 4). Die Aufgabeder Bildungsträger und zuständigen Stellen der öffentlichen Ju-gendhilfe ist es, künftig vermehrt darauf zu achten, daß Tagespfle-gepersonen zuverlässige, für die Aufgabe der Beratung kompetenteund verantwortliche Ansprechpartnerinnen sowie kontinuierlicheAustauschmöglichkeiten angeboten werden. Nur so kann die fürdie Tagespflege typische und unter fachlichen Gesichtspunkten un-günstige „Isolation" der Tagespflegepersonen in ihrer täglichen Ar-beit kompensiert und die geforderte Professionalität hergestelltwerden.

2.4 Die Sicht der Teilnehmerinnen derQualifizierungskurse

Im Anschluß an die Hospitationen und Videaufceichnungen wurdeein Fragebogen an die Teilnehmerinnen der Qualifizierungskurseverteilt, mit der Bitte, diesen zu Hause auszufüllen und an das Pro-jekt zurücksenden. Das Ziel war, von einer repräsentativen Zahlvon Teilnehmerinnen und mittels einer anonymen Befragungsme-thode eine Einschätzung über die Zufriedenheit mit der gerade be-suchten Kursveranstaltung zu erhalten.

Mit Hilfe eines Fragebogens wurde anhand von 29 geschlosse-nen und offenen Fragen versucht, die Vielschichtigkeit von kom-plexen Lern-/Lehrsituationen in der Tagespflegequalifizierung ab-zubilden und zu erfassen. In die Konstruktion des Bogens gingenIndikatoren für den Erfolg von Maßnahmen der Erwachsenen- undFrauenbildung ein, die sich in der aktuellen Fachliteratur finden.Diese Indikatoren waren leitend bei den teilnehmenden Beobach-tungen des Projektteams und stellen die Grundlage für die im Pro-jekt formulierten Qualitätsmerkmale (vgl. Kapitel 3) dar. Ergän-zend zur schriftlichen Befragung wurden Gruppeninterviews mit

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den Teilnehmerinnen geführt (vgl. Anhang/Wissenschaftliche An-lage des Projekts).

Die befragten Teilnehmerinnen: Der Fragebogen wurde an insgesamt382 Kursteilnehmerinnen verteilt. Davon haben den Bogen 235Teilnehmerinnen ausgefüllt zurückgeschickt, das entspricht einerRücklaufquote von 61,5%.

Zu ihren Erfahrungen mit Kindern befragt, gaben alle, mit Aus-nahme einer Teilnehmerin, an, daß sie über Vor erfahr ungen verfü-gen. Immerhin 66% der Kursteilnehmerinnen waren bereits als Ta-gesmutter tätig und 38% hatten zudem sonstige Erfahrungen, z.B.als Erzieherin oder Babysitterin für Kinder aus dem Bekanntenkreis(vgl. Tabelle).

Erfahrungen mit Kindern... (n = 235)(Mehrfachnennungen)

JA NEIN

mil eigenen Kindernmit TagespflegekindernSonstige

93%66%38%

7"/,34°/i62",!

Unter den Teilnehmerinnen befanden sich etwa 25%, die vor Be-ginn des Tagesmutterkurses eine pädagogische Ausbildung absol-viert hatten. Bei der Überprüfung der Frage, ob ein Unterschied inden Einschätzungen der Teilnehmerinnen ohne bzw. mit pädagogi-scher Vorbildung (meistens sind es Erzieherinnen) vorliegt, warfeststellbar, daß es so gut wie keinen Unterschied im Antwortver-halten dieser beiden Gruppen gab. Lediglich die Fragen „Ich hättegerne mehr Gelegenheit zu einem Austausch in der Gruppe ge-habt", „Ich hätte gerne mehr Zeit zum Nachdenken gehabt" und„Ich hätte gerne mehr Möglichkeit zum Üben gehabt" fanden beiden Teilnehmerinnen ohne pädagogische Vorbildung etwas mehrZustimmung.

Auch die Frage, ob diejenigen Teilnehmerinnen, die bereits Er-fahrung in Tagespflege besitzen, im Vergleich zu den Teilnehme-rinnen ohne Erfahrung die Veranstaltungen unterschiedlich bewer-ten, führte zu einem ähnlichen Ergebnis. In Ihrer Einschätzung un-terschieden sich die 66% Erfahrenen wenig bis überhaupt nicht vondenjenigen Teilnehmerinnen, die zum Zeitpunkt der Kursveran-stalrung noch keine Tageskinder betreut hatten. Die Auswertungenergaben ausschließlich leichte Tendenzen bei Fragen, in denen Er-fahrungswerte im Vordergrund standen, z.B. hatten die Teilnehme-rinnen mit Tagespflegeerfahrung - wie zu erwarten war - während

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 57

der Kursveranstaltung etwas konkretere Fragen und konnten mehrden Bezug zur Tätigkeit einer Tagesmutter herstellen. Außerdemhatten sie etwas mehr den Eindruck, interessante Erkenntnisse undAnregungen von anderen Kursteilnehmerinnen mit nach Hause zunehmen.

Mit einer kleineren Anzahl (n = 44) dieser Kursteilnehmerinnenfanden zusätzliche leitfadengestützte Gruppeninterviews statt, umrückblickend ihre Zufriedenheit mit der gesamten bishet durch-laufenen Fortbildung und ihre Motive zu erfassen.

2.4.1 Motive für die Teilnahme

„Ich bin jederzeit für meine Kinder ansprechbar und verdiene Geld dabei, weilich von zu Hause aus arbeite. Und das ist für mich eigentlich, wenn man selberFamilie hat, das Schönste, was es gibt. Also mich erfüllt das und ich denkemal, ich sehe das als Beruf und dementsprechend muß ich mich bilden. Weilich denke, das bin ich den Eltern auch schuldig und den Kindern und deswe-gen nehme ich natürlich diesen Aufbaukurs und auch die nächsten Kurse dannmit. Diese Einzelthemen nicht unbedingt. Aber diese festen Kurse finde ichganz toll." (Teilnehmerin an einem QualifizierungskursJ

Das Zitat macht deutlich, daß Tagesmütter durchaus ein Verständ-nis von Tagespflege als einer verantwortungsvollen und professio-nell auszuübenden Tätigkeit entwickelt haben können. Sie be-trachten Fortbildung dementsprechend als selbstverständlichen Teilihrer Arbeit mit Kindern. In den Interviews wurden nachfolgendweitere Motive für die Teilnahme an einer Qualifizierung genannt:

- Häufig versprechen sich die Teilnehmerinnen der Kurse mehrSicherheit im Umgang mit Kindern. Speziell auch „Problemkin-dern" oder schwierigen Erziehungssituationen wollen sie da-durch besser entsprechen können.

- Die Teilnehmerinnen erhoffen sich außerdem mehr Sicherheitund Unterstützung im Kontakt und in der Beziehung zu denEltern.

- Manche Teilnehmerinnen äußerten den Wunsch, durch dieTeilnahme etwas für das eigene Kind zu tun. Vor allem, wenn sienoch kein Tageskind betreuten, bestand die Vorstellung, derKurs würde sich alleine aus diesem Grunde lohnen — sogar wennsich die Teilnehmerin gegen die Aufnahme einer Tätigkeit alsTagesmutter entscheiden sollte.

- Auch stand im Vordergrund der Wunsch nach einer beruflichenPerspektive, die sich für die Tagesmutter durch eine zertifizierte

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Fortbildung eröffnen könnte. Es wurde auch die Hoffnung zumAusdruck gebracht, eine bessere Ausgangsposition auf einem An-gebotsmarkt zu erzielen, auf dem die Eltern sich die „bessere"Dienstleistung auswählen können.

- Manche Teilnehmerinnen kamen auf Anraten des Jugendamtes,weil davon die Vermittlung eines Tageskindes abhängig gemachtwurde.

- Ferner wurden Motive genannt, die generell mit der Tätigkeitselbst verbunden werden, z.B. Spaß an der Arbeit mit Kindernoder einen „Spielkameraden" oder ein „Geschwisterchen" für daseigene Kind zu ermöglichen.

- Speziell in Mecklenburg-Vorpommern finden Erzieherinnen,nachdem sie arbeitslos wurden, ein Betätigungsfeld, das ihrerAusbildung noch am ehesten entspricht.

Die Fortbildung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisren, dieMotivlage der Teilnehmerinnen zu hinterfragen. Nicht alle Gründefür die Fortbildung lassen erkennen, daß eine Tätigkeit als Tages-mutter angestrebt wird. Gerade diejenigen Motive, die „pädago-gische" Ziele hinsichtlich des eigenen Kindes formulieren, sind aufihren Hintergrund und die tatsächlichen Möglichkeiten ihrer Ver-wirklichung anzusprechen. Ziele der Qualifizierung müssen auchdarin liegen, realistischere Erwartungen aufzubauen, Entschei-dungshilfen zut bzw. gegen die Tagespflegetätigkeit zu geben undzeitliche Perspektiven für die Tärigkeit aufzubauen. Dazu mußdeutlich übet die Vorteile mittel- und längerfristiger Betreuungenfür die Kinder aufgeklärt werden bzw. über die Nachteile, diedurch Betreuungsabbrüche entstehen.

Frauen und Mütter, die nur eine „Übergangstätigkeit" für ein bisdrei Jahre suchen, weil sie sich in der eigenen Familienphase befin-den oder eine Zeit der Arbeitslosigkeit überbrücken wollen, sind -unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls - besonders auf fachli-che Unterstützung angewiesen. Häufig handelt es sich um Frauenmit einem relativ kleinen Kind, die in der Zeit des Erziehungsur-laubs ein Tageskind betreuen wollen. Sie verfügen über wenig Er-fahrung in der Betreuung und Förderung von Kindern, nehmenhäufig ein weiteres Kleinkind hinzu und sind sich der Bedeutunglängerfristig stabiler Betreuungsbeziehungen zum Tageskind nochwenig bewußt.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 59

2.4.2 Zufriedenheit mit der Qualifizierung

„Besonders gefallen an der Veranstaltung hat mir, daß ich mich selbst erfahrenkonnte und dadurch auch als ,Kind' schauen konnte." (Teilnehmerin an einemQualifizierungskurs)

Im Ftagebogen, wie auch in den Interviews, kommt eine hohe Zu-friedenheit der Teilnehmerinnen mit det Mehrzahl der Kursveran-staltungen zum Ausdruck. 88% der Kursteilnehmerinnen warenzufrieden bis sehr zufrieden (vgl. Grafik).

Häufig zeigten die Einschätzungen des wissenschaftlichen Teamsund der Teilnehmerinnen in die gleiche positive Richtung - abernicht immer. Beispielsweise wurde häufig der Praxisbezug bei derBearbeitung des Themas gelobt oder der Frage zugestimmt „Beidieser Referentin/diesem Referenten waren Erfahrungen in der Ta-gespflege spürbar". Im Gegensatz dazu standen die Aufzeichnungendes wissenschaftlichen Teams aus den Hospitationen, die gerade fürdiese Kursveranstaltung ein Fehlen von praktischen Beispielen oderErfahrungen aus der Tagespflege konstatierten. Häufig ergab zu-dem das Interview mit der entsprechenden Referentin bzw. demReferenten explizite Aussagen dazu, daß in deren Biographie keineBerührungspunkte zur Tagespflege vorhanden waren.

Eine sehr hohe Zufriedenheit der Teilnehmerinnen, die sichdurch „objektive" Kriterien nicht immer stützen läßt, wird auch inanderen Srudien zum Ausdruck gebracht.12 Die Ursachen für diese

12 Generell ist eine Tendenz zu positiven und zufriedenen Antworten bei Be-fragungen festzustellen, in denen Teilnehmerinnen Qualitätsurteile zu Wei-terbildungsveranstaltungen abgeben sollen, vgl. zusammenfassende Aus-wertung von Studien zur Weiterbildungsqualität aus Sicht der Teilnehmen-den (Gnahs 1995). Auch Befunde amerikanischer Studien zur Tagespflegezeigen, daß Tagesmütter und Eltern mit der Qualität in der Tagespflegedeutlich zufriedener waren als die Forscherinnen (vgl. Textor 1998).Die Teilnehmerinnen wurden in der vorliegenden Untersuchung zu einemsehr ausdifferenzierten Urteil aufgefordert, indem eine Vielzahl von Aspek-ten des Lehr-Lern-Prozesses abgefragt wurde. Außerdem wurden zusätzliche„offene" Antwortmöglichkeiten angeboten, die relativ häufig genutzt wur-den. Die Fragen waren so formuliert, daß sie sich nicht gegenseitig verstär-ken oder ausschließen und einer „Ja-Sage-Tendenz" entgegengewirkt wer-den kann. Dennoch ist davon auszugehen, daß ein „psychologischer" Effektbei den Teilnehmerinnen zu positiveren Bewertungen „ihrer" Kursleitungbzw. Referentin führt: Die Teilnehmerinnen in der Erwachsenenbildungnehmen häufig eine unterstützende Haltung gegenüber Lehrenden ein undbemühen sich um „Dozentenorientierung" (Siebert 1998).

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Bewertungsunterschiede liegen vermutlich in der Möglichkeit dervergleichenden Einschätzung des wissenschaftlichen Teams, das anunterschiedlich gut gelungenen Veranstaltungen (teils zum gleichenThema) teilnahm und auf diese Weise zwischen den Konzeptenund Kursveranstaltungen Prioritäten entwickeln konnte. Zum an-deren wurden auf der Basis der wissenschaftlichen Ergebnisse si-cherlich strengere Maßstäbe bei der Bewertung der Programme an-gelegt {vgl. zusammenfassende Bewertung unter Punkt 2.5).

Ich bin zufrieden aus der Veranstaltung herausgegangen (n = 235)

trifft überhauptnicht zu

2%

trifft überwiegend

22%

trifft voll und ganz

Die Teilnehmerinnen sprachen häufig ein ganz generelles, oft aberauch ein sehr differenziertes Lob aus, wie z.B. „Der Unterricht istgut, informativ, lebendig, praxisbezogen" oder „Das Seminar warinteressant, die Leitung professionell, ohne belehrend zu sein". Ausdiesen Äußerungen wird deutlich, daß die Kursteilnehmerinnen be-stimmte Erwartungen an die staltung von Seminaren mitbringenbzw. eigene Vorstellungen bezüglich z.B. Methoden und Referen-tin haben.

Die Tabelle zeigt die Mittelwerte der Bewertungen von allen be-fragten Teilnehmerinnen zu bestimmten Aspekten der Qualifizie-rungsveranstaltung, wie sie der Fragebogen vorgab. Es zeigt sich,daß die Einschätzungen durchaus auseinandergehen (zwischen1,2809 und 2,6085). Die beispielsweise relativ negative Einschät-zung des Zeigbudgets und der Tagespflegeerfahrung des/der Refe-rentin deuten schon darauf hin, daß es sich um „Schwachstellen"

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 61

handeln könnte, die sich in den Hospitations- und Interviewergeb-nissen weitgehend bestätigt haben.

Rating/ Alle (n-235)Einschätzung der Qualifizierungsveranstaltungen durch die befragten Teil-nehmerinnen*1. Das Thema der Veranstaltung hat mich angesprochen 1,28092. Die Referentin wirkt auf mich als Person glaubwürdig 1,29793. Es war ein partnerschaftliches Klima in der Gruppe 1,30214. Die Referentin ist gut auf die Teilnehmerinnen eingegangen 1,45535. Die Veranstaltung war klar aufgebaut und gegliedert 1,46816. Die Veranstaltung war interessant und lebendig 1,4766**7. Die Pädagogin/der Pädagoge ist für mich fachlich überzeugend 1,4766**8. Wir wurden ermutigt, eigene Erfahrungen und Fragen einzubringen 1,49799. Ich bin zufrieden aus der Veranstaltung herausgegangen 1,514910. Meine Erwartungen haben sich erfüllt 1,611111. Die Referentin hat mir interessante Erkenntnisse vermittelt 1,688012. Praxiserfahrung ist mir bei Referentinnen wichtig 1,697913. Ich konnte mich gut in die Gruppe einbringen 1,714914. Die Veranstaltung hat mich zum Nachdenken gebracht 1,761715. Ich konnte oft den Bezug zurTagesmuttertätigkeit herstellen 1,778716. Ich habe konkrete Tips und Hilfen erhalten 1,787217. Es wurde auf alles Wichtige eingegangen 1,834018. Bei dieser Referentin/diesem Referenten waren Erfahrungen in der

Tagespflege spürbar 1,974119. Für die Bearbeitung des Themas war genug Zeit vorhanden 2,000020. Ich habe von anderen Kursteilnehmerinnen viele Anregungen erhalten 2,131921. Ich habe durch die Veranstaltung an Selbstvertrauen gewonnen 2,400022. Ich hatte konkrete Fragen zum Thema 2,6085

1. Ich hätte gerne mehr Möglichkeit zum Üben gehabt 4,17672. Ich wußte nicht, was ich mir unter dem Titel vorstellen sollte 4,17093. Ich hätte gerne mehr Zeit zum Nachdenken gehabt 4,04264. Ich hätte gerne mehr fachliche Information gehabt 3,86755. Ich hätte gerne mehr Gelegenheit zum Austausch in der Gruppe gehabt 3,8128

* Die Rangfolge in der Tabelle ergibt sich aus den Mittelwerten, die aus denAntwortmöglichkeiten auf die Ratingfragen (Wcrre von 1 bis 5) errechnetwurden. Ein kleiner Wert (Mittelwert) besagt, daß hier positive Wertungenvorgenommen wurden.Ausnahme: Einige Fragen (vgl. unteren Abschnitt der Tabelle) waren so for-muliert, daß ein hoher Wert (höchster angekreuzter Wert in der Ratingfrage: 5= trifft überhaupt nicht zu) das bessere Ergebnis darstellt.** Gleiche Wertung und Rangfolge.

Die weitergehende Analyse der Daten, die auch die Homogenitätbzw. Heterogenität im Antwortverhalten berücksichtigt, zeigt, daßdie Teilnehmerinnen ihre Zufriedenheit vor allem von fünf Aspek-ten abhängig gemacht haben. Die Zufriedenheit war dann sehrhoch, wenn folgende Gesichtspunkte zutrafen:

1. Die Veranstaltung war interessant und lebendig.

1

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2. Meine Erwartungen haben sich erfüllt.3. Die Referentin hat mir interessante und bedeutsame Erkenntnis-

se vermittelt.4. Es war ein partnerschaftliches Klima in der Gruppe.5. Ich konnte mich gut in die Gruppe einbringen.

Unsere Befunde erhärten vorhergehende wissenschaftliche Studienzur Erwachsenen- und Frauenbildung, die belegen, daß das Lernkli-ma und die Gruppenatmosphäre eine entscheidende Rolle bei Lern-prozessen von Erwachsenen spielen (vgl. u.a. Gieseke 1995, Reisch-mann & Dieckhoff 1996).

Die Ergebnisse verdeutlichen außerdem, daß es beachtenswert ist,welche Erwartungen bei den Teilnehmerinnen durch z.B. Ausschrei-bungstexte, Programm texte oder andere schriftliche oder mündlicheInformationen geweckt werden. Im Rahmen der OfFentlichkeitsarbeitsollte möglichst genau - z.B. durch aussagekräftige Titel und Über-schriften - zu den einzelnen Veranstaltungen informiert werden.Sinnvoll erscheint es auch, gleich zu Beginn eines Kurses einen Über-blick über Inhalte, Methoden, Aufbau und andere Merkmale der Ge-staltung zu geben, damit die Teilnehmerinnen sich darauf einstellenbzw. realistische Erwartungen aufbauen können. Daß dies in derMehrzahl der Kursveranstaltungen gelungen war, zeigt die Grafik.

Meine Erwartungen an diese Veranstaltung haben sieb erfüllt(n = 235)

teils/teils13%

trifft überhauptnicht zu

1%

trifft überwiegendzu

29%

trifft voll und ganz

56%

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 63

Die Teilnehmerinnen beschrieben auf die Frage, was ihnen beson-ders an der Veranstaltung gefallen hätte, immer wieder positive Er-fahrungen mit dem Lernklima und der Atmosphäre in der Gruppe,z.B. „natürlicher Umgang miteinander", „das lockere, freund-schaftliche Klima in der Gruppe". Die Einbindung in eine gutfunktionierende Gruppe, in der ein Austausch von Erfahrungenstattfinden kann, hat einen hohen Stellenwert. Daher finden sichauch viele Nennungen in den Kategorien Gruppenarbeit, Gruppen-gefiihl und Austausch, z.B. „daß wir als Gruppe zusammengearbeitethaben und nicht jeder gegen jeden", daß wir eine große tolle Grup-pe waren, die sich gut versteht". Tagesmütter {wie generell alleFrauen, die „hauptberuflich" eine Familientätigkeit ausüben) sindin ihrem Arbeitsalltag in der Regel eher isoliert und vermissen einenAustausch unter „Kolleginnen". Der häufig genannte Wunsch nachAustausch äußert sich in Bemerkungen wie z.B. (mir hat gut gefal-len) „...zu erfahren, daß andere Tagesmütter mit den gleichen All-tagsproblemen zu tun haben", „es war mehr Erfahrungsaustauschmit Anregungen als Unterricht. Lebensnah, nicht trocken" und „dieVeranstaltung war sehr lebendig. Alle Teilnehmerinnen konntenund sollten aktiv teilnehmen".

In den Kritikpunkten wurde deutlich, daß es eines sensiblen Vor-gehens durch die Referentin bzw. den Referenten bedarf, um in denKursen immer wieder eine Linie zu finden, die den Bedürfnissender Mehrheit der Teilnehmerinnen entgegenkommt. Denn einigenTeilnehmerinnen war gerade die Tatsache, daß alle ihre persönli-chen Anliegen oder Themen ausführlich einbringen können, eherunangenehm, was z.B. in folgenden Aussagen zum Ausdruckkommt: „Es wird meiner Meinung nach noch immer zu viel Zeitmit Einzelschicksalen vertan" und weniger gut gefallen an dieserVeranstaltung haben mir „...die oftmals zu viel eingebrachten per-sönlichen Dinge anderer Teilnehmer".

Außerdem spielen in der tendenziell sehr positiven Rückmel-dung der Teilnehmerinnen weitere verschiedene Kritikpunkte eineRolle. Neben Anmerkungen zu den konkreten Themen, Inhalten,dem methodischen Repertoire und Vorgehen der Referentin be-treffen die häufigsten negativen Nennungen den Komplex „Zeit-mangel bzw, Stoffülle" im Ablauf der Kursveranstaltung. Dies zeigtsich in einer Vielzahl von Statements, z.B. „Die Zeit ist immer zuknapp", „Zu wenig Zeit für die vielen Fächer" oder „Das Themahat mich seht interessiert. Es konnte aber wegen der Kürze der Zeitnicht genügend aufgearbeitet werden".

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In der Kategorie Veranstaltungszeit läßt sich ablesen, daß die Ta-gesmütter in die Versorgung der eigenen Kinder und der Tageskindersehr eingespannt sind und es ihnen oft schwerfällt, die Qualifizierungim normalen Tagesablauf „unterzubringen". Allerdings läßt sich kein„idealer" Tages- bzw. Veranstaltungszeitpunkt ausmachen, denn na-hezu an allen Veranstaltungszeitpunkten wird Kritik geäußert - obder Kurs früh abends bzw. spät abends oder samstags stattfindet.

Im Vergleich der Qualifizierungsveranstaltungen {Anzahl = 30)13

zeigt sich ebenfalls das grundsätzlich hohe Niveau der Zufrieden-heit. Der maximale Wert auf der Skala der Zufriedenheit von 1 =„bin voll und ganz zufrieden" bis 5 = „bin überhaupt nicht zufrie-den" beträgt etwas über 2,5, liegt also immer noch im mittleren Be-reich. Aber zwischen den Veranstaltungen ergaben sich Schwan-kungen, die durchaus sehr gute Qualifizierungsveranstaltungen(Mittelwert 1,0) von mehr durchschnittlichen (Mittelwert 2,5) un-terscheiden. Dies veranschaulicht die Grafik, in der die einzelnenSäulen jeweils für eine Veranstaltung stehen.

Bin zufrieden aus der Veranstaltung herausgegangen;Statistik: Mittelwerte

2,5oocr

Oualifizierungs Veranstaltung

13 Die Zahl der hospitierten Veranstaltungen liegt bei 37. Es wurden in derPhase der Erprobung der Beobachmngsinstrumente und zur Entwicklungdes Fragebogens Hospitationsbesuche ohne begleitende schriftliche Befra-gung durchgeführt.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 65

In der Analyse der Beurteilungsunterschiede sind vor allem dieKriterien der Bewertung durch die Teilnehmerinnen ausschlagge-bend, die bereits dargestellt wurden sowie die Einschätzungen derReferentin bzw. des Referenten, auf die nachfolgend eingegangenwerden soll.

2.4.3 Bewertung von Inhalten, Methoden undReferentinnen

„Besonders gefallen an dieser Veranstaltung hat mir, wie abwechslungsreichgearbeitet wurde; die lockere und trotzdem straffe Leitung der Veranstaltungdurch die Referentin; die Offenheit und das Interesse aller, auch der Referen-tin." (Teilnehmerin einer Qualifizicrungsveransraltung)

Überwiegend ist es den Referentinnen gut gelungen, eine positiveBeziehung zu den Teilnehmetinnen herzustellen. Insgesamt fast90% waren der Ansicht, daß die Referent in/der Referent „voll undganz" bzw. „überwiegend gut" auf sie eingegangen ist (vgl. Grafik).

Die Referentin/der Referent ist gut auf die Teilnehmerinnen eingegangen(n = 235)

trifft überhauptnicht zu

trifft überwiegendzu

20%

trifft voll und ganzzu

69%

In der Arbeitsweise und dem methodischen Vorgehen der Referen-tinnen hoben die Befragten beispielsweise hervor: „Die Referentinwar sehr gut votbereitet und hat es hervorragend weitergegeben"oder „Die Referentin hat sehr anschaulich erzählt und erklärt und

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ist auf alle Fragen eingegangen". Außerdem attestierten die Teil-nehmerinnen in der großen Mehrheit der Referentin/dem Refe-renten positive Ausstrahlung hinsichtlich der Übereinstimmung indem, was sie vermittelten und dem, was sie praktizierten. Auf mehrals drei Viertel der Befragten wirkte die Referentin/der Referent alsPerson voll und ganz glaubwürdig und auf 17% immerhin über-wiegend. Auch fachlich konnten die Referentinnen überzeugen:Zwei Drittel der Teilnehmerinnen bestätigen, daß sie die Referen-tin voll und ganz fachlich überzeugend fanden. 23% sahen sichüberwiegend fachlich überzeugt (vgl. Grafik).

Die Pädagogin/der Pädagoge ist für mich fachlich überzeugend(n = 235)

trifft kaum zu

teils/teils \8% ^ S . "\

A \

trifft überwiegend JffiffiffiflBlzu —ilnSSI

23% 1 | S B |

trifft überhauptnicht zu

1%

trifft voll und ganz"~" ZU

66%

Den Teilnehmerinnen sind besonders angenehm aufgefallen: dieMethodenvielfalt, die, in Worten der Befragten in der, "ab-wechlungsreichen" und „spannenden Gestaltung des Seminars" undder „Nutzung verschiedener Medien" zum Ausdruck kommt. Wasdie Teilnehmerinnen zudem methodisch positiv hervorhoben wardie Möglichkeit zur Selbsterfahrung und Reflexion: „Sich selbst er-fahren können und dadurch auch als Kind schauen können", „...über eigene Erfahrungen zu sprechen oder nachzudenken" und „...auch an die eigene Erziehung früher zu denken und damit zu ver-gleichen". Eine weitere Kategorie, die von den Befragten positivhervorgehoben wurde war die Praxisnähe der Vermittlung, was bei-

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 67

spielsweise in folgenden Aussagen zum Ausdruck kam: „...die pra-xisnahen Beispiele, die uns die Dozentin zu den verschiedenenPunkten gab", „Die Theorie wird praxisnah erläutert" und „DasThema wat absolut realistisch und sehr aktuell im täglichen Um-gang mit Kindern/Tageskindern."

Häufig gaben die Tagesmütter im Fragebogen konkret an, was siean Erkenntnissen aus der Veranstaltung mitgenommen haben. Dieseganz unterschiedlichen Aspekte lassen sich meist der Kategorie Wis-senszuwachs zuordnen und äußern sich in Antworten wie z.B. "Ichweiß, worauf ich in Zukunft achten muß bei der Gewöhnungsphase,kann auch sicherer im Umgang mit ,neuen' Eltetn auftreten und ih-nen Tips geben" oder „mehr Wissen über die .Arbeit' mit Kindern".Außerdem wurden viele Erkenntnisprozesse beschrieben, die sichunter die Kategorie Persönlichkeits- und Identitätsbildung subsumie-ren lassen und z.B. in folgenden Antworten bzw. Fragen zum Aus-druck kamen: „Ich habe erkannt, daß es den Idealfall (Erziehung)nicht geben kann (...) da Erziehungsstile verwischen bzw. ineinan-der übergehen" oder „Ist das überhaupt die richtige Arbeit fürmich?" oder „... habe festgestellt, daß ich doch auf dem richtigenWeg bin, mich beruflich zu identifizieren."

Nahezu die Hälfte der befragten Teilnehmerinnen (47%) warender Ansicht, daß alles besprochen wurde, was ihrer Einschätzungnach zum Thema gehört (vgl. Grafik).

Es wurde auf alles Wichtige eingegangen (n = 235)

trifft überhauptnicht zu

3%

trifft voll und ganzzu

47%

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In den Interviews wurde auch deutlich, daß die Referentin häufigsehr vielfältige Funktionen ausübt. Wenn sie z.B. als Kursleiterineine konstante Ansprechpartnerin im Qualifizierungsverlauf dar-stellt, wenden sich die Teilnehmerinnen auch außerhalb der Ver-anstaltungen mit Fragen und Problemen an sie. Wenn sie nicht zu-gleich auch eine beratende Funktion, z.B. in einem Tagesmütter-verein, ausübt, kann dies manchmal auch für sie zu einer Überfor-derung führen.

2.5 Zusammenfassende Ergebnisse aus denHospitationen

Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmerinnen der Fortbil-dungskurse könnten den Gedanken nahelegen, daß der Auftrag desModellprojekts, curriculare Anregungen zu erarbeiten, im wesentli-chen durch eine Dokumentation der an den Modellorten bestehen-den Ansätze zu erfüllen gewesen wäre.

Diese denkbare Vorgehensweise ließ sich indessen nicht realisie-ren. Obwohl auch das wissenschaftliche Team häufig beeindrucktwar von der pädagogischen Qualität der Fortbildungsveranstaltun-gen, war festzustellen, daß gleichfalls Unterschiede in den Einschät-zungen vorhanden waren (vgl. oben) und gerade die eher kritischenEinschätzungen von Tagespflegepersonen zu bestimmten Aspekteneiner Veranstaltung häufig die Richtung angaben, in die auch dieVorbehalte des wissenschaftlichen Teams gingen.

Für die weiteren Arbeitsschritte, vor allem die Gestaltung dercurricularen Elemente, sind folgende zentralen Ergebnisse, insbe-sondere aus den Hospitationen, leitend:

- In vielen Fortbildungsveranstaltungen gab es bestimmte Sequen-zen, die hinsichtlich der inhaltlichen und methodischen Gestal-tung Vorbildcharakter hatten. Dies konnte z.B. ein besondersvetständlich vorgetragenes, den neuesten Wissensstand wieder-gebendes Kurzreferat sein, ein zum jeweiligen Thema hervorra-gend passendes Rollenspiel oder eine Entspannungsübung, diebei den Tagesmüttern ausgesprochen gut ankam. Es fiel gleich-zeitig auf, daß die wenigsten Veranstaltungen in ihrem Gesam-tablauf modellhaft gestaltet waren. So war z.B. der Bezug dereinzelnen inhaltlichen Schwerpunkte zum übergeordneten The-ma teilweise nicht schlüssig oder es wurden zu viele verschiedeneThemen in einer Veranstaltung abgehandelt.

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 69

— Es gab nicht selten eine eher schematische Darstellung wissen-schaftlicher Ergebnisse in bestimmten Einzeldisziplinen, die esschwierig werden ließ, zu erkennen, welcher Bezug zu den kon-kreten Problemen und Fragestellungen der Teilnehmerinnen be-stand. Besonders fiel diese eher fächerorientierte Vorgehensweiseim Bereich der Pädagogik und Entwicklungspsychologie auf. InGesprächen mit den zuständigen Referentinnen stellte sichmanchmal heraus, daß sie gleichzeitig in der Ausbildung von Er-zieherinnen tätig waren und die Inhalte von dort übernommenhatten.

- Die Veranstaltungen unterschieden sich sehr hinsichtlich ihresBezugs zu Schlüsselsituationen in der Tagespflege. In den Hospi-tationen stellte sich heraus, daß viele Themen sehr allgemein be-handelt, die Relevanz für die Tagespflege allenfalls angetipptwurde. Entsprechend kam dann auch Kritik der Teilnehmerin-nen: „Was hat das mit meiner Arbeit als Tagesmutter zu tun?"

- Bezüglich des methodischen Vorgehens fielen große Unterschie-de auf. Das Bemühen, eine lebendig gestaltete Fortbildung anzu-bieten, war fast überall spürbar. Dabei war allerdings manchmal„des Guten zuviel" zu beobachten, d.h. die Teilnehmerinnen er-lebten teilweise ein regelrechtes „Methodenfeuerwerk", was u.a.zu Lasten einer angemessenen Auswertung einzelner Übungenging. Es wurde auch nicht immer deutlich, warum im Kontextdes behandelten Themas das jeweilige methodische Vorgehengewählt worden war. Andererseits gab es Sequenzen, in denenauf naheliegende methodische Mittel - z.B. ein vetanschauli-chendes Rollenspiel - verzichtet wurde. Im Interview und in denWorkshops wurde zum Ausdruck gebracht, daß manche Metho-den zu wenig vertraut waren, um sie kompetent anwenden zukönnen.

— Das Projektteam teilt aufgrund seiner Beobachtungen in denHospitationen den von Teilnehmerinnen geäußerten Eindruck,daß die Veranstaltungen häufig stofflich überfrachtet waren. Da-durch war es vielfach nicht möglich, sich mit wichtigen Aspekteneines Themas ausführlich zu befassen, und es entstand ein regel-rechter Zeitdruck in den Veranstaltungen. Die Teilnehmerinnenhatten überwiegend bereits einen langen Arbeitstag hinter sich,wenn sie zu den abendlichen Fortbildungen kamen. Eine kon-zentrierte Erarbeitung der wichtigsten Fragen in der Tagespflegein einer insgesamt angenehmen, entspannten Atmosphäre ver-spricht daher den größten pädagogischen Nutzen.

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Diese Befunde führten zur Erkenntnis, daß der zentrale Auftrag desModellprojekts, curriculare Bausteine zu entwickeln, eben nicht le-diglich durch eine Dokumentation der beobachteten Fortbildungs-veranstaltungen erfüllt werden konnte. Dies kam auch deshalbnicht anfrage, da die Themen der Hospitationen nur einen Teil desnotwendigen Spektrums einer Fortbildung für Tagespflegepersonenabdeckten. Auch das ursprünglich angedachte Konzept eines mo-dulhaft aufgebauten Curriculums erschien nicht mehr erstrebens-wert. Die Beobachtungen hatten gezeigt, daß die kontinuierlicheZusammenarbeit in einer festen Fortbildungsgruppe eher zu derVertrauensbasis führt, die erforderlich ist, um sich intensiv undwirkungsvoll mit den zentralen Fragen der Tagespflege auseinan-derzusetzen. In einem zusammenhängenden Kurs kann es außer-dem am ehesten gelingen, zu sinnvollen thematischen Schwer-punktsetzungen und deren Verknüpfungen mit dem Ziel ganzheit-licher Betrachtungen zu kommen. Dem Problem der stofflichenÜberfrachtung der Veranstaltungen kann dadurch ebenfalls am be-sten begegnet werden.

Eine Fortbildung sollte so praxisnah gestaltet sein, daß Tages-mütter daraus einen unmittelbaren Gewinn für die Umsetzung inihr Handlungsfeld ziehen können. Das gleiche gilt für die Gestal-tung eines Curriculums. Unsere Bewertungen und kritischen Aus-sagen sind diesem Ziel geschuldet und nicht der „Abwertung" derpädagogischen Arbeit der Fachkräfte in den Modellorten. Wir sindvielmehr sehr dankbar, daß uns die Hospitationen ermöglichten,einige sicherlich typische „Fehler" vor Ort zu erleben. Dies erhöhtdie Chance, im vom DJI enrwickelten Curriculum manche curri-culare „Klippe" zu umschiffen. Außerdem muß bedacht wetden,daß wir in jedem Ort nur einen Ausschnitt der pädagogischen Ar-beit miterleben konnten. Verallgemeinernde Aussagen über dieQualität des gesamten Fortbildungskurses und anderer Veranstal-tungen — auch derselben Referentin — sind daher keineswegs ange-bracht.

Es muß schließlich deutlich gesehen werden, daß Unwägbarkei-ten im lebendigen Prozeß der Zusammenarbeit zwischen Teilneh-merinnen und Referentin den ursprünglich vorgesehenen Verlaufwesentlich beeinflussen und verändern können. Die Anwesenheitder wissenschaftlichen Beobachterinnen hatte - wie zu erwartenwar — ebenfalls einen Einfluß auf den Ablauf der Veranstaltungen,der jedoch bei anschließenden Nachfragen - sowohl von den Teil-nehmerinnen, als auch von den Referentinnen — als unerwartet ge-

Die Ergebnisse der Erhebungen an den Modellorten 71

ring eingeschätzt wurde. Häufig wurde berichtet, daß nach eineranfänglichen Aufregung bald vergessen wurde, daß DJI-Mitarbeite-rinnen anwesend waren. Dennoch wurde im anschließenden Inter-view mit der Referentin manchmal deutlich, daß eine Parallelveran-staltung zum gleichen Thema mit einer anderen Gruppe einengänzlich anderen - unter Umständen konstruktiveren — Verlauf ge-nommen habe.

Die Ergebnisse der Hospitationen gaben also einen wesentlichenImpuls für die Entscheidung, auf det Basis der gewonnenen Er-kenntnisse einen eigenen Curriculum-Entwurf für die Qualifizie-rung von Tagespflegepersonen zu erarbeiten. Dabei finden nachMöglichkeit alle die Veranstaltungsbausteine Berücksichtigung, diesich in der hospitierten Praxis bewährt hatten bzw. beispielhaft wa-ren.

Im nachfolgenden Kapitel wird dargestellt, welche Qualitäts-merkmale sich aus den Ergebnissen des Modellprojekts unter Her-anziehung relevanter wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Er-wachsenen- und Frauenbildung herauskristallisieren und welcheweiteren Folgerungen für Fortbildung in der Tagespflege darausabgeleitet werden können.

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3 Zentrale Gütemerkmale für dieQualifizierung in der Tagespflege

Aus der Wirtschaft schwappt seit Anfang der 90er Jahre die „Qua-litätsdebatte" in alle Bereiche des öffentlichen Lebens. Kaum einArbeitsfeld bleibt unberührt vom Anspruch auf Qualitätssicherung,QuaÜtätsentwicklung, Qualitätsstandards, Total Quality Mana-gement, ... Insbesondere auch Empfänger von öffentlichen Geldernmüssen bei gleichzeitiger Ressourcenverknappung den Nachweisvon Effektivität erbringen, die betriebswirtschaftliche Effizienz er-höhen, die Sicherung ihrer Arbeits- bzw. Dienstleistungs-Qualitätgewährleisten. Auch die öffentlichen Förderer von Weiterbildungdrängen auf höchstmögliche Effektivität der verausgabten Mittel.Weiterbildungsträger sehen sich in der Notwendigkeit zur verbes-serten Darstellung der eigenen Leistungen in der Öffentlichkeitund gegenüber den Geldgebern/der Politik.

Qualität ist jedoch nicht erst seit kurzem ein Anliegen der Pro-fession Erwachsenenpädagogik. Fragen professionellen Handelnsund differenzierter Programme sind schon ebenso lange in der Dis-kussion wie Fragen der Evaluation, der Hospitation, der Erfolgs-und Ergebniskontrolle. In den vergangenen Jahrzehnten sind durch-gängig Anstrengungen unternommen worden, Qualitätsmomentefür „gute Praxis" zu definieren. Ekkehard Nuissl, Direktor desDeutschen Instituts für Erwachsenenbildung, konstatiert, daß inDeutschland seit langem ein bewährtes System zur Überprüfungvon Qualität in der beruflichen Weiterbildung besteht:

„Es gibt eine Anerkennung von Weiterbildungseinrichtungen nach Weiterbil-dungsgesetzen auf Länderebene. Es gibt eine Prüfung der Bundesanstalt fürArbeit bei denjenigen Weiterbildungseinrichtungen, die Kurse nach dem AFGanbieten. Es gibt die Anerkennung von Veranstaltern und Maßnahmet] nachden Bildungsurlaubsgesetzen. Es gibt ressortspezifische Anerkennungs- undBe rech tigungs verfahren etwa in der Landwirtschaft oder - staatlich anerkannt- in bestimmten Kammerbereichen. Es gibt staatlich verantwortete Weiterbil-dungseinrichtungen wie Lehrerfortbildungsseminare, wissenschaftliche Wei-

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terbildungen an Hochschulen, kommunale Volkshochschulen und vieles ande-re mehr (Nuissl 1995, S. 17).

Vor der „Qualitätsoffensive" zielten die Bestrebungen zur Verbesse-rung der Qualität von Weiterbildung insbesondere auch auf eineProfessionalisierung der Fachkräfte, z.B. durch Gewährleistung ei-nes hauptamtlichen Status. Der Prozeß der Professionalisierung aufdieser Ebene stagniert jedoch. In der Erwachsenenpädagogik ist dieerwachsenenpädagogische Qualifizierung der Fachkräfte nochlängst nicht immer selbstverständlich, während durch Kürzungenund betriebswirtschaftliche Handlungsmodelle schon neue großeHerausforderungen entstanden sind. Viele, v.a. kleinere Weiterbil-dungsträger stehen mit dem aus der Wirtschaft übernommenenKonzept der Qualitätssicherung noch am Anfang, ohne ihren Fach-kräften gesicherte ArbeitsVerhältnisse und damit die Möglichkeitfür die volle Entfaltung ihrer pädagogischen Fähigkeiten bieten zukönnen.

Dennoch ist derzeit in der Erwachsenenbildung vielerorts auchOffenheit für Qualitätsansätze aller Art zu finden: Es wird experi-mentiert mit EQM, Benchmarking, Qualitätszirkeln, ISO, Selbste-valuationsverfahren, und seit Mitte der 90er Jahre gab es eine Viel-zahl von Kolloquien, Diskussions Veranstaltungen, Konferenzen zurBildungs- und Trägerqualität. Allerdings werden diese Bemühun-gen begleitet durch Qualitätsverlust aufgrund der zunehmendenRessourcenverknappung: Bei den Volkshochschulen konnten des-halb bereits 1995 weniger Hospitationen, weniger Doppeldozentu-ren, weniger Fortbildungen und weniger Fachkonferenzen stattfin-den (Nuissl 1995, S. 12).

In der wirtschaftsnahen Weiterbildung läßt man sich „ Quali-tätsmanagement" gegen teures Geld zertifizieren, weil die Unter-nehmen ein Zertifikat erwarten und weil hier offenbar noch finan-zielle Spielräume gegeben sind. Anders dagegen in der Erwachse-nenbildung — und hier insbesondere im Bereich der Non-Profit-Bildungsträger, die häufig auch Träger für Qualifizierungen in derTagespflege sind: Die Instrumente der Qualitätssicherung aus derWirtschaft sind dort nicht ohne weiteres anzuwenden. Denn ei-nerseits geht es bei der Definition von Qualitätsmerkmalen umnormative fachliche Standards, andererseits müssen solche Stan-dards auch pragmatisch im Sinne ihrer Umsetzbarkeit definiertwerden, d.h. sie müssen mit den vorhandenen Ressourcen und Po-tentialen abgestimmt werden (vgl. Schicke 1999).

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 75

Wie kann mit dem Modellprojekt Qualität in der Qualifizierung fiirdie Tagespflege erreicht und erhalten werden? Die Gemeinschaft der„Bildungseinrichtungen der Wirtschaft" in Niedersachsen hat her-ausgestellt, daß die Gestaltung einer Bildungsmaßnahme nach an-erkannten Lehrplänen ein Merkmal von Qualität ist (Stockmann1993, S. 38). Wenn auch die Übertragbarkeit von Maßstäben ausder Wirtschaft auf andere Gesellschaftsbereiche oft problematischist, so wird in diesem Punkt doch weitgehend Konsens zu erzielensein: Die Ausarbeitung eines fachlich fundierten Curriculumsscheint geeignet, die Qualität der Qualifizierung für die Tagespflegezu verbessern.

Doch eigentlich erweist sich die Qualität einer Qualifizierungs-maßnahme so richtig erst in der Durchführung und dann, wenndie Teilnehmerinnen ihre neu erworbenen Kompetenzen in derPraxis einsetzen. Entsprechend wird von Fachleuten der Qualitäts-entwicklung unterschieden zwischen Durchfuhrungsqualität undErfolgsqualität {vgl. Schicke 1999: Qualitätssicherung und Frauen-bildung, S. 27 - zit. wird dort das Instrument „Qualitätssicherungin der Volkshochschule" des Landesverbandes der Volkshochschu-len Niedersachsens e.V. ). Arnold (1994, S. 7) spricht vom gleichenSachverhalt in der englischen Nomenklatur: Er beschreibt die„Throughput-Qualität", die im Gegensatz zur Input-Qualität undzur Output-Qualität von Weiterbildung sich mit denjenigen As-pekten beschäftigt, „die während der eigentlichen Maßnahme wirk-sam werden". Dazu zählt er auch die Didaktik in den Dimensio-nen: „motivierend, erwachsenengemäß, erfahrungsorientiert, hand-lungsorientiert, reflexiv lernend". Mit den Projektprodukten „curri-culare Elemente" und „Gütemerkmale" bewegen wir uns auf der Ebeneder Durchfuhrungsqualität.

Erfolgsqualität ist nicht ohne weiteres zu überprüfen, denn Bil-dung an sich „ist ein persönlich-interaktiver Prozeß" (Gieseke1995, S. 23) und als solcher „widerständig", d.h. es können „nurbegrenzt Wirkungen vorherbestimmt und eingefordert werden"(s.o.). Erfolg hängt in der Bildung in hohem Maße auch vom per-sönlichen Hintergrund und vom Input der Lernenden ab. „(...) Bil-dung ist nicht als Ware organisierbar und entsprechend zu verwer-ten." Sie läßt sich nicht in Gänze „messen, abwiegen, planen, vor-hersagen, steuern" (Gieseke 1995, S. 24) (vgl. auch Kap. 3.1). Bil-dungsträger und Lehrende können also immer nur die Voraussetzungendafür schaffen, daß für die Praxis Erfolgsqualität wahrscheinlich ist.Garantiert herstellen können sie den Erfolg nicht.

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Rita Stockmann hat aus dem Blickwinkel des Verbraucherschut-zes 1993 einen Überblick über Instrumente zur Beurteilung derQualität von Weiterbildungsveranstaltungen zusammengetragen.Sie hat festgestellt,

„(...) daß die Qualität von Weiterbildung keine klar definierte und allgemeinanerkannte Größe ist, die sich anhand eines klar definierten Maßstabs messenließe. Vielmehr setzt sich die Qualität von Weiterbildung aus verschiedenenTeilqualitäten zusammen, die sich auf unterschiedliche Phasen des Weiterbil-dungsprozesses beziehen und durch Kriterien bestimmt werden können. Auchfür die Teilqualitäten (wie die Durchfiihrungsqualität) gilt, daß sie nicht all-gemein verbindlich definiert werden können. (...) Es müssen für die einzelnenTeilqualitäten Grundkriterien entwickelt werden, die unter Berücksichtigungder jeweiligen Besonderheiten der Weiterbildungsveranstaltungen und derNachfragerfinnen) um spezifische Kriterien ergänzt und jeweils unterschiedlichgewichtet werden müssen. Das Augenmerk muß sich dabei v.a. auf die maß-nähme- und adressatenspezifischen Kriterien richten, weil erst sie die Situationder Nachfrager(innen) entschieden verbessern." (Stockmann 1993, S. 51)

In diesem Sinne haben wir vor der Erstellung der curricularen Ele-mente und des „Bauplans" für ein Curriculum Gütemerkmale er-stellt, die sich speziell auf die Maßnahme „Qualifizierung in derTagespflege" beziehen. Neben den eigenen Erhebungsergebnissenaus dem Projekt (Kap. 2) haben wir dabei versucht, die Praxisgege-benheiten der Erwachsenenbildung im Non-profit-Bereich ebensozu berücksichtigen (Honorarkräfte, „berufsbegleitende" Qualifizie-rung, Teilnehmerinnen mit Kindern, wenig Ressourcen, inhaltli-cher Anspruch an die Qualifizierung zur Gewährleistung des Woh-les der in Tagespflege gegebenen Kinder), wie auch den Stand derDiskussion in der Erwachsenenpädagogik und der Frauenbildung.Auch in den Fachwissenschaften haben wir uns um Rezipierung desneuesten Standes bemüht.

Welches die Grundlagen für die curricularen Elemente im ein-zelnen sind, soll nachfolgend dargelegt werden. Dabei wenden wiruns zunächst dem erwachsenenpädagogischen Rahmen zu (Kap.3.1), danach den Kriterien der Frauenbildung (Kap. 3.2) undschließlich der fachlich-inhaltlichen Basis der curricularen Ele-mente (Kap. 3.3). Abschließend werden die Gütemerkmale vorge-stellt, die für die Konstruktion der curricularen Elemente definiertwurden (Kap. 3.4).

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 77

3.1 Erwachsenenpädagogischer Rahmen

In den Lernkulturen unserer öffentlichen Bildungs- und Ausbil-dungsinstitutionen sind trotz Bemühung um Senkung des Anteilsvon „Belehrungspädagogik" zugunsten einer „Erfahrungspädago-gik" {Nuissl 1995) frontalunterrichtliche Formen des Lehrens undLernens noch recht verbreitet. „Häufig nur durch die Androhungdes Entzugs von Lebenschancen können diese zum Ritual erstarrtenFormen ihre Glaubwürdigkeit behaupten" (Arnold 1996 b, S. 1).Viele Menschen, die an Erwachsenenbildungsmaßnahmen teilneh-men, sind in diesem Sinne „schulgeschädigt" — das haben auch un-sere Teilnehmerinnen-Befragungen im Rahmen des Modell pro jektsbestätigt. Viele Teilnehmerinnen von Tagespflege-Qualifizierungenhaben in der Schule „tote Lernkulturen" mit „skandalös geringerNachhaltigkeit" unter dem Motto „Nicht für die Schule, sondernfür die Selektion (Prüfung) lernen wir" durchlitten (Arnold, ebd.).An kritischen Stimmen, die eine Änderung dieser Verhältnisse for-dern und alternative Ansätze ausgearbeitet und erprobt haben, hates in der Geschichte der Pädagogik nicht gefehlt.

Seit den 80er Jahren läßt sich in unserem Bildungssystem einegrößere Aufgeschlossenheit gegenüber ganzheitlichen und sog. „le-bendigen" Formen des Lehrens und Lernens feststellen. Vorreiterist dabei in mancher Hinsicht die berufliche Bildung — in dem Be-mühen, Schlüsselqualifikationen zu vermitteln bzw. anzubahnen.„Zulieferer" einer Konzeption lebendigen Lernens, wie sie Rolf Ar-nold aktuell als prominenter Vertreter propagiert, sind u.a. die Re-formpädagogik der 20er Jahre, die Humanistische Psychologie undPädagogik, der Konstruktivismus (vgl. Arnold 1996 b, S. 3). DerBegriff „Lebendiges Lernen" wurde vor über 30 Jahren geprägt vonRuth Cohn, Begründerin der „Themenzentrierten Interaktion"(TZI). TZI ist ein Konzept der Gruppenleitung, das versucht, sy-stematisch pädagogisch-therapeutische Elemente für Bildungs- undandere Kommunikationsgruppen nutzbar zu machen. Cohn hat zu-sammen mit anderen Therapeuten 1966 in New York das „Work-shop Institute for Living Learning" (WILL) gegründet und sich alsÜberlebende des Holocaust mit Lehr- und Lernkonzepten beschäf-tigt, die menschliches Wachstum fördern.

Selbstbestimmung des Menschen, das Recht auf Achtung seinerWürde, die Fähigkeit, Verantwortung für sich und seine Welt zuübernehmen, sind in der TZI Basis allen Lehren und Lernens.Zentrales Arbeitsprinzip ist, das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten

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zwischen der eigenen Person, den Befindlichkeiten der anderenGruppenmitglieder und dem Thema. Wird allen Aspekten glei-chermaßen Beachtung geschenkt, ist die Gruppe im Gleichgewichtund es besteht „dynamische Balance" (vgl. Freudenreich, Diehl u.a.1996).

Da fremdorganisiertes Lernen - z.B. im Rahmen von Weiterbil-dungsmaßnahmen - im Gegensatz zu intrinsischem, eigenmoti-viertem Lernen schnell Gefahr läuft, aus der „dynamischen Balan-ce" zu geraten, als sinnlos erlebt zu werden und demzufolge erfolg-los zu verlaufen, sollte es möglichst „lebendig" {im Sinne von RuthColin) verlaufen.

3.1.1 Wann ist Lernen lebendig?

Jost Reischmann und Klaus Dieckhoff haben anhand der Aussagenvon knapp 500 befragten Teilnehmerinnen von Erwachsenenbil-dungsveranstaltungen versucht zu beschreiben, wann Lernen beson-ders positiv erlebt wird (s. Reischmann/Dieckhoff 1996). Das warimmer dann der Fall, wenn Lernen Sinn und Bedeutung für dasLeben der Lernenden hatte - wenn es als „lebensbedeutsam" einge-schätzt wurde.

Als lebensbedeutsam empfanden Lernende eine Veranstaltungdann, wenn sie z.B. Einsichten über sich selbst als Person gewinnenkonnten oder wenn sie etwas gelernt haben, was ihnen geholfen hat,sich selbst zu verändern und ihre Fähigkeiten zu erweitern. Positivwurde auch erlebt, wenn die Teilnehmenden das Gefühl hatten,miteinander und aneinander lernen zu können und „gute und hilf-reiche Kontakte" (S. 166) aufbauen konnten. Die Befragten habenpositiv wahrgenommen, wenn ihnen Sachinformationen in sach-lich-engagierter Form dargeboten worden sind und die Lehrendenfachlich kompetent waren. Dabei heben Reischmann/Dieckho ffhervor, daß fachliche Kompetenz zwar „die notwendige Vorausset-zung lebendigen Lernens (sei), aber sie allein garantiert noch nichtdie Lebendigkeit des Lernens" (1996, S. 168). Didaktische Kompe-tenz wurde von den Befragten eher als fehlend wahrgenommen,d.h. „ungünstige Lehr-/Lernarrangements" im Sinne von „Vortrags-stil" oder „Fachchinesisch" standen dem Eindruck von lebendigemLernen deutlich entgegen.

Eine „Lernkultur" mit Qualitäten wie Offenheit, Vielfalt, Toleranzvon und für andere Menschen und Meinungen dagegen fördert nachden Auswertungen von Reischmann/Dieckho ff die Lebendigkeit von

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 79

Lernen. Die Dimension des „sozialen Klimas" wird auch von der an-dragogischen (erwachsenenpädagogischen) Evaluationsforschung als„Kriterium eines guten Kurses" betont (1996, S. 170). „In einer gu-ten Veranstaltung (...) herrscht ein Klima gegenseitiger Achtung,partnerschaftlichen Helfens, entspannten Humors und persönlicherEchtheit" (Reischmann 1995, S. 273). Dieses „Lernen in Mitmensch-lichkeit" ist nach Reischmann/Dieckho ff eine „überaus wichtige Pro-zeßqualität lebendigen Lernens in der Erwachsenenbildung" (1996,S. 170). Eine weitere Qualität der Lernumwelt, die lebendiges Lernenfördert, ist das „Lernen in Wohlbefinden ": Lernende nehmen mehr aufund mit, wenn sie sich beim Lernen wohlfühlen. Dies wurde in denUntersuchungen von Reischmann/Dieckhoff und auch durch unsereTeilnehmerinnen-Befragung bestätigt.

Zusammenfassend lassen sich zentrale Elemente lebendigen Ler-nens aus der zitierten Untersuchung identifizieren:

— Das Lernen war für die Lernenden lebensbedeutsam und lebens-dienlich, d.h. es konnten selbsterkennende und selbstverändern-de Prozesse stattfinden.

— Die Lernenden hatten Gelegenheit, miteinander und aneinanderzu lernen und hilfreiche Kontakte aufzubauen.

— Sachinformationen waren in sachlich-engagierter Form dargebo-ten worden, die Lehrenden begleiteten die Lernenden fachlichund didaktisch kompetent.

— Das Lernen fand in einer Kultur mit Qualitäten wie Offenheit,Vielfalt, Toleranz von und für andere Menschen und Meinungenstatt.

— Das Lernen vollzog sich in einem sozialen Klima der Mitmensch-

lichkeit.— Die V.etx\e.n<ien fühlten sich beim Lernen wohl.— Insbesondere das Zusammenwirken mehrerer dieser Qualitäten

und eine ganzheitlich-mehrdimensionale Erarbeitung eines The-mas war bedeutsam für die Empfindung von Lebendigkeit desLernens.

3.1.2 Didaktik: Wie kann lebendiges Lernen ermöglichtwerden?

Didaktik organisiert Lernen für andere. Sie „kann Lernerfolg nurfördern und ermöglichen; garantieren kann sie ihn nicht" (Reisch-mann/Dieckhoff 1996, S. 175). Das ist seit den Anfängen der Päd-

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agogik bewußt, deshalb wird die/der Erzieherin nicht erst seitRousseau gern mit dem Bild der „Gärtnerin/des Gärtners" assozi-iert. Erwachsenenpadagoglnnen können also didaktisch zwar allestun, was Lernen erfolgversprechend macht, gleichzeitig müssen sieaber wissen, daß Lernen sich nicht erzwingen läßt. Denn die Ler-nenden „bringen in das Feld des Lehrens und Lernens ihre eigenenRelevanzsysteme mit" (ebd., S. 176). Nach ihren eigenen Gesichts-punkten interpretieren und evaluieren sie das Neue und entschei-den selbst, was sie sich „einverleiben". Arnold macht in diesem Zu-sammenhang darauf aufmerksam, daß Lernen auf Erfahrungengründet. Gelernt wird, was von einem Menschen aufgrund seinerbisherigen Erfahrungen als bedeutungsvoll wahrgenommen wirdund sich an die vorhandene „Struktur" anknüpfen läßt. Konkretformuliert: Eine Teilnehmerin/ein Teilnehmer einer Weiterbil-dungsmaßnahme greift aus den angebotenen Informationen das he-raus, was sie/er zum aktuellen Zeitpunkt aufgrund ihres/seines Er-fahrungshintergrundes als relevant erachtet und was sie/ihn bei derBearbeitung individueller Themen zu unterstützen verspricht. Ler-nen ist demnach „ein selbstgesteuerter Verarbeitungsprozeß des In-dividuums" und beruht auf einer „Differenzerfahrung" - der Diffe-renz zwischen Vertrautem und Neuem (Arnold/Schüßler 1996, S.187).

Aufgabe der Didaktik wäre somit, „einen Rahmen bzw. Deu-tungsspielraum (zu schaffen), der es den Lernenden ermöglicht, dasfür sich jeweils .Passende' zu rezipieren" (ebd., S. 190). Lebenswelt-bezogene Erwachsenenbildung im Sinne von lebendigem Lernenkann dabei professionell initiiert werden, wenn die Referentin/derReferent nicht nur ihre/seine bzw. die durch sie/ihn vermittelteSicht der Dinge zuläßt, sondern auch die „Deutungsmuster" deranderen Teilnehmenden zum dargestellten Thema explizit berück-sichtigt und sie mit differenten Sichtweisen konfrontiert, um allenbewußt „differente Erfahrungen" zu ermöglichen. Sie/er schafft miteinem strukturierten Erfahrungsaustausch „multiple Perspektiven"und stellt den Teilnehmenden somit einen „Deutungspool" zurVerfügung. „So können Lernprozesse angeregt und (...) Einsichtenin die eigenen Wahrnehmungs-, Gefühls- und Denkvorgänge ent-wickelt werden" (ebd., S. 194/195).

Dieses Prinzip der Erfahrungsorientierung hat im erwachsenen-pädagogischen Handeln eine ausgewiesen lange Tradition und hoheKonsensfähigkeit (s. Gieseke/Siebers 1996, S. 207). Das Redenüber Erfahrungen ist auf das Herstellen eines gemeinsamen Verste-

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 81

henskontextes, weniger auf ein bestimmtes Methodensetting ange-wiesen. Die entsprechenden Bedingungen lassen sich nicht metho-disch technisieren. Wechselseitige Akzeptanz und Empathie, Ge-duld und Zeit sind die Voraussetzungen, unter denen sich dieserVerStehenskontext entwickeln kann.

Eine Didaktik, die das oben Beschriebene ernst nimmt, versucht,den Lernenden alles an die Hand zu geben, was sie brauchen, um„selbstgesteuert" ihr Lernen vollziehen zu können. Frühe Vertrete-rin eines solchen Vorgehens war Maria Montessori, die dazu auffor-derte, Kindern nichts überzustülpen, sondern ihnen nur zu assistie-ren nach dem Motto: „Ich helfe dir, es selbst zu tun!" Arnold hatfür die Weiterentwicklung dieses Ansatzes in der Erwachsenenpäd-agogik den Begriff „Ermöglichungsdidaktik" geprägt, der ein me-thodisches Procedere im Sinne „riskanter Vermittlungsformen" mitsich bringt (Arnold 1996 c). Als „riskant" können die Vermitt-lungsformen insofern gelten, als die Bereitstellung „anregender Si-tuationen, in denen individuelle ,Suchbewegung' und ,Probeden-ken' möglich sind" eine durchgängige Plan- und Kontrollierbarkeitdes Lehr-/Lernprozesses für die Lehrenden ausschließt (ebd., S.719).

Lernende sind nach diesem Bild nicht länger passive Empfänge-rinnen von Bildungsgut, sondern werden als autonome Individuenrespektiert, die am nachhaltigsten selbstgesteuert lernen. Die Leh-renden nehmen in einem solchen Arrangement nicht die Rolle von„Paukerinnen" ein, sondern vielmehr die Rolle einer/eines „Facili-tators" (= Ermöglicherin/Ermöglicher - in Anlehnung an Carl Ro-gers 1974). Lernformen wie lebendiges Lernen bedürfen in einemWeiterbildungskontext professioneller Planung, die eine »lebendigeBegegnung zwischen dem lernenden Menschen und der zu lernendenSache möglich und wahrscheinlich" macht (Reischmann/Dieckhof,S. 176). Seit den Anfängen der Reformpädagogik wurde eine Viel-zahl didaktischer Formen zur Ermöglichung selbstgesteuerten Ler-nens weiterentwickelt, z.B. Projektmethode, offenes Lernen, Mode-rationsmethode.

Fazit: Dem Anspruch an lebendiges Lernen wird Erwachsenenbil-dung dann gerecht, wenn es gelingt, Prinzipien der Kommunikati-on und Interaktion sowie der Identitäts- und Erkenntnisarbeit indie didaktische Planung zu integrieren.

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3.1.3 Welche Lehrenden können lebendiges Lernenermöglichen?

Arnold/Schüßler (1996) vertreten die Ansicht, daß Lehrende bei al-ler grundsätzlich strukturierten Offenheit einer Lehr-/Lernsituationauch in der Lage sein sollten, Beispiele der Lernenden an wissen-schaftliche Erklärungsmodelle anzuknüpfen und den im Unterrichtzu behandelnden Stoff flexibel auf die Deutungen der Teilnehme-rinnen zu übertragen. Ohnehin sollten sie auch Wissen vermittelnin Fällen, wo neue Inhalte zu weit von bekannten Deutungen ent-fernt liegen {z.B. rechtliche Regeln). Ein weiteres Mittel, mit demsie bewußt auf die Lehr-/Lernsituation einwirken können, ist: denTeilnehmenden eigene autobiographische Erfahrungen preiszuge-ben und sich damit als Person und gleichwertige Gesprächspartne-rinnen zu erkennen geben. Bei alledem sollten sie die professionelleVerschränkung von Empathie und Distanz souverän handhaben.

Deutungslernen nach Arnold stellt mit dem dazugehörigen „Per-spektivenmanagement" insgesamt hohe und sehr spezifische Anfor-derungen an die pädagogische Professionalität. So müssen die Leh-renden neben den „offiziellen" Lernthemen auch die „mitgebrach-ten" Themen der Teilnehmerinnen beachten. Mit der Frage, wieein solches Lernen professionell ermöglicht und situativ gestaltetwerden kann, stehen Theorie und Praxis der Erwachsenenbildungnach Meinung Arnolds (1996 c) vor einer neuen Dimension derProfessionalitätsdebatte. Anders gefragt: Welche Honorarkräftekönnen unter welchen Arbeitsbedingungen diese anspruchsvolleArbeit leisten?'

Die Praxiserfahrung in pädagogischen Tätigkeitsfeldern zeigt au-ßerdem, daß die Fähigkeit vieler Erwachsener zu selbstgesteuertemLernen unter den gegebenen Bedingungen schulischer Vorerfah-rungen und schulisch ausgerichteter Lernsettings oft nicht in wün-schenswertem Maß in der zur Verfügung stehenden Zeit zu errei-chen ist. Selbstgesteuertes Lernen setzt hohe Motivation, Lerntech-niken und Ressourcen voraus und kann recht mißerfolgsanfälligsein. Lebendiges Lernen kann zunächst auch Druck, schmerzhafteLernerfahrungen und Enttäuschungen verursachen (vgl. Reisch-mann/Dieckhoff 1996, S. 174). Deshalb kamen Wissenschaftlerln-

14 Die Beschäftigungs Verhältnisse in der Weiterbildung sind vielfach so pre-kär, daß qualifizierte pädagogische Fachkräfte von sich selbst als „Tagelöh-nerinnen im Bildungsbereich" sprechen (s. gleichlautender Artikel in: Er-ziehung und Wissenschaf: 11/2000, S. 27/28).

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 83

nen und Praktikerinnen nach einer zwischenzeitlichen starken Be-tonung des selbstgesteuerten Lernens (v.a. in den USA) zu demSchluß: „Selbstgesteuertes und fremdgesteuertes Lernen haben bei-de ihr Recht; es gilt, im jeweiligen Einzelfall die optimale Kombi-nation zu finden." (ebd., S. 174). Wann, für wen und wozu wieviel„Lebendigkeit" im Lernen also passend ist, muß letztlich die Refe-rentin/der Referent in der jeweiligen Gruppe entscheiden.

3.1.4 Problemorientiertes Lernen (POL) als Umsetzung einerErmöglichungsdidaktik

POL ist eine im europäischen und US-amerikanischen Ausland vielpraktizierte, in der Bundesrepublik Deutschland noch wenig be-kannte didaktische Methode. Bei uns wird POL derzeit in derFortbildung von Lehrerinnen für Krankenpflege berufsbegleitendund im Medizinstudium versuchsweise systematisch eingesetzt.POL räumt Prozessen der selbsttätigen und selbständigen Wis-senserschließung und Wissensaneignung strukturell viel Platz ein.Da in POL das Prinzip der Selbstorganisation von Lernen sehrkonsequent umzusetzen versucht wird, ließen wir im Rahmen desModellprojekts von zwei Expertinnen und Praktiker innen vonPOL in Deutschland eine Expertise erarbeiten (Bogemann-Groß-heim/Handgraaf 2000), um zu überprüfen, inwieweit Elemente desProblemorientierten Lernens auch für die Qualifizierung in der Ta-gespflege geeignet sind.

In POL findet Lernen statt, das sich an den Lernenden orien-tiert. „Auf der Grundlage von vorgegebenen Problemstellungen,Aufgaben und Fragestellungen bestimmen die Teilnehmerinnenselbst, was sie lernen, wie sie ihr Wissen erwerben und zu welchemZeitpunkt sie sich innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens wei-terführend mit dem Lernstoff auseinandersetzen" (Bögernann-Großheim/Handgraaf 2000, S. 24). In kleinen Gruppen organisie-ren jeweils maximal 10 Teilnehmende gemeinsam auf der Grundla-ge von vorformulierten Praxisfällen mit Hilfe eines Problemlö-sungsmodells in sieben Schritten ihr Lernen. Ergänzend finden Ex-pertinnen-Vorträge und praktische Fertigkeitstrainings statt. DieErwachsenenbildnerinnen verstehen sich als „Lernbegleiterinnen"(Tutorlnnen), die zur Unterstützung und Begleitung Sprechstun-den anbieten und letztlich auch verantwortlich dafür sind, dass zumAbschluß der Veranstaltung ein Ergebnis in Form von Lernzielenoder in Form einer Lösung formuliert wird.

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Ziel der themenzentrierten, interdisziplinären und praxisnahenEinheiten ist es, sich mit dem Praxisproblem zu beschäftigen unddie zur Lösung oder zum Umgang mit dem Problem notwendigenKenntnisse möglichst selbständig zu erwerben. Vereinfacht dar-gestellt erfolgt die erste Konfrontation mir dem Fallbeispiel und derAustausch über die Ergebnisse des selbsttätigen Lernens in derKleingruppe (Tutorium). Dort wird die Problemstellung von denTeilnehmenden zunächst auf Basis ihrer Erfahrungen und ihresVorwissens diskutiert. Offene Fragen werden dann in Eigeninitiati-ve im Selbststudium angegangen. Die Teilnehmerinnen erarbeitenanhand ausgewählter Literatur Antworten und suchen möglicheErklärungen. Nach der Phase des Selbststudiums tauschen die Teil-nehmerinnen die erarbeiteten Antworten in der Kleingruppe ausund reflektieren, in welchem Maße sie das Problem jetzt besser ver-stehen (ebd., S. 6). Durch eine stark strukturierende Arbeitsmetho-de zur Problemdefinition und -bearbeitung („Siebensprung") wirdeingeübt, systematisch mit Problemen umzugehen {ebd., S. 7). Ineiner Abendveranstaltung mit max. 3 Unterrichtsstunden werdendie Recherche-Ergebnisse zu einem Fall ausgetauscht und ein neuerFall vorgestellt. Die Treffen in der Kleingruppe finden einmal wö-chentlich statt. Für das Selbststudium werden pro Teilnehmerin ca.5-10 Std. wöchentlich kalkuliert. Zusätzlich einzuplanen sindFachvorträge, Exkursionen, Expertlnnenenbefragungen sowie Fer-tigkeitsübungen („Skillslabs").

3.1.5 Eignung von POL für die Tagespflege-Qualifizierung

Lernen nach der POL-Methode verspricht konkret, die für die Ta-gespflege-Qualifizierung so wichtigen methodisch-didaktischen Zu-gänge sicherzustellen, die den Transfer in die Praxis und den Nut-zen für den Tagespflege-Alltag unterstützen. Außerdem spielt in derArbeit von Tagesmüttern die alltägliche Beziehungsgestaltung einewichtige Rolle. In diesem Zusammenhang erscheint vorteilhaft, daßdie POL-Methode über die Abstimmungsprozesse in der Klein-gruppe auch die sozialkommunikativen Kompetenzen der Lernen-den fördert. Und nicht zuletzt findet Lernen nach der POL-Metho-de unter Berücksichtigung inhaltlicher Zusammenhänge statt undkann insofern besonders nachhaltig wirken. Aus Sicht der Autorin-nen der Expertise ist POL für die Tagespflege-Qualifizierung des-halb in besonderem Maße geeignet. Allerdings muß einschränkendberücksichtigt werden:

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 85

- Die Teilnehmerinnen können nicht ohne weiteres 10 Stundenpro Woche dem Selbststudium widmen - womöglich auch außerHaus. Viele betreuen entweder schon Tageskinder, die meistenhaben auch eigene Kinder zu versorgen.

- Die Teilnehmerinnen von Qualifizierungen für Tagespflege sindhinsichtlich ihres Bildungshintergrundes erfahrungsgemäß sehrheterogen. Es kann folglich nicht selbstverständlich vorausgesetztwerden, daß die Lernenden auf hohem Abstraktionsniveau mitTexten atbeiten und sich ihr Wissen durch Lesen im Selbststu-dium aneignen können. Die Erfahrungen im Modellprojekt zei-gen z.B. in bezug auf das Anfertigen von Hausarbeiten eher imGegenteil, daß es vielfach einen hohen Begleitaufwand erfordert,um die Frauen in ihrer Selbsttätigkeit zu ermutigen und zu un-terstützen (vgl. auch Kap. 3.2).

- Wie bereits erwähnt sind die Lernerfahrungen sehr vieler Teil-nehmerinnen von negativen schulischen Vorerfahrungen ge-prägt, Eigeninitiative ist demzufolge wenig kultiviett. Selbsttäti-ges Lernen muß häufig erst entwickelt und eingeübt werden.Unter dem Kostenaspekt und im Interesse det Teilnehmerinnensind jedoch Träger vorrangig daran interessiert, die Qualifizie-rungen im Umfang möglichst gering zu halten.

- Referentinnen sind als Lernbegleiterinnen und Moderatorinnendes Lernprozesses in der Gruppe in einer völlig neuen Rolle undbrauchen nach Angabe der POL-Experrinnen eine Schulung inder neuen Methode: Sie müssen lernen, das Lernen der Teil-nehmerinnen zu ermöglichen, die Zusammenarbeit in derGruppe zu stimulieren, auf persönliche Anliegen der Teilnehme-rinnen einzugehen, ihrer Verantwortung für das Erzielen vonErgebnissen nachzukommen, ohne den Lernenden ihre Ver-antwortung für ihr Lernen abzunehmen. Die vorausgehendeReferentinnen-Qualifizierung stellt eine Verteuerung für denTräger und damit eine enorme Hürde dar.

- Der Träger muß darüber hinaus die POL-Maßnahme speziellzeit- und kostenintensiv organisieren: Nicht nur müssen dieSelbststudienzeiten auf die Qualifizietungsdauer prozentualangerechnet werden. Es braucht z.B. ausreichend Räume fürdie Kleingruppenarbeit und Gelder für die Bereitstellung derLernmaterialien. Und es braucht ein spezielles Curriculum, dasdie Lerninhalte fächerübergreifend in Form von Fällen organi-siert.

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Die Autorinnen der Expertise „(...) schlagen daher vor, POL zu-nächst im Rahmen besonderer Lerneinheiten zu erproben" (ebd., S.21). Wir haben dieser Empfehlung und den oben geschildertenBefunden der Andragogik bei der Entwicklung unserer curricularenElemente Rechnung getragen, indem wir versucht haben, sie kom-patibel zu gestalten z.B. in Bezug auf die Fächerintegration, die Pra-xisorientierung, die Erfahrungsorientierung, die Möglichkeit zur Ei-genaktivität, das Einüben von Interaktion und Kommunikation unddie Einbeziehung von Fallbeispielen und Schlüsselsituationen. Solangeselbsttätiges und lebendiges Lernen noch keinen größeren Verbrei-tungsgrad und mehr Selbstverständlichkeit in unserer Bildungs-landschaft erfahren hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daßdie Mehrheit der Bildungsträger ihre Qualifizierungen nach demumfassenden POL-Konzept organisieren wird. Deshalb haben wirdarauf verzichtet, es zur Basis der curricularen Elemente zu ma-chen, obwohl der Ansatz auf dem aktuellen Stand der Erwachse-nenbildung gründet. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten inder Praxis haben wir jedoch versucht, Ansatzpunkte für eine „Er-möglichungsdidaktik" nach Arnold im Sinne eines lebendigen Ler-nens zu verankern. Wie oben erwähnt kann Referentinnen undTrägern nicht abgenommen werden, in den jeweiligen Konstella-tionen abzuwägen, wie sie bei Verwendung der vom DJI erarbeite-ten curricularen Elemente „ihren" Teilnehmerinnen günstige Lern-voraussetzungen schaffen können.

3,2 Kriterien der Frauenbildung

Frauenbildung hat sich als adressatenbezogene Bildungsarbeit überdie vergangenen 20 Jahre hinweg in der erwachsenenpädagogischenPraxis etabliert, obwohl die Bezugswissenschaft Erwachsenenpäd-agogik dieses Praxisfeld bisher nicht angemessen wahrgenommenhat. Dabei liefern die Frauenforschung und die Theorie der Frau-enbildung eine ganze Reihe von Kriterien, die auch für die Quali-tätsentwicklung in der Weiterbildung nutzbar gemacht werdenkönnten. In der Erwachsenenbildungs-Landschaft gibt es derzeitviele Bildungsträger, die zwar Angebote mit einem und für einenhohen Anteil an weiblichen Teilnehmerinnen durchführen (z.B.Familienbildung und Tagesmütter-Qualifizierung), ihre Weiterbil-dungen aber nicht an den Postulaten der Frauenbildung orientie-

ren.

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 87

Frauenbildung tritt vor dem Hintergrund gesellschaftlicherChancenungleichheit für eine geschlechtersensible Sichtweise aufBildung ein. Gisela Abts und Elisabeth Vanderheiden (1999) fassendie Fakten zusammen, die zur Genese einer emanzipatorischenFrauenbildung geführt haben (S. 48):

— Frauen sind in dieser Gesellschaft benachteiligt.— Die Strukturen verhindern eine gleichberechtigte Teilhabe von

Frauen auf dem Arbeitsmarkt.— Weibliche und männliche Rollenklischees tragen zur Verfesti-

gung der Situation bei.— Frauen haben Männern gegenüber keine Defizite, sondern ande-

re Qualitäten.— Frauen- und Männerförderung auf verschiedenen Ebenen ist

Voraussetzung für Gleichberechtigung.Über die allgemeinen Ziele von beruflicher Weiterbildung hinaussind die Ziele von beruflicher Weiterbildung^rFraK^« demzufolgevor allem auch:— Stärkung des beruflichen Selbstbewußtseins,— Entwicklung einer eigenen weiblichen, berufsbezogenen Rolleni-

dentität (auch in Führungspositionen),— Ermutigung zur Betätigung in technischen Bereichen,

— Thematisierung der Strukturmerkmale von Frauenbenachteili-

gung-

3.2.1 Lernen Frauen anders?

Darüber, daß sich im kognitiven Sinne keine relevanten Lern- bzw.Aneignungs- und Intelligenzunterschiede zwischen den Geschlech-tern feststellen lassen, besteht weitgehend Einigkeit (Schiersmann1997). Die unübersehbaren Erfolge von jungen Frauen im Bil-dungssystem belegen dies eindrücklich (Stiegler 1992, S. 5). Den-noch kann von unterschiedlichen Lernkulturen bzw. Lernstilen ge-sprochen werden: Frauen und Männer lernen „anders". Die fest-stellbaren Unterschiede, die zwar nicht bei allen Frauen und Män-nern in „Reinform" auftreten, sind jedoch von ihrer Tendenz her soeindeutig zu belegen, daß mit Fug und Recht von „geschlechtstypi-schem" Verhalten gesprochen werden kann. Dieses geschlechtsty-pische Verhalten ist insofern von Bedeutung, als es einen entschei-denden Beitrag zur Reproduktion der hierarchischen Geschlechter-

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Verhältnisse in unserer Gesellschaft leistet (Schiersmann 1997, S.52).

Aus der Schulforschung ist die dominante Position von Jungenin Lehr- und Lernsituationen seit langem bekannt. Untersuchungendes Schulalltags in Klassenzimmern zeigen, wie viel mehr Jungen ingemischten Klassen Lob und Ermutigung bekommen, wieviel mehrsie sich das Wort nehmen und es zugeteilt bekommen, wie sehr siez.B. im EDV-Unterricht die Arbeitsmittel dominieren, wie sie sichüber die Mädchen lustig machen, und wie Leistungen der Mädchennicht erkannt und anerkannt werden (vgl. z.B. Enders-Dragässer/Fuchs 1989 und 1990, Faulstich 1993, Horstkemper 1991, Stal-mann 1996). Mädchen bekommen weniger positives Feedback fürihr Verhalten, was Auswirkungen auf ihr Selbstgefühl hat (vgl.Sonntag 1993).

Aus der feministischen Sprachwissenschaft wissen wir zudem,daß sich am unterschiedlich dominanten Kommunikationsverhal-ten in gemischten Gruppen auch im Erwachsenenalter nichts än-dert (vgl. z.B. Pusch 1990, Tröml-Plötz 1991). InsbesondereTröml-Plötz betont in den neueren Arbeiten (1996), wie wenig z.B.die „konversationelle Kompetenz" von Frauen in spezifischen Be-rufen bisher noch in Form von adäquater Vergütung wertgeschätztwird. Überhaupt gelten im Berufsleben viele Fähigkeiten, die Frau-en einsetzen, nicht als Qualifikationen: Sie werden weder vergütet,noch als Kriterium für Karriere oder Aufstieg herangezogen. In so-zialpädagogischen und ganz besonders in erzieherischen Berufen imElementarbereich werden Sensibilität und Einfühlungsvermögengratis mitgenutzt. Vergleicht man die Löhne von Erzieherinnen mitden Löhnen von Technikern wird deutlich, daß die Sensibilität imUmgang mit Menschen im Gegensatz zur Sensibilität im Umgangmit der Technik gesellschaftlich und politisch weitaus geringer be-wertet und bezahlt wird (vgl. Stiegler 1992).

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 89

3.2.2 Was kennzeichnet weibliches Lernverhalten?15

Geringeres Zutrauen zu eigenen Fähigkeiten und KompetenzenDas Selbstbewußtsein von Frauen ist tendenziell eher geringer aus-geprägt als das von Männern. Sind sie erfolgreich, tendieren sie da-zu, dies dem Zufall zuzuschreiben oder das Lob durch andere abzu-schwächen und dadurch ihre Leistung zu verringern. „Für vieleFrauen trifft zu, daß, wenn sie ein positives Feedback bekommen,sie sich daran bereits nach kurzer Zeit nicht mehr erinnern können,weil es im Widerspruch zu ihrem Selbstkonzept steht" (Gieseke1995 a, S. 42).

A bsicherungsbedürfnisWenn Frauen sich einem neuen Lerngegenstand nähern, gehen sieeher vorsichtig und zurückhaltend vor und fragen viel nach. Auchbei der Theorievermittlung fragen Frauen nach Begründungszu-sammenhängen und Hintergründen. Sie haben eher Vorbehalte,abstrakte Modelle anzuwenden, ohne sie vollständig verstanden zuhaben. Von Männern wird Frauen dieses Verhalten schnell als „Be-griffsstutzigkeit" ausgelegt.

Hohe Bewertung von GruppenarbeitFrauen arbeiten gern in Gruppen und gute Gruppenbeziehungenfestigen ihren Lernerfolg. Insbesondere das Lernen in Frauengrup-pen wird häufig als angenehmer und erfolgreicher wahrgenommenals in gemischten Gruppen, weil das Lernklima dann als angstfreier,der Leistungsdruck geringer empfunden wird und das Probierver-halten ermutigt wird (s.o.).

Anpassung und Vermeidung von KonkurrenzFrauen formulieren ihre eigene Position eher vorsichtig. Gemein-samkeiten in einer Gruppe werden stark betont. Individuelles undselbstbewußtes Handeln erscheint Frauen gewagt. Es fällt Frauenschwer, ihre Positionen in Diskussionen auch gegen Widerstand zu

15 Die Ausführungen zu weiblichem Lernverhalten und den Konsequenzen füreine an den Bedürfnissen von Frauen orientierten Weiterbildung beruhenauf neueren Untersuchungen in sog. „Problemgruppen" des Arbeitsmarktesin Weiterbildung (Schiersmann 1997). Hier wurden Personen beforscht,die eher niedrigere Schulabschlüsse hatten und sich in prekären Lebenssi-tuationen befanden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung decken sich mitden Befunden aus der Schul- und der Sprachforschung.

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behaupten. Frauen lassen sich in Diskussionen schnell unterbre-chen und glauben, nichts zu sagen zu haben. Sie sind leicht durchKritik zu verletzen und ergreifen ungern die Initiative.

Unbehagen bei EinzelarbeitEinzelarbeit verunsichert Frauen eher, sie zweifeln am eingeschla-genen Weg, versuchen sich zu vergewissern und Verantwortung zudelegieren.

Dominanz von MännernSchulforschung und Sprachwissenschaft belegen, daß Männer, wiebereits oben erwähnt, in gemischtgeschlechtlichen Gruppen domi-nieren. Aus Schuluntersuchungen ist z.B. bekannt, daß Jungen ca.2/3 der Aufmerksamkeit der Lehrkraft (egal ob männlich oderweiblich) beanspruchen und bereits leichte Verschiebungen dieserQuote zugunsten der Mädchen von den Jungen als Benachteiligungwahrgenommen werden (vgl. Enders-Dragässer/Fuchs 1989).Sprachwissenschaftliche Analysen männlich dominanten Sprech-verhaltens lassen sich bei Pusch (z.B. 1990) und Tröml-Plötz (z.B.1996) nachlesen.

Passive Formen der Verweigerung statt aktiver KritikFrauen weichen Konflikten eher aus und haben Angst, „aus derReihe zu tanzen". Bei Problemen wählen Frauen deshalb eher denWeg des äußeren Rückzugs (Zuspätkommen oder Fehlen) oder desinneren Rückzugs (NichtbeteiÜgung und Schweigen).

KooperationFrauen werden von Lehrenden durchwegs als kooperativer und för-derlicher für ein harmonisches Gruppenklima wahrgenommen alsMänner. Trotzdem bzw. deshalb widmen die Lehrenden in ge-mischten Gruppen Männern die meiste Aufmerksamkeit - auchwenn sie dieses Verhalten kritisch beurteilen.

SelbstdarstellungMänner sind stärker auf Selbstdarstellung bedacht. Sie reden längerals Frauen und setzen sich mit Nachdruck durch. Frauen machenwenn, dann eher kürzere Beiträge, relativieren ihre Person, lachenhäufig.

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 91

3.2.3 Woher kommen die Unterschiede?

Leonhard (1996) kommt zu dem Ergebnis, „(•••) daß stichhaltigeAuskünfte über einen möglichen biologisch-genetischen Faktor beider Ausbildung von geschlechtstypischen Unterschieden (...) imVerhalten von der Evolutionsbiologie derzeit nicht zu erhaltensind" (zit. n. Schiersmann 1997, S. 59). „Im Rahmen der sozialwis-senschaftlichen Erklärungsansätze kommt der Sozialisation als Pro-zeß der Einbindung von Individuen in gesellschaftliche Konstella-tionen eine entscheidende Rolle zu" {Schiersmann 1997, S. 59).

Welche Sozialisationserfahrungen haben Frauen in unserer Ge-sellschaft? „Weibliche Sozialisation ist gekennzeichnet durch Ab-wertungserfahrungen und Entfremdungserlebnisse." Subtile oderoffene Gewalterlebnisse sind dabei für Mädchen und erwachseneFrauen nur „ (...) besonders drastische Formen von Erfahrungen,die Entfremdungsprozesse vom eigenen Körper und Objektwer-dung bedeuten. (...) Es ist für Mädchen weitaus schwerer als fürJungen, Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Sieerleben eine Abwertung ihres Geschlechts, sie erleben den Verlustder Kontrolle über ihren Körper und ihre Lebensumstände. Sieverinnerlichen diese Abwertung und integrieren sie in ihr Selbst-konzept (alle Zitate Sonntag 1993, S. 50).

Schiersmann spricht in diesem Zusammenhang davon, daß „dieSelbst- und Fremdbilder von Frauen gebrochen sind" (1997, S. 65).Die „gesellschaftlich zugewiesene Zweitrangigkeit" (Gieseke 1997b, S. 53) prägt das Lernverhalten von Frauen. „Zudem geraten siebei dem Bemühen um Veränderung leicht in eine double-bind-Si-tuation. Um ernstgenommen zu werden, müssen sie sich männli-chen Kommunikations- und Lernstilen anpassen. Tun sie dies je-doch, werden sie in ihrer Identität als Frauen nicht ernst genom-men" (Schiersmann 1997, S. 65).

Frauenbildung muß sich nach Gieseke nicht nur mit den äußerenGegebenheiten (ungleiche Chancen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt beigleicher oder besserer Ausbildung) sondern auch mit den „innerenMauern und Begrenzungen beschäftigen", denn „wenn Frauen ihrGeschlecht nicht ernst nehmen können, wie sollen sie gerade auch imBildungsprozeß und in beruflichen Zusammenhängen sich ernstneh-men?" (Gieseke 1997 b, S. 52). Das bedeutet, daß nicht nur in ge-mischten Gruppen sorgfältig auf geschlechtshierarchische Verhal-tensweisen zu achten ist, sondern auch und gerade in reinen Frau-engruppen eine geschlechtsbezogene Vorgehensweise angemessen ist.

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3.2.4 Konsequenzen für die Gestaltung von Weiterbildung

Erwachsenenbildung im Sinne lebendigen Lernens (vgl. Kap.3.1.1), das sich Teilnehmerinnen-orientiert, ganzheitlich und erfah-rungsbezogen vollzieht, entspricht den Lerninteressen und Lernbe-dingungen von Frauen dabei sicher grundsätzlich gut. Darüber hin-aus sieht Schiersmann aber noch eine Reihe von weiteren Punkten,durch die Frauen als Teilnehmerinnen von Weiterbildungsveran-staltungen in ihren Lernprozessen konsequent unterstützt werdenkönnen.

- Stärkung der Frauen hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Kom-petenzen, insbesondere durch Ermutigung (vgl. Empowerment-konzept in der Frauenbildung: Sonntag 1993). Selbstbewußtseinund Durchsetzungsfähigkeit können auch durch aktivierendeLernformen trainiert werden. Das Formulieren eigener Erwartun-gen müssen Frauen oft erst lernen, da ihre Sozialisation eher aufAnpassung an die Bedürfnisse anderer und das Zurückstellen ei-gener Bedürfnisse ausgerichtet ist.

- Die Befähigung zur Vertretung von individuellen Positionen - z.B.in Form von Einzelarbeit.

- Das Einbeziehen von praktischen Aufgaben mit ausreichendÜbungsmöglichkeiten, wo immer dies möglich und sinnvoll ist.

- Frauen sollten ermutigt werden, sich Konkurrenzen einzugestehenund konstruktiv damit umzugehen.

- Dem eher ganzheitlich orientierten Lernstil von Frauen entspre-chen Körperübungen als sinnvolle Ergänzung zu kognitivenLern formen.

- Befindlichkeitsklärungen und Metakommunikation unterstützendie Reflexion der Lernprozesse.

- Indem Frauen sich über ihre eigenen Bilder von Weiblichkeit bzw.ihre Frauenrolle Bewußtsein verschaffen, können sie die auch vonihnen selbst transportierte Abwertung der Handlungsmuster vonFrauen und die gleichzeitige Aurwertung der Handlungsmustervon Männern transparent und damit bearbeitbar machen (s.Schiersmann 1997a S. 67).Sonntag geht noch einen Schritt weiter und schlägt vor, „(...)Frauen mit ihren spezifischen Lebenslagen zum eigenständigenThema zu machen. Erst ein Gewahrwerden der geschlechtsspezi-fischen Dimension des eigenen Lernens, der eigenen Arbeit, derLebens- und Problemthemen des Alltags macht es möglich, die

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 93

Frau anders als ein Mängelwesen zu entwerfen, Kompetenzen undFähigkeiten zu erkennen und fördern zu können" (Hervorhe-bungen K.W.) (Sonntag 1993, S. 51).

- Bedürfnisse der Frauen nach angenehmem Lernklima und Für-sorglichkeit sind deutlich: Die Lernatmosphäre positiv zu gestaltenbringt Lernvorteile.

- Die Lehrenden sollten um geschlechtsbewußtes Verhalten bemühtsein. Auch die Materialien sollten geschlechterdiskriminierendeInhalte und Darstellungsformen vermeiden.

Autonome Frauenbildungsinitiativen, die seit Mitte der 70er Jahreim Umfeld der Frauenbewegung entstanden sind und inzwischenauch innerhalb von Institutionen in ihrer Funktion anerkannt sind,vertreten als allgemeine Leitlinie und methodisches Postulat dar-über hinaus das Prinzip der Parteilichkeit für Frauen (s. z.B. Mies1978). Im Sinne der Interessenvertretung für Frauen wird in einemsolchen Bildungsansatz versucht, weibliche Realität in eine Bil-dungslandschaft zu integrieren, die bisher nahezu ausschließlich ausmännlicher Perspektive gestaltet wird (vgl. z.B. die Schulbuchanaly-sen aus der Frauenbildungsforschung). Parteiliche Frauenbildungbenennt gesellschaftliche Ungleichheiten und Diskriminierung, umzu ihrer Aufhebung beizutragen.

Autonome Frauenbildungsarbeit betont außerdem das Prinzipder Selbsthilfe. Auch werden Familien- und Berufsarbeit als Dop-pelorientierung und gleichwertige Bedingungen weiblichen Lebens-zusammenhanges berücksichtigt (vgl. Kade 1991, S. 91/92). „DieErfahrungen von Frauen spielen unter unseren gesellschaftlichenBedingungen im Lernprozeß eine große Rolle. Von welchem Punktaus man seine Betrachtungen und Analysen zu den Entwicklungs-möglichkeiten von Frauen in dieser Gesellschaft auch beginnt, mankommt immer wieder bei dem zentralen Hindernis des Entweder-Oder-Denkens (Beruf/Familie) an" (Gieseke 1997 b, S. 2).

Bei den Tagesmütter-Qualifizierungen handelt es sich meist umreine Frauengruppen. Gelegentlich ist der eine oder andere Mannzu finden (im Modellprojekt sind wir an 9 Standorten keinem ein-zigen Tagesvater begegnet). In den Interviews mit erfahrenen Refe-rentinnen im Modellprojekt wurde immer wieder gesagt, daß sichdurch die Anwesenheit eines einzigen Mannes die Dynamik der ge-samten Qualifizierungsgruppe verändert - z.B. dort, wo Persönli-ches besprochen wird, Selbstreflexion stattfinden soll, Körperübun-gen gemacht werden oder die Lebenssituation von Frauen Ge-

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sprächsgegenstand ist. Nach Angaben der Referentinnen öffnensich Teilnehmerinnen in Anwesenheit von männlichen Teilneh-mern in der Qualifizierung weniger. Eine Referentin muß in ge-mischten Gruppen mit diesem Fakt umgehen. Hier wird deutlich,warum autonome Frauenbildungsiniriativen auf die Notwendigkeitvon Schutzräumen in Form von Frauengruppen und Frauenpro-jekten hinweisen. Zudem bekommen „zur Bildung und Stärkungeiner eigenen, nicht vom Mann abgeleiteten Identität andere Frau-en als Spiegel des Selbst eine zentrale Bedeutung" (Sonntag 1993,S. 51). Bei der Bearbeitung gesellschaftlicher Abwertungen vonWeiblichkeit wirkt die Anwesenheit von Männern erfahrunesee-maß eher auch hemmend.

Insgesamt kann festgehalten werden, daß Frauenbildung mit denPostulaten der modernen Erwachsenenpädagogik im Sinne eineslebendigen Lernens (vgl. Kap. 3.1.1) in zentralen Positionen über-einstimmt. Die Schnittmenge beider Ansätze ließe sich definierenmit den Postulaten

- der Teilnehmerinnenorientierung,- der Praxisorientierung,- der Erfahrungsorientierung,- der Ganzheitlichkeit des Lernens,- der Betonung von reflexiven Prozessen,- der Hervorhebung von Prozessen der Persönlichkeits- und Iden-

titätsbildung,- der Bedeutung, die einer angenehmen Lernatmosphäre beige-

messen wird,- der Beachtung des Mit- und Aneinander-Lernens - wobei in der

Frauenbildung aufgrund der benachteiligten Position von Frau-en der Aspekt der Selbsthilfe deutlicher hervortritt.

Aus der Sicht der Frauenbildung kann für eine speziell frauenstär-kende berufliche Qualifizierung ergänzt werden:

- Reflexion der Position als Frau in der Gesellschaft und Förde-rung eines Bewußtseins über die weibliche Rolle,

- Ermutigung der Teilnehmerinnen im Sinne der Wahrnehmungeigener Kompetenzen,

- Förderung eines eigenen Standpunktes und der Durchsetzungs-fähigkeit,

- Parteilichkeit der Lehrenden für die Situation der Lernenden alsberufstätige Frauen und Mütter.

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 95

3.3 Fachlich-inhaltliche Basis der curricularen Elemente

Die fachlich-inhaltliche Basis für die Ausarbeitung der curricularenElemente zu den pädagogischen Themen bezieht sich auf den neue-sten Stand der Familienerziehung. Ausgehend von der UN-Kinderrechtskonvention (vgl. BMFSFJ „Übereinkommen über dieRechte der Kinder" und „Die Rechte der Kinder von logo einfacherklärt") und dem zwischenzeitlich vom Bundestag verabschiedetenGesetz zut Ächtung der Gewalt in der Erziehung (Neuformulierungdes § 1631 Abs. 2 BGB im Juli 2000) wurden pädagogische Kon-zepte zugrundegelegt, die Erwachsenen für das Zusammenleben mitKindern Handlungsalternativen für eine allseits förderliche Bezie-hungsgestaltung an die Hand geben und damit präventiv wirken.Wo jede Erzieherin schon seit langem gehalten ist, mit „ihrer" Kin-dergartengruppe gewaltfrei den Tag zu verbringen, wurde jetzt dierechtliche Grundlage geschaffen, daß nun auch Kinder in Familien- und damit auch in der Betreuungsform „Tagespflege" - in ihrerWürde geachtet werden müssen: Wer Kinder schlägt, sie körperlichoder seelisch verletzt oder demütigt, ßigt nicht nur den Kindern Scha-den zu, sondern „verstößt (nun) gegen geltendes Recht" — so WalterWilken, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderschutzbundes- in einer Pressemitteilung zur Gesetzesänderung vom 27.9.2000.

Die Kampagne des Bundesministeriums für Familie, Senioren,Frauen und Jugend „Mehr Respekt vor Kindern" zur Begleitung derGesetzesänderung will Eltern und andere familiale Erziehungsperso-nen sensibilisieren für die Vermeidung entwürdigender und verlet-zender Erziehungspraktiken und ihnen Wege aufzeigen, wie sie trotzKonfliktsituationen in der Familie den Kindern ohne Gewalt begeg-nen können. Damit wird explizit dem ebenfalls neu formulierten §16 Abs. 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Rechnung getragen.Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung fuhrt der DeutscheKinderschutzbund derzeit ein Projekt durch, in dem Multiplikato-rinnen ausgebildet werden, Elternkurse unter dem Label „Starke El-tern — Starke Kinder" nach dem Vorbild der finnischen „Manner-heim League for Child Weifare" zu leiten und Eltern in „anleitenderErziehung" zu trainieren (vgl. Abel mann-Vollmer/Honkanen-Scho-berth 2000). Da dieses Programm sich jedoch derzeit noch im Mo-dellstadium befindet, konnte im Rahmen unseres Modellprojektsnicht auf dieses Material zurückgegriffen werden.

Bei der Recherche nach anderen verwendbaren Ansätzen als Be-zugspunkte für die Gestaltung der curricularen Elemente zu erzie-

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herischen Themen wurde deutlich, daß auch bei uns schon seit vie-len Jahren Vorschläge für Elterntrainings vorliegen {z.B. Müller/Moskau 1978), daß aktuell aber unsere europäischen Nachbarn,v.a. im englischen Sprachraum, wo Gewalt in der Erziehung bereitsper Gesetz geächtet ist, wesentlich fortgeschritten sind, was die Kon-zipierung, Förderung und systematische Durchführung entspre-chender Elternprogramme angeht. Es gibt im deutschen Sprach-raum vereinzelt mehr oder weniger geglückte Adaptionsversuchevon englischsprachigen Ansätzen (z.B. "Triple P - Positives Erzie-hungsprogramm" nach australischem Vorbild). In Großbritannienwird von der landesweit größten Wohlfahrtseinrichtung für Kinder„Save the Children" Kursmaterial für zwei Zielgruppen herausgege-ben: unter dem Label „We can work it out - Parentine with confi-dence" für Eltern und „Let's work together — Managing children'sbehaviour" für diejenigen, die mit Kindern anderer Eltern arbeiten.

Das derzeit weitestgehend elaborierte und fachlich fundiertesteKonzept dürfte allerdings das „Positive Parenting"-Modell der Uni-versity of Minnesota/USA sein. Der „Extension Service" der Uni-versity of Minnesota vertreibt unter der Federführung des Famili-ensoziologen Prof. Ronald L. Pitzer ein videogestütztes, praxisori-entiert und ansprechend gestaltetes Curriculum für ein „gewaltfrei-es" Elterntraining nach den aktuellen pädagogischen Erkenntnissenin Form einer Lose-Blatt-Sammlung. Für spezielle Zielgruppen sindTeile dieses Programms auch über Internet verfügbar16. Dieses El-terntraining hat sowohl in bezug auf die formale Gestaltung alsauch auf die inhaltliche Ausrichtung vielfältige Anregungen für diecurricularen Elemente im Modellprojekt gegeben.

Einen weiteren Bezugspunkt für die pädagogischen Inhalte bil-deten die Veröffentlichungen des dänischen Familien- und Grup-pentherapeuten Jesper Juul, der mit seinem Bestseller über „Daskompetente Kind" seit 1997 in Deutschland einem größeren Publi-kum bekannt ist und vor kurzem auch eine Erziehungshilfe zumThema „Grenzen" (Juul 2000) herausgebracht hat. Seine Publika-tionen sind zwar nicht als Trainingsprogramm ausgearbeitet, son-dern eher für die individuell reflektierte Arbeit von Erziehungsper-sonen gemacht, Juul wirkt dennoch in die gleiche Richtung wie dieoben genannten Ansätze einer „positiven Erziehung" und geht bei-

16 (http://www.extcnsion.umn.edu/distribution/familiydcvclopment/DE696lhtml)

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 97

spielhaft konsequent von der Anerkennung gleicher Würde bei Er-wachsenen und Kindern aus.

Alle vorgenannten Ansätze stehen in der Tradition der humani-stischen Pädagogik und Psychologie (vgl. klientzentrierte Pädagogikund Therapie nach Carl Rogers, z.B. 1974), so auch die seit vielenJahren bewährten und nach wie vor aktuellen „Erziehungshilfen"von Thomas Gordon (z.B. 1999 a/b und 1976) zur „niederlagelo-sen Konfliktlösung" in der Familie und in anderen Gruppenzu-sammenhängen. Entwickelt worden sind seine bei uns unter demNamen „Familienkonferenz" bekannt gewordenen Anregungen, wieMenschen offen und verständnisvoll miteinander kommunizierenkönnen, in den 70er Jahren ebenfalls im Zusammenhang mit einemFamilientraining („Parent Effectivness Training/The No-Lose-Pro-gram for Raising Responsible Children"). Gordon war 1972 Bera-ter des Nationalen Komitees für die Verhinderung von Kindesmiß-handlung (NCPCA) in USA. Seine Kommunikationsmethodenwurden im Modellprojekt auch für die curricularen Elemente zurZusammenarbeit von Eltern und Tagesmüttern zugrundegelegt.

Die Entwicklungspsychologie als Einzeldisziplin nimmt inner-halb der vom DJI-Team erarbeiteten curricularen Elemente nichtdie isolierte Position ein, die ihr in den meisten im Modellprojektevaluierten Curricula zukommt. Sowohl in den curricularen Ele-menten mit pädagogischen, wie auch in denen mit spielpädagogi-schen Themen fließen entwicklungspsychologische Grundlagen, diesich mit Lebensalter und Entwicklungsfortschritt von Kindern be-fassen, fach übergreifend ganzheitlich an den Stellen mit ein, wosich sinnvolle Anknüpfungspunkte ergeben. Als Stichworte hierzuwären zu nennen: die aktuellen Erkenntnisse zu Sprachentwick-lung, Entwicklung von Grob- und Feinmotorik, Sinneswahrneh-mung, kognitiver, emotionaler und sozialer Entwicklung, Bindungs-forschung. Einen aktuellen Überblick geben z.B. Oerter/Montada(2000) oder Schmidt-Denter/Krapp/Perrez/Rauh (2000). In Hin-blick auf die Erkenntnisse zur frühen Bindung bilden auch dieAusführungen von Miller (z.B. 1980 und 1994), Chamberlain(1998) und Liedloff (1993) einen Bezugsrahmen.

Weitere wissenschaftliche Grundlagen zum Thema Spiel ergebensich aus neueren sozialökologischen Ansätzen, die von der Annah-me ausgehen, daß die Bedingungen in den sozial-räumlichen Le-benswelten von Kindern deren Aneignungsmöglichkeiten bestim-men. Im Vordergrund stehen dabei die praktischen Konsequenzenfür das häusliche und außerhäusliche Spielumfeld und die Auswir-

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kungen verschiedener Lern- und Spielumwelten (auch z.B. Medien-welten) auf die Entwicklung von Kindern (Bronfenbrenner 1980und 1990, Baacke 1999, Flade/Achnitz 1991, Böhnisch/Münch-meier 1993).

Des weiteren wurden historische und aktuelle pädagogische Mo-delle und Reformprozesse in Hinblick auf Fragen zu Bildungspro-zessen im Kleinkindalter ausgewertet. Hierzu zählen z.B. der Ansatzder Reggio-Pädagogik (Dreier 1999), Aspekte der „Selbstbildung"bei Maria Montessori und der Situationsansatz. Im Zentrum derBetrachtung standen dabei die Bedeutung des Spiels fiir den kindli-chen Bildungsprozeß und daraus abzuleitende Forderungen an diePädagogik und Betreuungsumwelt (vgl. Schäfer 1995).

Für die Gestaltung der curricularen Elemente zu Tagespflege-spezi-fischen Themen wurde neben der Kompetenz, die sich im DJI-Teamseit dem Tagespflegeprojekt der 70er Jahre angesammelt hat unddem Wissen, das über projektinterne und projektexterne Expertin-nen abgerufen werden konnte, auch auf die Literatur (z.B. Frinke-Dammann/Scholz 1998, Kurth 1999, Lutter 1999) und das KnowHow zurückgegriffen, das der tagesmütter Bundesverband in seinWerkstattcurriculum eingebracht hat.

3.4 Definition von Gütemerkmalen für die Entwicklungcurricularer Elemente

Auf dem Weg zur Entwicklung von curricularen Elementen für dieQualifizierung zur Tagespflege wurden im Modellprojekt zunächsteine Reihe von Gütemerkmalen definiert, die Anhaltspunkte für ei-nen „Bauplan" zur Ausarbeitung einzelner Themen zur Verfügungstellen sollten. Der Bezugsrahmen für diese Kriterien speist sich da-bei zum einen aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Evaluati-onsarbeit im Modellprojekt. Hier sind zusammenfassend noch ein-mal zu nennen: die Analyse von Fortbildungs-Programmen, syste-matische Hospitationen in ausgewählten Fortbildungsveranstaltun-gen, eine schriftliche Tagesmütter-Befragung, Einzel- und Grup-pen-Interviews mit Tagesmüttern, Referentinnen, Trägervertrete-rinnen und anderen in die Kurse an den Modellorten involviertenFachleuten sowie ein Gruppen interview mit Eltern, drei Work-shops mit Referentinnen, die Einbeziehung von Expertinnen durchFachgespräche, Expertisen und durch den Fachbeirat des Projektes.Durch die im Projektdesign verankerten umfangreichen und sorg-

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fältigen Erhebungsschritte im „Feld" sollte sichergestellt werden,daß die curricularen Elemente in engem Kontakt mit der Praxisentwickelt werden. Zusätzlich sind die aktuellen Erkenntnisse derErwachsenenbildung und insbesondere auch der Frauenbildung indie Gütemerkmale eingegangen (Kap. 3-Kap. 3.2).

Mit Ausnahme des ersten Gütemerkmals, das sich auf die grund-sätzliche Organisationsform einer Qualifizierung bezieht, wurdemit den Kriterien das Spektrum zu beschreiben versucht, das imEinfluß- und Gestaltungsbereich der Referentinnen liegt (zu denstrukturellen Rahmenbedingungen vgl. Kap. 5). Wir bewegen uns —in den Termini der Qualitätssicherung gesprochen — somit auf derEbene der Durchführungsqualität von Fortbildungsveranstaltungenmit dem Schwerpunkt der erwachsenen- und frauenspezifischenDidaktik. Die Verdichtung der Projektergebnisse und der Wissens-bestände der Erwachsenenpädagogik zu „Gütemerkmalen" dientdabei einerseits der Verständigung über fachliche „Standards" derQualifizierung in diesem Praxisfeld und trägt deshalb dazu bei, dieTages pflege-Qual ifizi er ung als ein Element beruflicher Frauenbil-dung weiterzuentwickeln. Andererseits müssen diese Standards na-türlich immer auch in Beziehung gesehen werden zu ihrer Umsetz-barkeit unter den gegebenen Praxisbedingungen und mit vorhan-denen Ressourcen und Potentialen abgestimmt werden (vgl. Schik-ke 1999: Qualitätssicherung und Frauenbildung). Die Umsetzungist dabei auch auf die Bereitstellung entsprechender finanziellerRessourcen angewiesen. Nach Faulstich (1988, 1991) sind Gü-temerkmale ohnehin kaum vollständig zu ermitteln. Es kann viel-mehr lediglich darum gehen, zentrale Merkmale zu benennen, dieBeachtung verdienen, ohne damit einen Anspruch auf Vollständig-keit zu erheben.

Die Gütemerkmaley die für die Arbeit an den „curricularen Ele-mente" zentral erschienen, werden nachfolgend im Zusammenhangbenannt, bevor sie im weiteren ausführlicher kommentiert sind.

— konstante Fortbildungsgruppe— fachübergreifende Themenbearbeitung— Qualifizierung von Tagesmüttern nach den Prinzipien der Frau-

enbildung— /Wxxrorientierung/Bezug zur Tagespflege— themenzentrierter Erfahrungsaustausch— wesentliches Wissen vermitteln

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— Theorie/Praxis/Reflexion/Selbsterfahrung in ausgewogenem Ver-hältnis

— ausgewogenes Verhältnis von StoffundZeit— Vielfalt partizipativer Methoden— zugewandte, ermöglichende Haltung der Referentin— angenehmer Rahmen— verständliche und ansprechende Materialien

3.4.1 Konstante Fortbildungsgruppe

Aus dem Blickwinkel der Teilnehmerinnen ist die Organisations-form einer Bildungsmaßnahme ein ernst zu nehmendes Qualitäts-kriterium (vgl. Stockmann 1993, S. 38). Eine inhaltlich und me-thodisch fundierte und an der strukturell isolierten Situation derTeilnehmerinnen ausgerichtete Arbeit in der Qualifizierung erfor-dert eine solide Vertrauensbasis der Teilnehmerinnen untereinan-der, wie auch zwischen der Gruppe und der Referentin/dem Refe-renten. Eine solche Vertrauensbasis läßt sich am besten im Verlaufeines kontinuierlichen Prozesses aufbauen.

Besonders geeignet für eine Tagespflege-Qualifizierung scheint des-halb die Organisationsform einer konstanten Fortbildungsgruppe, in

\ der eine Kursleiterin die Teilnehmerinnen über die gesamte Laufzeitbegleitet und auch bei Hinzuziehung von Fachreferentlnnen für;spezielle Themen in der Gruppe anwesend ist.

Es ist allerdings nicht zu übersehen, daß in Zeiten schwindender fi-nanzieller Ressourcen Team-Teaching und Doppeldozenturen vonBÜdungsträgem in erster Linie als Kostenfaktor diskutiert und imRahmen der Volkshochschulen bereits zunehmend wieder zurück-genommen werden (vgl. Nuissl 1995, S. 12). Nicht immer stehenan Standorten mit neu eingeführter Tagespflege-Qualifizierungauch Referentinnen mit vielseitigen Kompetenzen in den Bezugsge-bieten der Tagespflege zur Verfügung, die jedes Thema eines Curri-culums für die Tagespflege vermitteln können. Pragmatische Kom-promißlösung könnte sein, daß auch in einem Kurssystem mit ver-teilten Zuständigkeiten eine Referentin als Leiterin und damit alsHauptansprechpartnerin, Koordinatorin und „prima inter pares"fungiert, wobei diese Leitungsfunktion natürlich entsprechend ver-gütet werden muß. In einem Team von Referentinnen sollten die

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 101

Zuständigkeiten für einzelne Themenbereiche nicht zu knapp be-messen sein (Extremfall: eine Referentin/ein Referent führt nur eineeinzige Veranstaltung durch), so daß jede Referentin/jeder Referentfür sich und ihr/sein Thema eine tragende Atmosphäre aufbauenkann. Auch müssen ausreichende Absprachen der Referentinnenuntereinander zeitlich und damit auch finanziell abgesichert sein.

3.4.2 Fachübergreifende Themenbearbeitung

Die Analyse der Fortbildungs-Programme im Modellprojekt unddie Veranstaltungs-Hospitationen ergaben sowohl vom Konzept alsauch von der Durchführung her — speziell auch in den zentralenBereichen Entwicklungspsychologie und Pädagogik - eine eher tra-ditionelle Aufteilung in getrennte „Unterrichts-Fächer" mit fach-spezifisch zugehörigem „Unterrichts-Stoff.

Um den erwachsenen- und frauenpädagogischen Postulaten derPraxisrelevanz, des problemorientierten und des ganzheitlich-mehr-dimensionalen Lernens zu entsprechen erscheint es schlüssiger, inder Qualifizierung wenn möglich induktiv von den Phänomenender Praxis auszugehen und zur Klärung dieser Praxisprobleme dasnotwendige Bezugswissen heranzuziehen, statt deduktiv ein zu-nächst abstraktes Fachwissen in den Vordergrund zu stellen unddies mit Praxisbeispielen zu illustrieren.

Für eine von Praxis-Phänomenen ausgehende Bearbeitung von All-tagsthemen ergibt sich die Notwendigkeit eines fächerübergreifenden,interdisziplinären Vorgehens.

Die curricularen Elemente des Modellprojekts sind überdies so auf-gebaut, daß in den Veranstaltungen aufeinander Bezug genommen

den kann und die Themen nicht losgelöst voneinander stehen.wer

3.4.3 Qualifizierung von Tagesmüttern nach den Prinzipiender Frauenbildung

An Qualifizierungsangeboten für die Tagespflege nehmen nahezuausschließlich Frauen teil. Dies sollte sich in der Gestaltung derQualifizierung widerspiegeln.

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Mit der Tatsache einer geschlechtsspezifisch definierten Zielgruppewird im Bereich der Tagespflege-Qualifizierung von Träger- bzw.Referentinnenseite bisher noch wenig bewußt umgegangen. Zwarwird vielerorts partnerschaftliche Zusammenarbeit und der Aus-tausch von Erfahrungen in mehr oder weniger großem Umfangpraktiziert, doch wird dies meist nicht in Zusammenhang gebrachtmit dem Bedürfnis von Frauen nach Identitätslernen im Gruppen-prozeß und dem für Frauen wichtigen Prinzip der Selbsthilfe in ei-nem Rahmen von Gleichgesinnten (Kade 1991). Auch muß be-rücksichtigt werden, daß Frauen aufgrund ihrer Sozialisationserfah-rungen mehr als Männer der Stärkung ihres {beruflichen) Selbstbe-wußtseins und der Profilierung ihrer (beruflichen) Identität bedür-fen. Gerade Teilnehmerinnen einer Tagespflege-Qualifizierungsollten, da sie sich in einem gesellschaftlich wenig anerkannten be-ruflichen Betätigungsfeld bewegen, bei der Wahrnehmung und Be-nennung ihrer fachlichen Kompetenzen unterstützt werden(Schiersmann 1997, Sonntag 1993). Darüber hinaus ist wichtig,das Einnehmen und Vertreten von individuellen, fachlich fundier-ten Standpunkten (z.B. in Erziehungsfragen oder in Fragen derHandhabung des Tagespflegealltags, die von den Vorstellungen derEltern abweichen) einzuüben.

Das Thema „Konkurrenz" wird sozialisationsbedingt von Frauentendenziell tabuisiert. Aufgabe einer an den Prinzipien der Frauen-bildung orientierten Qualifizierung wäre deshalb, Konkurrenzge-fühle z.B. zwischen Tagesmüttern und berufstätigen Müttern offenzu benennen und bewußt damit umzugehen. Dies kann nur ge-schehen, wenn Frauenrollen in der Gesellschaft reflektiert undFrauen mit ihren spezifischen Lebenslagen (Doppelorientierungvon Familien- und Berufsarbeit) zum eigenständigen Thema ge-macht werden und dafür auch Platz in der Qualifizierung vorgese-hen ist. Auch die strukturelle Isolation von Tagesmüttern in ihrerTätigkeit sollte als frauentypisches Thema beachtet und im Fortbil-dungskonzept berücksichtigt werden.

Werden die Prinzipien der Frauenbildung ernst genommen, be-deutet das nicht zuletzt, daß Referentinnen in der Tagespflege-Qualifizierung sich parteilich auf die Seite der lernenden Frauenstellen und sich mit Sensibilität geschlechtsbewußt verhalten. Dazugehört beispielsweise auch ein aufmerksamer Sprachgebrauch, derFrauen in der Sprache vorkommen läßt und sie als das benennt,was sie sind: Teilnehmen««e«, Mütter, Partner/«nen> Kollegz'wwra,... (s. zu diesem Kriterien auch Kap. 3.2).

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 103

3.4.4 Praxisorientierung und Bezug zur Tagespflege

\ Um das in der Qualifizierung neu Erfahrene/Erarbeitete in eigenes: Alltagshandeln umwandeln zu können, brauchen die Teilnehme-\ rinnen die Verknüpfung mit Praxisbeispielen und Situationen aus

dem Alltag mit Kindern, insbesondere aus dem Tagespflegealltag.Dabei kommt Schlüsselsituationen der Tagespflege im Sinne vonstrukturellen Kernsituationen, die sich aus der speziellen Kooperati-onsform von zwei Familien ergeben, eine zentrale Bedeutung zu.

Tagespflege als Kooperationsform von zwei Familien stellt besonde-re Anforderungen an alle Beteiligten. Eine fundierte Qualifikationbahnt notwendigerweise die Fähigkeit zur Bewältigung dieser An-forderungen an. Damit auch der Transfer neuer, nicht-tagespflege-spezifischer Informationen in das konkrete Handlungsfeld Tages-pflege gelingt und nicht den Kursteilnehmerinnen und (zukünfti-gen) Tagesmüttern überantwortet bleibt, sollte die Qualifizierungauf konkrete Fragen und Probleme eingehen, die die Teilnehmerin-nen mitbringen.

Aus der Sicht der Erwachsenenpädagogik stellen Praxis Orientie-rung und „Lebensbedeutsamkeit" bzw. „Lebensweltbezug" (vgl.BIBB 1997) erwiesenermaßen Voraussetzungen und Merkmale le-bendigen Lernens dar (s.a. Kap. 3.1). Lernbiologisch wird dies da-mit begründet, daß Lernenden Wert, Bedeutung und Nutzanwen-dung eines Lernstoffes für ihr persönliches Leben einsichtig seinmuß, um Lernmotivation zu entwickeln und ihren Organismus auf„Aufnahme" zu stimmen. Dies kann am besten dann geschehen,wenn der Lerninhalt möglichst viel mit realen Begebenheiten ver-bunden und „vernetzt verankert" wird (Vester 1978, S. I4lf.).

3.4.5 Themenzentrierter Erfahrungsaustausch

Der Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehgrundlegendes Element der Qualifizierung anzusehen.

imennnen ist als

Erfahrungsbasiertes Lernen kann aus verschiedenen allgemeinenerwachsenen- und frauenpädagogischen Gesichtspunkten heraus alsbasale Qualität einer beruflichen Qualifizierung im sozialen Bereichangesehen werden: Zum einen gilt die Orientierung an den Teil-

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nehmerlnnen einer Bildungsmaßnahme mittlerweile als akzeptierterStandard in Erwachsenenbildung; denn wie könnten Teilnehme-rinnen sich besser einbringen als über ihre Erfahrungen? In diesemZusammenhang betont auch Arnold die Bedeutung von Prozessender Identitäts- und Erkenntnisbildung für lebendiges Lernen undplädiert für einen strukturierten Erfahrungsaustausch, der „multiplePerspektiven" herstellt und eine Vielfalt von Meinungen aufzeigt,aus der heraus die Teilnehmerinnen ihren Deutungshorizont er-weitern können (z.B. Arnold/Schüßler 1996). Das Bedürfnis nachMit- und Aneinander-Lernen, das Fortbildungsteilnehmerinnen inder Untersuchung von Reischmann und Dieckhoff für sich als be-sonders wertvoll benannt haben (1996) und dessen Erfüllung eineder Grundpositionen der Frauenbildung markiert (Kade 1991),wird auf diese Weise ebenfalls befriedigt. Auch ist bekannt, daßKommunikation für den Lernprozeß eine bedeutsame Rolle spielt(Stockmann 1993, S. 50) und daß durch einen strukturierten Er-fahrungsaustausch Kommunikationsprozesse gezielt gefördert wer-den können. Bei aller Zurückhaltung der Referentin/des Referentinin der Rolle der „Perspektivenmanagerin/des Perspektivenmana-gers" (nach Arnold 1996 c) ist zu beachten, daß der Austauschthemenzentriert organisiert wird (vgl. auch POL in Kap. 4.1). Da-durch werden einerseits ungezielte „Holzchen-auf-StÖckchen-Ge-spräche" vermieden, andererseits wird die Abgrenzung zu einer psy-chotherapeutischen Gesprächsgruppe eingehalten.

Aus der Spezifik der Tagesmütter-Qualifizierung ergeben sichdarüber hinaus spezielle Begründungszusammenhänge: Tagesmüt-ter entbehren in der Ausübung ihrer Tätigkeit charakteristischer-weise einen fachlichen Austausch mit „Kolleginnen" — so wie er inverwandten beruflichen Settings, z.B. in Kindertagesstätten, gege-ben ist - oft schmerzlich. Der Austausch mit anderen, evtl. erfahre-neren Tagesmüttern kann bei Unterstützungs- oder Klärungs bedarfin Erziehungsfragen oder in Fragen der Kooperation von Elternund Tagesmutter dann auch die Funktion einer kollegialen Super-vision erfüllen. Der Bedarf der Teilnehmerinnen nach einem the-menzentrierten Fachaustausch, aber auch nach einem informellenAustausch mit „Gleichgesinnten" und nach Rückhalt in der Grup-pe, ist erfahrungsgemäß sehr groß. Der Erfahrungsaustausch sollteschon bei der Planung einer Veranstaltung mit berücksichtigt wer-den.

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 105

3.4.6 Wesentliches Wissen vermitteln

Sachkenntnis kann helfen, den Alltag besser zu gestalten. Die Über-betonung von fachwissenschaftlichen Detailinformationen kannvom Wesentlichen ablenken und den Blick für die Erfordernisseder Praxis verstellen. So können z.B. entwickl ungs psychologischeGrundkenntnisse Tagesmütter darin unterstützen, mit Kindernförderlich in Beziehung zu treten (Welche Form der Auseinander-setzung mit der Umwelt ist für welches Alter typisch? Welche inne-ren Entwicklungsprozesse durchläuft das Kind? Was überfordert/unterfordert sie bzw. ihn?). Im Rahmen einer Qualifizierung zurTagespflege alle gängigen Entwicklungstheorien detailliert und inrein theoretischem Kontext in ihrem Stufenaufbau zu besprechen,ist jedoch wenig zweckmäßig. Theorie-Modelle ohne Anbindungan die Praxis bleiben Lernenden in aller Regel bestenfalls im Kurz-zeitgedächtnis erhalten (vgl. Vester 1978, S. 141). Reischmann undDieckhoff haben außerdem von den von ihnen befragten Fortbil-dungsteilnehmerinnen den Hinweis erhalten, daß Wissen immerdann besonders gut aufgenommen wurde, wenn es sachlich enga-giert, fachlich kompetent und auf dem neuesten wissenschaftlichenStand dargeboten wurde (1996, vgl. auch Stockmann 1993, S. 38)

Die Vermittlung von theoretischen Kenntnissen muß in einer praxis-orientierten Qualifizierung sehr gezielt integriert werden. Wissen-schaftliche Theorien und Erkenntnisse stehen im Dienst der Lösungvon Praxisproblemen. Sie sollten sich nicht abgehoben in den Vor-dergrund drängen.

3.4.7 Theorie, Praxis, Reflexion und Selbsterfahrung inausgewogenem Verhältnis

Die notwendige und wünschenswerte Vermittlung bzw. Erarbeitung \von neuen Wissensinhalten sollte vom Umfang her in einem ausge- \wogenen Verhältnis zu praktischen und (selbst-)reflexiven Anteilen •<einer Qualifizierung stehen.

Durch ein Zuviel an abstrakter Wissensvermittlung werden die Teil-nehmerinnen, die in einer berufsbegleitenden oder berufsvorberei-tenden Qualifizierung in Abendveranstaltungen als Mütter undHausfrauen meist bereits einen langen Arbeitstag hinter sich haben,

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leicht überfordert und schalten ab. Bei ausschließlichem Erfahrungs-austausch wiederum wird oft das Bedürfnis der Teilnehmerinnennach Wissenszuwachs nicht erfüllt. Lernende brauchen für die Ent-wicklung ihrer Identität, die im Rahmen lebendigen Lernens beson-ders angeregt wird, Zeit für (Selbst-)Reflexion. Solche wiederkehren-den Phasen der Reflexion und auch der Übung von neu Kennenge-lerntem sind von entscheidender Bedeutung, wenn sich Handlungs-orientierungen der Teilnehmerinnen ausprägen oder verändern sollenund das Gelernte in die Praxis transferiert werden soll (vgl. Stock-mann 1993, S. 49). Handlungsorientierung im Sinne des Angebotsvon praktischen Aufgaben mit Übungsmöglichkeiten entspricht ins-besondere auch der Lernkultur von Frauen (Schiersmann 1997). Erstaus der Verknüpfung von neuem Wissen mit der eigenen Erfahrungergibt sich dann Umsetzungswissen.

3.4.8 Ausgewogenes Verhältnis von Stoff und Zeit

Der begrenzte Zeitrahmen einer Qualifizierung einerseits und dieFülle an Themen andererseits, die aus fachlicher Sicht notwendi-gerweise besprochen werden sollten, verleiten zur Überfrachtungvon Veranstaltungen. Bei Überfülle gehen jedoch kreative Spiel-räume - z.B. für die Verarbeitung innerer Prozesse und für prakti-sche Übungen - verloren.

Überdies überschreiten Frauen und Mütter im Alltag häufig ihreBelastungsgrenze. Die Qualifizierung hat hier Vorbildwirkung,denn Überforderung führt im Erziehungs-Alltag nicht selten zukritischen Situationen. Tagesmütter sollten üben können, diese beisich selbst wahrzunehmen und geeignete Schritte kennen, wie siedamit umgehen können.

Das Motto „ Weniger ist mehr!" gilt auch für die Konzeption von]Fortbildungs- Veranstaltungen.

Als Resultat aus den Hospitationen im Modellprojekt und unterBerücksichtigung der Ergebnisse der lernphysiologischen, -psycho-logischen und -biologischen Forschung (Vester 1978 und Zimbar-do 1992) plädieren wir für Lerneinheiten von maximal drei Un-

17 Nach F. Vester isc „alle Mühe umsonst", wenn beim Lehren und Lernengegen die physiologischen Grundgesetze verstoßen wird, z.B. behindern

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 107

terrichtsstunden plus Pause (= 2,5 Zeitstunden). Körperübungenoder spielerische Zwischeneinlagen können erfrischen und auflok-kern und die Aufmerksamkeit wieder fokussieren (vgl. Rabenstein1996).

3.4.9 Vielfalt partizipativer Methoden

• Die Fähigkeiten, die Tagesmütter für ihre Arbeit brauchen, müssen jdurch ein methodisches Vorgehen vermittelt und eingeübt werden,das den Teilnehmerinnen die Möglichkeit gibt, sich aktiv einzu-bringen und sich mit ihrem eigenen Erfahrungshintergrund ausein-anderzusetzen. Angemessener Wechsel von Methoden kann dazu bei-tragen, Lernen lebendig zu machen.

Mitwirkungsmöglichkeit der Teilnehmerinnen einer Fortbildungs-veranstaltung ist einer der meist akzeptierten Standards in der Er-wachsenenbildung (Stockmann 1993, S. 49f.) und ein Postulat derFrauenbildung (Schiersmann 1997). Konsequent verwirklicht stelltsie jedoch hohe Anforderungen an Organisation und Durchfüh-rung von Bildungsmaßnahmen und wird deswegen unterschiedlichintensiv praktiziert. Die derzeit wohl weitreichendste Form vonSelbstorganisation und Eigentätigkeit von Lernenden im Rahmendes Problemorientierten Lernens (POL) ist nur bedingt auf dieQualifizierung von Tagesmüttern übertragbar (vgl. Kap. 3.1)- Den-noch sollten sich natürlich auch Teilnehmerinnen einer Tagespfle-ge-Qualifizierung einbringen können. Gelegenheit dazu kann ihnenschon am Beginn eines Kurses durch das Formulieren eigener Er-wartungen sowie am Ende jeder Veranstaltung durch die Möglich-keit kürzerer Rückmeldungen geschaffen werden. Zusätzlich kannein strukturell verankterter Raum für ausführlichere Rückmel-dungen, etwa in der Hälfte eines Kurses, sinnvoll sein.

Weitere zur Partizipation aktivierende Methoden sind z.B.: Dis-kussion von konkreten Praxissituationen, Rollenspiel, Übungenund - gerade für Frauen, die oftmals Hemmungen haben, sich ingrößeren Gruppen zu äußern - Kleingruppenarbeit. Wie in Kap.

Zusatzwahrnehmungen ähnlichen Inhalts das Behalten von neu Gehörtem.Die begrenzte menschliche Aufnahme- und Speicherfähigkeit und der not-wendige Wechsel von Emspannungs- und Anspannungsphasen stellenebenfalls physiologische Fakten dar.

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3.2 beschrieben, sollten Gruppensituationen jedoch auch immerwieder von Einzelarbeit abgelöst werden (Schiersmann 1997). DieReferentin kann die Mitwirkung der Teilnehmerinnen unterstützenund anregen, indem sie beispielsweise Leitfragen für Diskussionenund für die Kleingruppenarbeit zur Verfügung stellt.

Gemäß dem Prinzip des „Learning by doing" (Dewey/Kilpat-rick) sollten Teilnehmerinnen einer Tagespflege-Qualifizierungdarüber hinaus nicht nur ihre Erfahrungen aus dem Praxisalltageinbringen, sondern explizit die Möglichkeit erhalten, in der Qua-lifizierung auch neue Erfahrungen zu machen. Handlungsmodelle,die Tagesmütter in der Qualifizierung zusammen mit anderen Teil-nehmerinnen kennenlernen, ausprobieren und reflektieren können,sind als „erlebte Realität" leichter in den Alltag übertragbar. Lernendurch Erfahrung ist, wie wohl alle Menschen schon an sich selbsterfahren haben, die nachhaltigste Form von Lernen. Die Referen-tin/der Referent tritt als „Ermöglicherln" von Erfahrungen auchhier wieder in den Hintergrund (Arnold/Schüßler 1996). Dennochist ihre/seine Rolle alles andere als unbedeutend.

Durch den Einsatz einer maßvollen und gezielt eingesetztenVielfalt von Methoden (vgl. z.B. Weidenmann 1995, Knoll 1992,Rabenstein 1996) können verschiedene Lernkanäle angesprochenwerden (Sehen, Hören, Erleben, kognitives Erfassen, Lernen durchTun — vgl. Vester 1978, S. 142). Dem ganzheitlich otientiertenLernstil von Frauen kann zusätzlich durch Körperübungen entspro-chen werden (Schiersmann 1997). Eine Mischung verschiedenerMethoden trägt dazu bei, daß die Teilnehmerinnen das Lernen alsabwechslungsreich und anregend erleben können. Zu viel Wechselbewirkt allerdings den Eindruck eines „Methodenfeuerwerks" undkann die Teilnehmerinnen daran hindern, sich dort tiefer auf einThema einzulassen, wo (Selbst-)Reflexion angemessen wäre. Hierwird deutlich, warum didaktische und methodische Kompetenzvon Referentinnen aus der Sicht der Teilnehmerinnen von Bil-dungsmaßnahmen ein Qualitätsmerkmal darstellt: Die „Lehren-den" müssen nicht nur verschiedene Methoden in ihrem „Reper-toire" haben und anleiten können, sondern sie müssen auch kom-petent entscheiden können, welche und wieviele Methoden jeweilsangemessen sind.

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 109

3.4.10 Zugewandte, wohlwollende, ermöglichende Haltungder Referentin/des Referenten

Es ist bekannt, welche Faktoren das Zustandekommen von positi-ven Interaktionen günstig beeinflussen: Es ist dies vor allem dergelungene Aufbau einer Atmosphäte des Vettrauens und einer per-sönlichen Beziehung auf der Grundlage von Offenheit. In einer sol-chen Atmosphäre ist sowohl Platz für die Beachtung der eigenenGefühle wie auch für die Gefühle der anderen Anwesenden. Eswird die Sprache der Annahme gesprochen (vgl. Rogers 1988).

Über die zentrale Bedeutung der Referentinnen für eine Qualifi-zierung besteht fachliche Einigkeit. Qualifikation und Vethaltenvon Referentinnen sind maßgeblich mitentscheidend für den Er-folg einer Bildungsmaßnahme. Als Person hat eine Referentin/einRefetent nicht nur in geschlechtsspezifischet Hinsicht Vorbildfunk-tion (s.o. „Qualifizierung von Tagesmüttern nach Prinzipien derFrauenbildung"). Eine Referentin/ein Referent ermöglicht denTeilnehmerinnen idealerweise auch die Erfahrung des Angenom-menseins und Respektiertseins als Person - jenseits aller möglichensachlichen Differenzen. Diese Erfahrung können die Teilnehme-rinnen als Modell für den Umgang mit den Tageskindern und deneigenen Kindern sowie für den Umgang mit den Eltern der Tages-kinder verwenden.

Für die Referentin/den Referenten ist es wichtig, gerade auch heiKritik und differenten Ansichten (z.B. über Erziehungsfragen) denTeilnehmerinnen gegenüber in der Hakung stets positiv und unter-stützend zu bleiben.

Referentinnen müssen, wenn sie auf die Beteiligung der Teilneh-merinnen Wert legen, auch darauf achten, nicht eine Person zumMittelpunkt oder zur Zielscheibe des Geschehens in der Qualifizie-rung zu machen. Darüber hinaus ist von Vorteil, wenn sich eineReferentin authentisch in die Qualifizierung einbringen kann undvielleicht sogar selbst Erfahrungen als Tagesmutter hat. Dies wirdrealistischerweise jedoch nicht allzu häufig vorkommen. Hilfreichkann aber schon sein, wenn sie/er überhaupt autobiographische Er-fahrungen beisteuert und sich damit als Person sichtbar macht.Empathie mit und Distanz zu den Teilnehmerinnen sollten nachMöglichkeit dabei immer „professionell verschränkt" (Arnold/Schüßler 1996) werden in dem Sinn, daß sie/er sich nicht auf allzu

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110 Karin Weiß

persönliche Verwicklungen mit den Themen der Teilnehmerinneneinläßt, sondern bei aller Empathie in der Haltung professionellbleibt.

Die schon mehrfach erwähnte notwendige Zurückhaltung beigleichzeitigem Bedarf an koordinierender Leitungskompetenz stellt,wie beschrieben, hohe Anforderungen an Referentinnen, denn ne-ben der fachlichen und erwachsenenpädagogischen Qualifikationbrauchen sie auch gruppendynamische Kenntnisse und Fertigkei-ten. Leider ist die Diskrepanz zwischen den Anforderungen undden Arbeitsbedingungen der freien Honorartätigkeit in der berufli-chen Weiterbildung meist sehr groß (vgl. Kap. 2).

3.4.11 Angenehmer Rahmen

Aus der Frauenbildungsforschung ist bekannt, daß Frauen durchein angenehm gestaltetes Lernambiente positiv in ihrem Lernver-halten beeinflußt werden (Schiersmann 1997). Was gut für Frauenist, ist in diesem Fall wohl gut für alle, denn aus nahezu allen Refe-renzwissenschaften zum Thema Lernen werden ähnliche Befundevermeldet: Die Erwachsenenpädagogik spricht von den positivenEfFekten des „Sich-Wohlfühlens" in der Lernatmosphäre und einem„Klima der Mitmenschlichkeit" (Reischmann und Dieckhoff1996). In der Qualitätsentwicklung gilt die „Ausstattung der Räu-me" und das „Gestalten einet lernfördernden Atmosphäre" alsQualitätskriterium („Fehler im Programm" 1992 und Stockmann1993, S. 45). Die Lernbiologie konstatiert: „Spaß und Erfolgser-lebnisse sorgen für eine lernpositive Hormonlage und damit für einreibungsloses Funktionieren der Synapsen und des Kontaktes zwi-schen den Gehirnzellen. Mit positiven Erlebnissen verknüpfte In-formationen werden besonders gut verarbeitet und verstanden",weil über die Emotionen das „limbische System" mitbeteiligt ist(Vester 1978, S. 141/142). Auch die Ergebnisse der Tagesmütter-Befragung im Modellprojekt bestätigen diese Befunde.

Die Referentin/der Referent kann günstige Bedingungen für sich und \die Teilnehmerinnen schaffen, indem sie/er die Räumlichkeiten unddie Atmosphäre bewußt freundlich gestaltet (z.B. durch themenbezo-gene Plakate/Materialien, Blumen, Zugang zu Getränken),

Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege 111

Dabei muß kein großer Aufwand betrieben weden, jedoch wirddiesbezügliche Achtsamkeit der Referentinnen von den Teilnehme-rinnen positiv wahrgenommen und dankbar angenommen. FürTagesmütter gehört es zum Alltag, andere zu versorgen. Wenn siesich selbst durch eine freundliche Atmosphäre „verwöhnt" fühlenkönnen, tragt dies erheblich zu ihrem Wohlbefinden bei. Regelmä-ßige Pausen und frische Luft, aber auch ein infrastruktureller Rah-men, der z.B. für die Pausen den Zugang zu Getränken ermöglicht,kann hier schon viel bewirken. In Räumlichkeiten, in denen es kei-ne Cafeteria oder einen Automaten gibt, besteht manchmal dieMöglichkeit, Getränke in Thermoskannen bereitzustellen.

Atmosphärisch bereichernd und thematisch pointierend kannder Einsatz von visuellen Materialien wie Karikaturen wirken. Imgünstigsten Fall sind solche Materialien Bestandteil des didakti-schen Fundus einer Referentin/eines Referenten.

Für eine intensive und vertrauensvolle Gruppenarbeit mit(Selbst-)Erfahrungs- und Reflexionsanteilen ist es auch wichtig, daßsie vor allzu beeinträchtigenden Einflüssen aus der Umgebung ge-schützt ist (starke Lärmquellen, Unterbrechungen durch Nicht-Teilnehmerinnen, ...)- Das strukturell bedingte Auftreten solcherStörfaktoren sollte nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.

3.4.12 Verständliche und ansprechende Materialien

Von den Teilnehmerinnen, zu denen im Rahmen des Modellpro-jekts Kontakt hergestellt wurde, war vielfach der Wunsch geäußertworden, zusammenfassendes schriftliches Material mitnehmen zukönnen, um auch nach Ende eines Kurses „etwas in der Hand zuhaben". Dieses Anliegen korrespondiert mit den Ergebnissen derQualitätsprüfung von Fortbildungsmaßnahmen durch den Ver-braucherschutz, die ergeben haben, daß aus der Sicht der Teilneh-merinnen auch gute Unterrichtsmaterialien ein Indikator für Qua-lität sind (vgl. „Fehler im Programm" 1992).

Aufgrund begrenzter Ressourcen liegen in der Praxis häufig keineausgearbeiteten Materialien vor. Es ist aber nur unter Mühen mög-lich, mit innerer Anteilnahme und Wachheit Teil einer Gtuppe zusein und gleichzeitig den Inhalt einer Veranstaltung zu doku-mentieren. Die Praxis der wechselnden Protokollführung begrenztdann zwar die Anstrengung der Dokumentation auf wechselndeeinzelne Teilnehmerinnen, jedoch bleibt der Bedarf an verständli-chen und ansptechenden Kufsmaterialien bestehen. Es ist in Ge-

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112 Karin Weiß

sprächen mit Referentinnen und Teilnehmerinnen deutlich gewor-den, daß im qualifizierungsbegleitenden Alltag mit (Tages-)Kindernund Haushalt keine Kapazitäten frei sind und somit auch kein Be-darf besteht für zeitlich aufwendige Ausarbeitungen und Nachbe-reitung der Veranstaltungen.

Die curricularen Elemente im Modellprojekt umfassen deshalb ein- \fache Handreichungen für die Teilnehmerinnen, die wichtigeAspekte zusammenfassen oder vertiefende Übungen für zu Hauseanbieten. Daß auch diese Handreichungen geschlechtsbewußt for-muliert sind, versteht sich von selbst

!

Karin Weiß

Der „Bogen zur Selbstevaluation" alsInstrument für Referentinnen in derQualifizierung zur Tagespflege

Nachdem die Gütemerkmale — zunächst nur für den projektinter-nen Bedarf - zur Entwicklung der curricularen Elemente wie be-schrieben definiert worden waren, lagen quasi „Essentials" der Ta-gespflege-Qualifizierung vor. Es lag nahe, diese Essentials nun auchfür Referentinnen aufzubereiten, die in der Praxis häufig auf sichselbst gestellt und nicht notwendigerweise erfahren im Thema Ta-gespflege sind. Es entstand die Idee, einen „Bogen zur Selbstevalua-tion" zu entwickeln, der Referentinnen bei der Durchführung vonQualifizierung zur Tagespflege unterstützen kann.

Ein wichtiger Aspekt der Qualität von Angeboten der Erwachse-nenbildung liegt in der erwachsenenpädagogischen und fachlichenQualifikation und Erfahrung der Referentinnen, Die Fachkräftebrauchen für ihre Arbeit eine Fülle von speziellen Fähigkeiten undSchlüsselqualifikationen. Dazu zählen u.a.:

- didaktisch-methodische Kompetenz- Sozial- und Beratungskompetenz- gruppendynamische Kompetenz- Leitungskompetenz- Fachkompetenz- Planungskompetenz- Evaluationskompetenz für eine reflexiv-evaluative Begleitung det

Kurse(vgl, Gieseke 1995, S. 25 und Meinhardt-Bocklet 1995, S. 80).

Das „Anfordern ngsprofd" an eine kompetente Fachkraft in derWeiterbildung ist so umfassend, daß kaum eine/einer alle dieseMerkmale schon per se mitbringt, sondern nach und nach im Laufeihrer/seiner Tätigkeit erwirbt. Um so wichtiger sind aus der Sichtdet Bildungsträger berufsbegleitende Qualifizierung und Fortbil-dung für Fachkräfte, also Maßnahmen der Personalentwicklung.Wie sieht es damit in der Praxis der Erwachsenenbildung aus?

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Die meist freien, oft nebenberuflich und manchmal auch ehren-amtlich tätigen Mitarbeiterinnen in der Weiterbildung haben sichhäufig autodidaktisch die eigene Professionalisierung erarbeitet.Doch die Fluktuation ist aufgrund der Arbeitsbedingungen und derHonorierung im allgemeinen hoch, so daß Kompetenz immer wie-der auch durch „Abwanderung" verlorengeht. In den Volkshoch-schulen ist in den letzten 15 Jahren die Kutsleitung eine überwie-gend weibliche Angelegenheit geworden. Gern werden Frauen mitkleinen Kindern oder Frauen nach der Familienpause genommen,weil „(...) hier noch ein relativ engagiertes Potential mit geringenLohnansptüchen zu finden ist" (Schlutz 1995, S. 31). Die Akzep-tanz dieser geringfügigen Entlohnung läßt sich wohl nur über dasVorhandensein eines zusätzlichen Familieneinkommens tealisieren.Im Bereich der Tagespflege-Qualifizierung ist im Zusammenhangmit engagietter Vereinstätigkeit bisweilen auch ein über den übli-chen Rahmen hinausgehender, langwährender ehrenamtlicher Ein-satz anzutreffen.

Für Weiterbildungsmöglichkeiten sind gerade bei kleineren Trä-gern oft wenig Mittel vorhanden. Zudem können freie Referentin-nen Weitetbildungsangebote in Form „zusätzlicher Zeitbelastun-gen" — die im ungünstigen Fall auch mit Verdienstausfall undSelbstkosten verbunden sind, nur schwer in ihren häufig punkt-genau kalkulieren Arbeitsall tag integrieren {vgl. Schlutz 1995, S.31).

Fteie Mitatbeiterinnen in der Erwachsenenbildung sind häufigauch nicht in ein Team eingebunden und haben wenig bis keinebezahlte Zeit für fachlichen Austausch mit Kolleginnen. Für einesystematische Reflexion des Tagesgeschäfts und für die Einar-beitung in ein neues Fachgebiet fehlt oft die Zeit (vgl. Kap. 2).

4.1 Selbstevaluation als Königsweg derPersonalentwicklung?

Im Modellptojekt ist deutlich zu Tage getreten, wie knapp die Res-sourcen in der Weiterbildung im allgemeinen sind und wie wenigExpettlnnen für die Qualifizierung in der Tagespflege im speziellenzur Verfügung stehen. Auch sind während der Projektlaufzeit an dasForschungsteam immer wieder Anfragen von Trägern gerichtet wor-den, die Tagespflege-Qualifizietung neu installieren wollen und vor-her noch keine Berührung mit dem Thema hatten. Den Referentln-

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 115

nen für Qualifizierungen in der Tagespflege den Bezugsrahmen, denwir mit den Gütemerkmalen geschaffen hatten, nutzbat zu machenund ihnen einen „Bogen zur Selbstevaluation" zur Verfügung zustellen, scheint den Bedarfen der Praxis zu entsprechen.

4.2 Was ist Selbstevaluation?

Selbstevaluation ging aus det amerikanischen Evaluationsforschunghervor. Da Veränderungsforderungen von „oben" ttaditionell Wi-derstände produzieren, ist nach Formen der Beteiligung gesuchtworden. In Deutschland wutden diese Bestrebungen mit Interesseaufgenommen, denn deutsche Fachkräfte haben - aus leidvollerErfahrung? — statke Vorbehalte gegen Fremdkontrolle und Außen-bewertung ihrer Atbeit (von Spiegel 1993, S. 219). Mit det „Selbst-evaluation" ist innerhalb der Debatte um Qualitätsentwicklung und-Sicherung eine Methode zur Selbstvergewisserung entwickelt wor-den, die eine Alternative zur Fremdevaluation (mit unabsehbatenFolgen) darstellt (von Spiegel 1993, S. 124). Selbstevaluation istkonzipiert als systematische Nachdenk- und Bewertungs-Hilfe mitdem Ziel der Erweiterung der beruflichen Handlungskompetenz.Nach Holenstein (1999) ist Selbstevaluation in den vergangenenJahren zu einem zentralen Element det Qualitätssicherung und derQualitätsentwicklung von Bildungsinstitutionen geworden.

Wesentlich bei der Selbstevaluation ist, daß - wie der Begfiffschon nahelegt - die Fachkräfte alle Arbeitsgänge selbst durchfüh-ren. Mit Hilfe von Selbstevaluation können Fachkräfte eigenständignotwendige Veränderungen erkennen und einleiten und werden in-sofern zu „Forscherinnen in eigener Sache". Sie sind dabei Subjekteihrer Forschung und nehmen ihre Praxis unter die Lupe, ohne daßsie ungewollte Folgen befürchten müssen: Sie haben zu jeder Zeitdie Definitionsmacht über ihre Methoden und die Ergebnisse (vonSpiegel 1993, S. 124£).

Fachkräfte können auf diese Weise autonom das eigene berufli-che Handeln bilanzieren und qualifizieren und dadurch ihr berufli-ches Selbstvertrauen fundieren. Durch die reflexive Distanz zu ih-ren routinierten alltäglichen Arbeitsvollzügen steigern sie selbst ihteProfessionalisierung, denn sie gewinnen Klarheit darüber, was sietun und welche Ziele sie verfolgen (von Spiegel 1993, S. 126).

Holenstein (1999) hat herausgefunden, daß dutch Selbstevalua-tion Kenntnisse und Fähigkeiten für die Gestaltung von Verände-

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116 Karin Weiß

rung wachsen. Auch die Selbstbeurteilungs- und Problemlösungs-fähigkeit steigt. Fachkräfte, die Selbstevaluation betreiben, könnenzudem nach außen belegen, daß und wie sie die Qualität der eige-nen Arbeit weiterentwickeln.

4.3 Wie aufwendig ist Selbstevaluation?

Der klassische Ansatz der Selbstevaluation ist sehr komplex. Die ei-gene Arbeit wird mit Hilfe von Tagebüchern, Protokollen, Ton-band oder Video dokumentiert, ausgewertet, bewertet und ggf. ver-ändert. Das Setting hat Bezüge zur sozialwissenschaftlichen Pra-xisforschung mit den klassischen qualitativen und quantitativenDatenerhebungsmethoden Beobachtung, Befragung und Analyse.Dazu kommen Methoden der Prozeßsteuerung. Analysiert werdenArbeitsprozesse, Rahmenbedingungen, Situationen und Praxis-probleme. Auf die Analyse und die Auswertung folgen Zielbestim-mung und methodisches Handeln. Vorgesehen ist auch die Erstel-lung von Dokumentationen und die Veröffentlichung von Ergeb-nissen (v. Spiegel 1993, S. 126). Alle Teilschritte sind — wenn siemit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt werden - mit einemnicht zu unterschätzenden zeitlichen Aufwand verbunden. Es istdeutlich: Selbstevaluation erfordert personelle und materielle Res-sourcen, ist zeitaufwendig und kann auch emotional belastend sein.Sie wird durch hohen Alltagsdruck behindert (Holenstein 1999).

Die meisten Fachktäfte verfügen weder über Zeit noch Fach-kenntnisse, um Selbstevaluation als regelrechtes „Forschungsvorha-ben" (ebd., S. 212) durchzuführen und in eigener Regie Fallstudi-en, statistische Erhebungen, Gruppenbefragungen u.v.a.m. durch-zuführen. In der Literatur zur Selbstevaluation wird immer wiederbetont, wie wichtig es ist, daß „sie einfach handhabbar und im All-tag ohne viel Zusatzaufwand einsetzbar ist" (z.B. Bewyl/Henze1999, S. 214). Tatsächlich sind jedoch die Möglichkeiten, Selbste-valuation im beschriebenen Sinne zu betreiben, ausgesprochen be-grenzt.

Eine Folge dieses „Nebenwiderspruchs" ist, daß Fachkräfte, dieihre Arbeit nach den Regeln der Kunst evaluieren wollen, eine„motivierende Begleitung" in Form von „wissenschaftlichen Berate-rinnen" oder „Begleiterinnen" (von Spiegel 1993, S. 213) oder von„Trainerlnnen'VCoaches" (Bewyl/Henze 1999, S. 217) brauchen,die z.B. bei der Klärung von Ziel und Gegenstand der Untersu-

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 117

chung, der Konkretisierung von Untersuchungsfragen und derAuswahl geeigneter Methoden helfen.

4.4 Unser Bogen zur Selbstevaluation

In Kenntnis der Realitäten wollten wir Referentinnen, die keineWissenschaf der in im Hintergrund und keinen Coach auf ihrerSeite haben — v.a. auch solchen, die neu im Thema Tagespflege ste-hen — ein Hilfsmittel zur Verfügung stellen, mit dem sie sich ohneallzu großen Aufwand einen Überblick verschaffen, sich orientierenund ihre Arbeit reflektieren können. Der von uns entwickelte „Bo-gen zur Selbstevaluation" stellt ihnen - und nur ihnen - einen me-thodischen „Leitfaden" für die Selbstreflexion zur Verfügung. Imengeren Sinne sind die Referentinnen damit zwat nicht Teil eines„partizipativen Verfahrens" im Sinne der klassischen Selbstevaluati-on, können dafür aber auch die Belastungen und Nachteile derkomplexen Methode vermeiden. Mit den Zielformulierungen aufBasis der (in Kapitel 3.4) beschriebenen Gütemerkmale bekommensie mit dem Bogen zur Selbstevaluation eine Strukturierung an dieHand, mit deren Hilfe sie sich einen Überblick über die Essenüalsder Qualifizierung zur Tagespflege verschaffen können und aus dersie sich einzelne konkrete Ziele für die systematische Weiterent-wicklung aussuchen bzw. sich Gestaltungsimpulse für die Verbesse-rung der Praxis holen können. Sie können Stärken und noch ent-wicklungsfähige und -bedürftige Seiten der eigenen Arbeit heraus-finden und nach den eigenen zeitlichen Möglichkeiten bearbeiten.Damit können sie die Qualität ihrer fachlichen Arbeit „in ihten ei-genen Worten" nach außen transparent machen. Gleichzeitig lei-sten sie einen Beitrag zur Professionalisierung der Tagespflege-Qualifizierung.

Werden die Erfahrungen in der Fortbildung anhand des Bogensregelmäßig reflektiert und notwendige Veränderungen vorgenom-men, findet ein Prozeß der Selbstqualifizierung und Selbstprofes-sionalisierung statt.

I • • " • t

Der Bogen ist am Ende des Buches abgedruckt. Dort ist auch mehrzu seiner Intention, seiner Herleitung aus den Ergebnissen des Mo-denprojektes und zu seiner Anwendung nachzulesen.

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118 Karin Weiß

4.5 Förderliche Bedingungen für die Anwendung desBogens zur Selbstevaluation

Selbstevaluation bedarf der Bereitschaft, ein Bewußtsein für die ei-gene Arbeit zu entwickeln, sich selbstkritisch in Frage zu stellen,sich die Bedingungen und Auswirkungen der eigenen Praxis vorAugen zu führen und sie ggf. zu verändern (von Spiegel 1993, S.213). Die hohen Anforderungen an die selbstreflexive Kompetenzund die interessegeleitete Motivation der Referentinnen kann unterden bekannten Beschäftigungsverhältnissen nicht als selbstver-ständlich vorausgesetzt werden. Fachkräfte, die selbstevaluativ ar-beiten wollen, müssen v.a. jedoch Zeit investieren, in der sie ohneHandlungs- und Rechtfertigungsdruck nachdenken können (ebd.,S. 217). In amerikanischen Studien wird denn auch „Zeit" als derhäufigste Hinderungsgrund genannt (ebd., S. 218).

Was kann Referentinnen zur Arbeit mit dem Bogen motivieren?Referentinnen, die in der Qualifizierung für Tagespfiege neu sind,können von dem Bogen profitieren, indem sie ihn zur Einarbeitungin ihr Arbeitsgebiet nutzen. Bei schon versierten Referentinnenkann sich erfahrungsgemäß allein der reine Idealismus, gute Arbeitzu erbringen, für die Anwendung von Selbstevaluation nicht dauer-haft gegen den Arbeitsdruck durchsetzen. Die Referentinnen müs-sen auch Vorteile der Selbstevaluation (z.B. eine Erhöhung der Ar-beitszufriedenheit) wahrnehmen können, um sie anzuwenden. Un-terstützend könnten dabei Rückmeldungen der Kursteilnehmerin-nen über positive Veränderungen sein. Unterstützend für die Refe-rentinnen könnte auch das Gefühl sein, daß ihre Arbeit von rele-vanten anderen — also von Kolleginnen und Vorgesetzten - geför-dert und wertgeschätzt wird. Erfolgt diese Wertschätzung nicht inForm finanzieller Vergütung, ist von Trägerseite her zu überlegen,auf welche andere Weise Bemühungen um Qualität in der Arbeitgratifiziert (nicht kontrolliert) werden können. Fordern Träger je-doch Selbstevaluation im Sinne von „Controlling" regelrecht ein,anstatt entsprechende Bedingungen bereitzustellen, entstehen kon-traproduktive Effekte.

4.6 Praxisprüfung

Der vorliegende Bogen zur Selbstevaluation bildet alle grundlegen-den Dimensionen/Gütemerkmale der Planung und Durchführungvon FortbildungsVeranstaltungen in der Tagespflege ab (Thema/

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 119

Aufbau der Veranstaltung, Inhalte, Methoden, Kurs- bzw. Veran-staltungsleitung, Lernklima, äußerer Rahmen) und kann deshalbeinen guten Überblick bieten. Anderetseits ist er dadurch recht um-fangreich bzw. erweckt den Eindruck eines kaum zu erreichendenHöchtsanspruchs an Qualität. Um die Handhabung für die Praxiszu überprüfen, haben wir den Bogen mit der Bitte um Rückmel-dung an 30 Referentinnen der Modellorte geschickt.

4.7 Rückmeldung der Referentinnen zumSelbstevaluationsbogen

30 Referentinnen im Modellprojekt wurden um schriftliche Rück-meldung zum Selbstevaluationsbogen gebeten. Von diesen 30 Refe-rentinnen waren ca. zehn eher peripher in der Tagesmütter-Qualifizierung tätige Erwachsenenpädagoglnnen, die dem DJI-Team nur bedingt als verbindliche Ansprechpartnerinnen zur Ver-fügung standen.

Von den 30 angeschriebenen Referentinnen haben 13 eineschriftliche Rückmeldung gegeben - allerdings nicht alle auf alleFragen, so daß sich im folgenden unterschiedliche Grundgesamt-heiten (N) ergeben. Der Rücklauf von ca. 40% liegt - insbesondereunter Berücksichtigung der ca. zehn peripheren Referentinnen - imStandardbereich für postalische schriftliche Befragungen.

Die Rückmeldungen der Referentinnen waren insgesamt positiv.Ausgewählte Ergebnisse sind:

Frage 1Die Idee eines Selbstevaluationsbogens finde ich grundsätzlich gut

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend

stimmt überhaupt nicht fl

1

3

Nennungen (absolut) n=11

Auf diese Frage haben elf Referentinnen, die eine Rückmeldung abgegebenhaben, mit Zustimmung geantwortet.

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120Karin Weiß

Frage 2

Ein Selbstevaluationsbogen trägt zur Qualitätssicherung in der Tages-pflegequalifizierung bei

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt wettgehend nicht-

stimmt überhaupt nicht-J f, • i

Nennungen (absolut) u=11

Der Aussage, daß ein Selbstevaluationsbogen zur Qualitätssicherung in der Ta-gespflegequalifizierung betträgt, stimmten zehn Referentinnen zu> eine Personzumindest teilweise.

Frage 4

Die aus meiner Sicht zentralen Aspekte, die die Qualität meiner Arbeitausmachen, sind benannt

1

1

I3

I

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht_

stimmt überhaupt nicht

Nennungen (absolut) n=io

Die zentralen Aspekte ihrer Arbeit fanden zehn Referentinnen benannt. VierReferentlnnen benannten Aspekte, die sie im Bogen vermissen:inhaltlich

- UN-Kinderrechte - Referentinnen müssen sich mehr mit der „Würde" desKindes befassen.

organisatorisch

- Gratwanderung zwischen Planung und Offenheit/Flexibilität in der Planung,- Austausch Kursleiterin/Referentinnen,- Austausch zwischen den Referentinnen,- unterschiedliche örtliche Gegebenheiten in der Tagespflege,- Ergänzung der Selbstevaluation durch Feedback der Teilnehmerinnen und

durch fachliche Hospitation,

- Mischung von praktisch erfahrenen Tagesmüttern und Frauen, die erst Tages-mütter werden wollen, in den Kursen.

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 121

Frage 5

Dieser Selbstevaluationsbogen stellt für mich in meiner Arbeit als Fach-referentln/Dozentln eine Hilfe dar

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht-

stimmt überhaupt nicht

1

-

Nennungen (absolut) n=11

Zehn Referentinnen sahen in dem Bogen zur Selbstevaluation eine Hilfe fürihre Arbeit als Fachreferentln, eine Person zumindest teilweise.Als Gründe wurden angegeben:

- Selbstkontrolle, Reflexion,- Hilfe beim Aufspüren „blinder Flecken",- Motivation zur Kompetenzerweiterung,- Bewußtmachen der Zielsetzung der Qualifizierung,- Praktische Anregungen,- konkrete Ausführlichkeit bringt immer wieder neu zum Nachdenken,- Systematisierung/„Punkte-Katalog", Überblick: Gesamtheit im Blick behal-

ten,- Hilfe, um herauszufinden, in welchen Bereichen Defizite vorliegen (gleich-

zeitig wird mitgeliefert: der theoretische Hintergrund), und welche Bereichegut gelingen.

Frage 6

Ich werde den Selbstevaluationsbogen in regelmäßigen Abständen (z.B.in jeder neuen Gruppe) anwenden

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht-

stimmt überhaupt nicht

I

1

3

Nennungen (absolut) n=11

Zehn Referentinnen gaben den Vorsatz an, den Selbstevaluationsbogen regel-mäßig anwenden zu wollen. Eine Referentin/ein Referent ist sich nicht sicher.

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122 Karin Weiß

Frage 7

Ich wurde durch den Selbstevaludtionsbogen angeregt, über Qualifizie-rung in der Tagespflege neu nachzudenken

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht.

stimmt überhaupt nicht

1

4

Nennungen (absolut) n=11

Zehn Referentinnen fühlten sich durch den Bogen angeregt, die Grundlagenihrer Arbeit zu reflektieren. Eine Referentin/ein Referent kann dies nur zumTeil von sich sagen.

Frage 8

Ich finde diesen Selbstevaluationsbogen praktisch gut handhabbar

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nichL

stimmt überhaupt nicht

2

4

Nennungen (absolut) n=1

Neun Referentinnen fanden den Bogen praktisch gut handhabbar. Zwei Refe-rentinnen hatten Einwände. Den offenen Teil der Frage beantworteten nurzwei Referentinnen: Sie monierten darin den Umfang und die Arbeitsintensitätfür Referentinnen aus dem „Nichtprofessionellen-Bereich".

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 123

Frage 9Ich wende andere Formen bzw. Methoden der Selbstevaluierung an

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht

stimmt überhaupt nicht

0

0

1

3

Nennungen (absolut) n=8

Nur eine Referentin/ein Referent stimmte mit voller Überzeugung der Aussagezu, daß sie ihre Arbeit selbst evaluiert. Sieben andere Referentinnen stimmtenüberwiegend bzw. bedingt zu. Der vergleichsweise zurückhaltenden Zustim-mung ist zu entnehmen, daß die Möglichkeiten zur Selbstevaluierung nicht inwünschenswertem Maß vorhanden vorhanden sind bzw. wahrgenommen wer-den. Dieses Ergebnis kann als Argument für einen Selbstevaluationsbogen in-terpretiert werden. Vier Referentinnen gaben an, daß sie andere Methoden derSelbstevaluierung anwenden und benannten sie wie folgt:

— schriftliche Auswertung (hinsichtlich Gruppe, Material, Methoden, Gelin-gen) während der Pausen und/oder nach der Veranstaltung - die Eindrückewerden dabei in Stichworten entweder auf einem Auswertungsbogen oderauf der schriftlichen Vorbereitung notiert,

- Feedback Teilnehmerinnen,- kollegialer Austausch,— Supervision,— Feedback von Praktikantinnen,- Feedback zu Hause.

Frage 10Ich schätze mich selbst als erfahrene/r Fachreferentln/Dozentln ein

stimmt voll

stimmt weitgehend

stimmt teils/teils

stimmt weitgehend nicht

stimmt überhaupt nicht

0

0

2

2

Nennungen (absolut) n=11

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124 Karin Weiß

Neun der Referentinnen, die sich rückgemeldet haben, schätzen sich selbst alserfahrene Fachleute ein.

4.7.1 Allgemeine Anmerkungen der Referentinnen

Acht Referentinnen nutzten die Gelegenheit für sonstige Anmerkun-

positiv- prima Idee zur Selbstbeobachtung,- An dem Selbstevaluationsbogen schätze ich besonders das huma-

nistische Erziehungsideal.

Kritik- Kontrast zwischen den Verhältnissen in der Praxis der Tagespfle-

ge und der wissenschafilichen Arbeit.

Anmerkungen- Es kommt vor, daß der Gesamtkurs in sich schlüssig aufgebaut

ist, aber durch unvorhergesehene Ereignisse so nicht durchgeführtwerden kann (winterliche Behinderung der Verkehrswege imländlichen Raum, Grippewelle, Ausfall von Referentinnen). Eineintakte Gruppe mit einem guten Arbeitsklima verkraftet Um-stellungen und eine nicht mehr schlüssige Reihenfolge. Genausoist es bei einzelnen Veranstaltungen, wenn Störungen oder Pro-bleme auftreten.

- Jede Gruppe ist anders, manche Teilnehmerinnen beteiligen sichsehr angeregt, manche sind sehr zurückhaltend, aber deshalbnicht weniger interessiert.

- Wichtig ist der regelmäßige fachliche Austausch mit Kolleginnenüber inhaltliche, methodische und gruppendynamische Fragen.In diesem Zusammenhang wären Fortbildungen bzw. fachlicheTagungen mit Referentinnen auf Bundesebene in Zukunft sinn-voll (analog zu den DJI-Veranstaltungen).

- Allen recht machen kann man es nicht. Die Referentinnen könnenlediglich gut durchdachte Unterrichtseinheiten mit einem aus-gewogenen Theorie-Praxis-Verhältnis anbieten. Die Teilnehme-rinnen sind dann aufgefordert, sich die Dinge herauszuziehen,die für sie passen.

- Bei aller Arbeit an sich: niemand ist vollkommen. Es gibt immerGründe, um Neues zu bedenken und einzubringen.

Der „Bogen zur Selbstevaluation" als Instrument für Referentinnen 125

4.7.2 Zusammenfassung der Ergebnisse

Ca. ein Drittel der Referentinnen hat sich rückgemeldet.Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv.

- Der Bogen wird als Unterstützung für die eigene Arbeit angese-hen. Positiv hervorgehoben wurden u.a.: die komprimierteForm, der Überblickscharakter und die praktischen Anregungen.

- Der Bogen wird von der Mehrheit derjenigen, die geantwortethaben, in Umfang und Aufwand als handhabbar eingeschätzt.

- Die Mehrheit derjenigen, die geantwortet haben, will den Bogenweiterhin benützen.

Kritik- Der Umfang des Bogens ist von zwei Referentinnen kritisch ge-

sehen worden. In Relation zu den Arbeitsbedingungen wird dieseAussage sicher für eine ganze Reihe von Referentinnen in derPraxis zutreffen.

- Eine Referentin wünscht sich, daß im Bogen mehr hervorgehobenwird, wie wichtig die Stabilität einer Ausbildungs-Gruppe ist. Umden Gruppenprozeß zu fördern plädieren wir im Modellprojektfür die Organisationsform einer festen Gruppe. Im Bogen zurSelbstevaluation wird die Organisationsebene als solche nicht an-gesprochen. Wir meinen jedoch, daß die im Bogen thematisiertenQualitätsmerkmale zu Methoden, Kursleitung, Gruppen- undLernklima die Förderung einer stabilen Gruppe implizieren.

- Ebenfalls vermißt wird im Bogen die Notwendigkeit eines regel-mäßigen fachlichen Austausches mit Kolleginnen sowie Fortbil-dungen bzw. Fachtagungen. In dieser Äußerung offenbart sich er-neut die Isolation der Referentinnen, die schon mehrfach thema-siert wurde (vgl. Kap. 2). Insbesondere überregionale Tagungenleisten als Möglichkeit zum „Blick über den Tellerrand" auch ei-nen erheblichen Beitrag zur Fachlichkeit der Referentinnen.

- Zu Recht hat eine Referentin/ein Referent darauf hingewiesen,daß „jede Gruppe anders ist" und Örtlich unterschiedliche Gege-benheiten bei der Leitung eines Kurses eine Rolle spielen. DerKontrast zwischen den Verhältnissen in der Praxis und wissen-schaftlichen Postulaten kann trotz aller Bemühungen um einepraxisrelevante Planungsgrundlage groß sein. Einige Referentin-nen haben daraufhingewiesen, daß die Praxis letztlich immer ei-ne Grarwanderung von Detailplanung einerseits und notwendi-

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126 Karin Weiß

ger konzeptioneller Offenheit für unvorhergesehene Ereignisseandererseits darstellt und kreative Spielräume notwendig sind.Wir sehen dies ebenso und möchten unseren Bogen explizit alsrichtungsweisend, nicht als normgebend verstanden wissen. Refe-rentinnen können den Bogen zur Selbstevaluation nur bedingtschematisch einsetzen, sie müssen ihn individuell an die eigenenVerhältnisse anpassen. Auch Faulstich plädiert in diesem Zu-sammenhang für die pragmatische Konstruktion eines flexiblenund ergänzungsfähigen Instrumentariums (vgl. Faulstich 1991).

4.8 Fazit

Vom Aspekt der Qualitätssicherung her ist Selbstevaluation zweifels-ohne sinnvoll und wünschenswert. Allerdings braucht es dafür auchzeitliche Ressourcen. Im Modellprojekt standen die Referentinnendem Instrument grundsätzlich positiv gegenüber. Insgesamt kann da-von ausgegangen werden, daß der Rücklauf und die Antworten derReferentinnen die Zeitreservoirs der Erwachsenenpädagoglnnen aufHonorarbasis real abbilden. Insofern kann von unserer Befragungs-gruppe auch ein Bezug hergestellt werden zu den allgemeinen Mög-lichkeiten von Referentinnen, in der Praxis mit dem Bogen zurSelbstevaluation zu arbeiten. Wie die Rückmeldungen der Referen-tinnen zeigen, kann der Bogen zur Selbstevaluation als Angebot (nichtals Zwangs ins trument) durchaus eine Hilfe darstellen. Durch diesesErgebnis, wie auch durch die positive Aufnahme im Beirat sehen wiruns bestätigt, den Bogen für die Praxis zugänglich zu machen.

Susanne Stempinski

5 Aufbau und ausgewählteRahmenbedingungen einesGesamtcurriculums

Der Projektauftrag, curriculare Elemente zu entwickeln, machte eserforderlich, einen Gesamtrahmen der Qualifizierung zu entwerfen,um eine sinnvolle Einbettung der einzelnen Curriculumelemente inden Gesamtzusammenhang einer Fortbildung zu erreichen. In die-sem Zusammenhang wurde ein vorläufiges Themenspektrum erar-beitet, das einen möglichen Aufbau eines Fortbildungskonzepts voninsgesamt 160 Unterrichtsstunden darstellt. Es sei an dieser Stelledarauf hingewiesen, daß dieses Themenspektrum einen vorläufigenZwischenstand der Entwicklung repräsentiert und im weiterenVerlauf des Projekts (also nach Drucklegung dieser Publikation)überarbeitet werden wird. Darüber hinaus soll in diesem Abschnittauf ausgewählte Rahmenbedingungen eingegangen werden, die sichbei den Befragungen und bei den Workshops als zentrale Diskussi-onspunkte erwiesen.

5.1 Entwurf eines Themenspektrums

Im folgenden wird das im Projekt ermittelte Themenspektrum fürdie Qualifizierung in der Tagespflege, untergliedert in möglicheEinzelveranstaltungen, dargestellt. Um die Aussagekraft der Veran-staltungstitel zu erhöhen, wurde jeweils eine kurze Legende zuge-fügt.

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128 Susanne Stempinski

Einführungsphase(30 Ustd.)

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd

3 Ustd.

EinführungsabendWas erwartet die (künftige) Tagesmutter in dieser Fortbildung? Welche Fort-bildungsabschnitte gibt es? Wie wird im Kurs gearbeitet?Tagespflege - die Perspektive der Tagesmutter

Erwartungen und MotivationsklärungIn welcher Lebenssituation befinden sich die Teilnehmerinnen? Welche Er-wartungen haben sie an die Tagespflege-Tätigkeit? Was kommt auf die Ta-gemutter und ihre Familie zu?

Aufgaben und Alltag der Tagesmutter/Rolle der TagesmutterBei der Tagespflege handelt es sich um öffentliche Kinderbetreuung im pri-vaten Raum. Wie verändern sich durch die Aufnahme eines Tageskindes dieBeziehungen in der Familie der Tagesmutter?

Rahmenbedingungen der Tagespflegetätigkeit: Rechtlicher und finan-zieller StatusZur Tagespflegetätigkeit gehört, daß die Tagesmutter die rechtlichen und fi-nanziellen Aspekte ihrer Arbeit aktiv und eigenverantwortlich regelt. Hier gehtes um die Klärung der Grundlagen anhand von praxisnahen Beispielen. Wel-che Unterschiede bestehen zwischen der Tätigkeit als Tagesmutter und derals Kindertrau?Tagespflege - die Perspektive der Kinder (Tageskind und Kinder derTagesmutter)

Das Kind in zwei Familien - Anforderungen an die TagespflegeEin Tageskind muß sich in zwei unterschiedlichen Familiensystemen zu-rechtfinden - wie kann es dabei unterstützt werden? Wie kann herausgefun-den werden, welches Kind in die Tagesfamilie paßt (und welche Tagesfamiliefür das Kind geeignet ist) ? Wie können die eigenen Kinder der Tagesmutterunterstützt werden, mit der neuen Situation zurechtzukommen?

Gestaltung der Kontakt- und EingewöhnungsphaseWas sollte eine Tagesmutter beachten bei der Gestaltung der Eingewöh-nungsphase für das Tageskind und die Kinder der Taqesmutter?Tagespflege - die Perspektive der Eltern

Verständigung und Zusammenarbeit mit den Eltern/KontaktphaseWeiches sind die Erwartungen, Wünsche und Gefühle von Eltern in bezugauf die Tagespflege? Wie bereitet sich die Tagesmutter auf den ersten Kon-takt mit den Eitern des künftigen Tageskindes vor?

Der BetreuungsvertragWas sollte die Tagesmutter mit den Eltern des Tageskindes im Betreuungs-vertrag regeln? Welche Unterschiede erqeben sich für die Kinderfrau?Praxis-Hospitation bei einer erfahrenen TagesmutterVor- und Nachbereitung (Hospitationsleitfaden)Zwischenbilanz„Wo stehe ich? Fühle ich mich gut vorbereitet? Was brauche ich noch?"

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 129

Vertiefungsphase(130 Ustd.)

a) Förderung von Kindern (70 Ustd.)

3 Ustd.

3 Ustd.

plus 1Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

Förderung von Kindern in der Tagespflege - was gehört dazu?Im KJHG wird Kinderbetreuung in Tagespflege als gieichrangig zur Kinder-betreuung in Einrichtungen behandelt. Durch Betreuung, Erziehung und Bil-dung soll die Entwicklung der Kinder zu eigenverantwortlichen und gemein-schaftsfähigen Persönlichkeiten gefördert werden. Was bedeutet das für denAiltaq in der Tagespfleqe?Entwicklung von Kindern/Kinder beobachten und wahrnehmen

Kinder brauchen BeAchtung. Wie nehme ich im Tagespflegealitag Kin-der wahr?Wie entwickelt sich ein Kleinkind? Welche Bedürfnisse hat ein Kleinkind? Aufwelche Art signalisiert es sie? Durch bewußtes Hinsehen und Hinhören kanndie Tagesmutter Bedürfnisse erkennen und verstehen lernen.

Beobachtungsaufgabe zu Hause: Kinder beobachtenSensibilisierung für Bedürfnisse von Kindern: Aufmerksamkeit der Tages-mutter gegenüber dem Kind/den Kindern - wie kann die Tagesmutter das„Werkzeug" des bewußten Beobachtens in ihrem Familien- und Hausar-beitsalltag einsetzen?

Kinder sind verschieden. Ansätze zum Umgang mit individuellen, ge-schlechtsspezifischen und kulturellen UnterschiedenKinder haben unterschiedliche Temperamente und Entwicklungsgeschwin-digkeiten, unterschiedliche Geschlechter und familiäre, soziale oder kulturelleHintergründe. Das alles macht aus jedem Kind einen ganz individuellen Men-schen, der oder die auch individuell behandelt sein will. Bei alier Individualitätmuß jedoch Chancengleichheit gelten: Alien Kindern müssen gleiche Ent-wicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden.

EntwicklungsVerzögerungen und -StörungenWelche Entwicklungen sind altersgemäß „normal"bei Kindern? Welche sindnicht mehr „normal"? Wie kann die Tagesmutter mit ihren Beobachtungenumgehen? Was ist zu tun?Betreuung von Kindern

SicherheitWie schafft die Tagesmtter eine Umgebung, in der sich Kinder sicher bewe-gen können ? Wie geht die Tagesmutter daheim und unterwegs mit der wach-senden Selbständigkeit von Kindern und der ihr übertragenen Aufsichtspflichtum?

Gesundheit, HygieneWie kann die Tagesmutter die Gesundheit und das Gesundheitsbewußtseinvon Kindern fördern? Was bedeutet Hygiene in der Tagespflege?

ErnährungWas gehört zu einer gesunden Ernährung in der Tagespflege? Auf welchebesonderen Emährungswünsche von seiten der Eltern ist die Tagesmutterbereit einzugehen?

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6 Ustd.{Tages-seminar)

6 Ustd.(Tages-seminar)

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

Erziehung in der Tagespflege

Wie erziehe ich - wie wurde ich erzogen?Eigene Erfahrungen. Wandel von Erziehungswerten. Negative Erfahrungenals Einflußfaktor im Umgang mit Kindern. Was will ich für die anvertrautenKinder?

Wieviel und welche Erziehung in der Tagespflege?Was ist Erziehung? Wieviel Erziehung braucht ein Kind? Was kann ein Kind?Welche Rechte hat ein Kind? Was brauchen Erwachsene, um Kinder erzie-hen zu können? Was ist das Spezieile an der Erziehungssituation in der Ta-gespflege?

Die Beziehung zum Tageskind positiv gestaltenPrinzipien einer positiven Beziehung: Kinder verstehen, respektieren, ermuti-gen. Persönliche Sprache in der Beziehung zu einem Kind. Sensibler Um-gang mit Grenzen.

Bevor der Kragen platztErziehung mit Achtung vor der Würde des Kindes: Anspruch und Alltag. Wasmacht es für eine Tagesmutter schwierig, den Kindern gegenüber positiv zu bie-ben? Wie kann Abhilfe und Unterstützung gefunden werden? Umgang mit Wut.

Umgang mit schwierigen Erziehungssituationen in der TagespflegeVorbeugen, entzerren und minimieren von schwierigen Situationen.In Tagespflege werden manchmal Kinder vermittelt, die belastende Erfahrun-gen gemacht haben oder gerade Belastendes erieben. Im Alltag fallen dieseKinder durch ihr Verhalten auf. Ihnen fehlt Vertrauen, sie ziehen sich zurückoder sind aggressiv. Es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren. Was kön-nen Tagesmütter tun, um diesen Kindern gerecht zu werden? Welche Vor-aussetzungen brauchen sie? Unterscheidung zwischen Tagespflege nach §23 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und Tagespflege als Hilfe zur Erzie-hung nach §§ 27, 32.

Der Bildungsauftrag in der Tagespflege

Was ist unter dem Bildungsauftrag in der Tagespflege zu verstehen?Kinder haben ein natürliches Bedürfnis, sich selbst zu bilden. Gegenständeund soziale Situationen tragen dazu bei. Wie kann die Tagesmutter diesenBildungsprozeß unterstützen? Welche Möglichkeiten der Förderung ergebensich aus bestimmten Alltagssituationen der Tagespfiege heraus? Wie kanndie Tagesmutter eine Förderung der Kinder bewußt planen ?Kinderspiel

Kontakt und soziale Beziehungen im SpielWelche Rolle haben Erwachsene im Spiel der Kinder? Wie kann die Tages-mutter „spielerisch" einen guten Kontakt zwischen sich, den eigenen Kindernund dem Tageskind herstellen? Wie kann die Tagesmutter die soziale Entwick-lung von Kindern fördern?

Spielorte und EntwicklungsräumeWelche Spielumgebung brauchen Kinder und welche Orte suchen Kinder zumSpielen auf? Die Spielräume sind heute vielfach andere, als die Erwachsenensie erlebt haben (z.B. enge Spielplätze in Städten, künstliche Umgebungswel-ten, Computerspiele). Was folgt daraus für die Erziehung/Förderung von Kin-dern''

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 131

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Usid.

3 Ustd.

Wie kann die Tagesmutter im Alltag spielerisch das Kind fördern?Wieviel Spielzeug braucht ein Kind? Welche Spielmittel sind geeignet? WelchesSpielzeug braucht ein Kind in welchem Alter? Welche Bedeutung haben Spiel-sachen und Spiele für die Entwicklung von Intelligenz, Körper und Sprache?Umgang mit Medien

KinderbücherKinder identifizieren sich mit den Figuren/Gestalten, die ihnen in Kinderbü-chern begegnen. Sie erieben und bewältigen unbekannte Situationen undlernen, sich „in der Welt" zurechtzufinden. Woran kann die Tagesmutter guteKinderbücher erkennen? Was ist beim Vorlesen wichtig?

Fernsehen, ComputerFernsehen und Computer gehören zu den Medien, mit denen Kinder heuteselbstverständlich aufwachsen. Ein verantwortungsbewußter Umgang damitwill jedoch gelernt sein. Wo liegen Möglichkeiten und Gefahren?Besondere Herausforderungen in der Tagespflege

Tageskinder - eigene Kinder: Wie komme ich damit zurecht?Viele Tagesmütter wünschen sich für ihre eigenen Kinder Spielgefährten,wenn sie Tageskinder aufnehmen. Nicht selten aber entstehen heftige Kon-flikte zwischen den Kindern. Was bedeutet das? Wie kann die Tagesmutterdamit umgehen? Welche anderen Situationen kennen Tagesmütter, in denenes eine Rolle spielt, daß sie - anders als z.B. Erzieherinnen im Kindergarten- eigene und Tageskinder zusammen betreuen?

Kinder fördern - Haushalt managen: Wie läßt sich das vereinbaren?In der Tagespflege erieben die Kinder einen ganz normalen Familienalltag.Dazu gehören auch Haushaltsarbeiten wie Kochen, Putzen, Aufräumen, Ein-kaufen, Gartenarbeiten. Wie kann die Tagesmutter ihre Aufgabe einer Förde-rung der Kinder mit diesen Arbeiten verbinden? Was hat sich bewährt, wovonist abzuraten?

Abschied von den TageskindernWie kann der Abschied eines Tageskindes aus der Tagesfamilie vorbereitetund gestaltet werden? Was bedeutet es für die Kinder der Tagesmutter, sichvon Tageskindern verabschieden zu müssen?

b) Kooperation und Kommunikation zwischen Tagesmutter und Eltern(27 Ustd.)

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

Erziehungspartnerschaft in der TagespflegeWie läßt sich mit den Eltern des Tageskindes eine gute Zusammenarbeitaufbauen, die am Wohl des Kindes orientiert ist?

Kooperation zwischen Nähe und DistanzEine freundlich-distanzierte oder eine enge freundschaftliche Beziehung zwi-schen Tagesmutter und Eltern des Tageskindes hat jeweils ihre Vor- undNachteile. Welche Form der Beziehung entspricht den Vorstellungen der Ta-gesmutter?

Mutterrollen In der TagespflegeIn der Tagespflege treffen zwei Frauen mit entgegengesetzten Lebensent-würfen aufeinander (Berufstätigkeit vs. Familienarbeit). Kann die Tagesmutterdie Berufstätigkeit der Mutter des Tageskindes akzeptieren? Wie kann sie miteventuellen Schuld- und Eifersuchtsgefühlen umgehen? Wer ist die zentralePerson im Leben des Kindes?

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132 Susanne Stempinski

6 Ustd- Wie sag ich's?Die Kommunikation mit Eltern ist ein wichtiger Bestandteil des Tagespflege-Alltags. Weiche Gesprächstechniken (z.B. Ich-Botschaften, Aktives Zuhören)können helfen, den Austausch konstruktiv zu gestalten? Sie werden vorge-stellt und an verschiedenen Situationen aus der Tagespflege-Praxis geübt.

3 Ustd. Niefit nur zwischen Tür und Angel: Gespräche mit ElternDie konstruktive Zusammenarbeit im Beziehungsgefüge der Tagespflegesetzt voraus, daß die Tagesmutter und die Eltern des Tageskindes ihre Vor-stellungen, Erwartungen und Interessen kooperativ miteinander abstimmen.Wie, wo und wann findet dies statt?

6 Ustd. Kreative und konstruktive Konfliktaustragung(evtl. Anhand von typischen Tagespflege-Situationen werden verschiedene Me-Tages- thoden zur Konfliktbewältigung, aufbauend auf den vorherigen Kursthemen,Seminar) ausprobiert und geübt.

3 Ustd. Schweigepflicht in der TagespflegeEs trägt zum gegenseitigen Verständnis und zum Gelingen einer vertrauens-vollen Beziehung zwischen der Tagesmutter und den Eltern des Tageskindesbei, wenn beide sich bemühen, immer wieder einmal die Perspektive der an-deren Seite einzunehmen und nachzuvollziehen. Dadurch entsteht Vertrau-en, aber auch ein beträchtliches Wissen übereinander. Was sollte die Ta-gesmutter über die Schweigepflicht in der Tagespflege wissen?

c) Arbeitsbedingungen der Tagesmutter (24 Ustd.)

3 Ustd. Beruf Tagesmutter?!Als Tagesmutter arbeiten - ist das ein Job? ein Beruf? eine Lebensform?Welches Selbstverständnis haben Tagesmütter von ihrer Tätigkeit? Wie wer-den sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

6 Ustd. Rechtliche und finanzielle Grundlagen der TagespflegeMit welchen Bundes- und Landesgesetzen und welchen Örtlichen Richtliniensollte die Tagesmutter vertraut sein? Welche Fragen ergeben sich in bezugauf Haftung, Steuern und Versicherungen? Welche Unterschiede ergebensich für die Kinderfrau?

3 Ustd. Mein Arbeitsplatz in der FamilieDie Tagesmutter betreut Tageskinder in der Regel in ihren privaten Räumen.Ihre Tätigkeit wirkt sich stark auf die anderen Familienmitglieder im Haushaltaus. Wie kann sie die Privatsphäre der eigenen Familie schützen? Wie kanndie Tagesmutter mit Interessengegensätzen zwischen ihrer Tagespfiegeaus-Übung und den Bedürfnissen der Familienmitglieder umgehen?

3 Ustd. Vernetzung mit anderen Tagespflegepersonen, InteressenvertretungWie kann die Tagesmutter das Isoliertsein im eigenen Haushalt überwinden?Wie kann sie einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch mit anderen Tages-müttern finden? Wer vertritt die Interessen der Tagesmütter vor Ort?

3 Ustd. Umgang mit Streß, Unter-/Uberforderung, KraftquellenWelchen Streßfaktoren sind Tagesmütter in ihrer Tätigkeit ausgesetzt? Wel-che persönlichen Strategien wenden Tagesmütter an, um „Kraft zu tanken"?Wie können sie mit Unter- oder Überforderung konstruktiv umgehen?

3 Ustd. Kooperation mit öffentlichen Stellen: Jugendamt, Vermittlungs- und Be-ratungsstellen; Tageselternverein, tagesmütter BundesverbandÄmter, Vereine, Verbände, kommerzielle Agenturen - mögliche Kooperati-onspartner der Tagesmutter? Nach Möglichkeit sollten Vertreterinnen rele-vanter Einrichtungen sich und ihren Zuständigkeitsbereich im Kurs selbstvorsteilen.

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 133

3 Ustd. Entwicklung der Tagespflege in Deutschland/in EuropaDer Blick über den Tellerrand: Wie machen's die Nachbarn? Welche Erfah-rungen mit der TaqespfleQe lieqen dort vor?

d) Reflexion (9 Ustd.)

3 Ustd.

3 Ustd.

3 Ustd.

Zwischenresümee zur Halbzeit des Kurses„ Wie geht es uns bisher in dem Kurs? Was soll so bleiben? Was möchten wirändern?"Vorbereitung des Abschlußkolloquiums„Was brauchen wir noch für das Abschlußkolloquium?"Abschlußresümee des Kurses„Was hat die Fortbildung gebracht? Was war wichtig? Was war schwierig?Wie geht es für die einzelnen Teilnehmerinnen weiter?"

Zusätzlich zum Besuch der Fortbildung sollte die Teilnahme an ei-nem Erste-Hilfe-Kurs nachgewiesen werden („Erste Hilfe am Kind").

5.2 Stundenumfang des Curriculums unter besondererBerücksichtigung der Familienkompetenzen

Die Bestimmung des Stundenumfangs für ein Themenspektrum ei-ner Grundqualifizierung basierte auf Abwägungen, bei denen aufder einen Seite der fachliche Anspruch an die Tagespflege, also dieOrientierung am Kindeswohl, eine wichtige Rolle spielte und aufder anderen Seite die Frage, welche Anforderungen der Zielgruppeder Tagesmütter zugemutet werden können angesichts der beson-deren Bedingungen, unter denen sie arbeitet. Folgende Aspektemüssen in bezug auf die Arbeitsbedingungen der Zielgruppe be-sonders berücksichtigt werden:

- In den meisten Fällen erwerben Tagesmütter durch den Besuchder Fortbildung keine materiellen Vorteile bzw. Gratifikationen(denkbar wären hier z.B. Beiträge zur Altersabsicherung oder dieKopplung der Vermittlung von Tageskindern an den Besuch derFortbildung). Es fehlt ein materieller Anreiz für die Tagesmütter,sich zum Fortbildungsbesuch zu verpflichten. An vielen Ortenmüssen Kurs-Teilnehmerinnen für den Besuch der Fortbildungsogar Teilnahmegebühren entrichten.

- Außerdem fehlt eine gesetzliche Grundlage für den Fortbil-dungsbesuch. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz sieht keineverpflichtende Qualifizierung für Tagespflegepersonen vor. Auf-grund dieser mangelnden gesetzlichen Grundlagen tun sich Bil-dungsträger schwer damit, Tagesmütter zu einem längerfristigenKursbesuch zu motivieren.

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134 Susanne Stempinski

— Schließlich ist es wichtig zu berücksichtigen, daß es unter denTagesmüttern verschiedene Gruppen gibt:a) diejenigen, die langfristig in diesem Feld arbeiten wollen und

ihre Tätigkeit als Beruf verstehen,b) diejenigen, die übergangsweise für zwei bis vier Jahre in der

Tagespflege tätig sind (Erziehungsurlaub, Arbeitslosigkeit),c) diejenigen, die einen Quereinstieg in einen sozialen und/oder

pädagogischen Beruf anstreben,d) ausgebildete Erzieherinnen (besonders in den neuen Bundes-

ländern), die in der Tagespflege tätig sind oder werden wollen.

Gerade für die zweite Gruppe („übergangsweise zwei bis vier Jah-re"), die einen recht großen Anreil der verfügbaren Tagesmütterausmacht, muß der Aufwand für die Fortbildung in einem vertret-baren Verhältnis zur Ausübung der Tagespflegetätigkeit stehen.

Diesen praktischen Argumenten der Zumutbarkeit steht derfachliche Qualitätsanspruch des Kinder- und Jugendhilfegesetzesgegenüber, der das Kindeswohl der betreuten Kinder in den Vor-dergrund stellt. Den Eltern soll mit der Tagespflege ein qualitativgleich rangiges Angebot im Vergleich zur institutionellen Kinderbe-treuung zur Verfügung stehen.

Verglichen mit der im Durchschnitt fünfjährigen Erzieherinnen-ausbildung könnte eine Tagespflege-Fortbildung mit einem Stun-denumfang von 160 Unterrichtsstunden als völlig unzureichendeQualifizierungsmaßnahme erscheinen. Wenn die Tagespflege-Quali-fizierung von der Stundenzahl her nur einen Bruchteil der Erziehe-rinnenausbildung ausmacht, dann kann die Qualität dieser beidenBetreuungsformen nicht vergleichbar sein, so ließe sich vermuten.

Dabei wird vernachlässigt, daß die l60-Std.-Qualifizierung nichtbei „null" beginnt, sondern auf Vorqualifikationen aufbaut. „Eswird bei Tagespflege-Interessentinnen und Interessenten ja voraus-gesetzt, daß sie - etwa im Gegensatz zu Erzieher/innen - bereitseinschlägige Erfahrungen für ihre Tätigkeit mitbringen, nämlich imallgemeinen durch die Erziehung eigener Kinder" (Schumann1996, S. 354). Die Vorqualifikationen für die Tagepflege als famili-enorientierter Betreuungsform beziehen sich vorwiegend auf denBereich der Kindererziehung, der Haushaltsführung und Gesund-heitspflege. Die Familie stellt einen Lernort dar, an dem Kompe-tenzen lebensweltlich erworben werden können (z.B. Planung undKoordination, Fachwissen, Belastbarkeit, Zeitmanagement). DieAlltagspraxis schafft viele Möglichkeiten zur Selbstqualifizierung.

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 135

Derartige Selbstbildungsprozesse werden bislang in der Öffentlich-keit kaum als solche wahrgenommen und anerkannt. Entsprechen-de Vorqualifikationen werden häufig im Rahmen informeller Lern-prozesse erworben (vgl. Nußhart 2000).

Familienkompetenzen werden oft unter dem Blickwinkel der Eig-nung für die Tagespflege subsumiert, indem das Vorhandenseinentsprechender Kompetenzen implizit als Eignungskriterium fürdie Tagespflege-Tätigkeit verstanden wird (vgl. Lutter 1999, S.96f; tagesmütter Bundesverband 1997, S. 15f.)- Bei der Bewertungdes Stundenumfangs der Tagespflege-Qualifizierung müssen derar-tige Vorqualifikationen auf jeden Fall berücksichtigt werden. Auf-grund der Überlegungen zu Familienkompetenzen leiten sich fürdie Qualifizierung im wesentlichen folgende Funktionen ab:

- einen Reflexionsprozeß über die Familien-Tätigkeit zu initiieren,so daß sich Tagespflege-Interessentinnen über ihre eigenen Fä-higkeiten und Grenzen klar werden,

- die spezifischen zusätzlichen Anforderungen, die durch die Auf-nahme von Tageskindern entstehen, zu verdeutlichen und ent-sprechende Fähigkeiten zu vermitteln,

- eine realistische Einschätzung über die Rahmenbedingungen derTagespflege-Beschäftigung zu vermitteln.

Am Ende des Kurses sollten die Teilnehmerinnen in der Lage sein,selbständig ihr individuelles Dienstleistungsangebot in der Ta-gespflege zu formulieren.

Unter den gegebenen Rahmenbedingungen und vor dem Hin-tergrund der Forschungsergebnisse hält das Projekt-Team eineGrundqualifizierung für Tagespflegepersonen im Umfang von 160Unterrichtsstunden für angemessen und vertretbar. Auch der deut-sche tagesmütter Bundesverband sieht in seinem Curriculum einenStundenumfang von 160 Unterrichtsstunden vor (1997). Im inter-nationalen Vergleich stellen 100 bis 120 Zeitstunden einen gewis-sen Standard dar (vgl. National Childminding Association 1993),was einem vergleichbaren Stundenkontingent entspricht. Nur ausLändern, in denen das Berufsbild der Tagesmutter weiter entwik-kelt ist als in der Bundesrepublik Deutschland (z.B. Beschäftigungvon Tagesmüttern im Angestelltenverhältnis) und in denen eineVollausbildung angestrebt wird, liegen umfangreichere Konzeptevor (z.B. Lutter 1999, S. 99).

Es hat sich in der Praxis gezeigt, daß das vorrangige Bemühendarauf ausgerichtet ist, überhaupt eine fachlich angemessene Grund-

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qualifizierung für an der Tagespflege interessierte Personen sicher-zustellen. Dem Projektauftrag gemäß - Mindeststandards für dieQualifizierung in der Tagespflege zu formulieren - stellt sich daherunter Abwägung aller Projektergebnisse und oben dargestellter na-tionalet sowie internationaler Standards ein Qualifizierungskursvon 160 Unterrichtsstunden als angemessen dar. Die Entwicklungvon Qualifizierungselementen, die über eine Grundqualifizierunghinausgehen, und die Anerkennung der Tagespflegetätigkeit und-fortbildung im Rahmen weiterführender beruflicher Ausbildungs-gänge wären wünschenswert.

5.3 Aufbau und thematische Schwerpunkte

Der vorgesehene durchgängige 160-Stunden-Kurs untetteilt sich ineine Einführungsphase von 30 Stunden und eine Vertiefungsphasevon 130 Stunden. In det Einführungsphase werden bereits alleThemen einmal angesprochen, die im zweiten Durchgang aufge-griffen und vertieft werden. Diese zweiteilige Struktur fand sich inden meisten Curricula aus den Modellorten wieder und entsprichtdem Konzept spiralig verlaufender Lernprozesse: Die Teilnehme-rinnen können in einem ersten, kurzen Durchgang ihre Neugierbefriedigen und werden sensibilisiert, wie vielseitig die Anforderun-gen in der Tagespflege sind, die auf sie zukommen. Im zweitenDurchgang wird die thematische Auseinandersetzung ergänzt underweitert. Unter Umständen wetden die Teilnehmerinnen im Ver-lauf dieses Kursabschnitts durch die Aufnahme von Tageskindernauch bereits mit den Verzwicktheiten der Praxis konfrontiert (sieheAbschnitt Praxisvorbereitung und Praxisbegleitung) und könnendiesbezügliche Erfahrungen in das Kursgeschehen einbringen. Die-se Struktur hat sich eindeutig bewährt.

Um eine fach übergreifende Themenbearbeitung zu ermöglichen(vgl. Kap. 3) und um das begrenzte Stundenkontingent enger aufdie Tagespflege zu beziehen, hat das Projekt-Team auf eine Auftei-lung in herkömmliche Unterrichtsfächer verzichtet („Psychologie",„Pädagogik", „Soziologie" etc.) und statt dessen die drei Arbeitse-benen der Tagesmutter als strukturierendes Merkmal für die Curri-culumgestaltung ausgewählt:

- „Förderung von Kindern",- „Kommunikation und Koopetation mit Eltern",- „Arbeitsbedingungen der Tagesmutter".

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 137

Der Abschnitt „Förderung von Kindern" innerhalb der Vertiefungs-phase des Curriculums wurde sttukturiert anhand des im Kinder-und Jugendhilfegesetz § 22 (2) formulierten Auftrags an die Ta-gesmutter, die aufgenommenen Tageskinder durch Betreuung, Bil-dung und Erziehung zu fördern.

Der Abschnitt „Kommunikation und Kooperation" mit Elternbehandelt einerseits eine konstruktive Alltagskommunikation in derTagespflege und soll andererseits Hilfestellung geben beim Umgangmit tagespflege-typisehen Konfliktsituationen.

Im Abschnitt „Atbeitsbedingungen der Tagesmutter" werdenu.a. die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, die Not-wendigkeit zur fachliche Vernetzung und Kooperation sowie einaktiver Umgang mit der für die Tagespflege typischen isolierten Ar-beitssituation behandelt.

Bei der Evaluation det Ptogramme an den Modellorten hat sichherausgestellt, daß einer kontinuierlichen Gruppenarbeit zumindestin der Grundqualifizierung eine sehr große Bedeutung zukommt.Auf dieser Basis können sich die Teilnehmerinnen besser kennen-lernen, und es kann eine Vertrauensbasis füf intensive Reflexions-prozesse entstehen. Da der Gruppenprozeß einen entsprechendenRaum im Curriculum finden soll, wurden neun Unterrichtsstun-den für Reflexion innerhalb der Fortbildungsgtuppe vorgesehen.

5.4 Zur praxisvorbereitenden und praxisbegleitendenFunktion der Fortbildung

Die Fortbildung sollte sowohl eine praxisvorbereitende als auch ei-ne praxisbegleitende Funktion haben. Im Projekt konnte das Pro-jekt-Team beobachten, daß es diesbezüglich große regionale Unter-schiede gibt: In manchen Kursen betreuen die Teilnehmerinnen be-reits Tageskinder, während in anderen Kursen noch keine prakti-schen Erfahrungen in der Tagespflege vorliegen. Teilweise hat dieskonzeptionelle Gründe und ist vom Bildungsträger so gewollt. Teil-weise liegt es auch an der aktuellen Nachfrage nach Tagespflege, diean manchen Orten sehr hoch, an anderen eher gering ist. Dement-sprechend bekommen Tagesmütter eher schnell bzw. eher zögerlichTageskinder vermittelt.

In bezug auf die Praxisvorbereitung der Tagesmutter stellte dasProjekt-Team fest, daß der Prozeß der Auseinandersetzung mit zu-künftigen Anforderungen und der Selbstprüfung (Entscheidungs-

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138 Susanne Stemprnski

Überprüfung) in seiner Wichtigkeit häufig unterschätzt wird. Nichtimmer wird ihm zeitlich genügend Raum eingeräumt, weshalb es inder Folge eher zu Betreuungsabbrüchen kommt. Die Betreuungs-abbrüche kommen häufig durch unrealistische Erwartungen undschlechte Vorbereitung zustande und stellen eine große Belastungfür die betroffenen Kinder und die beteiligten Familien dar.

Angesichts dieser Überlegungen empfiehlt das Forscherinnen-team, innerhalb der 160 Unterrichtsstunden die ersten 30 Unter-richtsstunden der Einführung zu widmen und dort alle praxisvor-bereitenden Aspekte zu bearbeiten. Der Vertiefungsteil fordert beider Ausgestaltung der curricularen Elemente mehr Flexibilität, in-sofern als im Curriculum methodische Varianten angeboten wer-den, je nachdem ob die Teilnehmerinnen eigene Erfahrungen ausder Tagespflege einbringen können oder nicht. Falls es aus einerFortbildungsgruppe aktuelle Beispiele zum Thema gibt, so sollteauf jeden Fall im Sinne einer Praxisbegleitung darauf in der Gruppeeingegangen werden. Falls es keine aktuellen Anknüpfungspunktein der Gruppe gibt, so stehen Fallstudien zur Verfügung, die typi-sche Konfliktpotentiale in der Tagespflege verdeutlichen sollen.

Nicht zuletzt hängt die Frage nach der praxisvorbereitenden undpraxisbegleitenden Funktion der Fortbildung auch ab von den ent-sprechenden Träger- und Kooperationsstrukturen vor Ott: Existie-ren praxisbegleitende Gesprächsgruppen, in denen auftauchendePraxisprobleme und -erfahrungen besprochen werden können? Ste-hen angemessene Beratungskapazitäten zur Verfügung? Oder mußdie Fortbildungsgruppe mangels anderer Angebote ein Stück weitdiese Funktion übernehmen?

5.5 Teilnahmeverpflichtung

Da in der Grundqualifizierung ausschließlich das absolut notwendigeSpektrum an Themen behandelt wird, mit denen eine Tagespflege-person sich auseinandergesetzt haben muß, sollte im Interesse einerqualifizierten Tagespflege eine Verpflichtung zur Kursteilnahme aus-gesprochen werden. An den Modellstandorten gibt es deutliche Ten-denzen in diese Richtung. In den Interviews haben sowohl die Refe-rentinnen der Fortbildung als auch anderweitige Expertinnen derTagespflege zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Verpflichtung zurQualifizierung für notwendig halten. Auch von Seiten der befragtenTagesmütter wird diese Forderung angesprochen im Hinblick auf ei-ne Statusverbesserung der Tagespflegetätigkeit.

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 139

5.6 Empfehlungen zur Durchführung einerAbschlußprüfung

Die Auswertung der Erfahrungen an den beteiligten Modellorten(vgl. Kap. 2) hat ergeben, daß ein mündliches Kolloquium zumKursabschluß als angemessene Prüfungsform erscheint. Aus er-wachsenenpädagogischer Sicht sollte es keine Abfragesituation dar-stellen, sondern ein Fachgespräch, in dem die Absolventinnen zei-gen können, daß sie in der Lage sind, ihre Arbeit auf dem Hinter-grund der behandelten Inhalte zu reflektieren und sich fachlich an-gemessen auszudrücken (vgl. Schmidt 2000, S. 15). Als Methodewerden dafür vorgegebene Fallstudien empfohlen, weil sich daranerkennen läßt, wie differenziert und reflektiert eine Absolventin miteiner vorgegebenen Situation (im Gespräch) umgehen kann und obsie sich in die Perspektive der anderen an der Tagespflege beteilig-ten Personen hineinversetzen kann.

Bewährt hat sich die gemeinsame Vorbereitung von Teilnehme-rinnen auf das Abschlußkolloquium und ein Prüfungsgespräch inder Zweier- oder Dreiergruppe. Jedoch sollte jede Teilnehmerin ei-ne eigene Fallstudie oder zumindest eine eigene Fragestellung zu ei-ner gemeinsamen Fallstudie vorgelegt bekommen, auf die sie sichallein ca. 20 Minuten vorbereitet. Im Prüfungsgespräch stellt sie ih-re Beurteilung der Fallsituation dar und begründet ihre Hand-lungsvorschläge. Die Kursleiterin kann vertiefende Fragen dazustellen. Schließlich sollen auch die anderen Prüfungsteilnehmerin-nen in das Fachgespräch einbezogen werden. Dieser Durchgangsollte etwa 20 bis 30 Minuten dauern. Er wiederholt sich für jedeTeilnehmerin.

In bezug auf die Zusammensetzung der Prüfungskommission hatsich die Konzeption des tagesmütter Bundesverbands bewährt. Inseinem „Leitfaden zut Umsetzung des Tagespflege-Curriculums fürTagespflegepersonen — Werkstattausgabe — und der Vergabe einerGrundqualifizierungslizenz" schlägt der Bundesverband vor, dieKommission mit folgenden Personen zu besetzen:

a) der Kursleitung,b) einer Fachberaterin vor Ort (z.B. derjenigen, die für die Ver-

mittlung von Tages pflegepersonen zuständig ist),c) einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens mit Kenntnissen in

der Tagespflege (z.B. aus dem Jugendhilfeausschuß, die Vorsit-zende eines Tagesmüttervereins, eine Jugendamtsleiterin oderLeiterin eines Bildungsträgers).

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140 Susanne Stempinski

In dieser Zusammensetzung übernimmt die Kursleitung die Ge-sprächsfiihrung. Die anderen beiden Personen bringen evtl. beimFachgespräch zusätzliche Fragen ein und stellen eine Form vonÖffentlichkeit dar, vor der die Prüfungsteilnehmerinnen ihre Prü-fungsleistung erbringen.

Falls es der Betreuungsaurwand erlaubt, wäre eine schriftlichePrüfung eine sinnvolle Ergänzung. Es sollte auch hier keine bela-stende Abfragesituation entstehen. Wenn es gelingt, eine schriftli-che, nicht zu umfangreiche Hausarbeit (ca. sechs bis zehn Seiten)als produktive Herausforderung zu gestalten, bei der die Teilneh-merinnen ein nach Neigung und persönlicher Schwerpunktsetzungausgewähltes Thema selbständig bearbeiten, so führt dies, wie dieErfahrungen an verschiedenen Modellorten zeigen, häufig zu inten-siven Lern- und Wachstumsprozessen. Durch eine gründliche fach-liche Auseinandersetzung werden Teilnehmerinnen dann zu Exper-tinnen in ihrem ausgewählten Feld. Diese Form des exemplarischenLernens und Erarbeitens hat sich bewährt.

Für Teilnehmerinnen, die sich mit einer schriftlichen Arbeit sehrschwer tun, sollte ein Alternativangebot zur Verfügung stehen. Hierbietet sich an, daß die Teilnehmerin zu einem mit der Kursleitungabgesprochenen Thema eine Unterrichtsstunde gestaltet und dieEinheit anschließend schriftlich dokumentiert. Diese Formen desKursabschlusses erfordern eine sehr aufwendige und intensive Be-treuung von seiten der Referentin. Um regelmäßig einen gutenLernerfolg zu gewährleisten, ist es dringend erforderlich, daß derhohe Betreuungsaufwand, den die Referentinnen erbringen, aner-kannt und entgolten wird.

5.7 Ein spezielles Fortbildungsangebot für Personenmit pädagogischer Vorbildung?

Eine spezielle Zielgruppe der Fortbildung sind Personen mit päd-agogischer Vorbildung (in der Regel Erzieherinnen). An einem Mo-dellort werden für diese Gruppe spezielle Kurse vorgesehen, die aufeinem verkürzten Stundenkontingent basieren. In Anerkennungnachgewiesener Ausbildungsleistungen brauchen die Teilnehmerin-nen nicht das volle Fortbildungsprogramm zu durchlaufen- DieÄquivalenz dieser Ausbildungsinhalte sollte allerdings sehr sorgfäl-tig geprüft werden. Die Pädagogik in Kindereinrichtungen weistzum Beispiel durchaus andere Charakteristiken auf als die Famili-

Aufbau und ausgewählte Rahmenbedingungen eines Gesamtcurriculums 141

enpädagogik im Haushalt der Tagesmutter. Auch die Zusammen-arbeit mit den Eltern hat in der Tagespflege einen anderen Stellen-wert als in Einrichtungen. Die Arbeitsbedingungen der Tagesmut-ter bedürfen einer speziellen Aufmerksamkeit. Damit ergeben sichin den zentralen Inhalten des vorgelegten Curriculums entschei-dende Abweichungen zu herkömmlichen pädagogischen Ausbil-dungen. Da in der Tagespflege-Fortbildung keine Unterrichtsfä-cher, sondern Tagespflegesituationen behandelt werden, die vonTagesmüttern zu bewältigen sind, empfiehlt das Projekt-Team aufBasis der Untersuchungsergebnisse (vgl. auch Kapitel 2.4), auchPersonen mit pädagogischer Vorbildung in das ausführliche Fort-bildungsprogramm einzubeziehen.

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Marianne Schumann

6 Exemplarisch ausgearbeitete curriculareElemente

Zu den Hauptanliegen bei der Erstellung der curricularen Elementegehört es, den im Projektverlauf definierten Qualitätsmerkmalen(vgl. Kapitel 3) weitmöglich gerecht zu werden. Dabei könnenschriftliche Ausarbeitungen selbstverständlich nur einen Teil der füreine gelingende Fortbildung erforderlichen Schritte abdecken. Wie-weit es gelingt, die schriftlichen Anregungen im Rahmen didaktischlebendiger und inhaltlich ergiebiger Kurse für Tagespflegepersonentatsächlich zu nutzen, hängt von vielen Faktoren der jeweiligen Fort-bildungspraxis ab.

Im folgenden soll erläutert werden, nach welchen Prinzipien diecurricularen Elemente aufgebaut sind und welche Resonanz dieAusarbeitungen des DJI-Teams bei den Kooperationspartnerinnenan den Modellorten gefunden haben. Es wird außerdem dargestellt,wie ein Leitfaden, der dem komplettierten Curriculum beigefügtwerden soll, angedacht ist. Abschließend wird am Beispiel einesThemas ein Eindruck von der Gestaltung des DJI-Curriculums ver-mittelt.

6.1 Aufbau und Struktur der curricularen Elemente

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Modellpro-jekt legen nahe, eine sehr genaue Ausarbeitung der curricularenElemente vorzunehmen. Eine detaillierte inhaltliche und methodi-sche Ausführung des Curriculums — im Unterschied z.B. zu einemeher rudimentären Rahmenplan - erscheint insbesondere notwen-dig, um den Bezug der Fortbildung zur Praxis der Tagespflege si-cherzustellen. In der Untersuchung wurde festgestellt, daß vieleReferentinnen keinerlei praktischen Berührungspunkt mit der Ta-gespflege hatten. Durch eine genaue Ausarbeitung erhält auch einein Tagespflege wenig erfahrene Referentin einen Überblick über die

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144 Marianne Schumann

zentralen Themen der Tagespflege und kann sich an die didakti-schen Vorschläge anlehnen.

Mit Hilfe der ausführlichen Materialien soll außerdem das Zielerreicht werden, den neuesten Stand der fachwissenschaftlichen Er-kenntnisse und Diskussionen (vgl. Kapitel 3.3) der Praxis zugäng-lich zu machen. Aus den Interviews ist bekannt, daß es den Refe-rentinnen vielfach nicht möglich ist, mit nur einigermaßen ange-messenem Zeitaufwand an die erforderlichen Fachinformationenheranzukommen und sie in ihre pädagogische Arbeit einzubinden.Dabei fällt auch ins Gewicht, daß in der Tagespflege eine Vielzahlan Fachgebieten und Forschungsfragen relevant ist. Forschungser-gebnissen der Erwachsenenpädagogik, wonach Teilnehmerinneneine sachlich engagierte und fachlich kompetente Vermittlung ak-tueller wissenschaftlicher Erkenntnisse besonders schätzen (vgl. Ka-pitel 3.1), kann daher häufig nicht im wünschenswerten Umfangnachgekommen werden.

Schließlich wird mit der Ausarbeitung detaillierter Fortbildungs-materialien angestrebt, Referentinnen und Kursleiterinnen in derFortbildung von Tagespflegepersonen eine gemeinsame fachlicheBasis zu bieten. Es wäre unter diesem Gesichtspunkt begrüßens-wert, wenn die aus der Projektarbeit hervorgegangenen curricularenEmpfehlungen in Zukunft Gegenstand lebhafter fachlicher Diskus-sionen würden.

Im Zeitraum der Hauptphase des Projekts konnten 50 Unter-richtsstunden exemplarisch ausgearbeitet werden. In der Verlange-rungsphase bis Ende 2001 wird das Curriculum auf 160 Unter-richtsstunden komplettiert werden.

Ein curriculares Element beschreibt immer eine Fortbildungsver-anstaltung. Es kann sich dabei um eine Abend- oder Tagesveran-staltung handeln (in der Regel drei bis sechs Unterrichtsstunden).

Im einzelnen setzt sich ein curriculares Element aus folgendenBestandteilen zusammen (s. auch Fallbeispiel in Abschnitt 6.4):

a) Empfehlungen für den formalen und zeitlichen Ablauf einer Veran-staltung (Leitfaden für die Referentin/den Referenten): Der Leit-faden bildet ein Kernstück eines jeden curricularen Elements.Aus ihm werden Ziele und einzelne Arbeitsschritte ersichtlich. Eswird exemplarisch der Ablauf des Kursabends oder Tages ge-schildert. Die Referentin erhält auch einen Überblick darüber,welche Arbeitsvorbereitungen zur Dutchführung des Abends nö-tig sind. Es wird der zeitliche, methodische und inhaltliche Ab-

Exemplarisch ausgearbeitete currkulare Elemente

lauf geschildert, als Beispiel, wie dieses Thema erarbeitet werdenkönnte. Bei manchen Themen werden alternative inhaltlicheVorschläge gemacht, die je nach Gruppenkonstellation und -in-teressen aufgegriffen werden können (s. das Beispiel im Ab-schnitt 6.4). Zur Orientierung werden im Ablauf auch Feinzieleangegeben: Was soll das Ziel der einzelnen Aufgabenstellungsein? Dieser Leitfaden hat meist einen Umfang von zwei bissechs Seiten.

b) Inhaltliche Ausarbeitungen zum Thema für die Referentini den Re-ferenten: Es handelt sich dabei um Zusammenfassungen des wis-senschaftlichen Kenntnisstandes zu einem Thema als Hinter-grundinformationen für die Referentin/Kursleiterin und umLeitfragen für Diskussionen (manchmal kombiniert mit der Dar-stellung möglicher inhaltlicher Schwerpunkte im Verlauf).

c) Arbeitsblätter zur Erarbeitung des Themas (meist in Kleingruppenvon 2-4 Personen), anhand derer z.B. tagespflegetypische Fallbei-spiele zu bearbeiten sind.

d) Übungen: z.B. Fertigkeits-, Kommunikations-, Beobachtungs-und Einfühlungsaufgaben, Rollenspiele, die sich an dem jeweilszu bearbeitenden Thema orientieren.

e) Methodische Lockerungselemente: z.B. Konzentrations-, Bewe-gungs- und Entspannungsübungen, Lied und Tanz sowie spiele-rische Elemente, die der „Auffrischung" der Teilnehmerinnen imKurs zugute kommen und teilweise auch in den Tagespflege-All-tag zu übertragen sind.

f) Handreichungen für Tagesmütter: Informationen, Zusammenfas-sungen, „Botschaften" zum Thema, Checklisten oder Fragebö-gen, die sie für die Nachbereitung mit nach Hause nehmen kön-nen.

g) Vertiefungsaufgaben für Zuhause: z.B. Arbeitsblätter, Beobach-tungsaufgaben, Übungen, Unterlagen für kollegiale Supervision.Damit werden die im Kurs erarbeiteten Inhalte auf den Alltag inder Tagespflege bezogen. Die Ergebnisse werden in die Grupperückgemeldet.

h) Literaturempfehlungen: jeweils für die Teilnehmer! n/Tages mutterund für den/die Referentln/Kursleiterln.

Die curricularen Empfehlungen sollen als Materialiensammlungverstanden werden, als Handreichung für die Referentinnen. Siesollen unseres Erachtens im Lose-Blatt-System zur Verfügung ste-hen, was den Vorteil hat, daß die Blätter herausnehmbar und leicht

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zu kopieren sind. Außerdem lassen sich die curricularen Elementedadurch individuell ergänzen und kombinieren. Zur Orientierung,an welchen Stellen des gesamten Curriculums bestimmte Themen -unter verschiedenen Gesichtspunkten - behandelt werden, ist einSachregister vorgesehen.

6.2 Evaluation der curricularen Elemente

Um zu erfahren, wie die Referentinnen aus den Modellorten dieAusarbeitungen der curricularen Elemente beurteilten, wurden 27Mappen mit je 9 curricularen Elementen (über 150 Seiten Text)verschickt. Im Rahmen von Gruppen-Interviews vor Ort wurde umRückmeldung gebeten.

Durchgängig wurden in den Rückmeldungen die curricularenElemente als große Arbeitserleichterung und Hilfestellung für dieFortbildungsarbeit gesehen. Das Vorhaben, das Curriculum imRahmen der Projektverlängerung zu komplettieren, stieß entspre-chend auf ausgesprochene Zustimmung. Nahezu einhellig positivherausgehoben wurden:

- die Fülle des Materials,- die vielen Hintergrundinformationen für die Referentinnen und

die Teilnehmerinnen,- die detaillierte didaktische Ausarbeitung, die doch Spielräume

und Flexibilität für die konkrete Ausgestaltung läßt,- die Handreichungen für die Teilnehmerinnen zum Mit-nach-

Hause-Nehmen,- der aktuelle wissenschaftliche Stand,- die Literaturempfehlungen jeweils für die Referentinnen und die

Teilnehmerinnen,- der enge Praxisbezug zur Tagespflege,- der fachübergreifende Ansatz,- der sprachliche Ausdruck, d.h. die gute Verständlichkeit,- die vielen Karikaturen, praktischen Übungen und konkreten Bei-

spiele.

In den Fachmeinungen spiegelten sich jedoch auch Kontroversenwider, wie an folgenden Beispielen zu sehen ist:

- Zum Niveau der Ausarbeitungen: Einerseits wurden mehr fach-wissenschaftliche Detailinformationen gewünscht, etwa auf demGebiet der Entwicklungspsychologie. Andere Referentinnen be-

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 147

tonten, daß das angebotene Niveau der curricularen Elementestellenweise zu hoch sei und nicht die Realität der Teilnehme-rinnen träfe. Zudem gäbe es eher zu viel Theorie in den Ausar-beitungen.

- Zur altersspezifischen Bearbeitung der Inhalte: Einerseits wurdebezogen auf die Altersgruppe der 0-3 jährigen um noch diffe-renziertere Informationen und Themenbearbeitungen gebeten.Andererseits wurde dem DJI-Team die Aufforderung entgegen-gebracht, in möglichst vielen Kapiteln jeweils auf Kinder imSchulalter einzugehen, da sie ebenfalls in Tagespflege betreutund gefördert werden.

Es gab außerdem eine Fülle von allgemeinen Anregungen, so z.B.:

- der Wunsch nach einem zusätzlichen Referentinnen-Leitfadenmit allgemeinen Hinweisen (z.B. zum Umgang mit den Infor-mationen — sie sollen im allgemeinen nicht einfach als „Referate"vorgetragen werden),

- Aufforderungen zum Einsatz von mehr Filmmaterial,- Vorschläge für mehr intensive Ganztags Veranstaltungen.

Schließlich erfolgten viele inhaltliche und methodische Empfehlun-gen oder Ergänzungen zu einzelnen curricularen Einheiten, auf diehier nicht näher eingegangen werden kann.

In den weiteren Ausarbeitungen werden die diversen Anregun-gen überprüft und gegebenenfalls bei den Überarbeitungen der be-treffenden curricularen Elemente berücksichtigt werden.

6.3 Leitfaden zur Umsetzung des Curriculums

Es war von Anfang an vorgesehen - und wurde in den Feedback-Runden zum Curriculum auch gefordert (s.o.) -, dem Curriculumeinen Leitfaden voranzustellen, der einen Bezug zu den Ergebnissendes Projekts herstellt und Hinweise enthält, was für die Referen-tin/den Referenten bei der Umsetzung des Curriculums beachtens-wert ist. Im Zentrum dieses Leitfadens werden folgende Gesichts-punkte stehen:

- Qualitätsmerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege(vgl. Kapitel 3),

- Begründung des Themenaufbaus (vgl. Kapitel 5),- Begründung des Aufbaus der einzelnen curricularen Elemente (s.o.),- wichtige Rahmenbedingungen der Fortbildung (vgl. Kapitel 5).

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148 Marianne Schumann [Durch diese inhaltliche Anbindung wird deutlich herausgestellt,daß das Curriculum nicht als ein isoliertes Produkt betrachtet wer-den darf, sondern im Kontext und als Ergebnis eines komplexenForschungsprozesses gesehen werden muß. Dies kann auch Be-fürchtungen entgegenwirken, die uns von einigen Seiten — u.a. ausdem Projektbeirat — entgegengebracht wurden:

— Wie kann verhindert werden, daß das Curriculum als „Rezept-buch" angesehen wird, das auch von wenig qualifiziertem Lehr-personal „abgearbeitet" werden kann?

- Wie kann verhindert werden, daß die Arbeitsbedingungen vonReferentinnen sich eher noch verschlechtern mit dem Argument:„Nun ist ja das Curriculum da - die meiste Arbeit ist getan?"

Das dem Curriculum zugrundeliegende pädagogische Konzept ei-ner lebendigen, Erfahrungs- und Teilnehmerlnnen-orientierten Er-wachsenenbildung macht eine „Eins-zu-Eins"-Umsetzung des Cur-riculums unmöglich. Vielmehr sind die curricularen Anregungenflexibel und sensibel auf die jeweilige Gruppe zu beziehen. Zusätzli-che, ergänzende bzw. alternative eigene Beiträge und Interpretatio-nen der Referentin/des Referenten sind — abhängig vom Gruppen-verlauf - unerläßlich. Dies aber kann in überzeugender Qualitätnur durch eine pädagogische Fachkraft geschehen.

Die im Curriculum vorgesehenen partizipatorischen Elemente -Übungen, Rollenspiele etc. — können ebenfalls nur durch qualifi-zierte Kursleiterinnen/Referentinnen in die Fortbildung einge-bracht werden. Voraussetzung ist eine spezielle Fortbildung in die-sen Methoden und die eigenen Erfahrung damit. Fachlichkeit be-deutet auch, ein Gespür für die eigenen Stärken und Schwächen zuhaben und nur jene Methoden — Rollenspiel, Körperübungen etc. —einzusetzen, die zu dem eigenen „Stil" passen. Die Bereitschaft, daseigene Repertoire durch Fortbildung ständig zu erweitern, istebenfalls ein Merkmal pädagogischer Kompetenz und professio-nellen Engagements.

Träger der Erwachsenenbildung bieten dann die erforderlicheVoraussetzungen (im Sinne von „Strukturqualität"), wenn sie diepädagogischen Fachkräfte nicht im „Tagelöhner-Status", sondernmit angemessenen Arbeitsbedingungen und einem längerfristigenVertrag beschäftigen. Regelmäßige bezahlte Supervision und Fort-bildung sind unerläßlich für die fachliche Weiterqualifizierung.„Team-Teaching" muß finanziert werden — insbesondere für dieBearbeitung sehr persönlichkeitsnaher und problembeladener The-

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 149

men -, damit sich die Referentinnen gegenseitig fachlich unterstüt-zen können.

Auf die weiterhin an uns herangetragene Frage: „Wie könnenTräger motiviert werden, die erforderlichen Rahmenbedingungenfür die Umsetzung eines fachlich qualifizierten Curriculums zuschaffen?" können wir nur mit dem Zitat einer Referentin aus ei-nem Modellort antworten:

„Tagesmütter fortzubilden - das ist unwahrscheinlich wichtig. Die Frauen sindmit solchem Eifer dabei. Sie brauchen den Austausch in der Gruppe und dasgemeinsame Nachdenken. Was ich ihnen mitgeben kann, zum Thema Erzie-hung zum Beispiel, das kommt ihren eigenen Kindern zugute und den Tages-kindern. Und wenn sie durch den Kurs besser mit den Eltern zurechtkommenund sicherer werden - dann ist das soviel wert. ... Da lohnt sich der ganze Ein-satz!"

6.4 Beispiel: Tageskinder - eigene Kinder. Wie kommeich damit zurecht?

Auf den nachfolgenden Seiten ist ein curriculares Element abge-druckt, das einen ersten Eindruck über die Gestaltung des Ge-samtcurriculums vermittelt. Der Ausschnitt mit dem Titel „Tages-kinder - eigene Kinder. Wie komme ich damit zurecht?" beschreibteine Abendveranstaltung zum übergeordneten Thema „Förderungvon Kindern" (vgl. Kapitel 5.1, Themenspektrum). Bei der Ausar-beitung wird von einem gewissen Vertrautheitsgrad in der Gruppesowie der Einführung und Einübung wichtiger Kommunikations-regeln in den bisherigen Veranstaltungen ausgegangen.

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6.4.1 Leitfaden für Referentinnen

Tageskinder -eigene Kinder

Was soll mit der Bearbeitung desThemas erreicht werden?

- Erfahrungen mit dieser Schlüs-selsituation der Tagespflegeaustauschen und reflektieren

- Verständnis für die eigenenKinder/ die Tageskinder ent-wickeln

- erfahren, wie mit Konfliktenzwischen eigenen Kindern undTageskindern konstruktiv um-,gegangen werden kann

- Unterschiede hinsichtlich der >;emotionalen Betroffenheit als„Tagesmutter" und „Mutter"wahrnehmen und akzeptieren

- Möglichkeiten erkennen, imeigenen Alltag die Rollen „Ta-gesmutter" und „Mutter" posi-tiv zu verbinden

Material und Vorbereifung

Leitfaden für ReferentinnenModerationskarten, Pinwändeund AnsteckerHandreichung für Tagesmüt-ter; Literaturhinweise (kopiertfür alle Teilnehmerinnen)Aussagen von Tagesmütternüber ihre emotionale Bezie-hung zum Tageskind (kopiert

. und ausgeschnitten)Einschätzbogen: Tagespflegeund das Wohlergehen meineseigenen Kindes (kopiert für alleTeilnehmerinnen entsprechendder Anzahl ihrer eigenen Kin-der)

Empfehlungen für den Ablauf

{Zeitbedarf: ca. 3 Zeiteinheiten ä 45 Minuten und zusätzlich 15Minuten Pause)

— Begrüßung und Organisatorisches(5-10 Minuten)Kurze Vorstellung des zeitlichen, inhaltlichen und methodischenAblaufs; Teilnehmerinnenliste verteilen u.a.

- Gesprächsrunde: praxisbegleitender Einstieg (10-20 Minuten)Wie war der Tag?Was gibt es Neues in Bezug auf den Tages pflegeall tag?Hat sich seit dem letzten Mal eine Neuerung ergeben?Sind vom letzten Abend noch Fragen hängengeblieben?

L

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 151

Das Ziel dieses praxisbegleitenden Austauschs besteht darin, aktu-elle Fragen und Praxisprobleme der Teilnehmerinnen zu bespre-chen und gegenseitiges Lernen zu ermöglichen. Außerdem wird

, der Anschluß an das letzte Zusammentreffen hergestellt Wichtig Ii Ist, daß möglichst jede Teilnehmerin etwas sagt, aber die Regel \! eingeführt ist, daß es sich nur um relativ kurze Beiträge handelt

Thema: Ich betreue eigene Kinder und Tageskinder — was gefälltmir, was finde ich schwierig? (ca. 40 Minuten)Die Teilnehmerinnen werden gebeten, sich in Gruppen aufzutei-len. Bei der Zusammensetzung soll darauf geachtet werden, daßdie eigenen Kinder ein ungefähr ähnliches Alter haben — alsoKleinkinder, Kindergartenkinder, Grundschulkinder, Kinder inweiterführenden Schulen. Wenn die Teilnehmerinnen mehrere ei-gene Kinder haben, so sollten sie sich danach richten, mit welchemKind es eventuell Probleme gibt, über die sie sprechen möchten.Die Gruppen sollten höchstens aus vier Personen bestehen, ggf.zwei Parallelgruppen bilden (falls es z.B. mehr als vier Teilnehme-rinnen mit eigenen Kleinkindern gibt). Falls einzelne Teilnehme-rinnen noch kein Tageskind aufgenommen haben, so sollten sieihre Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen formulieren.

Jede Teilnehmerin soll 10 Minuten lang für sich über ihreSituation nachdenken und schriftlich auf Kärtchen festhalten,welche guten und welche eher schwierigen Erfahrungen sie ge-macht hat. Jede Gruppe hat eine Pinwand - oder eine andereFläche, an die Kärtchen geklebt werden können. Die Teilnehme-rinnen stellen nacheinander den anderen ihre Karten vor undheften sie an, möglichst nach Themenschwerpunkten geordnet(15 Minuten). Jede Gruppe benennt eine Moderatorin, die aufdie Einhaltung der Zeit achtet.

Anschließend berichten sich die Gruppen im Plenum gegen-seitig zusammengefaßt ihre Ergebnisse. Der/die Referentin mo-deriert und versucht, auf Flipchart übergeordnete Gesichtspunk-te und Themen herauszuarbeiten, die bei allen Gruppen eineRolle spielen.r "*"* " ' " " """'" — , . . ..-.«..,*.. ™..,}

Das Ziel dieses Einstiegs ist es, die aktuellen Probleme und The-men der Teilnehmerinnen kennenzulernen. Bereits praktizieren-

! de Tagesmütter stellen fest, daß nicht nur sie Schwierigkeiten: damit haben, Tageskinder und eigene Kinder gemeinsam zu be~

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152 Marianne Schumann

treuen und zu erziehen. Sie erkennen, daß es unterschiedliche

Erfahrungen und Sichtweisen gibt. Vielleicht erhalten sie bei

diesem Austausch bereits konkrete Anregungen. Teilnehmerinnen,

die noch kein Tageskind betreuen, erhalten einen Einblick in die

Praxis der Tagespflege.

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 153

- Pause (ca. 15 Minuten)

- „Wenn Du glücklich bist, dann klatsche in die Hand"(ca. 10 Minuten)

Zum erneuten Einstieg in die Gruppenarbeit und zur Auflocke-rung könnte nach der Pause das Lied „Wenn Du glücklich bist,dann klatsche in die Hand" gesungen werden. Die Gruppe bildetdafür einen Kreis. Die Strophen werden im Kreis stehend gesun-gen, beim Refrain fassen sich die Teilnehmerinnen bei denHänden und gehen im Rhythmus des Liedes im Kreis herum.Die jeweiligen Laute „klatsch, klatsch, seufz, seufz" etc. werdendann wieder im Stehen vollführt (s. S. 153/154).

Das Lied eignet sich gut für die Tagespflege, da es auch mit

nen Kindern und in einer kleinen Gruppe gesungen werden

kann. Der Inhalt des Liedes paßt zu der „Botschaft" dieses Abends,

daß die Gefühle aller Beteiligten in der Tagespflege ernst genom-

men werden sollten.

Unter Bezug auf die Themen, die vor der Pause in der Gruppegenannt wurden und die für die Teilnehmerinnen besondersaktuell sind, können im 2. Teil des Abends unterschiedliche Schwer-punkte gesetzt werden. Im folgenden werden einige Möglichkei-ten genannt, die alternativ eingesetzt werden können.

1. Möglichkeit: Konflikte zwischen dem eigenen Kind und demTageskind - und meine Gefühle dabei (Rollenspiel, ca. 35 Mi-nuten)Die Gruppe sucht ein Beispiel aus, das möglichst viele Teilneh-merinnen in dieser oder ähnlicher Form kennen. Je nach Ver-trautheit der Gruppe mit Rollenspielen wird entweder ein ganzerAblauf — improvisiert — gespielt oder die Gruppe arbeitet dieAusgangssituation und einige typische Interaktionssequenzenheraus, die dann in genau dieser Form — eventuell weitgehendnonverbal (s. Beispiel unten) - dargeboten werden.

Beispiel:Vorgeschichte: Tageskind Lisa (2 Jahre, 3 Monate) und eigenes Kind Nora(2 Jahre, 7 Monate) sind seit anderthalb Jahren „Tagesgeschwister" undkamen immer gut miteinander aus. Seit Nora vor drei Monaten einen Bru-der bekommen hat, ist die Harmonie zwischen den Mädchen allerdings ausdem Gleichgewicht gekommen. Nora reagiert häufig äußerst aggressiv aufLisa, so z.B., wenn sie mit Noras Puppe spielen will.

Situation: Lisa will sich bei „Nate", Noras Mutter Renate Siebel, Hilfe ho-len beim Schuhanziehen. Nora, die gerade dabei ist, die Schuhe selbst anzu-ziehen (das kann sie seit kurzem und ist darauf sehr stolz), sieht das und stürztsich schreiend auf Lisa. Mit einem heftigen „Nein" schubst sie sie weg und ku-schelt sich selbst bei der Mutter an. Lisa schaut Nora entgeistert an, dann dieTagesmutter, Ratlosigkeit und aufkommender Zorn stehen in ihrem Gesicht.Etwas ängstlich geht sie wieder auf die Tagesmutter zu, von der Seite, auf derNora nicht steht. Bestimmt ergreift sie Frau Siebeis Hand: „Nate Lisa helfen!"sagt sie. Frau Siebel spürt, wie Nora an ihrer anderen Seite zittert vor Wut

Bevor diese Sequenz von drei Teilnehmerinnen gespielt wird, vereinba-ren die übrigen Gruppenmitglieder, mit welcher der drei Personen — Nora ,Lisa, Frau Siebel - sie sich identifizieren wollen. Jede Person sollte auf dieseWeise möglichst mehrere .Anwältinnen" haben. Nachdem die Sequenzdargestellt wurde, fragt die Referentin die drei Darstellerinnen: „Wie ging esIhnen in dieser Rolle?" Anschließend schildern die anderen Gruppenmit-glieder ihre Gefühle. Gemeinsam überlegt die Gruppe, was Frau Siebel indieser Situation tun könnte. Ziel sollte es dabei sein, den Konflikt so zu lö-sen, daß es keine Sieger und Verlierer gibt (s. niederlagenlose Lösung vonKonflikten nach Thomas Gordon's „Familienkonferenz"), sondern alleBeteiligten in ihren Gefühlen und Bedürfnissen respektiert werden.

Die gefundenen Lösungen werden erneut gespielt, d.h. die obige Sequenzwird - vielleicht in mehreren Varianten - fortgesetzt. Die Referentin solltedarauf achten, daß jene Lösungen gespielt werden, bei denen alle Beteiligtenein gutes Gefühl haben. Indem die Kinder in das „Brainstorming" um die Lö-sung einbezogen werden (Mutter/Tagesmutter, das eigene Kind streichelnd,das andere an der Hand: „Oh, das ist schwierig - was können wir jetzt ma-chen, Nora und Lisa?"), kommt es wahrscheinlich zu unerwarteten Vorschlä-gen. (Falls den Erwachsenen die Phantasie ausgeht, sollten sie an ähnliche Si-tuationen denken, die sie schon erlebt haben.) So könnte zum Beispiel die Lö-sung sein, daß Nora - eng an die Mutter geschmiegt - Lisa die Schuhe anziehtund diese damit unter der Bedingung einverstanden ist, daß die Tagesmutterihr dabei weiterhin die Hand hält. Die große Nahe, die für alle in dieser Si-tuation entsteht, trägt mit zur Entspannung der aufgewühlten Gefühle bei.Wichtig, dies ist eine Lösung, die sich aufgrund des Handelns der Kinder erge-ben könnte. Vieles andere wäre denkbar, es hängt von den Kindern ab, was ih-rer situativen Befindlichkeit am ehesten entspricht.

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Wenn du glücklich bist

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Wenn du glück - lieh bist, dann klat - sehe in die Hand, (klatsch, klatsch) Wenn du

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0- 0 iglück-lieh bist, dann klat-sehe in die Hand. (klatsch,klatsch) Zeig mir, wenn du bei mir bist, wie dir

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so z u - m u t - t e ist. Wenn du glück- lieh bist, dann klat-sehe in die Hand. (Idatsch, klatsch)

2. Wenn du wütend bist, dann stampfe mit dem Fuß. (stampf, stampf)Wenn du wütend bist, dann stampfe mit dem Fuß. (stampf, stampf)Zeig mir, wenn du bei mir bist, wie dir so zumute ist.Wenn du wütend bist, dann stampfe mit dem Fuß. (stampf, stampf)

3. Wenn du traurig bist, dann seufze doch einmalt (seufz, seufz)Wenn du traurig bist, dann seufze doch einmal! (seufz, seufz)Zeig mir, wenn du bei mir bist, wie dir so zumute ist.Wenn du traurig bist, dann seufze doch einmal! (seufz, seufz)

4. Und wenn du mich gern hast, gib mir einen Kuß. (schmatz, schmatz)Und wenn du mich gern hast, gib mir einen Kuß. (schmatz, schmatz)Zeig mir, wenn du bei mir bist, wie dir so zumute ist.Und wenn du mich gern hast, gib mir einen Kuß. (schmatz, schmatz)

5. Wenn du bei mir bist, dann zeig mir, wie's dir geht, (klatsch, stampf, seufz, schmatz)Wenn du bei mir bist, dann zeig mir, wie's dir geht, (klatsch, stampf, seufz, schmatz)Zeig mir, wenn du bei mir bist, wie dir so zumute ist.Wenn du bei mir bist, dann zeig mir, wie's dir geht, (klatsch, stampf, seufz, schmatz)

Schwedisches Kinderlied, entnommen der CD"Gerhard Schöne singt Kinderlieder aus aller Welt",Hamburg: Polydor GmbH, CD Nr. 527288-2

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j Das Rollenspiel kann dabei helfen, sich in die emotionale Lage derbeteiligten Personen einzufühlen. Tagesmütter können z.B. erken-nen, daß sie die Eifersucht der eigenen Kinder auf das Tageskind,seine Verlustängste manchmal übersehen. Sie erwarten in gewisserWeise von dem Kind, daß es sie bei dem Gelingen der Tagespflege„unterstützt" und überfordern es dabei. Ebenso kann Tagesmütternbewußt werden, wie sehr sie selbst in dem Zwiespalt stehen, demTageskind gerecht werden zu wollen und gleichzeitig die besondereBeziehung zum eigenen Kind nicht zu verleugnen. Durch ein Hin-einfühlen in das Tageskind kann deutlich werden, daß es von derTagesmutter Wohlwollen und Eairness braucht, die „spezielle Lie-be " aber eher bei seinen eigenen Eltern sucht.

Im Anschluß an das Rollenspiel Anregung für den Tagespflege-Alltag: Konflikte zwischen eigenem und Tageskind beobachten -welche Lösungen finden die Kinder? Wie kann ich eine kon-struktive Lösung unterstützen? (Erläuterung: 5 Minuten)

Den Teilnehmerinnen vorschlagen, sich schriftliche Notizenüber ihre Beobachtungen zu machen. Sehr günstig wäre es auch,sich zwischendurch in Zweierteams zu treffen und die Beobach-tungen auszutauschen. Allerdings unbedingt darauf achten, daßnicht im Beisein der Kinder über sie gesprochen wird.

Dies verfolgt das Ziel, die Erkenntnisse des Abends auf den Alltagzu übertragen und zu vertiefen. Indem die Teilnehmerin eine be-obachtende Haltung gegenüber Konflikten einnimmt, hilft sie denKindern, eigene Lösungen zu finden. In dieser Veranstaltung wirddavon ausgegangen, daß sich die Teilnehmerinnen schon intensivmit dem „ Werkzeug" des bewußten Beobachtern auseinandergesetzt

\ haben (s. Themenspektrum „Förderung von Kindern: Kinder beob- \I achten und wahrnehmen") und daran anknüpfen können. , •

2. Möglichkeit: Läßt sich meine Tagespflege - Tätigkeit und dasWohlergehen meines Kindes/meiner Kinder miteinander verein-baren? (ca. 40 Minuten)An die Teilnehmerinnen wird der Einschätzbogen (s. 6.4.3) ver-teilt, den sie — jede für sich - ausfüllen, und zwar für jedes eigeneKmd einen Bogen. In der Gruppe werden die Ergebnisse ausge-tauscht.

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 157

Gesichtspunkte der Diskussion: Es könnte sich herausstellen,daß einige Teilnehmerinnen insgesamt sehr zufrieden sind mitder Situation. Für sie hat sich die Erwartung erfüllt, die Förde-rung der Entwicklung ihrer eigenen Kinder mit der Aufnahmeeines oder mehrerer Tageskindes/er gut verbinden zu können.Andere Tagesmütter fühlen sich ausgelaugt und sind enttäuschtdarüber, wieviel Zeit und Kraft die Tagesmutter-Tätigkeit ihnen„raubt". Sie leiden darunter, sich dem eigenen Kind/ den eigenenKindern nicht mehr so widmen zu können wie vorher.

Was ist zu tun? Zum einen müßte — u.a. anhand der Antwor-ten auf die Fragen — überprüft werden, ob es Anzeichen dafürgibt, daß die Kinder selbst ebenfalls empfinden, zu kurz zu kom-men, oder ob es vor allem ein besonders großes Bedürfnis derTagesmutter ist, sich den Kindern mehr zu widmen. Es könntegefragt werden, welchen Hintergrund dieses Bedürfnis hat: Eherdie Verantwortung für das Kind („Ich bin verpflichtet, seineEntwicklung aktiver zu fördern — es liegt an mir, ob aus demKind etwas wird."), e n e r die eigene Freude an der engen Bezie-hung zum Kind, an der gemeinsam und in Ruhe verbrachtenZeit („Es ist ein einmaliges Erlebnis, mein Kind heranwachsenzu sehen. Ich habe mir dieses Kind gewünscht und den Beruf —zeitweise — aufgegeben deswegen. Nun will ich die Zeit mehr ge-nießen.") oder vielleicht eine Mischung von beidem.

Wenn die Kindet selbst nachhaltig nicht zufrieden sind mitdem Tagespflege-Arrangement und/oder wenn sich die Tagesmut-ter chronisch überlastet fühlt, so sollte dies sehr ernst genommenwerden. Es muß gefragt werden, ob die Tagesmutter sich vielleichtüberreden ließ, das Tageskind/ein weiteres Tageskind zu nehmenoder ob sie nicht sorgfältig genug abgewogen hat, wieweit derMehrverdienst die mit der Tagespflege einhergehenden Einschrän-kungen aufwiegt. Vielleicht gibt es auch neue unvorhersehbare Be-lastungen in der Familie? Falls sich hier gravierende Probleme auf-tun, sollte auf jeden Fall eine Einzelberatung empfohlen werden.

In der Gruppe sollten Möglichkeiten erörtert werden, sich imTagespflege-Alltag zu entlasten. Es sollte auch angesprochenwerden, wie wichtig es ist, nicht „leichtfertig" zusätzliche Kindetin Tagespflege aufzunehmen. Das erreichte familiäre Gleichge-wicht gerät durch jedes neue Kind erst einmal wieder ins Wan-ken. Es muß daher jedes Mal gefragt werden: Welche Aussichtenbestehen im konkreten Fall, daß ein neues Gleichgewicht gefun-den werden kann?

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In der Fortbildung dieses Thema zu behandeln, erscheint sehr not-wendig, da die große Nachfrage nach Tagespflege viele Tagesmütterin die „ Versuchung" bringt, zu viele Kinder aufzunehmen und sich- sowie die Familie - damit zu überfordern. Gerade Frauen ge-lingt es häufig nicht, zu ihren Grenzen zu stehen, wenn sie um \Hilfe (vielleichtsogar von Freundinnen, Bekannten) „angefleht" wer- Iden - und dies erleben Tagesmütter heutzutage keineswegs selten. \

3. Möglichkeit: Meine emotionale Beziehung zum Tageskind(ca. 40 Minuten)Die Tagesmütter sitzen im Kreis. Vor ihnen liegen verdeckt Zet-tel mit acht verschiedenen Aussagen von Tagesmüttern, wie siegefühlsmäßig zu ihrem Tageskind stehen. Jede Tagesmutter ziehteinen Zettel, liest die Aussage für sich und versucht sich in diejeweilige Tagesmutter einzufühlen. Der Reihe nach werden dieStatements vorgelesen, ohne Zwischenkommentare. (Wenn esmehr als acht Teilnehmerinnen sind, so werden einige Aussagenmehrmals vorkommen. Jede Aussage sollte aber nur einmal vor-gelesen werden.)

Fragen der Referentin'. Was fällt an diesen unterschiedlichenAussagen von Tagesmüttern auf? Können Sie sich darin wieder-finden? Wenn Sie sich in die Tageskinder und deren Müt-ter/Väter hineinversetzen - wie wäre Ihnen zumute? Wie könntees Ihrem eigenen Kind gehen? Wichtig: Es handelt sich hier umein emotional sehr besetztes Thema für die Tagesmütter. Ent-sprechend notwendig ist es, daß das Gespräch sensibel moderiertwird. Jede Teilnehmerin sollte sich auf ihre eigenen Erfahrungenkonzentrieren und davon sprechen. Abwertende Kommentare zuden Aussagen der anderen Teilnehmerinnen müssen vermiedenwerden. Es geht darum, zu verstehen, wie sich die jeweiligen Be-ziehungsmuster bilden können und welche Auswirkungen sie aufdie Beteiligten haben.

: Ziel dieser Arbeitseinheit ist es, ein Bewußtsein dafür zu fördern, \daß die Tagesmutter - trotz der familiären Bezeichnung - zwar |häufig eine nahe Bezugsperson des Kindes ist, aber nicht wirklicheine Elternrolle hat. Das Kind hat seine Eltern und zu ihnen ist dieBeziehung in der Regel emotional enger als zur Tagesmutter. Au-ßerdem hat es meistens noch andere wichtige Bezugspersonen au-ßerhalb der Tagespflege (z.B. Großeltern, Geschwister). Um unbe-

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 159

lastet von Loyalitätskonflikten in der Tagespflege leben zu können,ist es für das Tageskind wichtig zu spüren, daß die Tagesmutteremotional nicht von ihm „Besitz" ergreift. Die Eltern des Tageskin-des legen großen Wert darauf, daß ihre besondere Beziehung zu ih-rem Kind von der Tagesmutter respektiert wird. Nur auf dieserBasis kann eine faire Zusammenarbeit zwischen den Erwachsenenentstehen. Tagesmütter müssen sich ferner damit auseinandersetzen,daß sie ihr Tageskind nur „auf Zeit" betreuen, daß sie auch wiederAbschied nehmen müssen. Für alle Beteiligten ist es aus diesen ver-schiedenen Gründen im allgemeinen besser, wenn die Beziehungder Tagesmutter zum Tageskind zwar eng und herzlich, aber dochnicht „ wie zum eigenen Kind" ist.

Blitzlicht oder Feedback-Übung (5-10 Minuten)Die/der Referentin stellt eine Frage (vgl. untenstehende Aus-wahl), die Teilnehmerinnen antworten kurz (1-2 Sätze) reihum.Die Antworten werden nicht kommentiert.- Wie geht es mir mit diesem Abend?- Wie fühle ich mich jetzt?- Was nehme ich mit in den Alltag?- Was fand ich gut und was fand ich nicht so gut? ( 1 bis 2 po-

sitive und negative Rückmeldungen, zuerst das Positive be-nennen).

Das Ziel der Abschlußübung besteht darin:- die Eindrücke der Teinehmerinnen zu sammeln, für weitere

Veranstaltungen verfügbar zu machen und daraus evtl. Impul-se für Änderungen zu entnehmen,

- den Teilnehmerinnen eine gewisse — subjektive — Ergebnissi-cherung zu ermöglichen, die durch das Aussprechen „Gestalt"annimmt

- einen guten emotionalen Ausklang des Gruppenerlebnisses zuschaffen.

Handreichungen und Literaturhinweise zum Thema verteilen

Verabschiedung(zusammen 5-10 Minuten)

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6.4.2 Handreichung für Tagesmütter

Tageskinder -eigene Kinder

Tageskinder-eigene Kinder:Wie komme ich damit zurecht ?

Zu den besonderen Merkmalen der Tagespflege gehört es, daß die er-wachsene Bezugsperson und Erzieherin - die Tagesmutter — ihr eige-nes Kind/eigene Kinder und ein Tageskind/Tageskinder gemeinsambetreut und erzieht. Im Kindergarten, aber auch in der Schule, ist esim allgemeinen nicht gestattet, daß die eigenen Kinder der Pädago-ginnen in der Gruppe/Klasse dabei sind. Dahinter steht wohl dieVermutung, daß es für beide Seiten — Erwachsene und Kinder — emo-tional schwierig ist, die private und die beruf! ich-öffentliche Bezie-hung zu vereinbaren. In der Tagespflege ist es demgegenüber die Ent-scheidung der Tagesmutter, die eigenen Kinder selbst zu betreuen, diedie Aufnahme von Tageskindern - in der Regel — erst möglich macht.

Wenn es zu Konflikten zwischen Kindern in der Tagespflegekommt, so ist also häufig ein eigenes Kind der Tagesmutter beteiligt.Die besondere emotionale Beziehung zum eigenen Kind läßt die Ta-gesmutter solche Konflikte meistens anders erleben als wenn sich zwei„nicht-eigene" Kinder, also z.B. zwei Tageskinder, streiten.

„Was ich als Erzieherin über Konflikte unter Kindern weiß, weiß ich zwartheoretisch auch als Mutter. Doch da reagiere ich ganz anders. Wenn ich sehe,daß mein Kind gehauen wird, möchte ich mein Kind beschützen; wenn ich se-he, daß es selbst ein anderes haut, habe ich das Gefühl, in meiner Erziehungversagt zu haben. Auf jeden Fall will ich eingreifen. Es kostet mich dann vielAnstrengung, mich auch privat professionell zu verhalten und es nicht zu tun."(Günther 1998, S. 67)

Es ist sehr wichtig, daß sich die Tagesmutter dieser „Komplikation"bewußt ist und sich darüber mit anderen Tagesmüttern - z.B. imRahmen der Fortbildung - austauscht. Es geht darum zu akzeptie-ren, daß die Gefühle für das eigene Kind besonders intensiv sind

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 161

und die Tagesmutter dazu auch stehen sollte. Dem Tageskindbringt sie Sympathie und Wohlwollen entgegen und geht auf seineBedürfnisse nach Bindung und Geborgenheit ein - dabei kommt esaber meistens nicht zu der speziellen Gefühlstiefe, wie sie die Liebevon Eltern gegenüber ihrem eigenen Kind charakterisiert.

„Allgemein gesagt: die Grundvoraussetzung für die gesunde Entwicklung jedesKindes ist das Zustandekommen einer ,emotional hoch aufgeladenen irratio-nalen Gefühlsbindung zu einem anderen Menschen'. ...Jemand muß ins Kindvernarrt sein. Das heißt nichts anderes, als daß man für dieses eine, für diesesbesondere Kind etwas zu tun bereit ist, was man für ein anderes Kind nichtohne weiteres tun würde. Genau dieses eine Kind wird man als erstes aus ei-nem brennenden Haus retten. Mit diesem Kind ist man eng verstrickt."(Bronfenbrenner 1993, S. 75)

Zwischen dem Tageskind und seinen Eltern besteht in der Regelebenfalls eine besonders intensive Gefühlsbindung. Die Eltern desTageskindes wünschen sich deshalb zwar eine familienähnliche At-mosphäre für ihr Kind in der Tagespflege und einen herzlichen,liebevollen Kontakt zwischen der Tagesmutter und ihrem Kind.Gleichzeitig ist es aber sehr wichtig für sie, in ihrer speziellen El-ternrolle respektiert zu werden. In der Beziehung der Tagesmutterzum Tageskind darf also keinesfalls etwas „Besitzergreifendes" lie-gen. Die Kooperation mit den Eltern würde dadurch sehr belastet.Das Taeeskind würde sich zwischen „seinen" Erwachsenen hin-und hergerissen fühlen - und ein unbeschwerter Alltag in der Ta-gespflege wäre kaum möglich.

Für das eigene Kind der Tagesmutter entsteht durch die Tages-pflege eine ganz besondere Situation. Es muß sein privates „Zuhause"mit „fremden" Kindern teilen, die es sich meistens nicht ausgesuchthat. Denn auch wenn die Familie gefragt wird, ob sie mit der Ta-gespflege einverstanden ist, so kann man doch nicht von einer wirkli-chen Mitbestimmung des eigenen Kindes sprechen, das vielleicht beiAufnahme des Tageskindes anderthalb Jahre alt ist. Es muß die An-wesenheit des Tageskindes „schlucken", ob es ihm gefällt oder nicht.

Zum Glück können die eigenen Kinder der Tagespflege-Situa-tion meistens eine Menge Positives abgewinnen (vgl. Tomitza2000). Das Familienleben wird durch die Tageskinder lebendiger,sie gewinnen Freunde, sie lernen eine Menge dazu. Größeren Kin-dern ist auch bewußt, daß die Familienkasse durch die Tagespflegeaufgebessert witd — davon haben vielleicht auch sie selbst etwas. Esgibt aber auch Schattenseiten, die dazu führen können, daß sich dasKind der Tagesmutter bei sich zu Hause nicht mehr zu Hause

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fühlt. Dazu kann - je nach Alter - gehören: Die Tageskindermöchten mit dem Spielzeug des Tagesmutter-Kindes spielen, seineBücher lesen, sie stören beim Hausaufgaben-Machen, sie sind laut,im Fernsehen dürfen tagsüber nur Kleinkind-geeignete Sendungeneingeschaltet werden (während die Klassenkameraden von „Raum-schiff Enterprise" schwärmen), die Mutter hat nachmittags keineZeit für Unternehmungen (Stadtgänge, an den See fahren), muß ab16.00 Uhr zu Hause sein, weil die Tageskinder abgeholt werden.

Tagesmütter können diese Spannungsfelder nicht grundlegend be-seitigen und müssen sich deshalb vor der Aufnahme von Tageskin-dern fragen, ob sie ihren Kindern die damit verbundenen Belastun-gen „zumuten" wollen. Sie können aber viel dazu tun, um Kon-fliktanlässe zu mildern und einen Ausgleich für Einschränkungen zuschaffen. Es bewährt sich, mit dem eigenen Kind/den eigenen Kin-dern darüber zu sprechen, was ihnen helfen könnte, das Beste aus derSituation zu machen. Hierbei ist es wichtig, daß die Vorschläge vonden Kindern selbst kommen. Von den Tagesmüttern aufgestellte Re-geln können nämlich manchmal haarscharf am eigentlichen Problemvorbeigehen. (Beispiel: Tagesmutter schlägt vor, daß Tageskinderimmer klopfen müssen, bevor sie ins Zimmer des Schulkindes gehen.Das eigene Kind möchte aber direkt nach der Schule einfach gänzlichseine Ruhe haben und allein Musik in seinem Zimmer hören. SeinWunsch: Es kommt von sich aus ins Wohnzimmer zu dem Tages-kind/den Tageskindern, wenn es sich erholt fühlt.)

Es gibt einige in der Tagespflege bewährte Maßnahmen, diewohl meistens helfen, Konflikte zwischen den Kindern im Vorfeldzu vermeiden oder zu mildern. So sollte es z.B. eine „neutrale"Spielkiste geben, in der von Anfang an neues, weder dem eigenenKind noch dem Tageskind gehörendes Spielzeug liegt. Das eigeneKind darf nicht gezwungen werden, sein Eigentum zur Verfügungzu stellen. Ebenso sollte vom Tageskind mitgebrachtes Spielzeug alssein eigenes respektiert werden.

Leiden die eigenen Kinder sehr darunter, ihre Mutter mit demTageskind/den Tageskindern teilen zu müssen, so kann ihnen einebewußte, exklusive Zuwendung in der Zeit, in der das Tageskindnicht in der Familie ist, Sicherheit vermitteln. Auch im Verlauf desTagespflege-Alltags ergibt sich immer wieder die Gelegenheit, demeigenen Kind zu zeigen, daß es besonders gemocht wird. Selbstver-ständlich muß dabei auf die Gefühle des Tageskindes geachtet wer-den - ein faires Verhalten in diesem nicht immer einfachen „Drei-ecksverhältnis" zeigt die Kompetenz einer Tagesmutter.

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 163

/fl*

(XttdL i(h War

Quelle-. Renate Alf: Vom Kinde verdreht. Cartoons aus dem Erzieh ungsallt;Freiburg im Breisgau: Verlag Herder, 1999 (ohne Seitenangabe)

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6.4.3 Einschätzbogen für Tagesmütter

Tageskinder -eigene Kinder

Tagespflege und das Wohlergehen meines eigenen Kindesläßt sich das miteinander vereinbaren?

1. Mein eigenes Kind kommt gut damit zurecht,daß ich einTageskind/Tageskinder betreue.

stimmt teils/teils

2. Mein Kind mag das Tageskind/die Tageskinder richtig gern. stimmt teils/teils

3. Mein eigenes Kind hat viel dadurch gelernt, daß wir dasTageskind/die Tageskinder in der Familie haben.

stimmt teils/teifs

4. Ich habe am Ende des Tagespflege-Tages genügend Energie stimmt teils/teilsübrig, um mich ausschließlich meinem Kind zuzuwenden.

5. Ich kann die Freude, ein eigenes Kind/eigene Kinder zuhaben, auch als Tagesmutter richtig genießen.

stimmt teils/teils

6. Das Wohlergehen meines Kindes wurde es wahrscheinlich stimmt teils/teilsnicht beeinträchtigen, wenn ich noch ein Tageskind aufneh-men würde.

stimmtnicht

stimmtnicht

stimmtnicht

stimmtnicht

stimmtnicht

stimmtnicht

Hinweise zur Auswertung : Wenn Sie bei den Fragen 1 -5 überwiegend „stimmt"angekreuzt haben, so läßt dies darauf schließen, daß sich Ihre Tagespflege-Tängkeit mit dem Wohlergehen Ihres eigenen Kindes gut vereinbaren läßt.Solken Sie überwiegend „stimmt nicht" angekreuzt haben, wäre es sinnvoll, zuüberlegen, wie sich die Situation verbessern läßt. Der Austausch mit Ihren Ta-gespflege-Kolleginnen und eventuell einer Beraterin kann Sie dabei unterstüt-zen. Frage 6 sollte mit „stimmt" beantwortet worden sein, bevor Sie sich fürdie Aufnahme eines weiteren Tageskindes entscheiden.

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 165

6.4.4 Referentinnen-Informationen

Tageskinder-eigene Kinder

Tageskinder und eigene Kinder gemeinsam betreuen undfördern - eine Besonderheit in der Tagespflege

In dieser Veranstaltung wird ein Thema aufgegriffen, das bereits inder Einführungsphase eine Rolle gespielt hat (vgl. z.B. Themen-spektrum „Tagespflege - die Perspektive der Kinder"). Ziel ist es,auf einige Aspekte vertieft einzugehen. Manche Teilnehmerinnenbetreuen inzwischen Tageskinder und bringen eigene Erfahrungenein. Es hängt von der Zusammensetzung und den Bedürfnissen inder Gruppe ab, worauf der Akzent gelegt werden sollte. Da dasThema „Eigene Kinder - Tageskinder" für viele Tagesmütter emo-tional stark besetzt ist, sollte auf jeden Fall ausreichend Zeit für dieBearbeitung der ausgewählten Inhalte zur Verfügung stehen. Fallsin einer Gruppe mehrere der alternativ vorgeschlagenen Unterthe-men sehr wichtig sind, so sollte das Thema bei einer anderen Fort-bildungsveranstaltung noch einmal aufgegriffen werden.

Tagesmütter sind Frauen, die - nicht immer, aber häufig - be-wußt zu Hause bleiben, um sich ihren eigenen Kindern zu widmen.Manche geben eine sehr geschätzte Berufstätigkeit deshalb, zumin-dest vorübergehend, auf. Dies erfolgt meistens in Absprache mitdem (Ehe-)Partner, dem ebenfalls daran gelegen ist, daß die Mutter„ganz für die Kinder da" ist. Das ausgeprägte Gefühl der Verant-wortung für das Wohlergehen der eigenen Kinder und ihre positiveEntwicklung kommt in dieser Entscheidung zum Ausdruck. Auchdie Aufnahme von Tageskindern erfolgt häufig unter dem Ge-sichtspunkt, etwas Gutes für das Kind zu tun: „Dann hat meinKind einen Spielgefährten, wächst nicht so alleine auf." DiesesMotiv fand sich in einer Hamburger Studie bei 60,4 % der Ta-gespflegepersonen {Krauß/Zauter 1993, S. 99). Der Zuverdienstzum Familieneinkommen wird bei dieser Hauptmotivation eher alsangenehme Begleiterscheinung betrachtet.

Tagespflege-Interessentinnen übersehen allzu leicht - oder kön-nen es sich nicht richtig vorstellen -, daß die Betreuung eines Ta-

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geskindes nicht nur Vorteile mit sich bringt, sondern mit einerMenge Arbeit und Einschränkungen für alle Familienmitgliederverbunden ist. Die manchmal heftigen Eifersuchtsreaktionen deseigenen Kindes und die vielen dramatischen Konflikte zwischenden Kindern lassen dann manche Tagesmütter zweifeln, ob sie dierichtige Entscheidung getroffen haben. Anhaltende Konflikte zwi-schen den Kindern gehören deshalb zu den häufigsten Abbruch-gründen für die Tagespflege (Krauß/Zauter 1993, S. 133f.)- Unter-schätzt wird häufig auch die Angebundenheit an den eigenenHaushalt durch die Tageskinder, der Verlust an Freiheit, die Zeitnach den eigenen Bedürfnissen einzuteilen und mit dem eigenenKind/den eigenen Kindern etwas zu unternehmen (Stich 1980, S.I12ff.).

In einer Beobachtungsstudie zeigte sich außerdem, wie sich imVerhalten der Tagesmütter gegenüber einem eigenen und einemungefähr gleichaltrigen Tageskind ihre — durchaus nicht immer be-wußte - Ambivalenz widerspiegelt, einerseits gerecht zum Tages-kind sein zu wollen und andererseits dem eigenen Kind eine spezi-elle Förderung nicht vorenthalten zu wollen (Andres 1989, S.233f). Tagesmütter müssen sich also mit der Frage auseinanderset-zen, was „Gerechtigkeit" gegenüber dem Tageskind im Alltag be-deutet. Es muß wohl davon ausgegangen werden, daß eine Tages-mutter sich umso offener und fairer einem Tageskind gegenüberverhalten kann, je weniger sie ihre spezifische Beziehung zum eige-nen Kind verleugnen muß. Das Tageskind seinerseits hat eine be-sondere emotionale Beziehung zu seinen eigenen Eltern. Gerechtig-keit bedeutet deshalb nicht, daß die Tagesmutter das Tageskind wieihr eigenes behandeln muß. Aber selbstverständlich hat das Tages-kind einen Anspruch auf eine Tagesmutter, die sich ihm einfühlsamzuwendet, die sich fair verhält - auch bei Konflikten zwischen denKindern — und die sich um seine individuelle Förderung nachKräften bemüht.

Eine besondere Herausforderung für Tagesmütter kann auchdarin bestehen, daß sie ihr eigenes Kind durch den Vergleich mitdem Tageskind in „einem anderen Licht" sehen. Vielleicht führenauch Reaktionen der Umgebung zu Gefühlen der Verunsicherungoder des Zorns. Eine Tagesmutter drückte dies z.B. so aus:

„Wenn z.B. Besuch da ist, ist das Tageskind furchtbar kontaktfreudig, fast auf-dringlich. Da kommt einer rein, da sagt S. sofort .Guten Tag'. Die Leute ha-ben dann nur Interesse an ihr. Meine Tochter sitzt da, tut nichts, machtnichts. Da denke ich meistens, das ist doch meine Tochter, redet doch mit

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 167

meiner Tochter, warum redet ihr immer mit dem Tageskind." (Erler 1996, S.284)

Es ist wichtig, daß sich Tagesmütter mit solchen Situationen undGefühlen auseinandersetzen und sich mit Kolleginnen - auch inder Fortbildung - darüber austauschen. Es sollte ihnen bewußtwerden, daß sie in der Tagespflege lediglich verschärft erleben,womit sie auch in anderen Zusammenhängen (z.B. Schule, Ver-wandtenkreis) konfrontiert sind: Das eigene Kind im Vergleich zuanderen wahrzunehmen, seine Stätken und Schwächen zu erleben,die Reaktion anderer auf das eigene Kind zu beobachten. Es gehörtwohl zu den wichtigsten Aufgaben von Eltern, bei aller Förderungund allem Bemühen zu akzeptieren, daß ihre eigenen Kinder — wiesie selbst - nicht perfekt sind!

Die größte Brisanz hat das Thema „Eigene Kinder — Tageskin-der" zweifellos für Tagesmütter, die — erstmalig - zu den eigenenkleinen Kindern Tageskinder im Kleinkindalter aufnehmen. DieSituation entspannt sich meistens, wenn die eigenen Kinder z.B. imSchulalter sind und Tageskinder im Kleinkindalter aufgenommenwerden. Auch die zunehmende Erfahrung der Tagesmütter, ihrewachsende Professionalität tragen im allgemeinen zu einem span-nungsfreieren Tagespflege-Alltag bei.

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6.4.5 Arbeitsblatt

Aussagen von Tagesmüttern über ihre emotionale Beziehungzum Tageskind

(Quelle: Erler 1996, S. 280ff.)

X

„Erst muß ich zu meiner größten Überraschung sagen, das könnten beidesmeine Kinder sein. Sicher, wenn sie abends weg sind, dann ist meineTochter mehr da, anders da, es ist ein anderes Gefühl. Aber so, was man soan einem gewissen Quantum an Liebe weggibt, das ist alles ziemlich gleich,tagsüber."

X

„Den D., genauso gerne wie mein eigenes Kind habe ich ihn gehabt, mußich schon sagen. Ich würde auch keinen Unterschied empfinden zwischenmeinen Kindern und ihm. Den beziehe ich jederzeit genauso ein oder habeihn genauso gern".

X

„Ich habe Natascha im Grunde genommen immer mehr Liebe gegeben,weil, sie hat ja ihre Mutter nie dagehabt. Von daher habe ich natürlich dasKind von Anfang an fester an mich gebunden. Es war wie mein eigenesKind, und so soll es ja wieder gar nicht sein."

X

„Ich habe ihn so wie meine eigenen Kinder hingenommen und gedrückt,d.h., ich habe mich davor gehütet, wenn die Mutter da war, weil ich ein-fach das Gefühl hatte, daß sie dann eifersüchtig war. Ich habe schon dasGefühl, daß es ihr unheimlich schwerfiel, nicht beim Kind zu sein."

Exemplarisch ausgearbeitete curriculare Elemente 169

„Ich habe die Tageskinder sehr lieb gehabt, aber so wie meinen eigenenSohn konnte ich sie nicht liebhaben. Ich glaube, so muß es auch sein. Ichkonnte zwar die anderen Kinder genauso in den Arm nehmen und abknud-deln wie meinen Sohn auch, im Gegenteil, die haben sich das noch ehergefallen lassen als meiner, Aber so geliebt, wie mein eigenes, das konnte ichnicht. Ich könnte z.B. meinen Sohn in den Po beißen, das könnte ich beimeinen Tageskindern nicht."

X

„Es hat eine Zeitlang gedauert, bis ich ihm so etwas wie Liebe entgegen-bringen konnte. Ich muß ehrlich sagen, wir haben beide zu kämpfen ge-habt. Es ging ganz, ganz langsam, daß wir uns irgendwie ein bißchen nä-hergekommen sind. Er kam dann ab und zu und schmuste ganz gerne, wasich vorher nicht für möglich gehalten hätte, weil er so voller Ablehnung

X

„Das liegt sehr an mir. Wenn ich meinen guten Tag habe und selber glück-lich bin und fröhlich, dann bin ich fähig, das Tageskind zu umarmen, siemal zu küssen, hochzuheben und lustig zu sein. An anderen, schwierigenTagen schaffe ich es nicht. Da bin ich nicht fähig, zu ihr hinzugehen, auchwenn sie weint, daß ich hingehe und sie drücke. Da gehe ich zwar zu ihrhin und sage, na ja, ist schon wieder gut. Aber daß ich sie so an mich drük-ke, daß sie weiß, sie ist geborgen, sie braucht sich nicht aufzuregen, dazubin ich nicht fähig."

X

„Ich habe anfangs fürchterlich Angst gehabt, der Beraterin zu sagen, daß ichdas Kind nicht ganz so lieb habe. Das habe ich ewig vertuscht. Irgendwannmal habe ich ihr gesagt, daß die gewisse Beziehung fehlt und daß ich Angsthabe, sie nimmt mir das Tageskind weg, obwohl wir gut auskommen. Ichfand es ganz gut, daß die Beraterin das einfach akzeptiert hat."

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6.4.6 Literaturhinweise zum Thema„Tageskinder-eigene Kinder"

Andres, Beate (1989): Tagesmütter. Frauen zwischen privater und öffentlicherMüttetlichkeit. In: Klewitz, M./Schildmann, U./Wobbe, Th. (Hg.): Frauenbe-rufe - hausarbeitsnah? Pfaffenweiler: Centaurus Verlag, S. 219-243

Bronfenbrenner, Urie (1993): „Universalien der Kindheit?" Interview: Donata El-schenbroich. In: Deutsches Jugendinstitut (Hg.): Was für Kinder. Aufwachsenin Deutschland. Ein Handbuch. München: Kosel Verlag, S. 74-79

Erler, Gisela (1996): Tagesmütter und Pflegekinder - Einblicke in ein Erziehungs-gefüge. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend(Hg.): Kinderbetreuung in Tagespflege. Tagesmütter-Handbuch. Stuttgart,Berlin, Köln: Kohlhammer-Verlag, S. 269-299

Gordon, Thomas (1972): Familienkonferenz. Die Lösung von Konflikten zwischenEltern und Kind. Hamburg: Verlag Hoffmann und Campe

Günther, Christine (1998): „Ich schlichte nicht, und ich ergreife keine Partei". In:Dittrich, Gisela/Dörfler, Mechthild/Schneider, Kornelia: Konflikte unter Kin-dern beobachten und verstehen. München: Deutsches Jugendinstitut, (Bezug:Deutsches Jugendinstitut, Nockherstt, 2, 81541 München)

Krauß, Günter/Zauter, Sigrid (1993): Kindertagespflege in Hamburg. (Hg. undBezug: Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, Amt für Jugend. Post-fach 760608, 20083 Hamburg)

Stich, Jutta (1980): Die Tagesmütter - ihre Erfahrungen im Modellprojekt. In:Arbeitsgruppe Tagesmütter: Das Modellprojekt „Tagesmütter" - Abschlußbe-richt der wissenschaftlichen Begleitung. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Kohl-hammer-Verlag (Band 85 der Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend,Familie und Gesundheit), S. 99-146

Tomitza, Sven (2000) : Meine Mutter hat noch andere Kinder. Der Sohn einerTagesmutter berichtet über seine Erfahrungen. In : ZeT Zeitschrift für Tages-mütter und -väter. Heft 2, März 2000, S. 20-21

Susanne Stempinski

7 Anhang I:Wissenschaftliche Anlage des Projekts

7.1 Mitglieder des Projektbeirats

Beratend unterstützt wurde das Projektteam durch einen Projekt-beirat, in dem folgende Vertreterinnen aus Politik, Wissenschaftsowie von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe vertretenwaren: Frau Ursula Blanke, Senator für Arbeit, Frauen, Gesund-heit, Jugend und Soziales, Bremen; Herr Wolfgang Dichans, Bun-desministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Bonn;Frau Elke Grün, Landesamt für Soziales, Jugend und VersorgungRheinland-Pfalz, Mainz; Frau Angela Krenz, SozialministeriumMecklenburg-Vorpommern, Schwerin; Frau Renate Schymik/FrauUrsula Trimpin {als Nachfolgerin von Frau Schymik), tagesmütterBundesverband, Meerbusch; Herr Jochen Weber, KommunaleSpitzenverbände, Osnabrück; Frau Mechthild Weßels, Bundesar-beitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände, Frankfurt/M.;Frau Prof. Wiltrud Gieseke, Humboldt-Universität Berlin; FrauProf. Heide Kallert, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frank-furt/M.; Frau Renate Thiersch, Universität Tübingen.

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172 Susanne Stempinski

7.2 Zeitplan: Projektphasen und Arbeitsschwerpunkteim Überblick

Vorbereitungs-phase

Hauptphase

Verlängerungs-phase

Mai 1997bis Mai1998

Juni 1998bis April1999

Mai 1999bis Dez.1999

Jan.2000bis Nov.2000

Dez. 2000bis Dez.2001

- Verhandlungen mit potentiellen Modellorten- Personelle Erweiterungen des Projekt-Teams- Literaturrecherchen- Entwicklung des Untersuchungsdesigns- Eröffnungstagung- Dokumentation der Eröffnungstagung in Form eines

projektintemen Rundbriefs- Literaturanalyse und Identifizierung von ersten Güte-

kriterien- Entwicklung von Erhebungsinstrumenten- Umfangreiche Erhebungen an den Modellorten

(Bestandsaufnahme)- Auswertungsarbeiten- Projektvorstellung beim Fachkongreß des tagesmütter

Bundesverbandes- Durchführung von drei mehrtägigen Workshops mit

Fortbildungsreferentinnen aus den Modellorten- Dokumentation der Workshopergebnisse in Form von

projektinternen Rundbriefen- Auswertungsarbeiten- Projektvorstellung auf einer internationalen Tagespfle-

ge-Fachtagung in Glasqow, Schottland- Entwicklung von Qualitätskriterien für die Tagespflege-

Qualifizierung- Entwicklung eines „Bogens zur Selbstevaluation" für

Referentinnen- Projektinterne Abschlußtagung- Erstellung des Projekt-Abschlußberichts mit Empfeh-

lungen zum inhaltlichen und konzeptuellen Aufbau, zurmethodischen und inhaltlichen Ausgestaltung sowie zuRahmenbedingungen der Tagespffege-Fortbildung

- Entwicklung pädagogischer Materialien („curricularerElemente") im Umfang von 50 Unterrichtsstunden

- Entwicklung weiterer pädagogischer Materialien imUmfang von 110 Unterrichtsstunden - Produktziel: einvollständiges Curriculum für die Grundqualifizierungvon Taqespfleqepersonen

7.3 Methoden der Datenerhebung an den Modellorten

7.3.1 Dokumentenanalyse

Ein erster Einblick über die Fortbildungsmaßnahmen an den Mo-dellorten erfolgte durch die Analyse entsprechender schriftlicherUnterlagen. Um den Stand der Entwicklung an den neun Mo-dellorten kennenzulernen, wurden folgende schriftliche Unterlagenanalysiert:

Anhang I: Wissenschaftliche Anlage des Projekts 173

- In erster Linie handelte es sich dabei um die jeweiligen Veran-staltungsübersichten, die auch die Kursteilnehmerinnen ausge-händigt bekommen. Aus ihnen wird der Gesamtstundenumfangund die zeitliche Gliederung der Kurse sowie der Zeitumfangund die Themen der einzelnen Kursabende ersichtlich.

- Außerdem stand das Curriculum des tagesmütter Bundesverbands(„Werkstattausgabe") zur Verfügung. Dieses Qualifizierungs-Konzept wurde 1997 vorgelegt und ist weitgehend auf ehren-amtlicher Basis erarbeitet worden. Es sieht insgesamt fünf Qua-lifizierungsbausteine vor, von denen die ersten Teile A (Vorbe-reitungskurs) und B (Grundqualifizierung für Personen mit bzw.ohne pädagogische Ausbildung) konzeptionell ausgearbeitet wor-den sind. Im methodischen Bereich läßt das Curriculum relarivgroßen Gestaltungsspielraum. Programme anderer Anbieter alsdes tagesmütter Bundesverbands waren nicht in einer vergleichba-ren Ausführlichkeit vorhanden.

- Zusätzlich zu den Veranstaltungsübersichten wurden in ver-schiedenen Modellorten in geringen Umfang auch Unterlagen zueinzelnen Kurseinheiten und Fortbildungsthemen und Unterrichts-materialien für Kursteilnehmerinnen zur Verfügung gestellt. Auseinem Projektort lagen Protokolle eines bereits abgeschlossenenKurses vor, die von Teilnehmerinnen angefertigt worden waren.Die Unterlagen wiesen einen sehr unterschiedlichen Grad derAusarbeitung auf. Es zeigte sich, daß häufig auch Referentinnen,die jahrelang in der Tagespflege-Fortbildung tätig sind, vorwie-gend auf handschriftliche persönliche Aufzeichnungen zurück-greifen.

Um einen besseren Einblick zu gewinnen, wie die Kurs-Veran-staltungen inhaltlich und methodisch geplant werden, regte dasDJI-Team die Referentinnen an den Modellorten dazu an, gegenHonorar ihre privaten Aufzeichnungen zu den durchgeführten Ver-anstaltungen schriftlich zu fixieren und dem Forschungsteam zurVerfügung zu stellen. Diese Anregung wurde nur sehr zögerlichaufgenommen, was als Hinweis auf die Arbeitsbedingungen unddie daraus resultierende Arbeitspraxis der Referentinnen interpre-tiert werden kann: Aufgrund der engen zeitlichen Kapazitäten oderals Folge ihres persönlichen Arbeitsstils verzichteten sie auf die sy-stematische, schriftliche Vorbereitung der Kurseinheiten. Selbstwenn schriftliche Unterlagen vorhanden waren, wurden diese nichtimmer gern aus der Hand gegeben, wenn sie nicht einen bereits

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174 Susanne Stempinski Anhang I: Wissenschaftliche Anlage des Projekts 175

weit gediehenen Ausarbeitungsstand hatten und somit für Außen-stehende gut verständlich waren. Dadurch waren dem DJI-Teamschriftlich ausgearbeitete Veranstaltungskonzepte in wesentlich ge-ringerem Umfang zugänglich, als ursprünglich angenommen wor-den war.

Anhand der vorliegenden und oben beschriebenen Datenquellenließen sich zumeist der Aufbau sowie formale Charakteristika derCurricula rekonstruieren. In Form einer Synopse verschaffte sichdas DJI-Team einen vergleichenden Überblick über:

~ den Gesamtstundenumfang der Programme,— die Aufteilung in Orientierungs-, Grund- und Aufbaukurse,— das thematische Spektrum der Veranstaltungen,— spezifische Schwerpunktsetzungen der einzelnen Programme,— die Reihenfolge der behandelten Themen und deren zugeordnete

S tundenkonti ngente,— über bevorzugte Veranstaltungsformen bis zur— Formulierung von Veranstaltungstiteln.

Außerdem erfolgte in dem geschilderten begrenzten Rahmen derVerfügbarkeit eine erste Bestandsaufnahme in bezug auf die inhalt-liche und didaktisch-methodische Ausgestaltung einzelner Veran-staltungskonzepte.

Neben Beschreibungen der Fortbildungsprogramme konnte aufProjektberichte und im Rahmen der Entwicklungsarbeit an denModellorten entstandene Expertisen zurückgegriffen werden. DieseMaterialien halfen, die Entstehungsgeschichte der einzelnen Fort-bildungsprogramme zu rekonstruieren. Zur Vertiefung dieser eherpunktuell vorliegenden Informationen wurden ergänzende Inter-views mit Trägervertreterinnen und Entwickler Innen der Curriculageführr, in denen Erfahrungen mit dem Fortbildungsprogramm,mit Vorläufer-Curricula, sowie mit den jeweiligen zugrundeliegen-den Rahmenbedingungen im Zentrum standen.

7.3.2 Interviews

Die Interviews wurden als teilstrukturierte Befragung mit Hilfe vonLeitfäden durchgeführt. Es wurden Einzel- und Gruppeninterviewsdurchgeführt. Die Interviews dauerten in der Regel 45 bis 90 Mi-nuten.

Die Fragestellungen an die Kurs-Referentinnen bzw. Curriculum-Entwicklerlnnen bezogen sich auf zwei verschiedene Bereiche:

a) Auf die hospitierte Kursveranstaltung.Hier ging vor allem um Abweichungen zwischen der Planungund der tatsächlichen Durchführung der Veranstaltung und Zu-friedenheit mit dem Ablauf der Veranstaltung. Dies ermöglichtedem DJI-Team, die Hospitationsbeobachtungen des Teams mitder Einschätzung der jeweiligen Referentin sowie der Beurtei-lung der Teilnehmerin anhand des Fragebogens miteinander inBeziehung zu setzen und entsprechend auszuwerten.

b) Auf das Fortbildungsprogramm vor Ort mit folgenden Fragestel-lungen:- Welche positiven und negativen Erfahrungen wurden mit

dem aktuellen Curriculum und den jeweiligen Teilnehmerin-nengruppen gemacht?

- Wie oft und auf welcher Basis war das Programm bereitsüberarbeitet worden?

- Welche Rahmenbedingungen vor Ort erweisen sich als förder-lich bzw. hinderlich (u.a. Trägerstrukturen, Finanzierung,Teilnehmerinnen-Beiträge, Öffentlichkeitsarbeit, Arbeitsbe-dingungen der Referentinnen)?

- Sind die Referentinnen mit dem Fortbildungsprogramm undden Bedingungen vor Ort zufrieden? Welche Wünsche äußern

sier

Insgesamt wurden 59 Einzel Interviews mit 23 Referentinnen anden Modellorten durchgeführt.

Weitere 23 Einzelinterviews und ein Gruppeninterview fandenan den Modellorten statt mit Expertinnen aus den zuständigen Mi-nisterien, Jugendämtern sowie von Trägern der Qualifizierungspro-gramme. Hierbei ging es um folgende Fragestellungen:

a) Welche Erwartungen werden an die Qual ifizierungs maß nahmengerichtet?

b) Wie beurteilen die Interviewpartnerinnen den Stellenwert derFortbildung für die Jugendhilfe?

c) Welche Erfahrungen machen sie mit den lokalen Kooperations-strukturen zwischen öffentlicher Jugendhilfe/Trägern der Fort-bildung/Referentlnnen? Welche Strukturen bewähren sich dabeiaus welchen Gründen?

d) Welche Finanzierungsmodalitäten werden vor Ort umgesetzt?

44 Teilnehmerinnen der Fortbildung sowie 26 Tagesmütter aus Ge-sprächsgruppen wurden im Rahmen von neun Gruppeninterviews

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176 Susanne Stempinski

befragt. Die interviewten Kursteilnehmerinnen besuchten das amOrt aktuell geltende Programm in einem fortgeschrittenen Stadiumoder hatten den Kurs bereits abgeschlossen. Von den Teilnehme-rinnen der Gesprächsgruppen hatten einige an dem Qualifizie-rungsprogramm vor Ort teilgenommen, andere nicht. FolgendeFragestellungen standen dabei im Vordergrund:

a) Was motiviert die Teilnehmerinnen, die Fortbildung bzw. dieGesprächsgruppe zu besuchen?

b) Welche Stärken und Schwächen des Programms identifizierendie Teilnehmerinnen? Welche Anderungswünsche werden for-muliert?

c) Wie werden Kursabschluß mit Zertifikat und Prüfung beurteilt?d) Wie wird der Praxistransfer des Gelernten eingeschätzt?

Ein exemplarisches Gruppeninterview wurde mit Eltern durchge-führt, die ihre Kinder von einer Tagesmutter betreuen lassen. Andie Eltern richteten sich folgende Fragestellungen:

a) In welchen Bereichen sollte eine Tagesmutter ausgebildet wer-den? Welche Erwartungen bestehen an die Fortbildung der Ta-gespflegeperson?

b) Ist im Interesse einer Qualifizierung der Tagespflege eine Fortbil-dung von Eltern in bezug auf die wesentlichen Aspekte der Ta-gespflege denkbar?

7.3.3 Schriftliche Befragung

Die Zufriedenheit der Kursteilnehmerinnen mit dem Fortbildungs-programm wurde mittels einer anonymen schriftlichen Befragungermittelt. Im Anschluß an alle hospitierten oder per Videoaufnah-men dokumentierten Kursveranstaltungen wurde ein Fragebogenausgegeben, den die Teilnehmerinnen gebeten wurden, zu Hauseauszufüllen. Von 382 verteilten Fragebögen wurden 235 ausgefülltund an das Projekt-Team zurückgeschickt (Rücklaufquote 61,5%).

Der Fragebogen beinhaltete 29 Ratingfragen, die anhand einerSkala von 1 („trifft voll und ganz zu") bis 5 („trifft überhaupt nichtzu") beantwortet werden konnten, sowie 7 offene Fragen. Die Itemsdes Ratingbogens lassen sich folgenden Kategorien zuordnen:

- Thema/Titel der Veranstaltung,- Inhalte,- Methoden,

Anhang I: Wissenschaftliche Anlage des Projekts 177

— Kursatmosphäre,— Referentin,— Zufriedenheit,— Fragen zur Person/Vorerfahrung mit Tagespflege.

Bei der Entwicklung des Fragebogens wurden Untersuchungen mitTeilnehmerinnen-Befragungen in der Erwachsenenbildung (u.a.Reischmann 1996, 1995) hinzugezogen und durch für das Feld derTagespflege relevante Aspekte und Dimensionen ergänzt (z.B. Pra-xisorientierung, Wissenstransfer sowie Merkmale der Frauenbil-dung). Die Daten wurden Computer gestützt mit Hilfe eines Stati-stik-Programms (SPSS) ausgewertet.

7.3.4 Hospitation vonQualifizierungsveranstaltungen/Videohospitation

Zur Evaluation der Kursveranstaltungen führte das DJI-Team Ho-spitationen bei ausgewählten Kurs Veranstaltungen durch. Im Mit-telpunkt der Beobachtung standen wichtige Faktoren des Lernpro-zesses - wie das pädagogische Konzept, die Auswahl und Vermitt-lung von Inhalten, Einsätze von Methoden und Medien, Teilneh-mer Innenzentrierth ei t, Lernklima, Gruppenatmosphäre etc.

Bei der Auswahl der Kursveranstaltungen wurden folgende Kri-terien berücksichtigt:

— paritätische Gewichtung der Modellorte,— Zeitpunkt der Veranstaltung im Kursverlauf (zu Beginn/am En-

de des Kurses),— zentrale Themen und Schlüsselsituationen der Tagespflege,— Unterschiede der Zielgruppen; es gab z.B. Kurse ausschließlich

für pädagogisch vorgebildete Personen (in der Regel Erzieherin-nen) und Kurse, die aus einer gemischten Gruppe von Teilneh-merinnen mit bzw. ohne fachliche Vorbildung bestand,

— organisatorische Durchführbarkeit det Reise- und Erhebungsak-tivitäten an neun Modellotten in sechs Bundesländetn (nachMöglichkeit wurden die Hospitationen, im Zweierteam vorge-

nommen.,Der Besuch der DJI-Forscherinnen wurde den Fortbildungsteil-nehmerinnen von der Kursleitung in det Regel vorher angekündigt.Am Anfang der Veranstaltung stellten die Mitarbeiterinnen desForschungsteams sich und das Modellprojekt vor. Sie gaben außer-

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178 Susanne Stempinski

dem Hinweise zur Fragebogenerhebung und erläuterten ihre Rolleals beobachtende Teilnehmerinnen, Die Beobachterinnen warennicht in das Fortbildungsgeschehen involviert. Sie traten nach derVorstellungsrunde in den Hintergrund und protokollierten denVerlauf der Veranstaltung anhand eines Beobachtungsinstrumentes.

Im Vorfeld der Hospitationen wurde ein Instrument entwickelt,das großzügige Beobachtungsdimensionen abbildete und somit ei-nerseits die Hospitation einheitlich strukturierte, andererseits nochhinreichend Offenheit für den je spezifischen Focus der Aufmerk-samkeit zuließ. In der „Beobachtungsmappe" wurden außerdemallgemeine Daten zur Veranstaltung und zu den Rahmenbedingun-gen {z.B. Gruppengröße, Räumlichkeiten, Ausstattung, Kinderbe-treuungsmöglichkeit) festgehalten. Der Ablauf der Veranstaltungwurde mit Hilfe des Instruments chronologisch erfaßt. Die Proto-kollierung des „unwiederbringlichen Flusses" des Kursgeschehens{Voigt 1997, S. 787) wurde ggf. ergänzt durch Papiere der Refe-rentin und an die Teilnehmerinnen ausgegebene Arbeitsblätter. DieProtokollierung war insgesamt so ausführlich angelegt, daß eineRekonstruktion der Veranstaltung für die weitere Arbeit im Projektauch nach längerer Zeit möglich war.

Zusätzlich wurde an den Modellorten von einem qualifiziertenFilmteam jeweils eine Veranstaltung auf Video aufgezeichnet. DerEinsatz der Videotechnik ermöglichte die Auswertung einzelnerVeranstaltungen durch das Gesamtteam. Nach Voigt (1997, S.787) bietet die Möglichkeit, Kurs-Szenen anhand von audiovisuel-len Aufzeichnungen wiederholt betrachten zu können, vor allemfolgende forschungsmethodischen Vorteile:

- Die Betrachterinnen können beim wiederholten Anschauen dergleichen Kurs-Sequenz den Focus des Beobachtungsinteresses sy-stematisch variieren.

- Die technische Wiederholbarkeit der aufgenommenen Sequen-zen gestattet es, Schlüsselszenen im Kursablauf intensiver zu ana-lysieren.

- Beim erneuten Anschauen bietet sich die Chance, sich von erstenspontanen Deutungsmustern zu lösen.

Es war davon auszugehen, daß die Anwesenheit eines Videoteamsgrundsätzlich einen nicht zu unterschätzenden Eingriff in den Ver-lauf der Veranstaltung und die Dynamik der Fortbiidungsgruppedarstellt. Dennoch meldeten Teilnehmerinnen und Referentinnenin der überwiegenden Mehrheit zurück, daß „ihre" Veranstaltung

Anhang I: Wissenschaftliche Anlage des Projekts 179

mit weniger Einschränkungen abgelaufen ist, als vorher vermutet(„so wie wir heute waren, sind wir sonst auch"). Auch die Auswer-tung durch das DJI-Team, das die Gruppen und Referentinnenz.T. auch von vorhergehenden Hospitationen her kannte, bestätig-te, daß die Aufnahmen das Verhalten von Referentinnen und Teil-nehmerinnen nicht wesentlich verzerrt haben. Dieser Erfolg er-leichterte die Auswertung und war ganz wesentlich der einfühlsam-zurückhaltenden Arbeitsweise des professionellen Videoteams zuverdanken.

Die Videoaufnahmen wurden anschließend mit dem gleichenInstrument strukturiert und dokumentiert, das auch bei den Hos-pitationen verwandt wurde — diesmal allerdings mit der zusätzli-chen Möglichkeit, den Ablauf der Veranstaltung zu stoppen undSequenzen wiederholt und gezielt unter bestimmten Fragestellun-gen zu betrachten.

Es wurden insgesamt 40 Unterrichtsstunden ä 45 Minuten aufVideo aufgezeichnet. Zusätzlich nahm das Team an insgesamt 110Unterrichtsstunden hospitierend teil. Von den 110 Unterrichts-stunden wurden 63 von einem Zweierteam besucht. Die Themender insgesamt 150 hospitierten Unterrichtsstunden verteilten sichauf die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkte gemäß der Ta-belle:

Tagespflege als Betreuungsform 31 Ustd.Entwicklungspsychologie/Pädagogik 75 Ustd.Kommunikation/Kooperation zw. Eltern u.Tagespflegeperson 34 Ustd.Arbeitsbedingungen der Tages pflegeperson/Recht/Finanzen 7 Ustd.Beratung/Vermittlung 3 Ustd.

Die Auswertung der Hospitationen erfolgte einerseits in schriftlicherForm, andererseits diskursiv im Zweierteam und im Gesamtteam.

1. Nach Möglichkeit führte das Beobachtungsteam im Anschluß andie Hospitation (und das Referentinnen-Interview) bereits vorOrt einen fachlichen Austausch durch.

2. Durch Reflexionen im gesamten Team konnten Veranstaltungen(vor allem solche zum gleichen Thema) vergleichend betrachtetwerden.

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3. Die Hospitationsergebnisse wurden in einer abschließenden Ge-samtanalyse hinsichtlich ihres zentralen Aussagegehalts zur Qua-lität von Fortbildungen in der Tagespflege ausgewertet. Darauswurden Gütemerkmale für die Fortbildung abgeleitet (vgl. Kap.3).

Durch die Hospitationen und „Video-Hospitationen" erhielt dasDJI-Team einen sehr guten Einblick in die pädagogische Arbeit anden Modellorten. Eine abschließende Bewertung der Gesamtpro-gramme ist aufgrund des exemplarischen Vorgehens und despunktuellen Einblicks jedoch nicht möglich.

Kariane HöhnEntstehungsgeschichte und Konzept des Werkstattcurriculumsdes tagesmütter Bundesverbands für Kinderbetreuung in Ta-gespflege e. V. (Fachgespräch)Christine NußhartFamilienkompetenzen als Basisqualifikation von Tagespflegeper-sonen - Konsequenzen für die Konzipierung von Tagespriege-Fortbildungsprogrammen (schriftliche Expertise)

7.3.5 Fachgespräche und Expertisen

Um das breite Spektrum an inhaltlichen und methodischen Frage-stellungen im Projekt abdecken zu können, wurden vier Gesprächemit bundesweit relevanten Expertinnen der Tagespflege durchge-führt und fünf schriftliche Expertisen zu methodischen, inhaltli-chen und Tagespflege-strukturellen Themen in Auftrag gegeben.Die Autorinnen der Expertisen waren entweder ebenfalls als lang-jährige wissenschaftlich orientierte Fachfrauen der Tagespflege aus-gewiesen oder leisteten als Wissenschaftler innen anderer Fachrich-tungen mit Unterstützung des DJI-Teams einen fachlichen Trans-fer interessanter Fragestellungen in die Tagespflege.

Es handelte sich um folgende Fachgespräche und schriftlicheExpertisen:

- Ellen Bögemann-Großheim, Marietta HandgraafProblemorientiertes Lernen (POL) als didaktischer Ansatz in derQualifizierung von Tagespflegepersonen (schriftliche Expertise)

- Stephanie Cren, Sibylle HärtIGewalt gegen Kinder - unter Berücksichtigung sexualisierterGewalt - als Thema in der Tagespflege (Fachgespräch undschriftliche Expertise)

- Eveline GerszonowiczInhaltliche und methodische Ansätze in der Fortbildung von Ta-gespflegepersonen; Situation der Tagespflege in der Bundesrepu-blik Deutschland (Fachgespräch und zwei schriftliche Experti-sen)

- Karin Hahn/Marion Limbach-PerlOrganisationsrahmen und pädagogisches Konzept im Tagesprie-geprojekt der Stadt Maintal (Fachgespräch)

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Lis Keimeleder, Marianne Schumann,Susanne Stempinski, Karin Weiß

8 Anhang II:Selbstevaluationsbogen

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fBogen zur Selbstevaluation

für Referentinnen und Kursleiterinnen

in Qualifizierungskursen für Tagesmütter und -väter

entwickelt im Rahmen des Forschungsprojektes „Qualifizierung in derTagespflege"gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendsowie durch das Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern,das Ministerium für Kultur, Jugend, Familie und Frauen in Rheinland-Pfalzund durch den Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales in Bremen

oi/ier5

Autorinnen:

Lis KeimelederSusanne StempinskiMarianne SchumannKarin Weiß

© Deutsches Jugendinstitut e.V.2000 München

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Einleitung

Warum Selbstevaluation?

Evaluation - als ein Mittel zur Weiterentwicklung von fachlicher Qualität - ist zunächst ein ganz alltäglicherProzess. Jeder Mensch vollzieht ihn ständig im Alltag, indem er, auf der Grundlage eigener Kriterien, dieStärken und die Schwächen einer Tätigkeit oder Sache analysiert und beurteilt.

Selbstevaluation ist dabei - im Gegensatz zur „Fremdevaluation" - ganz allgemein ein ,von unten' anset-zender, freiwilliger Weg, um sich über die Ziele und Wirkungen der eigenen Arbeit Klarheit zu verschaffen.

Qualitätsentwicklung in pädagogischen Arbeitsfeldern ist an die engagierte Mitwirkung der Fachkräfte ge-knüpft. Selbstevaluation bedeutet, daß die Fachkraft ihr eigenes fachliches Handeln zum Gegenstand ih-rer selbst gesteuerten Auswertung, Planung und Verbesserung macht und so den Prozeß der fachlichenWeiterentwicklung in Gang hält.

Was ist die Intention des Bogens?

Selbstevaluation fordert eine iösungsorientierte Sichtweise. Sie regt dazu an, Ideale zu entwerfen und zuüberlegen, welche Möglichkeiten der eigenen Einflußnahme bestehen, um sich diesen Idealen anzunä-hern.

Die klassische Vorgehensweise zur Praxisveränderung verläuft dabei in der Schleife von eigener Zieldefi-nition, Umsetzung, Datenerhebung, Untersuchung, Bewertung, Berichterstellung und eventueller neuerli-cher Konzeption bzw. Umsetzung und ist - auch vom zeitlichen Aufwand her - recht anspruchsvoll.

In Anlehnung an Beywl/Henze muß Selbstevaluation aber „nicht kontinuierlich als explizite und vollständi-ge Methode eingesetzt werden, um von ihr profitieren zu können" (1999, S. 211). Die Bedingungen, unterdenen Referentinnen in der Weiterbildung freiberuflich tätig sind, sind wenig geeignet, Selbstevaluation imumfassenden, klassischen Sinne durchzuführen. Häufig findet sich - wie in der Praxis der Tagespflege -auch bei den in der Fortbildung tätigen Fachkräften das Phänomen der isolierten Arbeitsweise mit wenigkollegialem Austausch.

Das vorliegende Instrument setzt hier an. Es berücksichtigt die Bedingungen des im Aufbau befindlichenFeldes der Fortbildung in der Tagespflege. In diesem Sinne läßt sich der vorliegende Bogen als Orientie-rungsrahmen für Selbstreflexion, als professionelle Hilfestellung und Leitlinie verwenden.

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Woraus ist der Bogen entstanden?

Die Qualitätskriterien in diesem Bogen basieren auf systematisch erhobenen Daten, die im Rahmen desForschungsprojektes „Entwicklung und Evaluation curricularer Elemente zur Qualifizierung von Tagespfle-gepersonen" {Kurztitel: „Qualifizierung in der Tagespflege") gesammelt wurden. Das Projekt ging der Fra-ge nach, welche Qualifizierungsprogramme sich für die Tagespflege als geeignet erweisen. Im Rahmendes Projektes wurden u.a. Fortbildungsveranstaltungen teilnehmend beobachtet und Fortbildungsmateria-lien ausgewertet.

Für die Konzeption des Bogens zur Selbstevaluation waren u.a. die folgenden wichtigsten Quellen maß-gebend:

• Neuere Ergebnisse aus der Erwachsenenbildung und Lerntheorie• Eigene Befunde aus der wissenschaftlichen Evaluation von neun Fortbildungsprogrammen in der Ta-

gespflege• Kooperation und Abstimmung mit Fortbildnerinnen in der Tagespflege im Rahmen von Workshops und

Befragungen• Schriftliche und mündliche Befragung von Teilnehmerinnen von Fortbildungsprogrammen der Ta-

gespflege

Da mit dem Einsatz des vorliegenden Bogens für Selbstevaluation keine „Messung" von statistischenWerten stattfindet, entfällt die Ermittlung der meßtechnischen Güte des Instruments. Eine Überprüfung derpraktischen Einsetzbarkeit und Gültigkeit (Validität), an der im Modellprojekt beteiligte Referentinnen mit-gewirkt haben, hat sehr gute Resultate ergeben.

32.10

rD

Wie ist der Bogen anzuwenden?

Die Leserin/der Leser erhält ein Instrument der Selbstreflexion an die Hand, das für die eigene Konzept-entwicklung und Arbeitsplanung einsetzbar ist. Es handelt sich nicht um einen „Beurteilungsbogen" fürTräger, Vorgesetzte oder andere.

Referentinnen können sich einen Überblick über das Leitideal für eine Qualifizierung in der Tagespflegeverschaffen und sich selbst darin verorten. Der Bogen ermöglicht in einer systematischen Übersicht, ein-zelne Zielsetzungen für die Veränderung in der Praxis in den Blick zu nehmen, „blinde Flecken" ausfindigzu machen und eigene Kompetenzen zu erweitern. Das Instrument enthält eine 5-stufige Schätzskala zujedem Bewertungsaspekt. Der/die Leserin kann somit - wenn sinnvoll - Vergleiche durchführen {bei-spielsweise im Verlauf eines Kurses oder zwischen unterschiedlichen Gruppen). Die Schätzskala ist alszusätzliche Hilfe gedacht und von nachgeordneter Bedeutung. Der Bogen zur Selbst-evaluation ist als„qualitatives Instrument" konzipiert, der Schwerpunkt liegt auf den inhaltlichen Ausführungen zu den jewei-ligen Kriterien und der reflexiven Auseinandersetzung damit.

Das eine oder andere .Leitideal' erscheint vielleicht überzeichnet. Die in den Evalutationskriterien formu-lierten Idealvorstellungen sind jedoch richtungsweisend, nicht Norm gebend gedacht. Es soll auch nichtder Eindruck entstehen, daß für eine gute Fortbildungsveranstaltung alle im Bogen aufgeführten Kriterienoptimal erfüllt sein müssen. Die Qualität einer Veranstaltung hängt von vielen weiteren Einflußfaktoren ab,die in diesem Bogen keine Berücksichtigung finden (z.B. gruppen- und ortsspezifische Bedingungen -„Jeder Kurs/jeder Ort ist anders"). Der Bogen konzentriert sich ausschließlich auf den Einflußbereich derReferentinnen. Hierbei sind die wesentlichen Kategorien aufgeführt, natürlich kann jede Nutzerin/jederNutzer den Bogen individuell ergänzen.

Zudem findet in der Praxis stets eine sensible Gratwanderung zwischen Planung und Improvisation statt:Zwar kann eine Referentin/ein Referent eine Veranstaltung nach den Regeln der Kunst konzipieren, einFaktor X für flexible Reaktionen bei unvorhergesehenen Ereignissen muß jedoch offen bleiben. Im Hin-blick auf die Zufriedenheit der Teilnehmerinnen kann - bei aller Sorgfalt - letztlich nur an das Sprichworterinnert werden: „Allen Leuten recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann".

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Die 41 Items des Bogens zur Selbstevaluation sind folgenden 6 Bewertungsdimensionen zugeordnet:

• Thema und Aufbau der Veranstaltung (6 Items)• Inhalte (9 Items). Methoden (14 Items)• Leitung der Veranstaltung / Kursleitung (6 Items}• Lernklima / Gruppenatmosphäre (3 Items)• Äußerer Rahmen der Veranstaltung (3 Items)

Die/der Anwenderin sollte sich nach der Durchführung einer Fortbildungsveranstaltung etwas Zeit neh-men, um in der Rückschau zu einer Einschätzung zu kommen und die gesamte Veranstaltung anhand desBogens zur Selbstevaluation auszuwerten. Der Zeitabstand zur Fortbildungsveranstaltung sollte nichtgrößer als zwei Tage werden, da sonst erfahrungsgemäß Erinnerungslücken auftreten. Die 6 Bewertungs-dimensionen lassen sich auch getrennt voneinander bearbeiten.

Die Relevanz des Themas für die Tagespflegeist im Titel erkennbar.

Stimmt Stimmt Stimmt Stimmt StimmtVo* weitgehend teils/teils weitgehend überhaupt

nicht nichtm m

Im Hinblick auf das Ausbildungsziel erscheint eine sorgfältige Auswahl der behandelten Themenanhand das Kriteriums „Relevanz für die Tagespflege" unverzichtbar. Dies sollte nach Möglichkeitschon im Titel sichtbar werden.

3. Die Veranstaltung ist sinnvoll in den Gesamt-zusammenhang des Kurses eingebettet.

Stimmt Stimmt StimmtVoll wei^enenfl teils/teils

Stimmt Stimmtweitgehend überhaupt

nicht nicht

Eine aufeinander bezogene Abfolge von Themen erleichtert den Teilnehmerinnen, Zusammenhän-ge zu erkennen.

1 Erfahrungsgemäß ist die Tagespflege ein Feld, in dem sich fast ausschließlich Frauen bewegen. Deshalb wird im folgenden die weibliche Form Teilnehmerinnen ver-wendet.

1. Der Titel bzw. die schriftliche Ankündigung imProgramm ist für die Zielgruppe ansprechendformuliert.

Stimmt Sbmmt StimmtVoll weltgehend teils/teils

Stimmt Stimmtweitgehend überhaupt

nicht nicht

Es empfiehlt sich, die Titelgestaltung mit Bedacht vorzunehmen: Die sorgfältige Formulierung einesThemas ist bedeutsam für eine Identifikation der Teilnehmerinnen' mit der Veranstaltung. Auchunter dem Aspekt des meist knappen Zeitbudgets ist eine Fokussäerung auf spezifische Teilfragenempfehlenswert. Dies kann evtl. auch über einen Untertitel erreicht werden. Ein in Frageform for-mulierter Titel spricht die Teilnehmerinnen sehr direkt an. Bei einem paßgenau formulierten Titelfühlen sich die Teilnehmerinnen im Idealfall bereits vor Beginn der Veranstaltung zur Reflexionüber das Thema aufgefordert und können sich innerlich auf das Thema einstimmen. Unzutreffen-den Vorstellungen über ein Thema kann so vorgebeugt werden.

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Die Veranstalfung ist in schlüssiger und nach-vollziehbarer Weise aufgebaut bzw. unterglie-dert.

Stimmt Summt Stimmt Stimmt StimmtVoll weitgehend teils/teils weitgehend überhaupt

nicht nicht

M n FSsi PH R!P^I \~'^\ f^-'i --

Die Unterthemen, Phasen, Abläufe (praktische, theoretische, reflektorische) der Veranstaltungsollten inhaltlich miteinander verknüpft sein und nicht isoliert stehen. Auch eine schlüssige Aufein-anderfolge von Unterthemen hilft bei der Ausleuchtung und konzentrierten Erarbeitung des The-

Die Teilnehmerinnen erhalten zu Beginn einenEinblick über die Struktur/Abfolge der Veran-staltung.

Stimmt Stimmt Stimmt Stimmt StimmtVoll weitgehend teibleils weitgehend überhaupt

nicht nicht

Eine Vorabinformation erleichtert die Orientierung und Konzentration der Teilnehmerinnen, ggf.auch die Möglichkeit der Mitwirkung. Den Teilnehmerinnen sollte, wenn die Qualifizierung im Rah-men eines „Kurses" organisiert wird, auch ein verläßlicher Ablaufplan vorliegen.

6. Der Inhalt der Veranstaltung entspricht demangekündigten Titel.

Summt Stimmt Stimmt Stimmt SummtVoll weitgehend teils/teils weitgehend überhaupt

nicht nicht

Falls es relevante Abweichungen gibt, sollten sie vorher abgesprochen bzw. angekündigt werden.Zuverlässigkeit und Transparenz - auch in der Gestaltung des Kursablaufes - sind wichtig für einepositive Gestaltung der Beziehung zwischen Referentin und Teilnehmerinnen. Referentinnen fun-gieren dabei immer auch in der Rolle eines Modells für das Handeln von Tagesmüttern gegenüberKindern und Eltern.

7. Die fachlichen Informationen zum Thema sindzentral für die Tagespflege.

Stimmt Stimmt Stimmt Stimmt StimmtVoll weitgehend teiliieils weitgehend überhaupt

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Aufgrund des begrenzten Umfangs eines Curriculums von bis zu 160 Ustd. können Einblicke ineinzelne Fachdisziplinen nur bedingt detailliert stattfinden. Die Fachinhalte sollten daher auf ihreRelevanz und ihre Anwendbarkeit für den Tagespflegealltag überprüft werden. Eine praxisorien-tierte Qualifizierung sollte theoretisches Wissen sehr gezielt integrieren, vor allem, wenn damit le-diglich ein Einblick in wesentliche Grundlagen einer Fachdisziplin gegeben werden soll. Vielmehrsollte immer genügend Zeit eingeplant werden, um auch von notwendigen einzelfachspezifischenGrundlagen aus den Bezug zur Tagespflege herzustellen. Der theoretische oder wissenschaftlicheHorizont sollte sich nicht in den Vordergrund drängen, wohl aber für vertiefende Fragen zur Verfü-gung stehen. So können z.B. entwicklungspsychologische Erkenntnisse der Tagesmutter bei derOrientierung helfen, wie sie mit Kindern einer bestimmten Altersstufe förderlich in Beziehung tretenkann (Welche Form der Auseinandersetzung mit der Umwert ist für diese Altersstufe typisch? Waskann das Kind, was kann es nicht? Welchen Spielraum braucht das Kind? Was überfordert es?).Es ist für die Tagesmutter jedoch weniger wichtig, Elemente einer oder gar mehrerer Entwicklungs-theorien in ihrem Stufenaufbau zu kennen. Relevant sind in erster Linie die Folgerungen für denPraxisalltag.

Die Informationen werden praxisorientiert (imBezug auf die Tagespflege) vermittelt.

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Um die Informationen verinnerlichen und in eigenes Handeln umwandeln zu können, ist die An-knüpfung an Praxisbeispiele und Situationen aus dem Alltag der Tagesmutter wichtig. Auf Fallbei-spiele oder konkrete Situationen bezogene Informationen können anwendungsbezogen zuerst in-nerlich erprobt und dann zuhause in Handlungen umgesetzt und ausprobiert werden. Am bestenbringen die Teilnehmerinnen eigene Praxissituationen und Beispiele in die Qualifizierung ein.

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9. Das Thema wird interdisziplinär /fachüber-grerfend bearbeitet.

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Um einen Sachverhalt praxisrelevant zu bearbeiten, ist es meist hilfreich, ihn aus der Sicht ver-schiedener (Fach-)Perspektiven zu besehen. Komplexe Sachvertialte erschließen sich oftmals erstaus der Verknüpfung von Sachinformationen (z.B. aus Psychologie und Pädagogik), woraus dannein direkter Bezug zur Tagespflegepraxis entstehen kann.

10. Bei kinderbezogenen Themen werden dieTeilnehmerinnen angeregt, sich in die Kindereinzufühlen.

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Eine Reiativierung der Erwachsenensicht ist oftmals die Voraussetzung für kindgerechtes erziehe-risches Handeln. Der Schlüssel zum Verständnis eines Kindes liegt in der Einfühlung. Die Einfüh-lung in das eigene „innere Kind" und in das Kind, das einer erwachsenen Person in Obhut geqebenist, muß eingeübt werden.

11. Sensibilität für geschlechtsspezifische Frage-stellungen ist gegeben.

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An Qualifizierungen für Tagespflegepersonen nehmen nahezu ausschließlich Frauen teil. Dies imsprachlichen Umgang (Teilnehmerinnen) und in der Vermittlung zu berücksichtigen erscheint un-verzichtbar (z.B. durch Umgang mit Sprache, Vermeidung von Rollenklischees, Beachten von ge-schlechtsspezifischer Sozialisation). Im Sinne einer allseitigen Persönlichkeitsentwicklung der Kin-der sollte darüber hinaus für erzieherische Haltungen sensibilisiert werden, die die traditionellenRollenstereotypen überwinden.

12. Das Wohl und die Würde des Kindes sindzentrale Grundlage aller fachlichen und päd-agogischen Ausführungen.

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Ausgegangen wird von einem humanistischen Erziehungsideal, das Achtung vor dem Kind und po-sitive Elternschaft bzw. Tageselternschaft umfaßt. Kontraproduktiv sind demnach Aussagen die imHinblick auf diese Grundsätze als problematisch angesehen werden müssen (z B Ab und zu einKlaps schadet nicht").

13. Die Stoffmenge ist von den Teilnehmerinnengut zu bewältigen.

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Leicht kommt es zu einer Überfrachtung einer Veranstaltung mit Inhalten. Die Stofffülle überfordertTagespflegepersonen besonders, wenn sie nach einem langen Arbeitstag noch abends an einerVeranstaltung teilnehmen. Bei Überfrachtung bleibt zu wenig Zeit zur Reflexion und zu praktischenÜbungen. Weniger ist mehr! Sind die Teilnehmerinnen erschöpft, sollte eine Pause gemacht wer-den (aus arbeitsökonomischen Gesichtspunkten spätestens nach 90 Min.). Auch Körperübungenoder Spiele können entspannen und auflockern. Die Zielgruppe (Frauen/Mütter) geht im Alltaghäufig über ihre Erschöpfungsgrenze hinaus. Die Qualifizierung hat in diesem Punkt Vorbildwir-kung: Überforderung führt im Erziehungsalltag nicht selten zu kritischen Situationen. Tagesmüttersollten geübt sein, Symptome von Überforderung bei sich selbst wahrzunehmen und geeigneteSchritte kennen, wie Sie damit umgehen können.

14. Die verschiedenen inhaltlichen Schwerpunktewerden angemessen auf die zur Verfügungstehende Zeit verteilt.

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Die Referentin/der Referent sollte die Zeiteinteilung im Blick behalten, auch wenn es zu einer aktu-ellen Veränderung der inhaltlichen Schwerpunkte kommt (Störungen gehen vor). Aufgrund der weitverbreiteten Überfrachtung von Veranstaltungen ergibt sich oft ein „Stau" gegen Ende zu, so daßbei immer geringer werdender Aufnahmekapazität der Teilnehmerinnen der noch „durchzuneh-mende Stoff" in gesteigertem Tempo abgehandelt wird. Auf diese Weise bleibt kein Spielraum fürVerarbeitung und Einübung von neu Gehörtem. Für die Bearbeitung der Themen sollte deshalbvon Anfang an großzügig Zeit eingeplant werden.

15. Es findet eine fundierte und kritische Ausein-andersetzung mit dem Thema der Veranstal-tung statt, bei der auch Widersprüche, Ambi-valenzen oder unterschiedliche theoretischeStandpunkte angesprochen werden.

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Eine facettenreiche Beleuchtung eines Themas mit allen Widersprüchlichkeiten des Alltags fördertdifferenzierte Sichtwetsen der Teilnehmerinnen und ermöglicht ihnen die Reflexion der eigenenPositionen und „Deutungsmuster" (z.B. gesellschaftliche Realität von Frauen, Anspruch und Wirk-lichkeit, sich widersprechende Ziele in der Gestaltung des Alltags). Eine kritische Auseinanderset-zung mit anderen Standpunkten, Selbstbehauptung bei gleichzeitiger Toleranz stellen gerade inder Tagespflege wichtige Qualifikationen dar. In der Kooperation zwischen Eltern und Tagespfle-gepersonen müssen im Interesse des Kindes in vielen Fragen Einigungen gefunden, aber auch ei-gene Positionen vertreten werden.Sachinformationen soilten sich auf eine abgesicherte Basis beziehen. Es kann vorkommen, daßeine Eindeutigkeit über einen Sachverhalt nicht herzusteilen ist, da (wissenschaftliche) Expertinnenunterschiedliche Auslegungen vornehmen. Die Teilnehmerinnen sollten die Gelegenheit erhalten,sich gegebenenfalls mit unterschiedlichen inhaltlichen Sichtweisen auseinanderzusetzen und zu ih-rem eigenen Standpunkt zu finden.

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16- Es werden Methoden angewendet, die es denTeilnehmerinnen ermöglichen, sich einzubrin-gen.

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17. Ein themenzentrierter Erfahrungsaustauschzwischen den Teilnehmerinnen wird gefördert.

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Die Fähigkeiten, die Tagesmütter für ihre Arbeit brauchen, sind nicht vermittelbar durch ein metho-disches Vorgehen, das die Teilnehmerinnen in eine rein rezeptive Haltung versetzt (z.B. Vortrag).Die Teilnehmerinnen müssen vielmehr die Gelegenheit erhalten, sich aktiv einbringen und den ei-genen Erianrungshintergrund reflektieren zu können. Aktivierende Methoden sind beispielsweise:Kleingruppenarbeit, Diskussion an konkreten Praxissituationen, Rollenspiel, Übungen (Wahrneh-mung, Kommunikation, Kreativität). Die Handlungsmodelle, die Tagesmütter in der Interaktion imRahmen der Qualifizierung ausprobieren/reflektieren können, sind erlebt© Realität und insofernleichter übertragbar auf die Praxis der Tagespflege.

Es ist allgemein bekannt, daß Lernen durch Erfahrung die nachhaltigste Form von Lernen ist. In ei-nem solchen Lehr-/Lernprozess nimmt die Referentin/der Referent die Rolle der Ermöglicherin/desErmöglichers von Erfahrungen ein. Es ist erwiesen, daß selbstorganisiertes und eigeninitiativesLernen am ehesten zu praxisrelevantem „Wissen" und Verständnis führt, das in Handeln umge-setzt werden kann.

Die Möglichkeit eines Erfahrungsaustausches zwischen den Teilnehmerinnen ist als ein grundle-gendes Element in der Qualifizierung für die Tagespflege anzusehen. Die Teilnehmerinnen lernenaus der Praxis für die Praxis. Der Austausch sollte an Themen der Tagespflege orientiert sein, d.h.an fnhaiten, die für das Ziel der Qualifizierung relevant sind. Idealerweise kommen diese Themenaus der Alltagspraxis der Teilnehmerinnen. Der Erfahrungsaustausch sollte von Anfang an - auchals Zeitfaktor - bei der Planung einer Veranstaltung berücksichtigt werden. Er sollte mit geeignetenMethoden von der Referentin/dem Referenten angeregt werden, z.B durch Gruppenarbeit, Leitfra-gen für Diskussionen.

18. In der Veranstaltung kommen unterschiedlicheMethoden zum Einsatz.

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19. Die theoretischen, praktischen und refiexivenPhasen der Veranstaltung sind im Verhältniszueinander ausgewogen.

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20. Die Umsetzung der theoretischen Erkenntnis-se in Handlung wird in der Veranstaltung ge-übt/gefördert.

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Durch Methodenvielfalt können die verschiedenen „Lernkanäle" angesprochen werden: Sehen, Hö-ren, Erleben, kognitives Erfassen, Lernen durch Tun. Dies trägt dazu bei, daß die Teilnehmerinnenihren Lernprozeß als spannend und anregend erleben und natürlich dazu, daß die Inhalte besseraufgenommen werden können.

Die Ausgewogenheit der theoretischen, praktischen und refiexiven Teile einer Qualifizierungsver-anstaltung trägt dazu bei, daß Informationen besser verarbeitet werden können. Wenn die Teil-nehmerinnen durch ein Zuviel an theoretischer und abstrakter Wissensvermittlung überfordert wer-den, ermüden sie und können kaum Bezug zur Tagespflegepraxis herstellen. Bei ausschließlichemErfahrungsaustausch wiederum wird oft das Bedürfnis nach Wissenszuwachs nicht erfüllt. Prakti-sche Übungen und Phasen der Reflexion sind von entscheidender Bedeutung, wenn sich Hand-lungsorientierungen der Teilnehmerinnen ausprägen oder verändern sollen. Erst aus der Ver-knüpfung von neuem Wissen mit der eigenen Erfahrung ergibt sich Umsetzungswissen.

Durch Rollenspiel, praktische Übungen und andere methodische Vorgehensweisen kann einHandlungsbezug aufgebaut und somit die Umsetzung von Einsichten und Erkenntnissen in Hand-lung gefördert werden.

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21. Die Umsetzung von Einsichten und Erkennt-nissen in die Alltagspraxis wird unterstützt undbegleitet.

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Über die Veranstaltung hinausgehend werden die Teilnehmerinnen dazu angeregt (z.B. durch Ver-tiefungsaufgaben für zu Hause", Kolleginnen-„Supervtsionu, Beobachtungsaufgaben), die Inhalteder Qualifizierung in ihren Alltag (der Tagespflege) einzubringen. Die Erfahrungen bei der Umset-zung Im Alltag werden sinnvollerweise in der Qualifizierungsgruppe wieder reflektiert.

22. Es gibt Absprachen zu Umgangs- und Ar-beitsformen in der Gruppe.

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Für das Arbeitsklima und unter dem Aspekt des Modeli-Lernens ist es hilfreich, wenn sich eineGruppe auf Kommunikationsregeln (z.B. nach dem Vorbild der themenzentrierten Interaktion) ei-nigt, z.B. „Aussprechen lassen", „Störungen haben Vorrang", „keine Abwertungen von Beiträgen"

23. Die Kursteilnehmerinnen bekommen verständ-liche und ansprechende Kursmaterialien.

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Es ist sehr anstrengend - wenn nicht gänzlich unmöglich -, mit innerer Anteilnahme und Aufmerk-samkeit an einer Gruppe teilzunehmen und sich gleichzeitig Notizen über Inhalt und Verlauf einerVeranstaltung zu machen. Dennoch besteht bei vielen Teilnehmerinnen der Wunsch, schriftlichesMaterial über das Gehörte/Erlebte/Gelemte in die Hand zu bekommen, um auch nach Ende derQualifizierung darauf zurückgreifen zu können. Es ist daher sinnvoll, den Teilnehmerinnen einfacheZusammenfassungen über wichtige Punkte mitzugeben.

24. Die Teilnehmerinnen gestalten Teile von Ver-anstaltungen eigenständig mit, z.B. durch Re-ferate, Vorstellen von Büchern, Spielen, Klein-gruppen-Ergebnissen etc.

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Im Sinne einer Stärkung des Selbst- und Kompetenzbewußtseins („Empowermenr) kann es für dieTeilnehmerinnen von Vorteil sein, wenn sie sich darin üben, vor Gruppen zu sprechen, zu argu-mentieren, Eigenes für andere verständlich und attraktiv aufzubereiten.

25. Introspektion, Reflexion und Selbsterfahrungwerden durch geeignete Methoden gefördert.

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Es wird vorausgesetzt, daß Tagespflegepersonen zum Wohle der Kinder bereit sind, an ihrer per-sönlichen Entwicklung zu arbeiten. Um Einstellungen und Verhaltensweisen hinterfragen und ge-gebenenfalls verändern zu können, ist es notwendig, mit den eigenen Erfahrungen und Gefühlen inKontakt zu kommen und sie - persönlich und fachlich - zu reflektieren. Introspektion und Reflexionmit der Möglichkeit, sich selbst zu erfahren, sind somit ein wichtiges Element jeder praxisorientier-ten Qualifizierung im sozialen Feld. Mittlerweile gibt es auch vielfältige Methodenbausteine, die ei-nen Rahmen für reflexive Veranstaltungsphasen bieten.

26. Es wird respektiert, wenn Teilnehmerinnensubjektiv zu unterschiedlichen Ergebnissenkommen.

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Für das Gruppenklima ist es wichtig, daß alle ihre Position darstellen und einbringen können. Soll-ten fachliche Bedenken an einem Standpunkt auftreten, sollte die Referentin/der Referent im Sinnevon „Deutungshilfen" Position beziehen, ohne aber die Person abzuwerten.

27. Falls es Widerstände von Teilnehmerinnengegenüber bestimmten Methoden gibt, werdensie respektiert.

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Wenn eine Teilnehmerin beispielsweise starke Aversionen gegen Rollenspiele hat, sollte ihr er-möglicht werden, eine neutrale Position, z.B. die einer Beobachterin, einzunehmen.

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28. Die Teilnehmerinnen werden bei der Wahr-nehmung und Benennung ihrer persönlichenund fachlichen Kompetenzen unterstützt.

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Die Selbstwahrnehmung von Frauen basiert auf Lebenserfahrungen in einer Welt, in der ihnen dieFamilienkompetenz mit großer SeJbstverständlichkeit zugeschrieben wird. Die Sozialtsation vonFrauen ist in der Regel von klein auf darauf ausgerichtet, sozial-emotionale Kompetenzen zu ent-wickeln, die eine ganzheitliche Wahrnehmung ihrer Umwelt und eine ausgeprägte Fähigkeit, sich inandere hinein zu versetzen, möglich machen. Diese sozialen Kompetenzen sollten den Teilnehme-rinnen afs anerkennenswerte Bestandteile des eigenen Selbst bewußt sein bzw. bewußt gemachtwerden. Weitere Kompetenzen, die durch die Qualifizierung gefördert werden, wie beispielsweiseProfessionalität, Selbstvertrauen. Überzeugungskraft usw. sollten den Frauen ebenfalls erfahrbargemacht werden. Viele Frauen benötigen Unterstützung (von der Gruppe und der Referentin/demReferenten) in der Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Kompetenzen, Fähigkeiten und Talenteund sie brauchen ein Experimentierfeld, das Mißerfolge zuläßt und Erfolge ermöglicht. In der For-schung (Frauenforschung, Depressionsforschung, Streßforschung u.a.) ist bekannt, daß ein nega-tives Selbstbild („..was ich nicht kann' ,daß ich nichts wert bin' usw.) nicht selten hartnäckig vertei-digt wird und nur langsam und mit Ermutigung von außen veränderbar ist.

29. Am Ende der Veranstaitung gibt es eine kurzeZusammenfassung.

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Die Referentin/der Referent kann am Ende einer Veranstaltung in wenigen Sätzen aus ihrer/seinerSicht die Essenz des gemeinsam Erarbeiteten zusammenfassen. Auf diese Weise kann die Veran-staltung zum Schluß noch einmal „auf den Punkt gebracht" werden, was den Teilnehmerinnen dieZuordnung/den Überblick erleichtert. Eine andere Möglichkeit, die etwas mehr Zeit in Anspruchnimmt, besteht in einer gemeinsamen Schlußrunde. Dabei können alle, besonders auch die Teil-nehmerinnen, die wichtigsten Aspekte aus ihrer Sicht einbringen. Hier können dann evtl. auchThemen vermerkt werden, die bei einem folgenden Treffen noch einmal aufgegriffen werden sol-len.

30. Als Referentin/Kursletterln fühle ich mich fach-lich sicher.

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Fachkompetenz drückt sich im Zusammenhang mit der Qualifizierung für Tagespflege zuallererst inder Fähigkeit aus, die für die Tagespflege typischen Situationen und Praxisprobleme zu kennenund in ihrer Bedeutung beurteilen und behandeln zu können. Es gibt außerdem eine fachliche Si-cherheit im Sinne von Versiertheit in den relevanten Fachgebieten (z.B. Psychologie, Pädagogik)jenseits der Tagespflege. Eine solche fachliche Sicherheit kann in der Qualifizierung für Tages-mütter voll zum Tragen kommen, wenn dieses Wissen mit den für die Tagespflege typischen Si-tuationen und Praxisproblemen verknüpft wird. Fachliche Sicherheit drückt sich z.B. auch darinaus, daß die Referentin/der Referent das Konzept einer Veranstaltung flexibel handhaben und aufdie Bedarfe der Gruppe oder Einzelner eingehen kann.

Ein idealtypisches Profi! für eine Fortbildnenn in der Tagespflege basiert auf den folgenden Kom-petenzen: Eine in Tagespflege erfahrene Fachfrau, die aus einem eigenen Erfahrungsschatzschöpft bzw. fundierten Einblick in die wichtigen Praxisprobleme hat und zudem auch über Psy-chologie, Pädagogik und Erwachsenen-/Frauenbildung gut Bescheid weiß - in dem Sinne, daß sieLust am lebendigen Lernen hat, sich als Moderatorin von Lern- und Entwicklungsprozessen be-greift und die Teilnehmerinnen als Expertinnen anerkennen kann. Jede Annäherung an dieseJdealgestalt" ist für die Qualifizierung ein Gewinn.

31. Ich bringe als Referentln/Kursleiterln in dieVeranstaltung eigene Erfahrungen/Kenntnissein der Tagespflege ein.

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Verfügt eine Referentin/ein Referent weder über eigene Erfahrungen noch über fundierte Kenntnis-se in der Tagespflege, sollten unbedingt um so stärker die Erfahrungen teilnehmender Tagesmüt-ter einbezogen werden. Selbstverständlich sind die Erfahrungen der Teilnehmerinnen auch für inder Tagespflege versierte Referentinnen unverzichtbar.Im günstigsten Fall hat eine Referentin/ein Referent eigene Erfahrungen im Bereich der Tagespfle-ge oder findet Wege, sich das nötige Wissen über typische Situationen und Praxisprobleme ver-fügbar zu machen.

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32. Meine Haftung als Referentln/Kursleiterln ge-genüber den Teilnehmerinnen ist zugewandt,wohlwollend und ermöglichend.

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In den aus der Humanistischen Psychologie entstandenen Arbeitsformen für pädagogische Grup-pensituationen wird die Herstellung einer persönlichen Beziehung auf der Grundlage von Offenheitund Ehrlichkeit, Selbst-Wahrnehmung, Beachtung der eigenen Gefühle und derjenigen der ande-ren als wichtigstes Moment von positiven Interaktionsprozessen verstanden. Als grundlegendesElement wird auch die Sprache der Annahme angesehen. Einer Referentin/einem Referentenkommt insoweit Vorbildfunktion zu, als sie/er den Teilnehmerinnen die Erfahrung des Angenom-menseins und Respektiertseins als Person ermöglicht (in allen Widersprüchen und Unzulänglich-keiten' und jenseits aller sachlichen Differenzen). Diese Erfahrung können die Teilnehmerinnenidealerweise dann auf den Umgang mit den Tages- und den eigenen Kindern sowie auf den Um-gang mit den Eltern der Tageskinder übertragen.

33. Die Teilnehmerinnen erhalten von mir als Re-ferent! n/Kursleiterln die Gelegenheit, eigeneWünsche und Kritik bezüglich Themen oderMethoden einzubringen.

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Ein konstruktiver Umgang mit Wünschen und Kritik von Teilnehmerinnen kann als Ausdruck einergleichberechtigten Beziehung zwischen Referentin und Teilnehmerinnen verstanden werden, inder die Teilnehmerinnen als Expertinnen ihres eigenen Lebens- und Erfahrungshintergrundes an-erkannt werden. Dazu bedarf es auf seiten der Referentin/des Referenten kommunikativer Kom-petenz und Erfahrung, um bei flexibler Handhabung von Konzepten und teilnehmerorientiertemUnterrichtsstil den Überblick bei der Gestaltung der Veranstaltung zu behalten. Die Reife einerReferentin/eines Referenten zeigt sich darin, daß sie z.B. auch indirekte „Kritik" (wie Unruhe oderLethargie} aufgreifen und thematisieren kann („Störungen gehen vor) anstatt „Stoff durchzuzie-hen". Hilfreich kann es sein, regelmäßig um Feedback zu bitten, evtl. schriftlich und anonym.

34. Ich spreche als Referentln/Kursleiterln dieTeilnehmerinnen partnerschaftlich an.

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Die Teilnehmerinnen werden ernst genommen und als Erwachsene gleichwertig angesprochen.Verschiedene Meinungen dürfen nebeneinander bestehen - wenn nötig gibt die Referentin/derReferent eine Deutungs- bzw. Einordnungshilfe.Wichtig ist außerdem, im Kontakt mit den Teilnehmerinnen Anklänge an eine schulische Atmo-sphäre zu vermeiden. Viele Erwachsene haben in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht undbegegnen deshalb schulischen bzw. stark hierarchischen Lernsituationen mit diffuser Angst. Dasgrößte Kompliment kann deshalb sein: „Es ist gar nicht wie in der Schule!"

35. Zwischen der Gruppe der Teilnehmerinnenund mir als Referentln/Kursleiterln besteht einguter Kontakt.

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Bei gutem Kontakt kann die Referentin/der Referent die Dynamik in der Gruppe und die Befindlich-keit einzelner Teilnehmerinnen wahrnehmen und, falls nötig, darauf reagieren. Ein guter Kontakt istdaran zu erkennen, daß ein Klima der Offenheit und des Vertrauens besteht und die Teilnehmerin-nen nicht das Gefühl haben, sie müssen sich mit eigenen Anmerkungen zurückhalten. Ein guterKontakt schließt aber nicht aus, daß sich die Referentin/der Referent sich ihrer/seiner Rolle bewußtbleibt und sich gegebenenfalls auch abgrenzen kann, wenn erwartet wird, daß sie/er zur persönli-chen Freundin/zum Freund wird.

36. Das Gruppenklima ist partnerschaftlich undermöglichend.

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In der Frauenbildungsforschung wird die Bedeutung des Gruppenklimas in Bildungsangeboten fürFrauen besonders hervorgehoben. Durch die aufgrund weiblicher Sozialisation im allgemeinenausgeprägte Sozial- und Beziehungskompetenz von Frauen stellt sich häufig recht schnell einegute Basis für intensive Gruppenarbeit ein. Dennoch können z.B. mangelnde gegenseitige Akzep-tanz/roleranz, Konkurrenzgefühle, geringes Selbstwerfgefühl oder starker Selbstdarstellungsdrangden Zusammenhalt einer Gruppe beeinträchtigen und die Gruppe lähmen.

Hier im Dienste eines positiven Gruppenklimas vermittelnd tätig zu werden, gehört zu den Qualitä-ten einer kompetenten Referentin/eines Referenten. Ein grundlegendes Wissen um gruppendyna-mische Prozesse und den Umgang damit ist dabei hilfreich.

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37. Die Teilnehmerinnen wirken interessiert, le-bendig.

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Interesse und Lebendigkeit können die Teilnehmerinnen am besten in einer entspannten Atmo-sphäre entwickeln, in der sie sich weder über- noch unterfordert fühlen. Insofern kann ihre (An-teilnahme am Gruppenprozeß auch ein geeignetes Meßinstrument dafür sein wie sehr Inhalt undForm der Veranstaltung mit ihren Interessen und Bedürfnissen zusammengehen Im Ideatfall kön-nen die Teilnehmerinnen sich gelassen und mit Freude am Tun auf die Veranstaltung einlassenEin Merkmal für ein entspanntes Gruppenklima isi, wenn auch miteinander gelacht werden kann

38. Die Teilnehmerinnen sind in der Gruppe ver-traut miteinander.

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Das Gefühl des Miteinander-Vertraut-Seins stellt sich leichter ein, wenn sich die gleichen Teilneh-merinnen über mehrere Veranstaltungen hinweg in derselben Gruppenzusammensetzung treffenkönnen. Dieser Prozeß wird außerdem unterstützt durch informelle Austauschmöglichkeiten imRahmen der Veranstaltung (ausreichende Pausen, Kleingruppenarbeit).

39. Die Raumgröße ist für die Gruppe angemes-

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Da die Umgebung nicht unerheblichen Einfluß auf den Gruppenprozeß hat, sollte nach Möglichkeitversucht werden, einen angemessenen Raum zu finden. Zu große Räume können sich ebensonegativ auf eine Gruppe auswirken, wie zu kleine. Mit ungünstigen Gegebenheiten sollte konstruk-tiv umgegangen werden (z.B. Auflösung von frontalen Sitzordnungen). Für Kleingruppenarbeitsollten im Bedarfsfall geeignete Räume vorhanden sein (nach Möglichkeit anderes als Notlösungenwie ungeheizte, zugige Gänge)

40. Die Ausstattung des Raumes ist zweckmäßig.

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Wünschenswert ist, daß Medten zur Verfügung stehen, die zur Arbeit in der Gruppe gebrauchtwerden (z.B. Flipchart, Moderationsmaterial, Video-Gerät, Kasettenrecorder).

41. Der äußere Rahmen ist angenehm.

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Die Ergebnisse der Frauenbifdungsforschung belegen, daß Frauen in ihrem Lernverhalten auchdurch ein positives Ambiente positiv beeinflußt werden. So kann die Referentin/der Referent versu-chen, die Räumlichkeiten bewußt freundlich zu gestalten (z.B. durch Blumen oder themenbezoge-ne Plakate). Für die Zielgruppe der Tagesmütter ist es Alltag, andere zu versorgen. Um so dankba-rer wird aufgenommen, wenn sie selbst in einer freundlichen Atmosphäre „verwöhnt" werden. Indiesem Sinne ist es ausgesprochen günstig, wenn die Infrastruktur für die Pausen auch die Mög-lichkeit für Getränke/einen Imbiß zur Verfügung stellt. Natürlich verfügt nicht jedes Haus über einenAutomaten oder gar eine Cafeteria. In diesen Fällen hat es sich auch bewährt, daß die Teilnehme-rinnen selbst Getränke mitbringen. Für eine intensive Gruppenarbeit ist schließlich auch nochwichtig, daß sie geschützt ist vor allzu beeinträchtigenden Einflüssen aus der Umgebung (z.B. Un-terbrechungen, stark ablenkende Lärmquellen in unmittelbarer Umgebung). Das strukturell be-dingte Auftreten solcher Störfaktoren sollte nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.

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Familien ausländischerHerkunft in Deutschland

FamlUate ZeilbcwS'Ischallung

DISKURSStudien zu Kindheit, Jugend, Familie und Gesellschaft

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