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Samstag/Sonntag, 3./4. Juni 2017 – Nr. 128 AM WOCHENENDE FOTO: MAX GRÖNERT Mehr Wertschätzung, bitte! TV-Moderatorin Bettina Böttinger bangt mit Winzern und liebt Genießen in Gemeinschaft. Ein Gespräch

FOTO: MAX GRÖNERT - romana-echensperger.de · ROMANA ECHENSPERGER Gehen Sie auch selbst in denWingert? BÖTTINGER Nur wenn ein Foto-grafdabeiist.Spaßbeiseite:Allein das Wissen darum

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Samstag/Sonntag, 3./4. Juni 2017 – Nr. 128

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MehrWertschätzung, bitte!

TV-Moderatorin Bettina Böttinger bangt mit Winzernund liebt Genießen in Gemeinschaft. Ein Gespräch

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04 Magazin Samstag/Sonntag, 3./4. Juni 2017 – Nr. 128 05

WEIN SEIN&

GESPRÄCHE ÜBER GESCHMACK, GENUSS UND LEBENSART

Frau Böttinger, Sie haben einen ei-genen Weinberg mal als IhrenTraum vom Glück bezeichnet. Die-sen Traum haben Sie mit manchprominentem Weinliebhaber ge-meinsam. Ist der Weinberg derSchrebergarten für die Reichenund Berühmten?BETTINA BÖTTINGER Schöne Vor-stellung, und dann eine FC-Fahneüber allem! Ich habe aber doch nureine Weinparzelle an der Mosel,gerade mal einen Hektar groß. Dakommen bei der Lese vielleicht700 Flaschen heraus. Maximal.Und dann halt auch immer diesel-be Sorte. Also habe ich zu Rein-hard und Beate Knebel, auf derenHängen meine Parzelle liegt, ge-sagt: Ihr lest meine Reben mit, da-für kriege ich euren Wein mit Ra-batt. Das ist ein guter Deal, findeich – für uns beide.

ROMANA ECHENSPERGER GehenSie auch selbst in den Wingert?

BÖTTINGER Nur wenn ein Foto-graf dabei ist. Spaß beiseite:Alleindas Wissen darum hat mein Ver-hältnis zum Wein und auch zumWetter verändert. Ich bin näherdran. Ich bange immer ein biss-chen mit meinen Winzern mit.

Wie kamen Sie überhaupt an IhreParzelle?BÖTTINGER Das ist 20 Jahre her,eine lustige Geschichte. Ich war ander Mosel zu einer Ayurveda-Kur.Den ganzen Tag nur heißes Wasserund so.Aber ich kann stur sein undhabe das zwei Wochen durchgezo-gen. Zwischendurch kam ein Ver-treter vom Bernkasteler Ring zumir. Der hatte auch den erwähntenTraum vom Glück vernommenund fragte: „Wollen Sie sich nichtan der Terrassenmosel einkaufen?Wäre eine schöne Werbung füruns.“ Das ganze Anbaugebiet,müssen Sie wissen, schwächeltedamals. Also sind wir losgefahren,und ich habe mir das Ganze ange-sehen. Aber probiert habe ich nurWasser.

Nicht im Ernst?BÖTTINGER Doch. Ich war ja inmeiner Ayurveda-Kur. Am Endewar mein Traum trotzdem wahrgeworden – für einen sehr günsti-gen Preis. Ich habe quasi aus Was-ser Wein gemacht. Seitdem steheich als stolze Besitzerin im Grund-buch, mit Flur-Gedöns und allemPipapo. Eine Spitzenlage übri-gens, Winninger Uhlen. Aber ichwill kein Geld damit machen. Undschon gar nicht soll mein Nameauf irgendeinem Etikett stehen.

Haben Sie über Ihre Familie eineVerbindung zu Wein bekommen?BÖTTINGER Auf den Geschmackgebracht haben mich die bestenFreunde meiner Mutter.Als ich 15,16 war, nahmen sie mich öfter mitin ihren Weinkeller. Nicht sonder-lich pompös, kein Château Latourweit und breit, aber gute Rhein-gauer und Elsässer Weine. „So, fürheuteAbend suchen wir beide jetztgemeinsam eine schöne Flascheaus.“ Das hat mir gefallen. Zum18. Geburtstag bekam ich dann dieerste richtig gute Flasche Weinmeines Lebens geschenkt: einenEltviller Taubenberg aus dem Jahr1971.

ECHENSPERGER Oha, ein Jahrhun-dertjahrgang – eine Rarität!

BÖTTINGER Ja, die Flasche habeich in meiner Studentinnen-WGweggeschlossen, damit ja keinersich daran vergreift und sich eineSchorle mixt. Irgendwann habe ichsie ganz für mich allein leer ge-macht. Heute würde ich so etwasGutes nie ohne Freunde trinken.

ECHENSPERGER Das passt zu unse-rem ersten Getränk, mit dem Sie

jede gesellige Runde einläutenkönnen. Der Sekt „Freundeskreis“vom Sekthaus Krack, einem derneuen Spitzenerzeuger für Win-zersekt. Sekt in Deutschland wur-de ja lange stiefmütterlich behan-delt: Hatte der Winzer einenschlechten Wein, sagte er: Machtnix, dann wird halt Sekt daraus.

BÖTTINGER Meine Mutter trankfür ihr Leben gern Sekt. Für denKreislauf, sagte sie immer. Daswar ihr kleines Alibi. Außerdemhat sie steif und fest behauptet, siemöge keinen Champagner. Auchdas war natürlich Quatsch. Derwar ihr bloß zu teuer.

Kein Gespräch über Wein, dasnicht irgendwann beim Geld lan-det. Wie preisbewusst sind Sie?BÖTTINGER Wein wird ja gern alsPrestigesache behandelt. Als obein Wein, der etwas hermacht, aufjeden Fall einen Haufen Geld kos-ten müsste. Ich achte schon auf dasPreis-Leistungsverhältnis. Als ichvoriges Jahr meinen Geburtstaggefeiert habe, habe ich den Gästeneinen ganz tollen Rheingau-Ries-ling vom Weingut Himmel – derName ist Programm – serviert:

frisch, sauber, der Liter für sechsEuro. Alle waren begeistert. Ichgebe aber auch zu: Beim Rotweinist es schwer, unter ein bestimmtesPreisniveau zu kommen. Selbst imRestaurant passiert es mir, dass icheinen roten Schoppen vorgesetztbekomme und dann höflich sage:Ach, danke, ich hätte doch lieberein Pils.

ECHENSPERGER Kleiner Tipp: Andie Theke gehen und schauen, wosie den offenen Wein aufbewahren.Wenn er zum Beispiel auf der Kaf-feemaschine steht, dann lieber Fin-ger weg! Zum Thema Bier hat derSchriftsteller Hanns-Josef Ortheilin unserem Wein-und-Sein-Ge-spräch gesagt: Über Bier brütetman, Wein verleiht Flügel. Das ha-be ich mir sofort gemerkt.

BÖTTINGER Bier ist gegen denDurst, Wein gegen schlechte Lau-ne.

ECHENSPERGER Also, da würdeich im Extremfall doch auf Cham-pagner pochen.Aus eigener Erfah-rung! Im schlimmsten Liebeskum-mer einen Champagner, dann sagtman sich: Scheiß auf den Kerl! DasLeben geht weiter.

BÖTTINGER Ich bin ja ein großerOrtheil-Fan, müssen Sie wissen.Kennen Sie „Die Große Liebe“?Eine wunderbar leichte Liebesge-schichte, die in Italien spielt. Stän-dig denkt man: Oh, das gehtschlecht aus mit den beiden. Aberjedes Mal folgt eine Wende zumGuten. Vor allem wird ohne Endegegessen und getrunken.

Eine Obsession des Autors.BÖTTINGER Obsessiv ja, aberschööön! Ach, ich merke, so lang-sam fange ich an zu relaxen. Da se-hen Sie mal, wie einfach das beimir geht.

Hatten Sie Stress heute?BÖTTINGER Ich war seit morgensacht Uhr im Büro. Vorhin habe ichmich dann noch durch einenschlechten Film gequält, mussteich aus beruflichen Gründen an-schauen. Ich sage jetzt nicht, wel-chen.Viele deutsche Filme könnensich einfach nicht entscheiden, obsie lustig, traurig, unterhaltsamoder tiefsinnig sein wollen. Dasmachen die Amis viel besser. Ichhabe aber nicht bis zum Schlussgeguckt, weil ich pünktlich hiersein wollte.

Dann wissen Sie doch gar nicht,wie er ausgeht.

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TMänner machenmehr Bohei

Bettina Böttinger über Wein als Gender-Thema undsehr persönliche Erfahrungen aus ihrer Familiengeschichte

Bettina Böttinger, geb. 1956 in Düsseldorf,lebt mit ihrer Frau in Köln und in der Eifel.Sie wurde vor allem durch ihre Talkshowsbekannt. Böttinger ist aber auch Chefin derProduktionsfirma Encanto. Am3. Juli startetim WDR Fernsehen die Reihe „BöttingersBücher“ (22:40 Uhr), einer der ersten Gästeist der Autor Hanns-Josef Ortheil.

In unserer Gesprächsreihe „Wein&Sein“ er-zählen Prominente, was sie mit Wein ver-binden undwelche Rolle das Genießen in ih-rem Leben spielt. Die Weine, die BettinaBöttinger mit Romana Echensperger, Joa-chim Frank und Maria Dohmen probierte,sind – wie immer in unserer Serie – auch alsTipps für unsere Leser gedacht.

Romana Echensperger ist Master of Wine,Magazin-Kolumnistin und Buchautorin(„Von wegen leicht und lieblich: Das ultima-tive Weinbuch nur für Frauen“). Im KölnerRestaurant „Wein am Rhein“ kamen zweiechte Wein-Enthusiastinnen zusammen,zeitweilig komplettierte Melanie Panitzke,Sommelière des Hauses, die Runde.

Zur Person Zur PersonDie Serie

TITELTHEMA WEIN & SEIN

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06 Magazin

BÖTTINGER Egal – es gibt be-stimmt ein Happy End.

Nochmal zurück zu den Weinprei-sen. Wo liegt denn nun für Sie dieSnob-Grenze?BÖTTINGER Es gibt ja diese bla-sierten Affen… – Entschuldigung,das nehme ich zurück! Also, esgibt ja diese etwas eingebildetenMenschen, die sagen, man könnekeinen Wein unter 20 Euro trinken.Das finde ich so doof, da fällt mirgar nichts mehr ein. Wenn man

weiß, wie Wein entsteht, wie vielArbeit es dafür braucht, würde ichsagen: Für sechs Euro können Siees schaffen, einen sauberen Weinzu machen. Darunter nicht. Aberich weiß, ich muss vorsichtig sein.80 Prozent der Weine in Deutsch-land kosten unter drei Euro. Daserschreckt mich doch sehr.

Warum?BÖTTINGER Weil es sich dabei nurum verschnittene Massenwarehandeln kann. Das ist eine Strafe

Gottes. Eigentlich.Außerdem wer-den die Erzeuger für so billigenWein ähnlich ausgepresst wie ihreTrauben. Das lehne ich ab. DieDeutschen geben sehr viel GeldfürAutos aus. Sollen sie, nichts da-gegen. Ich sage nur: Wieviel mansich etwas kosten lässt, ist auch einAusdruck von Wertschätzung.Und daran fehlt es im Umgang derDeutschen mit Lebensmitteln undeben auch mit Wein. Ich meine:Wieviel ist es mir wert, einenAbend mit Freunden bei einem gu-

ten Glas Wein zu verbringen? Undwas darf die Flasche dann kosten?Wirklich nicht mehr als zwei LiterSuperbenzin? Und mal ehrlich: Abeinem gewissen Alter haben sichdie Menschen doch eh das meisteangeschafft. Die Wohnung ist voll,der Kleiderschrank, das Bücherre-gal. Warum nicht in Genuss inves-tieren? Warum nicht sagen: AndiesemWochenende gönne ich mireinen guten Wein? Ich finde dassehr sinnvoll und kein bisschenversnobt.

STECKBRIEFbeantwortet von Bettina Böttinger

2 Wann istWein tabu?

Tagsüber bei der Arbeit. Im Urlaubhingegen schaue ich, wie spät esist, und sage: „Oh, schon 13 Uhr!Dann kann’s ja losgehen.“

4 Welcher Wein hat Siezuletzt begeistert?

Moment, ich muss nachsehen. Das stehtin meinem Merkheft für Genuss und Lust-barkeit: ein 2014er Elsässer vom WeingutHausherr in Eguisheim. Ein Geschenk vonHarald Krassnitzer. Fantastisch!

5 Was ärgert Sie imZusammenhang mit Wein?

Wenn ein Sommelier im Restaurant aufChi-Chi und Etepetete macht.

6 Ihr Lieblingsessen mitdem passenden Wein?

Die Entscheidung fällt mir schwer.Aber ich lege mich mal fest undsage: Lamm mit einem deutschenSpätburgunder.

7Welchen Wein habenSie zuletzt verschenkt?

Ich glaube, tatsächlich einen Riesling vom Weingut Knebel an der Mosel, wo ichmeine eigene Weinparzelle habe – als Mitbringsel für zwei alte Freundinnen in Berlin.

1Zu einem guten Essen nicht,und auch nicht, wenn es etwaszu feiern gibt.

Wann darf für Sie ein Weinauf keinen Fall fehlen?

3 Ein besonders schönesErlebnis mit Wein?

Nein. Da geht es mir wie bei der Frage,„wer war in Ihrer Sendung der liebsteGast?“. Ich habe ungezählte interessan-te Gespräche mit interessanten Gästengeführt. Meistens erinnere ichmich be-sonders begeistert an die jeweils letz-ten. Aber ich mache keine Hitliste. Vonmeinen Gästen nicht und auch nichtvon meinen Weinen.

TITELTHEMA

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08 Magazin Samstag/Sonntag, 3./4. Juni 2017 – Nr. 128 09

ECHENSPERGER Der Unterschiedist vielleicht der zwischen einembloßen Getränk und einer Ge-schichte. Winzerweine stehen ge-gen denTrend der globalenVerein-heitlichung. Jedes Jahr liefert derWinzer ein anderes Produkt ab undeine individuelle Leistung, auf dieer zu Recht stolz ist.

BÖTTINGER Wein mit Geschichte,das gefällt mir. Genau wie Wein alsLebensmittel – ein großartigesWort! Ein Auto ist definitiv keinLebensmittel.

ECHENSPERGER Ich habe von Ih-rem sozialen Engagement gehört.Deshalb habe ich einen PfälzerRiesling vom Weingut der Lebens-hilfe Bad Dürkheim mitgebracht.Ein Betrieb, der Menschen mitgeistiger Behinderung in die Ar-beit einbindet. Sie schneidenTrau-ben, keltern, alles Mögliche. Michhat die Gemeinschaft sehr berührt,und die Weine finde ich sehr gut.

BÖTTINGER So etwas finde ichgroßartig! Wein hat wesentlich mitGemeinschaft zu tun. Essen undTrinken verbindet. Gerade fürmich als gesellige Rheinländeringibt es kaum etwas Schöneres. Das

hat fast etwas Religiöses: sich anden Tisch setzen, sich eingeladenund willkommen geheißen fühlen,das Mahl teilen. Den Gedankender Einladung habe ich auch vonzu Hause mitbekommen. In mei-ner Familie wurde gern gegessenund getrunken. Nicht hochpreisig,Delikatessen gab es in meiner Ju-gend nur zu hohen Feiertagen.

In welchen Verhältnissen sind Siegroß geworden?BÖTTINGER Mein Vater kam ausgutbürgerlichem Haus, meineMutter eher aus kleinen Verhält-nissen. Aber sie war die Intelligen-

tere. Und sie hatte den schärferenWitz, weil sie das härtere Lebengehabt hatte.Wir haben immer vielgeredet, heiß diskutiert. Der Aus-tausch war wichtig. Mit einer we-sentlichen Einschränkung: nichtsPersönliches! Null. Über Politikkonnten wir uns fetzen. Aber wirhaben nie über unser Innerstes ge-sprochen. Ich hätte mich zum Bei-spiel niemals getraut, meine Elternzu fragen, wie sie sich kennen- undliebengelernt haben.

Tut Ihnen das leid?BÖTTINGER Sehr. Das Sterbenmeiner Mutter war deshalb ein be-

sonders schwieriger Prozess fürmich. Weil viel zwischen uns un-ausgesprochen war. Wir haben unssehr geliebt, waren sehr aufeinan-der bezogen, aber es war nie ein-fach. Glücklicherweise ist meineMutter sehr alt geworden, 82 Jahre.Was keiner gedacht hätte, weil sieihr Leben lang Tuberkulose hatte –eine Spätfolge der Kriegszeit. Inmeiner Kindheit sagten alle: Hof-fentlich lebt die Mami noch einbisschen. Super – für ein kleinesMädchen! Wir hatten dann nocheine sehr lange Zeit miteinander.Aber es ist immer etwas offenge-blieben. Da sind wir auch wiederbeim Thema Wein.

Wieso?BÖTTINGER Wir brauchten einenSchluck, um wenigstens ein biss-chen zu entspannen. Ihre letztenLebensjahre hat meine Mutter ineinemAltersheim verbracht. Wennich sie besuchte, sagte sie : „Machuns mal ’ne Flasche Wein auf!“Das nahm die Angst, vor allem vorihrer Luftnot. Sie hatte kleineWeingläser aus dünnem Glas, oh-ne Stiel. Sehr fein. Meine Mutterwar eine große Ästhetin. Nach ei-nem Gläschen traute sie sich, et-was aus sich herauszugehen. Oder

Was darf der Wein mitFreunden kosten?

Wirklich nicht mehrals zwei LiterSuperbenzin?

wir gingen essen. Sie sehen, das istbei mir so angelegt – nicht gene-tisch, aber in der emotionalen Prä-gung: Wer sich etwas Gutes tunwill, geht essen und trinkt einenWein. Wenn ich selber in der Kü-che stehe, gehört ein kleines GlasWein dazu, genau so eines von derSorte, wie meine Mutter sie hatte.

Wenn Gefühle und Beziehungsthe-men tabu waren, wie gingen IhreEltern dann damit um, dass Sie ei-ne Frau lieben?

BÖTTINGER Das war schon sehrschwierig – es zu sagen und alsPaar offen zu leben. Zumal das jabereits ein paar Jahre her ist. Heuteerlebe ich eine ganz andere Gene-ration von Frauen, die Frauen lie-ben: viel selbstbewusster, zahlrei-cher auch in der Öffentlichkeit.Und ich denke: Wow!

Fühlen Sie sich als Wegbereiterinfür die Generation nach Ihnen?BÖTTINGER Ich sehe es für michüberhaupt nicht so, und ich wollte

auch nie, nie, nie die Fernseh-Les-be vom Dienst sein. Aber ich be-komme oft Post von Frauen, diemir schreiben: „Klasse, was Siegemacht haben – auch für uns.“

ECHENSPERGER Meine KolleginMelanie Panitzke, bei der wir heu-te zu Gast sind, hat zum Schluss ei-nen Rosé für Sie ausgesucht. Mö-gen Sie Rosé?

BÖTTINGER Um ehrlich zu sein,ich kenne keinen deutschen Rosé,

der mir richtig gut schmeckt. Viel-leicht bin ich verdorben, seit ichvor gefühlt tausend Jahren im Ban-dol war und diesen wunderbaren,kräftigen Rosé getrunken habe.

ECHENSPERGER Ich hoffe, derRosé vom Weinhaus Schumannwird Sie vom Gegenteil überzeu-gen. Es ist ein trocken ausgebauterund kräftiger Rosé, der nicht ein-fältig fruchtig daher kommt, son-dern richtig komplex. Er sollte da-her auch eher zum Essen getrun-

DIE WEINE

Von Sekt aus der Pfalz bis Riesling von der Mosel – Romana Echensperger stellt die verkosteten Weine vor

2012 Freundeskreis brut / PinotCuvée / Sekthaus Krack / Pfalz /18 Euro, www.krack-sekt.de

Für Spitzensekte braucht es vielWissen, das sich von den Prinzipi-en der Stillweinerzeugung deut-lich unterscheidet. Die drei Jung-winzer von Krack können sichrein auf die Feinheiten der Fla-schengärung konzentrieren undführen damit das Thema Deut-scher Sekt auf neue Höhen. Der„Freundeskreis“ ist ihr Top-Wein,eine Cuvée aus Burgunderwei-nen, die nach der zweitenGärungin der Flasche 38 Monate lang aufder Hefe reifen konnten. Der Sektbesticht durch besondere Fein-perligkeit. Der Duft ist eine kom-plexe Mischung aus Aromen vonBrioche, weißen Mandeln und ge-trockneten Früchten. Der Gau-men wird von einer feinen Perla-ge umspielt, hinzu kommt eineausgewogene Säure. Ein Sekt dertrotz aller Nachhaltigkeit ver-spielt und leicht daherkommt.

Der Verspielte

2016 Dürkheimer RieslingWeinbau der Lebenshilfe /Pfalz / 8,50 Eurowww.lebenshilfe-weinbau.de

Zum Betrieb Weinbau der Le-benshilfe gehören beste Lagenrund um die Pfälzer Weinhoch-burg Bad Dürkheim. Menschenmit geistiger Behinderung pfle-gen mit großem Enthusiasmusund unter Anleitung erfahrenerWinzer die teils sehr alten Reben.Die Anlagen werden biologischbewirtschaftet und die Traubenmit modernster Kellertechnikschonend verarbeitet. Die Pfalzgiltmit ihremmilden Klima als dieToskana Deutschlands. DieserRiesling ist ein typisch saftigerVertreter mit intensiven Aromenvon reifen Weinbergspfirsichen,weiße Blüten, Zitrusfrüchten undeinem Hauch Exotik. Ein mittel-kräftiger Weißwein mit zart cre-miger Textur, der die frische Säu-re perfekt einbindet. Bestes Preis-Genussverhältnis.

Der Saftige

2016 Riesling „Von den Terras-sen“ / Weingut Knebel /Mosel / 12,50 Eurowww.weingut-knebel.de

Bettina Böttinger haben es diebeeindruckenden Steillagen ander Terrassenmosel bei Koblenzangetan. Hier besitzt sie einStück von der mittlerweile be-rühmten Lage Winninger Uhlen,das von Familie Knebel bewirt-schaftet wird. Die Reben müssenhier per Hand bearbeitet werden.Das hebt den Preis, dafür wirdman mit einem unbändigen Ries-ling-Charakter belohnt. Der Weinverströmt intensive Aromen vonreifer Ananas, Weinbergspfirsich,Rauchspeck und Kräuterwürze.Am Gaumen angenehm trockenmit saftigen Fruchtaromen, hin-zu kommt eine körnige Texturmit einer ganz eigenen salzig-rau-chigen Mineralität. Ein großarti-ger und ganz eigener Riesling, derim Geschmack eindeutig seineHerkunft verrät. Mosel eben.

Der Charaktervolle

2015 Blauer SpätburgunderRosé „Mittenmang“ / WeinhausBettina Schumann / Baden /9,90 Eurowww.schumann-wein.com

Die Empfehlung von Melanie Pa-nitzke, Sommeliere im Wein amRhein: Die Weine von BettinaSchumann sind alles andere alsder Standard im Rosé-Bereich.Mutig und konsequent bringt diejunge Winzerin einen strukturier-ten, kraftvollen Rosé auf die Fla-sche. Sein Geschmack hat nichtsmit den erdbeerigen und süßenWeinen zu tun, die man inDeutschland oft bekommt. Fürmich ist Schumann, die nach demÖnologiestudium und einigenStationen als Kellermeisterin2014 ihr eigenes Weinhaus amKaiserstuhl gründete, für Rosédie Entdeckung des Jahres. Siebringt damit sogar einen einge-fleischten Rieslingtrinker wiemich ins Wanken, wenn es umdie Wahl des Sommerweins geht.

Der Überraschende

TITELTHEMA WEIN & SEIN

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ken werden. Sie erwähnten, dassSie kochen.

BÖTTINGER Sehr gerne, und meineFrau sagt sogar, sehr gut. Aber ichmag nur die einfachen, klaren Ge-richte. Ambitionierte, filigran-raf-finierte Rezepte überfordern mich.

ECHENSPERGER Ein guter Rosé istals Weinbegleiter ein Joker. WennSie mal nicht wissen, was Sie zu ei-nem Gericht servieren sollen –Rosé passt immer. Mit Tomaten et-wa haben alle anderen Weine esschwer. Rosé ist die Rettung.

BÖTTINGER Danke für den Tipp!

Da fachsimpelt nun eineSommelière, die gerade „das ulti-mative Weinbuch nur für Frauen“geschrieben hat, mit einer stolzenWeinparzellenbesitzerin über denWein einer Winzerin – das riechtdoch alles sehr nach Gender.BÖTTINGER Frauen sind in demMetier auf dem Vormarsch. Dasmag bei den Winzern mit einerHäufung an Betriebsübergaben zutun haben. Da findet gerade einGenerationenwechsel statt. AberFrauen haben es nach wie vor nichtleicht. Als bei den Knebels an der

Mosel der Mann Reinhard plötz-lich starb und seine Frau Beate al-les übernehmen musste, weil ihreJungs noch zu klein waren – da wardas für sie unter den Kollegennicht so richtig gemütlich. Siemusste sehr um ihren Platz kämp-fen und „ihren Mann stehen“.

ECHENSPERGER Im Wort Wein-bauer schwingt das noch mit. Frü-her war es halt nicht vorgesehen,die Töchter als Erbinnen zu beden-ken. Maggie Henriquez, die Che-fin des prestigeträchtigen Cham-pagnerhauses Krug, hat unlängstzu mir gesagt: Weißt du Romana,wir müssen unseren Töchtern bei-bringen, dass sie nicht mehr in ers-ter Linie geliebt, sondern respek-tiert werden wollen. Das ist fürFrauen die wichtigste Lektion.Wie erleben Sie das als Chefin ei-ner eigenen Produktionsfirma?

BÖTTINGER Einer sehr kleinen Fir-ma. Da wird das Miteinandergroßgeschrieben. Wir haben, findeich, eine sehr gute Atmosphäre.Für meine Begriffe manchmal fastzu lässig. Da wird es schwierig,wenn man glaubt, autoritär werdenzu müssen. Wollte ich heute alsChefin andere Saiten aufziehen,

würde das nicht funktionieren. Zuspät! – muss ich sagen. Wie ist esfür Frauen in der Gastro-Szene?

ECHENSPERGER Schwierig. BeimArbeiten lassen die Männer unsran, aber wenn das Brot verteiltwird, sitzen wir nicht mit amTisch,um es bildlich auszudrücken. Dasist ein Grund, warum ich ausge-stiegen bin. Auf diese Geschlech-terhierarchie hatte ich keine Lustmehr. Zudem sind Männer in unse-rem Metier oft so verkniffen. Diekönnen stundenlang über einemGlas schnüffeln, während ichschon längst denke: Mensch,komm, jetzt trink doch endlich!Frauen sind da entspannter.

BÖTTINGER Männer machen ein-fach mehr Bohei. Ich sage schonwieder Entschuldigung, HerrFrank, aber so ist es einfach.

Was soll ich sagen? Ich bin hier ehkrass in der Unterzahl. Und ichwill Ihnen natürlich nicht dasSchwelgen in Klischees vermiesen.ECHENSPERGER Irgendwann habeich damit zu spielen begonnen.Man kann sich als Frau in derGourmet-Gastronomie ja so wun-derbar blöd stellen.

BÖTTINGER Als Gast oder als Mit-arbeiterin?

ECHENSPERGER Als Sommelière.Einmal hatte ich das Bild von ei-nem Macker zu bedienen. Der hat-te so eine junge Begleiterin und tatvor ihr wahnsinnig großkotzig. Ichbringe ihm einen Rotwein. Sagt er:Schon eine tolle Rebsorte, dieserAvignonesi. – Klar, stand ja auf derFlasche.

BÖTTINGER Aber so heißt dochkeine Sorte, sondern ein berühm-tes Weingut in der Toskana.

ECHENSPERGER Eben. Sage ich al-so zu ihm: Toll! Es gibt nicht vieleLeute, die so eine Ahnung vonWein haben wie Sie.

BÖTTINGER Sie können ja richtigböse sein!

ECHENSPERGER In dem Fall ja,und ich hatte einen diebischenSpaß dabei.

BÖTTINGER Darauf trinken wir!

Das Gespräch führten Joachim Frank

und Maria Dohmen

Der Austausch warin meiner Familiewichtig. Mit einer

wesentlichenEinschränkung:

nichts Persönliches!

Die schreckliche Fratze des Musikbusiness

W ährend ich diese Kolum-ne schreibe, klettern dieTemperaturen in Rich-

tung 30 Grad. Angeblich sind so-gar 35 möglich.

Mein Büro befindet sich imDachgeschoss. Ich kann also nichtausschließen, dass mein Gehirngerade komplett überhitzt ist, äch-zend vor sich hin dampft, mit letz-ter Kraft nach Wasser giert – kurz-um: sich in einem beklagenswer-ten Zustand befindet, in denenHalluzinationen der allerübelstenSorte nicht überraschend kämen,sondern geradezu sekündlich zuerwarten sind.

Oha, da ist schon eine! Ich seheund höre: den Rapper Kay One, derüber die Melodie des finsterenEvergreens „Brother Louie“ Zei-len wie folgende schmunzelt:

„Deine Frau zieht sich aus für ’neLouis, Louis, Louis / Sie ist reich,mir gefällt ihre Louis, Louis, Louis/ und wär’ das hier das Dschungel-buch, wär’ ich King Louis, Louis,Louis.“ Schlimm, was Hitze miteinem Hirn ver-anstalten kann.Wobei ich na-türlich nichtvöllig aus-schließen kann,dass dieser Tonund Bild ge-wordene Wahn-sinn gar keine Ausgeburt einessich in Auflösung befindlichenHirns ist, sondern: Realität.

Die schreckliche Fratze des realexistierenden Musikbusiness. Dasneue Monster aus dem Höllenla-bor der deutschen Pop-Industrie.

„Mein Hirnbehauptet, es seikeine alte Dame,sondern Blunt“

Man muss sagen, dass große Teiledessen, was uns hierzulande alsHip-Hop verkauft wird, eine Qua-lität erreicht haben, die geradezunach einer Wiederauflage des hu-moristischen Gemütlichkeits-Su-

per-GAUs„Zum blauenBock“ schreit.

Mein schnau-bendes Hirnschlägt als Titel„Zum krassenBock“ vor, Die-ter Bohlen bab-

belt hessisch und lässt von derschunkelnden Meute die „Bitchdes Monats“ wählen.

Kay One streckt mit einem Bem-bel Bushido nieder, Sido schnieftÄppelwoi, und Stargast MarkForster bringt mit einem innovati-

ven „Ohohohohohoooo“-Chor einwenig Nachdenklichkeit in diemuntere Sause.

Erwähnte ich schon, dass es inmeinem Büro sehr, sehr heiß ist?Jedenfalls: Kay One fabriziert zu-sammen mit Dieter Bohlen „LouisLouis“ und landet damit auf Rang12. Ich fände es tröstlich, wenn daswirklich nur eine Halluzinationwäre, doch gehe ich davon aus: Esist Realität – genauso wie der mü-de Dancepop-Quatsch von RobinSchulz, der mir gerade um die Oh-ren weht. Schon seltsam, dass ereine alte Frau dazu singen lässt.Und dass er den Gesang dann auchnoch extraschnell abspielt! Irre.Mein Hirn behauptet übrigens, ge-lesen zu haben, das sei keine alteDame sondern James Blunt. So’nQuatsch. Platz 8 für „OK“.

NEU IN DEN CHARTS von Marcus Bäcker

Rauschende RückkehrBLUES

In einem anderem Zeitalter der Unterhal-tungselektronik war die kanadische Sän-gerin Leslie Feist groß rausgekommen.

Mit dem Song „1234“ von ihremAlbum „TheReminder“ unterlegte der US-Konzern 2007einen Werbespot für den iPod Nano (noch imgleichen Jahr kam das erste iPhone auf denMarkt, das Ergebnis kennen wir). Der an-schließende Medienhype gipfelte in Auftrit-ten in der „Sesamstraße“ und bei „SaturdayNight Live“. Doch anstatt auf dieser Welle zusurfen, machte Feist erst einmal eine Pause.Das nächste Album „Metals“ ließ vier Jahreauf sich warten, dem neuesten Werk „Pleasu-re“ gingen sogar fast sechs Jahre Funkstillevoraus. Die Plattenfirma schreibt in so einenFall gerne, dass sich eine Künstlerin „neu er-funden“ hat und den „Erwartungshaltungentrotzt“, während Frauenzeitschriften liebervon einem „Trennungsalbum“ raunen. In die-sem Fall gilt: Beide haben recht.

Feist im „Reminder“-Format war – okay,der Vergleich ist ein bisschen böse – die bes-sere Norah Jones. Doch mit den freundlichgehauchten, geschmeidig arrangierten Balla-den à la „My Moon My Man“ oder „Limit toYour Love“ (bekanntgeworden durch die Co-verversion von James Blake) ist es weitge-hend vorbei. Stattdessen wendet sich die Sän-

gerin auf „Pleasure“ elektrifizierten, sprödenBlues-Miniaturen zu. Im Titelsong und imStück „Lost Dreams“ wird das am deutlichs-ten. Wir hören über weite Strecken nur FeistsGesang, und ihr ungefiltertes Gitarrenspielauf der Les Paul Junior. Ein Kollege von „ZeitOnline“ verglich den Gitarrensound in denlauten Momenten der Platte mit einem „ver-stopften Grünschnitthäcksler“.

Für Alle, die es nicht so mit der Gartenar-beit haben: In der Abmischung ist eben auchdas Verstärkerrauschen stehen geblieben, ob-wohl von Toningenieuren und Produzentengemeinhin als störend empfunden. Hier wirktes wie ein „Achtung, authentisch!“-Gütesie-gel, erinnert an Feists Zeit mit der PunkbandBroken Social Scene oder an „To Bring YouMy Love“, das Frühwerk von PJ Harvey. Bei„I’m Not Running Away“, dem schönstenSong des neuen Albums, verbeugt sich Feistvor dem großen NeilYoung, ächzende Strom-gitarre im Zeitlupen-Modus. Während ihrLandsmann wie ein Geist über „Pleasure“schwebt, ist Jarvis Cocker als realer Gaststarzugegen – und veredelt mit seiner sonorenSpoken-Word-Performance das Stück „Cen-tury“. Einen iPod Nano braucht 2017 keinMensch mehr – ein neues Feist-Album schon.

Thorsten Keller

FEIST„Pleasure“

ÜBRIGENS:Zusammen mit der Sängerin Peachesund dem Pianisten Chili Gonzales lebteFeist 2000/2001 in einer kanadischenWG im damals noch touristisch unver-sauten Prenzlauer Berg in Berlin. Auchauf dem Peaches-Album „The Teachesof Peaches“ sang sie mit – unter demPseudonym „Bitch Lap Lap“.

Feist spielt am 24. Juli im Tempodromin Berlin (einzige Deutschland-Show)

Hören Sie doch auch mal: Kings ofConvenience: Riot on an Empty Street

TITELTHEMA