1
IN|FO|NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2012; Vol. 14, Nr. 6 69 Kongressbericht Aktuell Fragebogen hilft zwischen Durchbruchschmerz und mangelnder Dauertherapie zu differenzieren Häufig kommt es bei Tumorschmerzpa- tienten zu vorübergehenden Schmerz- exazerbationen. Ob Durchbruchschmerzen oder eine insuffiziente medikamentöse Dau- ertherapie im Einzelfall daran Schuld sind, ist für die Patienten oftmals schwer zu un- terscheiden. Hilfe bei der richtigen Ein- schätzung bietet der „DGS Praxisfragebo- gen zur Therapiesicherheit bei tumorbe- dingten Durchbruchschmerzen“. Durchbruchschmerzen besser identifizieren In Zusammenhang mit der neuen Praxis- leitlinie zur Therapie bei Durchbruch- schmerzen entwickelte die Deutsche Gesell- schaft für Schmerztherapie (DGS) den Praxisfragebogen. Er soll helfen, Durch- bruchschmerzen besser zu erkennen und Hilfestellung bei differenzialtherapeuti- schen Überlegungen zu geben, erläuterte PD Dr. Michael Überall, Nürnberg. 20 Fragen zu verschiedenen Aspekten von Dauerschmerzen und Schmerzattacken können die Patienten selbst beantworten. Zudem enthält der Fragebogen einen Vor- druck für den Arzt, auf dem er die Informa- tionen des Patienten zusammenführt. So wird schnell deutlich, ob man aufgrund der Schmerzattacken eventuell die Dauerthera- pie optimieren oder die Bedarfsmedikation anpassen muss. Wenn Schmerzexazerbatio- nen regelmäßig zum Ende des Dosierungs- intervalls der Basismedikation („end of dose failure“) auftreten, ist eine Dosisanpassung erforderlich. Bei Durchbruchschmerzen, spontan auftretenden Schmerzspitzen, kön- nen sehr schnell freisetzende Opioide (na- sales oder oral-transmukosales Fentanyl) oder schnell freisetzende Opioide wie zum Beispiel nicht retardiertes orales Oxycodon, Hydromorphon die Bedarfsmedikation der ersten Wahl sein. Bei nicht vorhersehbaren Durchbruchschmerzen, ausgelöst etwa durch Husten, Niesen oder Defäkation, sind von Patienten selbst anwendbare schnell freisetzende Fentanyl-Präparate erste Wahl. Therapie individuell abstimmen Zudem können diese Präparate auch diffe- renziert eingesetzt werden: Bei Patienten mit Dysphagie, Xerostomie oder Mukositis sind zum Beispiel nasale Präparate von Vor- teil. Bei Epistaxis oder nasalen Befunden sind dagegen oral-transmukosal anwend- bare Substanzen eine Option. Ist das Auf- treten von Durchbruchschmerzen vorher- sehbar, etwa wenn sie immer morgens beim Aufstehen oder bei physiotherapeutischen Übungen einsetzen, können die Patienten die Schmerzen durch die rechtzeitige Ein- nahme von schnell wirksamem oralem Morphin, Oxycodon oder Hydromorphon verhindern. Diese Medikamente sind aber nicht mehr zu dem Zeitpunkt geeignet, an dem der Durchbruchschmerz bereits einge- setzt hat, da ihre Wirkung aufgrund der Magenpassage zu spät einsetzt und dann auch unnötigerweise über Stunden andau- ert. Der Praxisfragebogen wird auf der Homepage der DGS (www.dgschmerzthe- rapie.de) als Download zur Verfügung ge- stellt. Ulrike Maronde Qualit t Sie lesen Damit das auch so bleibt, befragen wir Sie in Kooperation mit in den n chsten Wochen. Ihr Urteil ist uns wichtig. Bitte nehmen Sie teil! Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V. W i r s t e h e n f ü r Q u a l i t t . K o m m u n ik atio n s fo rs c h u n g i m G e s u n d h e its w e s e n e . V . Oft nicht erkannt: Schmerz bei Demenz Bei Demenzkranken können Verhaltens- störungen auch durch Schmerzen verstärkt werden. Eine adäquate Schmerztherapie bessert dann auch die Verhaltensprobleme. Aber Schmerzen werden bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz oft nicht erkannt und erfasst – daher unterbleibt eine adäqua- te Schmerztherapie. „Patienten ohne De- menz erhalten dreimal mehr Analgetika als Patienten mit Demenz“, so Professor Betti- na HusebØ, Bergen, Norwegen. Schmerzen bei Demenzkranken zu er- kennen, die keine Auskunft mehr geben können, bleibt eine Herausforderung. Hier sind beobachtungsbasierte Skalen wie die BESD (BEurteilung von Schmerzen bei De- menz), die Skala ECPA (Echelle Comporte- mental de la douleur pour Personnes Agées non communicantes) oder MOBID-2 (Mo- bilisation Observation Behaviour Intensity Dementia) für die Schmerzerfassung sehr hilfreich. HosebØ hob hervor, dass Verhal-

Fragebogen hilft zwischen Durchbruchschmerz und mangelnder Dauertherapie zu differenzieren

  • Upload
    ulrike

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

IN|FO|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 6 69

Kongressbericht Aktuell

Fragebogen hilft zwischen Durchbruchschmerz und mangelnder Dauertherapie zu differenzieren

■ Häufig kommt es bei Tumorschmerzpa-tienten zu vorübergehenden Schmerz-exazerbationen. Ob Durchbruchschmerzen oder eine insuffiziente medikamentöse Dau-ertherapie im Einzelfall daran Schuld sind, ist für die Patienten oftmals schwer zu un-terscheiden. Hilfe bei der richtigen Ein-schätzung bietet der „DGS Praxisfragebo-gen zur Therapiesicherheit bei tumorbe-dingten Durchbruchschmerzen“.

Durchbruchschmerzen besser identifizierenIn Zusammenhang mit der neuen Praxis-leitlinie zur Therapie bei Durchbruch-schmerzen entwickelte die Deutsche Gesell-schaft für Schmerztherapie (DGS) den Praxisfragebogen. Er soll helfen, Durch-bruchschmerzen besser zu erkennen und Hilfestellung bei differenzialtherapeuti-schen Überlegungen zu geben, erläuterte PD Dr. Michael Überall, Nürnberg.

20 Fragen zu verschiedenen Aspekten von Dauerschmerzen und Schmerzattacken können die Patienten selbst beantworten. Zudem enthält der Fragebogen einen Vor-druck für den Arzt, auf dem er die Informa-tionen des Patienten zusammenführt. So wird schnell deutlich, ob man aufgrund der Schmerzattacken eventuell die Dauerthera-pie optimieren oder die Bedarfsmedikation anpassen muss. Wenn Schmerzexazerbatio-nen regelmäßig zum Ende des Dosierungs-intervalls der Basismedikation („end of dose failure“) auftreten, ist eine Dosisanpassung erforderlich. Bei Durchbruchschmerzen, spontan auftretenden Schmerzspitzen, kön-

nen sehr schnell freisetzende Opioide (na-sales oder oral-transmukosales Fentanyl) oder schnell freisetzende Opioide wie zum Beispiel nicht retardiertes orales Oxycodon, Hydromorphon die Bedarfsmedikation der ersten Wahl sein. Bei nicht vorhersehbaren Durchbruchschmerzen, ausgelöst etwa durch Husten, Niesen oder Defäkation, sind von Patienten selbst anwendbare schnell freisetzende Fentanyl-Präparate erste Wahl.

Therapie individuell abstimmenZudem können diese Präparate auch diffe-renziert eingesetzt werden: Bei Patienten mit Dysphagie, Xerostomie oder Mukositis sind zum Beispiel nasale Präparate von Vor-teil. Bei Epistaxis oder nasalen Befunden sind dagegen oral-transmukosal anwend-bare Substanzen eine Option. Ist das Auf-treten von Durchbruchschmerzen vorher-sehbar, etwa wenn sie immer morgens beim Aufstehen oder bei physiotherapeutischen Übungen einsetzen, können die Patienten die Schmerzen durch die rechtzeitige Ein-nahme von schnell wirksamem oralem Morphin, Oxycodon oder Hydromorphon verhindern. Diese Medikamente sind aber nicht mehr zu dem Zeitpunkt geeignet, an dem der Durchbruchschmerz bereits einge-setzt hat, da ihre Wirkung aufgrund der Magenpassage zu spät einsetzt und dann auch unnötigerweise über Stunden andau-ert. Der Praxisfragebogen wird auf der Homepage der DGS (www.dgschmerzthe-rapie.de) als Download zur Verfügung ge-stellt.

Ulrike Maronde

Qualit tSie lesen

Damit das auch so bleibt,

befragen wir Sie in

Kooperation mit

in den n" chsten Wochen.

Ihr Urteil ist uns wichtig.

Bitte nehmen Sie teil!

Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V.

W

ir stehen für Qualit"t.

Kom

mun

ikationsforschung im Gesundheitswesen e.V.

Oft nicht erkannt: Schmerz bei Demenz

■ Bei Demenzkranken können Verhaltens-störungen auch durch Schmerzen verstärkt werden. Eine adäquate Schmerztherapie bessert dann auch die Verhaltensprobleme. Aber Schmerzen werden bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz oft nicht erkannt und erfasst – daher unterbleibt eine adäqua-te Schmerztherapie. „Patienten ohne De-menz erhalten dreimal mehr Analgetika als Patienten mit Demenz“, so Professor Betti-na HusebØ, Bergen, Norwegen.

Schmerzen bei Demenzkranken zu er-kennen, die keine Auskunft mehr geben können, bleibt eine Herausforderung. Hier sind beobachtungsbasierte Skalen wie die BESD (BEurteilung von Schmerzen bei De-menz), die Skala ECPA (Echelle Comporte-mental de la douleur pour Personnes Agées non communicantes) oder MOBID-2 (Mo-bilisation Observation Behaviour Intensity Dementia) für die Schmerzerfassung sehr hilfreich. HosebØ hob hervor, dass Verhal-