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Fraunhofer in Benediktbeuern Glashütte und Werkstatt

Fraunhofer in Benediktbeuern, Glashütte und Werkstatt · 2019-04-13 · 4 Fraunhofer in Benediktbeuern Dr. Wolfgang Jahn berichtet über Joseph von Fraunhofer, sein Schicksal als

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Inhalt

Dr. Wolfgang Jahn »Er hat uns die Sterne näher gebracht.« Zum Leben des Joseph von Fraunhofer 4

Joseph von Fraunhofer Lebenslauf in Daten 16

Dr. Josef KirmeierForschung und Produktion Glasherstellung und optische Werkstatt in Benediktbeuern 18

Pater Prof. Dr. Dr. Leo WeberJoseph von Utzschneider und Joseph von Fraunhofer im ehemaligen Benediktinerkloster Benediktbeuern, 1805 –1818 32

Christoph MewesDie Ausstellung: Glashütte und Werkstatt 40

Carl R. PreyßFraunhofers Bedeutung 44

Literatur 47

Impressum 48

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Joseph von Fraunhofers Forschung imBereich der Optik war bahnbrechendund hat diesen Zweig der Techniknachhaltig beeinflusst. Seine Arbeitenverschafften ihm große Anerkennungin der Wissenschaft. Aber auch als Er-finder und Unternehmer setzte er neueMaßstäbe.

Fraunhofers Wirkungsstätte – unddamit die Wiege der modernen Glas-industrie – befand sich zu Beginn des19. Jahrhunderts in Benediktbeuern.Als Verantwortlicher für Forschung und Produktion machte er die hiesige Glashütte zu einem profitablen Unternehmen. Die großen technischen Probleme, die bei der Glasherstellungdamals auftraten, konnte Fraunhoferlösen, weil er drei Dinge sinnvoll zuverknüpfen verstand: die Forschung,die Umsetzung der Forschungsergeb-nisse in Anwendungen und die Vermarktung der fertigen Produkte.

Fraunhofer hat dieses Prinzip am deut-lichsten mit seinen Refraktoren verwirklicht, großen astronomischenFernrohren, deren Linsen eine für diedamalige Zeit herausragende techni-sche Leistung darstellten. Eines dieserGeräte, gefertigt um 1820 in der Werk-statt von Fraunhofer und Utzschneider,mit einem Objektivdurchmesser von163 Millimeter und einer Brennweitevon 2,5 Meter, befindet sich heute im Foyer der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft in München.

Die Werkstatt Joseph von Fraunhoferszur Herstellung optischer Geräte warlange Jahre im Stadtmuseum Münchenausgestellt. Im Jahr 2008 konnte sie in die Glashütte von Benediktbeuernintegriert werden. Original-Schleif-maschinen gehören ebenso zum Inven-tar wie Schutzmasken der Glaskochergegen die Hitze, Glasproben und Pris-men. Wer sich für das Wirken diesesgenialen Forschers und Unternehmersinteressiert, findet dessen Arbeitsum-feld jetzt an einem Ort umfassend prä-sentiert.

An Bau und Erweiterung des Glashüt-tenmuseums haben viele Menschenmitgewirkt, bei denen wir uns herzlichbedanken. Besonderen Dank schuldenwir Herrn Carl R. Preyß, einem Grün-dungsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft. Als Initiator des Ausbausengagierte er sich unermüdlich, umdas Projekt zu einem erfolgreichen Ab-schluss zu führen. Das Kloster Bene-diktbeuern überließ uns die neuenRäume, das Deutsche Museum half mitfachkundiger Beratung, und das Stadt-museum München stellte die Exponatezur Verfügung. Als Sponsoren der Er-weiterung unterstützten uns in besonderem Maß Dr. Rudolf Pesl ausUnterhaching und die Stiftung derSparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen.Unser herzlicher Dank gilt nicht zuletztallen Autoren, deren Beiträge die vorliegende Publikation zu einer hoch-interessanten Informationsquelle über Joseph von Fraunhofer, sein Wir-ken und seine Zeit machen.

Die Produkte, die Fraunhofer in Bene-diktbeuern hergestellt hat, sind mittler-weile Technikgeschichte. Doch dieVerbindung von Forschung, Anwen-dung und unternehmerischem Denkenist in einer globalisierten Welt wichtigerdenn je. In diesem Sinne lebt Josephvon Fraunhofers Arbeit in der Fraunhofer-Gesellschaft von heute weiter.

Hans-Jörg BullingerPräsident der Fraunhofer-Gesellschaft

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4 Fraunhofer in Benediktbeuern

Dr. Wolfgang Jahn berichtet über Joseph von Fraunhofer,sein Schicksal als Kind und Lehrling,sein Wirken und seine Anerkennungals Wissenschaftler und Unternehmer.

»Herr Joseph von Fraunhofer ist dieserMann, der, ohne jemals eine öffentli-che Schule ordentlich besucht zu haben,... in seiner Ausbildung alle Hindernisseüberstieg. (...) Ich wünsche, dass dieseLebensgeschichte manchem Jünglingezur Aufmunterung diene, bei gleichemGeiste in seinem Fache ein ausgezeich-neter Mann zu werden. Ich schildereim nachfolgenden Umrisse Fraunhofersallmähliche Ausbildung, dessen Wirkenin seinem Geschäftskreise, und diegroße Ausbeute an nützlichen Kennt-nissen zum Wohle der Menschheit.«

So würdigt der Geheime Rat Josephvon Utzschneider in seinem im Juli1826 im »Kunst- und Gewerbeblatt despolytechnischen Vereins für das König-reich Bayern« erschienenen Nekrologseinen kurz zuvor verstorbenen lang-jährigen Geschäftspartner Joseph vonFraunhofer.

Früher Verlust der Eltern

Am 6. März 1787 wurde Joseph Fraunhofer als jüngstes von elf Kinderndes Glasermeisters Franz Xaver Fraunhofer und seiner Frau Anna Mariain Straubing geboren. Die ursprüng-lich aus Miesbach stammende FamilieFraunhofer war seit dem 18. Jahr -hundert in Straubing ansässig. Seitmehreren Generationen waren die Fraunhofers mit der Glasherstellungverbunden; so waren der Großvaterund ein Onkel Glaser gewesen. Die Mit-arbeit Josephs in der väterlichen Werkstatt kann als sicher angenom-men werden.

Nach dem frühen Tod der Eltern war erim Alter von zwölf Jahren bereits Voll-waise. Von seinen Vormündern wurdeJoseph im August 1799 nach Münchenzu dem Spiegelmacher und Zierraten-Glasschleifer Philipp Anton Weichselber-ger in die Lehre gegeben. Die Lehrzeitwar geprägt von den Schwierigkeitenmit seinem Lehrherrn, der die VersucheFraunhofers, sich autodidaktisch wei-terzubilden, behinderte.

»Er hat uns die Sterne näher gebracht.«Zum Leben des Joseph von Fraunhofer

Ausschnitt aus dem Sonnenlicht-Spektrum, das Joseph von Fraunhofer gezeichnet hat. Deut-lich erkennbar sind die von ihm entdeckten schwarzen Absorp-tionslinien, die heute alsFraun hofer-Linien bezeichnetwerden.

»Er hat uns

näher g

die Sterne

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Ein Unfall – mit Glück im Unglück

Ein tragisches Ereignis leitete 1801 dieWende im Leben Joseph Fraunhofersein. Beim Einsturz von WeichselbergersHaus wurde der Lehrjunge verschüttet.Durch das große öffentliche Interessean den Rettungsarbeiten – KurfürstMaximilian IV. Joseph war persönlichanwesend – kam Fraunhofer in Kon-takt mit dem oben erwähnten Josephvon Utzschneider, der von nun an eine wichtige Rolle in seinem Lebenspielen sollte.

Die restliche Lehrzeit bis 1804 verliefohne Besonderheiten. Bemerkenswertist vor allem das Bestreben Fraunhofers,sich theoretisch und praktisch auf demGebiet der Optik weiterzubilden. EinenTeil eines Geldgeschenkes des Kurfürs -ten verwendete er zum Kauf einer optischen Schleifmaschine; bei einemOptiker konnte er seine Fähigkeiten im Linsenschleifen in der Praxis üben.Bis 1806 blieb Fraunhofer als Gesellebei Weichselberger, nachdem ein erster Versuch, sich mit dem Druck vonVisitenkarten selbstständig zu machen,gescheitert war.

Bei der Rettung aus dem ein-gestürzten Haus seines Lehrherrnkam der junge Fraunhofer in Kontakt mit Kurfürst Max IV.Joseph.

ebracht. «

Der 1801 aus dem Staatsdienst ausge-schiedene Utzschneider hatte ein-flussreiche Ämter in der kurfürstlichenVerwaltung bekleidet. Er sorgte dafür,dass die Lernbereitschaft Fraunhofersdurch mathematische und optischeLehrbücher gefördert wurde: »In die-sen Büchern fand er, dass zu ihremStudium die Kenntnis der reinen Mathe-matik durchaus nöthig sei; daher erauch diese mit der Optik zu studierenanfing und mit dem größeren Teil ihrerElemente durch die Optik bekanntwurde«, schreibt Utzschneider in demoben zitierten Nachruf und nimmt das Verdienst für sich in Anspruch, dievorhandenen Begabungen des jungenFraunhofer entdeckt und tatkräftig unterstützt zu haben.

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6 Fraunhofer in Benediktbeuern

Fraunhofer wird Optiker

Der Kontakt zwischen Fraunhofer undUtzschneider war zunächst wieder abgerissen. 1806 erfolgte ein Angebotvon Utzschneider an Fraunhofer, alsOptiker in das Mathematisch-mechani-sche Institut von Reichenbach, Utz-schneider und Liebherr einzutreten. Fraunhofer hatte sich zu diesem Zeit-punkt offensichtlich bereits einenguten Ruf als Optiker erworben. Einemehrtägige Prüfung durch ProfessorUlrich Schiegg, der vor der Säkularisa-tion Mönch im Kloster Ottobeuren warund nun als Astronom und Vermes-sungsfachmann tätig war, bestätigteFraunhofers Können.

Die Gründung des Mathematisch-mechanischen Instituts war eine Folgedes gestiegenen Bedarfes an optischenInstrumenten, etwa im Vermessungs-wesen und im Bereich der naturwissen-schaftlichen Forschung. So war vonAnfang an beabsichtigt, hochwertigeoptische Geräte herzustellen. Ein we-sentliches Hindernis bei der Produktionstellte der empfindliche Mangel anbrauchbarem Glas dar. Eine der Haupt-aktivitäten Utzschneiders war es des-halb, den Aufbau einer eigenenGlasfabrikation im aufgehobenen Klos -ter Benediktbeuern unter der Leitungdes Schweizer Glasschmelzers PierreLouis Guinand voranzutreiben. Die neue Aufgabe Fraunhofers in der Glashütte in Benediktbeuern bestand darin, das unter der Anleitung von Guinand hergestellte Glas zu schleifen.

Fraunhofers außergewöhnliche Bega-bung zeigte sich auch, als er neben sei-ner vorerst wohl noch untergeordnetenTätigkeit schon 1807 seine erste wissenschaftliche Arbeit vorlegte. Siehandelte »Über parabolische Spiegelund Beschreibung krummliniger Segmente ...« und befasste sich mitÜberlegungen zur verbesserten Konstruktion von Spiegelteleskopen.

Links: Joseph von Fraunhofer, Forscher,Erfinder und Unternehmer.Rechts: Joseph von Utzschneider, einerder ersten industriellen Unter-nehmer Bayerns.

Luftbildaufnahme der Kloster-anlagen von Benediktbeuern ausdem Jahr 1921.

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Forschung für die Glasproduktion

Fraunhofers wichtigste Tätigkeit war indiesen Jahren aber die Mitwirkung beider Glasproduktion und der Bearbeitungder für das Institut in München be-stimmten Gläser. Hier wird FraunhofersArbeitsweise besonders deutlich, der,mit theoretischem Wissen ausgestattet,bedacht war, die vorhandenen Metho-den zu verbessern und zu vervollkom m -nen. So entwickelte er eine Polier-maschine zur besseren Bearbeitung derGläser und eine Messmethode zurKontrolle der regelmäßigen Form derLinsen. Der Erfolg seiner Arbeitsweiseberuhte nicht nur auf guten Ideen,sondern ebenso in einer langwierigenVersuchstätigkeit, mit der die Pro duk -tionsabläufe systematisch korrigiertwurden. Diese Aktivitäten Fraunhofers führten

einerseits zu Spannungen mit Guinand,der immer noch die Beaufsichtigungder Glasschmelze innehatte, und ande-rerseits zu einer veränderten Beurtei-lung der Situation des Optischen Institutsin Benediktbeuern durch Utzschneider.Das vordringlichste Problem lag zu dieser Zeit in der Herstellung von mög-lichst hochwertigem Glas. Durch dieAblösung von kleinen Teilchen derSchmelztiegel traten Schlieren im Glasauf, auch bildeten sich Bänder im Glas. Um die Qualität zu steigern, hatteschon Guinand mit einem verbessertenRührwerk gearbeitet, das einen gleich-mäßigeren, blasenfreien Guss erzielensollte. Aus dem Mathematisch-mecha-nischen Institut kamen aber immer wieder Klagen über die mangelndeQualität der gelieferten Gläser wie überdie lange Lieferzeit, die wiederum Auswirkungen auf die Konkurrenzfä-higkeit des Unternehmens hatte.

Graphische Darstellung einesGlasofens mit Rührwerk. DieseTechnik half, die Glasqualität entscheidend zu verbessern.

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Neuorganisation des Instituts: MehrVerantwortung für Fraunhofer

Die Umorganisation des Mathematisch-mechanischen Instituts in Münchenund des Optischen Instituts in Bene-diktbeuern, die Utzschneider 1808 und1809 vornahm, führte zu einer wich-tigen Neuverteilung der Aufgabenberei-che. Bis auf die Glasschmelze, dieweiterhin Guinand unterstellt blieb, warFraunhofer jetzt für die gesamte Wei-terverarbeitung verantwortlich. »MeineBeschäftigung ist also Aufsicht überdas ganze Institut, das Schleifen der wichtigsten Gläser, Rechnung undPrüfung der Gläser«, beschreibt Fraunhofer in diesen Jahren sein Tätig-keitsfeld.

Durch Fraunhofers Bestreben, auchselbst auf die Glasschmelze Einflussnehmen zu können, verschärfte sichder Konflikt mit Guinand. Der genaueVorgang des Schmelzverfahrens warbisher ein von Guinand streng gehütetesBetriebsgeheimnis gewesen, über dessen Weitergabe nur Utzschneiderentscheiden konnte. Dieser wies Guinand nun an, Fraunhofer in die Geheimnisse der Glasschmelze einzu-weihen. 1811 bekam Fraunhofer endgültig die Aufsicht über die Glas-schmelze übertragen. Diese gewach-sene, verantwortliche Position zeigtesich auch darin, dass Fraunhofer vonUtzschneider als Teilhaber in das Optische Institut aufgenommen wurde.Nach Fraunhofers Überlegungen sollte das Optische Institut in der Zu-kunft eine Art Zulieferfirma für dasMathematisch-mechanische Institut inMünchen werden. Innerhalb bestimm-ter Lieferfristen sollten Objektive in verschiedenen Größen und in ausrei-chender Stückzahl hergestellt werden. Innenansicht der Glashütte in

Benediktbeuern um 1900.

Der Schweizer Pierre Louis Guinand war der erste Leiter derGlashütte in Benediktbeuern. Er übernahm das Rührverfahrenvom Glockenguss für die Glas-herstellung.

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Besseres Glas für genauereInstrumente

Die nächsten Jahre beschäftigte sichFraunhofer damit, die Arbeitsabläufebei der Glasbearbeitung zu verbessern.Durch gezieltes Experimentieren so-wohl mit den Materialien als auch imProduktionsablauf gelang ihm sehrbald eine bedeutende Qualitätssteige-rung in der Glasherstellung. So war es ab 1811 möglich, immer größere Ob-jektive für Fernrohre herzustellen. Eine Preisliste aus diesen Jahren zeigtein breit gefächertes Angebot, das von verschiedenen Fernrohrarten über

Mikroskope zu Lupen und Operngläsernreichte. Mit Fraunhofers verstärktemEingriff in die Leitung des Optischen In-stituts veränderte sich auch schnell die Angebotspalette. Die zunehmendeQualität der Linsen ermöglichte es, höherwertige optische Instrumente zufertigen. Bereits 1812 konnte das Opti-sche Institut in einer neuen Preislisteankündigen, dass es sich nun vermehrtmit der Herstellung astronomischer Geräte befassen wolle.

Diese Verbesserung der Produktions-techniken ging Hand in Hand mit em-pirischen Forschungen Fraunhofers.Zunächst bemühte er sich um die Stei-gerung der Bildqualität der von ihmgefertigten Linsen. Die Objektive wareneine Kombination einer Kronglas-Sam-mellinse mit einer schwächer brechen-den Flintglas-Zerstreuungslinse. BeideGlasarten wurden in Benediktbeuernhergestellt. Das Problem bei der Berech-nung dieser achromatischen Objek-tive war die genaue Kenntnis des Bre-chungsvermögens der verwendetenGlasarten für die verschiedenen Farbendes Spektrums.

Grundrissplan der KlosteranlageBenediktbeuern nach Kataster-blatt Benediktbeuern 1811.

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10 Fraunhofer in Benediktbeuern

Wachsender Erfolg als Forscher

Im April 1817 legte Fraunhofer als erstes Ergebnis seiner Forschungen derAkademie der Wissenschaften in Mün-chen eine Abhandlung vor, die denTitel trug: »Bestimmung des Brechungs-und Farbenzerstreuungs-Vermögensverschiedener Glasarten in Bezug aufdie Vervollkommnung achromatischerFernröhre«. Er berichtet darin, dass er aufgrund mehrjähriger Erfahrungenneue Methoden entwickelt habe, dasBrechungs- und Zerstreuungsvermögenzu finden, und beschreibt seine Ar-beitsweise. Er experimentierte zuerstmit Prismen, bei denen er die beidenbrechenden Winkel durch Schleifen solange veränderte, bis er die Farben-zerstreuung und die Brechung ausge-schaltet hatte. Seine Absicht war esnun, das Farbzerstreuungsvermögen injeder Glasart festzustellen. Fraunhoferbetonte, dass er sich durch viele Versu-che vergewissert habe, dass die vonihm entdeckten Linien und Streifen inder Natur des Sonnenlichtes lägen

und kein Zufallsprodukt seien. Er zählte574 Linien von unterschiedlicherStärke, die er als Beilage zu seiner Aka-demieabhandlung graphisch darstellte.

Die Entdeckung dieser dunklen Linienim Sonnenspektrum, die später nachihm benannt wurden, ermöglichte einegenaue Berechnung des Brechungs-vermögens von verschiedenen Gläsern,wobei Fraunhofer eine erstaunlicheGenauigkeit der Resultate erzielte.

Mit weiteren Versuchsanordnungengelang es ihm, die Intensität der Farben des Spektrums und das Bre-chungsvermögen von verschiedenenGlasstücken zu bestimmen. Für dieQualität der Glasschmelze bedeutetedies, dass es nun möglich war, unter-schiedliche Gläser derselben Schmelzemiteinander zu vergleichen.

Die von Joseph von Fraunhofergezeichnete und kolorierte Dar-stellung des Sonnenspektrumsmit den nach ihm benanntendunklen Linien belegt die exakteMesstechnik des Wissenschaflers.

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Fraunhofer beeindruckt die Weltder Wissenschaft

Die Denkschrift für die Akademie derWissenschaften von 1817 bildete den ersten Höhepunkt in Fraunhoferswissenschaftlicher Arbeit. Durch seineForschungen und seine praktische Tätigkeit in Benediktbeuern hatte ersich eine beachtliche wissenschaftlicheReputation erworben. So stellte derHofastronom und Direktor der Mün-chener Sternwarte Johann Georg Soldner an die Akademie der Wissen -schaften den Antrag, Fraunhofer in die mathematisch-physikalische Klasse aufzunehmen. Im Februar 1817 wurde er zum korrespondierenden Mitglied gewählt.

Fraunhofers wachsende Bedeutung sowohl bei der Herstellung von hoch-wertigen optischen Geräten als auchbei seiner Forschungstätigkeit in Bene-diktbeuern zeigte sich auch in Kontak-ten zu führenden Wissenschaftlernseiner Zeit.1816 besuchte der GöttingerPhysiker Carl Friedrich Gauß das Opti-sche Institut in Benediktbeuern, um Instrumente für astronomische Beob-achtungen zu bestellen. Sein Urteilüber Fraunhofers Arbeit fiel sehr positivaus: »Das Optische Institut in Benedict-beuern besteht jetzt für sich unter der unmittelbaren Leitung eines sehrtalentvollen und thätigen Mannes, Fraunhofer, und liefert die Fernröhre,so wie alle astronomischen Instru-mente.«

Eine Veränderung in der praktischenArbeit ergab sich für Fraunhofer 1819,als das Optische Institut seinen Sitznach München verlegte. Bereits 1814war Fraunhofer bei einer Neuordnungdes Mathematisch-mechanischen und des Optischen Instituts alleinigerPartner von Utzschneider geworden.Aufgrund finanzieller Schwierigkeitenwar Utzschneider 1818 gezwungen,den weitläufigen Benediktbeurer Ge-bäudekomplex an den bayerischenStaat zu verkaufen. Nur die Glashütteblieb im Besitz von Utzschneider; siesollte weiterhin das Glas zur Herstellungvon optischen Instrumenten liefern.Weiterhin reiste Fraunhofer regelmäßignach Benediktbeuern, um persönlichjede Glasschmelze zu überwachen undden hohen Qualitätsstand aufrecht-zuerhalten.

Die Bayerische Akademie derWissenschaften nahm Joseph vonFraunhofer am 27. Juni 1821 alsaußerordentliches besuchendesMitglied auf.

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Durch den Umzug nach München warFraunhofer jetzt ein besserer Kontaktzur Akademie der Wissenschaftenmöglich. Nach einer Reihe von akade-mieinternen Querelen, bei denenFraunhofers fehlende wissenschaftlicheAusbildung eine Rolle spielte, wurde er 1821 als außerordentliches besuchen-des Mitglied aufgenommen.

In dieser Zeit setzte er sich auch in einerReihe von Abhandlungen und Akade-miereden mit verschiedenen physika li -schen Problemen auseinander. Er be handelte die »Ursachen des Anlau-fens und Mattwerdens des Glases und die Mittel, demselben zuvorzukom-men«. Eine weitere Arbeit beschäftigtesich mit Versuchen über die Gesetze desLichts und mit Phänomenen, die durchdie Bewegung des Lichts entstehen.

Joseph von Fraunhofer demon-striert Joseph von Utzschneider,Georg von Reichenbach undGeorg Merz das Spektrometer.

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Epochale optische Forschung: Fraunhofer wird prominent

Zwischen 1821 und 1823 erschienenzwei wegweisende Arbeiten Fraunhofers zur Beugung des Lichts. Dieerste Arbeit mit dem Titel »Neue Mo -difikation des Lichts durch gegenseitigeEinwirkungen und Beugung der Strah-len, und Gesetze derselben« wurde zunächst der Akademie als Rede vorge-legt. In der zweiten Arbeit berichteteFraunhofer über seine neuen Versuchezur Wellentheorie des Lichtes. UnterBeugung ist die Abweichung der Licht-ausbreitung von den Gesetzen der geo -metrischen Optik zu verstehen; da beistören Hindernisse die geradlinige Aus-breitung der Lichtwellen. Die Arbeitenzur Beugung waren eine wichtigeGrundlagenforschung, die auch Aus-wirkungen auf die Fertigung von Fern-rohren hatten.

Fraunhofer beschreibt seine Vorgangs-weise folgendermaßen: Er habe einenSchirm mit einer verstellbaren Öffnungvor das Objektiv eines Theodolit-Fernrohres aufgestellt. Dann habe erSonnenlicht auf den Schirm fallen lassen, durch dessen Öffnung es ge-beugt wurde. »Durch das Fernrohrkonnte ich alsdann die Erscheinungen,welche die Beugung des Lichts her-vorbringt, vergrößert, und doch mithinreichender Helligkeit beobachten,zugleich aber auch die Winkel der Ablenkung des Lichtes mit dem Theo-dolith messen.«

Als nächsten Schritt untersuchte er diegegenseitige Einwirkung einer großenAnzahl gebeugter Strahlen und experimentierte mit verschiedenen Mitteln, Lichtstrahlen zu brechen.Fraunhofer konnte nun experimentelldie Wellenlänge aller farbigen Licht-strahlen messen. Er fertigte mit einerbis dahin nicht erreichten Präzision verschiedene Gitter an, um das Beu-gungsspektrum zu messen.

Als Materialien verwendete er dabeiGlas, in das er verschiedene paralleleLinien ritzte. Mithilfe eines Diamantengelang es ihm, einen Linienabstandvon 0,00330 Millimeter zu erzielen. Diegemessenen Werte der Wellenlängenhaben unter Berücksichtigung der da-maligen Verhältnisse eine erstaunlicheGenauigkeit. Bei diesen Berechnungenbenutzte er die von ihm schon zuvorentdeckten Linien im Farbenspektrum.

Joseph von Fraunhofer in seinerWerkstatt.

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Der wissenschaftliche Ruf, den sichFraunhofer nicht nur mit diesen Ver -öffentlichungen erworben hatte, zeigte sich auch in seinen persönlichen Verbindungen zu bedeutenden euro-päischen Forschern. Neben dem bereitserwähnten Besuch von Gauß in Bene-diktbeuern waren auch andere Wissen-schaftler an einem Kontakt mitFraunhofer interessiert. Besuche in Benediktbeuern zur Bestellung deranerkannt hochwertigen optischen In-strumente boten Gelegenheit zu Ge-sprächen mit Fraunhofer. So sind dieWissenschaftler Karl Dietrich von Mün-chow, Hans Christian Ørsted und John Frederic Herschel, der Sohn desAstronomen Wilhelm Herschel, nachBenediktbeuern gereist.

Die zunehmende Bedeutung der Natur-wissenschaften wird auch in Besuchenvon politischer Prominenz im OptischenInstitut sichtbar. Neben dem bayeri-schen König Max l. Joseph und seinemMinister Graf Montgelas besichtigtewahrscheinlich auch der russische Zar Alexander die Forschungsstätte in Benediktbeuern.

Qualitätssprung bei optischenInstrumenten

Unter Fraunhofers Leitung hatte sichdie Produktion seit 1811 immer mehrder Herstellung von hochwertigen optischen Geräten zugewandt. DieFortschritte, die aufgrund Fraunhoferspraktischer Erfahrungen und seinerwissenschaftlichen Forschungen ge-macht wurden, sind an den verschiede-nen Preislisten des Optischen Institutsnachzuvollziehen. Die Produktion verlagerte sich im Gegensatz zu den bescheidenen Anfängen auf die Her stellung von Fernrohren, trigono-metrischen Messgeräten und Mikro-skopen. Führend wurde man vor allemauf dem Gebiet der Herstellung von

Objektiven für Fernrohre. Der Durch-messer der Fernrohrobjektive stieg von83 Millimeter im Jahr 1813 bis auf 245Millimeter beim großen Refraktor, der1819 für die kaiserlich russische Stern-warte in Dorpat angefertigt wurde.Sogar Objektivgrößen bis zu 490 Milli-meter waren noch geplant.

Utzschneider zählte in seinem Nachrufdie Instrumente auf, an deren Erfin-dung oder Verbesserung Fraunhoferbeteiligt war. Es handelte sich dabeium »das Heliometer, das repetirendeLampenfilarmikrometer, das zum Mes-sen im absoluten Maße bestimmteachromatische Mikroscop, das Ringmi-krometer, das Lampenkreis- und Netz-

Der Theodolit (links) erlaubt einesehr genaue Winkelmessung; der Heliostat (rechts) dient dazu,das Sonnenlicht zur Beobachtungtrotz der Erdrotation immer aufden gleichen Punkt zu spiegeln.

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mikrometer« und den erwähnten par-allaktischen Refraktor für die DorpaterSternwarte.

Die Schwierigkeiten, die Fraunhofer beider Herstellung dieses für die dama-lige Zeit einzigartigen Gerätes überwin-den musste, sind kennzeichnend fürden wissenschaftlichen Standard in diesen Jahren. Das Objektiv war 1819das größte damals hergestellte miteiner Brennweite von 4,10 Metern.

Die Verspannungen und möglichenTemperaturunterschiede mussten beimEinbau der Linse berücksichtigt wer-den. Die Anfertigung des Rohres unddes Fußes dauerte bis 1824. Durch die parallaktische Montierung ermög-lichte Fraunhofer die Verfolgung desjeweils eingestellten Sternes durch Dre-hung um nur eine Achse. Er konstru-ierte zudem einen Zentrifugalregulator,um die Nachführung des Fernrohres zu erleichtern.

Auch Fraunhofers Veröffentlichungenin diesen Jahren belegen seine starkeBeschäftigung mit diesem großenastronomischen Gerät. Er veröffentlichtezwei Aufsätze »Über die Constructioneines grossen soeben vollendeten Refractors« und befasste sich mit Pro-blemen der Astronomie, wobei er Phänomene von Nebensonnen undHöfen um Sonne und Mond erforschte.

Viel Ehre – und ein früher Tod

Mit der Anfertigung dieses Refraktorsging auch eine größere wissenschaft-liche Anerkennung Fraunhofers einher.1822 wurde ihm von der Universität Erlangen die Ehrendoktorwürde verlie-hen. Ein Jahr später wurde er zumKonservator des physikalischen Kabi-netts der Bayerischen Akademie derWissenschaften bestellt. König Max l.Joseph ernannte ihn 1824 zum Ritterdes »Civil-Verdienst-Ordens der Baieri-schen Krone«, womit der persönlicheAdel verbunden war. Von mehrerenausländischen wissenschaftlichen Ge-sellschaften wurde Fraunhofer zumMitglied ernannt.

Seine Lebensumstände, die harte Ar-beit an den Glasöfen, der Umgang mitBleioxid und seine schwache körperli-che Verfassung haben wahrscheinlichdazu beigetragen, dass Joseph vonFraunhofer am 7. Juni 1826 im Altervon nur 39 Jahren an »Lungen- undNervenschwindsucht« starb. »Approxi-mavit sidera« steht auf FraunhofersGrabmal in München: »Er hat uns dieSterne näher gebracht.«

Mit der Verleihung des Civil-Verdienst-Ordens am 15. August1824 war für Joseph von Fraun-hofer der persönliche Adelstitelverbunden.

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16 Fraunhofer in Benediktbeuern

6. März 1787Joseph Fraunhofer wird als elftes Kind von Franz Xaver und Anna Maria Fraunhofer im niederbayrischen Straubing geboren.

1799–1804Der junge Fraunhofer absolviert eine Lehre beim Spiegelmacher und Zierraten-Glasschleifer Philipp Anton Weichselberger in München.

1801Weichselbergers Haus stürzt ein; Fraunhofer wird verschüttet. Bei der Rettung kommt er in Kontakt mit dem Geheimen Rat Joseph von Utzschneiderund mit Kurfürst Maximilian IV. Joseph.

1804–1806Fraunhofer arbeitet als Geselle bei Weichselberger.

1806Fraunhofer tritt als Optiker in das Mathematisch-mechanische Institut von Reichenbach, Utzschneider und Liebherr in München ein.

1808Fraunhofer arbeitet als Glasschleifer in der Glashütte Benediktbeuern, die zum Mathematisch-mechanischen Institut gehört; er veröffentlicht seine erste wissenschaftliche Abhandlung.

1809Bis auf die Glasschmelze trägt Fraunhofer die gesamte Verantwortung für die Glasherstellung in Benediktbeuern.

1811Fraunhofer übernimmt die Gesamtleitung der Glashütte des Mathematisch-mechanischen Instituts in Benediktbeuern.

1814Fraunhofer wird alleiniger Partner von Utzschneider und Leiter des gesamten Mathematisch-mechanischen Instituts.

Joseph von Fraunhofer.

Lebenslauf

Joseph von Fraunhofer Lebenslauf in Daten

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1817Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ernennt Fraunhofer zum korrespondierenden Mitglied.

1819Rückverlegung des Mathematisch-mechanischen Instituts nach München.

1821Nach einigen Diskussionen wegen seiner fehlenden akademischen Ausbildungwird Fraunhofer zum außerordentlichen besuchenden Mitglied der BayerischenAkademie der Wissenschaften ernannt.

1822Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Erlangen an Fraunhofer.

1823Fraunhofer wird besoldeter Professor und Konservator des physikalischen Kabinetts der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

1824König Max l. Joseph ernennt Fraunhofer zum Ritter des »Civil-Verdienst-Ordensder Baierischen Krone«; damit ist der persönliche Adel verbunden.

7. Juni 1826Joseph von Fraunhofer stirbt in München.

Joseph von Fraunhofer nebenseinem Spektrometer.

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18 Fraunhofer in Benediktbeuern

Dr. Josef Kirmeierberichtet über die Geschichte des Klos -ters Benediktbeuern, die politischenund wirtschaftlichen Hintergründe unddas berufliche Lebenswerk Joseph vonFraunhofers und wichtiger Menschen,die dem Forscher und Unternehmerbegegnet sind.

Aufhebung und Verkauf des Klosters Benediktbeuern

In den Jahren 1802 und 1803 wurdenin Bayern alle Klöster aufgehoben. Be-troffen von dieser Maßnahme warensowohl die meist in den Städten gele-genen Klöster der Bettelorden als auchdie reichen Abteien der landständi-schen Orden. Insgesamt wurden 150Klöster säkularisiert und vom Staatübernommen. Die wertvollen Bücherund Kunstgegenstände brachte mannach München in die staatlichenSammlungen, oder man versteigertesie. Auch die Klosteranlagen selbst und das in der oft 1000-jährigen Ge-schichte klösterlichen Wirkens ange-sammelte Eigentum an Land sollteverkauft werden, um die Staatskassezu füllen. Der Besitz der »toten Hand«,wie man die Klostergüter zu dieser Zeit abwertend nannte, wurde zerteiltund an Privatleute verkauft oder zur Abfindung an Klosterinsassen ver-schenkt.

Diesen Bestimmungen der Säkularisa-tion unterlag auch das Kloster Benediktbeuern, das zu den ältestenklö sterlichen Siedlungen im bayeri-schen Oberland gehört. Es fanden sichüber 150 Käufer für die ca. 700 Hektarzu bewirtschaftender Felder und Wiesen des Klosters. Vor allem Bauernaus der unmittelbaren Umgebung erwarben sich die zum Teil hochwerti-gen Gründe.

Forschung und ProduktionGlasherstellung und optische Werkstatt in Benediktbeuern

optische

Das Kloster Benediktbeuern.

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Als wesentlich schwieriger stellte sichhier wie auch anderswo der Verkaufder Klosteranlage selbst heraus. Durchdie Auflösung der landständischen Klöster herrschte ein Überangebot angroßen Objekten. Das Klostergut warohne die meist schon verkauften Felderkaum zu bewirtschaften. Die riesigenGebäude eigneten sich nur bedingt füreine wirtschaftliche Nutzung; außer-dem waren sie zunächst auch im Preiszu hoch angesetzt.

Der damalige Hofbaurat Friedrich vonGärtner erwog deshalb bereits den Abriss des Klosters Benediktbeuern, umauf diese Weise Baumaterial für Mün-chener Projekte zu gewinnen. DieserPlan scheiterte letztlich nur an denhohen Transportkosten, und Benedikt-beuern blieb das Schicksal des KlostersWessobrunn erspart, das zu einem großen Teil abgerissen wurde und alsBaumaterial zum Wiederaufbau der durch einen Brand zerstörten StadtWeilheim diente.

Erst in den Jahren 1804 und 1805 fanden sich Interessenten für den Auf-kauf des Klosters. Nachdem eine Übernahme durch den böhmischen Fa-brikanten Schmaus von Stubenbach1804 gescheitert und das Angebot des ebenfalls aus Böhmen stammenden Fabrikanten Lucas über 78000 Guldenabgelehnt worden war, unterbreiteteam 3. Mai 1805 der ehemalige bayeri-sche Beamte und Fabrikant Joseph von Utzschneider das Angebot, KlosterBenediktbeuern für 55000 Gulden zu erstehen. Diese Summe wurdeschließlich akzeptiert; der Kaufvertrag zwischen dem bayerischen Staat und Utzschneider umfasste 28 Punkte.Neben dem Kloster – einschließlich Bibliotheksgebäude, Krankenhaus,Bräuhaus und der alten Pfarrkirche –erwarb Utzschneider die SchwaigeHäusern und diverse Grundstücke undGebäude aus dem ehemaligen Klos -terbesitz. Er konnte dabei geschickt ausnutzen, dass es sich bei diesen Objekten um die unverkauft gebliebe-nen Reste des ehemaligen Klostershandelte, und drückte den Preis nochweit unter das frühere Angebot des Fabrikanten Lucas.1806 kaufte Utz-schneider den Maierhof und in den fol-genden Jahren vor allem Klosterwaldan der nördlichen Benediktenwandhinzu, sodass sein Besitz mit 2000Hektar – davon 1300 Hektar Wald –wieder den Umfang des ehemaligenKlosters erreichte.

Die historische Glashütte vor dem Hintergrund des Klosters Benediktbeuern.

Werkstatt

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Utzschneiders Plan: Glasproduktion

Neben der Weiterführung der klösterli-chen Landwirtschaft stand hinter Utz-schneiders Kauf der Plan, im KlosterGlashütten zu errichten. Das Interesseder beiden böhmischen Glasfabrikan-ten und Utzschneiders Absicht, eineGlashütte zu errichten, ist nur auf denersten Blick aus den in der Nähe vor-handenen Standortfaktoren, dem Vor-kommen von Quarzsand und Holz, zu erklären. Der für die Glasschmelzenötige Waldbesitz war zu einem gro-ßen Teil bereits anderweitig verkauftund musste – wie es Utzschneider auchtat – zurückgekauft werden. Der wich-tigste Rohstoff, der Quarzsand, fandsich in dem südlich von Wolfratshausengelegenen »Quarzbichel«. Der Sandhätte aber ebenso wie das Holz auch zueinem anderen Standort transportiertwerden können.

Als ausschlaggebend für die Kaufab-sicht sind deshalb auch der inzwischenweit gesunkene Preis für den »Rest-posten Kloster« und vielleicht auch dieNähe zu dem interessanten Absatz-markt Tirol anzusehen. Tirol besaßkeine eigene Glasproduktion, wies abertraditionsgemäß einen relativ hohenBedarf an Glas auf.

Glashütte und Politik

Inwieweit Utzschneider bei Abgabe seines Angebotes im Mai 1805 bereitsdie Möglichkeit erahnte, dass Tirol imDezember 1805 an Bayern fallen würdeund so durch die Abtrennung vonÖsterreich auch vom böhmischen Glas-markt abgeschnitten würde, ist nichtmehr zu klären. Auf jeden Fall war derAbsatzmarkt Tirol für bayerische Glas-produkte durch diese im Frieden vonPressburg gefallene Entscheidung nun auch ohne Grenzbeschränkungenund konkurrenzlos zu erreichen.

Bei den Kaufüberlegungen Utzschnei-ders könnte somit die Produktion von billigem Gebrauchsglas und nichtdie später ausschlaggebende Produk-tion des hochwertigen optischen Glaseseine entscheidende Rolle gespielthaben. Erst mit dem raschen Verlustvon Tirol nach dem Freiheitskampfunter Andreas Hofer ging die Ge-brauchsglasherstellung zurück undwurde schließlich eingestellt. Die Glas-hütte, die in einem frei stehenden Gebäude an der Westseite des Klostersuntergebracht war, wurde bereits 1843 abgerissen. Gleichzeitig gewanndie Produktion von optischem Glas, vor allem durch Joseph FraunhofersLeistungen, große Bedeutung. DieHütte zur Herstellung von optischemGlas war bis 1887 in Betrieb. Sie istheute noch in wesentlichen Bestand-teilen erhalten.

Innenansicht der Glashütte in Benediktbeuern. Hier erprobteJoseph von Fraunhofer neue Methoden, Qualitätsglas herzu-stellen.

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Utzschneider war 1801 bei Weiterzah-lung seines Gehalts vorläufig aus demStaatsdienst ausgeschieden und hattesofort eine Reihe von privatwirtschaft -lichen Aktivitäten entfaltet. Er wurde zueinem der ersten industriellen Unter-nehmer in Bayern. Bereits 1802 hatte erin München in einem ehemaligen Kar-meliterkloster eine Lederwarenfabrikgegründet, die zusammen mit der an-geschlossenen Leimfabrik bald 170 Beschäftigte zählte und so zu den größ-ten industriellen Betrieben Münchensgehörte.

Sein Interesse an Glasherstellung undOptik war mit seiner Beteiligung andem von Georg von Reichenbach undJoseph Liebherr 1804 in München gegründeten Mathematisch-mechani-schen Institut erwachsen. Reichenbachund Liebherr, die sich auf der Basis der von Reichenbach entwickelten Kreis-teilmaschine mit der Fertigung von as tronomischen Geräten und Mess -instrumenten beschäftigten, hatten inUtzschneider einen ebenso kapital -kräftigen wie risikofreudigen Partnergefunden, der das Institut finanziellund auch räumlich ausstattete und zu-gleich den Verkauf der Produkte lei-tete.

Zielvorgabe: Qualitätsglas für Präzisionsinstrumente

Utzschneiders Bestreben war es, denMangel an hochwertigem Glas zu beheben, durch den die Produktion op-tischer Geräte bislang stark behindertwar. Zur Herstellung von optischen Präzisionsgeräten war es nötig, ein-wandfreies Kron- und Flintglas zu pro-duzieren, da nur die geschickteKombination dieser beiden Glasarten,die eine unterschiedliche Brechung undDispersion aufweisen, die Erzeugungleistungsfähiger optischer Geräte mitrelativ hoher Vergrößerungsleistung ermöglichte. Die Gläser mussten für dieVerwendung in optischen Geräten homogen, das heißt ohne Schlierenund Blasen sein. Sie waren bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aus-schließlich in zwei englischen Glashüt-ten produziert worden und konntenvon dort nur in unzureichenden Men-gen und oft auch nur in mittelmäßigerQualität bezogen werden.

Utzschneider hatte deshalb bereits vordem Wirksamwerden der Kontinen-talsperre Napoleons 1806 versucht, dieGläser selbst zu erzeugen. Erste Experi-mente in der ursprünglich zum KlosterEttal gehörenden Glashütte in Grafen-aschau, in die Utzschneiders Schwestereingeheiratet hatte, waren gescheitert.Der Kauf des Klosters und der Baueiner Glashütte in Benediktbeuernwaren von neuer Hoffnung bestimmt.

Georg von Reichenbach war Mitbegründer und Teilhaber desMathematisch-mechanischen Instituts, in das Fraunhofer imJahr 1806 als Optiker eintrat.

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Das Rührverfahren bringt ersteErfolge

Auf der Suche nach einem geeignetenFachmann war Utzschneider in dieSchweiz gekommen, wo er in Les Bre-nets Pierre Louis Guinand kennen-lernte, der sich schon seit Längeremmit der Produktion hochwertiger Gläser beschäftigte. Für das hohe Ge-halt von 1600 Gulden gelang es Utz-schneider, Guinand für Benediktbeuernabzuwerben.

Im Januar 1806 fanden hier die erstenSchmelzversuche statt. Die erstenSchmelzen ergaben Glas unterschiedli-cher Qualität, aber das aus dem Glo-ckenguss adaptierte Rührverfahren wiesGuinand den Weg zur Produktion vonreinerem Glas. Das Problem der Glas-schmelze lag in der mit den damaligenBrennstoffen und Öfen erzielten Temperatur. Die Öfen erbrachten mitder Holzfeuerung kaum die zur Glas-schmelze erforderliche Temperatur von1300 Grad Celsius. Die Folge der zuniedrigen Temperatur – heute arbeitetman mit über 1500 Grad Celsius – war,

dass die Gläser nicht die notwendigeHomogenität aufwiesen. Guinand ver-suchte nun, in dem von ihm kon-struierten Ofen diesen Nachteil mithilfeeines Rührwerks, das er in die ge-schmolzene Glasmasse einsetzte, aus-zugleichen. Dabei wird, nachdem beigeschlossenem Ofen das Glas völlig geschmolzen ist, die Glasmasse durch-gerührt. In der Glashütte ist der mitfeuerfester Tonmasse ausgestatteteRührarm noch zu sehen, der über denOfen geschwenkt und in die Glas-schmelze gesenkt werden konnte.

Einen entscheidenden Anteil an der verbesserten Glasqualitäthatte das von Guinand ent-wickelte und von Fraunhofer verbesserte Rührverfahren. Hier ein Querschnitt durch Ofenund Rührwerk.

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Rund 20 Kilogramm Glas wurden aufdiese Weise in Benediktbeuern proSchmelze, die mehrere Wochen dau-erte, gewonnen. Sobald das Glas genügend abgekühlt war, wurde es ausdem Ofen gehoben und auf seine Qualität untersucht. Die Teile, die sichzur Weiterverarbeitung eigneten, wur-den zur langsamen Abkühlung in eineneigens dafür vorgesehenen Ofen ge-legt,damit sie völlig frei von Spannungenausfielen. Die heute in der Glashüttezu sehenden Anlagen und Öfen stam-men aus späterer Zeit, arbeiteten aber auch nach dem von Guinand er-fundenen Verfahren.

In Weiterentwicklung dieses Verfahrensdurch Guinand und später durchFraunhofer gelang es, das hochwer -tigste Spezialglas seiner Zeit für optischeGeräte herzustellen. Die Verarbeitungerfolgte zuerst ausschließlich durch dasMathematisch-mechanische Institut in München. Nach Fraunhofers Einstiegin Benediktbeuern wurden aber zu-nehmend auch hier optische Gerätehergestellt.

Guinand kehrt mit seinem Wissen indie Schweiz zurück

Die ursprünglich klare Aufgabenteilungzwischen München und Benediktbeu-ern, aber auch zwischen den Gesell-schaftern der Firma, vermischte sich inder Folgezeit immer mehr, was eineReihe von Schwierigkeiten und letztlichpersonelle Veränderungen mit sichbrachte. 1807 gliederte Utzschneiderdie bis dahin unabhängig betriebeneGlashütte in Benediktbeuern in dasMathematisch-mechanische Institut ein,um das neu gewonnene Glas aus-schließlich diesem Unternehmen zu -gutekommen zu lassen.

Polierschälchen aus FraunhofersWerkstatt.

In systematischen Versuchsreihenentwickelte Fraunhofer neue optische Glassorten. Hier ein vonihm hergestelltes Pentaprisma.

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Die teilweise Verlagerung der Weiter-verarbeitung nach Benediktbeuernsollte sich als schwerwiegende Entschei-dung herausstellen. Nachdem Guinandals Leiter der optischen Werkstatt nicht die gewünschten Erfolge erzielte,gab Utzschneider diesen Produktions-teil in Benediktbeuern in die Verantwor-tung von Joseph Fraunhofer. Guinand,der bisher völlig unabhängig gearbeitethatte, glaubte sich durch diese Ent-scheidung und durch die Konkurrenz,die er in der Person Fraunhofers sah,benachteiligt. 1811 verschärfte sich dieSituation zwischen beiden noch mehr,

als Fraunhofer sogar die Leitung desgesamten Benediktbeurer Unterneh-mens erhielt und Guinand ihm somitunterstellt war. Eine Zusammenarbeitwurde unmöglich, Guinand schied1814 auf eigenen Wunsch aus der Glas-hütte Benediktbeuern aus und kehrtein die Schweiz zurück.

Mit Guinand kam das in Benediktbeuerngesammelte Wissen über Herstellungund Verarbeitung der Gläser in dieSchweiz, wo dieser an seiner alten Wir-kungsstätte in Les Brenets die Glas-hütte auf den neuesten Stand brachteund entscheidend zur Förderung derGlasherstellung in der Schweiz und inFrankreich beitrug. Der Versuch Utz-schneiders, Guinand durch Rentenzah-lungen weiter an die Firma zu binden,scheiterte.

Zahnradfräsmaschine aus Fraunhofers Werkstatt.

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Neuorganisation und Teilung desUnternehmens

Aber auch zwischen den Gesellschaf-tern in München kam es zunehmendzu Reibereien, an denen die Auswei-tung des Herstellungsbetriebes in Bene-diktbeuern sicher nicht unschuldig war.Liebherr und Reichenbach hatten ander Expansion ihres Instituts wenig In-teresse, sie waren keine industriellenUnternehmer, sondern verstanden ihreArbeit mehr als Kunst und Handwerk.Hinzu kam die besondere Situation,dass Utzschneider durch sein finanziel-les Engagement in Benediktbeuern dieFirmengeschicke immer mehr in seineHand bekam. Da sich die hohen Investi-tionskosten in die BenediktbeurerHütte in der kurzen Zeit noch nicht aus-gezahlt hatten, investierte Utzschneider– über die Beteiligung des MünchenerInstituts von 12000 Gulden hinaus –weitere 60000 Gulden aus eigener Ta-sche in die Benediktbeurer Glashütte.Durch diese Transaktion und durch dieVerlagerung eines Teils der optischenWeiterverarbeitung nach Benediktbeu-ern, mussten sich die Mitgesellschafterzurückgesetzt fühlen.

Die Folge dieser Meinungsverschieden-heiten und vielleicht auch Mentali-tätsunterschiede zwischen Utzschneider,Reichenbach und Liebherr führten1812 zum vorläufigen Ausstieg Lieb-herrs aus dem Münchener Institut und1814 zur Trennung von Utzschneiderund Reichenbach. Dürften für das Aus-scheiden Liebherrs vor allem Streitig-keiten mit Reichenbach über die Fragedes Anteils von Liebherr an der Er-findung der Kreisteilmaschine die aus-schlaggebende Rolle gespielt haben, so geht aus Aussagen Liebherrs undReichenbachs auch hervor, dass sie dierisikobereite, marktorientierte Unter-nehmensführung Utzschneiders nichtmehr länger mittragen wollten. Rei-chenbach warf Utzschneider vor allemdie Nutzlosigkeit des BenediktbeurerUnternehmens vor, das von 1809 bis1814 nur Verluste gemacht habe, wäh-rend das Mathematisch-mechanischeInstitut in München in diesem Zeitraumeinen Gewinn von 100000 Guldenauswies.

Oben: Rohglasblock aus einer Schmelzeder Glashütte in Benediktbeuern.Unten: Gefüllter Schmelztiegel im Querschnitt.

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Das Zerwürfnis zwischen Utzschneiderund Reichenbach zog 1814 die Tren-nung des Münchener und des Benedikt-beurer Unternehmens nach sich.Reichenbach führte zusammen mit demMechaniker Traugott Leberecht Erteldas Münchener Institut zuerst mit demNamen »Mathematisch-mechanischesInstitut von Reichenbach«, ab 1815 als»Mathematisch-mechanisches Institutvon Reichenbach und Ertel« weiter.Utzschneider gründete sofort ein Kon-kurrenzunternehmen, in das der frühere Kompagnon von Reichenbach,Liebherr, und der Kaufmann C. l. Wer ner eintraten. Die Glashütte Bene-diktbeuern diente als selbstständigerLieferant; sie ging nicht in das neue In-stitut ein. Hier wurde nun Joseph Fraunhofer mit einer Summe von10000 Gulden als Mitgesellschafter be-teiligt. Fraunhofer war allerdings nichtberechtigt, diese Summe aus dem Firmenvermögen zu entnehmen. DasInstitut Reichenbachs wurde weiter-hin mit Benediktbeurer Glas beliefert;Sonderkonditionen wurden dem ehemaligen Mitgesellschafter nicht gewährt.

Trotz der angedeuteten schwierigen Finanzlage der Benediktbeurer Firmaund des Wechsels in der Gesellschaftwar binnen weniger Jahre eine be-deutende Unternehmung entstanden,in der insgesamt 48 Personen Beschäf-tigung fanden. Zwanzig Glasschleifer,fünf Dreher, zwei Rohrzieher, zwei Radtreiber, je ein Gießer, Optiker undHeizer, zwei Gürtler und vierzehn sons -tige Arbeitskräfte taten hier Dienst. Sie erwirtschafteten nach einer staatli-chen Erhebung ca. 50000 Gulden Erzeugungswert, wobei diese Summesicher auch den Ertrag der Gebrauchs-glashütte enthält. Aus Firmenunter-lagen geht hervor, dass von 1811 bis 1825 insgesamt 95 große Schmelzen inBenediktbeuern stattfanden, wobei die Ausbeute an verwertbarem Flint-und Kronglas bei knapp 30 Prozent lagund insgesamt 6000 Kilogramm Glasumfasste.

Prismen dienten zur Prüfung derGlasqualität.

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Fraunhofer fokussiert Glasproduk-tion auf Qualität

Der Wechsel der Firmenleitung auf Joseph Fraunhofer erbrachte eine nochstärkere Konzentration der Glaspro-duktion auf hochwertige wissenschaft-liche Gläser; die Gebrauchsglasher-stellung trat in den Hintergrund undwurde schließlich aufgegeben. DieQualität der optischen Produkte, dieaus den Gläsern der BenediktbeurerGlashütte entstanden, galt in Europaals unübertroffen.

Voraussetzung dafür war die Reinheitder Gläser, die durch die von Guinandentwickelte Rührmethode möglichwurde. Hierin liegt der große BeitragGuinands zur optischen Glaserzeu-gung. Die wichtigen Neuerungen, diedas Glas aus Benediktbeuern so hoch-wertig machten, sind dagegen zueinem großen Teil Joseph Fraunhoferzuzuschreiben. Sie beruhten auf Fraunhofers wissenschaftlicher Arbeits-weise. Guinand war ein geschickterHandwerker, der durch häufiges Pro-bieren manchmal fast zufällig Fort-schritte erzielte. Fraunhofer dagegenarbeitete wesentlich zielgerichteter, systematischer und deshalb letztlich er-folgreicher. Ausgangspunkt seiner Arbeit war die Auswahl der Rohstoffe,wobei er hohen Wert auf deren Rein-heit legte. Er benutzte zum Beispielnicht den Sand aus Quarzbichel, sondern ließ Quarz aus Tirol herbei-schaffen. Nach der wesentlichen Ver-besserung der Reinheit der Rohstoffestellte er in einer Reihe von Versuchendie richtige Zusammensetzung derRohstoffe fest.

Fraunhofers Arbeit zeigte bald Erfolge.Aus Benediktbeurer Glas konntenimmer größere Linsen erstellt werden,die nicht nur in Bayern, sondern inganz Europa Abnehmer fanden. Vonausschlaggebender Bedeutung für die Produktion großer Linsen war einevon Fraunhofer in Zusammenarbeit mit Guinand erreichte Verfahrensver-besserung in der Glasschmelze. Bei die-sem sogenannten Senkverfahren, auch als Ramollieren bezeichnet, wurdeeine fertige Glasmasse nochmals soweit erhitzt, dass diese in die Negativ-form einer späteren Linse gebrachtwerden konnte. Der so gewonneneRohling konnte dann geschliffen undpoliert werden.

Links: Mehrlagiges Schichtprisma.Unten: Gleichseitige Prismen in unter-schiedlichen Farben.

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Fernrohre begründen den Ruf vonFraunhofer und Benediktbeuern

Weitere Leistungen Fraunhofers liegenin der Auswertung der gewonnenenGläser, den verbesserten Bearbeitungs-methoden durch seine Schleifmaschineund der Weiterverarbeitung zu opti-schen Geräten, die vor allem für dieAstronomie von großer Bedeutungwaren. Fraunhofer konnte durch seineKenntnis des Brechungsverhaltens vonLicht und seine genaueren Berech-nungsmethoden achromatische Fern-rohre bauen, die eine bis dahin fürunmöglich gehaltene Objektivöffnungvon 25 Zentimetern besaßen. Sie soll-ten ein halbes Jahrhundert in derAstronomie tonangebend bleiben. DieBenediktbeurer Glashütte erlangte

einen weit über Bayern hinausreichen-den Bekanntheitsgrad. Viele großeSternwarten Europas waren mit Instru-menten der Firma Utzschneider- Fraunhofer ausgerüstet.

Die Arbeitsweise dieser achromatischenFernrohre bedarf einer kurzen Erklä-rung, aus der die Bedeutung der Forschung Fraunhofers über das Bre-chungsverhalten erkennbar wird. DasGrundproblem bei der Herstellung von Fernrohren ist die unterschiedlicheBrechung von weißem Licht nachDurchgang durch ein Glasprisma. Die-ses Phänomen, das Dispersion genanntwird, verhinderte den Bau von Linsen-fernrohren mit mehr als dreißigfacherVergrößerung, da die Farbverschiebungbei höherer Vergrößerung eine sinn-volle Verwendung unmöglich macht.Achromatische Fernrohre benutzenden Umstand, dass verschiedene

Dreizügiges Fernrohr mit derAufschrift »Utzschneider, Reichenbach und Fraunhofer inBenediktbeurn«.

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Glasarten einen unterschiedlichen Brechungsgrad aufweisen. Das bereitserwähnte Kronglas bricht das Lichtkaum, Flintglas dagegen bricht es sehrstark. In achromatischen Fernrohrenwird nun versucht, die Dispersion desLichts durch Aneinanderreihung dieserunterschiedlichen Gläser auszuglei-chen. Frühere Versuche – ohne diesesWissen über das Verhalten des Lichts –blieben zufällig und auf eine gewisseFernrohrgröße beschränkt. FraunhofersLeistung besteht im Erkennen dieserphysikalischen Gegebenheit und in derErarbeitung genauer Messmethoden,die für die Zusammensetzung der Lin-sen von ausschlaggebender Bedeutungwaren. Hierin lag der Grund für dieführende Rolle der Benediktbeurer Glas-hütte und der optischen Geräte, dieunter Fraunhofer entwickelt wurden.

Produktionsrezept für Qualitätsglaswird bekannt

Die Zusammensetzung der Rohstoffefür das Flint- bzw. Kronglas, wie sie Fraunhofer festgelegt hatte, wurdestreng geheim gehalten. Die wichtigs -ten Stoffe waren bei dem nur schwachlichtbrechenden Kronglas neben demQuarzsand alkalische Salze, Kieselsäureund Kalk; für das im zweiten Ofen erzeugte stark lichtbrechende Flintglaswurde anstelle von Kalk Blei beigege-ben.

Der Versuch der Geheimhaltung konnteaber auf lange Sicht nicht erfolgreichsein. Die führende Rolle der Firma Utz-schneiders beruhte auf Fraunhofers Fähigkeiten und Forschungsergebnissen,die dieser auch publizierte und so zu-gänglich machte. Die Arbeitsmethodedes Ofens und die ungefähre Glas -zusammensetzung wurden nach demAusscheiden Guinands und anderer Arbeiter von Benediktbeuern auch anderswo bekannt. Das galt ebenso fürdas Senkverfahren, an dessen Entwick-lung Guinand beteiligt oder worüber er zumindest – wie seine Briefe zeigen– genau informiert war.

Oben: Linsen aus der Fertigung in Benediktbeuern.Unten: Kleine Uhrmacherdrehbank auf einem Schraubstock aus Fraunhofers Werkstatt.

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Benediktbeuern geht wieder an den Staat

Der finanzielle Ertrag der optischen Un-ternehmen hielt sich selbst bei gutemGeschäftsverlauf in Grenzen. Das Insti-tut in München und die Glashütte inBenediktbeuern konnten auf Dauer dieinsgesamt angespannte FinanzlageUtzschneiders nicht ausschlaggebendsanieren. Die weitverzweigten Unter-nehmen Utzschneiders, der neben denoptischen Betrieben die bereits er-wähnte Lederwarenfabrik betrieb, alsTuchfabrikant tätig war und ein Bräu-haus besaß, waren hoch verschuldet.Der seit 1807 nebenbei auch wieder imStaatsdienst tätige Unternehmer hattesich übernommen. Nachdem der Versuch, für Teile seiner Betriebe, vorallem für die auch für das Königreich

strategisch und politisch wichtige Glashütte, staatliche Unterstützung zuerhalten, scheiterte, sah sich Utz-schneider 1818 zum Verkauf des Klos -ters Benediktbeuern gezwungen.

Im Januar 1818 bot er seinen Gutsbe-sitz dem König für insgesamt 362587Gulden zum Kauf an. Bereits im Märzwurde Utzschneider mit dem bayeri-schen Staat handelseinig, und für250000 Gulden verkaufte er den Besitz.Das ehemalige Kloster Bene dikt beuernwurde – wie die ur sprüng lich kurfürst -lichen Güter Schwaiganger und Schleiß-heim und die säkularisierten KlösterFürstenfeld und Steingaden – ein Gutfür die militärische Pferdeaufzucht. Dieehemaligen Klosterschwaigen Straß-berg und Wall wurden von der bayeri-schen Armee hinzugekauft. Zu Beginndes Ersten Weltkriegs war der ehe -malige klösterliche Wirtschaftskomplexmit über 2600 Hektar Besitz und 800Pferden sowie 100 Rindern das größteRemontedepot in Bayern, wie die Aufzuchtgüter für Fohlen genannt wur-den. Die Gebrauchsglashütte wurdezusammen mit dem Kloster verkauft.Nachdem sich kein Interessent fand,wurde sie bis zur Einstellung der Produk-tion von der bayerischen Armee weiterbetrieben.

Die Qualität der Fernrohre ausFraunhofers Hand war berühmtund trug zu seinem Erfolg als Unternehmer bei.

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Fraunhofers Nachfolger in der Glashütte

Die optische Glasproduktion blieb vomVerkauf des Klosters vorerst unberührt.Unter Fraunhofers fachlicher Leitungkonnte die Benediktbeurer Glashütteihre Marktstellung halten, und die bei-den optischen Institute in Münchenund Benediktbeuern gehörten immer-hin zu den gesündesten und einträg-lichsten Firmen Utzschneiders, dessenweitverzweigte Aktivitäten etwas Zweifel an seiner Solidität hatten auf-kommen lassen. Erst Fraunhofers früher Tod stürzte auch die optischenUnternehmungen Utzschneiders ineine Krise. An Fraunhofers Stelle setzteUtzschneider nicht den von diesem favorisierten Friedrich August von Pauli,sondern den bereits seit 18 Jahren inBenediktbeuern tätigen Optiker GeorgMerz, nachdem sich Verhandlungenmit C.A.Steinheil zerschlagen hatten.Ihm zur Seite wurde Joseph Mahler als Leiter des Verarbeitungsbetriebesgestellt.

Die Jahre nach Fraunhofers Tod stan-den ganz im Zeichen der Fertigstellungder von diesem noch übernommenenAufträge, die seine Nachfolger nachdessen Vorgaben auszuführen versuch-ten. Da beide Praktiker ohne großestheoretisches Wissen waren, wurde zeit-weise auch noch der Astronom ThomasClausen in Benediktbeuern zurate gezogen. Zumindest Merz dürfte nichtvon Anfang an das volle Vertrauen Utzschneiders besessen haben, der sichlange, unter Wahrung strengster Ge-heimhaltung, die Glasschmelze vorbe-hielt. Erst 1832, also sechs Jahre nachFraunhofers Tod, übernahm Merz dieseAufgabe, und 1839 kauften Merz und Mahler schließlich von dem damals76-jährigen Utzschneider die Glashüttein Benediktbeuern und das Institut in München, das nun unter dem Namen»Merz und Mahler« firmierte. Josephvon Utzschneider starb 1840.

Die Glasherstellung in Benediktbeuernsollte noch bis zum Jahre 1883 fort-geführt werden. Unter der Leitung derSöhne von Georg Merz wurden in der Glashütte weiterhin optische Gläsergefertigt. Die Einstellung der Glas-schmelze hing nicht nur mit der Konkurrenz, vor allem aus Böhmen, zusammen, die den einstigen Vor-sprung durch die Arbeiten Guinandsund Fraunhofers längst aufgeholthatte. Den endgültigen Anlass gab dieStaatsforstverwaltung, die den bishe-rigen Raubbau in den Waldungen desGutes der bayerischen Armee nichtlänger dulden wollte.

Links: Fraunhofer in einer Darstellungwenige Monate vor seinem Tod.Unten: Die beiden Schmelzöfen der Glashütte in Benediktbeuern.

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Pater Prof. Dr. Dr. Leo Weberbeschreibt und dokumentiert die Ge-schichte der Glashütte und des Optischen Instituts in Benediktbeuernin der Zeit Joseph von Fraunhofers.

Erwerb der Klosteranlage Benediktbeuern durch Joseph von Utzschneider

Im Mai 1805 hatte sich Joseph vonUtzschneider um die Gebäude des ehe-maligen Klosters Benediktbeuern beworben.1 Er plante darin die Einrich-tung eines modernen »optischen Instituts«. Die »Extradition« der Kloster-gebäude an ihn erfolgte am 6. Juli1805. Am 17. September, 8. Oktoberund 4. November 1805 wird er in verschiedenen Dokumenten als »Inha-ber des hiesig aufgehöbten Klosters« Benediktbeuern bezeichnet.2

Im Jahr 1805 hat Utzschneider die meisten Gebäude des Klosters an sichgebracht, noch nicht aber den »Maier-hof«. Der Kaufbrief trägt das Datum23. Oktober 1807.3 Zwischen Erwerbund Kaufbrief muss unterschieden werden. So war es auch beim Verkaufder Klosteranlage durch Utzschneideran den bayerischen König. Am 15. Fe-bruar 1818 fand die Übergabe im Sinne des Verkaufs statt, der Kaufbriefdarüber hat jedoch das Datum vom 2. März 1818.4

Der Kaufbrief vom 23. Oktober 1807setzt die Schäfflerei, die Wagnerei, dieSchmiede und Fassbinderei bei derBrauerei voraus. Diese Gebäude sindschon vor 1803 entstanden.5 DieSumme im Kaufbrief lautet auf 58150Gulden.

Joseph von Utzschneider und Joseph von Fraunhoferim ehemaligen Benediktinerkloster Benediktbeuern,1805–1818

Das Kloster Benediktbeuern.

Utzschneider

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Das ehemalige Klosterwaschhaus ander Südostecke der Klosteranlageneben dem Mühlbach und ihn über-brückend sowie der große vierflügelige»Kloster-Majerhof« im Nordosten des Klosters sind in diesem Kaufbriefnicht enthalten. Sie hat Joseph vonUtzschneider getrennt von den anderenGebäuden erworben. Das Kloster-waschhaus kaufte er bereits am 8. Ok -tober 1805. Er zahlte dafür der Leh- rerwitwe Anastasia Herzlin, die darinwohnte, 450 Gulden. Außerdem er-hielt Frau Herzlin in Häusern freie Woh-nung auf Lebenszeit.6

Den großen »vormaligen Kloster-Ma-jerhof«, die ausgedehnte Vierflügelan-lage im Nordosten des Klosters, hattezunächst Johann Georg Joseph Fuchsvon München am 20. Januar 1804»von der königl. Lokaladministrations-kommission in Benediktbeuern« gekauft.7 Fuchs war Kassier des »könig-lich und landschaftlich gemeinsamenSchuld abledigungswerks« in München.Vom Kassier Fuchs erwarb Joseph von Utzschneider als »königlich-geheimerReferendär« den »Kloster-Majerhof«am 18. September 1806 für 26000Gulden.8 Dieser ging nicht schon 1805an Utzschneider über, wie immer nochgeschrieben wird. Sein »Kaufschilling«für die Klosteranlage von 58150 Gulden erhöht sich somit wenigstens

um die 450 Gulden für das ehemaligeKlosterwaschhaus und um die 26000Gulden für den Maierhof auf insge-samt 84600 Gulden. Sein Aufwandsteigerte sich noch durch verschiedenekleinere Zuzahlungen sowie durchRückkäufe von ehemaligem Klosterfeld,das bei der Säkularisation versteigertworden war.

Joseph von Utzschneider beabsichtigte,im ehemaligen Kloster Benediktbeuerneinen landwirtschaftlichen Musterbe-trieb aufzubauen. Daher wollte er auchden Maierhof dazuerwerben.9 Gleich-zeitig war es ihm ein Anliegen, die inder Säkularisation »zerstückelten« Ob-jekte und Felder wieder zusammen -zubringen.10

»Die Schwaige, genannt Häusern«,östlich von Laingruben – seit 1865 dasDorf Benediktbeuern –, gehörte von1807 an wieder »zum Gute«, d.h. zurgesamten alten Klosteranlage. Zwi-schenzeitlich war sie von der bayerischenStaatsregierung an die Mennonitenverkauft worden, da kein anderer Inter-essent gefunden werden konnte.

Vermutlich führte Utzschneider die Klos -tergärtnerei weiter. Ein Treibhausdiente ihm indessen auch zur Aufstel-lung von optischen Geräten.11 Er setztesich sehr für die Kultivierung vonMoosgründen ein. Zwei »Filzparthien«mit 708 Tagwerk wurden ihm »zur Cultur« überlassen. Er hat sie trocken-gelegt wie auch andere Teile.12

Heutzutage sieht man in der Wieder-vernässung den Fortschritt.

In dem gekennzeichneten Fenster des Wohnhauses nebender Glashütte standen vermut-lich die sechs Lampen, mit denenFraunhofer über eine Strecke von genau 225 Metern Versuchezur Lichtbrechung des Glases für Licht verschiedener Wellen-länge durchführte.

und Fraunhofer

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Die Einrichtung des Optischen Instituts und FraunhofersWohnräume

Joseph von Utzschneider hat bewusstdie Gebäude des in der Säkularisationvon 1803 aufgelösten Klosters Bene-diktbeuern durch eine neue, sinnvolleNutzung zusammenhalten und erhal-ten wollen – was ein hohes Verdienstum die Geschichte und Kultur in Bay-ern, namentlich in Benediktbeuern,darstellt. Die wichtigste Einrichtung imehemaligen Kloster Benediktbeuern istdas »Optische Institut«, das er gemein-sam mit Joseph Liebherr und Georgvon Reichenbach 1805/06 als Zweig-stelle des Instituts in München begrün-dete.13 Dadurch sollte dem Bedürfnisnach optischen Messgeräten für diegeplante Landvermessung, aber auchnach allgemein besseren optischen Geräten für den Alltag, wie Fernrohrenund Mikroskopen, abgeholfen werden.

Voraussetzung dafür war bestes »opti-sches« Glas. Früher nannte man es»wellenfreies« Flintglas, heute sprichtman von »schlierenfreiem« bzw. von»homogenem« Glas. Nur mit einer sol-chen Glasqualität ließen sich Erfolge inder hochsensiblen optischen Industrieerzielen. Zunächst plante Utzschneidereine Schmelzstätte mit großen undfestgebauten Schmelzöfen. Diesewurde in Benediktbeuern neben demehemaligen Waschhaus des Klosters errichtet, nicht im Waschhaus, wie in der älteren Literatur immer wiedergesagt wird.

In den großen Öfen sollte Crownglas(Kronglas) und Flintglas erschmolzenwerden. Letzteres hatte einen stärke-ren Brechungskoeffizienten. In seinerSchmelzmasse war Blei enthalten. In der letzten Zeit vermutet man, dass Joseph von Fraunhofer sich durch den Umgang mit diesen Materialieneine Bleivergiftung zugezogen habe.

Die neu erbaute Hütte heißt in denQuellen »Hafen Werkstatt« bzw.»Glas-Ofen-Hütte« mit »2 optischen Glas -öfen« und mit einem »eisernen Nebenofen«.14 Auch ein »großer ein-gemauerter Kessel« war darin. Im ehemaligen Waschhaus direkt danebenwar hingegen die »optische Glasschlei-ferey« untergebracht. Sie hieß auch»das optische Fabrique-Gebäude«. Zuebener Erde hatte es »6 kleine Werk-städe mit Wasser Rad«, »in der 1. Etage5 Zimmer, 1 Küche, wo das Glas ge-schliffen« wurde.15 Über diese »Glas-schleiferey« hatte Joseph vonFraunhofer als Erstes die Leitung inne.

Zwischen dem »Waschhaus« und derneuen »Glasofen-Hütte« direkt dane-ben wurde klar unterschieden. Hinterdieser Glashütte befand sich an derGartenmauer ein »Dari-Ofen mit darinbefindlichen eisernen Thüren und Stangen, ... dergleichen die Sandhüttevor und hinter dem Haus bis [zum]Bach«.

Bald nach dieser »optischen Glaßhütte«gründete Utzschneider eine »gemeineGlaßhütte« für gewöhnliches Ge-brauchsglas.16 Ihr Gebäude stand west-lich vom Westflügel, ungefähr 80 bis 100 Meter entfernt, auf der Mittel-achse der Klosteranlage.17

Der Schweizer Pierre Louis Guinandhatte die neue Rührmethode erfunden,Joseph Fraunhofer verbesserte dieseMethode. Ihm gelang erstmals die ho-mogene Glasqualität; zudem schuf erLinsen mit viel größerem Durchmesserals bisher, auch als jene aus den bestenenglischen Produktionsstätten. Nach-dem Pierre Guinand ausgeschiedenwar, übernahm Joseph von Fraunhoferauch die Leitung des Schmelzverfah-rens und somit der Glasschmelzhütte.

Joseph von Fraunhofer revolutionierte die Herstellungvon Qualitätsglas.

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Einige Jahre später wurde er zusätzlichder Leiter der »optischen Mechanik«und Direktor des ganzen »optischen In-stituts« in Benediktbeuern. Fraunhofererzielte während seiner Tätigkeit in Be-nediktbeuern von 1809 bis 1819 seinebahnbrechenden Erfolge, wodurch dasehemalige Benediktiner-Kloster Bene-diktbeuern in der optischen Industrieweltweit führend wurde. Mit seinerGlasqualität, mit seinen kleinen undgroßen Linsen und Prismen, mit seinerMethode, die Linsen zu schleifen, zupolieren und die optischen Geräte zu-sammenzubauen, errang Fraunhofereinen Spitzenplatz. Darüber hinausstellte er mit seinen besten optischenGläsern Lichtforschungen an und gewann auch hier ganz neue Erkennt-nisse. Er bekam dafür den persönlichenAdel: Joseph von Fraunhofer.

Seine wichtigste Entdeckung sind dienach ihm benannten »Fraunhofer’schenLinien« im Spektrum des Sonnenlich-tes. Er setzte damit den Anfang derSpektralanalyse, die bis heute einegroße Bedeutung bei der Erforschungdes Weltalls hat. Benediktbeuernwurde zur »Wiege der wissenschaft -lichen Glastechnik«.18

Es interessiert daher umso mehr, wo ge -nau und in welchen Räumen Fraunhoferlebte, arbeitete und studierte, wo erwohnte. Eine Steintafel, die König Lud-wig I. von Bayern 1841, fünfzehn Jah-re nach Fraunhofers allzu frühem Tod,über einer Tür in der Wand im Gangdes »Fürstenflügels« im Obergeschoßanbringen ließ, gab bislang einen ersten Hinweis: »Hier arbeitete Josephvon Fraunhofer, Erfinder des wellen-freien Flintglases, in den Jahren 1809bis 1819«.

Joseph Fraunhofer kam um 1808/09nach Benediktbeuern.19 Wahrscheinlichab 1809 bewohnte er im äußeren Südflügel, der heute »Fürstenflügel«oder »Fürstentrakt« genannt wird, im Obergeschoß vom Westende deslangen Gangs aus die ersten fünfRäume bis zum »großen Saal«, dem»Kurfürstensaal«, der heute denSalesianern Don Boscos als Hauskapelledient. Er wurde als »Saal der optischenInstrumente« genutzt.20

In der Zimmerliste von 1818 heißt esbei der Nr. 145, direkt nach der Gang-tür vom Westflügel zum Südflügel,dem sogenannten »Neubau« oder der»Sommerabtei«, dem heutigen »Fürstentrakt«: »Küche, enthält einen gusseisernen Waschkessel und einenkupfernen Kessel« als »H. FraunhofersEigenthum«. Dann folgen die Zimmer-Nummern 146, 147, 148, 149. Diesewerden als »H. Fraunhofers Wohnzim-mer« bezeichnet. Unmittelbar daraufschloss sich mit der Nr. 150 der »großeSaal« oder der »Saal der optischen Instrumente« an. Er war »unheizbar«.Damit ist Joseph Fraunhofers engererWohn- und Studierbereich klar ge-kennzeichnet. Hier wohnte er, studierteer und machte mit den optischen Instrumenten im großen Saal gleich ne-benan Experimente – aber wohl kaumden Lichtversuch mit den sechs Licht-quellen. Dafür war der Abstand zumZielgebäude zu kurz und außerdem dieSicht teilweise versperrt.21 Es ist dennoch Fraunhofers Reich im engerenSinn. Wahrscheinlich hat er in diesenRäumen die nach ihm benannten»Fraunhofer’schen Linien« im Spektrumdes Sonnenlichtes entdeckt.

Fraunhofer konstruierte auch Mikroskope mit herausragendenoptischen Eigenschaften.

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Der »große Saal« (»Kurfürstensaal«)mit seinen hohen Fenstern auf der Ost-,Süd- und Westseite stellte sich als Saalder spektralfarbenen Sonnenlichtspieleheraus, wie der Verfasser dieses Textesmehrmals bei aufgehender Sonne be-obachten konnte. Bei schönem Wetterim Frühjahr treten in kurzen zeitlichenAbständen nacheinander durch die vonOsten her einfallenden Sonnenstrahlen,die das Fensterglas durchdringen,Lichtfelder mit den klaren Spektralfar-ben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau undViolett auf, wandern über den Fuß-boden, zwischen Stuhlbeinen und dieinnere Nord- und Westwand des Saales hinauf. Diese Farbfelder mussFraunhofer auch erlebt haben, da ersich oft in diesem Saal aufhielt und mitden optischen Geräten experimen-tierte. Durch sie vor allem dürfte er überdas Erlebnis mit der Feder in der Klosterschänke hinaus dazu angeregt worden sein, diesem Phänomen weiternachzugehen, wobei er die vielen Ab-sorptionslinien im Sonnenlicht entdeckthat.

Aufgrund der glastechnischen und naturwissenschaftlichen Erfolge Fraunhofers kommt diesen Räumenseines persönlichen Lebens höchste historische Bedeutung zu.

Vom Küchenraum aus (Nr. 145) führteeine enge Wendeltreppe nach untenins Erdgeschoß.22 Möglicherweise solltesie dem Forscher als kürzeste Verbin-dung zu den Werkräumen der »Optik«und »Mechanik« im vorderen östlichenTeil des Erdgeschosses dienen. Dochvor dem »großen Saal« gab es die»Haupttreppe«, die heute »Fürsten-treppe« heißt. Über sie wurden die op-tischen Instrumente in den »großenSaal« transportiert.

Prismenspektralapparat aus Fraunhofers Werkstatt. Solche Ge-räte dienen zur Zerlegung des einfallenden Lichts nach Wellen-längen.

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Die Räume im Erdgeschoß des »Neu-baus« waren nicht kunstvoll ausgestat-tet wie jene im Obergeschoß. Sieeigneten sich als Werkräume für Fein-mechanik zur Herstellung der optischenGeräte. Hier ließen sich Dreh- und Hobelbänke, Maschinen für die »me-chanische Werkstätte«, das später so genannte »mathematisch-mecha-nisch-optische Institut«, aufstellen undbenutzen. Für sie waren fünf Räume im Erdgeschoß mit den Nummern 82,83, 84, 85 und 86 bestimmt, begin-nend mit dem Gebäude von Osten herbis zum Abgang in den Keller und

zur »Hauptstiege« nach oben. Sie bil-deten den dritten Bereich des Opti-schen Instituts im ehemaligen KlosterBenediktbeuern.

Den vierten Bereich stellten FraunhofersWohn- und Studierräume dar. Siewaren gleichsam die Kopfzentrale. Vonihr kamen die maßgeblichen und fort-schrittlichen Impulse, die Innovationen.Die Räume des dritten Bereiches, diemathematisch-mechanisch-optischenWerkstätten, wurden beim Verkauf derKlosteranlage an den bayerischenKönig für das fortbestehende OptischeInstitut ebenfalls angemietet.

Den ersten Bereich des Optischen Insti-tuts bildete die »Hafenhütte«, denzweiten Bereich die »Glasschleiferey«im ehemaligen Waschhaus direktneben der Hafenhütte. Joseph vonFraunhofer hatte schließlich alle dreiBereiche unter seiner Leitung. DerAstronom und Freund Fraunhofers Jo-hann Georg von Soldner betrieb imJahr 1817 Fraunhofers Aufnahme indie bayerische königliche Akademie der Wissenschaften. Er bezeichnete ihnals »den besten praktischen Optikerunter den Lebenden«, der auch als»theoretischer Optiker und Experimen-tator« etwas zu leisten vermag. Unteranderem schrieb er: »Ihm stehen alleHilfsmittel zu Gebote, die man sich nurwünschen kann; er hat eine vortreff-liche Werkstatt, worin er alle Apparate,deren er bedarf, selbst verfertigte; er mischt und schmilzt seine Gläser, wieer sie braucht, und schleift sie nach seiner Berechnung.«23

Der 9-Zoll-Refraktor im Deutschen Museum wurde nachFraunhofers Plänen erbaut.

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Ergänzende Mitteilungen

Als »Eigentum des Opticus Jos. Fraunhofer« werden 1818 »ein sechs-jähriges braunes Reitpferd; ein ein -rädiges, gelbes Schweitzer Wägelchen;ein Bänder-Schlitten; ein Haferkasten«angeführt. Sie befanden sich in der»Oeconomie«, d.h. in den Räumen derStallungen, die vom Maierhaus be -herrscht wurden.24

Joseph von Fraunhofer ist auch nachder Verlegung des »mathematisch-mechanisch-optischen Instituts« 1819nach München immer wieder nach Benediktbeuern zurückgekehrt, um dieGlasschmelzen zu überwachen. Dabeidürfte er bis zu seinem frühen Tod 1826in den angegebenen Räumen ge-wohnt haben.

Beim Verkauf der Klosteranlage am 15. Februar 1818 an die Königliche Mi-litärverwaltung Bayerns behielt sichUtzschneider zahlreiche Räume miet-weise vor, da er die Herstellung vonoptischem Glas und auch des gewöhn -lichen Glases weiter betreiben wollte. In der »optischen Glashütte« fanden bisca. 1887 Glasschmelzen statt.25 Sig-mund Ritter von Merz, Sohn des GeorgMerz von Bichl, hat sie weiter unterhal-ten.

Im ehemaligen »Krankenhaus« desKlosters, auch »Apotheke« genannt,zwischen dem ehemaligen Waschhausund dem »Neubau«, waren im Erdge-schoß zwei Zimmer »mit den darin be-findlichen Öfen zum Gießen undFormentrocknen als Eigentum des opti-schen Instituts«. Im gleichen Erdge-schoß hatten die Glasschleifer und imStock darüber die »Individuen der Mechanik und Optik« ihre Schlaf- bzw.Wohnzimmer. Weitere fünf »Schlaf-und Wohnzimmer der Mechaniker«befanden sich im Konventbau. Wahr-scheinlich wohnte dort auch die Familie des Georg Merz von Bichl, desersten Mitarbeiters von Joseph vonFraunhofer.26

Im Erdgeschoß des Bibliotheksgebäu-des war eine »große Objektiv-Radius-Schleifmaschine« eingemauert. Im»Zimmer« darüber, im Raum des ehe-maligen Klosterarchivs, wurde der»obere Theil der großen Radius-Schleif-maschine« untergebracht. An derDecke angenagelt waren »eine großeRolle« sowie »ein kleines ... Aufzugge-stell«, außerdem das »Gestell der großen Rolliermaschine«. »Unter demDach« der Bibliothek – wohl vom Speicher aus – gab es »einen großenAufzug« zur großen Radius-Schleif-maschine. Alle diese Geräte und Maschinen waren »Eigentum des opti-schen Instituts« und wurden am 15. Februar 1818 nicht verkauft. Sieblieben in Händen von Joseph von Utzschneider.27

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Quellen

1 BayHStAM IV, Kriegsarchiv, M Kr 14 953 Remontedepot Benediktbeuern Bund 1, 1806 –1822. Kaufvertrag vom 23. Oktober 1807, XX.

2 A. a. O. Bund 1.3 Wie Anm.1. – Vgl. Bayern und seine Armee.

Eine Ausstellung des Bayerischen Haupt-staatsarchivs aus den Beständen des Kriegs-archivs (Ausstellung und Katalog: Rainer Braun in Zusammenarb. m. Gerhard Heyl / Andrea Groß; Red.: Albrecht Liess; 9. Juli – 30. August 1987), München 1987, 300, Nr. 163.

4 Wie Anm. 1, Unterkonvolut IV.5 So auch das Gutachten von Baufachmann

Strehler 2005. 6 Wie Anm. 2.7 Ebd.8 Ebd.9 Günter D. Roth, Joseph von Fraunhofer.

Handwerker, Forscher, Akademiemitglied 1787–1826 [= Große Naturforscher 39], Stuttgart 1976, 70.

10 KAM, A XIX b.1. Remontierung Benedikt-beuern – Kap. IV, Lit. Benediktbeuern Nr. 1.Militär-Fohlenhof Benedictbeuern. Ankaufdes ehem. Klosters vom Jahre 1818 bis 1822.Fasc. III ( NB.: Auf dem Innendeckel heißt es:»1818–1821, Fasc. II«). 3. Konvolut, 25. Jänner 1818 (Jos. Utzschneider an KönigMaximilian I.; eigenhändig), eingelegt imProdukt v. 6.II.1818. – Vgl. Bayern und seineArmee (wie Anm. 3), 297.

11 Wie Anm. 10, 1. Konvolut, Unternummer 5 ad 87. – »Das alte Treibhaus im Hofgarten« war »zur Aufstellung eines großen Fernrohrsbestimmt«.

12 Wie Anm. 10, 1. Konvolut, Unternummer 38. – Vgl. Bayern und seine Armee (wie Anm. 3), 300, Nr. 163.

13 Alto Brachner, Die Münchener Optik in der Geschichte. Entstehung, Unternehmungen, Sternwarten, Lokalitäten, Ausbreitung 1750–1984, München 1986, 113–118, 160–165. – Roth, Joseph von Fraunhofer (wie Anm. 9), 49–63. – Hans Jebsen-Marwedel, Joseph von Fraunhofer und die Glashütte in Benediktbeuern, München 1982, 11–26. – Ilse Mackenthun, Joseph v. Utzschneider. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit. Ein Beitrag zur bayerischen Wirtschaftsgeschichte [= Neue Schriften-reihe des Stadtarchivs München 11], München 1958, 125f. – Hans-Peter Sang,

20 Wie Anm. 10, 3. Konvolut; Gebäudebe-schreibung »G. Die Sommerabtei«, einge-legt im Produkt v. 6.II.1818; 1. Konvolut, Unternummer 5 ad 150. – KAM, A XIX, Bund 161. – Bayern und seine Armee (wie Anm. 3), 304. – Vgl. Leo Weber, Kloster Benediktbeuern (Großer Kunstführer 23), Regensburg 2003, 59–61. Die Salesianer Don Boscos sind seit 1930 im Kloster Benediktbeuern: Leo Weber (Hg.), Kloster Benediktbeuern. Gegenwart und Geschichte,Benediktbeuern 1981, 9–80.

21 Jebsen-Marwedel, Joseph von Fraunhofer (wie Anm. 13), 12. – Sang, Joseph von Fraunhofer (wie Anm. 13), 64.

22 Vgl. Fotos von P. Dr. Raymund Luschin SDB (Zimmergestaltung im Jahre 2002).

23 Carl Max von Bauernfeind, Gedächtnisrede auf Joseph von Fraunhofer zur Feier seines hundertsten Geburtstags, München 1887, 16. Vgl. Franz Past, Johann Georg von Soldner (1776–1833) und seine Zeit (Veröf-fentlichungen der Bayerischen Kommission für die internationale Erdmessung der Baye-rischen Akademie der Wissenschaften; Astronomisch-Geodätische Arbeiten, Heft Nr. 62), München 2005.

24 Wie Anm. 10, 1. Konvolut, Nr. 21.25 Textaufschrift auf der Spanschachtel mit

dem Wappen von Joseph von Fraunhofer: KLAB, Abtlg. »Weltliche Zeit«, Fraunhofer.

26 ADB 21, 480. – Roth, Joseph von Fraunhofer(wie Anm. 9), 90f. – KAM (wie Anm. 10), 3. Konvolut, Produkt v. 6.II.1818. – Vgl. Stahl (wie Anm. 13), 137, 151–153.

27 Wie Anm. 10, 1. Konvolut, Unternummer 7.

AbkürzungenADB: Allgemeine Deutsche BiographieBayHStAM: Bayerisches Hauptstaatsarchiv MünchenKAM: Kriegsarchiv MünchenKLAB: Klosterarchiv Benediktbeuern

Joseph von Fraunhofer. Forscher, Erfinder, Unternehmer, München 1987, 24f. – Wolfgang Stahl, Joseph von Utzschneider und seine Bedeutung für die deutsche optische Industrie, München 1929, bes. 116–171.

14 Wie Anm.10, 1. Konvolut, Unternummer 5 ad 172; Unternummer 25 (Rückseite).

15 Ebd., dazu a. a. O. 3. Konvolut: Gebäudebe-schreibung (»Abschrift«), eingelegt im Produkt v. 6.II.1818, fol. 2: – Dabei liegt ein Übersichtsplan von den Klostergebäuden aus dem Jahre 1818, Buchstabe o. (Die beiden großen Schmelzöfen in der »Glas-Ofen-Hütte« sind vermutlich in späterer Zeit erneuert worden). – Vgl. Carl R. Preyß, Joseph von Fraunhofer. Optiker – Erfinder – Pionier [= Stöppel-Kaleidoskop 203], Weil-heim 1989, 53.

16 Wie Anm. 10 – 1. Konvolut, Unternummer 16: »G. gemeine Glashütte u. Glas-Schleife-rey«. – NB: Es wird unterschiedlich »Glas-hütte« und »Glaßhütte« geschrieben. – 1. Konvolut, Unternummer 10 ad 98, 99. – Brachner, Die Münchener Optik (wie Anm. 13), 117f.

17 Wie Anm. 15 – Josef Kirmeier /Evamaria Brockhoff (Red.), Die historische Fraunhofer Glashütte in Benediktbeuern (Begleitheft zur Ausstellung »Glanz und Ende der alten Klöster. Säkularisation im bayerischen Oberland 1803«), München 1990, 18. Im September und Oktober 2005 wurden die Fundamente der »gemeinen Glashütte« bei Aushubar beiten für den Neubau der »Kath. Stiftungs fachhochschule für soziale Arbeit«freigelegt. Vgl. Stefan Biermeier M.A., SingulArch. Grabungen. Grabungsbericht, Benediktbeuern 2005, Westbau II.

18 Roth, Joseph von Fraunhofer (wie Anm. 9),49. – Sang (wie Anm. 13), 50 f., 56. – Jebsen-Marwedel, Joseph von Fraunhofer (wieAnm. 13), 25. – Brachner, Die MünchenerOptik (wie Anm. 13), 147–150. – Preyß, Joseph von Fraunhofer (wie Anm. 15), 51f.,62: »Fraunhofers neue Denkweise ... auf wissenschaftlicher Grundlage gab ein signifi-kantes Beispiel weit über die Optik hinaus«(S. 52). – Kirmeier /Brockhoff (wie Anm.17),8f., 14 (Wolfgang Jahn). – Stahl (wie Anm.13),138–144.

19 KAM, Remonte Inspektion und Depots.Bund 211, Unterbund Fraunhofer, Produkt4. – Roth, Joseph von Fraunhofer (wie Anm.9), 43–48. – Sang, Joseph von Fraunhofer(wie Anm.13), 39–41. – A. Seitz, JosefFraun hofer, in: Deutsche optische Wochen-Schrift 11 (1925) Nr. 41, S. 626. – Brachner,Die Münchener Optik (wie Anm. 13), 121.

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Christoph Mewesbeschreibt die Restaurierung der historischen Glashütte in Benediktbeu-ern und das Konzept der heutigen,erweiterten Ausstellung.

Bewahrung der geschichtlichenStätte

Seit vielen Jahren ist es der Fraunhofer-Gesellschaft ein Anliegen, die historische Glashütte von Joseph vonFraun hofer in einem Zustand zu erhal-ten, der den geschichtlichen Rand -bedingungen möglichst nahekommt.Dabei muss natürlich gleichzeitig denbaulichen Erfordernissen hinsichtlichKonstruktion, Sicherheit und Hand-habung Rechnung getragen werden.

Der 175. Geburtstag Fraunhofers im Jahr 1962 war willkommener Anlass,Restaurierung und Konservation desGebäudes aktiv in die Hand zu neh-men. Dieses Unternehmen förderte ins-besondere Hans Jebsen-Marwedel, der zu diesem Anlass eine Fraunhoferund der Stätte seines Wirkens gewid-mete Schrift verfasste.

Die Ausstellung: Glashütte und Werkstatt

Die historische Glashütte vor den Türmen des Klosters inBenediktbeuern.

Ausstellung

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Aufbau der Glashütte

Der klassische Aufbau der Glashüttebesteht an den Längsseiten aus mitBrettern beplanktem Holzständerwerk,das sich auf einem einfachen Sockel-fundament erhebt und nach obendurch einen angedeuteten Ringankerabgeschlossen wird. Nach hinten öffnen sich einige Fenster zum Obst-garten des Klosters. Zur Straße hin gewährt in neuerer Zeit in der sonstgeschlossenen Fassade ein zweiflü-geliges Tor Eintritt. Zu Fraunhofers Zei-ten floss parallel zur Straße der Mühl-bach; er trieb ein Wasserrad an, dasüber seine Nabe ein Pochwerk in Be-wegung setzte. Über eine Brücke erreichte man bis in die Achtzigerjahredes letzten Jahrhunderts ein – heute allerdings ungenutztes – Tor in derNordwestwand, das früher als Haupt-eingang diente.

Im Südwesten lehnt sich die Glashüttean das alte Waschhaus des Klosters,das auch Fraunhofers Werkstatt zumSchleifen von Linsen beherbergte.Nach oben schließt ein ungedämmtesSatteldach das Gebäude ab, das aufteilweise begehbaren Holzbindern ruht.Die Dachdeckung wird bei Leckagenmit originalen Biberschwänzen ergänzt.Das Tragwerk wurde vor einigen Jahrenmit äußerster Behutsamkeit durch Zugstangen stabilisiert. Der Boden derGlashütte besteht in seiner unebenenFläche aus gebrannten Ziegeln undpassenden flachen Feldsteinen. Dereinzige große Raum enthält zwei mäch-tige Hafenöfen mit Rührwerken unddiente der Glasherstellung.

Die Restaurierung

Im Jahr 1991 bekam die historischeGlashütte dank der gemeinsamen Initiative des Hauses der BayerischenGeschichte und der Fraunhofer-Gesell-schaft eine zeitgemäße Ausstattungzur Präsentation von Exponaten undtechnischen und geschichtlichen Fakten.

Mit der Restaurierung der Glashüttekonnten auch einige Exponate aus demdirekten Schaffen Fraunhofers präsen-tiert werden. In einer Vitrine fand manneben Fernrohren und einem Theo-doliten auch Fraunhofers Bierkrug.

Mit Konstruktionen aus verzinktemStahl und darin aufgespannten Glas-wänden wurde man den archaischenMaterialien gerecht. Die bedrucktenGlastableaus informierten anschaulichin Bild und Schrift und schütztengleichzeitig die ausgestellten Gegen-stände, aber auch die Öffnungen zu den Schmelzöfen. Neben Fernroh-ren und einer gegossenen Büste Fraunhofers fand vor allen Dingen einevom Fraunhofer-Institut für Laser -technik ILT in Aachen zur Verfügunggestellte Versuchseinrichtung das Interesse der Besucher. Hier konnteman per Knopfdruck den Weg desLichts, seine Brechung und die Qualitätder von Fraunhofer behandelten schlierenfreien oder schlierenbehaftetenGläser nachverfolgen.

Linsenschleif- und Polierbänkeaus Fraunhofers Werkstatt.

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Die Erweiterung des Museums: Fraunhofers Werkstatt

Im Jahr 2006 entwickelten Carl R. Preyß,Gründungsmitglied der Fraunhofer- Gesellschaft, Pater Prof. Dr. Dr. LeoWeber, Salesianerpater im Kloster Be-nediktbeuern und Fraunhofer-Experte,sowie Christoph Mewes aus der Abtei-lung Bauangelegenheiten und Liegen-schaften der Fraunhofer-Gesellschaftdas Konzept, Werkzeuge und optischeInstrumente, mit denen Fraunhofer vor 200 Jahren gearbeitet hatte, in Be-nediktbeuern auszustellen. Diese Gegenstände befanden sich bis dahinin den Archiven des Deutschen Muse-ums und des Stadtmuseums München.Nachdem die historische Glashütteselbst nicht die Möglichkeit bot, denmusealen Anforderungen gerecht zu werden, prüften die Initiatoren ge-meinsam mit dem Architekten KnutPrill (Baldauf·Prill Architekten, Schon-gau) den Gedanken, den zugemauer-ten Durchbruch zum alten Waschhauswieder zu öffnen. Hier, in der ehe-maligen Schleiferei Fraunhofers, befin-det sich heute das Gästehaus des Klosters. Dankenswerterweise erklärtesich die Klosterführung bereit, zwei der Gästezimmer aufzugeben und zueinem Ausstellungsraum mit den notwendigen musealen Randbedingun-gen umzu widmen.

Unter behutsamer Beibehaltung des historischen Gewölbes wurden dieQuerwände entfernt, der bestehendeFlur nach den Maßgaben des Brand-schutzes mit einer Stahltür abgetrenntund mit einer Tapetentür verkleidetsowie zwei zur Außenansicht passendeFenster eingesetzt, die dem geforder-ten Sicherheitsstandard zur Ausstellungvon Exponaten entsprechen.

So tritt man nun von der Glashütte ausin eine Kanzel, die nach drei Seiten verglast ist und den Blick auf die aktu-elle Ausstellung freigibt.

Die restaurierte Glashütte mitden Schmelzöfen. Im Vorder-grund ist ein Rührwerk zu erken-nen, das in das geschmolzeneGlas gesenkt werden konnte.

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Während in der historischen Glashüttedie Gewinnung des Glases aus Quarz-sand die Hauptrolle (1Glasherstellung)spielt, findet man im neuen Museums-raum folgende thematische Stationen:

2 Glasbearbeitung3 Optische Bauteile4 Metallbearbeitung5 Mechanische Bauteile6 Optische Instrumente7 Rohglasproben

Die größten Ausstellungsgegenständewie eine Zahnrad-Fräsmaschine undeine Glasschleifmaschine konnten nureingebracht werden, indem der Schlos-ser zwei Querstreben der Glaskanzelfehlen ließ und zusammen mit denGläsern erst nach Einbringung der biszu 500 Kilogramm schweren Exponatemontierte.

Die Anzahl der jetzt ausgestellten Ge-genstände erscheint gegenüber demvorherigen Zustand immens, jedochsollte man nicht vergessen, dass in denbeiden Gebermuseen noch viele weitere Fraunhofer-Exponate daraufwarten, ihren Weg in die historischeGlashütte nach Benediktbeuern zu finden.

Eine Erweiterung des neuen kleinenMuseums ist baulich unproblematisch.

5 Mechanische Bauteile

Historische Werkstätte von Fraunhofer in Benediktbeuern

6 Optische Instrumente

3 Optische Bauteile

4 Metallbearbeitung

7 Rohglasproben

1 Glasherstellung

2 Glasbearbeitung

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CarI R. Preyßumreißt Joseph von Fraunhofers großeBedeutung für die Entwicklung vonWissenschaft, Technik und Wirtschaft.

Fraunhofers genialer Ansatz deroptischen Forschung

Joseph von Fraunhofer, 1787 in Strau-bing geboren, hat gegen Ende seines kurzen Lebens eine Entdeckung gemacht, die das Potenzial hatte, einen großartigen industriellen Auf-stieg zu begründen: die physikalischeBeziehung zwischen dem Auflö-sungsvermögen eines Mikroskops und der Wellenlänge des Lichts.

Fünfzig Jahre später hat Ernst Abbe inJena diesen Zusammenhang neu auf-gedeckt und zur Grundlage des überra-genden Erfolgs von Zeiss gemacht. Ersagte1887 bei der für Fraunhofer veran-stalteten Hundertjahrfeier in Jena: »Der frühzeitige Tod Fraunhofers warfür die praktische wie für die wissen-schaftliche Optik ein unersetzlicherVerlust. Weittragende Ideen, die er in den letzten Lebensjahren verfolgt hat,deren Verwirklichung die Optik nochum Jahrzehnte weiter vorwärtsge-bracht haben würde, sind erweislichmit ihm zu Grabe gegangen. Die Arbeitzweier nachfolgender Generationen ist erforderlich gewesen, die Wege wie -der aufzufinden, die er schon ange-bahnt hatte ...«

Fraunhofers Bedeutung

Fraunhofers

Joseph von Fraunhofer.

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Nicht nur deshalb darf Fraunhofer alsGenie gelten; dafür sprechen weitereFakten:

– Fraunhofer hat sich sein umfassen-des Wissen als Glaserlehrling ohne akademische Bildung selbsterarbeitet,

– er war zugleich Wissenschaftler undUnternehmer,

– er schuf die mit Abstand höchsteGüte optischer Systeme und damitauch die leistungsfähigsten astro -nomischen Fernrohre seiner Zeit,

– er erschloss wie kaum einer vor ihmdie Wellennatur des Lichts, und

– er entwickelte eine völlig neue Denk-weise der technischen Entwicklungund Fertigung und schuf damit eine Grundlage der modernen in -dustriellen Arbeitsweise.

Frühes Aufstreben und Förderung

Fraunhofers Jugend wurde oft be-schrieben, manchmal etwas rührselig.Sicher hatte er es nicht leicht, dochentsprach dies den Zeitumständen. Ererlernte ein solides Handwerk, eineSchwester sorgte für ihn als einzigenBruder, als er Waise war, die Familiebesaß in Straubing ein schönes Hausund die Glasergerechtigkeit. Was ihnwirklich drückte, war die Engstirnigkeitseines Lehrherrn, der jede theoreti-sche Weiterbildung für unnötig hieltund alles Lesen unterband.

Eine Katastrophe, der Hauseinsturz imMünchener Thiereckgäßl, 1801, bei dem der junge, von Wissensdurst ge-triebene Bursche knapp mit dem Lebendavonkam, brachte den Umschwung:Utzschneider, der weitsichtige Unter-nehmer und Wirtschaftspolitiker,ent deckte ihn, der Kurfürst sagte ihmBeistand zu und machte ihm ein Geldgeschenk. Er wurde gefördert, auchdurch den klugen Benediktinerpater Ulrich Schiegg, der eine maßgebendewissenschaftlich-technische Autoritätwar. So konnte sich Fraunhofer weiter-bilden und seine Ideen entwickeln.

Als dann 1806 Utzschneider den 19-Jährigen in seine Fabrik für optischeInstrumente holte, weil er dringendeinen Mann brauchte, der für die ferti-gen, aber »blinden« Geräte die nötigen hochwertigen Linsen herstellt,zeigten sich Fraunhofers außerordent -liche Fähigkeiten: Er brach mit demÜberkommenen, fand seine eigenenWege und erfüllte in kürzester Zeit alleAnforderungen quantitativ, qualitativund kostenmäßig besser als erwartet.

Die Firma hatte der bedeutende Inge-nieur und Erfinder Georg von Reichen-bach zusammen mit Utzschneider ins Leben gerufen. 1807 wurde sie ausMünchen nach Benediktbeuern in dasvon Utzschneider erworbene Kloster-gebäude verlagert. Fraunhofer legte, erst 21 Jahre alt, ein neues Unterneh-menskonzept vor und verlangte dieTeilhaberschaft. So wurde er Unterneh-mer und 1814 alleiniger Leiter.

Neue Wege für Wirtschaft und Wissenschaft

Nun zeigte sich erneut das Außerge-wöhnliche: Nachdem er schon die Fertigungstechnik revolutioniert hatte,entwickelte Fraunhofer nicht nur neue Instrumente von bis dahin unge-ahnter Qualität, sondern wurde zugleich zum Wissenschaftler und er-forschte die Wellennatur des Lichts.

Das Ergebnis des Fabrikanten: SeineFernrohre gingen in die ganze Welt und gaben der astronomischenWissenschaft neue Impulse. Die großenTeleskope und Heliometer finden wir z.B. in München und Moskau, inCincinnati und Christiania, in Green-wich, Mexiko und Sydney. Der vor demVersand öffentlich ausgestellte Dor -pater Refraktor Fraunhofers galt alsGipfel der feinmechanischen und opti-schen Technik und wurde darüber hinaus zu einem Symbol des techni-schen Fortschritts.

Bedeutung

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Der Erfolg des Wissenschaftlers: DieAbsorptionslinien des Sonnenspek-trums – zunächst nur als objektiverMaßstab für die Entwicklung und Prü-fung des Optikglases gedacht – wur-den von ihm systematisch untersucht,vermessen und veröffentlicht; sie gingen als »Fraunhofer’sche Linien« indie physikalische Terminologie ein und trugen wesentlich zur Entwicklungvon Spektralanalyse und Astrophysikbei.

Dies war für ihn nur der Auftakt derwissenschaftlichen Ergründung derNatur des Lichts: Fraunhofer erbrachteden endgültigen Beweis derYoung’schen Wellentheorie und führtemit dem von ihm erfundenen opti-schen Gitter als Erster absolute Wellen-längenmessungen des Lichts durch.Seine Werte weichen nur um Promillevon den heute gemessenen ab.

Herausragende Leistung sorgt fürfrühe Anerkennung

So erntete Fraunhofer auch internatio-nale wissenschaftliche Anerkennung,wurde Mitglied der Bayerischen Akade-mie der Wissenschaften und andererwissenschaftlicher Vereinigungen undEhrendoktor der Universität Erlangen.Als Professor hielt er Vorlesungen überOptik. Der König, der bei der Erret -tung des Glaserlehrlings aus dem ein-gestürzten Haus zugegen gewesenwar, ernannte ihn 1824 zum Ritter des»Civil-Verdienst-Ordens der BaierischenKrone«, verbunden mit dem persönli-chen Adel.

Diese frühen Ehrungen konnten abernoch nicht Fraunhofers vielleicht nachhaltigste Leistung bewerten, näm-lich die Einführung einer gänzlichneuen Methode zur Entwicklung undFertigung von gewerblichen Gütern. Er erkannte, dass es nicht genügt, dasÜberkommene weiterzuentwickeln,und untersuchte deshalb unvoreinge-nommen und systematisch jede einzelne Komponente bei Material, Fertigung und Produkt, und er entwi-ckelte neue Werkstoffe, Fertigungs-vorrichtungen und Prüfmethoden.Damit machte er sich von den mensch-lichen Unzulänglichkeiten unabhängigund konnte so Qualität, Ausstoß-menge, Zeit und Kosten vollständig beherrschen. Das war eine völlig neue Denkweise!

Auch das hat Abbe erkannt, wenn ersagt, der Gedanke, der bildendenHand nur die Verkörperung der vollen-deten Idee zu überlassen, sei für diedamalige Zeit ein absolutes Novum ge-wesen, und weiter wörtlich: »Jeder wirkliche Fortschritt ist – auchda, wo er nicht direkt in FraunhofersArbeiten vorbereitet war –, auf dessenWegen zustande gekommen.«

Ein Vordenker für die Nachwelt

So wurde Fraunhofer zum Vordenkerder modernen industriellen Methodebei der Entwicklung neuer Werkstoffe,Bauelemente, Maschinen und Appa-rate, bei Vorrichtungen, Arbeitstechni-ken und Prüfmitteln.

Es war folgerichtig, dass 1949 eine Institution für die angewandte For-schung bei ihrer Gründung Fraunhoferals Leitbild und Namensgeber gewählthat: die Fraunhofer-Gesellschaft.

Fraunhofers Gedankengut hat starkeImpulse gegeben und ist bis heute lebendig geblieben. Von seiner mate-riellen Hinterlassenschaft ist durchglückliche Fügungen vieles erhalten geblieben, voran seine Glashütte im Kloster Benediktbeuern. Aber auchwichtige Teile seiner Werkstatteinrich-tung wurden gerettet, vor allem durchdie Weitsichtigkeit von Dr. Loher, demInitiator des Münchener Fotomuseums.Davon kann nun einiges der Öffentlich-keit zugänglich gemacht werden – und das sogar in einem Raum, denFraunhofer selbst für die Herstellungder Präzisionsoptiken benutzt hat.

Weitere Objekte warten im Depot aufihre Wiederbelebung. Fraunhofers zentrale Bedeutung für die Geschichteder physikalischen Optik, für die Astronomie und für die Methoden derGüterproduktion rechtfertigt ein kleines Museum, das sich auf die Ferti-gungstechnik konzentriert und auf diesem Sektor die wertvollen Beständedes Deutschen Museums an Instru-menten museal ergänzt.

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Literatur

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Brachner, Alto: Die Münchener Optik in der Geschichte. Entstehung, Unternehmungen, Sternwarten, Lokali-täten, Ausbreitung 1750–1984, Diss.München 1986.

Brachner, Alto/Seeberger, Max (Hg.): Joseph von Fraunhofer 1787–1826.Ausstellung zum 150. Todestag, Deutsches Museum, München 1976.

Jebsen-Marwedel, Hans: Joseph von Fraunhofer und die Glashütte in Benediktbeuern, München 1982.

Joseph von Fraunhofer 1787–1826,Ausstellung zum 200. Geburtstag, Konzeption: Johannes Prammer, Straubing 1987 (Katalog des Gäubo-denmuseums Straubing Bd. 10).

Junkelmann, Markus: Joseph vonFraunhofer – Pionier der modernenForschung, in: Unternehmer – Arbeit-nehmer. Lebensbilder aus der Frühzeitder Industrialisierung in Bayern, hg. v. Rainer A. Müller, München 1985,S. 76–80 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur Bd. 7/85).

Kohler, Ernst: Georg von Reichenbach,Das Leben eines deutschen Erfinders,München 1933.

Kratz, Otto Paul /Renatus, Elisabeth:Zur Geschichte der Glashütten in Benediktbeuern, in: Kultur und Technik7 (1983), S. 249 –256.

Mackenthun, Ilse: Joseph v. Utzschnei-der, sein Leben, sein Wirken, sei ne Zeit. Ein Beitrag zur bayerischen Wirt-schaftsgeschichte, München 1958.

Preyß, Carl R.: Joseph von Fraunhofer.Optiker – Erfinder – Pionier, Weilheim1989.

Preyß, Carl R.: Joseph von Fraunhofer.Physiker – Industriepionier, (o.O.) 2007. Veränderter Nachdruck des Buchs »Joseph von Fraunhofer. Optiker – Erfinder – Pionier«.

Rollwagen, Walter: Joseph von Fraunhofer, München 1977.

Sang, Hans-Peter: Joseph von Utz-schneider (1763–1801). Sein Leben,sein Wirken, Diss. München 1985.

Sang, Hans-Peter: Joseph von Fraun-hofer. Forscher, Erfinder, Unternehmer,München 1987.

Schneider, Anton: Der Gewinn desbayerischen Staates von säkularisiertenlandständischen Klöstern in Altbayern,München 1970 (Miscellanea Bavarica Monacensia 23).

Seitz, Adolf: Joseph Fraunhofer undsein optisches Institut, Berlin 1926.

Utzschneider, Joseph von: KurzerUmriß der Lebens-Geschichte desHerrn Dr. Joseph von Fraunhofer, in:Kunst- und Gewerbeblatt des polytechnischen Vereins für das König-reich Bayern 12 (1826), S. 411– 424.

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Impressum

RedaktionDr. Martin ThumChrista Schraivogel (Bild)

AutorenDr. Wolfgang Jahn, Haus der Bayerischen GeschichteDr. Josef Kirmeier, Haus der Bayerischen GeschichteChristoph Mewes, Fraunhofer-Gesellschaft Carl R. Preyß, Gründungsmitglied der Fraunhofer-GesellschaftPater Prof. Dr. Dr. Leo Weber, Kloster Benediktbeuern

Die Beiträge von Dr. Wolfgang Jahnund Dr. Josef Kirmeier sowie die Bilder auf den Seiten 5 –13, 15 und22 stammen aus: Die historischeFraunhofer-Glashütte in Benedikt-beuern, herausgegeben von derFraunhofer-Gesellschaft und demHaus der Bayerischen Geschichte,München 1990

LayoutGestaltungsbüro Hersberger SGD,München

ProduktionMarie-Luise Keller-Winterstein

BildquellenAlexander Heck: 5 – 8,11,13 –15, 21Deutsches Museum: 17Bernd Müller: 14, 23 – 29, 34 – 35,Hans Wiedemann: 7 rechts, 9, 22

Bei Abdruck ist die Einwilligung der Redaktion erforderlich.

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© Fraunhofer-Gesellschaft, München 2008

Fraunhofer-GesellschaftAnsprechpartner fürPresse und Öffentlichkeitsarbeit:Franz MillerHansastraße 27c80686 MünchenTelefon +49 89 1205-1300presse�zv.fraunhofer.de

Allgemeine Anfragen können Sie per Mail richten an: info�fraunhofer.de

Historische Fraunhofer-GlashütteFraunhoferstraße 183671 Benediktbeuern

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