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Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft Entwicklungspolitisches Konzept BMZ-Strategiepapier 3 | 2013

Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft€¦ · BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/2013 Vorbemerkung zur Funktion des Konzepts 4 usammenfassung Z 5 1. Aufbau einer leistungsfähigen und nachhaltigen

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Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft Entwicklungspolitisches Konzept

BMZ-Strategiepapier 3 | 2013

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Dirk Niebel, MdBBundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Gudrun Kopp, MdBParlamentarische Staats sekretärin

beim Bundes minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Hans-Jürgen BeerfeltzDer Staats sekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Inhaltsverzeichnis

BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/20133

Vorbemerkung zur Funktion des Konzepts 4 Zusammenfassung 5

1. Aufbau einer leistungsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft in Entwicklungsl ändern – Herausforderung und Chance 7

2. Ziele und Leitbilder der deutschen Entwicklungspolitik im Landwirtschaftssektor 102.1 Kernziele des deutschen Engagements 102.2 Zentrale Leitbilder des deutschen Engagements 11

3. Umsetzung der Ziele und Leitbilder in der bilateralen Entwicklungsz usammenarbeit 143.1 Grundsätzliche Ausrichtung von Landwirtschaftsvorhaben 143.2 Handlungsfelder 16

4. Politikkohärenz und Mitgestaltung globaler Rahmensetzungen 23

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Vorbemerkung zur Funktion des Konzepts

Das vorliegende Konzept verdeutlicht die großen Chancen, die die Landwirtschaft zur Bekämpfung von Armut und Hunger im ländlichen Raum bietet, und zeigt auf, welche Wege die deutsche Entwick­lungspolitik zur Nutzung dieser Chancen beschreitet. Es zielt auf die Förderung der Landwirtschaft unter dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und dem Ziel der Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung.

Das Konzept ist entwicklungspolitische Orientierung des BMZ für die Gestaltung der deutschen staat­

1lichen Entwicklungszusammenarbeit.

1 Diese umfasst die Programme und Aktivitäten der finanziellen und der technischen Zusammenarbeit inklusive des Entsendens deutscher Fachkräfte und Entwicklungshelferinnen und ­helfer sowie der beruflichen Fortbildung von Fach­ und Führungskräften aus den Kooperationsländern.

Es definiert den entsprechenden Handlungsrahmen und ent­hält Vorgaben für die Erstellung von Regional­ und Länderkonzepten. Es baut auf der BMZ­Strategie “Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung” auf und legt die Vorgaben des BMZ­Menschenrechtskonzepts zugrunde. Au ßerdem fließen Aspekte aus verschiedenen anderen BMZ­

2Konzepten ein, etwa zur Wirtschaftsentwicklung ,

2 Im Einzelnen handelt es sich um die Konzepte zur Privatwirt­schaftsförderung (in Überarbeitung), Finanzsystementwicklung und Wirtschaftspolitik (in Überarbeitung) sowie Strategiepapiere zu Agrar­finanzierung und Informationstechnologien.

zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder, zu Biodiversität, Wasser und Energie sowie zum ökolo­

gischen Wirtschaften (Green Economy). Weiterhin verweist es auf die BMZ­Strategiepapiere zu groß­flächigen Landkäufen und ­pachten und zu Bio­kraftstoffen, und es berücksichtigt die Leitlinie zur Umwelt­ und Klimaprüfung.

Das Konzept thematisiert vorrangig die struktu­relle Förderung der Landwirtschaft in Ländern und Regionen mit stabilen und weitgehend stabilen politischen Verhältnissen. Besondere Aspekte der Landwirtschaftsförderung in fragilen Kontexten und

ihrer Bedeutung für die dortige Wirtschaftsentwick­lung und Ernährungssicherung werden im geson­derten BMZ­Konzept zur entwicklungsorientierten und strukturbildenden Übergangshilfe vertieft b ehandelt.

Außerdem positioniert das Landwirtschaftskonzept die deutsche Entwicklungspolitik in der internati­onalen Debatte, in der Zusammenarbeit mit multi­lateralen Organisationen und in der europäischen Entwicklungszusammenarbeit. Das Konzept geht davon aus, dass Landwirte nur dann einen signifi­kanten und dauerhaften Beitrag zur Bekämpfung von Armut und Hunger leisten können, wenn ihr Handeln durch andere Politikfelder unterstützt und nicht konterkariert wird. Darüber hinaus stellt das Konzept eine Entscheidungshilfe für das Identifi­zieren, Prüfen, Planen, Durchführen, Steuern und Ev aluieren entwicklungspolitischer Vorhaben dar. Es ist Grundlage für den Dialog mit der Öffentlich­keit und für die Zusammenarbeit mit anderen Bun­desressorts.

Das Konzept ist für die Institutionen der staat­3lichen Entwicklungszusammenarbeit

3 Hierzu gehören: Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wieder­aufbau (KfW), Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammen­arbeit (GIZ) einschließlich Centrum für internationale Migration (CIM), Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Physikalisch­Technische Bundesanstalt (PTB).

verbindlich. Für die Geschäfte im eigenen Risiko der KfW­Ent­wicklungsbank und der KfW­Tochter DEG sowie den G eschäftsbereich International Services der D eutschen Gesellschaft für Internationale Zusam­menarbeit (GIZ) GmbH dient das Konzept als Richt­schnur. Zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Privatwirtschaft wird es als Orientierungshilfe angeboten.

Das BMZ wird die Umsetzung des Landwirtschafts­konzepts regelmäßig überprüfen.

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BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/20135

Zusammenfassung

Während die Landwirtschaft in vielen Teilen der Welt Überschüsse produziert, ist es bis heute nicht gelungen, den Hunger auf der Welt substanziell zu reduzieren. Grund für diesen Hunger ist im Wesent­lichen nicht ein absoluter Mangel an Nahrungs­mitteln, sondern die verbreitete Armut vor allem im ländlichen Raum. Es sind meist ressourcenarme kleinbäuerliche Familien, die sich von dem, was sie ernten, nicht ausreichend ernähren können.

In den letzten Jahrzehnten herrschten in Entwick­lungsländern ökonomische Perspektivlosigkeit in der Landwirtschaft und politisches Desinteresse an ländlicher Entwicklung. Diese Situation hat sich geändert. Angezogen durch den Investitionsanreiz steigender Agrargüterpreise fließt nun verstärkt nationales und internationales Kapital in den Agrarsektor des Südens. Steigende Agrargüterpreise, wachsender Kapitalfluss und große Ertragssteige­rungspotenziale bieten jetzt die große Chance, aus­gehend von einer Entwicklung der Landwirtschaft, die strukturelle Armut im ländlichen Raum und den Hunger zu überwinden.

Die Realisierung dieser Chance ist jedoch gerade für die am wenigsten entwickelten Länder kein Selbst­läufer. Es kommt jetzt darauf an, dass Investitionen auch in weniger begünstigte Regionen fließen und sich in einen langfristigen Nutzen für die betroffe­nen Länder und die dort lebenden Menschen um­münzen. Diesen Ländern kommt daher die Aufgabe zu, mit Unterstützung der internationalen Gemein­schaft die wirtschaftlichen und politisch­institutio­nellen Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Tätigkeit zu verbessern. Dazu zählt etwa die Schaf­fung einer entwicklungsorientierten Bodenpolitik, um langfristige und verantwortungsvolle Investi­tionen in Land und Landwirtschaft zu unterstützen und die verschiedenen Interessen im ländlichen Raum auszugleichen. Außerdem ist die Entwicklung eines zeitgemäßen landwirtschaftlichen Berufsbildes

mit angemessener Aus­ und Weiterbildung ebenso wichtig wie die Bereitstellung ländlicher Infrastruk­tur und der Aufbau eines ländlichen Kredit­ und Versicherungswesens.

Die Landwirtschaft kann wesentlicher Motor zur Überwindung von Armut und Hunger sein. Sie muss langfristig die Ernährung einer wachsenden Welt­bevölkerung sichern, die nicht nur wächst, sondern gleichzeitig nach höherwertiger, proteinreicher Nahrung verlangt. Insgesamt wird die Nachfrage der Landwirtschaft nach begrenzten Flächen, nach Wasser und Energie weiter zunehmen. Die globale Praxis der Landwirtschaft hat aber bereits heute enorme negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Damit wird nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft – mehr Produktion mit weniger, effizienterem Ressourceneinsatz und zugleich weit geringeren negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt – zu einer entscheidenden Zukunftsfrage der Menschheit. Landwirtschaft muss in der Lage sein, die Ernährung ohne dauerhafte Schädigung ihrer eigenen Produktionsgrundlagen zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich die deutsche Ent­wicklungspolitik in ihren bilateralen Programmen, bei ihrem multilateralen Engagement, bei ihrer Mitgestaltung der internationalen Agenda und in ihrem Bemühen um Politikkohärenz von zwei Zielen leiten: Landwirtschaft muss erstens Armut mindern und Hunger überwinden, und sie muss zweitens res­sourcenschonend und klimaverträglich sein. Bei der Verfolgung dieser beiden Ziele orientiert sie sich an sieben Leitbildern: 1) Umsetzung des Rechts auf Nah­rung, 2) Partnerorientierung, 3) Unterbindung von “Land Grabbing”, 4) verantwortungsvoller Anbau von Energiepflanzen, 5) Primat der Förderung kleinbäuer­licher Landwirtschaft, 6) Gleichberechtigung der Ge­schlechter und Integration marginalisierter Gruppen sowie 7) Einbettung der Landwirtschaftsförderung in eine umfassende Strategie für den ländlichen Raum.

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Landwirtschaftsvorhaben der bilateralen Entwick­lungszusammenarbeit werden so ausgestaltet, dass sie beide Ziele – Armutsminderung und Ernährungs­sicherung einerseits, Ressourcenschutz und Klima­verträglichkeit andererseits – direkt adressieren. In ihrem Unterstützungsangebot beschränkt sich die bilaterale Zusammenarbeit auf sechs Hand­lungsfelder, in denen sie über einen breiten Erfah­rungsschatz verfügt: 1) Agrarpolitische Beratung und Kapazitätsentwicklung; 2) Professionalisierung kleinbäuerlicher Betriebe; 3) Verbesserung von landwirtschaftlicher Ausbildung und Beratung; 4) Agrarfinanzierung; 5) Ressourcenmanagement, Umweltschutz und Bewässerungslandwirtschaft; 6) Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Unternehmen.

Komplementär zu ihrem bilateralen Engagement wirkt die deutsche Entwicklungspolitik an agrar­politischen Prozessen der Europäischen Union, der verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen, der Weltbank und der regionalen Entwick­lungsbanken mit. Außerdem gestaltet sie diejenigen globalen Normen und Regeln mit, die einen wich­tigen Rahmen für nationales und lokales Handeln auf dem Weg zu einer nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft spielen.

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1. Aufbau einer leistungsfähigen und nachhal tigen Landwirtschaft in Entwicklungs-ländern – Herausforderung und Chance

Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahrzehn­ten in vielen Teilen der Welt einen grundlegenden Strukturwandel durchlebt und beachtliche Pro­duktionssteigerungen erzielt. Sie ist in der Lage, den überwiegenden Teil der stark gestiegenen Weltbe­völkerung mit ausreichender und qualitativ ange­messener Nahrung zu versorgen. Gleichzeitig leiden jedoch fast eine Milliarde Menschen an chronischem Hunger. Eine weitere Milliarde Menschen sind man­gelernährt; sie erhalten zwar ausreichend Kalorien, es fehlt aber an lebenswichtigen Vitaminen und Spurenelementen.

Darüber hinaus hat die gegenwärtige globale Praxis der Landwirtschaft, auch in Entwicklungs­ und Schwellenländern, enorme negative Auswirkungen auf Natur und Umwelt. Ihre Schadwirkungen tragen zur drohenden Überschreitung planetarischer Belas­tungsgrenzen bei: Die Landwirtschaft ist ein nicht unbedeutender Mitverursacher des Klimawandels; sie trägt zum Verlust von Ökosystemleistungen, von Wäldern und der Artenvielfalt bei; gängige Land­nutzungspraktiken begünstigen Bodendegradation und Desertifikation; Dünger und Agrarchemikalien belasten Flüsse und Grundwasser; die Nachhaltigkeit globaler Nährstoffkreisläufe ist gefährdet. Gleichzei­tig muss die Landwirtschaft sich an den Klimawan­del und zunehmende Extremwetterlagen anpassen.

Die Herausforderung, Hunger und Mangelernäh­rung auf der Welt nicht nur zu vermindern sondern permanent zu beseitigen und zugleich eine dauer­haft umweltverträgliche und ressourcenschonende Agrarwirtschaft zu etablieren, wird künftig noch erheblich steigen. Die Weltbevölkerung wächst wei­ter, von heute sieben Milliarden auf schätzungsweise mehr als neun Milliarden Menschen Mitte des Jahr­hunderts. Während der physische und ökonomische Zugang zu Nahrung für viele Menschen weiterhin tagtäglich eine Frage des Überlebens ist, wird ein weiter wachsender Anteil der Menschheit in Wohl­

stand leben und nach höherwertiger Nahrung ver­langen, die reich an tierischen Proteinen ist. Daneben wird auch die energetische und stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe weiter ansteigen und so der Pflanzenproduktion außerhalb des Nahrungs­ und Futterbereichs zunehmende Bedeutung ver­schaffen. Insgesamt wird damit die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Nutzflächen, die nur begrenzt zur Verfügung stehen, nach Wasser und Energie weiter zunehmen. Die Fähigkeit zu einer nachhal­tigen Gestaltung einer intensiveren Landwirtschaft – mehr Produktion mit weniger, effizienterem Ressourceneinsatz und zugleich weit geringerer negativer Auswirkung auf Klima und Umwelt – wird damit zu einer entscheidenden Zukunftsfrage der Menschheit. Auch die Minderung von Nacherntever­lusten und Nahrungsmittelverschwendung werden vor diesem Hintergrund äußerst wichtig.

Gerade für viele Entwicklungsländer stellt die nach­haltige Intensivierung der Landwirtschaft eine große Aufgabe dar, erst recht unter den Bedingungen des Klimawandels. Gleichzeitig ist jedoch die zukunfts­gerechte Entwicklung des Landwirtschaftssektors für viele dieser Länder überhaupt erst die Vorausset­zung für Entwicklung und die Verwirklichung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte. Sie ist damit eine kaum zu überschätzende Chance.

Drei Viertel aller armen und hungernden Menschen auf der Welt leben auf dem Land. Dort ist die An­kurbelung der eigenen Nahrungsmittelproduktion, sofern die agrarökologischen Bedingungen dies zulassen, oftmals eine Voraussetzung für die Verbes­serung des physischen Zugangs zu Nahrung. Darüber hinaus schafft die Produktion von Nahrungsmitteln und anderen Agrarerzeugnissen Arbeitsplätze und Einkommen in der Landwirtschaft. Sie sichert damit wirtschaftlichen Zugang zu Nahrung: Einkommen ermöglicht es, Nahrungsmittel käuflich zu erwerben und damit die typischen Risiken zu überwinden, die

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bei der Selbstversorgung in der reinen Abhängigkeit von den Erntezyklen liegen. Widmet sich die Förde­rung der Landwirtschaft gezielt der Überwindung der vielfältigen Benachteiligungen von Frauen und anderer sozial benachteiligten Gruppen, so wird schließlich auch der sozial gerechte, diskriminierungs-freie Zugang zu Nahrung verbessert.

Das erzielte Einkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit ermöglicht nicht nur den Erwerb von Nahrungsmitteln, sondern auch die Nachfrage nach sonstigen Gütern und Dienstleistungen der Region. So bildet der Übergang von der Subsistenzwirtschaft in die marktorientierte Agrarproduktion einen ent­scheidenden Schritt zur Stärkung der ländlichen Wirtschaft und der wirtschaftlichen Verflechtun­gen von Land und Stadt. Dies trägt maßgeblich zur Überwindung der länd lichen Armut bei. Nicht ohne Grund weist Wachstum im Landwirtschaftssektor einen weitaus höheren Armutsminderungseffekt auf als Wachstum in anderen Wirtschaftsbereichen. Dies ist eine der wichtigsten entwicklungspolitischen Motivationen für die Förderung der Landwirtschaft.

Eine robuste und mit anderen ländlichen und städ­tischen Wirtschaftssektoren vernetzte Landwirt­schaft ist grundlegender Ausgangspunkt für die Diversifizierung und Dynamisierung von ländlichen Wirtschaftsräumen und ermöglicht eine beachtliche Steigerung der Wertschöpfung zugunsten der länd­lichen Bevölkerung. Der Landwirtschaftssektor ent­wickelte sich jedoch in vielen Ländern in den letzten Jahrzehnten – auch vor dem Hintergrund niedriger Weltmarktpreise für Agrargüter – extrem langsam und ist heute erheblich unterfinanziert. In jüngster Zeit sind allerdings die lang anhaltenden Preisrück­gänge einem deutlichen Preisanstieg gewichen. Dahinter stehen vor allem langfristig wirksame Trends. Zu den langfristigen Treibern des Preis­anstiegs zählen vor allem eine wachsende Weltbevöl­kerung, der wohlstandsbedingte Nachfrageschub aus

den Schwellenländern, der Anstieg der Energiepreise und die Ausweitung des Anbaus von Energiepflan­zen, aber auch die Nachfrage nach Agrarrohstoffen zur stofflichen Verwertung. Diese Trends werden vermutlich auch in Zukunft für ein erhöhtes und auch weiter steigendes Preisniveau bei Agrargütern sorgen. Daneben haben in der Vergangenheit immer wieder auch Missernten, politisch motivierte Expor­trestriktionen und Spekulationen die kurzfristige Preisentwicklung zusätzlich angeheizt und gleich­zeitig zu extremen Preisschwankungen geführt. Die künftige Bedeutung solcher kurzfristigen Preis­schwankungen lässt sich kaum prognostizieren.

Das gestiegene Preisniveau auf den Weltmärkten schafft verstärkte Anreize für Investitionen in die Landwirtschaft in Entwicklungsländern, wobei das Gros dieser Investitionen von den landwirtschaft­lichen Betrieben und den Unternehmen der Agrar­ und Ernährungswirtschaft vor Ort erbracht wird. Damit bietet sich diesen Ländern jetzt die große Chance, von der Steigerung der weltweiten Nach­frage nach Agrargütern zu profitieren und die eigene Landwirtschaft als Motor für armutsmindernde Ent­wicklung und zur Ernährungssicherung zu nutzen. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, die auch durch Entwicklungspolitik unterstützt und durch Maß­nahmen zur Verminderung kurzfristiger Preisvola­tilitäten verstetigt werden sollte.

Bereits mit vorhandenem Wissen und bekannten Anbaumethoden könnten etwa in weiten Teilen Afrikas die Erträge auf nachhaltige Weise verdoppelt bis verdreifacht werden. Die gestiegenen Agrar­güterpreise, das verbesserte Investitionsklima und die großen Ertragssteigerungspotenziale bieten nun die Chance, dieses Potenzial zu erschließen. Deren umfassende Realisierung ist jedoch gerade für die am wenigsten entwickelten Länder kein Selbstläu­fer. Es muss darauf hingewirkt werden, dass das Investitionsinteresse auch die weniger begünstig­

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ten Regionen erfasst und dass die Investitionen in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht einen langfristigen Nutzen für die betroffenen Län­der und alle dort lebenden Menschen bietet. Hierzu sind in vielen dieser Länder tiefer greifende Reform­prozesse erforderlich, die entwicklungspolitisch unterstützt werden können. Nur durch solche Refor­men können letztlich die Folgen der jahrzehntelan­gen Vernachlässigung der Landwirtschaft in diesen Ländern wirklich überwunden und die Vorausset­zungen für eine nachhaltige Entwicklung geschaffen werden.

Wesentlicher Kern der erforderlichen Reformen ist in vielen der betroffenen Länder die Stärkung der politisch­institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Tätigkeit. Innerhalb der verschiedenen Aspekte dieser Rahmensetzungen spielen die Landrechte eine herausgehobene Rolle. Klare und verbindliche Landrechte beseitigen Investitionshemmnisse für Kleinbauernfamilien und tragen zur Verbesserung der Produktionsgrundlagen bei. Eine gerechte, entwicklungsorientierte Bodenpolitik verhindert auch verantwortungslose Investitionen in Land, das sogenannte Land Grabbing. Zu den notwendigen Reformen zählen vielerorts auch eine angemessene landwirtschaftliche Ausbildung, die Entwicklung eines zeitgemäßen landwirtschaftlichen Berufsbil­des, die Sicherstellung effektiver landwirtschaft­licher Beratung und die Gewährleistung des Zugangs

zu wichtigen Inputs wie Saatgut und Dünger. Dane­ben gehören auch ländlicher Straßen­ und Wegebau, ländliche Elektrifizierung sowie ein ländliches Kredit­ und Versicherungswesen zu den elementaren Voraussetzungen für eine produktive Landwirt­schaft. Moderne Kommunikationsinfrastruktur, deren Verbreitung in den letzten Jahren auch in den ländlichen Regionen von Entwicklungsländern rasant zugenommen hat, spielt ebenfalls eine wich­tige Rolle.

Fairer Marktzugang stellt gerade für kleinbäuerliche Betriebe in Entwicklungsländern eine der größten Herausforderungen dar. Die Schaffung geeigneter Organisationsformen wie etwa Genossenschaften kann hier eine zentrale unterstützende Rolle spielen. Mit der wachsenden Nachfrage nach sogenannten

High Value Crops (z. B. Kaffee, Kakao oder Baum­wolle) und nach tierischen Produkten, Gemüse und Obst weiten sich auch für kleinbäuer liche Betriebe die Möglichkeiten einer Integration in große Wertschöp­fungsketten aus. In den kommenden Jahrzehnten wird

vermutlich die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln für nationale, regionale und globale Märkte das am dynamischsten wachsende Segment der Agrarproduk­tion sein. Steigende Qualitäts­ und Nachhaltigkeits­standards dürfen hierbei gerade für kleine Betriebe keine neuen Marktzugangsbarrieren darstellen, sondern müssen deren Chancen für ein steigendes Einkommen verbessern helfen.

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2. Ziele und Leitbilder der deutschen Entwicklungspolitik im Landwirtschaftssektor

2.1 KErNziElE DEs DEutscHEN ENGaGEMENts

Zwei Grunderkenntnisse sind handlungsleitend für die deutsche Entwicklungspolitik im Landwirt­schaftssektor. Erstens ist Produktivitätssteigerung im Landwirtschaftssektor ein sehr wirksamer Hebel zur Minderung von Armut und Hunger. Zweitens können geeignete landwirtschaftliche Praktiken erheblich zur Verminderung von Treibhausgasemis­sion und zum Erhalt von Biodiversität, Bodenfrucht­barkeit und stabilen Wasserkreisläufen beitragen. Vor diesem Hintergrund zielt die deutsche Entwick­lungspolitik auf die Entwicklung einer armutsmin­dernden und ernährungssichernden Landwirtschaft einerseits und einer ressourcenschonenden und klimaverträglichen Landwirtschaft andererseits.

ziEl 1: arMutsMiNDErNDE uND ErNäHruNGssicHErNDE laNDwirtscHaft

Landwirtschaft wird wieder in den Mittelpunkt einer auf Armutsreduktion und Hungerbekämpfung ausgelegten Entwicklungsstrategie gerückt und zu einem Motor der gesamtwirtschaftlichen Entwick­lung gemacht, die weit über den Kern der Agrar­produktion hinaus ausstrahlt. Zentrales Element ist hierbei die nachhaltige Steigerung von Produk­tivität und breitenwirksamen Einkommen in der Landwirtschaft. Die Anwendung ertragssteigernder Anbaumethoden, Diversifizierung der Produktion, Reduzierung von Nachernteverlusten und Verbesse­rung des Zugangs zu Märkten sind zentrale Elemente zur Erreichung dieses Ziels. Produktionssteigerung und wachsendes Erwerbseinkommen verbessern vor Ort den physischen ebenso wie den ökonomischen Zugang zu Nahrung. Bei hinreichender Marktinteg­ration wird gleichzeitig das Angebot von Nahrungs­mitteln auf regionalen und internationalen Märkten ausgeweitet.

ziEl 2: rEssourcENscHoNENDE uND KliMa vErträGlicHE laNDwirtscHaft

Landwirtschaft muss ihren Beitrag zur Einhaltung planetarischer Belastungsgrenzen leisten. Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, vor allem von fruchtbaren Böden, von Ökosystemen und von Arten­vielfalt, ist oberstes Gebot. Produktionssteigerungen müssen weitestgehend auf vorhandenen landwirt­schaftlichen Nutzflächen realisiert werden. Die Um­wandlung von Naturland mit hoher Artenvielfalt und Wäldern in Ackerland ist zu vermeiden. Die Vielfalt der Nutzpflanzen­ und Nutztierarten ist zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Landnutzungsformen, die für die fortschreitende Landdegradierung und den enormen Verlust von Bodenfruchtbarkeit verant­wortlich sind, müssen durch nachhaltige Formen der Landbewirtschaftung ersetzt werden. Landwirtschaft ist weltweit der mit Abstand größte Nutzer der be­grenzten Süßwasserressourcen; Umfang und Effizienz der Wassernutzung in der Landwirtschaft sind erheb­lich zu optimieren, die Bindung von Wasser im Boden ist durch agrarökologische Anbauverfahren zu erhö­hen. Der Eintrag von Dünger und Agrarchemikalien in Flüsse und Grundwasser muss verringert werden. Der problematische Einfluss der Landwirtschaft auf globale Nährstoffkreisläufe, etwa von Nitrat und Phos­phat, verlangt nachhaltige Lösungen. Ebenso wichtig wie der Ressourcenschutz ist die Klimaverträglich­keit der Landwirtschaft. Hierbei muss sie zweierlei leisten: Ihre Produktionssysteme minimieren ihren eigenen Beitrag zum Klimawandel, etwa durch Ver­ringerung von Treibhausgasemissionen, die durch Herstellung von Mineraldünger, Maschineneinsatz und bestimmte Anbau­ und Produktionsmethoden verursacht werden, sowie durch Erhalt oder Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung im Boden; und sie sind widerstandsfähig gegenüber dem Klimawandel, etwa durch Anbau solcher Pflanzen, die mit den geänderten klimatischen Bedingungen (erhöhten Temperaturen, extremen Wetterereignissen) besser zurechtkommen.

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2.2 zENtralE lEitBilDEr DEs DEutscHEN ENGaGEMENts

Bei der Verfolgung der beschriebenen Ziele orien­tiert sich die deutsche Entwicklungspolitik an sieben Leitbildern: Umsetzung des Rechts auf Nahrung, Partnerorientierung, Unterbindung von “Land Grabbing”, verantwortungsvoller Anbau von Ener­giepflanzen, Primat der Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft, Gleichberechtigung der Geschlech­ter und Integration marginalisierter Gruppen sowie Einbettung der Landwirtschaftsförderung in eine umfassende Strategie für den ländlichen Raum.

lEitBilD 1: uMsEtzuNG DEs rEcHts auf NaHruNG

Die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung ist die wichtigste handlungsleitende Orientierung des deutschen Engagements im Landwirtschaftsbereich. Den von Hunger und Mangelernährung bedrohten

Staaten fällt die Hauptverantwortung zu, ihrer Ver­pflichtung zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung nachzukommen und Menschen den Zugang zu ausreichender und guter Nahrung zu gewährleisten. Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt die Anwendung der freiwilligen Leitlinien der FAO zum Recht auf Nahrung, die für alle Staaten konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung dieses elementaren Menschenrechts bieten, und richtet ihre Aktivitäten entsprechend aus. Im Rahmen ihrer Agrarpolitikberatung unterstützt sie in den Koopera­tionsländern mit Landwirtschaftsschwerpunkt den Aufbau der erforderlichen institutionellen, finanziel­len, technischen und personellen Kapazitäten.

lEitBilD 2: PartNEroriENtiEruNG

Landwirtschaft kann im Wesentlichen nur von den Menschen vor Ort, den Regierungen der einzelnen Länder und ihren Regionalorganisationen ent wi­ckelt werden. Deren Strategien, Programme und Investitionspläne werden damit auch zum Maßstab aller Unterstützungsleistungen der internationalen Gemeinschaft. Die deutsche Entwicklungspolitik bekennt sich zu diesem Grundsatz und richtet ihre Koordination im Geberkreis und ihre Zusammen­arbeit mit Regierungen, Privatwirtschaft und Zivil­gesellschaft in Kooperationsländern danach aus.

lEitBilD 3: uNtErBiNDuNG voN „laND GraBBiNG“

Investitionen in die Landwirtschaft bilden die not­wendige Grundlage für die Steigerung insbesondere der kleinbäuerlichen Produktivität. Sie sind daher grundsätzlich zu begrüßen und zu fördern. Bedau­

erlicherweise bedrohen jedoch heute viele groß­flächige Investitionsvorhaben in Land die Rechte der betroffenen Bevölkerung, schaffen neue Armut und schüren soziale und politische Konflikte. Besonders gefährdet sind die Landnutzungs­ und Eigentums­rechte beispielsweise von Frauen und indigenen Bevölkerungsgruppen. Die deutsche Entwicklungs­politik verurteilt ein solches “Land Grabbing” und setzt sich dafür ein, dieses zu unterbinden. Gleichzei­tig fördert die deutsche Entwicklungspolitik verant­wortungsvolles und nachhaltiges Investieren etwa durch die Erarbeitung entwicklungsförderlicher Bodenpolitiken oder konfliktsensibler Flächennut­zungsplanung. Mit dem BMZ­Strategiepapier über Land Grabbing 4

4 siehe “Investitionen in Land und das Phänomen des ‘Land Grabbing’. Herausforderungen für die Entwicklungspolitik”, BMZ­Strategie­papier 2/2012

ist ein entsprechender Handlungs­rahmen gesetzt.

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BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/201312

lEitBilD 4: vEraNtwortuNGsvollEr aNBau voN ENErGiEPflaNzEN

Ein erheblicher Teil großflächiger Investitionen in Land und Landwirtschaft in Entwicklungsländern steht derzeit im Zusammenhang mit dem dortigen Anbau von Energiepflanzen. Ein solcher Anbau stellt grundsätzlich eine Chance dar: Er kann der Entwick­lung der ländlichen Wirtschaft starke Impulse geben und der lokalen Bevölkerung Einkommen verschaf­fen; außerdem können Energiepflanzen, die nicht für den Export produziert werden, dazu beitragen, Län­der vom Import teurer fossiler Energieträger unab­hängig zu machen. Im Biokraftstoff­Strategiepapier des BMZ5

5 siehe “Biokraftstoffe. Chancen und Risiken für Entwicklungsländer”, BMZ­Strategiepapier 2/2012

werden klare ökologische, soziale und in­stitutionelle Voraussetzungen formuliert, die erfüllt sein müssen, damit die Chancen eines solchen Ener­giepflanzenanbaus genutzt, gleichzeitig die Risiken aber abgewehrt werden. Als oberstes Prinzip wird dabei festgeschrieben, dass ein solcher Anbau unter keinen Umständen die lokale Ernährungssicherheit gefährden darf. Außerdem muss er einen eindeutigen

lokalen Entwicklungsnutzen versprechen.

lEitBilD 5: PriMat DEr förDEruNG KlEiN BäuErlicHEr laNDwirtscHaft

Mit Blick auf die charakteristischen Armuts­ und Hungerprobleme sowie auf die spezifischen land­wirtschaftlichen Potenziale in den meisten Entwick­lungsländern sieht die deutsche Entwicklungspolitik die Herausforderung und die große Chance vor allem darin, dass kleinbäuerliche Betriebe sich von Selbst­versorgern, die am Existenzminimum wirtschaften, hin zu innovativen Marktakteuren in einer nach­haltig ausgerichteten Landwirtschaft entwickeln. Ihre Rolle in lokalen, regionalen und internationalen

Wertschöpfungsketten soll gestärkt werden. Die deutsche Entwicklungspolitik propagiert die drin­gend erforderliche Entwicklung eines modernen Leitbildes kleinbäuerlicher Landwirtschaft: Klein­bauernbetriebe sind nicht das Problem, sondern bieten die Chance zur Lösung vieler Probleme. Sie haben die größten Potenziale einer nachhaltigen In­tensivierung der Landwirtschaft.

lEitBilD 6: förDEruNG voN frauEN uND iNtEGratioN MarGiNalisiErtEr GruPPEN

Frauen spielen eine herausragende Rolle in der Landwirtschaft und verfügen in der Regel über ausgeprägte Erfahrungen und Kenntnisse zur Ernährungssicherung. Das Risiko, in einer Region an Hunger zu leiden, ist umso geringer, je besser der Zugang von Frauen etwa zu Land und zu Krediten ist. Gleichberechtigung der Geschlechter hätte eine deutliche Steigerung landwirtschaftlicher Pro­duktivität und eine signifikante Verbesserung der

Ernährungssicherheit zur Folge. Daher setzt sich die deutsche Entwicklungspolitik für die Verbesserung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stel­lung von Frauen ein. Um Armutsbekämpfungsstra­tegien sowie Strategien zur ländlichen Entwicklung geschlechtergerecht zu gestalten, ist vor Beginn jeder Maßnahme eine Genderanalyse durchzuführen. In ähnlicher Weise legt sie ein besonderes Augenmerk auf die Integration marginalisierter Bevölkerungs­gruppen wie etwa Landlose, Indigene, Pastoralisten oder Menschen mit Behinderung. Ihrer Stimme Gewicht zu geben und sie am Aufbau einer leis­tungsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft zu beteiligen ist ein wichtiger Ansatz zur umfassenden Bekämpfung von Armut und Hunger. Vor allem Hirten, die in einigen Ländern stark marginalisiert und von politischen Entscheidungen ausgeschlossen sind, verdienen eine deutlich größere Aufmerk­samkeit. Insbesondere in Trockengebieten kann

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die Förderung von Pastoralisten wichtig sein. Dort pflegen sie in der Regel eine angepasste Lebensweise, die die vorhandenen knappen Ressourcen optimal nutzt, ohne sie zu degradieren. Zudem leisten Vieh­halter in verschiedenen Regionen einen signifi­kanten Beitrag zur nationalen Wirtschaftsleistung. Die Stärkung ihrer Organisationen, die Regelung von Landnutzungsrechten sowie die Förderung von Dienstleistungen im Bereich der Tiergesund­heit sind häufig geeignete Entwicklungsmethoden. Durch Maßnahmen der Inklusion von Menschen mit Behinderungen wird ihr Recht auf Teilhabe an gesellschaftlichem Leben und an wirtschaftlicher Entwicklung umgesetzt. Das Potenzial der wachsen­den Zahl junger Menschen für eine leistungsfähige Landwirtschaft wird genutzt, nicht zuletzt auch um schädlicher Kinderarbeit entgegenzuwirken.

lEitBilD 7: EiNBEttuNG DEr laNDwirt-scHaftsförDEruNG iN EiNE uMfassENDE stratEGiE für DEN läNDlicHEN rauM

Die Landwirtschaft sollte als Teil einer umfassen­den Strategie zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums gefördert werden. So kann bei­spielsweise parallel zur Kleinbauernförderung auch die lokale Weiterverarbeitung von Agrarprodukten unterstützt werden, wodurch die Wertschöpfung im ländlichen Raum erhöht und der landwirtschaft­liche Strukturwandel durch die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen abgefedert werden können.

Wesentliche Voraussetzung für die Belebung der ländlichen Wirtschaft ist die Verfügbarkeit öf­fentlicher und privater Infrastruktur. Neben der Wirtschaftsförderung sind Strategien zum Schutz natürlicher Ressourcen und Maßnahmen der sozi­alen Daseinsvorsorge erforderlich, vor allem aber entwicklungsförderliche politisch­institutionelle Rahmenbedingungen für den ländlichen Raum.6

6 siehe “Entwicklung ländlicher Räume und ihr Beitrag zur Ernährungssicherung”, BMZ­Strategiepapier 1/2011

Ländliche Entwicklung ist dabei mehr als die Ent­wicklung einzelner isolierter Sektoren. Entscheidend ist vielmehr das Zusammenwirken vieler Entwick­lungsfaktoren in einer bestimmten ländlichen Re­gion (“räumlicher Ansatz”). Beispielsweise gewinnt die sogenannte Nexus­Perspektive, die Beachtung von Querbezügen und Wechselwirkungen bei der Gewährleistung von Wasser­, Energie­ und Ernäh­rungssicherheit, eine wachsende Bedeutung. Die Freiwilligen Leit linien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden­ und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern der FAO unterstreichen die Wichtigkeit einer umfassenden Flächennut­zungsplanung für die sozial gerechte und nach­hal tige Nutzung der Ressourcen. Die deutsche Ent wicklungspolitik unterstützt die Stärkung der Kapazitäten von Kooperationsländern, eigene Ent­wicklungspläne für den ländlichen Raum aufzustel­len, die als Grundlage rational fundierter Allokation interner Ressourcen und ebenso als Richtschnur für die Investition externer Geberbeiträge dienen können.

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BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/201314

3. Umsetzung der Ziele und Leitbilder in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit

3.1 GruNDsätzlicHE ausricHtuNG voN laNDwirtscHaftsvorHaBEN

vErBiNDlicHE vorGaBEN zur uMsEtzuNG DEr ziElE uND lEitBilDEr

Die in Kapitel 2 genannten Ziele und Leitbilder im Landwirtschaftssektor verfolgt die deutsche Ent­wicklungspolitik in erster Linie im Rahmen ihrer bilateralen Kooperationsprogramme. Hierzu werden diese Ziele und Leitbilder in Regional­ und Länder­konzepten der bilateralen Entwicklungszusammen­arbeit, die einen Bezug zum Landwirtschaftssektor haben, verankert. Neuvorhaben müssen den Nach­weis erbringen, dass sie den Zielen und – soweit anwendbar – den Leitbildern entsprechen. Über die Ausweisung entsprechender Indikatoren wird deren praktische Umsetzung nachprüfbar gemacht.

Landwirtschaftsvorhaben der bilateralen Ent­wicklungszusammenarbeit werden so ausgestaltet, dass sie beide Hauptziele – Armutsminderung und Ernährungssicherung sowie Ressourcenschutz und Klimaverträglichkeit – direkt adressieren. Bei Pla­nung neuer Landwirtschaftsvorhaben wird stets der Ernährungsstatus der Bevölkerung in den vorgese­henen Projektgebieten geprüft; in solchen Gebieten, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind7,

7 etwa gemäß “Food Insecurity and Vulnerability Information and Mapping System” der FAO

wird die Verfolgung des Ernährungssicherungsziels verbindlich festgeschrieben. Alle Landwirtschafts­vorhaben streben eine Minimierung des Eingriffs in den Naturhaushalt und des Ressourcenverbrauchs an. Sofern das Vorhaben auf eine Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion abzielt, wird dies vorrangig durch Erhöhung der Flächenproduktivität auf vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzflä­chen realisiert – und dies unter Vermeidung einer Übernutzung vorhandener Ökosysteme. Mögliche

Nutzungskonflikte – z.B. wegen konkurrierender Verwendung als Weideland oder zur Brennholzpro­duktion – werden mit den Betroffenen einvernehm­lich geregelt. Die Umwandlung schützenswerter Flächen mit hoher Biodiversität (“hot spots”) ist aus­geschlossen. Vorhaben, die indirekte Landnutzungs­änderungen hervorrufen, die mit einer Degradierung von Naturland und zusätzlichen Treibhausgasemis­sionen einhergehen, sind ebenfalls ausgeschlossen. Außerdem werden in allen Landwirtschaftsvorhaben die Möglichkeiten zur klimaverträglichen Ausgestal­tung ausgeschöpft. Insbesondere wird die Möglich­keit zur Erhöhung der CO2­Speicherkapazität durch agrarökologische Anbaumethoden geprüft.

ziElGruPPEN uND MittlEr

Zur Umsetzung der genannten Ziele und Leitbilder strebt die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit vor allem an, bestimmte Zielgruppen zu stärken und zur Selbsthilfe zu befähigen. Diese Zielgrup­pen sind überwiegend die kleinbäuerlich geprägten Bevölkerungsgruppen im ländlichen Raum, mit ihnen zusammen aber zum Beispiel auch deren Erzeuger­ und Nutzergruppen (Genossenschaften) sowie Kleinst­ und Kleinunternehmen im Bereich der Agrardienstleistungen, des Agrarhandels und der Weiterverarbeitung von agrarischen Grundproduk­ten. Als Mittler zur “Erreichung” dieser Zielgruppen sind betroffene Ministerien und Behörden ebenso wie Regionalorganisationen, Bauernverbände, lokale Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und größere Wirtschaftsunternehmen im Agrar­ und Ernährungssektor die wichtigsten Kooperati­onspartner.

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GruNDsätzE DEr zusaMMENarBEit

Zur Gewährleistung größtmöglicher Effizienz und Effektivität der Entwicklungsmaßnahmen werden die verschiedenen Instrumente der deutschen Ent­wicklungszusammenarbeit wo immer möglich ver­knüpft. Vor allem durch eine enge Zusammenarbeit zwischen finanzieller und technischer Zusammen­arbeit werden optimale Synergien zwischen Finan­zierung und Beratung angestrebt sowie kombinierte Wirkungspotenziale und jeweils komparative Vor­teile genutzt. Zu den zentralen Aufgaben der finan­ziellen Zusammenarbeit im Landwirtschaftssektor zählen etwa die Finanzierung infrastruktureller Maßnahmen (z.B. für Bewässerungsfeldbau und Marktstrukturentwicklung), die Agrarfinanzsystem­entwicklung und die finanzielle Unterstützung des Aufbaus inklusiver Geschäftsmodelle (z.B. kleinbäu­erliche Vertragslandwirtschaft oder Geschäftsmo­delle des “Fairen Handels”). In entsprechend weit entwickelten Ländern kann die finanzielle Zusam­menarbeit durch den Einsatz von Marktmitteln die deutsche Förderung deutlich ausbauen. Typische Aufgaben der technischen Zusammenarbeit sind etwa die sektorpolitische Beratung von Behörden sowie die Beratung kleinbäuerlicher Betriebe bei der Verbesserung von Anbaumethoden und der Boden­fruchtbarkeit, der Entwicklung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten und dem Aufbau von Erzeu­gerorganisationen.

Vor allem die technische Zusammenarbeit ver­folgt einen sogenannten Mehrebenenansatz: Um möglichst hohe Wirkungen zu erzielen, werden abgestimmte und sich gegenseitig unterstützende Maßnahmen auf internationaler, nationaler, sub­nationaler und lokaler Ebene initiiert. Dabei erfolgt die Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen ebenso wie mit Nichtregierungsorganisationen, der Privat­wirtschaft und mit Agrarforschungseinrichtungen. Ein weiteres Mittel zur Erhöhung von Wirkungen ist

die Nutzung von Schnittstellen zwischen dem Land­wirtschaftssektor und anderen Politikbereichen, die für die Erreichung von Zielen in der Landwirtschaft wichtig sind. Eine entsprechende Vernetzung bietet sich insbesondere bei der allgemeinen Finanzsystem­entwicklung, der Privatwirtschaftsförderung sowie beim Klima­, Ressourcen­ und Umweltschutz an.

Existierende Strategien, Programme und Investiti­onspläne der Kooperationsländer bieten die ideale Voraussetzung für eine Unterstützung durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Wo diese Voraussetzung gegeben ist, werden solche Vorgaben – im Einklang mit dem Leitbild der Partnerorientie­rung – zum Maßstab aller Unterstützungsleistun­gen. Auf isolierte Aktivitäten, die nicht im Einklang mit solchen Vorgaben sind, wird verzichtet. Soweit der afrikanische Kontinent betroffen ist, stellen das Comprehensive Africa Agricultural Development Programme (CAADP) und die hieraus resultieren­den regionalen und nationalen Strategien und Investitionspläne die maßgebliche Richtschnur des

deutschen Engagements dar.

Die deutsche Entwicklungspolitik setzt sich für eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit anderen Gebern und für dringend erforderliche Fortschritte bei der Harmonisierung von Geberleistungen ein.

Grundlage für die Koordinierung der Zusammen­arbeit verschiedener Bundesressorts mit Koopera­tionsländern sind die in der Ressortvereinbarung über die “ODA­Koordinierungsfunktion des BMZ” beschriebenen Grundsätze in Verbindung mit den im “Ressortkreis Technische Zusammenarbeit und ODA­Transparenz” entwickelten Regeln.

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3.2 HaNDluNGsfElDEr

Der Aufbau einer leistungsfähigen und nachhaltigen Landwirtschaft kann eine Vielzahl von Maßnah­men, auf verschiedenen Ebenen im Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure, erforderlich machen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann nicht die ganze Bandbreite derartiger Maßnahmen unterstützen, auch hält sie dies nicht für sinnvoll. Vielmehr wird sie sich grundsätzlich in ihrem Un­terstützungsangebot auf sechs Handlungsfelder, bei denen sie über einen breiten Erfahrungsschatz ver­fügt, beschränken (siehe auch Schaubild):

> Agrarpolitische Beratung und Förderung von Institutionen;

> Professionalisierung kleinbäuerlicher Land­wirtschaft;

> Verbesserung von Bildung, Ausbildung und Beratung;

> Agrarfinanzierung;

> Ressourcenmanagement und Umweltschutz;

> Zusammenarbeit mit lokalen und inter ­natio nalen Unternehmen.

Welche dieser Ansätze in der konkreten Zusammen­arbeit mit einem Land zum Tragen kommen, hängt von der jeweiligen Bedarfslage, den Strategien und Visionen des Kooperationspartners, dem Erfahrungs­schatz der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und den Möglichkeiten einer sinnvollen Arbeits­teilung mit anderen Gebern ab. In jedem Fall werden jedoch die Vorhaben der deutschen Entwicklungs­zusammenarbeit im Landwirtschaftssektor als um­fassende Schwerpunktprogramme, nicht als isolierte Einzelvorhaben mit begrenzter Reichweite, konzipiert.

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schaubild: Handlungsfelder in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur leitbildkonformen Erreichung der ziele im landwirtschaftssektor

ziElE armutsminderung und Ernährungs sicherung

ressourcenschutz und Klima verträglichkeit

ziElBErEicHE Nachhaltige Intensivierung

Verarbeitung und Veredlung von Rohprodukten

Diversifizierung

Markterschließung und Handelsintegration

Nachernteschutz

Bodenschutz

Wasserressourcenmanagement

Walderhalt

Schutz biologischer Vielfalt

Minderung von Treibhausgasemissionen

Anpassung an den Klimawandel

lEitBilDEr 1. Umsetzung des Rechts auf Nahrung

2. Partnerorientierung

3. Unterbindung von “Land Grabbing”

4. Verantwortungsvoller Anbau von Energiepflanzen

5. Primat der Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft

6. Förderung von Frauen und Integration marginalisierter Gruppen

7. Einbettung in eine umfassende Strategie für den ländlichen Raum

HaNDluNGs fElDEr iN DEr BilatEralEN ENtwicKluNGs-zusaMMENarBEit

1. Agrarpolitische Beratung und Förderung von Institutionen

2. Professionalisierung kleinbäuerlicher Betriebe

3. Landwirtschaftliche Ausbildung und Beratung

4. Agrarfinanzierung

5. Ressourcenmanagement, Umweltschutz und Bewässerungslandwirtschaft

6. Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Unternehmen

ziElE armutsminderung und Ernährungs sicherung

ressourcenschutz und Klima verträglichkeit

ziElBErEicHE

lEitBilDEr

HaNDluNGs fElDEr iN DEr BilatEralEN ENtwicKluNGs-zusaMMENarBEit

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HaNDluNGsfElD 1: aGrarPolitiscHE BEratuNG uND förDEruNG voN iNstitutioNEN

Agrarpolitische Beratung und Förderung von Insti­tutionen sind in der Regel ein integraler Bestandteil der dem Mehrebenenansatz verpflichteten techni­schen Zusammenarbeit. Sie dienen der Gestaltung von staatlichen Rahmenbedingungen, die für das Handeln privatwirtschaftlicher Akteure und der Zivilgesellschaft unerlässlich sind. Die Kooperations­länder werden zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien der Agrarwirtschaftsförderung befähigt. Betroffene sektorale Politiken und administrative Anreizmechanismen werden konsistent auf die För­derung einer marktorientierten und nachhaltigen Agrarwirtschaft ausgerichtet.

Zu den wichtigsten staatlichen Rahmensetzungen für privatwirtschaftliches und zivilgesellschaft­liches Engagement im Landwirtschaftssektor zählen klare und verbindliche Eigentums­ und Nutzungs­rechte, eine faire Wettbewerbspolitik, aber auch stabile Finanzsysteme und klare ordnungspolitische Strukturen etwa in Form von Steuergesetzen oder Wirtschaftsgerichten. Hierbei muss die Kohärenz der Agrarpolitik mit angrenzenden Politikbereichen (u.a. Struktur­, Wirtschafts­, Handels­, Umwelt­ und Sozialpolitik sowie Verbraucherschutz) gewährleistet sein. Ansätze zur Formulierung einer umfassenden Politik zur Förderung der Landwirtschaft müssen daher ressortübergreifend erfolgen. Die zuständigen Institutionen müssen entsprechend gefördert und ggf. reorganisiert werden, um die Maßnahmen um­zusetzen und nachzuhalten.

Zur Umsetzung einer Agrarpolitik, die häufig zu­nächst rein zentralstaatlich entwickelt wurde, bedarf es komplementärer Elemente der Dezentralisierung, die im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zu fördern sind. Ein aktiver Austausch von zentraler und dezen­

traler Ebene ist hierbei zu gewährleisten. Bei allen politischen Entscheidungen gilt es, die Partizipation von Privatsektor und Zivilgesellschaft von der loka­len bis zur zentralstaatlichen Ebene verbindlich zu regeln und zu leben.

HaNDluNGsfElD 2: ProfEssioNalisiEruNG KlEiNBäuErlicHEr laNDwirtscHaft

Kleinbäuerliche Betriebe erbringen in den meisten Entwicklungsländern einen Großteil der Agrarpro­duktion und bergen gleichzeitig ein großes Potenzial zur Produktivitätssteigerung. Deren zielgerichtete Unterstützung bietet einen enorm wirksamen An­satzpunkt zur Bekämpfung von Armut und Hunger. Dementsprechend zielt die deutsche Entwicklungs­zusammenarbeit in diesem Handlungsfeld auf eine nachhaltige Intensivierung der kleinbäuerlichen Produktion, eine Förderung der Verarbeitung und Veredlung von agrarischen Rohprodukten sowie eine Verbesserung von Lagermöglichkeiten, Marktzugang und Handelsintegration. Gleichzeitig strebt sie die Vermittlung ressourcenschonender und klimaver­träglicher Produktionsmethoden an.

Für viele kleinbäuerliche Betriebe ist der Übergang von der Subsistenzwirtschaft zu einer professio­nellen, marktorientierten Wirtschaftsweise mit Erzielung von Einkommen der entscheidende Schritt zur nachhaltigen Existenzsicherung. Einkommen ermöglicht die Nachfrage nach Gütern und Dienst­leistungen, die Bildung von Ersparnissen und die Investition in die ländliche Ökonomie, wodurch ein sich selbst tragendes Wachstum der ländlichen Wirt­schaft erreicht wird.

Die Entwicklung der Landwirtschaft erfordert vielerorts die Anwendung technischer Neuerungen und die Umsetzung angepasster Innovationen “im Feld”. Die eigentlichen Herausforderungen stellen

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sich dabei aber oft im außertechnischen Bereich, bei­spielsweise bei der Schaffung von Akzeptanz, breit angelegten Beratung und Informationsverbreitung, der Organisation von Märkten, der Finanzierung sowie der Reduzierung von Risiken und Kosten. In der Regel sind Selbstorganisation, Vertragslandwirt­schaft und andere Formen der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor geeignet, kleinbäuerlichen Betrieben den Zugang zu Märkten und Kapital zu verbessern und so deren Produktion und Wett­bewerbsfähigkeit zu erhöhen. Hierbei bedarf es flankierender handelspolitischer Rahmenbedingun­gen, die den Schutz der lokalen Agrar­ und Ernäh­rungswirtschaft erlauben. Eine solche Einbettung entspricht auch den Strategien der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung in der deutschen Entwick­lungszusammenarbeit und gewährleistet eine hohe Komplementarität des deutschen Engagements.

An erster Stelle steht die Förderung geeigneter Orga­nisationsformen, um einen gesicherten Marktzugang zu ermöglichen. Hier bieten sich insbesondere ge­nossenschaftliche Zusammenschlüsse an, die durch Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwor­tung gekennzeichnet sind. Wichtig sind auch die Förderung und rechtliche Absicherung von Verbän­den und Interessenvertretungen, insbesondere Bau­ern­ und Frauenorganisationen, deren Beteiligung an politischen und administrativen Entscheidungs­prozessen auf allen Ebenen sichergestellt und aktiv gelebt werden muss.

Ein zentraler Ansatz der deutschen Entwicklungs­zusammenarbeit in diesem Handlungsfeld ist der Auf­ und Ausbau von Wertschöpfungsketten, der maßgeblich dazu beitragen kann, die kleinbäuerli­che Landwirtschaft zum Motor einer nachhaltigen, diversifizierten und inklusiven Wirtschaftsent­wicklung zu machen. Hierbei muss das erzeugte agrarische Rohprodukt weitere Verarbeitungs­ und/oder Veredelungsstufen durchlaufen, d.h. zusätz­

lichen Wert im Land schöpfen, wofür alle Etappen von der Produktion bis zum Endverbraucher infrage kommen. In diesem Zusammenhang kommt auch der Förderung der Produktzertifizierung eine große Bedeutung zu.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt sind Investiti­onen und Beratung, die der Reduktion von Nach­ernteverlusten dienen, etwa durch Verbesserung beim Pflanzenschutz, bei der Nacherntebehandlung sowie bei Lagerung und Transport. Gemeinsam mit der Produktionssteigerung wird hierdurch die Ver­fügbarkeit von Nahrungsmitteln erhöht und – in Verbindung mit den übrigen Maßnahmen zur Ver­besserung von Wertschöpfung und Vermarktung von Agrarprodukten – das Erwerbseinkommen kleinbäuerlicher Bevölkerungsgruppen gesteigert. Unter anderem trägt eine effizientere Lagerhaltung dazu bei, Marktpreisschwankungen positiv zu nut­zen und nicht dann verkaufen zu müssen, wenn die Marktpreise direkt nach der Ernte niedrig sind.

HaNDluNGsfElD 3: laNDwirtscHaftlicHE ausBilDuNG uND BEratuNG

Landwirtschaftliche Betriebe in Entwicklungs­ländern wirtschaften derzeit oft nicht nur wegen Mangel an Zugang zu Märkten und Kapital, sondern auch wegen Mangel an Zugang zu betriebsrelevan­tem Wissen weit unterhalb ihres Potenzials. Dieser Mangel betrifft häufig sowohl elementare agrartech­nische, agrarwirtschaftliche oder veterinärmedizini­sche Kenntnisse als auch das Wissen um ökologisch nachhaltige und ressourcenschonende Landbau­ und Tierhaltungsmethoden.

Staatliche Beratungsdienste, die in früheren Zeiten eine wichtige Rolle in der Wissensvermittlung für landwirtschaftliche Betriebe gespielt hatten, wurden in den meisten Entwicklungsländern im Laufe der

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letzten Jahrzehnte systematisch abgebaut. Die Hoff­nungen, dass die Aufgaben dieser Beratungsdienste durch private Akteure übernommen werden, haben sich leider in der Regel nicht bestätigt.

Die zentrale Herausforderung besteht darin, die durch landwirtschaftliche Forschung oder durch Erfahrungen gewonnenen Erkenntnisse aufzube­reiten, gegebenenfalls den Gegebenheiten vor Ort anzupassen und den Landwirten oder Viehhaltern zu vermitteln. Um dies zu erreichen, setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf zwei sich ergän­zende Ansätze. Erstens unterstützt sie den Aufbau eines – bisher in weiten Teilen der Welt noch nicht existierenden – zeitgemäßen, professionellen Be­rufsbildes des Landwirts mit entsprechender Berufs­ausbildung. Gerade jungen Menschen, die in vielen Gesellschaften eine klare Bevölkerungsmehrheit stellen, kann hier eine Perspektive geboten werden. Zweitens setzt die deutsche Entwicklungszusam­menarbeit sich für die Wiederbelebung staatlicher Beratungsstrukturen ein. Hierbei kommt es darauf an, aus Fehlern der Vergangenheit in der Ausgestal­tung solcher Strukturen zu lernen, bestehende posi­tive Ansätze weiterzuentwickeln und als innovative, lokal angepasste Systeme zu verbreiten.

Darüber hinaus setzt das deutsche Engagement auch auf die Weiterentwicklung privatwirtschaft­licher Beratungsansätze. Insbesondere im Rahmen des Aufbaus von Wertschöpfungsketten gilt es, das Know­how sämtlicher Akteure von der Bereitstel­lung von Saatgut, Dünger oder Pestiziden bis hin zur Verarbeitung von agrarischen Produkten in Wert zu setzen und Innovationen zu bewerben. Dabei muss allerdings durch ausreichenden Wettbewerb, adäquate Aufklärung über Chancen und Risiken sowie eine gute Selbstorganisation die Schaffung neuer Abhängigkeiten für Kleinbauernfamilien ver­mieden werden.

HaNDluNGsfElD 4: aGrarfiNaNziEruNG

Um Landwirte mit Finanzdienstleistungen versor­gen zu können, werden Institutionen benötigt, die hierzu organisatorisch, personell und finanziell in der Lage sind. Der Zugang zu klassischen Krediten ist vor allem kleinbäuerlichen Betrieben derzeit oft­mals verwehrt. Insbesondere fehlende Sicherheiten, ein hohes wetterbedingtes Ausfallrisiko sowie hohe Transaktionskosten behindern eine ausreichende Versorgung mit Agrarkrediten. Klassische Mikro­kredite mit ihren häufig sehr kurzen Laufzeiten und ihrem oftmals zu kleinen Volumen decken die Bedarfe der landwirtschaftlichen Produzenten nur unzureichend ab. Folglich bedarf es bei Agrarkre­diten angepasster Lösungen, die über klassische Distributionskanäle hinausgehen. Neben kurz­ und langfristigen Krediten können bei gegebenen rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen auch Leasing und Bereitstellung von Risikokapi­tal angemessene Lösungen darstellen. Im Bereich kurzfristiger Finanzierungen sind zur Vermeidung von Verschuldung geeignete Sparprodukte oftmals bessere Lösungen als relativ teure Kredite. Neben Spar­ und Kreditprodukten stellen zunehmend Versicherungen zur Minderung des Ernteausfall­risikos (Wetterindexversicherungen) sinnvolle Alternativen im Bereich der landwirtschaftlichen Finanzierungen dar.

Landwirtschaftliche Produzenten in Kooperations­ländern haben oft geringe Kenntnisse von Finanzie­rungsprodukten und deren Nutzen und Risiken. Um Produzenten vor Überschuldung zu schützen, veran­kert die Entwicklungszusammenarbeit systematisch “Responsible Finance” (angemessene Regulierung und Selbstregulierung im Bereich Konsumenten­schutz und finanzielle Grundbildung für Kunden) in ihre Vorhaben.

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Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit un­terstützt den Aufbau von Finanzinstitutionen unterschiedlicher Rechtsform (Kooperativen sowie verschiedene Formen privater oder öffentlicher Eigentümerschaft). Dezentral organisierte Instituti­onen wie Sparkassen oder Genossenschaften zeich­nen sich durch Kundennähe aus, die v.a. im Bereich Landwirtschaft vorteilhaft sein kann, wenn es um die Beurteilung der vielfältigen, mit der landwirt­schaftlichen Produktion verbundenen Risiken geht. Es werden Finanzdienstleistungen für die Agrar­wirtschaft entlang der gesamten Wertschöpfungs­kette von der Produktion bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung bereitgestellt. Hiermit werden Produkte und Instrumente angeboten, die über die standardisierten Finanzdienstleistungen in urbanen Zentren hinausgehen und spezifisch auf die Be­dürfnisse des Agrarsektors zugeschnitten sind. Eine Kernaufgabe besteht darin, die Marktbedingungen so zu verändern, dass Agrarfinanzierung für Finanz­institutionen zu einem lohnenden Geschäftsfeld und auch kleinere Agrarproduzenten zu attraktiven Kun­den werden. Eine wichtige Grundlage hierfür ist der Aufbau einer funktionierenden Finanzinfrastruktur (Ausbildungseinrichtungen, Kreditinformations­büros, Prüfdienste etc.) sowie eines geeigneten Regu­lierungs­ und Überwachungsrahmens. Durch diesen übergreifenden Lösungsansatz wird auch privates Kapital zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität verfügbar gemacht.

HaNDluNGsfElD 5: rEssourcENMaNaGEMENt, uMwEltscHutz uND BEwässEruNGs-laNDwirtscHaft

Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit inte­griert in all ihren Handlungsfeldern im Landwirt­schaftssektor – von der agrarpolitischen Beratung und Institutionenförderung bis hin zur Zusam­menarbeit mit der Privatwirtschaft – Aspekte der

Ressourcenschonung und der Klimaverträglichkeit. Der Schutz der natürlichen Umwelt ist hierbei ebenso wichtig wie die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels und ext­remer Naturereignisse. Hierbei leisten nachhaltiges Ressourcenmanagement und Umweltschutz einen unmittelbaren Beitrag zu Armuts­ und Hungerbe­kämpfung. So trägt beispielsweise die Unterstützung einer nachhaltigen Tierhaltung, etwa durch eine verbesserte Weidewirtschaft, kombiniert mit der Nutzung lokal angepasster Rassen, erheblich zu einer Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Herden gegen Dürren oder Krankheiten bei. Ein anderes Beispiel ist der Beitrag zum Erhalt von Sortenvielfalt und zur Nutzung lokaler Arten, was der kleinbäuer­lichen Produktion direkt zugutekommt und deren Verwundbarkeit gegenüber Ertragsschwankungen mindert.

In diesem Zusammenhang werden zunehmend Politiken und Anreize zum Erhalt und zur nachhal­tigen Nutzung von Ökosystemen formuliert und in die Entwicklungszusammenarbeit integriert. Hierzu bietet sie Trainings und beratende Begleitung bei der Umsetzung von Ansätzen zur Zahlung für Ökosys­temleistungen (Payments for Ecosystem Services – PES), bei der Implementierung von Zertifizierungs­verfahren und beim Abbau biodiversitätsschädlicher Subventionen in der Landwirtschaft an.

Die Verbreitung von Techniken der Conservation Agriculture spielt in der deutschen Entwicklungs­zusammenarbeit eine wachsende Bedeutung. Eine konservierende Bodenbearbeitung, bei der der Boden nicht oder nur minimal bearbeitet wird, eine stän­dige Bodenbedeckung besteht und eine weite Frucht­folge eingehalten wird, bietet in vielen Regionen eine erosionsmindernde und fruchtbarkeitserhaltende Alternative zum Pflug. Erosionsschutz durch biolo­gische oder mechanische Stabilisierung von Äckern in Hanglagen trägt zum langfristigen Erhalt der

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Bodenfruchtbarkeit und zur Verbesserung der Was­serspeicherung bei. Auch gibt es unter geeigneten Rahmenbedingungen umweltschonende Alternati­ven zur düngungsintensiven Landwirtschaft.

Ein besonderer Schwerpunkt der Entwicklungs­zusammenarbeit im Rahmen des Ressourcen­managements ist die Förderung einer nachhaltigen Bewässerungslandwirtschaft. Wasserknappheit ist in vielen Kooperationsländern ein zentrales Thema, das durch die Auswirkungen des Klimawandels an Bedeutung gewinnt. Erfahrungen zeigen, dass dort, wo Bewässerung sinnvoll und ökologisch vertretbar ist, angepasste und effiziente Bewässerungssysteme maßgeblich zur regionalen Entwicklung beitragen. Beratung und bereits geringe Investitionen können zu unmittelbar spürbaren Ertragssteigerungen in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft führen. Selbst einfache Maßnahmen zur Sammlung von Wasser (Water Harvesting), das Speichern von Wasser in Böden und das Zurückhalten von oberflächlich abfließendem Wasser zeigen Wirkung und können einen produktiven Anbau sichern. Gezielte Inves­titionen in Bewässerungssysteme und Systeme zur effizienteren Verwendung von Wasser flankieren die Beratungsleistungen. Dabei reicht das Spektrum von kleinen Wasserrückhaltebecken und Flussschwellen über Kleinbewässerungsanlagen bis hin zu mittleren und großen Staudämmen und Verteilungssystemen.

Gerade solche Gebiete, die grundsätzlich für Bewäs­serung geeignet sind, können wertvolle Vegetations­bestände und Biotope aufweisen, sodass es zu einem Konflikt zwischen den beiden Hauptzielen Ernäh­rungssicherung und Ressourcenschonung kommen kann. In solchen Fällen muss der Schutz besonders wertvoller Areale sichergestellt werden, in anderen Fällen müssen Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden.

HaNDluNGsfElD 6: zusaMMENarBEit Mit loKalEN uND iNtErNatioNalEN uNtErNEHMEN

Landwirtschaft ist Privatwirtschaft. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stellt daher die För­derung unternehmerischen Engagements in den Kooperationsländern – auch unter Einbindung international agierender Unternehmen – in den Mittelpunkt ihrer landwirtschaftlichen Arbeit. Sie befürwortet privatwirtschaftliche Agrarinvestiti­onen von lokaler und internationaler Seite, wenn deren Nachhaltigkeit und Entwicklungsnutzen für die lokale, meist kleinbäuerliche Bevölkerung ge­währleistet ist und Menschenrechte nicht verletzt werden. Unter gleichen Bedingungen betreibt sie auch selbst aktiv die Mobilisierung von privatem Kapital für Infrastruktur und landwirtschaftliche Produktion. Zentraler Maßstab für die Bewertung der Verantwortlichkeit unternehmerischen Verhal­tens sind die Normen internationaler Regelwerke wie der OECD­Leitsätze für multinationale Unter­nehmen, der VN­Leitlinien zur Verantwortung der Wirtschaft für die Menschenrechte und der Freiwil­ligen Leitlinien der FAO für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden­ und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern. Von besonderer Bedeu­tung sind die Einhaltung von Öko­ und Sozialstan­dards und von ILO­Kernarbeitsnormen, die faire Ausgestaltung von Vertragsbeziehungen sowie die Anerkennung bestehender einschließlich traditio­neller und gewohnheitsrechtlicher Land­ und Was­serrechte.

Mit der Gründung der Deutschen Initiative Agrar­wirtschaft und Ernährung in Schwellen­ und Ent­wicklungsländern (DIAE) im Juni 2012 wurde die Basis für ein breites Netzwerk zur Zusammenarbeit mit Unternehmen des gesamten Sektors entlang der Wertschöpfungskette gelegt.

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4. Politikkohärenz und Mitgestaltung globaler Rahmensetzungen

Globale Normen und Regeln bilden einen wichtigen Rahmen für lokales und nationales Handeln. Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft kann nur dann weltweit erreicht werden, wenn diese Nor­men und Regeln in einem partizipativen Prozess gestaltet und vor allem mit Blick auf Politikkohärenz konsequent fortentwickelt werden. In erster Linie gilt es, deren Umsetzung aktiv zu unterstützen. Wichtige Elemente einer solchen Rahmensetzung sind beispiels­weise neben den bereits genannten OECD­Leitsätzen für multinationale Unternehmen, den VN­Leitlinien zur Verantwortung der Wirtschaft für die Menschen­rechte und den Freiwilligen Leitlinien der FAO für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden­ und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern: der Internationale Vertrag über Pflanzengenetischen Res­sourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR); die Abkommen der Welthandelsorganisation sowie die Handlungsempfehlungen des Weltagrarberichts (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development – IAASTD).

Das BMZ unterstützt die Umsetzung und die ent­wicklungsförderliche Ausrichtung dieser und anderer globaler Rahmensetzungen und Initiativen. Wichtig ist auch, dass in und über diese Mecha­nismen ein partizipativer Ansatz der Einbindung aller Betroffenengruppen sichergestellt ist. Deshalb unterstützt das BMZ Konsultationen von wissen­schaftlichen, privatwirtschaftlichen und zivilgesell­schaftlichen Akteuren im internationalen Dialog.

Das BMZ setzt auf einen engen Dialog mit anderen Bundesressorts und mit den anderen Gebern, um eine größtmögliche Kohärenz anderer Politiken – insbesondere Landwirtschafts­, Fischerei­, Han­dels­, Energie­, Klima­ und Umweltpolitik – mit entwicklungspolitischen Zielsetzungen zu erreichen. Handelsregime, Direktinvestitionen, Außenwirt­schaftsförderung, Agrarforschungspolitik können entwicklungspolitische Anstrengungen konter­

karieren, sie können bei entsprechender Ausgestal­tung aber auch als Hebel einer Entwicklungspolitik dienen, die sich der Entwicklung der Landwirtschaft, der Reduzierung von Armut und dem Ende des Hun­gers auf der Welt verschreibt.

Das BMZ setzt sich für eine entwicklungsförderliche Ausgestaltung der EU­Agrarpolitik und die weitere Marktöffnung der EU für Agrarprodukte aus Ent­wicklungsländern ein. Insbesondere tritt das BMZ für einen vollständigen Verzicht auf Agrarexporter­stattungen und einen Abbau von Subventionen mit handelsverzerrender Wirkung ein. Bei Verhandlungen zu Handelsregimen und ­abkommen tritt die deutsche Entwicklungspolitik dafür ein, den Spielraum zum Schutz der nationalen und regionalen Agrarmärkte in angemessener Form aufrechtzuerhalten und den Ent­wicklungsstand der Handelspartner bei der Ausgestal­tung der Verpflichtungen zu berücksichtigen.

Außerdem wirkt das BMZ darauf hin, durch geeignete Finanzierungsmechanismen Anreize und Möglichkei­ten für nachhaltige Ressourcennutzung zu schaffen und die internationale Agrarforschung noch stärker an den Erfordernissen einer nachhaltigen Intensivie­rung der Landwirtschaft auszurichten. Sie wirkt an der Umsetzung der Rio­Konventionen (UNFCCC, UNCBD, UNCCD) mit, die gerade auch für die Landwirtschaft wichtige Eckpfeiler darstellen. Im G8­ und G20­Kreis gestaltet die deutsche Entwicklungspolitik sehr enga­giert die dortigen Initiativen für Ernährungssicherheit mit. Darüber hinaus bringt sie sich aktiv in die land­wirtschaftsbezogene Arbeit der Europäischen Union, der verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen (v.a. FAO, IFAD, WFP), der Weltbank und der regionalen Entwicklungsbanken ein; die Arbeit des Welternährungsausschusses (Committee on World Food Security – CFS) wird unterstützt. Vielfach werden bilaterale Programme zur Landwirtschaftsförderung in enger Kooperation mit multilateralen Program­men durchgeführt.

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impressum

HerausgeberBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Öffentlichkeits-, Informations- und Bildungsarbeit

RedaktionBMZ, Referat Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährungssicherheit

StandJanuar 2013

Postanschriften der Dienstsitze BMZ Bonn Dahlmannstraße 4 53113 Bonn Tel. + 49 (0) 228 99 535 - 0 Fax + 49 (0) 228 99 535 - 3500

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Page 25: Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft€¦ · BMZ-STRATEGIEPAPIER 3/2013 Vorbemerkung zur Funktion des Konzepts 4 usammenfassung Z 5 1. Aufbau einer leistungsfähigen und nachhaltigen

Die Schwerpunkte der deutschen Entwicklungspolitik

Mehr Wirksamkeit Mehr Sichtbarkeit Mehr Engagement Mehr Wirtschaft

Mehr Bildung Mehr Demokratie

Dirk Niebel, MdBBundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Gudrun Kopp, MdBParlamentarische Staats sekretärin beim Bundes minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Hans-Jürgen BeerfeltzDer Staats sekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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