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freundschaft! MAGAZIN DER JungeN generation in der s ö WIEN Nr. 3 | Juni 2014 Wir rocken die Insel

Freundschaft 03/2014 - Wir rocken die Insel

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Page 1: Freundschaft 03/2014 - Wir rocken die Insel

freundschaft!MAGAZIN DER JungeN generation in der s ö WIEN

Nr. 3 | Juni 2014

Wir rocken die Insel

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Ausgabe 3/2014Erscheinungsdatum: Juni 2014Herausgeberin, Medieninhaberin: Junge Generation in der SPÖ WienChefredaktion: Paul Reisenauer, Martin Ruzicka Lisa Werderitsch, Luise WernischGrafik: Christian Högl (www.creativbox.at)Layout und Bildbearbeitung: Max StohanzlCoverfoto: Daniel Novotny

MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Soma Ahmad, Claudia O‘Brien, Elisabeth Esterbauer, Peter Funk, Marcus Gremel,

Sebastian Hirzer, Stefan Onzek, Christian Sapetschnig, Nedeljko Savić, Stephan Schulmeister

Druck: Friedrich VDV, 4020 LinzRedaktions- und Erscheinungsort: JG Wien, Löwelstraße 18, 1010 Wien, Tel: 01/53427/233, Fax: 01/53427/480, [email protected], www.junge-generation.at-LeserInnenbriefe und Beiträge für die Zeitung sowie Bestellungen früherer Ausgaben bitte an obige Adresse. Mit Namen gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Nachdruck nur mit Quellenangabe und gegen Belegexemplar erwünscht!

Impressum

Unsere Sommerausgabe steht traditionell im Zeichen des Donauinselfestes. In den letzten 31 Jahren fanden am größten Festival Europas legendäre Auftritte statt. Und auch heuer kann das Fest mit einigen Superstars wie Macy Gray, Cro, Rea Garvey, Rita Ora, Kosheen und Everlast aufwarten. Wir würden uns besonders freuen, einige von euch auf der Insel der Menschenrechte begrüßen zu dürfen.

Nach der EU-Wahl ist vor der Wahl des Kommissionspräsi-denten und vor der Ratspräsidentschaft Italiens – wir räumen Europa und einer ehrlichen Analyse der Geschehnisse auch in dieser Ausgabe Platz ein. Außerdem widmen wir uns dem wichtigen Thema Vermögensbesteuerung, thematisieren das Recht auf Löschung im Lichte des EuGH-Urteils von Mitte Mai und liefern einen kurzen Rückblick auf unsere erfolgrei-che #RechtAufLoeschung-Kampagne.

Apropos erfolgreiche Kampagne: Wir freuen uns darüber, dass wir die SPÖ Wien am heurigen Landesparteitag davon überzeugen konnten, dass das geltende Staatsbürger-schaftsrecht um das Geburtsortprinzip erweitert werden muss. Abschließend stellen wir das Wiener Bildungspaket vor, das beweist, was die SPÖ ohne eine Blockierer-Partei am Fuß alles umsetzen kann.

Wir wünschen euch wie immer viel Spaß beim Lesen und einen schönen Sommer.

EURE REDAKTION

editorialInhalt2 Editorial , Impressum3 Kommentar von Außen3 Kommentar des Vorsitzenden

JG Splitter4 Donauinselfest 2014

Inland6 Vermögenssteuer/ -verteilung7 Netzpolitik: #RechtAufLoeschung

Inland/Splitter

8 #RechtAufLoeschung – Die Kampagne8 Landesparteitag 20149 Bildung als Schlüssel zum Erfolg

Europa 10 Europa hat gewählt, was nun?11 Italiens EU-Ratspräsidentschaft

Antifaschismus12 Analyse: Die Identitären

Integration13 50 Jahre Anwerbeabkommen

Gleichstellungspolitik14 Unser (Un-)Gleichbehandlungsgesetz

Gleichstellungspolitik/Frauen 15 Ist Bildung eine Sünde?

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3www.junge-generation.at

Wer in Österreich geboren ist, ist kein/e Ausländer/in

Die Junge Generation in der SPÖ-Wien fordert bereits seit Jahren eine Erweiterung des geltenden Staatsbürgerschafts-rechts um das Geburtsortprinzip. Nach intensiven innerpartei-lichen Diskussionen konnten wir am heurigen Landesparteitag auch die SPÖ-Wien davon überzeugen.

Demnach sollen in Österreich geborene Kinder, deren Eltern seit wenigstens fünf Jahren in Österreich leben auch bei uns Anspruch auf die Staatsbürgerschaft haben.

Mehr als 10.000 Kinder kommen in Österreich jedes Jahr auf die Welt und werden von Geburt an ausgegrenzt. Diese Kin-der sind in Österreich geboren, gehen hier in den Kindergarten oder in die Schule, haben alle FreundInnen hier, fahren nur auf Urlaub ins Ausland. Selbst wenn sie noch nie ein anderes Land gesehen haben, müssen sie ein teures und bürokra-tisch mühsames Einbürgerungsverfahren absolvieren, um die gleichen Rechte wie ihre KindergartenfreundInnen oder ihre SchulkollegInnen zu erlangen.

Wer in Österreich zur Welt kommt, ist aber zuerst einmal Ös-terreicherIn. Das sollte auch durch den Anspruch auf die ös-terreichische Staatsbürgerschaft bestätigt werden. Durch so ein Zeichen der Wertschätzung und Fairness würde auch die Identifikation mit Österreich als Heimatland gestärkt.

Viele Kinder fühlen sich weder in Österreich noch dem bzw. den Herkunftsland/-ländern ihrer Eltern richtig zuhause. Aber nicht nur Identitätskrisen sind durch unser veraltetes Staats-bürgerschaftsrecht vorprogrammiert: Es ist demokratiepo-litischer Wahnsinn, dass junge Menschen, die in Österreich aufgewachsen sind und keine andere Heimat kennen, vom demokratischen Prozess in Österreich ausgeschlossen sind! Durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Geburtsort-prinzip statten wir künftige Generationen auch mit dem Wahl-recht aus und bauen ihnen nicht a priori unnötige Barrieren.

Die Freude über den Beschluss unseres Antrags am Landes-parteitag ist groß. Jedoch war das nur ein Etappensieg. Am Bundesparteitag im Herbst muss sich auch österreichweit eine Mehrheit für ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht fin-den. Das wäre ein riesiger Schritt zu mehr Gerechtigkeit und ein klarer Handlungsauftrag an die Bundesregierung.

Marcus GremelVorsitzender der JG Wien

meinung

Kommentar deS vorsitzendenMARcUS GREMEL

Wir brauchen Vermögens-steuern und noch mehrEine Steuerreform muss Teil eines Gesamtkonzepts zur nach-haltigen Überwindung der großen Krise sein. Sie hat daher fol-gende Fakten zu berücksichtigen: Erstens, die Nachfrage von Unternehmen, Haushalten und des Staates stagniert, ohne expansive Impulse kann die Krise nicht überwunden werden. Zweitens, dazu hat die Zunahme der Ungleichheit in der Ver-teilung von Einkommen und Vermögen wesentlich beigetragen. Drittens, die Einkommen aus Besitz, insbesondere von Finanz-kapital sind viel stärker gestiegen als jene aus unternehme-rischer Tätigkeit. Viertens, die steuerliche Belastung von Ver-mögen ist in Österreich extrem niedrig, jene der Arbeit extrem hoch. Fünftens, wichtige Aufgaben, die nur die Politik, aber nicht durch „der Markt“ bewältigen kann, wurden in den letzten 20 Jahren unter dem neoliberalen „Spardiktat“ vernachlässigt.

Daraus folgt: Ein echte Steuerreform müsste Vermögen, insbesondere Finanzkapital, stärker belasten, und Arbeit so-wie niedrige Einkommen spürbar entlasten. Sie müsste ins-gesamt dem Staat zusätzliche Einnahmen bringen, welche ihm eine expansive Politik ermöglichen. Folgende Maßnah-men würden diesen Zielsetzungen entsprechen (nicht alle müssten realisiert werden):

• SenkungdesEingangssteuersatzesaufetwa25%,Einfüh-rung mehrerer Steuerstufen als bisher, Erhöhung des Spit-zensteuersatzes(über100.000Euro)auf55%oder60%.

• AufhebungderSteuerbegünstigungdes13./14.Monats-gehalts (sie verteilt Netto-Einkommen systematisch „nach oben“) bei gleichzeitiger Tarifsenkung in einer Weise, dass Brutto-Einkommen bis etwa 4.000 Euro deutlich entlastet werden und auch der Staat Zusatzeinnahmen erzielt.

• EinführungeinerSteuervon0,3%bis0,5%aufImmobilien-und Finanzvermögen mit einem Freibetrag von ca. 500.000 Euro (Steuerbasis ist das Netto-Vermögen, also nach Ab-zug von Schulden).

• ErhöhungderKESTauf30%oder35%.

• VollständigesteuerlicheGleichstellungvonPrivatstiftungenmit Personen (alle Kapitaleinkünfte werden mit dem KEST-Satz besteuert).

• EinführungeinerFinanztransaktionssteuer(auchnurmitwenigen anderen Ländern gemeinsam oder sogar im Al-leingang).

Stephan Schulmeister ist Wirtschafsforscher und Universitätslektor in Wien

Kommentarvon AussenStEphAN SchULMEIStER

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JG SPlitter

Donauinselfest

Die Wien-Energie - Insel der Menscherechte am Donauinselfest 2014

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DIE WIEnEr TAFElDie Wiener Tafel ist die älteste und größ-te Tafelorganisation Österreichs - ein Umwelt- und Sozialverein, der überschüs-sige, aber einwandfreie Lebensmittel aus Industrie und Handel an über 80 karita-tive Sozialeinrichtungen Wiens liefert und so über 12.000 von Armut betroffene Menschen versorgt. Die „soziale Spedi-tion“ stellt eine Brücke zwischen Über-fluss und Mangel dar und schafft eine Win-Win-Win-Situation: Unternehmen sparen Entsorgungskosten, entlasten die Lagerhaltung. Müllberge werden vermie-den, Ressourcen und damit die Umwelt geschont. Lebensmittel gelangen in den Magen und nicht in den Müll.

Um diese Botschaft in die Öffentlichkeit zu tragen und über die wertvolle Arbeit

der Organisation zu informieren, ist die Wiener Tafel auf der Insel der Menschen-rechte mit einem Infostand präsent.

DAS FlüchTlInGSproJEkT UTE Bock

Das Flüchtlingsprojekt Ute Bock ist ein gemeinnütziger, nicht Gewinn orientierter Verein mit Sitz in Wien Favoriten. Ute Bock, Sozialarbeiterin und langjährige Lei-terin des Gesellenheims Zohmanngasse, gründete im Jahr 2002 den Verein zur Un-terstützung von Flüchtlingen in Österreich. Hauptaugenmerk legt die Organisation auf die Beratung und Betreuung in Wien leben-der und in vielen Fällen obdachloser Asyl-werberInnen sowie anderer hilfsbedürftiger Flüchtlinge. Seit Mai 2012 gibt es das Ute Bock Haus - ein Haus für Flüchtlinge,

welches gleichzeitig 70 AsylwerberInnen als Unterkunft und den MitarbeiterInnen als Bürogebäude dient.

DAS WohnproJEkT: „WIr WollEn nIEmAnDEn AUF DEr STrASSE STEhEn lASSEn!“

Aktuell leben rund 420 Menschen aus 23 Ländern in den 130 Wohnungen des Flüchtlingsprojekts Ute Bock, 1.400 Menschen sind beim Post- und Meldeser-vice über den Verein registriert und viele weitere Hilfesuchende werden in der Be-ratungsstelle unterstützt.

AUSBIlDUnGS- UnD BErATUnG-SAnGEBoTE: „JEDEr vErDIEnT EInE FAIrE chAncE!“

Das Wohnprojekt wird durch Ausbil-dungs- und Beratungsangebote ergänzt. Flüchtlinge müssen sich unter schwie-rigsten Bedingungen in einer fremden Umgebung neu orientieren. Die Berate-rInnen des Vereins unterstützen sie bei Fragen des Asylverfahrens, bieten Wohn-betreuung und helfen bei der Lösung un-terschiedlichster Alltagsprobleme. Neben zahlreichen Infos gibt's beim Stand des Flüchtlingsprojektes auch die Möglichkeit, aussagekräftige originelle T-Shirts, Taschen und Buttons zu erwerben und den Verein dadurch zu unterstützen.Musikalisch setzt die JG Wien auf ein be-währtes, abwechslungsreiches Programm. Junge österreichische Künstlerinnen und Künstler presented by fii erobern die Wien Energie Insel der Menschenrechte und bie-ten ein buntes Programm aus Rock, Reg-gae, Pop, Electro, World & Beats.

Die Insel der Menschrechte auf dem Donauinselfest stellt seit Jahren jenen Ort auf der Donauinsel dar, wo am internationalsten gefeiert werden kann. Auch heuer wird sie zum Schmelztiegel der Kulturen und Musikstile und bietet drei Tage lang interessantes, abwechslungsreiches und politisches Programm. Wie jedes Jahr ist auf der Insel der Menschenrechte außerdem Platz für NGOs, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen.

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JG SPlitter

Die Wien-Energie - Insel der Menscherechte am Donauinselfest 2014

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FolGEnDE proGrAmmhIGh-lIGhTS SollTET Ihr EUch nIchT EnTGEhEn lASSEn

FII, Fr., 27.06.2014, 22:30 Uhr

Der österreichische Mund-Musiker fii startete 2010 seine Solokarriere. Der Vokalkünstler aus Wien veröffentlichte sein erstes Album „VoxBox“ und ge-wann die GSA BOSS World Loopsta-tion Championship. Daraufhin kam es zu Einladungen in die USA nach Los Angeles von Harman/AKG und zur NAMM. Mit seiner LiVE LOOPiNG BEATBOX SHOW bewarb er sich auch bei Castingshows. Das Ergebnis waren TV-Auftritte vor Millionenpu-blikum in Österreich, Schweiz, Italien und Deutschland. Die begeisterten Fans hievten fii in die Hitparade und sein Song „Power to the People“ wurde zum Dauerbrenner. Es folgten Auszeich-nungen wie der Austrian Dance Award oder das Golden Diploma bei Vokal Total. Als Höhepunkt kam es in Holly-wood zur Nominierung als „Best Inter-national Artist“ und zur Auszeichnung als „Entertainer of the Year“ beim Los Angeles Music Award. Der Auftritt von fii ist eindeutig ein Pflichttermin – Fans haben die Möglichkeit, das sympathische

Allroundtalent an allen drei Tagen auf der Insel der Menschenrechte zu treffen: Schließlich ist er für die JG Wien als er-fahrener Stage-Manager vor Ort.

TAGTrÄUmErSA., 28.06.2014, 23:00

TAGTRÄUMER können wohl getrost als DIE Durchstarter 2014 bezeichnet werden! Ihre aktuelle Single SINN kletterte bereits bis auf auf PLATZ 13 der AUSTRIA TOP 40 hinauf, was gleichzeitig auch die höchste heimische Platzierung der Chartwoche be-deutete und hält sich bereits seit 12 Wo-chen (!!!) in der Wertung! Zusätzlich gene-rierte das Acoustic Video zum Song in den letzten Wochen bereits über 300.000 Views auf YOUTUBE – Tendenz stark steigend! Auch das österreichische Pop-Leitmedium Ö3 hat den Track mittlerweile auf Heavy Rotation gesetzt!

kAISEr FrAnZ JoSEFSo., 29.06.2014, 23:00

Österreich ist voller Nachwuchstalente. Diese Tatsache beweist die Rockband Kaiser Franz Josef ihrer wachsenden Fangemeinschaft jeden Tag aufs Neue. Trotz ihrer backfrischen Karriere können die Herren mit ihren durchschnittlich 20 Jahren schon einiges an Referenzen vor-weisen. Unter Anderem standen sie mehr-mals auf der Bühne der ORF Show „Die Große Chance“, bei der sie im Finale den fünften Platz erlangt haben. Hier wurden sie von hunderttausenden Menschen ge-hört und nutzten erfolgreich die Chance, viele Anhänger für sich zu gewinnen und zu begeistern. Mit ihrem authentischen Sound haben sie nicht nur alteingesessene Fans des Genres begeistert, Bassist Can resümiert treffend “Wir geben den Alten was sie hatten und den Jungen was sie nie kannten”. Kein Wunder also, dass ihre vor kurzem bei Sony Music veröffentlich-te EP How Much Is A Mile bei iTunes in-nerhalb nur eines Tages an die Spitze der Charts geklettert ist und die gleichnamige Single #8 der österreichischen Charts er-reichen konnte!

Sei auch du beim größten und friedlichs-ten Festival Europas dabei und feiere mit uns die vielfältigste Party des Jahres – auf der Insel der Menschenrechte der Jungen Generation in der SPÖ Wien!

LUISE WERNISch

JG Landessekretärin

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Inland

vermögenssteuer/-verteilung

Seit den 1970er erklären uns die Neoliberalen, dass die Ak-kumulierung von Vermögen in den Händen weniger durchaus

positiv für die Gesellschaft ist. Des-wegen sollte der Staat auch von Steu-ern auf Vermögen absehen. Laut der „Trickle down“-Theorie sickert, über lang, der Wohlstand in die unteren Be-völkerungsschichten und verteilt sich gleichmäßig über die ganze Gesell-schaft. Die Anhänger dieser Theorie behaupten, dass die Anhäufung von Geld größere Investitionen ermögliche, was wiederum die Wirtschaft wachsen lässt und Arbeitsplätze schafft. Große Vermögen würden wachsen, aber halt auch die Einkommen in den untersten Schichten, ganz nach dem Motto „bei Flut steigen alle Boote“ (Zitat: John F. Kennedy). TrIcklE Up?

Wohlstand und Vermögen sickern aber nicht von allein hinunter. Eher das Gegenteil ist der Fall. Zumindest behauptet dies der französische Öko-nom Thomas Piketty in seinem Buch. Und die Daten scheinen ihm Recht zu geben. Piketty untersuchte Steuererklä-rungen der letzten 300 Jahre, sprich seit Beginn der industriellen Revoluti-on. Er kam zu dem Schluss, dass die Renditen aus Kapital (Zinsen, Dividen-den, Mieten, usw.) im Schnitt bei 4,5 Prozent lagen, das Wirtschaftswachs-tum jedoch nur bei 1,5 Prozent. Der gleichmäißge Anstieg von Vermögen und Einkommen war eher die Aus-nahme als die Regel. Nur unter ganz besonderen Bedingungen kam es dazu. Es bedurfte des Ersten und Zweiten Weltkriegs um die steigende Ungleich-heit zu reduzieren. Dies hatte zwei Gründe. Erstens wurden im Zuge der Kriege große Vermögenswerte zerstört. Die Regierungen hatten keine Skrupel auf diese Ressourcen zurück zu greifen um ihre Kriegsanstrengungen zu finan-

zieren. Zweitens, spielte das enorme Wirtschaftswachstum, vor allem in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, eine wichtige Rolle. Dies ermöglichte es, dass auch die unteren Schichten, zumindest für eine Zeitlang, gute Ein-kommen erhielten. Das Verhältnis Ka-pitalrendite und Wirtschaftswachstum war somit über Jahrzehnte relativ aus-geglichen. Beginnend mit den 1970er wurden dann aber die neoliberalen Rufe nach weni-ger Regulierung immer lauter. Ronald Reagan und Margret Thatcher griffen diese Ideen beherzt auf. Auch die Linke ließ sich einspannen. Man denke nur an Blair, Schörder, Dritten Weg und Hartz IV. In der Zwischenzeit haben wir wieder Vermögensverhältnisse wie im 19. Jahr-hundert. In den USA besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung 60 Prozent des Volkvermögens. Aber auch im relativ egalitären Österreich kann das reichste Prozent 40 Prozent des Volkvermögens sein Eigen nennen. vorSchlÄGE:

Der freie Markt führt somit zu keiner gerechten Vermögensverteilung. Und da Krieg keine Option ist, besteht nur eine Möglichkeit: staatliche Ein-

griffe. Dafür plädiert Piketty in sei-nem Buch. Einerseits schlägt er vor, den Spitzensteuersatz auf 80 Prozent zu erhöhen. Wer glaubt, dies sei illu-sorisch möge einen Blick auf die USA in die Zeit nach dem Zweiten Welt-krieg werfen. Andererseits sollte man eine gestaffelte Vermögenssteuer ein-führen. Konkret schlägt Piketty einen Steuersatz von mindestens 2 Prozent für Vermögen ab 200 000 Euro, bei höheren sogar bis zu 10 Prozent. Ver-gleichsweise niedlich wirkt die SPÖ-Forderung nach einem Steuersatz von 0,1 bis 0,9 Prozent für Vermögen ab einer Million Euro. Aber auch diese ist der ÖVP zu radikal. Verfechter des freien Marktes leugnen nicht, dass der Markt seine Schwach-punkte hat. Sie meinen aber, dass „in the long run“ alles gut wird. Bereits vor mehr als 80 Jahren entgegnete ihnen John Maynard Keynes: „But in the long run, we are all dead.“ Auch bei der Fra-ge der Vermögensverteilung sollten wir nicht allzu lange darauf warten, dass sich der gewünschte Zustand von alleine einstellt.

NEDELJKo SAVIĆ, JG Margareten

It won’t trickle downWussten wir schon immer: Die Reichen werden immer reicher. Doch zum ersten Mal wurde versucht, diese These auch empirisch darzulegen. Es handelt sich um Thomas Pikettys weltweit sehr beachtetes Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert".

Vermögensverteilung in Österreich

Die reichsten 5%der Haushalte

Die reichsten 5-20% der Haushalte

Die mittleren 50-80% der Haushalte

Die ärmsten 50% der Haushalte

45% 29% 22% 4%

Quelle: AK | Grafik: SPÖ

besitzen folgende Anteile am Gesamtvermögen österreichischer Haushalte

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7www.junge-generation.at

Inland

netzpolitik

#RechtAufLoeschungMitte Mai hat der EuGH einen ersten Schritt in Richtung #RechtAufLoeschung getä-tigt und ermöglichte damit, dass Europas BürgerInnen den Weltkonzern Google dazu verpflichten können, Suchergebnisse zu ihrer Person zu löschen. Ein erster positiver Schritt, der das Problem aber nur oberflächlich löst, denn auf den Quellseiten bleiben diese Daten weiterhin bestehen.

immer noch zu finden. So ist zum Bei-spiel auch das Löschen eines Fotos auf Facebook nicht mehr als ein unsichtbar machen. Es reicht nicht aus, wenn nach Daten nicht mehr gesucht werden kann, sensible Daten müssen dort gelöscht werden, wo sie gespeichert sind, um sie vollständig zu entfernen. Des Weiteren sind die Speicherorte unserer Daten nur den wenigsten bekannt und verteilen sich noch dazu in vielen Fällen auf meh-reren Servern. Transparenz und Selbst-bestimmungsrecht sind Punkte, die be-züglich Datenschutz erwähnt werden müssen und für welche sich die JG Wien auch zukünftig einsetzen wird.

DATEnSchUTZ mUSS DEm InTEr-nET GErEchT WErDEn

In den letzten Jahrzehnten ist das In-ternet ein dermaßen wichtiges, nicht mehr wegzudenkendes Medium ge-worden, welches sich auch zur persön-lichen Entfaltung der einzelnen User-Innen etabliert hat. Jede und jeder

kann seine Gedanken, Lebensinhalte und Aktivitäten schneller, einfacher und kostengünstiger publizieren als je zuvor. Diese Entwicklung erfordert einen dementsprechend angepassten Datenschutz. So ist der Fußabdruck, welchen wir im Internet hinterlassen mit dem zu vergleichen, den wir in unserer Natur hinterlassen. Für den einen gibt es den dafür notwendigen Umweltschutz, für den anderen muss es einen umfangreichen Datenschutz geben. Nichts desto trotz ist hier wie dort jedeR BürgerIn dazu verpflich-tet, sich selbst an gewisse Richtlinien zu halten, um sowohl sich selbst wie auch Dritte zu schützen.

Die JG Wien setzt sich, ebenso wie die S&D-Fraktion, für ein modernes, den Interessen der BürgerInnen entspre-chendes Datenschutzrecht ein.

SEBAStIAN hIRzER, JG Alsergrund

Unsere Privatsphäre ist ein geschätztes Recht, über welches ein jeder Mensch verfügen muss. Egal ob real

oder virtuell, die Privatsphäre muss durch umfangreiche Rechte gesichert sein. Leider sind wir aber nicht immer in der Lage, über sämtliche Daten zu unserer Person, die im Netz kursieren, zu bestimmen. Die Online-Kampagne #RechtAufLoeschung der JG Wien versuchte mit mehreren unterhalt-samen Videos auf Youtube darauf aufmerksam zu machen, dass niemand davor geschützt ist, unangenehme Fo-tos bzw. Daten von sich im Netz zu finden. Die Rede ist von Fotos, die an lustigen Abenden mit Freunden entste-hen, unüberlegt auf Facebook, Twitter oder sonstigen Netzwerken landen und nach geraumer Zeit, spätestens aber bei der Jobsuche, schnellstens wieder aus dem Netz verschwinden sollten. Zu verhindern, dass diese Da-ten niemand findet, war bisher in Ei-geninitiative nur sehr schwer möglich. Nachdem aber das Urteil des EuGH gefallen ist und europäische Bürge-rInnen endlich selbst entscheiden dür-fen, ob gewisse Suchergebnisse zu ih-rer Person auf Google zu finden sind, gingen bis Anfang Juni bereits über 40 000 Anträge auf Datenlöschung bei Google ein. Google ist aber nur einer von vielen Weltkonzernen, welcher über eine große Anzahl von sensiblen Daten verfügt bzw. auf sie verweist.

GooGlE mUSS DIE DATEn nUn löSchEn, DIE QUEllSEITEn müSSEn DAS ABEr nIchT

Das eigentliche Problem ist mit dem Eu-GH-Urteil jedoch nicht beseitigt, denn auch wenn solche Daten auf den di-versen Suchmaschinen nicht mehr auf-scheinen, auf den Quellseiten sind sie

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#rechtAufloeschung

Schon mal nach einer langen Partynacht geschmückt aufgewacht?

landesparteitag 2014

JG Wien setzt sich durch: Geburtsortprinzip ist Parteilinie!

Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“, lautet

eines der berühmtesten Zitate von Max Weber. Wir haben in den letzten Jahren unentwegt gebohrt und das mit Erfolg.

Als SozialdemokratIn akzeptiert man Abstimmungsergebnisse, enttäuscht darf man aber manchmal trotzdem sein. Enttäuscht waren viele in der Jungen Generation nach dem Landes-parteitag 2013, weil unser „ius soli“-Antrag mit hauchdünner Mehrheit ein weiteres Mal zugewiesen wurde. Ent-

täuscht waren wir, aber nicht entmuti-gt. Es hat viel Überzeugungsarbeit ge-braucht, aber letztlich gelang es viele GenossInnen innerhalb der SPÖ Wien von der Notwendigkeit einer Reform des Staatsbürgerschaftsrecht, genauer gesagt um die Erweiterung desselbi-gen um das Geburtsortsprinzip, zu überzeugen. Bei einer Klubenquete im Frühjahr wurde ausführlich über das Für und Wider unserer Forderung dis-kutiert, letztlich überzeugten unsere Argumente, der erneut eingebrachte Antrag bekam die Zustimmung der Delegierten und der Antragskommis-sion.

EIn WIchTIGEr SchrITT, ABEr WIr SInD noch nIchT Am ZIEl

Es hat natürlich besonderes Gewicht, wenn jetzt die Wiener Landespartei das Geburts-ortsprinzip fordert, allein auf Wiener Ebene ist es aber als Bundesmaterie nicht umsetz-bar. Es gilt unsere Forderung auch bun-desweit in der SPÖ durchzusetzen, bei den BürgerInnen für unser Anliegen zu werben und unseren Koalitionspartner zu überzeu-gen. Das alles wird kein leichtes Unterfan-gen, aber bekanntlich lassen wir uns nicht so leicht entmutigen.

pAUL REISENAUER,

JG Währing

Wir haben es alle schon erlebt: Man ist auf ei-ner Party, trinkt ein bisschen über den

Durst und dann entsteht ein pein-liches Video oder Foto und landet im schlimmsten Fall auf Facebook... Zu-mindest dem Autor dieser Zeilen soll es ab und an in seinem Leben so er-gangen sein. Das #RechtAufLoeschung ist eine langjährige Forderung der JG Wien: Wir wollen die Möglichkeit ha-

ben über unsere Daten zu bestimmen, Videos und Bilder von uns löschen oder Daten berichtigen zu können. Mit einer Kampagne zur EU-Wahl haben wir die Notwendigkeit für ein solches Recht unterstrichen. Bis zum Wahltag erschienen im Wochentakt drei unter-haltsame Videos, wo JGlerInnen in etwas heiklen Situationen dargestellt werden und anschließend Bild- und Videomaterial davon in Social Media Netzwerken landet.

DAS ErGEBnIS kAnn SIch SEhEn lASSEn UnD ES WUrDE AUch GESEhEn.

Der Erfolg dieser Social Media Kam-pagne lässt sich in Zahlen messen: Unser letztes Video wurde fast 4000 mal angesehen, auf Facebook gab es zahlreiche Diskussionen und Nach-fragen zu unserer Forderung. Es ist natürlich noch ein weiter Weg bis das #RechtAufLoeschung auch wirk-lich allumfassend in einer EU Daten-schutzrichtlinie verankert wird, aber durch öffentliche Bewusstseinbil-dung steigt der Druck in dieser Frage und Konzerne, die von unseren Da-ten leben, werden innerhalb der EU Institutionen weniger Gehör finden. Wenn du gerne unseren Vorsitzenden frühstückend im Giraffenpyjama er-leben oder mich bemalt sehen möch-test, solltest du dringend den YouTu-be Kanal der JG Wien besuchen:

WWW.yoUTUBE.com/JGWIEn

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Bildung als Schlüssel zum Erfolgkampagne: „Wien leben. Wien lieben.“

Das Bildungsthema ist ein heikles und schon lange diskutiertes. Was man ohne eine Blockierer-ÖVP alles erreichen kann, zeigt die Wiener SPÖ mit ihrer neuen Kampagne „Wien leben. Wien lieben.“

Wir alle sind stolz da-rauf: Zum wiederholten Male führt Wien heuer internationale Studien

an, die uns die höchste Lebensqualität weltweit attestieren. Aber nicht nur das. Auch die Wienerinnen und Wiener selbst leben gerne in unserer Stadt. 97 Prozent geben in einer aktuellen Studie an, gerne oder sogar sehr gerne hier zu leben. Das überrascht wenige. Dass dieses Ergebnis jedoch nicht von unge-fähr kommt, sondern dass das Leben, das wir hier führen, jeder Baum, der in einem Park gepflanzt wird, jede U-Bahn, die uns in die Arbeit bringt und auch das Wasser, das wir kostenlos aus der Leitung trinken, die Folge von jahr-zehntelanger sozialdemokratischer Poli-tik ist, ist bei weitem nicht jedem klar. Am Beispiel Bildung zeigt das die SPÖ Wien auch in ihrer aktuellen Kampagne „Wien leben. Wien lieben.“

BIlDUnG Für AllE

Alle Kinder und Jugendlichen sollen Zugang zu bester Bildung haben. Unab-hängig von der Herkunft und dem Ein-kommen der Eltern. Das ist die Vision der SPÖ. Bereits verkörpert im sozial-demokratischen Grundwert der „Chan-cengleichheit“. Denn nur beste Bildung sichert auch die Chancen auf eine erfolg-reiche Zukunft. Welche umfangreichen Angebote man hier schaffen kann, wird mit dem „Wiener Bildugnspaket“ bewie-sen. Ob Gratis-Kindergarten und Gratis-Nachhilfe, Ausbildungsgarantie, Weiter-bildung oder Sprachförderung: Wien geht mit gutem Beispiel voran. Wien wird zu einer Stadt des Wissens entwickelt, in der lebenslanges Lernen nicht nur möglich ist, sondern auch Spaß macht.

GrATIS Im kInDErGArTEn

Seit 2009 müssen Eltern in Wien keine Kindergartenbeiträge mehr bezahlen. Wenn notwendig, gibt es sogar Unterstüt-

zung bei den Essensbeiträgen. Das erspart Familien jedes Jahr 2.800 Euro pro Kind! Und das Angebot wird noch ausgebaut: Alleine heuer werden über 700 Millionen Euro in den Gratis-Kindergarten inve-stiert. Und die flexiblen Öffnungszeiten ermöglichen im Vergleich zu vielen an-deren Bundesländern eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

DAS TAlEnT ZÄhlT

Leider werden das Bildungsniveau und sogar der Beruf in Österreich zum Groß-teil noch immer von den Eltern an ihre Kinder vererbt. Wien will gezielt Maß-nahmen setzen, um dieses System zu durchbrechen. Egal aus welchem Eltern-haus man kommt: Jede und jeder soll Zu-gang zu bestmöglicher Bildung bekom-men und die Chance auf einen sozialen Aufstieg haben.

GArAnTIErT AUSGEBIlDET

Die Ausbildungsgarantie ist zum Vor-bild in ganz Europa geworden: Wer keinen Lehrplatz und auch sonst keine Qualifizierungsmöglichkeit hat, dem wird ein unterstützendes Beratungs- und Begleitungsangebot zur Verfügung gestellt. So soll verhindert werden, dass Jugendliche ohne Job und ohne Ausbil-dung bleiben.

FörDErUnG In DEr SchUlE

Nachhilfe kostet Geld. Damit auch jene Kinder, deren Eltern sich keine teuren Nachhilfestunden leisten können, in der Schule vorankommen, wird im Herbst an den Wiener Pflichtschulen eine För-deroffensive gestartet. Zwei kostenlose Förderstunden direkt in der Schule sollen SchülerInnen mit Bedarf in den Hauptfä-chern helfen.

QUAlIFIkATIon BrInGT vorAn

Je geringer die Qualifikationen am Ar-beitsmarkt, umso höher ist die Chance arbeitslos zu werden. Um dem entge-

genzuwirken werden die bisherigen Weiterbildungsmöglichkeiten des waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förde-rungsfonds) noch ausgebaut. Der soge-nannte Weiterbildungstausender für das Nachholen von Lehrabschluss, Berufs-reifeprüfung und Matura, wird mit 1. Juli verdoppelt. 600.000 Wienerinnen und Wiener sind anspruchsberechtigt.

WISSEnSSTADT WIEn

Jede/r zweite Wiener/in zwischen 19 und 26 Jahren ist Student. Damit ist Wien die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum. Außerdem ist die Universität Wien der drittgröß-te Arbeitgeber der Stadt. Und obwohl Wissenschaft und Forschung zum Aufgabenbereich des Bundes gehören, in-vestiert Wien rund 100 Millionen Euro im Jahr in diesen Bereich.

SprAchEnvIEl-FAlT

Schon jetzt werden in Wien 250 ver-schiedene Spra-chen gesprochen. Doch das ist nicht genug. Mehr-sprachigkeit ist ein wertvoller Schatz und eine Qualifika-tion, die privat und beruflich nütz-lich ist. Bei der Klub-tagung der SPÖ Wien in Rust hat Bürgermei-ster Michael Häupl eine große Vision angekün-digt: In zehn Jahren sol-len alle Wienerinnen und Wiener neben Deutsch eine weitere Sprache spre-chen können.

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Europa

nachwahlanalyse

Europa hat gewählt, was nun?Nach der Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai ist vor der Wahl des Prä-sidenten der Europäischen Kommission durch das Parlament. Das Bild, das aktuell – insbesondere von den konservativen Staats- und Regierungschefs – vermittelt wird, ist nicht nur fatal, es schädigt das Bild der EU in der Öffentlichkeit weiter und macht den positiven Schwung, der sich durch die Nominierung gemeinsamer europäischer SpitzenkandidatInnen ergeben hat, rasch wieder zunichte.

Die SozialdemokratInnen Europas (S&D) haben ihr Wahlziel die mandatsstärkste Fraktion im Europäischen

Parlament zu werden zwar nicht erreicht, aber den Abstand zu den Konservativen (EVP) deutlich verringert. Sicher war das auch ein Verdienst des europäischen S&D Spitzenkandidaten Martin Schulz, der diesen Schwung transportierte. Doch auch einzelne nationale Ergebnisse, wie der Erdrutschsieg (mit 40 Prozent der Stimmen) der Partito Democratico in Ita-lien unter Matteo Renzi trugen wesentlich zu dem Ergebnis bei. Zusätzlich konnte Schulz sicher auch nationale Kampagnen-defizite kompensieren.

WAS WArEn nUn ErFolGSFAk-TorEn Für DIE SoZIAlDEmokrA-TIE UnD WAS kAnn SIE DArAUS lErnEn?

Es hat sich gezeigt, dass sozialdemokra-tische Themen vehement vertreten und – kompromisslos – eingefordert werden müssen. Handschlagsqualität muss be-wiesen werden. Nur so kann langfristig Glaubwürdigkeit entstehen. Starke und profilierte Persönlichkeiten mit klaren sozialdemokratischen Positionen sind zusätzlich ein wesentlicher Erfolgsfak-tor, wie Schulz aber auch Renzi zeigen. Die WählerInnen sind bereit den gemein-samen Weg zu gehen, wenn sie merken, dass durch ihre Wahlentscheidung eine reale Chance auf Veränderung besteht. Und nichts wollen die Menschen in Euro-pa mehr, als Veränderung. Um das darzu-stellen sind konkrete Ziele mit konkreten Lösungen, also klare Profile und Botschaf-ten, notwendig. Starre Koalitionen, wie es sie im EU-Parlament zum Glück sowieso nicht gibt, sind zu vermeiden. Besser ist es, inhaltlich keine Kompromisse einzu-

gehen und wichtige Forderungen – auch gegen Widerstände mit Hilfe von Alli-anzen – umzusetzen.

EUropAS SoZIAlDEmokrATIE mIT hAnDSchlAGSQUAlITÄT

Dass die europäischen Sozialdemokra-tInnen Handschlagsqualität haben, be-wiesen sie indem sie nach Feststehen des Wahlergebnisses den Sieg der Konserva-tiven anerkannten und deren Spitzenkan-didaten Jean Claude Juncker als ersten Anwärter für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bestä-tigten. Doch die Nominierung für dieses wichtige Amt nimmt groteske Züge an. Die Konservativen selbst können sich nämlich nicht einigen, ihr Versprechen umzusetzen weil deren jeweilige natio-nalen Agenden sehr unterschiedlich sind. Zusätzlich muss der britische Premier David Cameron – einer der größten Jun-cker-Gegner – erst lernen, dass er nicht ganz Europa erpressen kann. Er tut da-mit seinem Land auch nichts Gutes, denn

das eher proeuropäische Schottland hat damit noch einen weiteren Grund sich in seinem Unabhängigkeitsreferendum am 18. September vom „Empire“ loszusagen.

DEr SchWUnG mUSS mITGEnom-mEn WErDEn

Auch wenn die S&D nicht Erste geworden ist, der Schwung muss jetzt mitgenommen werden. Es ist notwendig, dass die S&D -Mitglieder ihre Zusammenarbeit vertiefen und schon jetzt beginnen ihre Themen, For-derungen und vor allem KandidatInnen zu koordinieren, zu positionieren und zu pro-filieren. Das stärkt nicht nur die Sozialde-mokratie auf europäischer Ebene, sondern wird auch nationale Erfolge bringen. Am Ende wird es Europa stärken und voran bringen. Damit könnte die Sozialdemokra-tie 2019 endlich zur stärksten Kraft in Eu-ropa werden.

StEFAN oNzEK JG Döbling

Sitzverteilung im EU-Parlamentvorläufig – Stand 27.05. in Klammern bisherige Mandate

42 (35)

GUE-NGLEuropäische Linke/Nordische Grüne Linke

41 (33)

Fraktionslose(u.a. FPÖ, Front National,

Vlaams Belang)

751Abgeordnete

(Bisher 766 davon 18 aus Österreich)

65 (-)

Neue Abgeordnete, die noch keiner Fraktion angehören

(u.a. ital- 5-Sterne-Bewegung, dt. AfD, NPD)

52 (57)

Grüne/EFAGrüne/FreieEuropäische Allianz

38 (31)EFD Europa der

Freiheit und der Demokratie

190 (196)

S&D Progressive Allainz der Sozialisten & Demkoraten

46 (57)EKR Europäische

Konseravativeund Reformisten

64 (83)

ALDE Allianz der Liberalen und Demokraten

213 (274)

EVP Europäische Volkspartei (Christdemokraten)

Quelle: EU-Parlament | Grafik: SPÖ

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11www.junge-generation.at

Europa

Nicht nur das beste Ergebnis einer sozialedemokratischen Partei hat Italiens Pre-mier Matteo Renzi bei der kürzlichen EU-Wahl eingefahren, sondern das beste Ergebnis aller europäischer Parteien überhaupt. Das stärkt den Premier für die kommende EU-Ratspräsidentschaft Italiens.

Italiens EU-ratspräsidentschaft

Die Bürger haben uns beauftragt, das Land und Europa zu verändern!

Die Bedeutung dieser Wahl: Italien kann wieder eine Rol-le spielen. Italien ist nicht das letzte Rad am Wagen.

Italien kann – wenn es sich selbst ändert – eine führende Rolle in Europa einneh-men“, sagt der italienische Premier-Mi-nister Matteo Renzi kurz nach der EU-Wahl in einem Interview mit führenden europäischen Tageszeitungen. „Die Bür-ger haben uns einen ganz klaren Auftrag gegeben, das Land und Europa zu verän-dern.“ Das ist auch Renzis Ziel für die nächste Ratspräsidentschaft, die Italien ab 1. Juli übernimmt. Und für die hat er sich einiges vorgenommen.

WAchSTUm UnD EnTWIcklUnG Im ZEnTrUm DEr polITIk

Italien will das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union stärken und damit etwas gegen die hohe Jugendar-beitslosigkeit tun, mit der allen voran die südeuropäischen Staaten zu kämpfen haben. Auch in Italien selbst liegt sie bei 43 Prozent. Wachstum und Entwicklung sollen ins Zentrum der Politik rücken, nicht rigide Sparmaßnahmen. „Das Ziel der italienischen Regierung ist es zu un-terstreichen, dass die strenge Sparpolitik, die nicht auf Wachstum und Entwicklung abzielt, heute an ihre Grenzen geraten ist, dass die Phase vorbei ist. Und mir scheint, dass sich sowohl bei den Anhängern als auch bei den Kritikern das Bewusstsein durchgesetzt hat, dass ein neues Kapitel anfangen muss", so Renzi.

GESAmTEUropÄISchE FlüchTlInGSpolITIk

Ganz oben auf der Liste der Prioritäten für die italienische EU-Ratspräsidentschaft steht auch das Thema Migration. Denn bei-nahe täglich gibt es Meldungen von Flücht-lingen, die in winzigen Booten versuchen italienischen – und damit europäischen

– Boden zu erreichen. Seit Jahresbeginn waren es 50.000 Flüchtlinge. Italien drängt hier auf eine gesamteuropäische Asylpolitik und will eine „gerechte Lastenverteilung“ in ganz Europa. Nach dem Flüchtlingsdra-ma von Lampedusa letzten Herbst hat Ita-lien die Marineoperation „Mare Nostrum“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten und die Schlep-per im Hintergrund ausfindig zu machen. Auch hier wird eine europaweite Verteilung der Kosten gefordert. „Wir sagen Europa, es kann nicht die Banken und Staaten retten und die Mütter und ihre Kinder nicht ret-ten, die um Asyl bitten und aus dem Krieg kommen. Europa muss helfen. Unsere Ma-rine hilft, unsere Freiwilligen, die Einwoh-ner von Lampedusa, und das sollten auch alle europäischen Institutionen tun und sich nicht umdrehen und so tun, als ob nichts wäre“, sagt Italiens Premier Matteo Renzi.

Nach seinem erfolgreichen EU-Wahl-ergebnis spricht Italien mit selbstbe-

wusster Stimme und will Europa ver-ändern. Doch auch Matteo Renzi ist klar, dass er mit den Veränderungen in seinem eigenen Land beginnen muss, um für europäische Reformen glaub-würdig zu sein. „Italiens Problem ist nicht Europa“, sagt er in Richtung der EU-SkeptikerInnen. „Italien muss sich zuerst selbst reformieren“. Und bei die-sem Vorhaben werden dem nach der EU-Wahl gestärkten Premier bereits Steine seiner eigenen Partei in den Weg gelegt: Einige seiner SenatorInnen strei-ken und wollen Renzis Reformen nicht mittragen. Doch Renzi bleibt selbstbe-wusst: „Die Stimmen der Italiener zäh-len viel mehr als das Veto irgendeines Politikers, der Reformen blockieren will“, sagt er. Eine solch mutige Stimme der Veränderung wird auch der Europä-ischen Union gut tun!

LISA WERDERItSch, JG Döbling

Europas Wahlsieger matteo renzi

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12 freundschaft 3/14

Antifaschismus

Die Identitären – Modern, Intellektuell, Rechtsextrem

Die Identitäre Bewegung ist eine relativ neue po-litische Formation. Un-ter der Bezeichnung bloc

identitaire findet man ihren Ursprung in Frankreich. Es handelt sich um eine Nachfolgeorganisation der Unité Radicale, welche man im Jahr 2002 verboten hat.

Im Mai 2012 gerieten die Identitären erstmals in Österreich ins Visier der Öffentlichkeit. Während einer Cari-tas-Veranstaltung, die im Zeichen von Toleranz stand, tauchte eine zehn-köpfige Delegation der Identitären auf. Maskiert und mit Anti-Multi-kulti Schildern bewaffnet, wurde eine Störaktion gestartet. Auch im Winter 2013 versuchten sich die Identitären durch eine „Gegenbesetzung“ der Vo-tivkirche, die zu jenem Zeitpunkt von Flüchtlingen okkupiert wurde, in Sze-ne zu setzen.

Die Identitäre Bewegung folgt der Ide-ologie des Ethnopluralismus. Dieses Theoriekonzept impliziert, dass jedes Volk eine unveränderliche kulturelle Identität besitzt, die vor äußeren Ein-

flüssen geschützt werden muss. Durch diese konzeptuelle Ummantelung soll die Idee des Rassismus wieder gesell-schaftsfähig und weniger angreifbar werden.

Laut Selbstbeschreibung versteht man unter Identitär eine Person, die sich zu ihrer regionalen, nationalen und kul-turellen Herkunft bekennt. Ziel der Identitären Bewegung ist es, für „den Schutz des europäischen Kontinents vor Überfremdung, Massenzuwande-rung und Islamisierung“ einzutreten.

Auch das DÖW ist bereits auf die „neuen Rechten“ aufmerksam ge-worden. Es kommt zu folgender Auf-fassung: Die Identitären rekrutieren sich aus deutsch-völkischen Studen-tenverbindungen. Ihren Rassismus versuchen sie hinter positiv und intel-lektuell klingenden Formulierungen zu verbergen. Sie verwenden Symbole aus der Popkultur, um sich als neue und moderne Bewegung zu inszenie-ren. In Deutschland wurden die Identitären durch den Verfassungsschutz bereits

als rechtsextremistisch und demokra-tiegefährdend eingestuft. Am 17. Mai 2014 organisierte die IBÖ eine Demonstration in der Wie-ner Innenstadt, welche von deutschen und französischen Identitären, sowie der neofaschistischen CasaPound un-terstützt wurde. Im medialen Fokus standen jedoch primär die Gegende-monstrationen, sowie das Vorgehen der österreichischen Polizei gegen ebendiese. Im Gespräch mit der Wie-ner Zeitung erklärte Reinhard Kreissl (Institut für Rechts- und Kriminalsozi-ologie), dass der österreichischen Poli-zei, aufgrund mangelnder Ausbildung, geeignete Deeskalationsinstrumente fehlen.

Ebenfalls zu Wort gemeldet hat sich Michael Häupl: „Eine Gruppe wie die Identitären gehört politisch ver-boten. Das ist eine neofaschistische Organisation, die eigentlich völlig klar unter das Verbotsgesetz fällt“. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jaro-lim meint, bezugnehmend auf die Gegendemonstrationen: „Wir alle sollten froh sein, dass junge Men-schen diese Antidemokraten hin-dern wollen, an historischen Plätzen in Wien aufzumarschieren“.

Gemäß der sozialdemokratischen Ideologie können Organisationen wie die Identitären nicht geduldet werden, denn wer Faschismus, An-tiislamismus oder Rassismus als po-litische Meinung verharmlost und toleriert, öffnet NS-Ideologien Tür und Tor. Es fängt genauso an…

chRIStIAN SApEtSchNIG, cLAUDIA o‘BRIEN

JG Alsergrund

Analyse

Die Identitären sind eine Jugendbewegung, die sich langsam über Europa ausbreitet. Als oberste Prämisse nennen sie den Erhalt der ethnokulturellen Identität. Wer sind diese „neuen Rechten“ und was sind ihre Ziele?

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13www.junge-generation.at

Integration

50 Jahre Anwerbeabkommen

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Das Raab-Olah-Abkommen gilt als Grundstein für die Einwanderung von sogenann-tenGastarbeiterInnennachÖsterreich.1964wurdedasAnwerbeabkommenmitderTürkeigeschlossen,1966mitdemehemaligenJugoslawien.DieJGWienhatanläss-lich des 50-jährigen Jubiläums eine Veranstaltungsreihe zum Thema „50 Jahre Arbeits-migration“ initiiert.

Man hat Arbeitskräfte gerufen und es kommen Menschen (Max Frisch)

Im Österreich der sechziger Jahre bricht die „goldene Zeit“ an: Die Wirtschaft boomt, der Schilling ist so stark, dass er Alpendollar

genannt wird. Allein an Arbeitskraft mangelt es. Daher schließen am 28. Dezember 1961 der Gewerkschafts-Präsident Franz Olah und der Präsident der Wirtschaftskammer Julius Raab ein Abkommen, wodurch AusländerInnen der Zugang zum österreichischen Ar-beitsmarkt wesentlich erleichtert wer-den soll. Allerdings reicht es nicht, den Zugang zum österreichischen Arbeits-markt zu liberalisieren, da nur wenige auf diesen Zug aufspringen. Die Sozi-alpartner gehen deshalb einen Schritt weiter und schließen zwischenstaatliche Abkommen ab: 1962 mit Spanien, 1964 mit der Türkei, 1966 mit dem ehema-ligen Jugoslawien. Das markiert den Beginn der formalen und proaktiven Anwerbung von ArbeiterInnen aus dem Ausland, die unter dem Begriff „Gastar-beiter“ subsumiert werden.

GEZIElTE AnWErBUnG Im hEImATlAnD

Die Anwerbung verläuft anfangs über Arbeitsämter in den Heimatländern. Potentielle Arbeitskräfte müssen sich dort einem Test unterziehen. Dabei ach-tet man auf die Gesundheit und notiert etwaige Arbeitserfahrungen. Dadurch kann man Die Arbeiterinnen und Ar-beiter später den entsprechenden Bran-chen vermitteln. Die formale Bildung - ob eine Schule abgeschlossen wurde - spielt dagegen keine Rolle.

Später verlieren die Anwerbestellen an Bedeutung. Interessierte erfahren durch Mundpropaganda von Jobmöglichkeiten

in Österreich. Die Visafreiheit – Men-schen aus der Türkei und dem ehema-ligen Jugoslawien konnten in Österreich drei Monate ohne Visum bleiben - macht es möglich, auf eigene Faust sein Glück zu suchen. Während anfangs noch weni-ge kommen, steigt die Zahl der zugewan-derten ArbeiterInnen im Laufe der Jahre. Die Sozialpartner stört das nicht weiter, denn trotz anhaltender Zuwanderung gibt es kaum Arbeitslose.

50 JAhrE GAST?

„Wer einen Menschen nach fünfzig Jah-ren noch immer „Gast“ nennt, muss verrückt sein“, sagt einer der Protago-nisten im Film „Gurbet – In der Frem-de“. Obwohl ehemalige Arbeitsmi-grantInnen und ihre Nachfahren seit nunmehr fünf Jahrzehnten in Öster-reich leben und integraler Bestandteil der österreichischen Gesellschaft sind, wird dieser Tatsache in der offiziellen Geschichtsschreibung kaum Platz ein-

geräumt. Die Geschichte der (Arbeits-) Migration ist noch immer nicht Teil des kollektiven Gedächtnisses. Nicht einmal die Sozialpartner räumen dem Jubiläum Platz ein, obwohl diese einst Initialzünder der Bewegung gewesen sind. Unsere Veranstaltungsreihe „50 Jahre Arbeitsmigration“ hat versucht, diesen wichtigen Teil der Geschichte der ArbeiterInnen in Österreich sicht-bar zu machen und die Leistungen die-ser Generation aufzuzeigen. Sowohl der Filmabend und die anschließende Diskussion mit dem Regisseur Kenan Kılıç und der Nationalratsabgeordneten Nurten Yilmaz, als auch die Lesung mit den SchriftstellerInnen Seher Çakır und Darko Markov haben uns vor allem eines gezeigt: nämlich dass die einstigen ZuwandererInnen und ihre Nachfahren längst in Österreich angekommen und verwurzelt sind.

SoMA AhMAD, pG Integration

Autorin Seher cakir, moderator nedeljko Savić (JG Wien), übersetzerin Grozdana Bulov und Autor Darko markov

lesen aus ihren Werken

Page 14: Freundschaft 03/2014 - Wir rocken die Insel

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Gleichstellungspolitik

Diskriminierungsschutz abseits der Arbeitswelt

Unser (Un-)Gleichbehandlungsgesetz

Schittenhelm lehnt die Erweite-rung der Anti-Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen schlicht ab. Das

gilt für die sexuelle Orientierung, Welt-anschauung, Alter oder Religion. Schit-tenhelms Argumentation ist diskriminie-rend und schlicht falsch. Ihre Ansichten sind symptomatisch für die konservative Gleichbehandlungspolitik.

SElBST DIE vErEInTEn nATIo-nEn WollEn GlEIchSTEllUnG.

Die Behauptung wir hätten ein „ex-zellentes Gleichbehandlungsgesetz“ ist erwiesenermaßen nicht korrekt: Öster-reich wurde nun schon zweimal (2007 und 2011) von den Vereinten Natio-nen wegen seiner Diskriminierung im Gleichbehandlungsrecht gerügt. Dass die Gesetzeslage erst auf EU-Ebene abge-sprochen werden müsse, ist eine typische Flucht nach oben. Erstens gibt es keinen Grund warum ein Gleichbehandlungsge-setz auf europäischer Ebene abgespro-chen werden sollte und zweitens haben eine ganze Reihe von EU-Mitgliedslän-dern entsprechende Gesetze: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland, Großbritannien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Slo-wenien, Spanien und Ungarn. Es ist also entweder Unwissen oder bewusste Un-terschlagung der Fakten, sich bei diesem Thema auf die EU rausreden zu wollen.

DIE ABlEhnUnG DES „lEvEllInG Up“ IST DISkrImInIErEnD.

Noch unverständlicher ist der Verweis auf die Rechte von VermieterInnen. Die-se müssten dann ein lesbisches Pärchen, oder – Gott bewahre – Sozialdemo-kratInnen, einziehen lassen. Seit wann diskriminiert ein Diskriminierungsver-

bot jemanden? Warum der Diskrimi-nierungsschutz am Arbeitsplatz anders gelagert sein muss als beim Konsum ist nicht nachvollziehbar. Es ist skurril: Während ein Chef einen schwulen Ange-stellten vor Homophobie schützen muss, kann er einen schwulen Kunden einfach aus dem Laden werfen. Mit Logik oder guten Gründen hat die derzeitige Rechts-lage nichts zu tun. Anstatt sich hinter Floskeln zu verschanzen, könnte Frau Schittenhelm einfach ehrlich sein. Sie könnte sagen, dass sie es eigentlich gut findet, wenn Schwule, Lesben, Junge, Alte, Muslime und viele mehr diskrimi-niert werden. Die Scheinargumente sind also widerlegt, was bleibt ist ein schaler sexistischer und ausländerfeindlicher Nachgeschmack.

Man muss aber zusätzlich zum „level-ling up“ auf die Lebensumstände Acht geben. Solange man in Wien auch 2014 kaum schwule oder lesbische Paare auf

der Straße sieht, wird Gleichbehand-lung nicht zur Selbstverständlichkeit. Und solange die tatsächliche Nutzung des bisherigen Gleichbehandlungsge-setzes sehr dürftig aussieht und der realen Diskriminierung hinterherhinkt, wird es mit dem „levelling up“ nicht getan sein. Das Ziel: dass Gleichbe-handlung keine Option ist, sondern ein unveräußerliches Recht.

Wir können also nur begrüßen, dass Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Sozialminister Rudolf Hund-storfer die Gesetzesvorlage wieder ins Gespräch bringen. Und, dass sich auch in der Stadt-ÖVP in Wien Widerstand gegen die Missstände regt. Vielleicht bringt ja die Gunst der Stunde eine Ver-besserung zu 2010 und 2012, als das „le-velling up“ nicht durchging.

pEtER FUNK, JG ottakring

Die ÖVP verweigert das dringend nötige „levelling up“ im Gleichbehandlungsgesetz. Kaum ist die Euphorie über unseren Songcontestsieg verflogen, schon holt die ÖVP einen zurück auf den Boden. Österreich ist ein weltoffenes Land, aber das scheint bei ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm noch nicht angekommen zu sein. Der lang schwelende Streit um ein „levelling up“ im Gleichbehandlungsgesetz bricht wieder auf. Die SPÖ versucht seit Jahren die Verbesserung durchzusetzen und scheiterte zweimal. Die Volkspartei mauert.

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Gleichstellungspolitik / Frauen

hashtag-Aktivismus

Ist Bildung eine Sünde?

Die Berichte über Gräueltaten der radikal-islamischen Gruppierung „Boko Ha-ram“ reißen nicht ab. Unter

dem Vorwand, einen islamischen Got-tesstaat errichten zu wollen, erschießen sie Menschen, brennen Dörfer nieder und bringen Mädchen und Frauen in ihre Gewalt. Die größte Aufmerksam-keit erreichten sie bis dato mit der Ent-führung von 250 Schülerinnen aus einer Schule während der Prüfungszeit. Ihr Ziel ist es, die Mädchen zu gläubigen Musliminnen zu bekehren und sie an-schließend an Sklavenhändler zu ver-kaufen. Mädchen, die aus der Gewalt ihrer Entführer fliehen konnten, berich-ten von systematischen Misshandlungen und Vergewaltigungen.

DEr WESTEn IST BöSE

Nigeria hat viele begehrte Bodenschät-ze, aber der Großteil der Bevölkerung ist vom Erdölreichtum ausgeschlossen. Seit der britischen Kolonialzeit profi-tieren hauptsächlich westliche Firmen

und Länder von der Gier der Menschen nach Gold, Erdöl und Co. Die dadurch verursachte Armut ist wohl einer der Beweggründe für die Ablehnung „Boko Harams“ von westlichen Wertvorstel-lungen. Sie sehen westliche Bildung als Sünde, lehnen westliche Kleidung und Wahlen nach westlicher Prägung ab und wollen einen Gottesstaat nach radikal-islamischer Lehre und Recht einführen. Doch abgesehen von der brutalen Gewalt der selbsternannten Gotteskrieger gegen „Ungläubige“ sind Mädchen und Frauen die Ersten, die unter den Einführungsver-suchen von extremistisch verstandener Religionslehre leiden müssen.

hEIrATET Doch

Der Angriff der Taliban auf die Kinder-rechtsaktivistin Malala Yousafzai ist nur ein Beispiel für die Opfer von radikal-islamischen Frauenbildungsgegnern. Ge-bildete Frauen sind extremistischen Reli-gionsfanatikern wohl ein Dorn im Auge. Als Vorwand dient ihnen oftmals, dass die Frau Hüterin der Familienehre ist,

deren Keuschheit und Würde vom Mann beschützt werden muss. Ungebildete Frauen haben aber auch weniger Mög-lichkeit um sich gegen die meist kör-perlich überlegenen Männer zur Wehr zu setzen. Der ehemalige Anführer von „Boko Haram“ hat bei einem früheren Anschlag den dort anwesenden Frauen geraten, sie sollen doch lieber heiraten und Kinder bekommen, statt zur Schu-le zu gehen. Die Ansage, die im April entführten Schülerinnen unter Zwang zu verheiraten spricht nicht gerade für eine moralische Sichtweise. Entführte Frauen sind aber auch ein gutes Druck-mittel um sehr schnell sehr viel Auf-merksamkeit zu bekommen.

SchArIA vS. TWITTEr

Bereits vor der Entführung der nigeria-nischen Schülerinnen hat die Extremi-stengruppe „Boko Haram“ über Jahre hinweg Menschen getötet und entführt. Doch erst der Twitter-Hashtag #Bring-BackOurGirls hat das Interesse von vielen auf die Probleme in Nigeria gelenkt. Die Vorteile der Kampagne in den sozialen Medien liegen auf der Hand: Menschen auf der ganzen Welt werden dadurch er-reicht, MeinungsbildnerInnen verstärken die Aufmerksamkeit, Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen verspre-chen zu helfen. KritikerInnen fürchten aber, dass „Boko Haram“ die Macht der Reichweite ihrer Message durch entführte Frauen erkannt haben und in Zukunft ge-zielt als Waffe einsetzen werden. Bleibt zu hoffen, dass die geplanten Hilfsmaß-nahmen zur Eindämmung der Gewalt schnell Wirkung zeigen und die Mädchen in Nigeria in Zukunft in Ruhe zur Schule gehen können.

ELISABEth EStERBAUER, JG Währing

Mehr als 250 Schülerinnen einer Schule in Nigeria wurden von der radikal-isla-mischen Gruppe „Boko Haram“ entführt. Auf Twitter rufen seitdem Prominente und Nicht-Prominente auf der ganzen Welt mit dem Hashtag #BringBackOurGirls zur Freilassung der Mädchen auf. Doch hilft der „Hashtag-Aktivismus“ den entführten Mädchen überhaupt?

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prominente persönlichkeiten wie z.B. michelle obamaschlossen sich der Aktion an.

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