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Früherkennung und Frühintervention in der Schule Schlussbericht der Evaluation März 2008 Caroline Müller Christoph Mattes Carlo Fabian Institut Kinder- und Jugendhilfe Thiersteinerallee 57 4053 Basel T +41 61 337 27 64 F +41 61 337 27 95 [email protected] www.fhnw.ch

Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

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Page 1: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

Früherkennung und Frühintervention in der Schule

Schlussbericht der Evaluation

März 2008

Caroline Müller

Christoph Mattes

Carlo Fabian

Institut Kinder- und Jugendhilfe Thiersteinerallee 57

4053 Basel T +41 61 337 27 64 F +41 61 337 27 95

[email protected] www.fhnw.ch

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Abstract

Das Bundesamt für Gesundheit startete im August 2005 in Zusammenarbeit mit Radix -

Schweizerisches Netzwerk für Gesundheitsfördernde Schulen und der Hochschule für Soziale

Arbeit Luzern das Projekt 'Früherkennung und Frühintervention in der Schule'. Die

Projektlaufzeit beträgt zwei bzw. drei Jahre. Das Projekt hat zum Ziel, mit Früherkennungs-

und Frühinterventionskonzepten ein Problemmanagementverfahren in Schulen einzurichten,

das eine professionelle und frühzeitige Wahrnehmung und Bearbeitung von Belastungen und

Gefährdungen bei Schülerinnen und Schülern ermöglicht. 14 Schulen nehmen am Projekt teil.

Das Institut Kinder- und Jugendhilfe der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule

Nordwestschweiz evaluiert den Entwicklungs- und Implementierungsprozess in den

teilnehmenden Schulen, mit dem Ziel, förderliche und hinderliche Faktoren zu benennen. Es

wurden quantitative und qualitative Erhebungen durchgeführt, die den Prozess und die

Zielerreichung dokumentieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass nach der bisherigen Projektlaufzeit von zwei Jahren die Mehrheit

der Schulen ein Instrumentarium zur Früherkennung und Frühintervention (FF) entwickeln

konnte sowie eine Auseinandersetzung mit dem Thema in den Kollegien stattfand. Die

Schulen stehen insgesamt jedoch erst am Anfang der Umsetzung der FF. Als förderlicher

Faktor für den Entwicklungs- und Implementierungsprozess erwies sich die Begleitung der

Schulen durch die Beratungsperson, welche mit ihren fachlichen und zeitlichen Ressourcen

zum Gelingen beitrug. Des Weiteren führte die Beteiligung der Lehrpersonen am Projekt zu

einer besseren Verankerung des FF-Konzepts in der Schule. Somit kann eine partizipative

Vorgehensweise als weiterer förderlicher Faktor genannt werden. Hinderlich sind die zu

geringen finanziellen und zeitlichen Ressourcen sowie das Rollenverständnis mancher

Lehrpersonen, die ihren Bildungsauftrag nicht auch als Erziehungsauftrag verstehen wollen.

Für zukünftige Projekte sollten die förderlichen Faktoren beibehalten werden. Bisherige

Strukturen, Prozesse und Modelle der Vernetzung in den Schulen und die Bedürfnisse der

Lehrpersonen sollten als Ausgangspunkt für die schulspezifische Entwicklung des FF-

Konzepts dienen. Des Weiteren brauchen die Schulen bei der Frage, wie Schüler/innen und

Eltern in das FF-Projekt einbezogen werden können, Unterstützung, z.B. durch Best-Practice-

Modelle.

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Inhaltsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung 1

2 Früherkennung und Frühintervention in der Schule 2 2.1 Konzepte und Begriffe 3 2.2 Umsetzung von FF-Projekten 4

3 Das Projekt 7 3.1 Ausgangslage 7 3.2 Ziele des Projekts 8 3.3 Teilnehmende Schulen 9 3.4 Teilnehmende Beratungspersonen 9

4 Die Evaluation 10 4.1 Zweck und Fragestellungen 10 4.2 Evaluationsdesign 11 4.3 Methodisches Vorgehen 12

4.3.1 Dokumentenanalyse I und II 13 4.3.2 Lehrpersonenbefragung 14 4.3.3 Interviews mit zentralen Akteuren 14 4.3.4 Fallanalysen 15

4.4 Zeitplan der Evaluation 15

5 Gesamtanalyse der teilnehmenden Schulen 16 5.1 Projektorganisation in den Schulen 16 5.2 Interventionsleitfäden 18 5.3 Einbezug von und Veranstaltungen für Lehrpersonen 20 5.4 Einbezug von und Veranstaltungen für Eltern und Schüler/innen 22 5.5 Vernetzung mit externen Fachstellen 23 5.6 Zusammenfassung und Fazit 25

6 Vertiefte Analyse von vier Beispielschulen 28 6.1 Die Perspektive der Lehrpersonen 28

6.1.1 Stichprobe 28 6.1.2 Entwicklung und Bekanntheit des Früherkennungs- und Frühinterventionskonzepts 29 6.1.3 Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung 30 6.1.4 Interventionsleitfäden aus der Sicht der Lehrpersonen 31 6.1.5 Wissenszuwachs und Handlungssicherheit 36 6.1.6 Gesamtbeurteilung der Früherkennung und Frühintervention 39 6.1.7 Zusammenfassung und Fazit 40

6.2 Die Perspektive der Steuergruppenmitglieder 41 6.2.1 Ausgangslage 42 6.2.2 Projektleitung und Projektsteuergruppe 42 6.2.3 Ressourcen für das Projekt 43 6.2.4 Rolle der Beratungsperson 45 6.2.5 Ressourcen der Beratungsperson 46 6.2.6 Rolle der schulinternen Hilfeangebote 46 6.2.7 Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung 47 6.2.8 Entwicklung schulinterner Strukturen 49 6.2.9 Partizipation der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern 49

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6.2.10 Entwicklung, Akzeptanz und Wirkung der Leitfäden 50 6.2.11 Sensibilisierung und veränderter Umgang mit Schülerinnen und Schülern 52 6.2.12 Vernetzung mit externen Fachstellen 53 6.2.13 Zusammenfassung und Fazit 54

6.3 Fallanalysen 55 6.3.1 Schule A 55 6.3.2 Schule B 57 6.3.3 Schule C 59 6.3.4 Schule D 61 6.3.5 Zusammenfassung 62

7 Schlussfolgerungen 64 7.1 Detailfragestellungen 64 7.2 Hauptfragestellungen 82

7.2.1 Was sind hinderliche und förderliche Faktoren bei der Einführung von Früherkennung und Frühintervention in der Schule? 82

7.2.2 In welchem Mass verfügen die Schulen über ein Verfahrens- und Handlungsrepertoire, das sie in die Lage versetzt, bei Gefährdung eines Schülers / einer Schülerin frühzeitig und adäquat zu reagieren? 83

8 Reflexion Evaluationsdesign 86

9 Ausblick 88

10 Literatur 89

11 Verzeichnisse 91 11.1 Abbildungsverzeichnis 91 11.2 Tabellenverzeichnis 91

Anhang 92

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Abkürzungsverzeichnis

BAG Bundesamt für Gesundheit

FF Früherkennung und Frühintervention

HSA Hochschule für Soziale Arbeit

LP Lehrpersonen

M Mittelwert (arithmetisches Mittel)

n Stichprobe

OS Oberstufenschule

p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

PS Primarschule

S. Schülerinnen und Schüler

SL Schulleitung

SNGS Schweizerisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen

SSA Schulsozialarbeit

StG Projektsteuergruppe (in den teilnehmenden Schulen)

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 1

1 Einleitung

Früherkennung und Frühintervention (FF) sind aktuelle Ansätze der Prävention. FF

bezeichnen einen Prozess, bei dem Entwicklungen, die zu persönlichen und/oder sozialen

Problemen führen können, so früh erkannt werden, dass mit adäquater Unterstützung eine

Veränderung der Situation eingeleitet werden kann und somit hohe Folgekosten verhindert

werden können.

Die Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz erhielt vom

Bundesamt für Gesundheit (BAG) den Auftrag, das Projekt 'Früherkennung und

Frühintervention in der Schule' zu evaluieren. Das Projekt hat zum Ziel, mit den

schulhausspezifisch entwickelten FF-Konzepten ein Problemmanagementverfahren in den

Schulen einzurichten, das eine professionelle und frühzeitige Problemerkennung und -

bearbeitung ermöglicht, welche in erster Linie Schüler/innen unterstützt sowie Lehrpersonen

und Schulleitungen entlastet. 14 Schulen nehmen an dem Projekt teil. Es startete im August

2005 mit einer Laufzeit von zwei bzw. drei Jahren.

Die Evaluation untersucht die Entwicklung und Einführung der FF-Konzepte in den

teilnehmenden Schulen, um hinderliche und förderliche Faktoren für die erfolgreiche

Implementierung solcher Konzepte zu identifizieren. Die Erkenntnisse aus der Evaluation

sollen in Empfehlungen für Folgeprojekte sowie in die Optimierung der bisherigen Projekte

münden. Um eine Optimierung der bisherigen Projekte zu ermöglichen, wurde den vier

ausgewählten Schulen, welche vertieft analysiert wurden, im November 2007 je ein

Kurzbericht mit den schulspezifischen Ergebnissen zugestellt.

Im vorliegenden Schlussbericht der Evaluation wird zunächst das Konzept der FF beschrieben

und ein Überblick über den Stand der FF in der Schweiz gegeben. Darauf folgend werden das

Projekt, das Evaluationsdesign und die Methodik skizziert. Im Kapitel 5 werden Ergebnisse

der Gesamtanalyse der 14 Schulen vorgestellt. Die vertiefte Analyse mit der Perspektive der

Lehrpersonen und der zentralen Akteure der vier ausgewählten Schulen sind Thema des

darauf folgenden Kapitels. Eine Fallanalyse der vier ausgewählten Schulen schliesst den

Ergebnisteil ab. Im Schlusskapitel 'Schlussfolgerungen' werden entlang den Evaluations-

fragestellungen die Ergebnisse zusammengeführt und diskutiert. Empfehlungen für das

Folgeprojekt werden abschliessend formuliert.

Die Bereitschaft der Schulen, an der Evaluation teilzunehmen, war weitgehend gegeben.

Unser Dank geht an alle 14 Schulen, insbesondere aber an die Projektverantwortlichen und

Lehrpersonen der vier Beispielschulen für ihre Mitarbeit und Offenheit. Herrn Walter Minder

vom Bundesamt für Gesundheit danken wir für die Erteilung des Mandats, Frau Barbara

Zumstein (RADIX - Schweizerisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen) und Enrica

Zwahl (Hochschule für Soziale Arbeit Luzern) für die kooperative Zusammenarbeit. Ein

weiterer Dank geht an unsere studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die

sorgfältige Transkription und Dateneingabe sowie an Georg Schlegel für das sorgfältige

Korrekturlesen des Berichts.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 2

2 Früherkennung und Frühintervention in der Schule

Im Setting Schule wird seit geraumer Zeit am Thema Früherkennung und Frühintervention

(FF) gearbeitet. Stufenpläne, Leitfäden, Handlungsanweisungen, Schulteamentwicklungen

oder Netzwerkbildung sind nur einige Stichwörter in diesem Zusammenhang. Projekte und

Programme unterschiedlichster Art sind daran, FF in die Schulen zu bringen.

Interessant ist die Entwicklung in diesem Handlungsfeld. Vor ein paar Jahren noch war der

Fokus auf das Thema Sucht gerichtet. Die Rede war von Suchtmittelkonsum, Suchtprävention

oder Suchtverhalten (vgl. auch Brunner, Gisin, Peterelli & Steiger, 2004). Oder es wurden gar

einzelne Substanzen in den Fokus gerückt, wie beispielsweise in der Broschüre ‚Schule und

Cannabis - Regeln, Massnahmen, Früherfassung’ (BAG & SFA/ISPA, 2004) und im

entsprechenden FF-Projekt im Kanton Basel Stadt (Fabian, Steiner & Guhl, 2006; Keller,

2004). Eine im Kanton Zürich durchgeführte Erhebung im Jahr 2006 zur Eruierung des

Bedarfs an FF fokussierte auf die suchtgefährdeten Schülerinnen und Schüler (Brunner,

Farago & Landert, 2006). Diese Ausrichtung mag mit dem Entstehungskontext dieser

Projekte zusammenhängen. So wurde die letztgenannte Studie im Auftrag der

Suchtpräventionsstellen des Kantons Zürich durchgeführt und die BAG-SFA-Broschüre aus

dem Bereich der BAG-Cannabisprävention mitfinanziert.

Die neueren Entwicklungen im Handlungsfeld, aber auch die Umsetzungen der Projekte

zeigen, dass der Fokus deutlich breiter und offener wird. Im Kanton Thurgau läuft seit 2006

ein kantonweites FF-Projekt. Dieses baut auf das Projekt ‚Unsere suchtmittelfreie Schule -

das Stufenmodell’ auf, welches von 2004 bis 2006 für Schulen angeboten wurde. Zentraler

Bestandteil des neuen, laufenden Projekts ist die Erweiterung der Themen. Da Suchtmittel nur

einen Teil der Problematiken der Schülerinnen und Schüler ausmachen und auch nur ein Teil

der sichtbaren Probleme sind, geht es hier ausser um Regelverletzungen (sogenannte „laute

Kriterien“ im Setting Schule) - neben Suchtmittelkonsum sind das beispielsweise Gewalt,

Mobbing oder Absentismus - auch um die Beachtung der „leisen Kriterien“: Hierbei handelt

es sich nicht um Regelverletzungen, sondern um Verhaltensweisen und Risikofaktoren,

beispielsweise Essstörungen, Ritzen oder psychische Verstimmungen, die auf tiefer liegende

Problematiken hinweisen können (vgl. www.perspektive-otg.ch; Guhl & Fabian, 2006). Diese

Erweiterung ist als Folge der Erkenntnis zu sehen, dass Regelverletzungen und

problematische Verhaltensweisen ähnliche Ursprünge haben können und nicht isoliert

betrachtet werden sollten. Dieses Beispiel zeigt, dass sich der Fokus der Prävention von einer

Substanz- und Gefahrenorientierung über eine Suchtorientierung hin zu einer Orientierung auf

problematisches Verhalten überhaupt, und damit auf Risikoalternativen, Kompetenz und

Widerstand sowie Ressourcenstärkung entwickelt (vgl. Franzkowiak, 2002). Dadurch gelangt

man zu einer Offenheit für verschiedene Handlungsmöglichkeiten und für die Integration sich

gegenseitig beeinflussender Faktoren. Umso wichtiger ist in dieser Perspektive die

Erkenntnis, dass es allgemeingültiger Handlungspläne bedarf, die Vorgehensweisen in der FF

aber gleichzeitig individuell angepasst und beurteilt werden müssen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 3

2.1 Konzepte und Begriffe

Gesundheitsförderung und Prävention

Die Begriffe Gesundheitsförderung und Prävention werden nicht einheitlich verwendet und

verstanden. Für Akteure in diesen Handlungsfeldern sowie für die Evaluation von

entsprechenden Projekten ist eine zumindest grobe Definition wesentlich.

• Bei der Gesundheitsförderung besteht die Intervention in der Verbesserung von

individuellen Fähigkeiten der Lebensbewältigung und der Förderung der ökonomischen,

kulturellen, sozialen, bildungsmässigen und hygienischen Bedingungen der

Lebensgestaltung von Bevölkerungsgruppen; Voraussetzung ist eine Kenntnis

salutogenetischer Dynamiken, also der Entstehung und Aufrechterhaltung von

individuellen und kollektiven Gesundheitsstadien. (vgl. Hurrelmann, Klotz & Haisch,

2007, S. 12)

• Bei der Prävention besteht das Eingreifen (Intervenieren) in der Verhinderung und

Abwendungen von Ausgangsbedingungen und Risiken von Krankheiten; Voraussetzung ist

eine Kenntnis pathogenetischer Dynamiken, also der Entwicklungs- und Verlaufsstadien

des individuellen und kollektiven Krankheitsgeschehens.

Bildlich dargestellt kann man sich ein Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit

vorstellen. Die einzelnen Individuen befinden sich auf diesem Kontinuum. Die

Gesundheitsförderung ist darauf ausgerichtet, die Position eines Individuums in Richtung Pol

„Gesundheit“ zu bewegen, während die Prävention darauf abzielt, dass sich die Position nicht

Richtung Krankheit bewegt (vgl. Becker, 1997). Bei beiden Ansätzen handelt es sich um

Interventionen mit gezieltem Eingreifen, „um sich abzeichnende Entwicklungen von

Morbidität und Mortalität bei Einzelnen oder ganzen Bevölkerungsgruppen zu beeinflussen“

(Hurrelmann et al., 2007, S. 12-13). Obwohl in der Umsetzung gewisse Überschneidungen

bestehen, folgen die beiden Ansätze doch je eigenen Logiken und Zielsetzungen.

Früherkennung und Frühintervention

Heute wird Prävention zunehmend nach Zielgruppen unterschieden. Während sich die

universelle Prävention an die Gesamtpopulation richtet, unabhängig von deren Risiken, richtet

sich die selektive Prävention an Gruppen mit erhöhtem Risiko und indizierte Prävention an

Individuen mit erhöhtem Risiko (Bundesamt für Gesundheit, 2006). Die Früherkennung ist

nun eine mögliche Strategie zur rechtzeitigen Wahrnehmung von Anzeichen einer

Gefährdung und somit zur Identifizierung von Individuen oder auch Gruppen mit erhöhtem

Risiko. Die Früherkennung soll Risiken möglichst früh erkennen, bevor sich schwerwiegende

Problematiken entwickeln, und ist somit als Aspekt der Sekundärprävention zu verstehen

(Hafen, 2005). Für eine erfolgreiche Früherkennung braucht es Wissen über Symptome und

Auffälligkeiten, Handlungskompetenzen und geregelte Abläufe. Die Frühintervention will

daran anschliessend eine adäquate Unterstützung, eine geeignete Intervention anbieten. Damit

sollen eine Eskalation und aufwendige Massnahmen wie Gefährdungsmeldungen,

Fremdplatzierungen u.Ä. weitgehend verhindert werden. Früherkennung und Frühintervention

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 4

sind als zwei eigenständige, sich aber bedingende Teile eines Prozesses zu verstehen. Die

beiden Teile erfüllen unterschiedliche Aufgaben und werden (z.T.) von unterschiedlichen

Akteuren umgesetzt.

2.2 Umsetzung von FF-Projekten

Um FF in Schulen zu implementieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die Erfahrungen

zeigen, dass keine fertigen Rezepte vorgegeben werden können. Ausgehend von einem

Prozessmodell oder Rahmenprogramm gilt es, FF situativ, d.h. schulhausspezifisch zu planen

und umzusetzen. Im Folgenden werden verschiedene Herausforderungen, welche sich in

bisherigen FF-Projekten zeigten, dargelegt und diskutiert (vgl. auch Fabian, Müller & Guhl,

2007b).

Die Initiierung

Ein wichtiger Punkt ist die Initiierung von Präventions- und FF-Programmen: Von wem geht

die Initiative aus? Wie gelangen einzelne Schulen zur Teilnahme? top-down-orientierte

Vorgehen, d.h. durch Behörden gesteuerte und verpflichtende Programme, ermöglichen,

Konzepte breit und gleichartig zu verbreiten. Schulen, an denen bisher noch wenig

Problembewusstsein zum Thema Prävention und FF besteht, kann so ein erster Anstoss

gegeben werden. Allerdings ist bei top-down-initiierten Programmen mit Ablehnung und

Widerständen zu rechnen, die für alle Beteiligten energieaufwendig sind und den Erfolg des

Programms nachteilig beeinflussen können. Ein freiwilliges Angebot erhöht nach den

Erfahrungen aus verschiedenen Projekten die Akzeptanz des Programms (Fabian et al.,

2007b). Ebenso sind das Interesse und Engagement einzelner, zentraler Akteure

(Lehrpersonen, Schulleitung, Fachpersonen) wichtige Faktoren für die tatsächliche

Umsetzung eines Programms. Neben der Schwierigkeit der Motivation bei top-down-

initiierten Programmen bietet ein zentral konzipiertes Programm selten die Möglichkeit der

Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Schule. Diese gilt es in einer

Bedarfsabklärung, welche der Implementierung vorausgeht, zu erfassen. Neue Präventions-

und FF-Projekte an Schulen sollten in Abstimmung mit bereits existierenden Strukturen der

Gesundheitsförderung in ein Gesamtkonzept eingebettet lanciert werden.

Die Implementierung

Die Etablierung funktionierender und nachhaltiger Strukturen der Prävention und FF setzt in

der Regel einen Schulentwicklungsprozess voraus, aus dem heraus eine gemeinsam getragene

Haltung, z. B. zum Suchtmittelkonsum, hervorgeht. Ein solcher Prozess setzt aber ein

gewisses Mass an zeitlichem Engagement und innerer Beteiligung der Betroffenen sowie die

Bereitschaft zur Veränderung voraus (Rhyn & Moser, 1999). Die Partizipation der

verschiedenen Beteiligten - der Schulleitung und der Lehrpersonen, aber auch der

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 5

Schüler/innen und Eltern - bei der Ausgestaltung stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor für

Präventionsprogramme dar. Erst der Einbezug aller an der Schule beteiligten Personen an

solchen Prozessen bietet langfristig günstige Voraussetzungen für eine gute Wirksamkeit

(Frehner, 2005). Echte Partizipation meint dabei neben den Stufen „Information“ und

„Mitsprache“ namentlich „Mitentscheidung“, „Beteiligung“ und „Selbstverwaltung“ (Frehner,

Pflug, Weinand & Wiss, 2004, S. 6). Um den partizipativen Prozess gestalten zu können,

müssen die Bedürfnisse (d.h. Sekundärprävention als Anliegen der Beteiligten) geklärt

werden. Ein partizipatives Vorgehen bei der Eruierung der Bedürfnisse ist wichtig, alle

Akteure/innen müssen eingebunden werden.

Die Evaluation des Programms 'Schule und Cannabis' (Fabian et al., 2006) zeigt, welche

Bedeutung den lebensweltlichen Realitäten zukommt, denen die Schule im Alltag ausgesetzt

ist. Zu nennen ist die Gleichzeitigkeit verschiedener Aufträge der Schule. Neben dem

klassischen Konflikt zwischen Erziehung und Bildung, der dazu führt, dass nicht immer

Konsens darüber besteht, ob Prävention und FF überhaupt Aufgabe von Schulen ist, laufen an

Schulen oft verschiedene Entwicklungsprozesse gleichzeitig. In diesem Zusammenhang wird

von Lehrpersonen häufig auch die hohe zeitliche Belastung angesprochen. Hier ist zum einen

auf die Bereitstellung der nötigen zeitlichen Ressourcen zu achten. Zum anderen ist die Frage

zu stellen, ob präventive Aufgaben von den Pädagoginnen und Pädagogen selbst übernommen

werden müssen oder ob andere Fachpersonen, beispielsweise die Schulsozialarbeit, diesen

Auftrag teilweise übernehmen können. Hierdurch könnte eine Entlastung der Lehrpersonen

erfolgen, auch wenn aufgrund der Notwendigkeit einer guten Verankerung im Schulalltag auf

eine Einbindung der Lehrpersonen auf keinen Fall verzichtet werden kann. Unabhängig von

den Hauptakteuren/innen der Programme ist bei der Implementierung die Ressourcenfrage zu

stellen. Neben den zeitlichen Ressourcen sind auch die Bereitstellung von externem

Fachwissen und die Vermittlung von Fachwissen an die schulinternen Akteure/innen zu

gewährleisten. Ohne die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen kann eine Umsetzung

schwerlich gelingen. Stattdessen ist zu befürchten, dass oberflächlich aufgesetzte Programme

nur zu einem Motivationsverschleiss der Beteiligten führen.

Der zeitliche Rahmen

Die Frage, über welchen Zeitraum sich ein Präventions- und FF-Programm erstrecken sollte,

kann nicht pauschal beantwortet werden. Entscheidend ist sicherlich die Ausgangslage der

Schule, in der es eingeführt werden soll. Eine kurze Laufzeit muss aber als problematisch

angesehen werden. Schulen sind Institutionen, in denen Massnahmen langfristig geplant

werden. Neue Projekte müssen frühzeitig in die Jahresplanung der Schulen aufgenommen

werden. Die Bedeutung eines gründlichen Implementierungsprozesses wurde bereits oben

aufgezeigt. Daneben braucht es eine funktionierende Vernetzung mit externen Fachstellen und

Behörden; dies erfordert langfristige Kooperationen und den Aufbau persönlicher

Beziehungen. Bei der Programmausgestaltung sollte auch geklärt werden, wie, d.h. mit

welchen Ressourcen, Prävention und FF nach Projektende an der Schule fortgeführt werden

können. Projekte, die über ihre Laufzeit hinaus keine weitere Unterstützung erfahren, sind in

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der Regel nicht nachhaltig und rufen Kritik und ablehnende Haltungen seitens der Schulen

hervor.

Die inhaltliche Ausrichtung

Neben der thematischen Ausrichtung ist auch die Zielausrichtung des Programms von

Bedeutung, überspitzt gesagt stellt sich die Frage, ob das primäre Ziel des Programms

gesunde Schüler/innen sind oder ob ein funktionierender Schulalltag im Vordergrund steht.

Womit nicht behauptet werden soll, dass sich diese Ziele widersprechen, sie werden sich in

der Regel eher gegenseitig verstärken. Im konkreten Fall kann es aber durchaus zu

Zielkonflikten kommen. Ein Prüfkriterium ist, inwiefern die eingesetzten Instrumente einen

Ausschluss von 'schwierigen' Schüler/innen aus dem Schulalltag fördern oder inwiefern sie

eher pädagogische Hilfen für den Umgang mit ihnen bieten. Einen weiteren Anhaltspunkt

bietet die thematische Fokussierung: Gerät vor allem den Schulalltag störendes,

externalisierendes Problemverhalten in den Blick oder wird auch auf internalisierendes

Problemverhalten geachtet? Eine diesbezügliche Ausweitung des Blicks ist im Übrigen auch

unter Gendergesichtspunkten dringend gefordert.

Die Forderung, dass Präventions- und FF-Programme nicht primär zur Exklusion 'schwieriger'

Schüler/innen beitragen dürfen, sondern vielmehr durch geeignete Interventionen eine Hilfe

für die betroffenen Jugendlichen im Setting Schule ermöglichen sollen, läuft zunächst einmal

u.U. den Bedürfnissen der Lehrerinnen und Lehrer nach Entlastung im Schulalltag entgegen.

FF-Programme können diese grundsätzliche Orientierung jedoch nicht aufgeben. Deshalb ist

darauf zu achten, dass den Schulen die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung gestellt

werden, damit FF nicht zu einer Überlastung und Überforderung für die Schulen wird.

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3 Das Projekt

3.1 Ausgangslage

Früherkennung und Frühintervention bilden einen von vier Pfeilern des 'Aktionsplans

Cannabisprävention des Bundesamtes für Gesundheit 2004 – 2007' und sollen sowohl auf der

Ebene Schule wie auch auf Gemeindeebene stattfinden (Bundesamt für Gesundheit, 2005).

Das zu evaluierende nationale Projekt 'Früherkennung und Frühintervention in der Schule' ist

auf der Ebene Schule verankert. Das BAG bildete dazu in der Deutschschweiz mit dem

Schweizerischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen (SNGS) und der Hochschule für

Soziale Arbeit (HSA) Luzern eine Projektpartnerschaft. Im Zentrum des Projekts steht die

Tandembildung von Beratungspersonen und Schulen, welche gemeinsam ein auf den

jeweiligen Standort zugeschnittenes Konzept für FF entwickeln und umsetzen. Dabei werden

die Beratungspersonen von der HSA Luzern und die Schulen vom SNGS begleitet (vgl.

Abbildung 1).

Abbildung 1: Organigramm des Projekts

Das Projekt 'Früherkennung und Frühintervention in der Schule' besteht aus zwei

Teilprojekten (Bundesamt für Gesundheit, 2004):

1. Weiterbildungsangebote und Vernetzungsangebote (Certificate of Advanced Studies

oder eine Intervisionsgruppe) für die Beratungspersonen aus den Bereichen Prävention

und Beratung, angeboten an der HSA Luzern

2. Früherfassungskonzept, installiert an einer am Projekt teilnehmenden Schule

Steuergruppe

Schulleitungen/ Projektleitungen

Beratungspersonen

BAG Gesamtprojektleitung

Auftraggeber

SNGS Vertrag mit Schulen

HSA Luzern Vertrag mit Beratungspersonen

Weiterbildung/Intervision

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 8

Gegenstand der Evaluation ist das zweite Teilprojekt in den teilnehmenden Schulen der

Deutschschweiz. Gestartet ist das Projekt mit 15 teilnehmenden Schulen, eine Schule stieg

jedoch bereits im ersten Projektjahr aus, so dass 14 Schulen das Projekt durchführen. Die

Schulen erhalten einen finanziellen Beitrag vom BAG (3000 Franken), die Beratungspersonen

werden separat durch das BAG entlöhnt (4000-6000 Franken). Das Projekt startete im August

2005 mit einer geplanten Laufzeit von zwei Jahren. Im Verlauf der Projektdauer wurde den

Schulen eine Verlängerungsmöglichkeit (mit weiterer finanzieller Unterstützung) um ein Jahr

angeboten. Zehn der 14 Schulen machen von der Verlängerungsmöglichkeit Gebrauch und

werden das Projekt im Juli 2008 abschliessen.

3.2 Ziele des Projekts

Das Projekt sieht vor, dass in Zusammenarbeit von Schulleitung und Lehrpersonen mit

Unterstützung von Beratungspersonen, welche am Weiterbildungs- und Vernetzungsangebot

der HSA Luzern teilnehmen, in jeder Schule ein FF- Konzept entwickelt und umgesetzt wird.

Gemäss dem Konzept des Projekts 'Früherkennung und Frühintervention in der Schule' sollen

damit an einer Schule folgende Ziele erreicht werden (Bundesamt für Gesundheit, 2004, S. 3):

• Professionelle und frühzeitige Problembearbeitung in der Schule, so dass Jugendliche in

ihrer Entwicklung unterstützt und Lehrkräfte entlastet werden.

• Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Schulen, Eltern und Fachstellen (Präventions-

fachstellen/Beratungsstellen u.a.).

• Verankerung der Früherfassung und sekundären Prävention im Schulbereich (betrifft

Schulen und Fachstellen).

• Mit der Installation von Früherfassung und professioneller Problembearbeitung soll ein

(exemplarischer) Beitrag zur Schulentwicklung geleistet werden: Aufgaben, Rollen,

Zuständigkeiten und Abläufe sind am Beispiel Früherfassung entwickelt worden und

können auch auf andere Bereiche der Gesundheitsförderung und Prävention angewandt

werden.

Neben den genannten Zielen wurden den Schulen weitere konkrete Vorgaben für die

Teilnahme gemacht (vgl. Schweizerisches Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen, 2005):

• Die Projektleitung liegt bei den Schulleitungen.

• Mit Unterstützung der Beratungsperson wird ein auf die Bedürfnisse der Schule zu-

geschnittenes Konzept für die Früherkennung und Frühintervention erarbeitet.

• Im Verlauf des Projekts werden schulhausinterne Weiterbildungen und Eltern-

veranstaltungen durchgeführt.

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3.3 Teilnehmende Schulen

Die 14 teilnehmenden Schulen der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern,

Schwyz, St. Gallen, Zürich sowie aus dem Fürstentum Liechtenstein umfassen insgesamt rund

780 Lehrpersonen und 6155 Schüler/innen. Die Schulen unterscheiden sich auf struktureller

Ebene im Wesentlichen in der Schulstufe (Primarstufe, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II),

in der Grösse (168 bis 1300 Schüler/innen) sowie in der Trägerschaft. Neben den genannten

strukturellen Unterschieden bestehen in den Schulen auch Unterschiede in der Ausgangslage

bezüglich Schulentwicklung, Gesundheitsförderung und Prävention, bestehender schul-

interner Unterstützungsstrukturen sowie der Ziele im Projekt. Jede Schule stellt somit für sich

ein Einzelprojekt dar, was zu einem sehr heterogenen Gesamtprojekt führt. Die teilnehmenden

Schulen sind im vorliegenden Bericht anonymisiert (Schulen A – N). Eine Übersicht über die

14 Schulen findet sich im Anhang (Tabelle 15).

3.4 Teilnehmende Beratungspersonen

Die 14 Schulen werden jeweils durch eine Beratungsperson in der Entwicklung und

Implementierung des FF-Konzepts begleitet. Insgesamt sind zehn Personen in der

Beratungsfunktion tätig. Die Beratungspersonen unterscheiden sich in ihrer Funktion im

System Schule. Von den zehn Beratungspersonen sind vier als Schulsozialarbeitende in den

teilnehmenden Schulen tätig. Vier Beratungspersonen arbeiten in kantonalen bzw. regionalen

Stellen der Gesundheitsförderung und Prävention (eine dieser Beratungspersonen betreut zwei

Schulen). Zwei Personen sind als selbstständig erwerbende Berater tätig (eine dieser

Beratungspersonen begleitet vier Schulen).

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 10

4 Die Evaluation

4.1 Zweck und Fragestellungen

Die HSA der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erhielt im September 2006 vom

BAG den Auftrag, das Teilprojekt 'Früherfassungskonzept' des Projekts 'Früherkennung und

Frühintervention in der Schule' zu evaluieren. Die Evaluation basiert auf dem eingereichten

Detailkonzept vom November 2006 (Müller, Fabian & Mattes, 2006).

Die Evaluationsergebnisse sollen zum einen dazu dienen, Wissen über die Einflussfaktoren

für ein gutes Gelingen der Einführung von FF-Konzepten zu erwerben, um für spätere

Projekte Empfehlungen zu formulieren. Zum anderen sollen die Ergebnisse zur Verbesserung

der laufenden Projekte, d.h. zu einer Optimierung der Implementierung und Umsetzung der

FF-Konzepte in den 14 Schulen beitragen.

In der Evaluation werden sowohl Evaluationsfragen zum Prozess wie auch zum Ergebnis des

Projekts beantwortet. Im Rahmen der Prozessevaluation werden Fragen zur Umsetzung sowie

zu förderlichen und hinderlichen Faktoren für die Einführung der FF in einzelnen Schulen

diskutiert (1. Hauptfragestellung). Die Evaluationsfragen zu den Ergebnissen lassen sich aus

den Zielen des Gesamtprojekts und der Einzelprojekte der 14 Schulen ableiten

(2. Hauptfragestellung). Die Erreichung der genannten Ziele des Gesamtprojekts sowie der

Einzelprojekte wird überprüft.

1. Hauptfragestellung:

Welches sind die hinderlichen und förderlichen Faktoren bei der Einführung von

Früherkennung und Frühintervention in der Schule?

Detailfragestellungen:

1. In welchem Mass hat die Form der Zusammenarbeit von Schule und Beratungsperson

Einfluss auf die Entwicklung und die Einführung der Früherkennung und Frühintervention

in der Schule?

2. In welchem Mass haben die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen der

Beratungsperson Einfluss auf die Entwicklung und Einführung der Früherkennung und

Frühintervention in der Schule?

3. Welche schulinternen Unterstützungsstrukturen wie z.B. Schulsozialarbeit bestehen, in

welcher Form werden sie in die Früherkennung und Frühintervention eingebunden und in

welchem Mass haben sie Einfluss auf die Entwicklung und Einführung der

Früherkennung und Frühintervention?

4. In welchem Mass erfährt das Projekt Unterstützung durch Behörden und Ämter und

welchen Einfluss hat das Mass an Unterstützung auf die Einführung der Früherkennung

und Frühintervention?

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 11

2. Hauptfragestellung:

In welchem Mass verfügen die Schulen über ein Verfahrens- und Handlungsrepertoire, das sie

in die Lage versetzt, bei Gefährdung eines Schülers / einer Schülerin frühzeitig und adäquat

zu reagieren?

Detailfragestellungen:

5. Konnten die Schulen mit Unterstützung der Beratungsperson einen Interventionsleitfaden

entwickeln und umsetzen?

6. In welchen Aspekten unterscheiden sich die Interventionsleitfäden?

7. Wie direktiv (Handlungsanleitung) oder wie offen (Gestaltungsspielraum) sind die

Modelle?

8. In welchem Mass konnten die Lehrkräfte und Schulleitungen ihr Wissen über

Gefährdungssituationen und -entwicklungen erweitern?

9. Verfügen die Lehrkräfte und Schulleitungen über ein Handlungsrepertoire, das sie bei

einer Gefährdung gezielt und sicher einsetzen können?

10. Wie arbeiten Schulleitungen und Lehrpersonen im Falle einer Gefährdung zusammen?

11. Wurde in der Schule eine gemeinsame Haltung zu Früherkennung und Frühintervention

entwickelt und wie ist sie formuliert?

12. Besteht ein Netzwerk von Fachstellen, das die Schulen bei Bedarf in Anspruch nehmen

können, wie wurde es entwickelt und ausgestaltet?

13. Wurden die Eltern über das Konzept informiert und in welchem Mass findet eine

Kooperation zwischen Eltern und der Schule im Zusammenhang mit der Früherkennung

und Frühintervention statt?

14. In welchem Mass wurden die Schüler/innen über das neue Konzept informiert?

Zusätzliche Fragestellungen:

15. In welchem Mass wurden die Lehrpersonen in die Entwicklung und Einführung des FF-

Konzepts einbezogen und welchen Einfluss hat die Stärke des Einbezugs?

16. Welche Themen werden im Projekt bearbeitet?

17. Über welche zeitlichen und finanziellen Ressourcen verfügen die Schulen im Projekt und

reichen diese aus?

4.2 Evaluationsdesign

Das Evaluationsdesign besteht aus einer Gesamtanalyse aller 14 Schulen und einer vertieften

Analyse von vier ausgewählten Schulen (nachfolgend Beispielschulen genannt). Dieses

Vorgehen ermöglicht eine Übersicht über den Verlauf in allen teilnehmenden Schulen und

einen vertieften Einblick in die Entwicklung und Umsetzung von FF in Schulen anhand von

vier Fallbeispielen. Die Auswahl von vier Schulen ermöglicht eine Gegenüberstellung von

einzelnen, sich in den unten genannten Kriterien unterscheidenden Schulen.

Page 17: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 12

Die Auswahl der Beispielschulen erfolgte nach einer ersten Sichtung der Projektdokumente

durch das Evaluationsteam in Absprache mit den Auftraggebern. Das Ziel war, möglichst

unterschiedliche Schulen auszuwählen (Variations-Maximierung). Ausgeschlossen wurde

jene Schule, welche noch keinen Leitfaden entwickelt hatte, da eine Befragung der

Steuergruppenmitglieder und Lehrpersonen zum Leitfaden, als eines der zentralen Themen,

hier keinen Sinn ergeben hätte. Des Weiteren wurden die Schulen für die vertiefte Analyse

ausgeschlossen, in denen bereits ähnliche Evaluationen stattfanden. In drei der 14 Schulen

haben Mitglieder des Evaluationsteams die Einführung der Schulsozialarbeit bzw. der

Schulsozialarbeit und Früherfassung im Rahmen eines anderen Auftrags evaluiert (Drilling,

Müller & Fabian, 2006; Fabian, Müller, Galliker Schrott & Drilling, 2007a) und eine

(teilweise) wiederholte Befragung wäre aus der Sicht des Evaluationsteams nicht sinnvoll

gewesen. Die Ergebnisse der genannten Evaluationen werden als Ergänzung herangezogen.

Neben den Ausschlusskriterien war es zudem notwendig, dass die Schulleitungen der

angefragten Schulen mit der vertieften Evaluation einverstanden waren. Folgende strukturelle

und inhaltliche Merkmale wurden bei der Auswahl der vier Beispielschulen berücksichtigt:

• Schulstufe (Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II): Für die vertiefte Analyse

wurden drei Schulen der Sekundarstufe I und eine Schule mit Sekundarstufe I und II

ausgewählt. Leider konnte die in Frage kommende Schule mit Primarstufe (das FF-

Konzept der anderen Primarschule wurde bereits im Rahmen eines anderen Auftrags

evaluiert) nicht zur Teilnahme an der vertieften Evaluation gewonnen werden, so dass der

vertiefte Einblick in die Entwicklung eines FF-Projekts auf Primarstufe in der vorliegenden

Evaluation nicht möglich ist.

• Beratungsperson: Ausgewählt wurde jeweils eine Schule mit einer Schulsozialarbeiterin

und einer Mitarbeiterin einer regionalen Fachstelle als Beratungsperson. Die zwei anderen

Schulen haben selbstständig erwerbende Beratungspersonen.

• Trägerschaft: Als Kontrast zu den Schulen mit öffentlicher Trägerschaft (Gemeinden)

wurde eine Schule mit einer privaten Stiftung als Trägerin ausgewählt.

Tabelle 1: Beispielschulen

Schulstufe Beratungsperson Trägerschaft

Schule A Sekundarstufe I Selbstständiger Berater Gemeinde

Schule B Sekundarstufe I und II Selbstständiger Berater Stiftung

Schule C Sekundarstufe I Mitarbeiterin regionale Fachstelle Suchtprävention

Gemeinde

Schule D Sekundarstufe I Schulsozialarbeiterin Gemeinde

4.3 Methodisches Vorgehen

Die Gesamtanalyse der 14 Schulen basiert auf einer Gesamterhebung der Projektdokumente.

Für die vertiefte Analyse der vier Beispielschulen fanden zusätzlich Lehrpersonen-

befragungen und Interviews mit den zentralen Akteuren statt (vgl. Abbildung 2)

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 13

Abbildung 2: Überblick Erhebungsdesign

Im Folgenden werden die Erhebungen detailliert beschrieben.

4.3.1 Dokumentenanalyse I und II

Im Dezember 2006 und Juni 2007 wurden alle 14 Schulen per E-Mail

(1. Erhebungszeitpunkt) und Brief (2. Erhebungszeitpunkt) gebeten, Dokumente, die im

Verlauf des Projekts entstanden sind, der Evaluation zur Verfügung zu stellen. Bei

ausbleibender Zustellung wurde telefonisch oder schriftlich nachgefragt. Angefragt wurden

folgende Dokumente:

• Projektkonzept mit Projektplanung und Projektorganisation

• Leitfaden (Interventionsmodell, Ablaufschema, Handlungsplan)

• Schriftliche Informationen an Lehrpersonen, Eltern und Schüler/innen in Zusammenhang

mit FF

• Unterlagen zu Veranstaltungen (schulinterne Weiterbildungen, Elternabende etc.) in

Zusammenhang mit FF

• Informationen über die Vernetzung mit externen Fachstellen

Des Weiteren wurden die vom SNGS zur Verfügung gestellten Contracte (Verträge),

Verlängerungsanträge und Zwischenberichte einbezogen. Von den vier Schulen, die das

Projekt nicht verlängerten, wurden bis Oktober 2007 Schlussberichte an das SNGS erwartet.

Zwei Schlussberichte trafen rechtzeitig ein und wurden von der Evaluation für den

Schlussbericht berücksichtigt.

Die Auswertung der Dokumente erfolgte für alle 14 Schulen themenspezifisch in Anlehnung

an die Fragestellungen (Dokumentenanalyse I). Eine vertiefte Dokumentenanalyse erfolgte

Gesamterhebung über alle 14 Schulen:

- Dokumentenanalyse I (Dezember/Juni 2007)

S1 S2 S3 S4

Erhebung bei 4 Beispielschulen (S1-S4):

- Einzelinterviews mit Akteuren (Juni/Juli 2007)

- Schriftliche Befragung der Lehrpersonen (Mai/Juni 2007)

- Dokumentenanalyse II

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 14

für die vier Beispielschulen (Dokumentenanalyse II) und ist Bestandteil der Fallanalysen

dieser Schulen.

4.3.2 Lehrpersonenbefragung

Im Mai/Juni 2007 wurden alle Lehrpersonen der vier Beispielschulen mittels eines

standardisierten Fragebogens schriftlich befragt. Im Auftrag der Evaluation verteilten die

Schulleitungen die Fragebögen an die Lehrpersonen, die Rückgabe erfolgte anonym

(geschlossenes Couvert). Der Fragebogen beinhaltet folgende Themen:

• Entwicklung und Bekanntheit des FF-Konzepts

• Entwicklung und Bekanntheit einer gemeinsamen pädagogischen Haltung

• Bedarf an einem Leitfaden

• Bekanntheit und Anwendung des Leitfadens

• Beurteilung des Leitfadens

• Zuwachs von Wissen und Handlungssicherheit

• Veränderungen durch die Einführung von FF

Die quantitativen Daten wurden mit SPSS 15.0 analysiert, wobei Häufigkeitsverteilungen,

Kreuztabellen und Mittelwertsvergleiche gerechnet wurden. Die Auswertung der qualitativen

Daten aus den offenen Fragen erfolgte mittels der Text-Sortier-Technik (vgl. Beywl &

Schepp-Winter, 2000).

4.3.3 Interviews mit zentralen Akteuren

In den vier Beispielschulen wurden die Mitglieder der Steuergruppen und die jeweiligen

Beratungspersonen als zentrale Akteure interviewt. Die Interviews fanden im Juni/Juli 2007

statt. Die Interviews wurden mit den Akteuren separat face-to-face oder telefonisch geführt

und dauerten in der Regel zwischen dreissig und fünfzig Minuten. Als methodische

Grundlage diente das von Meuser und Nagel (1997) beschriebene leitfadengestützte Vorgehen

für Experteninterviews. Pro Schule wurden vier bis sechs Einzelpersonen aus der jeweiligen

Projektsteuergruppe für das Gespräch ausgewählt. Insgesamt wurden zwanzig Personen

interviewt. Die Auswahl erfolgte aufgrund der Funktionen der einzelnen Mitglieder

(Schulleitung, Beratungsperson, Lehrperson, Schulsozialarbeit/Schülerberatung, Vertretung

der Eltern oder des Schulrats), wobei darauf geachtet wurde, Personen mit verschiedenen

Funktionen einzubeziehen und bei Personen in gleicher Funktion die verschiedenen

zusätzlichen Aufgaben zu berücksichtigen (Fachlehrpersonen, Klassenlehrpersonen, Lehr-

personen mit Internatsleitungsaufgaben).

In den Gesprächen wurde aus der Perspektive des/der Interviewten unter Berücksichtigung

folgender Themenkomplexe auf den Projektverlauf zurückgeschaut:

• Ausgangslage und Einstieg in das Projekt

• Zusammenarbeit Beratungsperson und Schule

• Zur Verfügung stehende zeitliche und finanzielle Ressourcen

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 15

• Veränderungen durch das Projekt bzgl. pädagogischer Haltung, Zusammenarbeit zwischen

Lehrpersonen und Zusammenarbeit mit internen und externen Fachstellen

• Entwicklung, Akzeptanz und Wirksamkeit des Leitfadens

Die Themen wurden durch diverse Unterfragen präzisiert und je nach Gesprächspartner/in

unterschiedlich gewichtet. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach den

inhaltsanalytischen Kriterien für Experteninterviews (Meuser & Nagel, 1997). Die

Audiodateien wurden zunächst transkribiert und anschliessend mithilfe der Software

atlas.ti 5.2 themenspezifisch analysiert. Die Aussagen der Akteure werden innerhalb eines

Themenbereichs vergleichend gegenübergestellt.

4.3.4 Fallanalysen

Das Ziel der Fallanalysen ist, an vier Beispielschulen aufzuzeigen, wie sich der Entwicklungs-

und Einführungsprozess gestalten kann. Grundlage für die Fallanalysen sind die Ergebnisse

aus den oben genannten Erhebungen, d.h. aus der Dokumentenanalyse I und II, der

Lehrpersonenbefragung und den Interviews mit den zentralen Akteuren. Durch diese

Methoden-Triangulation können Erkenntnisse aus einzelnen Erhebungen ergänzt und

Prozesse und Ergebnisse innerhalb der einzelnen Schulen als Gesamtes betrachtet werden

(Flick, 2000).

4.4 Zeitplan der Evaluation

Tabelle 2: Zeitplan der Evaluation

Zeitpunkt Meilenstein

Mai Offerte z.Hd. BAG

30.September 2006 Entwurf Detailkonzept z.Hd. BAG

15. November 2006 Definitives Detailkonzept z.Hd BAG

Dezember 2006 / Januar 2007

1. Erhebung der Dokumente

Mai/Juni 2007 Interviews, Lehrpersonenbefragung

Juni/Juli 2007 2. Erhebung der Dokumente

September 2007 Zwischenbericht der Evaluation

Oktober 2007 Abschluss Datenerhebung (Schlussberichte der Schulen ohne Verlängerung)

Januar 2008 Schlussbericht der Evaluation

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 16

5 Gesamtanalyse der teilnehmenden Schulen

Die Analyse der Projektdokumente aller 14 Schulen soll einen Überblick über die Aktivitäten

und Entwicklungen im Rahmen des FF-Projekts geben. Dabei wird der Stand bis Juni 2007

berücksichtigt. Als Informationsquellen dienen die von den Schulen zugestellten Dokumente

zum Projekt, das heisst, Aktivitäten und Entwicklungen, zu denen dem Evaluationsteam keine

Informationen vorliegen, wurden nicht erfasst. Im Folgenden werden die Projektorganisation

in den 14 Schulen sowie die Aktivitäten und Ergebnisse zur Entwicklung der Leitfäden, zu

Einbezug und Weiterbildung der Lehrpersonen, zum Einbezug von Schüler/innen und Eltern

sowie zur Vernetzung mit Fachstellen dargestellt. Mit einer Gegenüberstellung von

Zielsetzungen und durchgeführten Aktivitäten wird ein Fazit gezogen.

5.1 Projektorganisation in den Schulen

Für die Analyse der Projektorganisation in den 14 Schulen werden die schulinterne

Organisation der Projektleitung, Projektsteuergruppen und die Rolle der schulinternen

Hilfsangebote berücksichtigt. Des Weiteren werden auch die Rolle und die Aufgaben der

Beratungsperson analysiert. Eine detaillierte Auflistung der einzelnen Punkte für jede Schule

befindet sich im Anhang (Tabelle 16).

Projektleitung

Die Projektleitung liegt bei zehn der 14 Schulen allein bei der Schulleitung. Die anderen vier

Schulen haben die Projektleitung wie folgt verteilt: In einer Schule besteht eine Co-Leitung

von Schulleitung und Beratungsperson (Schulsozialarbeit), in einer Schule leitet eine

Lehrperson (unter Einbezug der Schulleitung) das Projekt und in zwei Schulen wird das

Projekt durch eine externe Person der Gemeinde geleitet (da der Auftrag zur Einführung von

FF von der Gemeinde erteilt wurde). In den Schulen, in denen die Schulleitung die

Projektleitung nicht direkt innehat, wird in den Zwischenberichten auf daraus entstehende

Schwierigkeiten hingewiesen. Bei der Projektleitung durch eine Lehrperson wird betont:

„Wichtig ist der Einbezug der Schulleitung in die Projektleitung, damit die Aktivitäten des

Projekts mit dem Schulprogramm koordiniert werden können und dem Projekt die zeitlichen

Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“ (Zwischenbericht Schule E). Neben den

Schwierigkeiten bei der Abstimmung auf die zeitlichen Ressourcen und die anderen

Aktivitäten der Schule besteht bei einer Projektleitung durch eine schulexterne Person die

Gefahr, dass die Schulleitungen tendenziell weniger verpflichtet sind, sich mit dem Projekt

und den damit einhergehenden Prozessen, etwa der Entwicklung einer gemeinsamen

pädagogischen Haltung, auseinanderzusetzen, und damit das Projekt im Kollegium auch

weniger stark vertreten (Zwischenbericht Schulen G und H).

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 17

Projektsteuergruppe

Die Projektsteuergruppen unterscheiden sich stark in der Grösse und Zusammensetzung.

Allen Projektsteuergruppen ist gemeinsam, dass Lehrpersonen darin vertreten sind. Die

Grösse der Projektsteuergruppe steht zum einen in Zusammenhang mit der Grösse der Schule.

So haben die beiden grössten teilnehmenden Schulen (Schule E und Schule J) auch die

grössten Steuergruppen, in denen Lehrpersonen aus den verschiedenen Stufen und

Schulhäusern vertreten sind. Sechs der 14 Schulen haben sich darüber hinaus dafür

entschieden, schulexterne Personen in die Steuergruppe aufzunehmen, was ebenfalls zu einer

grösseren Gruppe führte. Folgende schulexterne Personen sind in den Steuergruppen vertreten

(wobei in zwei Steuergruppen mehrere schulexterne Personen beteiligt sind):

• In vier Schulen ist ein Mitglied der Schulpflege / des Schulrats in der Projektsteuergruppe.

• In zwei Schulen sind Personen von externen Fachstellen (welche aber nicht die Rolle der

Beratungsperson haben) in der Projektsteuergruppe.

• In einer Schule ist eine Vertretung des Gemeinderats beteiligt.

• In einer Schule sind Vertretungen der Elternvereinigung in der Projektsteuergruppe.

Schulinterne Hilfsangebote

Unter schulinternen Hilfsangeboten werden Unterstützungsangebote für Schüler/innen und

auch Lehrpersonen verstanden, die über die gängige Unterstützung durch Klassen-, Fach- und

Speziallehrkräfte hinausgehen. Diese können sowohl in der Früherkennung wie auch in der

Frühintervention eine zentrale Rolle spielen. In neun der 14 teilnehmenden Schulen ist

Schulsozialarbeit vorhanden, ein vergleichsweise hoher Prozentsatz: Im Kanton Zürich (wo

die Schulsozialarbeit mit die weiteste Verbreitung in der Deutschschweiz hat) verfügten 2006

23% der Schulhäuser über Schulsozialarbeit (vgl. Baier, 2008; Müller, 2007). Das heisst, dass

das Vorhandensein der Schulsozialarbeit vermutlich die Bereitschaft begünstigt, FF

einzuführen und an einem entsprechenden Projekt teilzunehmen. Dass in allen Schulen mit

Schulsozialarbeit die Schulsozialarbeitenden in den Steuergruppen mitarbeiten zeigt zudem,

dass sie an der Entwicklung und Implementierung von FF wesentlich beteiligt sind. In zwei

Schulen sind andere Unterstützungsstrukturen vorhanden: Lehrpersonen nehmen als

Schülerberatung bzw. Begleitungs- und Mediationslehrpersonen eine zusätzliche Funktion

wahr und bieten insbesondere Schüler/innen ein Hilfsangebot an. Die Lehrpersonen der

Schülerberatung sind ebenfalls in der Steuergruppe vertreten, ein Einbezug der Begleitungs-

und Mediationslehrpersonen in die FF ist aus den Dokumenten nicht ersichtlich.

Zusammenarbeit mit der Beratungsperson

Als Beratungspersonen sind Schulsozialarbeitende (vier Schulen), Mitarbeitende von

regionalen bzw. kantonalen Fachstellen für Gesundheitsförderung und Prävention (fünf

Schulen) sowie selbstständig erwerbende Berater (fünf Schulen) tätig. Die Schul-

sozialarbeitenden sind als schulnahes Hilfsangebot im Vergleich zu den anderen

Beratungspersonen deutlich mehr in das System Schule integriert. Die Analyse der Aufgaben

der Beratungspersonen zeigt, dass Schulsozialarbeitende, die diese Funktion wahrnehmen,

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 18

stärker in die Entwicklung und Implementierung von FF in ihrer Schule involviert sind als die

Beratungspersonen in den anderen Schulen. Als Beratungspersonen sind die Schul-

sozialarbeitenden für die „operative Ebene der Projektrealisierung“ (Dokumentation

Projektorganisation Schulen G und H), als Co-Projektleitung oder als Leitung der

Projektsteuergruppe tätig, während in den anderen Schulen die Beratungspersonen

hauptsächlich Begleitung und Unterstützung, „fachliche und inhaltliche Beratung“ (Konzept

Schule F und I) bieten und Teile der Entwicklung und Umsetzung von FF übernehmen, etwa

die Situationsanalyse oder die Moderation von Veranstaltungen. In dieser Funktion Demnach

übernehmen die Schulsozialarbeitenden in ihrer Beratungsfunktion deutlich mehr Aufgaben

und Verantwortung als die anderen Beratungspersonen und es stellt sich die Frage, ob die

Schulsozialarbeitenden als Beratungsperson eigentlich noch in beratender Funktion tätig sind,

wie es in den Projektvorgaben vorgesehen ist, oder ob die Entwicklung und Implementierung

von FF zu stark durch die Schulsozialarbeitenden statt durch die Schule bzw. Schulleitung

bestimmt wird. Im Vergleich der Aufgaben von Mitarbeitenden regionaler bzw. kantonaler

Fachstellen als Beratungsperson und den selbstständigen Beratern zeigt sich, dass die

Mitarbeitenden der Fachstellen die Vernetzung mit Beratungsstellen häufiger explizit in ihrem

Aufgabenbereich haben.

5.2 Interventionsleitfäden

Der Interventionsleitfaden ist ein zentraler Bestandteil des FF-Konzepts. Unter 'Interventions-

leitfaden' wird der systematisierte, schriftlich festgelegte Ablauf zur Beobachtung und

Einleitung entsprechender Massnahmen bei Auffälligkeiten oder Symptomen bei

Schüler/innen verstanden. Je nach Schule wird dafür ein anderer Begriff, z.B.

'Handlungsplan', 'Ablaufschema' oder 'Interventionsmodell' gewählt. Im Folgenden wird stets

der Begriff 'Interventionsleitfaden' oder kurz 'Leitfaden' verwendet, unabhängig von der

Bezeichnung der jeweiligen Schule.

Im Rahmen des Projekts wurden in zwölf der 14 beteiligten Schulen Interventionsleitfäden

entwickelt, in einer Schule bestand ein solcher bereits vor dem Projekt (vgl. Tabelle 17 im

Anhang). In einer Schule wurde noch kein Interventionsleitfaden entwickelt, da aufgrund

schulinterner Probleme zunächst ein Schulentwicklungsprozess angegangen werden musste.

Die Schulen G und H wie auch die Schulen A und J arbeiteten bei der Entwicklung der

Interventionsleitfäden sehr eng zusammen und entwickelten jeweils identische Interventions-

leitfäden. So stehen insgesamt elf Leitfäden zur Analyse zur Verfügung.

Aufbau der Interventionsleitfäden

Die Interventionsleitfäden sind alle als Stufenmodell mit drei bis sechs Stufen aufgebaut.

Zehn Interventionsleitfäden sind allgemein gehalten und für die Interventionspraxis in allen

denkbaren Gefährdungssituationen vorgesehen. Zwei Schulen entwickelten gemeinsam 14

Leitfäden, die jeweils für eine spezifische Gefährdungssituation, z.B. Cannabiskonsum,

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 19

depressive Verstimmung oder Mobbing, vorgesehen sind und entsprechend in einer

spezifischen Gefährdungssituation spezifische Interventionen empfehlen.

Von den elf vorliegenden Interventionsleitfäden sind zehn so strukturiert, dass sich die

Intervention je nach Wiederholung oder Verschlimmerung von problematischem Verhalten

Schritt für Schritt verschärft. Nur ein Leitfaden versteht Problembearbeitung und Intervention

als einen sich wiederholenden Prozess, in dem die erforderlichen Massnahmen immer wieder

von Neuem festgelegt werden.

Bei allen Interventionsleitfäden beginnt die Erkennung und Intervention bei Stufe eins. In

keinem Leitfaden ist vorgesehen, in besonderen Fällen auf einer höheren Stufe zu beginnen.

Sehr unterschiedlich sind die Kriterien dafür geregelt, warum und wann eine Folgestufe des

Leitfadens zur Anwendung kommt. Der Übergang in eine Folgestufe hängt überwiegend von

einer zunehmenden Eskalation des Verhaltens oder der Verweigerung der Annahme von

freiwilligen oder verordneten Hilfsangeboten durch die Schülerin/den Schüler. Nur zwei

Leitfäden sehen verbindlich vor, diese Kriterien den betroffenen Schüler/innen und deren

Eltern mitzuteilen bzw. von Seiten der Schule zu begründen, weshalb die nächste Stufe des

Leitfadens zur Anwendung kommen muss. Ein Leitfaden regelt, dass Schüler/innen nach

positivem Verlauf eines Gesprächs entlastet werden und die Interventionsmassnahme beendet

wird. Keiner der Interventionsleitfäden sieht die Möglichkeit vor, auf eine vorhergehende

Stufe zurückzukehren.

Beteiligte und Verantwortliche

Die Zielpersonen der FF sind immer die Schüler/innen, um deren aus Sicht der Lehrpersonen

auffälligen Verhalten zu bearbeiten. Dabei wird das gelebte und für problematisch

empfundene Verhalten der Schüler/innen isoliert betrachtet und analysiert. Die Erkennung der

Gefährdungssituation erfolgt bei allen Interventionsleitfäden durch die Lehrpersonen, im

Verlauf übernehmen die Klassenlehrpersonen die Verantwortung für die Koordination der

Intervention. Zehn Interventionsleitfäden sehen vor, dass die Lehrperson auf der vorletzten

oder letzten Interventionsstufe von der Schulleitung unterstützt wird, in fünf Schulen

übernimmt die Schulleitung bei einer höheren Eskalationsstufe die (Mit-)Verantwortung. Bei

einem Leitfaden ist die Schulleitung bereits von Beginn der Intervention an einbezogen.

Schwerwiegende Sanktionen wie Gefährdungsmeldungen oder Time-outs werden immer von

der Schulleitung ausgesprochen.

Der Einbezug der Eltern ist in zehn Interventionsleitfäden geregelt. Nur ein Leitfaden sieht

vor, auf Symptome und Auffälligkeiten ohne Einbezug der Eltern zu reagieren. Zwei

Interventionsleitfäden sehen vor, die Eltern ab der ersten Stufe einzubeziehen. Die übrigen

Leitfäden sehen den Einbezug der Eltern erst auf der zweiten oder dritten Stufe vor. Die

Eltern sind bei den jeweiligen Gesprächen anwesend und werden im Rahmen verbindlicher

Vereinbarungen mit der Schülerin / dem Schüler einbezogen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 20

Rolle der internen und externen Fachstellen

In den Schulen mit Schulsozialarbeit wird diese bezüglich Funktion und Zeitpunkt je nach

Schule sehr unterschiedlich in die Intervention einbezogen. Der überwiegende Teil der

Leitfäden greift auf die Schulsozialarbeit bereits nach einer ersten Klärungsphase zurück. Die

Rolle der Schulsozialarbeit im Interventionsprozess ist überwiegend beratend. Die

Gesamtverantwortung für eine Intervention geht nur in einem Leitfaden auf die

Schulsozialarbeit über.

Ab wann die Schulen auf externe Hilfsangebote zurückgreifen und wie verpflichtend diese für

die Schüler/innen sind, ist sehr unterschiedlich geregelt. Es ist jedoch die Tendenz zu

erkennen, dass externe Hilfen als freiwilliges Angebot bestehen oder vermittelt werden

können und im weiteren Verlauf verpflichtend werden. In fünf Interventionsleitfäden werden

die externen Hilfsangebote konkret benannt. Vier Leitfäden sehen den Einbezug externer

Hilfsangebote vor, ohne diese zu konkretisieren, zwei Leitfäden sehen keinen Einbezug

externer Hilfsangebote vor.

Gestaltungsspielraum

Die Interventionsleitfäden weisen durchweg eine klare Struktur im Hinblick auf die

angestrebte Interventionspraxis auf. Sie strukturieren die jeweiligen Zuständigkeiten, Verläufe

und Hilfsangebote bei Gefährdungssituationen von Schüler/innen. Eine Zeitstruktur für die

konkreten Interventionsmassnahmen wird dagegen nur sehr selten vorgegeben. Lediglich drei

Interventionsleitfäden regeln, wie lange eine Intervention dauern soll bzw. nach welchem

Zeitraum eine Überprüfung der angestrebten Veränderungen vorgenommen wird. Alle

übrigen Interventionsleitfäden regeln eine erneute Kontaktaufnahme mit den gefährdeten

Schüler/innen erst bei erneuten Auffälligkeiten. Interne und externe Hilfsangebote sind

anfänglich auf freiwilliger Basis, werden im weiteren Verlauf jedoch verpflichtend.

5.3 Einbezug von und Veranstaltungen für Lehrpersonen

Als Voraussetzung für die Teilnahme am Projekt musste in allen Schulen die Zustimmung des

Kollegiums vorliegen. Ebenso wurde von den Projektträgern (BAG, SNGS und HSA Luzern)

erwartet, dass Lehrpersonen in den Steuergruppen vertreten sind. Beide Voraussetzungen

werden von allen Schulen erfüllt. Des Weiteren werden in allen Schulen die Lehrpersonen

(das Kollegium insgesamt oder eine Auswahl von Lehrpersonen) in die Situationsanalyse

einbezogen. Damit ist ein Grundstein für Partizipation gelegt, auf dem die Schulen in

unterschiedlicher Intensität aufbauen.

Aus den vorliegenden Projektdokumenten der Schule J ist nicht ersichtlich, ob

Veranstaltungen für Lehrpersonen stattgefunden haben. In allen anderen Schulen wurde

mindestens eine Veranstaltung für die Lehrpersonen durchgeführt. In zehn Schulen, d.h. in

der Mehrheit der Schulen, fanden ein bis drei Veranstaltungen (Konvente, schulinterne

Weiterbildungen, Workshops) statt. In den Schulen B, C und D wurden laut

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 21

Projektdokumenten vier bis neun Veranstaltungen durchgeführt. In den Projektdokumenten

können hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung fünf Hauptbereiche identifiziert werden:

• Leitfaden vorstellen und diskutieren

• In das Thema FF einführen und über Symptome für Gefährdungen informieren

• Ergebnisse der Situationsanalyse diskutieren

• Die Kommunikationsprozesse im Kollegium bearbeiten

• Eine gemeinsame pädagogische Haltung entwickeln

Abbildung 3 zeigt die Anzahl der Schulen, in denen Veranstaltungen zu den verschiedenen

Bereichen stattgefunden haben (Mehrfachnennungen möglich).

8

6

11

33

0

2

4

6

8

10

12

Leitfaden ThematischeEinführung

PräsentationSituationsanalyse

Kommunikation Haltung

An

zah

l S

ch

ule

n

Abbildung 3: Themen der Veranstaltungen für Lehrpersonen

In fast allen Schulen, in denen ein Leitfaden entwickelt wurde, wurde dieser den

Lehrpersonen vorgestellt. Aus den Projektdokumenten ist die Form der Präsentation nicht

immer ersichtlich. Dennoch zeigt sich, dass in mehreren Schulen nicht nur eine Präsentation

stattfand, sondern der Leitfaden in Gruppen anhand von Fallbeispielen durchgearbeitet wurde.

In acht Schulen haben Veranstaltungen zur Einführung ins Thema und Informationen über

Symptome stattgefunden, wobei in einer Schule lediglich in das Konzept der FF eingeführt

wurde (ohne Weiterbildungscharakter). In jeweils drei Schulen wurde explizit an der

Kommunikation im Team und an der Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen

Haltung gearbeitet.

Aus den Projektdokumentationen wird deutlich, dass in drei Schulen die Lehrpersonen über

die Einbindung in die Steuergruppe und die Veranstaltungen hinaus in die Entwicklung des

FF-Konzepts einbezogen wurden. In zwei Schulen (F und I) konnte das Kollegium seinen

Bedarf an Massnahmen und Instrumenten bei der Steuergruppe angeben: „Austausch und

Ausarbeiten von Aufträgen (Massnahmen) für die Projektgruppe, was zu erarbeiten sei“

(Sitzung Vorbereitung Workshop Schule F). In der Schule D wurden Lehrpersonen noch

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 22

stärker in die Entwicklung eingebunden: „Im Bereich der Untergruppen schien es der

Steuergruppe wichtig, das Team noch stärker in die Verantwortung und damit in den Prozess

einzubinden“ (Zwischenbericht Schule D). Diese Feststellung führte dazu, dass Mitglieder der

Steuergruppe gemeinsam mit weiteren Lehrpersonen in Untergruppen die einzelnen

Projektbestandteile wie z.B. den Leitfaden und die Elternabende erarbeiteten. Dies führte zur

Mitwirkung eines wesentlichen Teils des Kollegiums an der Entwicklung und Umsetzung des

FF-Konzepts.

5.4 Einbezug von und Veranstaltungen für Eltern und Schüler/innen

Der Einbezug von Eltern und Schüler/innen wurde in den teilnehmenden Schulen sehr

unterschiedlich gehandhabt. Im Folgenden wird zunächst der Einbezug der Eltern und dann

der Einbezug der Schüler/innen in das FF-Projekt beschrieben.

Einbezug Eltern

Aus den Anträgen für die Verlängerung des Projekts1 wird deutlich, dass im bisherigen

Verlauf die Elternarbeit von mehreren Schulen noch gar nicht oder noch nicht im

gewünschten Mass umgesetzt werden konnte. Bisher fand der Einbezug in folgender Form

statt: In fünf der 14 Schulen wurden laut Projektdokumentation die Eltern in die

Situationsanalyse einbezogen, wobei in vier Schulen eine umfassende Befragung stattfand.

Die Ergebnisse dieser Befragungen wurden oder werden (geplant für das Schuljahr 07/08) den

Eltern in Form schriftlicher Information oder auf Veranstaltungen zurückgemeldet. Betrachtet

man die Veranstaltungen und Informationen an die Eltern unabhängig von ihrem Inhalt, zeigt

sich, dass fünf Schulen die Eltern im Rahmen des FF-Projekts in irgendeiner Form

einbezogen. In einem Fall wurden Informationen ausschliesslich auf schriftlichem Weg

vermittelt, in vier Schulen wurden Veranstaltungen für Eltern durchgeführt. Es wurden

sowohl eher allgemeine Veranstaltungen zur FF, zur Situationsanalyse und zum Leitfaden als

auch themenspezifische Veranstaltungen, z.B. zur Pubertät (Schule D) oder zum Umgang mit

den Gefahren der modernen Medien (Schule A), durchgeführt. In zwei Schulen (Schule B und

Schule D) fand ein noch weit umfassenderer Einbezug der Eltern statt. In der Schule D sind

zwei Elternvertretungen Mitglieder der Steuergruppe, in der Schule B sind zwei

Elternvertretungen aus dem Elternrat Mitglieder der „Expertengruppe“ (Zwischenbericht

Schule B). Die Expertengruppe trifft sich mit der Steuergruppe, um die Elternabende zu

konzipieren und durchzuführen. Weitere Aktivitäten der Expertengruppe sind aus den

Projektdokumenten nicht erkennbar. In beiden Schulen sind ein partizipativer Ansatz und ein

erhöhtes Engagement in der Elternarbeit im Rahmen des FF-Projekts erkennbar. Sie bieten die

1 Die teilnehmenden Schulen konnten auf Antrag (mit Begründung und Zielformulierung) das Projekt um

ein Jahr verlängern.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 23

meisten Veranstaltungen für Eltern an. Der partizipative Ansatz mit Einbezug der Eltern wird

von den zwei Schulen als „unabdingbar“ (Zwischenbericht Schule D) bzw. als förderlicher

Faktor (Zwischenbericht Schule B) beschrieben.

Wie bereits erwähnt, konnten mehrere Schulen die Elternarbeit noch nicht im von ihnen

geplanten Mass umsetzen. Die Gründe hierfür sind aus den Projektdokumenten nicht

ersichtlich. Fünf Schulen, welche die Eltern bisher noch nicht über das FF-Projekt informiert

haben, sehen dies als Versäumnis und planen laut ihrem Antrag auf Verlängerung, im

Schuljahr 07/08 schriftliche Informationen abzugeben oder Veranstaltungen durchzuführen.

Auch von den Schulen, die die Eltern bereits informiert haben, planen mehrere weitere

Veranstaltungen. Falls die Elternarbeit wie geplant umgesetzt wird, kann in allen Schulen mit

dreijähriger Projektlaufzeit die Information der Eltern stattfinden. Der bisherige Einbezug der

Eltern ist auch aus der Sicht der Schulen ohne Verlängerung zu wenig gelungen

(Schlussbericht Schule F).

Einbezug Schüler/innen

Die Schüler/innen wurden etwas häufiger als die Eltern in die Situationsanalyse einbezogen,

in der Hälfte der Schulen wurden die Schüler/innen zu ihrem Wohlbefinden und ihrer

Problemlage befragt. Eine Rückmeldung der Ergebnisse an die Schüler/innen fand hingegen

deutlich seltener statt: Lediglich in einer Schule war eine Rückmeldung der Ergebnisse an den

Schülerrat vorgesehen. In derselben Schule war ebenfalls vorgesehen, den Schülerrat über das

FF-Projekt zu informieren und zwei seiner Vertreter/innen in die Expertengruppe einzubinden

(Zwischenbericht Schule B). Aus den bisherigen Dokumenten ist nicht ersichtlich, inwiefern

dieses Vorhaben gelungen ist.

In sieben Schulen (inkl. der genannten Schule mit dem Einbezug des Schülerrats) wurden im

Rahmen des FF-Projekts laut Projektdokumenten Veranstaltungen für Schüler/innen

durchgeführt. Diese fanden in Form von Gesundheitstagen bzw. Gesundheitswochen (fünf

Schulen), als regelmässiger Bestandteil des Unterrichts (zwei Schulen) oder als einmaliger

Besuch einer Ausstellung (eine Schule) statt (Mehrfachnennungen möglich). Die

Interventionen sind alle im Bereich der Gesundheitsförderung und der universellen Prävention

einzuordnen. Bearbeitete Themen sind z.B. Selbstwertgefühl, Ernährung, Alkohol, Sexualität,

Sucht und Mobbing (Dokumente Schulen D, I, M und N).

Fünf Schulen, die bisher noch keine Interventionen auf der Ebene der Schüler/innen

durchführen konnten, planen für das Schuljahr 07/08 entsprechende Veranstaltungen. Werden

diese Interventionen wie geplant umgesetzt, können in zwölf der 14 Schulen Aktivitäten für

die Schüler/innen stattfinden.

5.5 Vernetzung mit externen Fachstellen

Aus den Dokumenten der Schulen ist ersichtlich, dass die Vernetzung zwischen Schule und

schulexternen Fach- und Anlaufstellen (Schulpsychologischer Dienst, Kinder- und

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 24

Jugendpsychiatrischer Dienst, Sozialdienste, Beratungsstellen, Schulbehörden und Gemeinde)

im Bereich FF von acht der 14 Schulen initiiert wurde. Sechs Schulen unternahmen keine

Schritte in diese Richtung, wobei vier von ihnen zumindest über eine Liste mit Fachstellen

verfügen, die überprüft und in einer Schule auch den Lehrpersonen vorgestellt wurde. Eine

der Schulen macht in einer schriftlichen Stellungnahme deutlich, dass ihre Schulsozialarbeit

für die Vernetzung zuständig ist und diese Aufgabe gut erfüllt, so dass aus ihrer Sicht keine

weiteren Massnahmen hinsichtlich einer Kooperation mit externen Stellen notwendig sind.

Von den acht anderen Schulen wurden unterschiedliche Wege gewählt, um die Kooperation

mit externen Stellen aufzubauen. In den Schulen mit schulexternen Personen aus Gemeinde

und Schulrat/Schulpflege in der Steuergruppe werden diese als Verbindungsperson zur

entsprechenden Institution wahrgenommen. Eine Kooperation mit diesen Stellen ist damit im

Aufbau. Sechs Schulen wendeten sich schriftlich oder mündlich an die aus ihrer Sicht

relevanten schulexternen Fachstellen, um Informationen über die Fachstelle einzuholen und

den Wunsch nach Zusammenarbeit zu äussern (eine Schule), die Fachstellen zu einer

Vorstellung im Kollegium einzuladen (vier Schulen) oder zur Vernehmlassung des Leitfadens

sowie zu einem Gespräch mit der Steuergruppe einzuladen (zwei Schulen). Das heisst, von

Seiten dieser Schule wurde versucht ein Kontakt zu den Fachstellen herzustellen und eine

Zusammenarbeit aufzubauen. Im Speziellen sind der „Fachstellenmarkt“ und der „Runde

Tisch“ als Möglichkeiten des Austausches zu nennen. Der „Fachstellenmarkt“ bezeichnet die

gleichzeitige Präsentation verschiedener Fachstellen und Fachpersonen in der Schule, so dass

die Lehrpersonen Kontakt aufnehmen, Fragen stellen und das Angebot kennenlernen können.

Der „Runde Tisch“ wurde als Austauschmöglichkeit zur „Problematik im Bereich

Schule/Jugendgewalt etc.“ vom Gemeinderat und den Schulen in der Gemeinde einberufen

(Einladung, Schule J).

Aus den Anmerkungen in den Zwischenberichten und den bisher vorhandenen

Schlussberichten der einzelnen Schulen geht hervor, dass die Schulen den Aufbau einer

Kooperation mit externen Fachstellen als schwierig und zeitaufwendig beurteilen. Hemmende

Faktoren werden auf der Seite der Fachstellen erkannt: „Nicht alle Fachstellen sind

interessiert an Zusammenarbeit oder haben genug Kapazitäten dafür“ (Zwischenbericht

Schule E) oder „Zum einen fliessen Informationen nicht wieder an die Schule zurück und zum

anderen werden Vertreter der Schule eher in einer Überweisungsrolle, als in ihrer Funktion

als wichtige Interventions- und Unterstützungspartner gesehen“ (Zwischenbericht Schule J).

Auf der Seite der Schule wird Mangel an Kenntnissen und zu wenig Inanspruchnahme der

Fachstellen durch die Lehrpersonen festgestellt (Zwischenbericht Schulen G und H).

Als für die Vernetzung förderlicher Faktor wurde zum einen die Zusammenarbeit mit

externen Beratungspersonen von regionalen bzw. kantonalen Fachstellen wahrgenommen. So

ist die Zusammenarbeit zwischen der Suchtpräventionsstelle und der Schule E mit dem FF-

Projekt enger geworden (Schlussbericht Schule E). Zum anderen hat in den Schulen, in denen

Schulsozialarbeit vorhanden ist, diese eine Brückenfunktion zu schulexternen Fachstellen:

„Die Vernetzung mit Fachstellen ist in unserem Schulhaus durch die Schulsozialarbeit

sichergestellt“ (Dokument Schule C) oder „Die Fachstellen kennen das Angebot der

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 25

Schulsozialarbeit und umgekehrt“ (Zwischenbericht Schulen G und H). In drei Schulen zeigt

sich jedoch auch die Problematik der Konzentration der Netzwerkarbeit bei der

Schulsozialarbeit: „Problematisch ist, dass die Vernetzungsarbeit sehr stark über die

Schulsozialarbeit läuft und damit die Beziehungsqualität sehr stark an diese Person gebunden

ist“ (Zwischenbericht Schule D).

5.6 Zusammenfassung und Fazit

Die Projektleitung ist in fast allen Schulen bei der Schulleitung angesiedelt. Die anderen

Projektleitungsmodelle scheinen für Probleme bei der Koordination mit der Jahresplanung der

Schule und der Verankerung im Kollegium anfälliger zu sein. Neben der Schulleitung nimmt

die Schulsozialarbeit eine zentrale Rolle ein und begünstigt die Teilnahme der Schulen am

FF-Projekt. Sie hat sowohl in ihrer Beraterrolle wie auch in Schulen mit anderen

Beratungspersonen einen hohen Stellenwert: Sie ist in allen Schulen an der Entwicklung und

Implementierung von FF beteiligt und übernimmt teilweise als Beratungsperson die

Steuerung des Projekts. Der Einsatz der Schulsozialarbeit im Projekt ist grundsätzlich positiv

zu werten, birgt jedoch die Gefahr, dass das Projekt zu stark von dieser statt von der

Schulleitung getragen wird. Sowohl die Schulsozialarbeit wie auch die Beratungspersonen

aus regionalen bzw. kantonalen Präventions- und Gesundheitsförderungsstellen begünstigen

die Kontaktaufnahme mit schulexternen Fachstellen.

Vergleicht man die Zielsetzungen der Schulen mit den durchgeführten Aktivitäten und den

tatsächlichen Entwicklungen, zeigt sich, dass in der Hälfte der Schulen entsprechende

Aktivitäten und Entwicklungen stattfanden. Auch in den anderen Schulen wurden die meisten

Zielsetzungen mit entsprechenden Massnahmen angegangen. Tabelle 3 zeigt den Vergleich

der Zielsetzungen der Schulen (aus den Contracts) mit den durchgeführten Interventionen (aus

den Projektdokumenten). Der dargestellte Vergleich soll nicht dazu dienen, einzelne Schulen

zu bewerten, sondern die Schwerpunkte in den Zielsetzungen und Interventionen sowie die

Schwierigkeiten bei der Durchführung aufzeigen.

Mit einer Ausnahme war es in allen Schulen möglich, einen Leitfaden als Instrument der FF

zu entwickeln und den Lehrpersonen im Rahmen einer Weiterbildung vorzustellen. Der

wesentlichste Unterschied zwischen den Leitfäden ist die problemspezifische Aus-

formulierung (zwei Schulen) im Gegensatz zur symptomunabhängigen Gültigkeit des

Leitfadens (elf Schulen). Im Aufbau sind die Leitfäden insgesamt sehr ähnlich, wobei an

einem starren Stufenmodell festgehalten wird, das einen Einstieg auf Stufe eins mit weiteren

Stufen bei fortdauernder Eskalation vorsieht. Zuständigkeiten, Verläufe und Hilfsangebote

werden in den Leitfäden strukturiert. Aus den Leitfäden und der Anzahl der

Weiterbildungsveranstaltungen wird deutlich, dass die Lehrpersonen als Hauptakteure der

Früherkennung fungieren. Damit die Lehrpersonen Symptome bei den Schüler/innen korrekt

interpretieren können, müssen sie über das entsprechende Wissen verfügen. Sechs Schulen

haben sich explizit das Ziel gesetzt, entsprechende Kenntnisse bei den Lehrpersonen zu

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 26

erweitern, in vier dieser Schulen fanden hierzu Veranstaltungen statt. Ohne explizite

Zielformulierung führten noch vier weitere Schulen Weiterbildungsveranstaltungen zur

Wissenserweiterung für die Lehrpersonen durch. Neben der Einführung in den Leitfaden ist

Wissensvermittlung die häufigste Zielsetzung und auch die häufigste Intervention innerhalb

des Kollegiums. Seltener wurden die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung

oder die Verbesserung der internen Kommunikation angegangen. Vier bzw. drei Schulen

hatten sich diese Bereiche als Ziel gesetzt, jedoch nicht alle konnten Interventionen dazu

durchführen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass von vielen Schulen

hauptsächlich die Leitfadenentwicklung und das Informieren über Symptome als einfacher

durchführbare und vordergründig erkennbare Bestandteile der Einführung von FF bearbeitet

wurden. Die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung und tragfähiger

Kommunikationsstrukturen als eher grundlegende Prozesse, die nicht direkt mit der FF in

Verbindung gebracht werden und eine Team- und Schulentwicklung erfordern, wurde

deutlich seltener angegangen.

Die Information der Eltern und ihr Einbezug in das FF-Projekt werden von sechs Schulen

explizit als Ziel genannt. In den Projektdokumenten zeigt sich jedoch, dass auch in den

anderen Schulen die Information der Eltern angestrebt wird. Eine Umsetzung fand bisher nur

in fünf Schulen statt. Für das letzte Projektjahr sind weitere Interventionen (schriftliche

Informationen oder Veranstaltungen) geplant. Ähnlich sieht die Situation bezüglich des

Einbezugs der Schüler/innen aus. Auch hierzu wurden nur in sechs Schulen entsprechende

Ziele formuliert. Interventionen fanden in sieben Schulen statt, weitere sind für das letzte

Projektjahr in Planung. Dies zeigt, dass die Ausweitung des Projekts auf die Eltern- und

Schüler/innenebene erst nach erfolgreich durchgeführten kollegiumsinternen Prozessen

angegangen wird. Für die Schulen ohne Verlängerung könnte die Projektdauer daher für

solche Prozesse zu kurz gewesen sein, was im Schlussbericht einer Schule auch angemerkt

wird.

Die Vernetzung mit schulexternen Fachstellen ist laut Angaben der Schulen ein schwieriges

und langwieriges Unterfangen. Positiv hervorzuheben ist, dass die Hälfte der Schulen erste

Aktivitäten unternommen hat, um mit den Fachstellen in Kontakt zu treten. Aufgrund der

Projektdokumente lässt sich keine abschliessende Aussage über den Erfolg der Vernetzung

machen. Die Hinweise aus den Schlussberichten lassen jedoch vermuten, dass noch mehr Zeit

für den Kooperationsaufbau notwendig ist.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 27

Tabelle 3: Vergleich Zielsetzungen und Aktivitäten in den teilnehmenden Schulen

Schulen Entwicklung Leitfaden

Entwicklung Haltung

Erweiterung Wissen

Verbesserung Kommunikation

Information/ Einbezug Eltern

Information/Einbezug Schüler/innen

Vernetzung mit Fachstellen

A x x x x

B x x x x x x x

C x x x x

D x x x x x x

E (x) x x

F x x x x

G x x

H x x

I (x) x x (x)

J x x x x (x)

K x x x x

L (x) x x x

M x x x x x

N x x x Quelle: zugestellte Projektdokumente, Stand Juni 2007

(x)= Ziel unklar formuliert

x = Ziel gesetzt und Aktivitäten/Entwicklungen durchgeführt

x = Ziel gesetzt, laut Projektdokumenten keine Aktivitäten/Entwicklungen durchgeführt

x = Ziel nicht gesetzt, laut Projektdokumenten aber Aktivitäten/Entwicklungen durchgeführt

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6 Vertiefte Analyse von vier Beispielschulen

Die folgenden Ergebnisse beziehen sich auf die vier Schulen A, B, C und D. Im Rahmen der

vertieften Analyse wurden eine Befragung aller Lehrpersonen der vier Beispielschulen sowie

Interviews mit den zentralen Akteuren der Projekte in den vier Schulen durchgeführt. Im

Folgenden werden zuerst die Ergebnisse der zwei Befragungen dargestellt. Darauf aufbauend

folgen vier Fallanalysen der Beispielschulen, welche die Ergebnisse aller Erhebungen, d.h.

auch der Dokumentenanalyse einbeziehen.

6.1 Die Perspektive der Lehrpersonen

6.1.1 Stichprobe

In den vier ausgewählten Schulen wurden insgesamt 146 Fragebogen an alle an den Schulen

tätigen Lehrpersonen verteilt. 50 Lehrer und 34 Lehrerinnen füllten den Fragebogen aus, was

einem Rücklauf von 58% entspricht. Der Rücklauf kann als gut bezeichnet werden. Nach

Angaben der Schulleitungen kann ein grosser Teil der fehlenden Fragebogen auf längere

Absenzen von Lehrpersonen und Lehrpersonen mit sehr kleinen Pensen (z.B. Musik-

lehrpersonen) zurückgeführt werden. Tabelle 4 gibt einen Überblick über den Rücklauf aus

den vier Schulen.

Tabelle 4: Stichprobe und Rücklauf der Lehrpersonenbefragung

Schulen Ausgeteilte Fragebogen

Ausgefüllte Fragebogen

Rücklauf

Schule A 44 20 45%

Schule B 51 28 55%

Schule C 26 22 85%

Schule D 25 14 56%

Gesamt 146 84 58%

Von den 84 Lehrpersonen sind 55% (n=46) als Klassenlehrpersonen, 32% (n=27) als

Fachlehrpersonen und 13% (n=11) in anderen bzw. zusätzlichen Funktionen, d.h. als

Schulleitung, Fachlehrperson mit Leitungsfunktion oder Lehrperson mit Betreuungstätigkeit

im Internat tätig. Der Anteil der Fachlehrpersonen im Kollegium ist in allen vier Schulen

ähnlich hoch (zwischen 30 und 36% der Lehrpersonen). Der Anteil der Klassenlehrpersonen

ist im Kollegium der Schule B (46%) im Vergleich zu den anderen drei Schulen (57-60%)

etwas geringer, dafür sind mehr befragte Personen in anderen bzw. zusätzlichen Funktionen

tätig (21% gegenüber 7-9%).

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 29

6.1.2 Entwicklung und Bekanntheit des Früherkennungs- und Frühinterventionskonzepts

Die Lehrpersonen wurden in einer ersten Frage nach ihrer Kenntnis des FF-Konzepts in ihrer

Schule gefragt. 75% der 84 Lehrpersonen geben an, das FF-Konzept ihrer Schule gut zu

kennen, 21% haben schon davon gehört, 4% (alles Fachlehrpersonen) geben an, dass sie es

nicht kennen. In den vier Schulen ist das Konzept somit bei allen Klassenlehrpersonen und

Lehrpersonen mit zusätzlichen Funktionen wie z.B. Leitungsfunktionen sowie der Mehrzahl

der Fachlehrpersonen bekannt. Dies zeigt, dass FF in den Schulen thematisiert wurde, was

eine Grundlage bildet um eine gemeinsame pädagogische Haltung und ein gleichgerichtetes,

systematisches Vorgehen zu entwickeln. Im Vergleich der vier Schulen zeigt sich, dass in den

Schulen B, C und D über 80% der Lehrpersonen das Konzept gut kennen. In der Schule A

hingegen sind es 40%, die das Konzept gut kennen, während 50% davon gehört haben.

Nach eigenen Angaben haben sich 69 der 84 Lehrpersonen (84%) an der Konzeptentwicklung

beteiligt. Vergleicht man die vier Schulen miteinander, zeigt sich, dass in der Schule A 74%,

in den Schulen B und C über 80% (86% bzw. 81%) und in der Schule D nach eigenen

Aussagen alle Lehrpersonen beteiligt waren. Am häufigsten wurden die Lehrpersonen bei

Veranstaltungen wie schulinternen Weiterbildungen und Projekttagen in den

Entwicklungsprozess einbezogen (52 Nennungen). Weitere Mitarbeit fand in schriftlicher

Form (25 Nennungen), in regulären Sitzungen (25 Nennungen) und in Arbeitsgruppen (vier

Nennungen) statt. Neben der Form der Beteiligung konnten die Lehrpersonen angeben, ob

ihrer Meinung nach die Möglichkeiten, sich an der Konzeptentwicklung zu beteiligen,

angemessen waren. 10% der Lehrpersonen geben an, dass sie sich gar nicht in angemessener

Weise am Entwicklungsprozess einbringen konnten. 49% sind der Meinung, dass sie sich

teilweise einbringen konnten, 41% konnten sich nach eigenen Angaben voll und ganz

beteiligen. Tabelle 5 zeigt die Beurteilung der Beteiligung in den vier Schulen in einer

Übersicht.

Tabelle 5: Angemessene Beteiligung der Lehrpersonen an der Konzeptentwicklung (n=80)

gar nicht teilweise voll und ganz

n % n % n %

Schule A 5 26 11 58 3 16

Schule B -- -- 17 63 10 37

Schule C 3 15 4 20 13 65

Schule D -- -- 7 50 7 50

Gesamt 8 10 39 49 33 41

In den Schulen B und D war es nach eigener Einschätzung für alle Lehrpersonen zumindest

teilweise möglich, sich in angemessener Weise an der Konzeptentwicklung zu beteiligen. In

der Schule A waren die Möglichkeiten, das Konzept mitzuentwickeln, für die Lehrpersonen

geringer, ein Viertel der Lehrpersonen ist der Ansicht, dass sie sich gar nicht beteiligen

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konnten. Das heisst, in der Schule A wurden die Lehrpersonen nach ihrer Wahrnehmung im

Vergleich zu den anderen Schulen weniger in die Entwicklung des FF-Konzepts einbezogen.

In der Schule C gehen die Meinungen auseinander: Wenige Lehrpersonen konnten ihrer

Meinung nach nicht in angemessener Weise mitwirken, die Mehrheit jedoch voll und ganz.

6.1.3 Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung

Die Lehrpersonen wurden nach der Entwicklung bzw. dem Bestehen einer gemeinsamen

pädagogischen Haltung zum Umgang mit Gefährdungen bei Schüler/innen im jeweiligen

Kollegium gefragt. Bei den Antworten handelt es sich um den Informationsstand resp. die

Wahrnehmung der einzelnen Lehrpersonen. Diese Wahrnehmungen der Lehrpersonen in den

Schulen können voneinander abweichen. Tabelle 6 zeigt die Einschätzungen zur

gemeinsamen pädagogischen Haltung in den vier Schulen.

Tabelle 6: Entwicklung einer pädagogischen Haltung

Schule A Schule B Schule C Schule D Gesamt

n % n % n % n % n %

Haltung wurde im Projekt entwickelt

6 30 13 47 13 59 8 56 40 48

Wir sind daran eine Haltung zu entwickeln

6 30 6 21 3 13 3 22 18 21

Haltung bestand schon vor dem Projekt

2 10 7 25 4 18 3 22 16 19

Bisher noch keine Haltung entwickelt

4 20 -- -- 1 5 -- -- 5 6

Ich weiss es nicht 2 10 2 7 1 5 -- -- 5 6

Total 20 100 28 100 22 100 14 100 84 100

Knapp die Hälfte der Lehrpersonen ist der Meinung, dass in ihrer Schule im Projekt eine

gemeinsame pädagogische Haltung entwickelt wurde. Jeweils ein Fünftel berichtet, dass die

Entwicklung noch im Gang ist bzw. schon vor dem Projekt eine gemeinsame pädagogische

Haltung bestanden hat. In keiner der vier Schulen haben alle Lehrpersonen die gleiche

Meinung resp. Wahrnehmung zur Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung.

In der Schule A gehen die Wahrnehmungen am deutlichsten auseinander, während in den

Schulen B, C und D zumindest darin Einigkeit besteht, dass die gemeinsame pädagogische

Haltung in der Schule entwickelt worden ist oder noch wird. Somit kann davon ausgegangen

werden, dass in diesen drei Schulen die gemeinsame pädagogische Haltung wenigstens

thematisiert wurde. Dennoch muss bei der Heterogenität der Aussagen der Frage

nachgegangen werden, ob an der Entwicklung einer gemeinsamen Haltung alle Lehrpersonen

beteiligt waren und ob die diesbezüglichen Aktivitäten allen Lehrpersonen kommuniziert

wurden. Beim Vergleich zwischen den verschiedenen Funktionen der Lehrpersonen zeigt

sich, dass sowohl Fachlehrpersonen wie auch Klassenlehrpersonen über die Entwicklung

nicht Bescheid wussten bzw. anderer Meinung waren als ihre Kolleginnen und Kollegen. Das

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 31

heisst, auch Lehrpersonen mit grösseren Pensen wissen nicht über die Entwicklung einer

gemeinsamen pädagogischen Haltung Bescheid.

Die Lehrpersonen, die angeben, dass eine gemeinsame pädagogische Haltung besteht (vor

dem Projekt oder durch das Projekt), wurden gebeten, die Verbreitung dieser Haltung im

Kollegium einzuschätzen. 87% geben an, dass die Haltung im Kollegium recht gut bekannt

ist, 13% sind der Meinung, dass die Haltung kaum bekannt ist. In den Schulen C und D ist die

Haltung nach einstimmiger Einschätzung gut bekannt, in den Schulen A und B gehen die

Einschätzungen auseinander. In diesen Schulen sind jeweils drei Viertel der Lehrpersonen der

Meinung, die Haltung sei gut bekannt, während ein Viertel der Meinung ist, die Haltung sei

kaum bekannt. Die Einschätzung zur Bekanntheit widerspiegeln die Ergebnisse zur Frage

nach der Entwicklung der Haltung. In den Schulen mit dem höchsten Anteil an Lehrpersonen,

die angeben, dass eine Haltung entwickelt wird bzw. wurde, ist diese auch nach eigener

Ansicht am besten bekannt.

6.1.4 Interventionsleitfäden aus der Sicht der Lehrpersonen

Der Interventionsleitfaden ist ein zentraler Bestandteil des FF-Konzepts. Alle vier befragten

Schulen haben in den zwei Projektjahren einen Leitfaden bzw. mehrere problemspezifische

Leitfäden entwickelt und den Lehrpersonen vorgestellt und abgegeben.

Bedarf an einem Leitfaden

Die Lehrpersonen wurden gefragt, inwiefern aus ihrer Sicht überhaupt ein Bedarf an einem

solchen Leitfaden für sie persönlich und für ihre Schule besteht. Vier Lehrpersonen (5%)

geben an, dass sie für sich persönlich keinen Bedarf sehen. Die restlichen Lehrpersonen sehen

für sich persönlich jeweils zur Hälfte einen eher geringen Bedarf (49%) bzw. einen eher

grossen Bedarf (46%). Der Bedarf an einem Leitfaden für ihre Schule wird von zwei Dritteln

der Lehrpersonen als eher gross eingeschätzt, ein Drittel beurteilt den Bedarf als eher gering.

Dass es an ihrer Schule keinen Bedarf an einem Leitfaden gibt, vertritt keine der befragten

Lehrpersonen. Tabelle 7 zeigt die Bedarfseinschätzungen der Lehrpersonen an den vier

Schulen.

Tabelle 7: Bedarf an einem Leitfaden in den vier Schulen (Skala: 0=kein Bedarf, 1=eher klein, 2=eher gross)

Persönlicher Bedarf Mittelwert / (n)

Bedarf für die Schule Mittelwert / (n)

Schule A 1.60 / (20) 1.60 / (20)

Schule B 1.29 / (28) 1.48 / (27)

Schule C 1.36 / (22) 1.91 / (22)

Schule D 1.46 / (13) 1.77 / (13)

Gesamt 1.41 / (83) 1.67 / (82)

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 32

In der Schule A ist der persönliche Bedarf der Lehrpersonen an einem Leitfaden am grössten

und im Gegensatz zu den drei anderen Schulen schätzen sie ihren persönlichen Bedarf genau

so hoch ein wie den allgemeinen Bedarf ihrer Schule. In der Schule C hingegen wird die

allgemeine Notwendigkeit eines Leitfadens für die Abläufe im Schulhaus wahrgenommen,

fast alle Lehrpersonen sehen einen grossen Bedarf in ihrer Schule. Die Lehrpersonen der

Schule B weisen den niedrigsten Bedarf an einem Leitfaden sowohl für sie persönlich wie

auch für ihre Schule aus.

Bekanntheit und Verwendung des Leitfadens

79 der 84 Lehrpersonen kennen den Leitfaden ihrer Schule. Dabei kennen 45 Lehrpersonen

(54%) den Leitfaden nach eigenen Angaben gut, 34 (40%) haben ihn zumindest schon einmal

gesehen. Fünf Lehrpersonen (6%) kennen den Leitfaden nicht. Von diesen fünf Lehrpersonen

sind vier als Fachlehrperson und eine als Klassenlehrperson tätig. Im Vergleich der vier

Schulen zeigt sich, dass in den Schulen B, C und D die Mehrheit der Lehrpersonen (Schule B:

57%, Schulen C und D: 64%) den Leitfaden ihrer Schule gut kennt. In der Schule A hingegen

ist er den Lehrpersonen noch nicht so gut bekannt. Die Mehrheit der Lehrpersonen der Schule

A (60%) hat ihn lediglich schon gesehen.

Von den 79 Lehrpersonen, die den Leitfaden kennen, haben 28, d.h. mehr als ein Drittel, den

Leitfaden bereits verwendet. Tabelle 8 zeigt die bisherige Verwendung des Leitfadens in den

vier Schulen.

Tabelle 8: Bisherige Verwendung des Leitfadens in den vier Schulen (n=78)

verwendet nicht verwendet

n % n %

Schule A 4 22 14 78

Schule B 11 42 15 58

Schule C 10 50 10 50

Schule D 3 21 11 79

Gesamt 28 36 50 64

In den Schulen B und C wurde der Leitfaden bisher am häufigsten verwendet, bis zur Hälfte

der Lehrpersonen hat den Leitfaden eingesetzt. In den Schulen A und D hingegen wurde der

Leitfaden bisher nur von wenigen Lehrpersonen benutzt. Die Unterschiede in der Häufigkeit

der bisherigen Verwendung sind auf den Zeitpunkt der Einführung zurückzuführen. In den

Schulen B und C wurde der Leitfaden bereits im Herbst 2006 im Kollegium abgegeben, in

den Schulen A und D Anfang bzw. im Frühling 2007 (vgl. Tabelle 17).

Die Lehrpersonen, die den Leitfaden bisher nicht eingesetzt haben, wurden nach dem Grund

gefragt. Folgende Gründe werden mehrfach genannt:

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 33

• Seit der Einführung des Leitfadens gab es bei den eigenen Schüler/innen keinen Bedarf

bzw. keine Probleme oder Gefährdungen, die den Einsatz notwendig gemacht hätten (18

Nennungen).

• Fällt nicht in die Zuständigkeit einer Fachlehrperson (Zehn Nennungen).

• Der Leitfaden ist noch nicht fertig bzw. wurde erst vor Kurzem eingeführt (sechs

Nennungen).

• Aus Zeitgründen (drei Nennungen).

• Individualität der Schüler/innen: "Jeder Fall war anders" oder "Ich will die Schüler/innen

als einzelne Individuen sehen (…) und habe Mühe, sie durch einen Raster zu sehen" (zwei

Nennungen).

Als einzelne Nennungen werden erwähnt, dass der Leitfaden in der Praxis zu umständlich ist

und man mit gesundem Menschenverstand weiterkommt oder dass man schon immer so

gearbeitet habe und ihn darum nicht brauche. Auch wurde genannt, dass zu einem

spezifischen Thema der Leitfaden noch fehlt.

Die genannten Gründe für das Nichteinsetzen des Leitfadens lassen darauf schliessen, dass bei

den meisten Lehrpersonen keine grundlegende Ablehnung dazu führte, dass sie den Leitfaden

noch nicht einsetzten. Somit kann vermutet werden, dass zumindest die Klassenlehrpersonen

den Leitfaden bei Bedarf anwenden werden.

Beurteilung des Leitfadens

Alle Lehrpersonen, die den Leitfaden kennen, wurden gebeten, den Leitfaden bezüglich

Anwendbarkeit, Gestaltungsspielraum sowie Regelung der Aufgaben- und Verantwortungs-

zuschreibung für Lehrpersonen nach vorgegebenen Kriterien zu beurteilen.

Die Anwendbarkeit des Leitfadens wurde anhand der Kriterien 'nachvollziehbar',

'übersichtlich', 'angepasst auf die Verhältnisse der Schule', 'praxistauglich' und 'meinen

Bedürfnissen entsprechend' erfragt. Die Einschätzung erfolgte auf einer vierstufigen Skala

von '0=stimmt nicht' bis '3=stimmt'. Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit werden

insgesamt am höchsten eingeschätzt, drei Viertel der Lehrpersonen stimmen der Aussage voll

zu, dass der Leitfaden nachvollziehbar und übersichtlich ist (vgl. Abbildung 4). Somit sind die

formellen Grundvoraussetzungen für die Verwendung der Leitfäden gegeben. Die Anpassung

auf die spezifischen Verhältnisse der Schule und die Praxistauglichkeit werden etwas weniger

hoch eingeschätzt. Am wenigsten Zustimmung erhält das Kriterium 'meinen Bedürfnissen

entsprechend': 4% der Lehrpersonen stimmen dieser Einschätzung nicht zu, 9% eher nicht,

48% stimmen eher und 39% stimmen voll zu. Dies zeigt, dass die Anpassung der Leitfäden an

die eigene Schule und die eigenen Bedürfnisse, als wichtige Einflussfaktoren für die

Umsetzung des Leitfadens, noch optimiert werden können.

Page 39: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 34

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Meinen Bedürfnissenentsprechend

praxistauglich

Auf Schuleangepasst

übersichtlich

nachvollziehbar

stimmt

stimmt eher

stimmt eher nicht

stimmt nicht

Abbildung 4: Anwendbarkeit des Leitfadens insgesamt (n=72-79)

In allen Schulen werden nach Ansicht der befragten Lehrpersonen die Kriterien

'Nachvollziehbarkeit' und 'Übersichtlichkeit' am deutlichsten erfüllt (vgl. Tabelle 9). Bei der

'Angepasstheit an die Verhältnisse der Schule' und der 'Praxistauglichkeit' zeigen sich

signifikante Unterschiede zwischen den Schulen (Varianzanalyse, p<0.5), wobei die

Beurteilungen der Lehrpersonen der Schule B deutlich schlechter ausfallen als die der

Lehrpersonen der anderen Schulen. Auch bei der Aussage, dass der Leitfaden den eigenen

Bedürfnissen entspricht, stimmen in der Schule B vergleichsweise wenig Lehrpersonen zu,

der Unterschied zwischen den Schulen ist jedoch nicht signifikant.

Tabelle 9: Anwendbarkeit des Leitfadens in den vier Schulen (Skala: vier-stufig, 0=stimmt nicht bis 3=stimmt)

Der Leitfaden ist … Schule A M (n=15-18)

Schule B M (n=27)

Schule C M (n=18-20)

Schule D M (n=12-14)

Gesamt M (n=72-79)

… nachvollziehbar 2.56 2.67 2.90 2.86 2.73

… übersichtlich 2.56 2.56 2.90 2.93 2.71

… angepasst an die Ver-hältnisse unserer Schule

2.28 2.00 2.74 2.54 2.34

… praxistauglich 2.53 2.00 2.39 2.67 2.32

… meinen Bedürfnissen entsprechend

2.44 1.88 2.33 2.38 2.21

Neben der Anwendbarkeit des Leitfadens schätzten die Lehrpersonen auch ihren

Gestaltungsspielraum bezüglich des Einbezugs der Schulleitung und von Fachpersonen, der

Fallübergabe an Fachpersonen, der Umsetzung von Massnahmen und des Zeitrahmen ein.

Der Gestaltungsspielraum konnte als '0=tief', '1=mittel' oder '2=hoch' eingestuft werden. Der

Gestaltungsspielraum wird in allen Punkten im Schnitt zwischen 'mittel' und 'hoch'

eingeschätzt, d.h. die Lehrpersonen haben nach eigener Einschätzung im Rahmen der

Leitfäden einen individuellen Gestaltungsspielraum, was die Umsetzung von Massnahmen

Page 40: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 35

und den Einbezug von weiteren Personen betrifft. Insbesondere der Einbezug der Schulleitung

und Fachpersonen ist nach Ansicht der Lehrpersonen in den Leitfäden offen gestaltet. Tabelle

10 zeigt die Beurteilung des Gestaltungsspielraums in den vier Schulen.

Tabelle 10: Gestaltungsspielraum der Lehrpersonen bei der Anwendung des Leitfadens (Skala: 0=tief, 1=mittel, 2=hoch)

Gestaltungsspielraum bezüglich …

Schule A M (n=12-16)

Schule B M (n=22-25)

Schule C M (n=17)

Schule D M (n=9-12)

Gesamt M (n=61-69)

… Einbezug Schulleitung 1.60 1.50 1.35 1.58 1.50

… Einbezug Fachperson 1.33 1.45 1.35 1.36 1.39

… Übergabe an Fachperson 1.33 1.22 1.24 1.33 1.27

… Umsetzung von Massnahmen 1.19 1.24 1.47 1.09 1.26

… zeitlichem Rahmen 1.17 1.30 1.29 1.11 1.25

Zwischen den Einschätzungen der vier Schulen bestehen keine signifikanten Unterschiede.

Tendenziell zeigt sich, dass in der Schule D der Spielraum für die Umsetzung der

Massnahmen etwas enger beurteilt wird, in der Schule C hingegen besteht hier ein

vergleichsweise grösserer Spielraum.

Die klare Regelung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Leitfaden ist ein weiteres

Bewertungskriterium. Die Lehrpersonen wurden spezifisch nach der Regelung der Aufgaben

und Verantwortlichkeiten der Lehrpersonen gefragt, welche sie auf einer vierstufigen Skala

von '0=unklar geregelt' bis '3=klar geregelt' einschätzten. Die Aufgaben der Lehrpersonen

sind aus der Sicht fast aller Lehrpersonen, die diese Frage beantwortet haben, klar oder eher

klar geregelt. 47% sind der Meinung, die Regelung ist klar, 51% sind der Meinung, die

Regelung ist eher klar. Zwei Personen geben an, dass die Aufgabenzuteilung für die

Lehrpersonen eher unklar ist. Auch die Zuteilung der Verantwortlichkeiten ist aus der Sicht

der Mehrheit der Lehrpersonen eher klar (54%) oder klar (41%) geregelt. Drei Personen sehen

eine eher unklare Regelung, für eine Person ist die Zuteilung der Verantwortlichkeiten für

Lehrpersonen unklar. Insgesamt sind demnach die Zuständigkeiten für Lehrpersonen in den

Leitfäden eindeutig, wobei die Aufgabenzuteilung etwas klarer zu sein scheint als die

Zuteilung der Verantwortlichkeiten. Im Vergleich der vier Schulen zeigt sich, dass in der

Schule B die im Leitfaden definierte Zuteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten der

Lehrpersonen etwas unklarer ist (MAufg.=2.19; MVerantw.=2.12) als in den anderen drei Schulen

(MAufg.=2.47-2.64; MVerantw.=2.28-2.64) und in der Schule D die Regelungen als am klarsten

wahrgenommen werden (MAufg.=2.64; MVerantw.=2.64).

In einer offenen Frage geben die Lehrpersonen eine Beurteilung ihrer Rolle bezüglich

Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Leitfaden ab. Die Antworten betreffen

unterschiedliche Ebenen. Es werden die Aufgaben der Lehrpersonen beschrieben,

Einschätzungen zur Rolle im Leitfaden abgegeben sowie die Klarheit der Regelung beurteilt:

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 36

• Die Lehrpersonen, die ihre Aufgaben beschreiben, nennen folgende Punkte: Die Aufgabe

der Lehrpersonen ist es zu beobachten und zu erkennen, Gespräche zu führen, erste

Interventionen einzuleiten und schwerwiegendere Fälle an Fachpersonen abzugeben.

• Einige Lehrpersonen betonen, dass sie sich in einer zentralen Rolle mit grosser

Verantwortung sehen und diese Zuschreibung auch befürworten. Eine Lehrperson spricht

hingegen von einer „peripheren Rolle“.

• Einige Lehrpersonen geben eine grundsätzliche Beurteilung zu ihrer Rolle ab und

bezeichnen sie als „in Ordnung“, „angemessen“ und „gut“.

• Wenige Lehrpersonen nehmen ihre Rolle im Leitfaden als „zeitliche und

ressourcenmässige Überforderung“ wahr, die neben dem Unterricht nicht zu schaffen ist.

• Zwei Lehrpersonen beschreiben ihre Rolle im Leitfaden als praxisfern, das Leben laufe

„nicht nach Schema X ab“.

• Bezüglich Regelung der Rollenverteilung geben einige Lehrpersonen an, dass sie ihre

Rolle als klar geregelt und definiert wahrnehmen, insbesondere die Rolle der

Klassenlehrpersonen. Die Rolle der Fachlehrpersonen wird von zwei Personen als unklar

wahrgenommen.

6.1.5 Wissenszuwachs und Handlungssicherheit

Die Lehrpersonen wurden gefragt, ob sie sich im Rahmen des FF-Projekts mehr Wissen über

Symptome und mehr Handlungssicherheit im Umgang mit gefährdeten Schüler/innen

aneignen konnten.

81% der Lehrpersonen geben an, dass sie ihr Wissen über Symptome erweitern konnten.

Dabei konnten 18% ihr Wissen deutlich erweitern und 63% ein wenig. Im Vergleich der vier

Schulen zeigt sich, dass in den Schulen A und C vergleichsweise weniger Lehrpersonen ihr

Wissen erweitern konnten.

Tabelle 11: Wissenszuwachs in den vier Beispielschulen (n=83)

Nein, nicht unbedingt Ja, ein wenig Ja, deutlich

n % n % n %

Schule A 6 31 10 53 3 16

Schule B 3 11 19 68 6 21

Schule C 6 27 12 55 4 18

Schule D 1 7 11 79 2 14

Gesamt 16 19 52 63 15 18

Die 77 Lehrpersonen mit einem Wissenszuwachs wurden gebeten anzugeben, wie sie zu

diesem Wissen gekommen sind. Am häufigsten erlangten die Lehrpersonen zusätzliches

Wissen in schulinternen Weiterbildungen (55 Nennungen). Aber auch schriftliche

Informationen und Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen führten bei der Hälfte der

Lehrpersonen, die diese Frage beantworteten, zu mehr Wissen (vgl. Abbildung 5).

Page 42: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 37

55

3935

26

13

0

10

20

30

40

50

60

SchulinterneWeiterbildung

SchriftlicheInformation

Gespräch mitKollegen

Gespräch mitFachperson

SchulexterneWeiterbildung

An

za

hl

Ne

nn

un

ge

n

Abbildung 5: Vermittlung von Wissen (n=67, Mehrfachnennungen möglich)

Neben den im Fragebogen vorgegebenen Möglichkeiten der Wissensvermittlung berichten die

befragten Lehrpersonen, dass sie sich durch Fachliteratur (drei Nennungen), Ausbildung an

der Pädagogischen Hochschule Zürich (zwei Nennungen) und die Mitarbeit in der

Leitfadenarbeitsgruppe mehr Wissen aneignen konnten.

Zwischen den vier Schulen gibt es keine wesentlichen Unterschiede, was die Art und Weise

der Aneignung von Wissen betrifft. In allen Schulen war die Wissenserweiterung durch

schulinterne Weiterbildung am häufigsten und der Wissenszuwachs durch Gespräche mit

Fachpersonen und schulexterne Weiterbildungen am seltensten.

Neben der Frage nach Wissenszuwachs wurde den Lehrpersonen auch die Frage nach der

Steigerung ihrer Handlungssicherheit gestellt. 78% der Lehrpersonen berichten über mehr

Handlungssicherheit im Umgang mit schwierigen Situationen oder gefährdeten Jugendlichen.

Dabei haben 19% deutlich mehr und 59% ein wenig mehr Handlungssicherheit. Im Vergleich

der vier Schulen zeigt sich, dass in den Schulen A und C vergleichsweise wenige Personen

über mehr Handlungssicherheit berichten, wobei die Entwicklung der Lehrpersonen in der

Schule C sehr unterschiedlich ist. Jeweils ein Drittel berichtet, nicht mehr, ein wenig mehr

oder deutlich mehr Handlungssicherheit zu haben. Die Frage stellt sich, ob und warum nicht

alle Lehrpersonen in gleichem Mass vom FF-Projekt profitieren konnten. In den Schulen B

und D berichtet jeweils ein grosser Teil der Lehrpersonen von einer kleinen Steigerung ihrer

Handlungssicherheit durch das FF-Projekt (vgl. Tabelle 12).

Page 43: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 38

Tabelle 12: Steigerung der Handlungssicherheit in den vier Beispielschulen (n=81)

Nein, nicht unbedingt Ja, ein wenig Ja, deutlich

n % n % n %

Schule A 6 32 11 58 2 10

Schule B 5 18 21 75 2 7

Schule C 6 29 7 33 8 38

Schule D 1 8 9 69 3 23

Gesamt 18 22 48 59 15 19

Die 63 Lehrpersonen, die über mehr Handlungssicherheit berichten, wurden gefragt, was

wesentlich zur Erhöhung beigetragen hat. Aus den Antworten sind vier Bereiche erkennbar,

die bei der Mehrheit zur Steigerung der Handlungssicherheit beitrugen: Der Austausch mit

Kolleginnen und Kollegen (39 Nennungen), der Leitfaden (35 Nennungen) sowie mehr

Wissen über Symptome (35 Nennungen) und Fachstellen (33 Nennungen). Aber auch die

gemeinsame pädagogische Haltung und die verbesserte Kommunikation sind für einige

Lehrpersonen wichtige Elemente für ihre Handlungssicherheit (vgl. Abbildung 6).

39

35 3533

2220

0

10

20

30

40

50

Austausch zumThema

Leitfaden Wissen umSymptome

Wissen umFachstellen

Gemeinsamepädagogische

Haltung

VerbesserteKommunikation

An

za

hl N

en

nu

ng

en

Abbildung 6: Vermittlung von Handlungssicherheit (n=63, Mehrfachnennungen möglich)

In allen vier Schulen trug der Leitfaden wesentlich zu mehr Handlungssicherheit bei. In den

Schulen A und D ist nach Angaben der Lehrpersonen das Wissen um Symptome und

Fachstellen der zweithäufigste Faktor, der Handlungssicherheit vermittelt. In den Schulen B

und C steht hingegen der Austausch im Team über das Thema als wesentlicher

sicherheitsfördernder Faktor im Vordergrund.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 39

6.1.6 Gesamtbeurteilung der Früherkennung und Frühintervention

In einer offenen Frage nennen die Lehrpersonen die zwei aus ihrer Sicht wichtigsten

Veränderungen seit der Einführung der FF. Folgende Bereiche werden von mehreren

Lehrpersonen genannt (in absteigender Häufigkeit):

• Definierte Vorgehensweise, Instrumentarium: Der Leitfaden als solcher wird von rund

einem Drittel der Lehrpersonen als eine wichtige Veränderung genannt. Der Leitfaden

führt nach Aussagen der Lehrpersonen zu einem definierten, klar geregelten Ablauf, der

den Lehrpersonen schriftlich vorliegt. Von einer Lehrperson wird in Ergänzung zur

positiven Veränderung durch den Leitfaden jedoch auch eine negative Veränderung im

Sinne von „mehr Formalismen“ erwähnt.

• Austausch und Unterstützung im Kollegium: Von rund einem Viertel der Lehrpersonen

wird der verbesserte Austausch im Kollegium und mit der Schulleitung sowie der

Schulsozialarbeit erwähnt. Der Austausch im Kollegium hat nach eigenen Aussagen

zugenommen und die Zusammenarbeit hat sich verbessert. Dadurch wird das Kollegium

vermehrt als Unterstützung wahrgenommen: „Das Gefühl, bei Bedarf vom Team

unterstützt zu werden.“

• Sensibilisierung: Einige Lehrpersonen erwähnen, dass nun ein grösseres Bewusstsein für

Probleme und die FF besteht. Die Lehrpersonen sind nach eigenen Aussagen

„sensibilisiert worden für die Symptome“, dadurch wurden sie aufmerksamer und

„Probleme werden eher wahrgenommen“.

• Sicherheit: Von einigen Lehrpersonen wird die höhere Sicherheit im Umgang mit

erkannten Problemen und in der Vorgehensweise (Handlungssicherheit) als wichtigste

Veränderung genannt. Eine Lehrperson beurteilt die Veränderung jedoch als vermeintliche

Sicherheit: „Alibiübung, Früherkennung lässt ruhiger schlafen.“

• Thema zur Sprache bringen: Von mehreren Lehrpersonen wird das Thematisieren der

FF allgemein, aber auch der Probleme und Auffälligkeiten von Schüler/innen als

Veränderung wahrgenommen. Die Probleme werden „ernst genommen“.

• Vereinbarungen mit Schüler/innen und Eltern: Mehrere Lehrpersonen sehen eine

konkrete Verbesserung im Umgang mit schwierigen Schüler/innen. Im definierten Ablauf

ist eine gemeinsame Analyse von Lehrpersonen und Schüler/innen vorgesehen, die in

schriftliche Vereinbarungen mit den Schüler/innen (und evtl. Eltern) münden.

• Wissen: Einzelne Lehrpersonen berichten über mehr Wissen über Symptome und

Fachstellen und sehen dies als wichtige Veränderung durch das FF-Projekt.

• Gemeinsame Haltung: Die gemeinsame pädagogische Haltung wird von einzelnen

Lehrpersonen als wichtige Veränderung erwähnt.

Jeweils drei bzw. zwei Mal werden folgende Punkte als wichtigste Veränderungen erwähnt:

Einheitlichkeit; Klärung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen; eine gewisse

Verbindlichkeit; Kontakt mit Fachpersonen; positive Auswirkungen der Veranstaltungen auf

die Schüler/innen und die allgemeine Grundstimmung auf dem Pausenplatz.

Im Anschluss an die Frage nach den bisherigen Veränderungen wurde die Frage nach

zukünftigen, erhofften Veränderungen gestellt. Die Lehrpersonen erhoffen sich, durch

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 40

vermehrte Aufmerksamkeit und Sensibilisierung Probleme früher erkennen und bearbeiten zu

können. Des Weiteren sollen das FF-Konzept und der Leitfaden noch besser im Schulalltag

verankert werden und die gemeinsame pädagogische Haltung noch weiterentwickelt werden.

Dadurch kann eine „Kultur des Hinschauens und Aussprechens“ entstehen. Als weitere

Veränderungen, die in Zukunft noch mit der FF erreicht werden können, werden von

mehreren Lehrpersonen eine verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit im Team, die

Vernetzung mit externen Fachstellen und die intensive Unterstützung der Schüler/innen in

schwierigen Situationen genannt.

Notwendige Anpassungen im bisherigen Konzept können nur wenige Lehrpersonen nennen.

Einige Anmerkungen lassen darauf schliessen, dass es aus der Sicht vieler Lehrpersonen noch

zu früh ist, um Anpassungen vorzunehmen. Als einer der wenigen Vorschläge wird der

stärkere Einbezug der Eltern genannt. Auch die Ausweitung der Früherkennung auf

Belastungen bei den Lehrpersonen wird in mehreren Antworten angesprochen.

6.1.7 Zusammenfassung und Fazit

Der hohe Bekanntheitsgrad der FF-Konzepte in den vier Schulen zeigt, dass das Thema von

den Lehrpersonen zur Kenntnis genommen und bearbeitet wurde. Die Erarbeitung des

Konzepts fand teilweise partizipativ statt, 90% der Lehrpersonen konnten sich nach ihrer

Ansicht zumindest zum Teil am Entwicklungsprozess beteiligen. Der partizipative Ansatz,

d.h. der Einbezug des Kollegiums in die Konzeptentwicklung, wird von den Projektträgern

(BAG, SNGS und HSA Luzern) gefordert und ist im Allgemeinen ein Erfolgsfaktor für

Präventionsprojekte. Unter diesen Voraussetzungen ist der Einbezug der Lehrpersonen positiv

zu bewerten, könnte aber noch verstärkt werden.

Im Rahmen des Projekts konnten drei Viertel der Lehrpersonen mehr Sicherheit im Umgang

mit schwierigen Situationen oder gefährdeten Jugendlichen erlangen. Dies zeigt, dass das FF-

Projekt in diesem Punkt positive Veränderungen bei den Lehrpersonen bewirkt hat. Die drei

wesentlichen Komponenten, die zu höherer Handlungssicherheit führten, sind der Austausch

im Kollegium zur FF, der Leitfaden und das erweiterte Wissen über Symptome und

Fachstellen.

Der vermehrte Austausch im Kollegium wird von einigen Lehrpersonen als eine der

wichtigsten Veränderungen durch das Projekt eingeschätzt und führt zu einem verstärkten

Teamgefühl und zu mehr Sicherheit des/der Einzelnen. Demnach hat allein der Austausch

über das Thema, der durch das Projekt angeregt wurde, positive Wirkung gezeigt und kann als

wichtiger und förderungswürdiger Bestandteil des Projekts bezeichnet werden.

Der Leitfaden als Instrumentarium der FF wird als zentrales Ergebnis des FF-Projekts

bewertet. Bei den Lehrpersonen besteht mehrheitlich Bedarf an einem solchen

Instrumentarium, wobei der allgemeine Bedarf für die Schule grösser eingeschätzt wird als

der persönliche Bedarf. Dies ist nicht untypisch. Es ist zu vermuten, dass von den

Lehrpersonen eher ein allgemeiner Bedarf an definierten Abläufen wahrgenommen wird, die

vor allem für neue oder unsichere Lehrpersonen als Leitlinien dienen sollen, jedoch für

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 41

erfahrene Lehrpersonen aus ihrer Sicht nicht unbedingt notwendig sind. Die Beurteilung der

Leitfäden fällt mehrheitlich positiv aus. Alle Leitfäden sind aus der Sicht der Lehrpersonen

übersichtlich und nachvollziehbar. Optimierbar sind die Anpassung an die Schule und die

eigenen Bedürfnisse sowie die Praxistauglichkeit der Leitfäden. Der Gestaltungsspielraum im

Leitfaden bezüglich der Umsetzung von Massnahmen und des Einbezugs von weiteren

Personen wird als mittel bis hoch bewertet. Die Rolle der Lehrpersonen ist aus ihrer Sicht im

Leitfaden geregelt und die Lehrpersonen nehmen sie als zentral und angemessen wahr. Nur

wenige Lehrpersonen merken an, dass der Einsatz der Leitfäden eine zeitliche Überforderung

darstellt. Die insgesamt positive Beurteilung des Leitfadens spiegelt sich auch in der

bisherigen Anwendung wider. Ein Drittel der befragten Lehrpersonen hat den Leitfaden

bereits eingesetzt, wobei sich die Angaben in den vier Schulen aufgrund des

Einführungszeitpunkts des Leitfadens deutlich unterscheiden.

Der Wissenszuwachs wird als dritte Komponente für eine gesteigerte Handlungssicherheit

genannt. 81% der Lehrpersonen geben an, dass sie ihr Wissen über Symptome erweitern

konnten, hauptsächlich in schulinternen Weiterbildungen, durch schriftliche Informationen

und wiederum im Austausch mit Kolleg/innen. Neben dem Wissen um Symptome wird auch

das Wissen um Fachstellen als sicherheitsfördernd eingeschätzt. Die Lehrpersonen berichten

nicht nur von mehr Wissen, sondern auch von einer verstärkten Sensibilisierung für

Symptome und die Früherkennung als positive Veränderung durch das Projekt.

Die gemeinsame pädagogische Haltung wird von den Lehrpersonen insgesamt nicht als

zentrale Komponente für die Handlungssicherheit betrachtet. Es stellt sich also die Frage,

welchen Stellenwert die Haltungsentwicklung im FF-Projekt einnimmt. Die Entwicklung

einer gemeinsamen pädagogischen Haltung im Umgang mit Gefährdungen bei Schüler/innen

ist in den Schulen ein Thema, scheint jedoch noch nicht abgeschlossen zu sein. In keiner

Schule sind die Lehrpersonen einer Meinung, was den Stand der Entwicklung einer

gemeinsamen pädagogischen Haltung betrifft, wobei die Hälfte der Lehrpersonen der Ansicht

ist, dass im Projekt eine solche Haltung entwickelt wurde.

Insgesamt zeigen die Antworten der Lehrpersonen, dass mit dem FF-Projekt positive

Veränderungen erreicht werden konnten und der Leitfaden als Instrument akzeptiert wird.

Zwischen den Schulen bestehen jedoch Unterschiede, sowohl im Prozess wie auch in den

Ergebnissen, die detaillierter und im Zusammenhang betrachtet werden müssen (vgl.

Kap.6.3).

6.2 Die Perspektive der Steuergruppenmitglieder

In allen vier Beispielschulen fanden Interviews mit vier bis sechs Mitgliedern der

Steuergruppe statt. Interviewpartner in allen vier Schulen waren die Schulleitung bzw. der

Prorektor, die Beratungsperson für das FF-Projekt, die Schulsozialarbeit bzw.

Schülerberatung und mindestens eine Lehrperson. In der Schule D waren auch der Schulrat

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 42

und die Elternvereinigung in der Steuergruppe vertreten und wurden daher ebenfalls

interviewt. Insgesamt wurden zwanzig Interviews durchgeführt.

6.2.1 Ausgangslage

Die Teilnahme am FF-Projekt wurde in den Schulen A, C und D durch die Initiative der

Schulleitung und Schulsozialarbeit ausgelöst. In der Schule B, an die auch ein Internat

angeschlossen ist, wirkte zudem einer der beiden Internatsleiter (zugleich Lehrperson) darauf

hin, dass es zur Teilnahme am FF-Projekt kam. Die Schule A, die als einzige einen offiziellen

Auftrag der Gemeinde zur Gesundheitsförderung und eine hierfür beauftragte Person hat, liess

sich die Teilnahme am Projekt nach der im Kollegium getroffenen Entscheidung noch durch

einen offiziellen Auftrag der Schulbehörde bestätigen. Die offizielle Bestätigung war jedoch

unabhängig von der zugrunde liegenden Entscheidung der Schulleitung und hatte vielmehr

informativen Charakter.

Eine Einflussnahme des privaten Schulträgers auf die Entscheidung zur Teilnahme am Projekt

ist in der Schule B festzustellen. Aufgrund der privaten Trägerschaft besteht nach der Aussage

des befragten Schulleiters eine verstärkte Notwendigkeit, durch die Teilnahme an solchen

Projekten einen Qualitätsausweis zu schaffen. Allerdings bestand auch hier keine offizielle

Verpflichtung, am Projekt teilzunehmen.

In keiner der Beispielschulen führte ein konkreter Anlass zur Teilnahme am Projekt.

Hinsichtlich der Ausgangslage zu FF verweisen alle befragten Personen der vier Schulen auf

frühere Bemühungen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention. Dabei wurde die

Ausgangslage von allen befragten Personen der vier Schulen als weitgehend unstrukturiert mit

lediglich vereinzelten Massnahmen beschrieben. Diese waren zudem überwiegend zu Themen

der Gesundheitsförderung und Prävention durchgeführt worden, nicht jedoch zu spezifischen

Themen der FF. Die Beratungsperson der Schule B beispielsweise beschreibt das bisherige

Vorgehen der Lehrpersonen wie folgt: „(…) dass sie bisher über keine Strukturen zur

Früherkennung verfügt haben. Sie machten es zwar auch, aber jeder machte es ein bisschen

zufällig oder zufällig frühzeitig angefangen mit dem Thema in der Begleitung von

Schülerinnen und Schülern. Also, ein Thema war es, aber es wurde zufällig wahrgenommen,

oder eben auch nicht, oder später, oder zu spät, ab und zu.“

6.2.2 Projektleitung und Projektsteuergruppe

In allen Beispielschulen liegt die Projektleitung bei den Schulleitungen bzw. beim Prorektor.

Die Schule D hat mit ihrer Beratungsperson eine Co-Leitung installiert. Die Projektleitungen

beschreiben sich als „Motor“ und „Hüter“ des Projekts. Sie setzen den Zeitplan für das

Projekt fest und bringen Vorschläge für die Themenschwerpunkte ein. Zu ihren

organisatorischen Aufgaben zählt die Einberufung und Leitung von Sitzungen der

Steuergruppen. Auch wird durch die Projektleitung der Kontakt zur Beratungsperson

aufrechterhalten. Eine Schulleitung weist auf die Wichtigkeit der Projektleitung durch die

Schulleitung hin: „Wir haben auch Angst gehabt, dass wenn die Schulleitung nicht an

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 43

vorderster Front mit dabei ist, dass es dann ein wenig schwieriger werden könnte. (…) Dass

nicht mit der gleichen Seriosität - sage ich jetzt mal - das Projekt aufgegleist wird.“

Die Zusammenarbeit in den Projektsteuergruppen, die sich aus Projektleitung,

Lehrpersonen/Internatsbetreuung, Schulsozialarbeit/Schülerberatung und in der Schule D

auch aus Vertretungen des Schulrats und der Elternvereinigung zusammensetzen, ist in allen

Schulen intensiv. In allen vier Schulen wurden in einer kleinen Kerngruppe Vorarbeiten, z.B.

die Feinplanung, die Schwerpunktsetzung und der Entwurf des Interventionsleitfadens,

geleistet. Diese Kerngruppen setzen sich in den Schulen A, B und D aus der Projektleitung

und der Beratungsperson, in der Schule C aus der Projektleitung, der Schulsozialarbeitenden

und der Beratungsperson zusammen. In den Steuergruppen werden die Vorschläge aus der

Kerngruppe besprochen, um dann eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Das heisst, es

kann in allen Schulen von einem ansatzweise partizipativen Vorgehen gesprochen werden.

Die Lehrpersonen in den Steuergruppen haben neben der inhaltlichen Entwicklung der

Leitfäden und der Durchführung von Veranstaltungen v.a. die Aufgabe, den Informationsfluss

zwischen dem Kollegium und der Steuergruppe aufrechtzuerhalten; sie sollen darüber hinaus

auch „Lobby-Arbeit machen, dass die Lehrpersonen verstehen, was überhaupt ein solches

Konzept im Haus drinnen soll für eine Wirkung haben“ (Lehrperson Schule B). In der Schule

D beteiligen sich Vertretungen der Elternvereinigung und des Schulrats als Mitglieder der

Steuergruppe an der Projektgestaltung. Die Aufgabe dieser Personen besteht hauptsächlich

darin, den Informationsfluss zur Elternvereinigung bzw. zum Schulrat zu sichern. Die

Teilnahme der Vertretung des Schulrats wird als ideelle Unterstützung wahrgenommen, die

dem Projekt nach aussen, z.B. bei Veranstaltungen für Eltern, mehr Gewicht gibt. Die

Vertretungen der Elternvereinigung beteiligen sich hauptsächlich an der Organisation von

Veranstaltungen und der Ausarbeitung von Informationen für die Eltern. Die

Zusammensetzung der Projektsteuergruppen und der Kerngruppen wird durchweg in allen

Schulen als sinnvoll beurteilt. Durch die Beteiligung von Lehrpersonen in der Steuergruppe

können aus der Sicht einer Schulleitung zu erwartende Konflikte bereits vordiskutiert und für

die Diskussion im Gesamtkollegium vorbereitet werden: „Dass dort einfach gewisse

Widerstände bereits in der Steuergruppe kommen, (…) und nicht erst am Konvent“

(Schulleitung Schule C). Einzig der Aufwand für die Mitarbeit im Verhältnis zu den zur

Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen wird als negativer Punkt angeführt.

6.2.3 Ressourcen für das Projekt

Die Steuergruppenmitglieder aller vier Schulen sind sich einig darin, dass das Projekt mehr

finanzielle Ressourcen benötigt als vonseiten des BAG zur Verfügung steht. Insbesondere die

Motivation leidet unter den zu geringen Ressourcen: „Ja, wenn dann alles so ein wenig

daneben her läuft und dann auch noch nicht mal bezahlt ist, dann wird es schwierig, die Leute

bei der Stange zu halten und zu motivieren“ (Beratungsperson Schule D). Drei Schulen

konnten zusätzliche eigene Mittel in das Projekt investieren. Zum einen aus Mitteln für die

Gesundheitsförderung und Lehrpersonenweiterbildung, zum anderen aus zusätzlichen

Budgetbeträgen. Eine Schule jedoch musste in den ersten zwei Projektjahren fast gänzlich

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 44

ohne zusätzliche Mittel auskommen, da sie erst im Herbst 2005 in das Projekt eingestiegen

ist, als das Budget für das kommende Jahr bereits entschieden war. Zu Beginn bestand in

dieser Schule die Erwartung, dass das Projekt ohne zusätzliche Ressourcen durchgeführt

werden könnte. Diese Erwartung hat sich nach eigenen Aussagen nicht bestätigt. Die

finanzielle Situation wurde von den Steuergruppenmitgliedern als sehr schwierig

wahrgenommen.

Insgesamt werden die Gelder hauptsächlich für Weiterbildungsveranstaltungen für

Lehrpersonen, für die Beratungsperson und für die Entwicklung von Produkten (Leitfaden,

Informationen für Eltern) ausgegeben.

In Zusammenhang mit den finanziellen Ressourcen werden auch die zeitlichen Ressourcen

der Steuergruppenmitglieder und des Projekts thematisiert. Die Schulleitungen als

Projektleitende haben in drei der vier Beispielschulen keine zusätzlichen Ressourcen zur

Verfügung (in einer Schule ist dieser Punkt aus den Interviews nicht ersichtlich). Das Projekt

wird von den Schulleitungen als „intensiv“ und zeitaufwendig empfunden. Andere Aufgaben

der Schulleitungen wurden in der Projektzeit nicht reduziert: „Aber es war manchmal schon

schwierig, weil ich habe ein sehr breites Aufgabenspektrum und das ist einfach noch etwas,

das ich zusätzlich mache“ (Prorektor Schule B). Dieser zeitliche Aufwand wurde auch nicht

von allen in dem Masse erwartet: „Ich finde, von den Rahmenbedingungen her, wäre es gut

gewesen, wenn man gewusst hätte: Hört zu, wir schätzen, dass das Projekt 10% mehr

Aufwand gibt für Schulsozialarbeit und für die Schulleitung, damit man das Projekt so

budgetieren kann“ (Schulleitung Schule D). Bei der Beurteilung der Belastung für die

Lehrpersonen gehen die Einschätzungen auseinander: In zwei Schulen ist im Pensum für die

Lehrpersonen die Mitarbeit in einem Projekt oder einer Qualitätssicherungsmassnahme

vorgesehen. In diesen Schulen können die Lehrpersonen die Mitarbeit in der Steuergruppe

entsprechend verrechnen. In den beiden anderen Schulen muss die Projektarbeit zusätzlich

geleistet werden: „Für uns ist es einfach noch zusätzlich gewesen. (…) Wenn man sieht, was

sonst im Schuljahr alles läuft, und dann kommt dann eben das noch dazu, dann wird es etwas

schwierig“ (Lehrperson Schule D). Aus der Sicht einer Schulleitung ist es in dieser Situation

notwendig, den Arbeitsaufwand für die Lehrpersonen gering zu halten. Auch die

Schulsozialarbeitenden beteiligen sich im Rahmen ihrer Anstellung am Projekt. Die beiden

Schulsozialarbeitenden, die nicht als Beratungsperson tätig sind, haben aus ihrer Sicht

genügend zeitliche Ressourcen, um am Projekt mitzuarbeiten. Da Projektarbeit ohnehin zu

ihrem Auftrag gehört, konnten sie dafür Ressourcen einsetzen.

Im Hinblick auf die Beurteilung der zeitlichen Ressourcen für das Projekt wird die

Möglichkeit, ein Jahr zu verlängern, von allen Schulen positiv bewertet. Dieses zusätzliche

Jahr wird aus Sicht der Akteure für die Umsetzung des erarbeiteten Konzepts und die

Erprobung und Überarbeitung der Interventionsleitfäden benötigt. Die Laufzeit von drei

Jahren wird als ausreichend für die Verankerung von FF bewertet, jedoch nicht für die

Vernetzung mit externen Fachstellen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 45

6.2.4 Rolle der Beratungsperson

Die Zusammenarbeit mit der Beratungsperson wird von den befragten

Steuergruppenmitgliedern in allen Schulen positiv beurteilt. Die Arbeit und die fachlichen

Kompetenzen der Beratungspersonen werden sehr geschätzt und als hilfreich wahrgenommen.

Die Schulleitung der Schule A beschreibt die Tandembildung von Schule und

Beratungsperson als wesentliches Element des Projekts: „Also, was ich sehr gut finde, ist

natürlich, eine externe Person, eine Fachperson dabeizuhaben. Das finde ich eigentlich das

Wichtigste“.

Die Aufgabe der Beratungspersonen ist zum einen das Beobachten, Beraten und Reflektieren

des Prozesses aus der Aussenperspektive, zum anderen übernehmen sie auch konkrete

Aufgaben innerhalb des Projekts, wie z.B. die Mitentwicklung der Leitfäden und die

Mitgestaltung der schulinternen Weiterbildungen. Im Vergleich der vier Schulen zeigt sich,

dass die Beratungspersonen grösstenteils ähnliche Aufgaben ausführen. In der Schule D, in

der die Beratungsperson auch Co-Projektleiterin ist, übernimmt sie jedoch deutlich mehr

Aufgaben und sieht sich auch - wie die Schulleitung - als „Motor“ des Projekts.

Die Interviewten sehen sowohl in der Beratung durch schulexterne Personen wie auch in der

Beratung durch die Schulsozialarbeitenden Vor- und Nachteile (siehe Tabelle 13).

Tabelle 13: Vor- und Nachteile der externen und internen Beratung

Vorteile Nachteile

Externe Beratungsperson (Mitarbeitende von Fachstellen / selbstständig Erwerbende)

- externer Blick - Neutralität, da nicht im Beziehungs- geflecht der Schule drin - kennt auch die Situation in anderen Schulen - mehr fachspezifisches Know-how zu Suchtprävention

- Informationsfluss zw. Projektleitung und Beratungsperson bringt mehr Aufwand mit sich - Informationen aus zweiter Hand (von Schulleitung) - Konfliktgefahr zwischen externer Beratungsperson und Schulsozialarbeit

Interne Beratungsperson (Schulsozialarbeiterin)

- Präsenz im Schulhaus, dadurch Kontaktaufnahme mit kleinem Aufwand möglich - Wissen über schulinterne Strukturen - Wissen über aktuelle Themen der Schüler/innen und Lehrpersonen

- Weniger Anerkennung als Fachperson für FF bei den Lehrpersonen - Gefahr durch Doppelrolle zu viele Aufgaben zu übernehmen

Für die Befragten überwiegen die Vorteile durch eine externe Beratung deutlich. Auch in der

Schule D sind die Interviewten der Meinung, dass, obwohl die Schule von der eigenen

Schulsozialarbeiterin nach eigenen Aussagen sehr gut begleitet wird, der externe Blick doch

ein zusätzlicher Gewinn gewesen wäre. Externe Beratungspersonen können den

Projektprozess mit grösserer Distanz begleiten und sehen so die positiven Entwicklungen,

aber auch Schwierigkeiten, welche die schulinternen Personen (noch) nicht wahrnehmen.

In der Schule C wird die externe Beratungsperson durch die Schulsozialarbeiterin als interne

Fachperson in der Beratungsrolle ergänzt. Dadurch entwickelte sich in diesem Schulhaus eine

doppelte Beratung mit der Fachperson als „externe Beratung“ und der Schulsozialarbeiterin

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 46

als „interne Beratung“. Aus der Sicht der Beratungsperson sind so Synergien entstanden, die

zwei unterschiedliche Blickwinkel, den schulinternen und den externen abdecken.

6.2.5 Ressourcen der Beratungsperson

Als entscheidende Ressource und Kompetenz der Beratungsperson wird von den befragten

Personen die Fähigkeit zur Prozessgestaltung genannt. Hier leisteten die Beratungspersonen

in allen vier Schulhäusern einen wichtigen administrativen Support für die Entwicklung der

Interventionsleitfäden und anderer Konzepte im Zusammenhang mit FF, wie z.B.

Intervisionsgruppen oder Lehrpersonenfortbildungen.

Die Beratungspersonen der Schulen A und B konnten zudem auf Vorerfahrungen im Bereich

der Entwicklung von Interventionsleitfäden in anderen Schulen zurückgreifen, die sie den

jeweiligen Mitgliedern der Steuergruppe sowohl in Form von Information als auch in Form

von konkreten Textvorlagen zur Verfügung stellten. Die Mitglieder der beiden Steuergruppen

empfinden diese Vorerfahrung der Beratungsperson als positiv.

Die Schulleitung der Schule B stellte für die Beratungsperson über die finanziellen Mittel des

BAG hinaus weitere Gelder zur Verfügung. Durch diese zusätzlichen Mittel, die deutlich über

den vom BAG bereitgestellten lagen, konnten der Beratungsperson umfassende

Zeitressourcen bereitgestellt werden. Nach der Einschätzung der Schulleitung und der

Beratungsperson der Schule B wäre ohne diese Aufstockung der finanziellen Ressourcen die

Beratung der Steuergruppe nicht in der geleisteten Form möglich gewesen.

6.2.6 Rolle der schulinternen Hilfeangebote

In einer Beispielschule sind die Schülerberatung, in den anderen drei Beispielschulen die

Schulsozialarbeit als interne Hilfsangebote präsent und in den Steuergruppen vertreten. Die

beiden Lehrpersonen, die gleichzeitig Schülerberatung anbieten, haben in der Steuergruppe

die gleichen Aufgaben wie die anderen Lehrpersonen. Das heisst, sie arbeiten u.a. an der

Leitfadenentwicklung mit und erhalten den Informationsfluss zwischen dem Kollegium und

der Steuergruppe aufrecht. Ähnlich verhält es sich nach eigenen Angaben mit der

Schulsozialarbeiterin der Schule A. Die Schulsozialarbeiterinnen der anderen beiden Schulen

haben im Gegensatz dazu einen deutlich grösseren Aufgabenbereich innerhalb des Projekts,

der sich auch von den Aufgaben der Lehrpersonen in der Steuergruppe unterscheidet. Nach

eigenen Angaben haben sie eine beratende Funktion - in der Schule C als Ergänzung zur

externen Beratungsperson, in der Schule D als offizielle Beratungsperson. In diesen beiden

Schulen wird die Notwendigkeit des Einbezugs der Schulsozialarbeit in das FF-Projekt

betont: „Die haben eine Rolle, eine Funktion, auch im ganzen Prozess der Früherkennung,

eine wichtige. Und angenommen, die Schulsozialarbeiterin wäre nicht da drin integriert

gewesen, das geht gar nicht, weil ich finde, es ist zwingend“ (Beratungsperson Schule C).

Die Rolle der schulinternen Hilfsangebote in der FF wird von den Interviewten wie folgt

beschrieben: Die Schülerberatung, welche zur Zeit des FF-Projekts noch von Lehrpersonen

durchgeführt wird, wird vor allem für Interventionen bei Lernschwierigkeiten, aber auch bei

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 47

persönlichen Problemen der Schüler/innen eingesetzt. Bei schwerwiegenderen Problemen

verweist die Schülerberatung nach eigenen Aussagen an externe Fachstellen wie z.B. den

Schulpsychologischen Dienst. Die Schulsozialarbeit übernimmt einen wesentlichen Teil der

Frühintervention. In der Schule D übernimmt die Schulsozialarbeiterin auch aktiv einen Teil

der Früherkennung, indem sie mit den Schüler/innen der ersten Klassen ein paar Wochen

nach Schulbeginn „Feedbackgespräche“ zu ihrem momentanen Befinden führt. Diese

Gespräche haben sich aus der Sicht der Schulsozialarbeiterin bewährt und werden weiterhin

beibehalten. Als weitere Aufgaben geben alle befragten Schulsozialarbeitenden die Beratung,

Krisen- und Konfliktintervention sowie die Vernetzung mit externen Fachstellen an. Durch

das FF-Projekt hat sich nach eigenen Aussagen nichts im Aufgabenbereich der

Schülerberatung und Schulsozialarbeit oder in der Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen

verändert. Die erwähnten Aufgaben in der FF führten diese schon vor dem Projekt aus. Neu

ist, dass das Vorgehen durch die Leitfäden nun schriftlich festgehalten wird, was zu einer

Klärung im Ablauf geführt hat: „Es ist viel mehr Transparenz da, wo steht man mit einzelnen

Schülern“ (Schulsozialarbeiterin Schule C). Die Schnittstellen zwischen Schulleitung,

Lehrperson und Schülerberatung/Schulsozialarbeit sind nun klarer definiert, was als

deutlicher Gewinn bewertet wird.

6.2.7 Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung

Aus den Interviews wird deutlich, dass in den vier Beispielschulen die Entwicklung einer

gemeinsamen pädagogischen Haltung als ein Teil der FF unterschiedlich gehandhabt wurde:

• In den Schulen B und C hat eine Auseinandersetzung im Kollegium mit der pädagogischen

Haltung stattgefunden. In der Schule C konnte nach eigenen Aussagen eine gemeinsame

Haltung entwickelt werden, in der Schule B noch nicht.

• In der Schule D kam das Thema in einer schulinternen Weiterbildung zur Sprache, eine

feststellbare Veränderung fand jedoch noch nicht statt. Von mehreren Mitgliedern der

Steuergruppe wird angedeutet, dass die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen

Haltung in Zukunft intensiver angegangen werden sollte.

• In der Schule A wurde die gemeinsame Haltung nicht thematisiert, eine Bearbeitung des

Themas im Kollegium wird von den interviewten Steuergruppenmitgliedern nicht erwähnt.

In den Schulen B und C, in denen die gemeinsame pädagogische Haltung ein Hauptthema

war, fand in den Kollegien eine Auseinandersetzung statt, jedoch mit unterschiedlichem

Ergebnis. In der Schule B wird von den Steuergruppenmitgliedern tendenziell keine

Änderung der Haltung bzw. keine Entwicklung einer gemeinsamen Haltung festgestellt. In

der Schule C stellte die Entwicklung der Haltung nach Aussagen der Akteure eine der

wesentlichen Veränderung durch das FF-Projekt dar: „Wo sehr grosse Unterschiede waren,

ist beim Umgang mit den schwierigen Schülern. (…) Da sind wir jetzt mit dem Projekt

wesentlich näher zusammengekommen und haben eine gemeinsame Linie gefunden“

(Schulleitung Schule C). Die Veränderung wird als „weg vom Einzelblick auf das Gesamte“

(Beratungsperson Schule C) beschrieben, die zu einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl

gegenüber den Schüler/innen führte. Als konkretes Beispiel wird die Einigung über den

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 48

Umgang mit Regelverstössen von Schüler/innen genannt. Dennoch ist auch in der Schule C

die Entwicklung der gemeinsamen pädagogischen Haltung nach Aussage der Schulleitung

noch nicht abgeschlossen.

Aufgrund der ersichtlichen Differenz hinsichtlich des Erfolgs, eine gemeinsame pädagogische

Haltung im Umgang mit gefährdeten Schüler/innen zu entwickeln, stellt sich die Frage,

welche Einflussfaktoren zur erfolgreichen Entwicklung beitragen bzw. welche Faktoren

hinderlich sind. Aus den Gesprächen mit den Steuergruppenmitgliedern der Schulen B und C

werden zwei Gründe für die unterschiedliche Entwicklung erkennbar: die Intensität der

Auseinandersetzung mit diesem Thema und das Rollenverständnis der Lehrpersonen.

In der Schule C wurde vonseiten der Schulleitung eine intensive Auseinandersetzung mit der

pädagogischen Haltung initiiert und auch forciert: „Wir haben ja beim Umgang mit

gemeinsamen Regeln sehr viel Zeit investiert, bis es den Lehrern zum Teil wirklich zum Hals

herausgehangen ist“ (Schulleitung Schule C). In mehreren Veranstaltungen wurde ein

konkretes Beispiel aus dem Schulalltag bearbeitet und diskutiert und so eine gemeinsame

Haltung entwickelt. Diese Intensität der Auseinandersetzung mit der Haltung wird in keiner

der drei anderen Schulen ersichtlich.

Wie bereits erwähnt, scheint das Rollenverständnis der Lehrpersonen ein weiterer

Einflussfaktor auf die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung im Umgang mit gefährdeten

Schüler/innen zu sein. In der Schule B musste nach Aussagen mehrerer

Steuergruppenmitglieder zuerst eine grundlegende Diskussion darüber geführt werden, ob FF

überhaupt zum Auftrag der Lehrpersonen gehört. Es bestehen konträre Meinungen darüber,

ob Lehrpersonen einen reinen Bildungsauftrag im Sinne von Wissensvermittlung haben oder

auch einen Erziehungsauftrag erfüllen sollen. Aus der Sicht des Prorektors der Schule B ist es

jedoch Voraussetzung für eine erfolgreiche FF, dass die Lehrpersonen auch einen

Erziehungsauftrag wahrnehmen: „Und einige haben das Gefühl auch, das geht mich

eigentlich nichts an, mein Job ist, Unterricht zu machen (…). Und das ist eben nicht das, was

wir uns vorstellen, und das kann es nicht sein, sondern es müssen wirklich alle mitwirken und

da den pädagogischen Auftrag, der sich dahinter verbirgt auch, oder mit dem das verbunden

ist, den wahrnehmen.“ In dieser grundlegenden Diskussion über den pädagogischen Auftrag

der Lehrpersonen stellen die Beratungsperson und der Prorektor der Schule B tendenzielle

Unterschiede zwischen Lehrpersonen der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II fest.

Lehrpersonen der jüngeren Schüler/innen (Sekundarstufe I) sind offener gegenüber

pädagogischen, erzieherischen Anliegen als die Lehrpersonen der älteren Schüler/innen. Der

Prorektor der Schule B führt als eine mögliche Erklärung an, dass sich die Lehrpersonen bei

den jüngeren Schüler/innen „schneller in der Rolle auch des Helfenden oder des

Unterstützenden sehen (…). Und bei den Ältern sagt man eher, die müssen das selber auf die

Reihe kriegen, sind alt genug.“ Demnach zeichnet sich ein unterschiedliches

Rollenverständnis zwischen Lehrpersonen der Sekundarstufe I und II ab, die sich auch auf

dem Alter der Schüler/innen begründet. Durch dieses unterschiedliche Rollenverständnis

konnte bisher keine gemeinsame Haltung entwickelt werden.

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6.2.8 Entwicklung schulinterner Strukturen

Die Befragten stellen fest, dass durch das FF-Projekt zum einen eine Neugestaltung

vorhandener schulinterner Strukturen, zum anderen aber auch die Schaffung neuer Strukturen

der Zusammenarbeit an den Schulen bewirkt wurde.

So wurde das Thema FF in bereits vorhandene schulinterne Fortbildungseinheiten für

Lehrpersonen aufgenommen und vertieft behandelt (Schule D). Mit den Schüler/innen der

Schule D wurde das Thema im Rahmen von Projekttagen (Gesundheitstagen) behandelt, die

aufgrund des Projektes nicht nur zum Thema FF gestaltet, sondern nun auch vermehrt

durchgeführt werden: „Also man hat auch (…) in Zusammenhang mit dem Projekt, (…) haben

sie draussen so einen erlebnispädagogischen Tag. Das trägt natürlich auch zur Prävention

oder Früherkennung, Frühintervention bei. So Kennenlern-Tage oder solche Sachen laufen

jetzt schon mehr. Und sie haben, glaube ich, auch eine Arbeitsreihe entworfen, wo die

Schulsozialarbeiterin im ersten Quartal recht stark in den Klassen dabei ist“ (Lehrperson

Schule D).

Als durch das FF-Projekt neu geschaffene schulinterne Unterstützungsstrukturen sind die

Intervisionsgruppen der Schule B sowie die Feedback-Partnerschaften in Schule C zu nennen,

beides wurde durch die jeweilige Beratungsperson initiiert.

Alle befragten Personen der Steuergruppe der Schule B bewerteten die Intervisionsgruppen

als ausgesprochen hilfreich, problematisches Verhalten von Schüler/innen konstruktiv zu

thematisieren. Das von der Beratungsperson ausgearbeitete Konzept der Intervision regelt den

organisatorischen Rahmen, wie Lehrpersonen auftretende Probleme in ihrer

Intervisionsgruppe reflektieren. „Ein wichtiger Punkt, denke ich auch, ist die Intervision.

Also, ich denke, das ist ein gutes Instrument, einerseits, um wirklich halt da arbeiten zu

können, wirklich auch zu schauen, wie gehen wir mit diesem Interventionsmodell wirklich

einfach um (…) Die Sensibilität hoch zu halten, und gleichzeitig passiert einfach auf eine gute

Art und Weise eine Teamentwicklung. Und da merke ich einfach, da ist einfach gut und

wichtig, dass man da auch wirklich auch Leute hat, die diese Intervision dann auch leiten,

weil die Leute sind einfach noch, wenn sie das selber arrangieren müssen, (…) zum Teil

einfach überfordert“ (Lehrperson Schule B).

In der Schule C wurde durch die Einführung von Feedback-Partnerschaften eine schulinterne

Struktur des Austauschs unter den Lehrpersonen angeregt: „(…) dass man einmal geübt hat,

Feedbacks zu geben. Also sich gegenseitig zu besuchen und so Feedback-Partnerschaften.

Und auch einmal geschaut, wie man das überhaupt machen kann. Es gibt ja da auch

verschiedene Methoden“ (Beratungsperson Schule C). Die Mitglieder der Steuergruppe der

Schule C thematisieren bei ihrer Befragung die Feedback-Partnerschaften jedoch nicht oder

nur beiläufig.

6.2.9 Partizipation der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern

Durch das Projekt wurde in den Reihen der Steuergruppenmitglieder und der

Beratungspersonen nach deren eigenen Aussagen eine positive Haltung gegenüber dem

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 50

Einbezug von Schüler/innen sowie von Eltern in den Prozess entwickelt. Die Umsetzung der

Partizipation erfolgte jedoch ausschliesslich dahingehend, Schüler/innen als Zielgruppe von

bestimmten Aktionen, anzusprechen, ohne sie im Vorfeld bei der Gestaltung der Massnahmen

einzubeziehen oder sie zu befragen, um ihre Problemlagen zu erfassen. In der Schule C

fanden bisher noch keine Veranstaltungen für die Schüler/innen statt. Schule D führte zwar

Veranstaltungen durch, sieht jedoch die bislang fehlende Partizipation der Schüler/innen im

Sinne einer Mitgestaltung als Grund, das Projekt um ein Jahr zu verlängern.

Ein konstanter Einbezug der Eltern in den Projektverlauf erfolgt in Schule D, in der zwei

Eltern festes Mitglied der Steuergruppe sind. „Nicht in dem Sinne eigentlich, dass wir eine

tragende oder leitende Funktion haben, wir sind zwar eigentlich immer an diesen Sitzungen

mit dabei gewesen, haben dort unseren Input usw. eingebracht, haben das immer wieder in

die Elternvereinigung hineingetragen, Feedback eingeholt, im Prinzip eigentlich das

Bindeglied von der Elternvereinigung her in diese Steuergruppe hinein“ (Elternvertretung

Schule D). In den Steuergruppen der drei anderen Schulen sind keine Eltern beteiligt.

6.2.10 Entwicklung, Akzeptanz und Wirkung der Leitfäden

Entwicklung der Interventionsleitfäden

Wie bereits aus der Dokumentenanalyse ersichtlich, wurden in allen vier Beispielschulen

Interventionsleitfäden entwickelt. Zuvor führten die Schulen jeweils eine Situationsanalyse

durch. In der Schule A wurde von der Beratungsperson eine sehr umfassende empirische

Situationsanalyse zur Gefährdungslage der Schüler/innen durchgeführt.

Die grundlegenden konzeptionellen Überlegungen wurden in allen Schulen in der

Steuergruppe oder einer speziellen Arbeitsgruppe, nicht aber im gesamten

Lehrpersonenkollegium angestellt. Erst im weiteren Verlauf wurde das Kollegium zur

Vernehmlassung der entwickelten Modelle einbezogen.

Bei der Entwicklung der Interventionsleitfäden wurde in den Schulen A und B auf bereits

bestehende Interventionsmodelle anderer Schulen zurückgegriffen. Die befragten Mitglieder

der Steuergruppen dieser Schulen berichten, dass die Orientierung an einem bestehenden

Modell nicht unproblematisch war. Der Aufwand, einen bestehenden Leitfaden an die

Besonderheiten der eigenen Schule anzupassen, wird als sehr hoch eingeschätzt. Dagegen

sehen die Beratungspersonen dieser Schulen die Entwicklung eines Interventionsleitfadens

anhand eines bestehenden Modells als sehr hilfreich an.

Die anderen beiden Schulen (Schule C und D) entwickelten ihren Leitfaden ohne direkte

Anlehnung an ein bestehendes Modell. Die Entwicklung eines eigenen Interventionsleitfadens

wird dahingehend als bereichernd eingeschätzt, als dies ein Prozess ist, in dem die gängige

Interventionspraxis sowie die Normen und Sanktionen im Schulhaus kritisch hinterfragt

werden müssen.

Die Eltern wurden in zwei Schulen (Schule B und D) in die Entwicklung der

Interventionsleitfäden mit einbezogen. In diesen beiden Schulen wurden die Leitfäden nach

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 51

Einschätzung der befragten Steuergruppenmitglieder ausgesprochen intensiv diskutiert und

mehrfach überarbeitet.

Akzeptanz der Interventionsleitfäden bei den Lehrpersonen

Die Akzeptanz der Interventionsleitfäden bei den Lehrpersonen wird sehr unterschiedlich

eingeschätzt. Die Einschätzungen differieren sowohl zwischen den Schulen als auch je nach

Funktion der befragten Personen. Die Schulleitungen gehen von einer höheren Akzeptanz aus

als die übrigen Mitglieder der Steuergruppe. Laut den Aussagen der befragten Personen kann

insgesamt von einer befriedigenden bis guten Akzeptanz der Interventionsleitfäden bei den

Lehrpersonen ausgegangen werden.

Bedenken hinsichtlich der Akzeptanz bei der Lehrerschaft werden dahingehend geäussert,

dass für die Lehrpersonen der Interventionsleitfaden zunächst ein weiteres Verfahren darstellt,

das eine zusätzliche Arbeitsbelastung mit sich bringt. Zudem verlangt ein

Interventionsleitfaden von den Lehrpersonen die Verbindlichkeit, diesen auch anzuwenden

(Schulsozialarbeiterin Schule D). Als im Arbeitsalltag entlastend wird der Leitfaden dann

eingeschätzt, wenn er eine klare Arbeitsteilung zwischen Lehrperson, Schulsozialarbeit und

Schulleitung mit sich bringt (Schulleitung Schule D) und zwischen Fachlehr- und

Klassenlehrperson die Zuständigkeiten bei Problemen klar geregelt werden (Lehrperson

Schule C).

Nach Einschätzung aller befragten Personen der Schule B scheinen die Lehrpersonen der

Sekundarstufe I bezüglich der Verwendung des Leitfadens aufgeschlossener zu sein als die

Lehrpersonen der Sekundarstufe II, die sich vermehrt auf Wissensvermittlung und

Maturavorbereitung konzentrieren.

Alle befragten Mitglieder der vier Projektsteuergruppen gehen davon aus, dass die Akzeptanz

der Interventionsleitfäden erhöht werden kann, indem diese bei den Lehrpersonen noch

intensiver vertreten und nach ersten Erfahrungswerten überarbeitet werden.

Folgen der Leitfadenentwicklung und Umsetzung

Zur Wirksamkeit der entwickelten Interventionsleitfäden können die Befragten von drei

Schulen noch keine konkreten Angaben machen. Sie verweisen darauf, dass die Leitfäden erst

seit Kurzem zur Anwendung kommen und in der Erprobungsphase sind. Die befragten

Personen dieser drei Schulen weisen vereinzelt darauf hin, dass sie die Interventionsleitfäden

als Strukturierungshilfe für sich als sehr wirksam erachten, jedoch in Bezug auf die anderen

Lehrpersonen derzeit noch keine Aussagen treffen können.

Der Umsetzungsprozess des Leitfadens der Schule B wird von den befragten Personen nach

ersten Erfahrungen als positiv eingeschätzt. Eine positive Veränderung durch den

Interventionsleitfaden wird ebenfalls in der Klärung und Strukturierung der Abläufe und

Zuständigkeiten in Gefährdungssituationen gesehen. Darüber hinaus kam der Leitfaden nach

Einschätzung der Schul- und Internatsleitung bereits mehrfach wirksam zur Anwendung:

„Wir haben doch jetzt einige Fälle, wo man klare Vereinbarungen geschlossen hat, mit den

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Eltern auch, also wo wir die Eltern auch drin hatten, also wir haben ja unser Fünf-Stufen-

Modell definiert, wo die Eltern sicher zwingend dazu kommen, und das hat auf jeden Fall

Klarheit gebracht. Mehr Verbindlichkeit, ja“ (Prorektor Schule B).

6.2.11 Sensibilisierung und veränderter Umgang mit Schülerinnen und Schülern

In allen vier Beispielschulen konnte nach Aussagen einzelner Mitglieder der Steuergruppen

eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen festgestellt werden. Dabei ist

insbesondere die Bereitschaft zum kollegialen Austausch über gefährdete Schüler/innen

deutlich gestiegen. Die verbesserte Zusammenarbeit unter den Lehrpersonen führte auch

dazu, dass Lehrpersonen aufgeschlossener gegenüber sich anbahnenden Gefährdungs-

situationen wurden: „Was sich eher verändert hat, also bei mir persönlich jetzt, ist auch die

Wahrnehmung, ich würde es mal so formulieren, so das Bewusstsein auch, dass ich mir

überlege, wenn wir Fälle haben von Schülerinnen und Schülern, die eben Auffälligkeiten

zeigen in einem bestimmten Bereich, dass ich glaube, dass ich irgendwie reflektierter rangehe

und mir auch eher überlege, ja, was steht jetzt dahinter und womit hängt das zusammen,

auch, wie könnte man das angehen, wo muss ich ansetzen, welche Schritte sind noch zu tun“

(Prorektor Schule B). Es konnte demnach eine Sensibilisierung für Gefährdungen an sich

sowie für den Umgang mit gefährdeten Schüler/innen erreicht werden.

Als wesentliche Veränderung auf der Verhaltensebene der Lehrpersonen gegenüber den

Schüler/innen werden von den befragten Personen insbesondere Kompetenzen in der

Gesprächsführung genannt (Schule B und C). Diese wirken sich nicht nur gegenüber

gefährdeten Schüler/innen positiv aus, sondern vereinfachen auch den Einbezug von deren

Eltern in den Hilfeprozess: „Konkret, dass wir nebst unseren Sanktionen, disziplinarischen

Massnahmen, wirklich mit Schülern und Eltern am Tisch sitzen, Vereinbarungen formulieren

und schriftlich festhalten auch, alle Betroffenen unterzeichnen dies und man überprüft das

auch, ob die Vereinbarung eingehalten wird und tauscht sich dann wieder aus, mit

Lehrpersonen, mit Eltern und mit Schülern. Das ist so die konkrete Umsetzung, jetzt“

(Lehrperson Schule B).

Der Interventionsleitfaden wurde von den befragten Personen der Schule C ebenfalls als

Faktor für Verhaltensänderungen zwischen Lehrpersonen und Schüler/innen wahrgenommen.

Er regelt die Beendigung einer Intervention, macht diese transparent und kommunizierbar.

Bislang wurden den Schülerinnen und Schülern bzw. deren Eltern überwiegend negative

Botschaften mitgeteilt bzw. beiläufig erwähnt. Der Interventionsleitfaden regelt nunmehr, wie

positive Entwicklungen entsprechend mitgeteilt werden: „Jetzt finden doch Entlastungs-

gespräche statt, dass man die Eltern nochmals einlädt und sagt: Die Situation hat sich zum

Positiven verändert. Wir haben gerade letztens ein Gespräch gehabt, in dem wir offiziell

gesagt haben: Wir entlassen diesen Jungen aus dem Handlungsplan oder aus dieser

speziellen Stufe, in der er jetzt drin ist, ab sofort ist eigentlich wieder Normalzustand“

(Schulleitung Schule C).

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6.2.12 Vernetzung mit externen Fachstellen

Bei der Einschätzung der Veränderung der Zusammenarbeit von Lehrpersonen mit externen

Fachstellen zeigen sich zwei unterschiedliche Richtungen, zum einen die Schaffung neuer

Strukturen der Zusammenarbeit mit externen Stellen, zum anderen die Weiterentwicklung und

Intensivierung bereits vorhandener Kooperationen.

Die bereits vor Projektbeginn vorhandenen Kooperationen mit externen Fachstellen sind im

Wesentlichen durch Kontakte der Schulsozialarbeit (Schule A, C und D) oder der

Schülerberatung (Schule B) entstanden. In den Schulen A, B und D kam es infolge des FF-

Projekts zu einer verstärkten Kontaktaufnahme mit externen Fachstellen. Dabei geht es im

Wesentlichen um die Umsetzung der Interventionsmodelle, die den Einbezug von externen

Fachstellen vorsehen. In der Schule A ging die Zuständigkeit für die Vermittlung an externe

Hilfeangebote von der Schulsozialarbeit auf die Lehrpersonen über. Die Schule C blieb

dagegen bei dem Modell, dass die Schulsozialarbeit für die Zusammenarbeit mit externen

Stellen allein zuständig ist: „Weil diese Zusammenarbeit mit der Fachstelle läuft eigentlich

ausschliesslich über die Schulsozialarbeiterin. Und das ist auch so vorgesehen. Und ich finde,

das ist wichtig, dass das auch dort läuft. Dann nimmt ja einen Teil der Aufgaben den

Lehrpersonen ab, und sie hat da ein fachliches Know-how, das ihr auch den Anschluss

ermöglicht bei den Fachstellen. Und das kann nicht jede Lehrperson einzeln“

(Beratungsperson Schule C).

In den Schulen A, B und D wurden externe Fachstellen zu einer schulinternen

Informationsveranstaltung eingeladen, um die Kooperationen auszuweiten und die Lehrer

über die Hilfeangebote dieser Stellen zu informieren.

Die Schulen A, B und D intensivierten den Kontakt zu den Fachstellen in unterschiedlichen

Phasen des Projekts: So wurden die externen Fachstellen in der Schule A bereits bei der

Entwicklung des Interventionsleitfadens einbezogen und Informationen über ihre Arbeit

eingeholt. In den Schulen B und D hingegen geschah dies erst im Anschluss an die

Entwicklung der Interventionsmodelle.

Die interviewten Personen der Schulen A, B und C können jedoch keine Aussagen über die

Wirksamkeit der Zusammenarbeit mit externen Fachstellen machen, da es noch zu wenig

konkrete Erfahrungen gibt. Die Kooperation mit externen Stellen wird jedoch hinsichtlich des

Verfahrens, das von der Steuergruppe angeregt wurde, von einem Steuergruppenmitglied

kritisiert: „Ich glaube, es sind etwa drei oder vier Stellen, die mittlerweile gekommen sind, um

sich vorzustellen, was sie so machen. Dort würde ich mal sagen, sie sind gekommen, man hat

so zwei, drei Gesichter gesehen, aber, würde ich jetzt auch wieder, das ist mein subjektives

Empfinden, würde ich jetzt auch wieder sagen, das bringt den Lehrern eigentlich ’herzli’

wenig. Das Einzige, das ich denke, ist, sie haben mal die Gesichter gesehen, aber was die

dann schlussendlich wirklich machen und wie diese Zusammenarbeiten wirklich aussehen, da,

denke ich, ist nach wie vor eine grosse Hemmschwelle da, mit diesen Leuten auch

zusammenzuarbeiten“ (Lehrperson Schule B).

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 54

Einzelne Mitglieder der Steuergruppe der Schule D berichten von Schwierigkeiten in der

Zusammenarbeit mit externen Fachstellen, die aufgrund datenschutzrechtlicher

Bestimmungen entstanden sind. Kritisiert wird, dass sich externe Fachstellen weigerten, den

Lehrpersonen Auskünfte über die Arbeit mit einzelnen Schülerinnen und Schülern zu geben.

Auf die Problematik des Datenschutzes bei der Zusammenarbeit mit externen Fachstellen

weist auch die Beratungsperson von Schule A hin, mit der Kritik, dass die Zusammenarbeit

mit externen Fachstellen konzeptionell zu wenig ausgestaltet wurde. Das FF-Konzept

berücksichtigt noch nicht, dass es sich beim Übergang vom schulinternen Hilfeangebot zum

externen Hilfeangebot in der Regel auch um den Wechsel vom verbindlichen Rahmen der

Schule zu einem freiwilligen Angebot einer externen Stelle handelt. Dieser Unterschied muss

konzeptionell berücksichtigt werden. Von der Beratungsperson der Schule A wird auch

kritisiert, dass es für die externen Fachstellen eine zusätzliche Aufgabe bedeutet, im Rahmen

der FF mit Schulen zu kooperieren. Bislang gibt es für die externen Fachstellen jedoch keine

zusätzlichen Ressourcen, diese Aufgaben entsprechend wahrzunehmen.

6.2.13 Zusammenfassung und Fazit

Die Projektorganisation und -steuerung in den vier Schulen wird mehrheitlich positiv

bewertet. Die Beratungspersonen haben die Projekte erfolgreich begleitet. Es fand eine enge

Zusammenarbeit zwischen den Projektleitungen und den Beratungspersonen, teilweise auch

mit den Steuergruppenmitgliedern statt. Lediglich die zur Verfügung stehenden zeitlichen und

personellen Ressourcen werden als zu gering bewertet.

Die Ergebnisse der Interviews zeigen den unterschiedlichen zeitlichen Verlauf der einzelnen

Projekte in den vier Beispielschulen auf, die zu unterschiedlichen Ergebnissen im

Prozessverlauf führten.

Als zentraler Bestandteil des FF-Projekts wird die Entwicklung des Interventionsleitfadens

angesehen, wobei gerade hier noch grosse Unterscheide in der Akzeptanz und bei der

Anwendbarkeit festzustellen sind. Als zentrale Verbesserung durch die Entwicklung der

Leitfäden wird die Klärung der Schnittstellen von Schulleitung, Schulsozialarbeit und

Lehrpersonen genannt.

Einigkeit besteht in Bezug auf die gesteigerte Sensibilisierung der Lehrpersonen,

Gefährdungssituationen und Interventionserfordernisse zu erkennen. Daneben weckte das

Projekt auch die Aufgeschlossenheit, Schüler/innen und Eltern am FF-Projekt zu beteiligen,

was bisher jedoch nur vereinzelt stattfand.

Entscheidend scheint die Schaffung nachhaltiger Strukturen der Zusammenarbeit zwischen

den Lehrpersonen zu sein. Die Schaffung solcher Strukturen muss konzeptionell begründet

und professionell angeleitet werden, wie die Einführung der Intervisionsgruppen in der Schule

B gezeigt hat. Durch das Projekt wurde die Zusammenarbeit unter den Lehrpersonen deutlich

verbessert. Die Lehrpersonen fühlen sich durch das FF-Projekt sicherer darin, mit

Schüler/innen sowie deren Eltern über Gefährdungssituationen zu sprechen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 55

Die Zusammenarbeit mit externen Fachstellen wird von den befragten Personen als sehr

wichtig eingeschätzt. Allerdings muss diese konzeptionell noch konkretisiert werden. Externe

Fachstellen müssen für ihre Zusammenarbeit mit Schulen ebenso fachlich begleitet und

finanziell ausgestattet werden.

6.3 Fallanalysen

In diesem Kapitel wird dargestellt, wie die Entwicklung und Einführung von FF in den

einzelnen Schulen verlief. Dabei werden die Ergebnisse der Lehrpersonenbefragung

(quantitativ) und die Ergebnisse der Befragung der Steuergruppenmitglieder (qualitativ)

aufeinander bezogen. Des Weiteren werden die Ergebnisse aus der Dokumentenanalyse

einbezogen.

6.3.1 Schule A

Ausgangslage und Projektorganisation

Schule A ist eine Sekundarschule, in der 341 Schüler/innen in 21 Klassen von insgesamt 43

Lehrpersonen unterrichtet werden (Stand: Schuljahr 2006/2007). Die Schule führt Klassen auf

allen drei Niveaus.

Die Teilnahme der Schule am FF-Projekt erfolgte auf Initiative der Schulleitung, die von den

Lehrpersonen mitgetragen wurde. Die Schule A verfügt bereits seit mehreren Jahren über

Schulsozialarbeit. Diese arbeitet mit den Lehrpersonen gut zusammen und ist mit externen

Fachstellen gut vernetzt.

Die Teilnahme am Projekt wurde durch die Schulbehörde bewilligt. Die Schule A wird von

einer externen Beratungsperson begleitet, die gleichzeitig mehrere andere Schulen des FF-

Projekts begleitet. Die Entwicklung des Leitfadens wurde zusammen mit einer anderen

Schule durchgeführt, die ebenfalls am FF-Projekt teilnahm.

Die Steuergruppe des Projekts besteht aus der Schulleitung, vier Lehrpersonen und der

Schulsozialarbeiterin. Nach einem Jahr schied eine Lehrperson aus der Steuergruppe aus und

wurde durch eine andere Lehrperson ersetzt.

Prozessverlauf

Zu Beginn wurde eine umfangreiche Situationsanalyse durchgeführt, für welche die

Beratungsperson eigens eine standardisierte Onlinebefragung entwickelte. Mithilfe dieser

Onlinebefragung wurden die Schüler/innen, deren Eltern und die Lehrpersonen befragt. Die

Ergebnisse der Situationsanalysen waren für die Schule von Interesse.

Mit der konkreten Entwicklung einer gemeinsamen Haltung der Lehrpersonen zu

Gefährdungssituationen wurde nach Aussagen der Steuergruppe in der Schule A in der ersten

Projektphase noch nicht begonnen. Trotzdem erkennen die befragten Lehrpersonen einen

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 56

Entwicklungsprozess, der das Gesamtkollegium allerdings nur eingeschränkt einbezieht.

Zudem ist die Wahrnehmung unterschiedlich, was den Entwicklungsstand der gemeinsamen

Haltung anbelangt. Im verbleibenden Projektjahr soll nun, laut Projektleitung,

schwerpunktmässig an der Haltungsentwicklung im Gesamtkollegium gearbeitet werden.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit FF beschränkte sich im Wesentlichen auf die Arbeit

in der Steuergruppe. Diese leistete die konzeptionelle Arbeit, erarbeitete den Interventions-

leitfaden bis zur Beschlussreife durch die Schulhauskonferenz und leitete die Zusammenarbeit

mit externen Fachstellen in die Wege. Die Lehrpersonen konnten sich im Rahmen von

Schulhauskonferenzen zur Entwicklung des Interventionsmodells äussern. In den eigentlichen

Entwicklungsprozess wurden die Lehrpersonen jedoch nicht einbezogen. Auf ein geringes

Ausmass an Partizipation der Lehrpersonen am FF-Prozess weisen auch die Ergebnisse der

Lehrpersonenbefragung hin. Lediglich 3% der Lehrpersonen der Schule A fühlen sich voll

und ganz an der Konzeptentwicklung beteiligt. 58% geben an, zumindest teilweise beteiligt zu

sein, 26% der Lehrpersonen sehen sich als überhaupt nicht beteiligt an.

Die Schüler/innen sowie deren Eltern wurden in das Thema eingeführt jedoch nicht explizit in

die Entwicklung des Projektes mit einbezogen bzw. konnten keinen Einfluss auf den

Prozessverlauf nehmen.

Ergebnis

Der eher geringe Einbezug des Gesamtkollegiums in das Projekt führte zu einer

vergleichsweise geringen Bekanntheit des FF-Konzepts und des Leitfadens bei den

Lehrpersonen.

Als Interventionsleitfaden wurden themenspezifische Leitfäden zu bisher 14 Problematiken

entwickelt. Diese zielen auf standardisierte und zugleich nach Problemlagen differenzierte

Interventionen ab. Aus den der Evaluation vorliegenden Daten ist nicht zu erkennen, ob oder

welche Ergebnisse der empirisch gestützten Situationsanalyse in das Projekt eingeflossen

sind. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs ist jedoch zu vermuten, dass die Ergebnisse der

Situationsanalyse keinen wesentlichen Einfluss auf die Auswahl der Problemlagen hatten, da

die Auswahl vor der endgültigen Auswertung der Ergebnisse gefällt wurde.

Der Interventionsleitfaden wurde hinsichtlich seiner Praxistauglichkeit und der Ausrichtung

auf die Bedürfnisse der Lehrpersonen überdurchschnittlich positiv bewertet. Noch optimierbar

sind die Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit (siehe Tabelle 9).

Auch hinsichtlich des Zuwachses ihres Wissens über Gefährdungssituationen sowie ihrer

Handlungssicherheit im Umgang mit betroffenen Schüler/innen scheinen sich die

eingeschränkten Möglichkeiten zur inhaltlichen Auseinandersetzung sowie die geringen

Aktivitäten der Lehrpersonen im Projektverlauf auszuwirken. Jeweils ein Drittel der befragten

Lehrpersonen berichtet über keinen Wissenszuwachs und sieht seine Handlungssicherheit als

nicht gestärkt.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 57

Durch das FF-Projekt veränderte sich die Rolle der Schulsozialarbeit dahingehend, dass sie

nicht mehr alleinige Ansprechpartnerin für die Zusammenarbeit mit externen Hilfeleistungen

ist, sondern dies nun Aufgabe aller Lehrpersonen sein soll.

Schlussfolgerung

Die Durchführung des FF-Projekts an der Schule A war von klar strukturierten Vorgaben

vonseiten der Projektleitung und der Beratungsperson bestimmt. Dies führte zwar zu einem

strukturierten Vorgehen auf der Ebene der Steuergruppe, jedoch nicht zu einem breit

abgestützten Prozess der Auseinandersetzung des Gesamtkollegiums mit

Gefährdungssituationen von Schüler/innen.

Die Analyse der Schule A zeigt, wie wichtig es ist, den Lehrpersonen im Rahmen des

Projekts umfassende Möglichkeiten der Partizipation zu bieten, um die spätere Akzeptanz der

entwickelten Instrumente zu erhöhen und um mehr Handlungssicherheit bei den Lehrpersonen

zu erreichen.

6.3.2 Schule B

Ausgangslage und Projektorganisation

Die Schule B wird getragen von einer privaten Stiftung, die neben dem Gymnasium auch ein

Internat unterhält. Das Gymnasium wird von ca. 390 Schüler/innen in 18 Klassen besucht,

von denen sechzig bis neunzig im Internat leben. Die Schüler/innen werden von 54

Lehrpersonen unterrichtet (Stand Schuljahr 06/07).

Als private Institution fühlt sich die Schule B dem Qualitätsmanagement sehr verpflichtet.

Die Trägerin der Schule begrüsste daher die Teilnahme am FF-Projekt. Die Schule B stellte

über die vom BAG bewilligten Gelder hinaus zusätzliche Mittel für die Arbeit der

Beratungsperson zur Verfügung.

In der Steuergruppe sind neben der Schulleitung eine Fachlehrpersonen sowie die

Internatsleitung vertreten. Die beiden Personen der Internatsleitung unterrichten mit

eingeschränktem Deputat. In der Steuergruppe sind keine Klassenlehrpersonen vertreten.

Die Schule B verfügt über keine Schulsozialarbeit. Die beiden Personen der Internatsleitung

bieten jedoch für alle Schüler/innen des Gymnasiums eine Schülerberatung an, die aus der

Sicht der Schule ähnliche Aufgaben wie die Schulsozialarbeit erfüllt.

Prozessverlauf

Die Steuergruppe der Schule B wurde aufgrund der zusätzlichen finanziellen Mittel intensiver

von der Beratungsperson betreut, entsprechend intensiv war die Arbeit in der Steuergruppe

und entsprechend hoch waren die Erwartungen der Steuergruppenmitglieder an die

Beratungsperson.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 58

Der Verlauf des FF-Projekts der Schule B ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vielzahl von

Veranstaltungen für die Lehrpersonen stattfand und klare Strukturen für die Zusammenarbeit

im Lehrpersonenkollegium geschaffen wurden.

Die mit FF-Projekten schon erfahrene Beratungsperson hat bei der Entwicklung des

Interventionsleitfadens auf erprobte Modelle zurückgegriffen. Zusätzlich zum

Interventionsmodell wurden an der Schule B Intervisionsgruppen für die Lehrpersonen

eingeführt. Wie in den Intervisionsgruppen gearbeitet werden soll, wurde von der

Beratungsperson konzeptionell vorgegeben und die Einführung der Intervisionsgruppen

begleitet.

Ergebnisse

Nach der Einschätzung der Steuergruppenmitglieder hat das FF-Projekt die Lehrpersonen der

Sekundarstufe I überwiegend erreicht, wogegen die Lehrpersonen der Sekundarstufe II nur

bedingt am FF-Projekt teilnahmen. Im Verlauf des Projekts konnte die Haltung der

Lehrpersonen der Sekundarstufe II, die den Bildungsauftrag im Sinne einer

Wissensvermittlung im Vordergrund sehen, nur bedingt verändert werden.

Die Verwendbarkeit des Interventionsleitfadens ist nach Einschätzung der befragten

Lehrpersonen noch optimierbar. Die Bewertungen der Angemessenheit im Hinblick auf

schulhausspezifische Belange und der Praxistauglichkeit sind im Vergleich zu den übrigen

Schulen durchweg unterdurchschnittlich, ebenso die Einschätzungen der Lehrpersonen, ob der

Interventionsleitfaden ihren individuellen Bedürfnissen entspricht.

Was den Wissenszuwachs der Lehrpersonen anbelangt, kann in Schule B ein durchweg

positives Ergebnis des FF-Projekts festgestellt werden. Die ermittelten Werte für deutlichen

Wissenszuwachs (21%) sowie für einen zumindest geringen Wissenszuwachs (68%) stellen

im Vergleich mit den übrigen Schulen das beste Ergebnis dar.

Folgerungen

Die Erwartungen der Steuergruppenmitglieder der Schule B an ihre Beratungsperson wurden

durch die zusätzlichen finanziellen Ressourcen geprägt und führten zu einer sehr grossen

konzeptionellen Vorarbeit der Beratungsperson für das FF-Projekt.

Die besondere Rolle der Beratungsperson der Schule B spiegelt sich positiv im

überdurchschnittlich hohen Wissenszuwachs der Lehrpersonen hinsichtlich Gefährdungs-

situationen. Allerdings weist die eher geringe Konformität des Interventionsleitfadens mit den

Bedürfnissen der Lehrpersonen und der spezifischen Situation der Schule darauf hin, dass der

Einbezug der Lehrpersonen in die Entwicklungsprozesse des Projekts zu gering war bzw. die

vorgegebenen Modelle noch an die schulspezifischen Verhältnisse angepasst werden müssen.

Das hohe Mass an konzeptioneller Vorarbeit durch die Beratungsperson bei der Einführung

der Intervisionsgruppen führte zu einer eigenständigen und nachhaltigen Struktur der

Zusammenarbeit der Lehrpersonen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 59

Die Unterschiede bei der Erreichbarkeit der Lehrpersonen der Sekundarstufe I und der

Sekundarstufe II im FF-Prozess zeigen die Notwendigkeit, möglichst alle Lehrpersonen der

unterschiedlichen Niveaus am Entwicklungsprozess zu beteiligen und auf Unterschiede im

Rollenverständnis einzugehen. Für eine erfolgreiche FF in der Schule ist schlussendlich

jedoch ein Verständnis des Lehrberufs notwendig, das auch Erziehungsaufgaben beinhaltet.

Der Prozess zur Haltungsentwicklung der Lehrpersonen einerseits und die Vermittlung von

Wissen über Gefährdungssituationen andererseits sind voneinander unabhängig verlaufende

Vorgänge, die zu unterschiedlich erfolgreichen Ergebnissen führen können.

6.3.3 Schule C

Ausgangslage und Projektorganisation

Die Schule C wird von 250 Schüler/innen in 12 Schulklassen besucht. Insgesamt unterrichten

30 Lehrpersonen an der Schule (Stand Schuljahr 06/07). Sie ist eine Oberstufenschule bzw. ist

als gegliederte Sekundarschule geführt.

In der Schule C gibt es eine Schulsozialarbeiterin, die mit örtlichen externen Fachstellen gut

vernetzt ist. Die Schulsozialarbeiterin vermittelt zwischen gefährdeten Schüler/innen bzw.

deren Lehrpersonen und den externen Hilfeangeboten.

Die Schule verfügt über ein eigenes Suchtpräventionskonzept. Zentraler Bestandteil dieses

Konzepts ist der jährlich stattfindende Suchtpräventionstag. Die Schüler/innen nehmen im

Verlauf ihrer Schulzeit in der Schule C an mindestens drei Suchtpräventionstagen teil.

Prozessverlauf

Der FF-Prozess wurde stark durch die Kerngruppe gestaltet, eine informelle Untergruppe der

Projektleitung, bestehend aus der Schulleitung, der Schulsozialarbeit und der externen

Beratungsperson. Die Kerngruppe verfügt über gute fachliche Ressourcen, die insbesondere

durch die Kooperation der Schulsozialarbeiterin mit der externen Beratungsperson optimiert

wurden, um so Synergien zu nutzen.

Die Kerngruppe bereitete einzelne Themen und Entscheidungen für die Steuergruppe vor. Auf

der Ebene der Lehrpersonen wurden keine zentralen Entscheidungen für den Prozessverlauf

getroffen. Entsprechend ambivalent sind die Nennungen der Lehrpersonen zum Einbezug in

das Projekt. 15% der Lehrpersonen sehen sich als überhaupt nicht einbezogen an. Sehr hoch

(65%) ist aber auch der Anteil der Lehrpersonen, die sich voll und ganz einbezogen fühlen.

Die Entwicklung des Interventionsleitfadens wurde zunächst in der mit zwei Lehrpersonen

erweiterten Kerngruppe vorbereitet, dann in der Steuergruppe diskutiert und beschlossen. Die

Lehrpersonen wurden zum Interventionsleitfaden informiert, sie hatten jedoch keinen Einfluss

auf dessen Entwicklung. Ebenso wurden auch die Schüler/innen und Eltern nicht in die

Entwicklung des Leitfadens einbezogen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 60

Im Rahmen des FF-Projekts wurde im Kollegium insbesondere an den Themen Haltung und

Kommunikation im Kollegium gearbeitet. Dies wird durch den quantitativen Befund bestätigt,

wonach 59% der Lehrpersonen der Meinung sind, dass im Projekt eine gemeinsame Haltung

entwickelt wurde.

Ergebnis

Die Schule C konnte im Bereich Haltungsentwicklung als einzige ausgewiesene Erfolge

erzielen. Die Teamentwicklung stand ganz klar im Vordergrund und wurde konsequent und

erfolgreich angegangen. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Bereich am meisten

Handlungsbedarf bestand. Die Schulleitung und die Kerngruppe räumten der

Teamentwicklung Priorität ein und stellten einen ausreichenden zeitlichen Rahmen zur

Verfügung, um den Teamentwicklungsprozess in Gang zu bringen.

Das Projekt wurde von der Projektleitung auf eine geringe bzw. auf keine Partizipation seitens

der Schüler/innen, der Eltern und der Lehrpersonen ausgerichtet. Hinsichtlich des

Projektverlaufs und der Ergebnisse des Projekts zeigt sich bei den Lehrpersonen jedoch eine

erstaunliche Zufriedenheit. Der Leitfaden wird von den Lehrpersonen als nachvollziehbar und

übersichtlich eingeschätzt. Hinsichtlich der Praxistauglichkeit schneidet der Interventions-

leitfaden der Schule C im Vergleich zu den übrigen Schulen durchschnittlich ab (siehe

Tabelle 9). Auch findet der Leitfaden eine überdurchschnittlich hohe Anwendung unter den

Lehrpersonen. 50% der Lehrpersonen geben an, den Leitfaden schon einmal verwendet zu

haben.

Im Bereich der Wissenserweiterung und Erhöhung der Handlungssicherheit sind zwar erste

positive Entwicklungen zu erkennen, doch überwiegt immer noch der Anteil der

Lehrpersonen, die keinen oder nur einen geringen Wissenszuwachs bei sich feststellen

können.

Eine Veränderung in der Zusammenarbeit mit den externen Fachstellen war im Projekt nicht

beabsichtigt. Das bisherige Modell mit der Vernetzung über die Schulsozialarbeit wird als

optimal bewertet und dementsprechend beibehalten.

Schlussfolgerung

Die Schule C kann als Beispiel für die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen

Haltung dienen. Der Aufwand, den die Schule dafür erbringen musste (mehrere

Veranstaltungen im Kollegium), zeigt, dass die Haltungsentwicklung nicht in einer Sitzung

abgehandelt werden kann.

Die Schule hat das innerhalb des FF-Projekts bearbeitet, was aus ihrer Sicht am

notwendigsten war. Die konstruktiven Prozesse bei der Teamentwicklung heben in der

Wahrnehmung der Lehrpersonen die Defizite bei den Partizipationsmöglichkeiten auf. Die

Ausweitung auf Eltern- und Schüler/innenebene konnte noch nicht erfolgen, ist jedoch für

eine erfolgreiche Einführung von FF notwendig.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 61

6.3.4 Schule D

Ausgangslage und Projektorganisation

Die Schule D wird von 170 Sekundar- und Realschüler/innen besucht. Angeboten werden

zudem Eingliederungsklassen für fremdsprachige Schüler/innen. Die insgesamt elf Klassen

werden von 25 Lehrpersonen unterrichtet (Stand Schuljahr 06/07). Die Schule vermittelt

einen sehr familiären und überschaubaren Eindruck.

Gesundheitsförderung und Prävention waren bereits vor dem FF-Projekt immer wieder

Gegenstand von Veranstaltungen für die Schüler/innen und Lehrpersonen. Diese hatten

jedoch keine spezifische Ausrichtung auf Gefährdungssituationen von Schüler/innen.

Die Schule verfügt über eine Schulsozialarbeiterin, die sich bereits vor dem FF-Projekt mit

dem Thema beschäftigte. Sie übernahm die Aufgabe der Beratungsperson und die Co-

Projektleitung.

Prozessverlauf

Im Verlauf des Projekts stellte sich heraus, dass die Schulsozialarbeiterin die Funktion der

Projektleitung, insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung des Projekts, zu einem grossen Teil

übernommen hatte. Die Gefahr bestand, dass durch diese Aufgabenübernahme das Projekt

nicht mehr in der Schulleitung verankert ist. Dies konnte jedoch durch die Achtsamkeit der

Schulsozialarbeiterin verhindert werden. Gleichzeitig konnten durch die enge

Zusammenarbeit von Schulleitung und Schulsozialarbeit im Rahmen des Projekts als nicht

intendierte Wirkung die Schnittstellen zwischen Schulleitung und Schulsozialarbeit geklärt

werden.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Projekt fand nicht ausschliesslich in der

Steuergruppe statt, sondern wurde auf die Lehrpersonen und entsprechend auf Arbeitsgruppen

verlagert, an denen die Lehrpersonen wesentlich beteiligt waren. Darüber hinaus wurden in

der Schule D auch die Eltern einbezogen, indem diese in der Steuergruppe mit zwei Personen

vertreten waren. Der Einbezug der Eltern in das FF-Projekt wird von allen befragten Personen

der Steuergruppe als positiv bewertet.

In das Projekt wurden von Beginn an auch die Schüler/innen einbezogen, allerdings im

Rahmen von Veranstaltungen, die der Gesundheitsförderung zugeordnet werden können.

Nach den Aussagen der befragten Steuergruppenmitglieder hat sich die Haltung in der Schule

D durch das Projekt dahingehend entwickelt, dass insbesondere die Partizipation der

Schüler/innen im Rahmen der anstehenden Projektverlängerung noch weiter vertieft werden

soll.

Ergebnis

Die auf breiter Basis angelegte Auseinandersetzung mit Gefährdungssituationen von

Schüler/innen spiegelt sich nicht nur in der subjektiv empfundenen hohen Beteiligung der

Lehrpersonen an der Konzeptentwicklung, sondern auch in einer überdurchschnittlich

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 62

positiven Bewertung des Interventionsmodells durch die Lehrpersonen wider (siehe Tabelle

9).

Im Rahmen des Projekts konnten die Steuergruppe und die Lehrpersonen für die

Erforderlichkeit einer Partizipation von Eltern und Schüler/innen noch stärker sensibilisiert

werden. Das Projekt führte dazu, dass Schüler/innen und Eltern bei der Auseinandersetzung

mit Gefährdungssituationen und bei der Ausgestaltung von Interventionsmodellen aktiv

einbezogen werden.

Schlussfolgerung

Insgesamt war die Umsetzung des FF-Projekts in der Schule D sehr breit abgestützt mit

entsprechend hoher Akzeptanz. Allerdings sind die einzelnen Massnahmen eng mit den

übrigen Präventionsmassnahmen verbunden. FF wird als Teil eines Gesundheitsförderungs-

und Präventionsprojekts wahrgenommen, die Abgrenzung der einzelnen Teile ist unklar.

Der insgesamt als positiv zu bewertende Verlauf des FF-Projekts an der Schule D ist eventuell

nur bedingt auf grössere Schulhäuser zu übertragen. Der starke Einbezug von Eltern,

Schüler/innen und Lehrpersonen scheint in einem kleinen Schulhaus mit einem

überschaubaren Lehrpersonenkollegium einfacher und wirksamer umsetzbar zu sein als in

einer grösseren Schule. Dennoch kann das Beispiel als Good-Practice-Modell betreffend

Partizipation herangezogen werden.

Die Übernahme der Rolle der Beratungsperson durch die Schulsozialarbeit scheint heikel und

kann in dieser Form nur eingeschränkt auf andere Schulen übertragen werden.

6.3.5 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der FF-Projekte an den vier Beispielschulen werden in der nachfolgenden

Tabelle zusammenfassend anhand der Kriterien Fokus des Projekts, Prozessgestaltung,

Strukturelle Veränderungen, Instrumente und Grundlagen, Rolle und Aufgaben

Beratungsperson und Ressourcen einander gegenübergestellt, mit dem Ziel, die

unterschiedlichen Schwerpunkte und Prozesse aufzuzeigen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 63

Tabelle 14: Gegenüberstellung Beispielschulen, Projektlaufzeit August 05 – Juni 06

Schule A Schule B Schule C Schule D

Fokus des Projekts

Klärung von Abläufen und Zuständigkeiten, Sensibilisierung für Symptome

Veränderung der Haltung und Wissensvermittlung

Haltungs- und Teamentwicklung

Sensibilisierung für Gefährdungs-situationen

Prozess- gestaltung

Starke Konzentration des Projekts auf die Steuergruppe

Umfassender und auf Nachhaltigkeit angelegter Projektverlauf

Auf das Kollegium gerichteter Prozessverlauf

Im Schulhaus sehr breit abgestützter Projektverlauf

Strukturelle Veränderungen

Verlagerung Zustän-digkeiten von SSA zu Lehrpersonen

Feste Intervisions-gruppen

Feedback-Gruppen --

Instrumente und Grundlagen

Interventionsleitfaden Haltungsentwicklung der Lehrpersonen, Interventionsleitfaden

Haltungsentwicklung der Lehrpersonen, Interventionsleitfaden

Interventionsleitfaden

Rolle und Aufgaben Beratungsperson

Externe Beratungs-person: Durchführung einer ausführlichen Situationsanalyse, fachliche Begleitung, insbesondere bei der Entwicklung des Leitfadens

Externe Beratungsperson: intensive fachliche Begleitung während des gesamten Projekts

Externe Beratungs-person: fachliche Begleitung während des gesamten Projekts in enger Zusammenarbeit mit der SSA

Schulsozialarbeit: Co-Projektleitung, intensive fachliche Vorbereitung und Begleitung des Projekts

Finanzielle und personelle Ressourcen

BAG-Projektmittel, Mittel für Ge-sundheitsförderung und Weiterbildung, Arbeitszeit für Projektarbeit

BAG-Projektmittel, zusätzliche Ressour-cen durch die Schule, Arbeitszeit für Qualitätsentwicklung

BAG-Projektmittel, zusätzliche Mittel innerhalb der Budgets

BAG-Projektmittel

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 64

7 Schlussfolgerungen

Im Folgenden werden die Detailfragestellungen der Evaluation (vgl. Müller et al., 2006)

anhand der vorliegenden Ergebnisse beantwortet. Zu allen Evaluationsfragen werden Fazits

formuliert und diese gegebenenfalls mit Empfehlungen ergänzt. Abschliessend erfolgt die

Beantwortung der beiden Hauptfragestellungen.

7.1 Detailfragestellungen

1. In welchem Mass hat die Form der Zusammenarbeit von Schule und Beratungs-

person Einfluss auf die Entwicklung und die Einführung der FF in der Schule?

Der Einfluss der Beratungsperson und ihrer Funktion im System Schule auf die Entwicklung

und Einführung von FF muss auf der Prozessebene und auf der Ebene der Zielerreichung in

den einzelnen Schulen betrachtet werden.

Im Entwicklungs- und Einführungsprozess von FF in den Schulen sind Unterschiede

zwischen der Beratung durch Schulsozialarbeitende und der Beratung durch externe Personen

erkennbar. Die Beteiligten schreiben der Beratung durch eine schulexterne Fachperson

deutliche Vorteile zu. Namentlich wird der externe Blick auf den Entwicklungs- und

Umsetzungsprozess genannt. Die Etablierung einer erfolgreichen FF bringt meist einen

Schulentwicklungsprozess mit sich (Rhyn & Moser, 1999). Der Prozess wird unseres

Erachtens mit Vorteil durch eine Person ausserhalb des Systems begleitet, welche nicht

zugleich mit dem Schulentwicklungsprozess die eigene Rolle im System reflektieren muss,

was bei der Schulsozialarbeit der Fall wäre. Auch bringen externe Fachpersonen

gegebenenfalls Erfahrungen aus der Einführung ähnlicher Konzepte in anderen Schulen mit.

Auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen durch den Einbezug einer externen

Fachperson sind zu beachten: Mit der Beratung durch eine externe Fachperson bei

gleichzeitigem Vorhandensein von Schulsozialarbeit können zwei Fachpersonen den Prozess

mit ihren fachlichen und zeitlichen Ressourcen begleiten. Wenn die Zusammenarbeit

zwischen der externen Fachperson und der Schulsozialarbeit innerhalb des Projekts geklärt

ist, können Synergien, wie sie in einer der vier Beispielschulen entstanden, genutzt werden.

Bezüglich der Zielerreichung (Entwicklung der Interventionsleitfäden, Haltungsentwicklung

u.a.) lassen sich keine Unterschiede zwischen den Schulen mit Schulsozialarbeitenden,

Fachstellenmitarbeitenden oder selbstständig erwerbenden Fachpersonen als Beratungsperson

erkennen. Das heisst, in den Schulen konnten mehrheitlich Aktivitäten/Entwicklungen zu den

gesetzten Zielen durchgeführt werden. In allen vier Beispielschulen sind die Beteiligten

zufrieden mit der Unterstützung durch die Beratungsperson und schätzen diese als wertvoll

und wichtig ein. Demnach kann die Tandembildung von Schule und Beratungsperson

grundsätzlich positiv bewertet werden.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 65

Fazit: Die Tandembildung von Beratungsperson und Schule ist erfolgreich. Die

Beratungsperson bringt sowohl fachliches Know-how wie organisatorische Unterstützung in

den Entwicklungsprozess ein. Die Beratungsperson wird als hilfreich und förderlich bewertet,

durch ihre Präsenz wird das Projekt vorangetrieben. Für eine Beratung durch eine externe

Fachperson sprechen fachliche Argumente. Gleichzeitig können bei Schulen mit

Schulsozialarbeit durch den Einbezug einer externen Beratungsperson zusätzliche zeitliche

und fachliche Ressourcen eingeholt werden.

Empfehlungen: Die Tandembildung von Beratungsperson und Schule hat sich als

erfolgreiches Modell erwiesen und ist für Nachfolgeprojekte empfehlenswert. Eine

schulexterne Fachperson als Beratungsperson ist in den meisten Fällen von Vorteil. Bei

Schulen mit Schulsozialarbeit müssen jedoch die Rollen von externer Fachperson und

Schulsozialarbeit geklärt werden, damit die Vorteile, welche die externe Fachperson mit sich

bringt, genutzt werden können.

2. In welchem Mass haben die Ressourcen und Kompetenzen der Beratungspersonen

Einfluss auf die Entwicklung und Einführung der FF in der Schule?

Die Beratungspersonen werden in allen vier Beispielschulen als wichtig und förderlich für

den Projektprozess wahrgenommen, unabhängig von ihrem fachlichen Hintergrund oder ihren

zeitlichen Ressourcen.

In drei Schulen verfügten die Beratungspersonen über ein höheres Zeitbudget als in der

Projektkonzeption vorgesehen. Finanziert wurde dies durch Mittel der Gemeinde (zwei

Schulen) oder der Schule selbst. Dies ermöglichte in einer Schule eine höhere Anzahl von

Veranstaltungen und intensivere Entwicklungsprozesse, welche die Beratungsperson

gestaltete und initiierte. Die Arbeit der Beratungsperson wäre nach Aussage des Projektleiters

ohne zusätzliche finanzielle Mittel in dieser Form nicht möglich gewesen. Dies zeigt, dass

grosse Ressourcen der Beratungsperson einen positiven Einfluss auf die Dichte von

Veranstaltungen und Entwicklungsschritten im Prozess haben können. Die anderen zwei

Schulen mit vergleichsweise hohem finanziellem Budget hatten eine andere Ausgangslage2

(vgl. Fabian et al., 2007a); die zusätzlichen finanziellen Mittel konnten nicht in gleichem

Mass in sichtbare Aktivitäten oder Entwicklungsprozesse umgesetzt werden.

Bezüglich der eingebrachten Kompetenzen der Beratungspersonen zeigen sich nach den

vorliegenden Ergebnissen lediglich Unterschiede bei der Entwicklung der Leitfäden. In den

vier Beispielschulen brachten zwei Beratungspersonen Vorlagen für Leitfäden ein. Diese

wurden von den Projektleitungen als hilfreich bewertet. Die Ergebnisse aus der

Lehrpersonenbefragung zeigen jedoch, dass diese beiden Leitfäden als am wenigsten auf die

2 FF wurde hier gleichzeitig mit der Schulsozialarbeit eingeführt und von den Schulsozialarbeitenden

entwickelt und umgesetzt. Die gleichzeitige Einführung von Schulsozialarbeit und FF beanspruchte sowohl von den Schulen wie auch von den Schulsozialarbeitenden ein hohes Mass an Ressourcen für die Entwicklung des Konzepts und für die Definition von Aufgaben und Zuständigkeiten.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 66

Verhältnisse der Schule angepasst bewertet werden. Vorlagen können somit hilfreiche

Anhaltspunkte für die Entwicklung des schuleigenen Leitfadens bieten, ein Anpassungs-

prozess ist aber in höherem Mass notwendig.

Fazit: Die Beratungspersonen sind unabhängig von ihrem fachlichen Hintergrund und ihren

unterschiedlichen zeitlichen Ressourcen eine hilfreiche Unterstützung bei der Entwicklung

und Einführung eines FF-Konzepts in Schulen. Ein systematischer Einfluss von zeitlichen

oder fachlichen Ressourcen der teilnehmenden Beratungspersonen ist nicht erkennbar. Wenn

Vorlagen oder Konzepte aus anderen Schulen eingebracht werden, ist eine Anpassung an die

Verhältnisse der Schule notwendig.

3. Welche schulinternen Unterstützungsstrukturen wie z.B. Schulsozialarbeit bestehen,

in welcher Form werden sie in die FF eingebunden und in welchem Mass haben sie

Einfluss auf die Entwicklung und Einführung der FF?

In der Mehrheit der teilnehmenden Schulen ist die Schulsozialarbeit als Fachstelle vorhanden.

Dies weist darauf hin, dass Schulen mit Schulsozialarbeit für FF stärker sensibilisiert und eher

bereit sind, an einem solchen Projekt teilzunehmen (vgl. auch Brunner et al., 2006). Als

weitere schulinterne Unterstützungsstrukturen haben in zwei Schulen Lehrpersonen einen

Beratungsauftrag in Form einer Schülerberatung bzw. als Begleitungs- und Mediations-

lehrperson. Die Lehrpersonen mit dem Schülerberatungsauftrag wurden in das FF-Projekt

ihrer Schule einbezogen.

Die Schulsozialarbeit hat eine zentrale Rolle im FF-Prozess. Sie ist aufgrund der

Niederschwelligkeit und Präsenz im Schulhaus die erste Ansprechperson für Lehrpersonen

und Schulleitung, wenn es um den Umgang mit schwierigen Schüler/innen geht (Brunner et

al., 2006; Fabian et al., 2007a). Zudem ist sie für die Vernetzung mit Fachstellen zuständig.

Mit der Einführung des FF-Konzepts wurden die Zuständigkeiten der Schulsozialarbeit nicht

verändert, jedoch konnte eine Klärung der Schnittstellen zwischen Schulleitung,

Lehrpersonen und Schulsozialarbeit erreicht werden. Die Schnittstellen betreffen nicht nur

den Ablauf innerhalb der FF sondern darüber hinaus Situationen, in denen sowohl die

Schulsozialarbeit wie auch die Schulleitung aktiv sein müssen (z.B. in Fällen von Delinquenz,

in denen die Schulleitung mit disziplinarischen Massnahmen und die Schulsozialarbeit mit

unterstützenden Massnahmen reagiert). Ein differenzierteres Verständnis bei Schulleitung und

Lehrpersonen für das professionelle Handeln der Schulsozialarbeit wurde entwickelt. Dies

kann als erwünschter Nebeneffekt des Projekts bewertet werden. Es ist davon auszugehen,

dass die enge Zusammenarbeit von Schulleitung, Schulsozialarbeit und auch Lehrpersonen in

den Projektsteuergruppen zu dieser Klärung beitrug.

Die Schulsozialarbeit wird in den Schulen, in denen sie vorhanden ist, teilweise in grossem

Masse in die Entwicklung und Einführung von FF einbezogen. Dieser Einbezug der

Schulsozialarbeit ist aufgrund ihrer zentralen Rolle im FF-Prozess unumgänglich.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 67

Gleichzeitig bringt die Schulsozialarbeit zusätzliche fachliche und zeitliche Ressourcen in den

Prozess ein. Unseres Erachtens stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, welche Rolle die

Schulsozialarbeit in der Entwicklung und Einführung einnehmen soll. Bei einer Übernahme

von sehr vielen Leitungs- und Organisationsaufgaben besteht die Gefahr, dass das Projekt und

die Verantwortung an die Schulsozialarbeit delegiert werden. Tendenzen dazu werden in den

Schulen, in denen die Schulsozialarbeit gleichzeitig die Beratungsperson ist, sichtbar. Für die

Legitimation des Projekts gegenüber dem Kollegium ist jedoch die Projektleitung durch die

Schulleitung, wie vom SNGS gefordert (siehe Kap. 3.2), von Vorteil. In anderen

Projektleitungsformen, etwa der Projektleitung durch schulexterne Personen, werden

Schwierigkeiten bei der Verankerung von FF im Kollegium sichtbar.

Fazit: Die Schulsozialarbeit ist zentrale Akteurin in der FF und wird daher in die

Entwicklung und Einführung eines FF-Konzepts einbezogen. Es besteht jedoch die Gefahr,

dass die Aufgaben und insbesondere die Verantwortung hinsichtlich FF an die

Schulsozialarbeit delegiert werden. Dies kann durch die Verankerung der Projektleitung bei

der Schulleitung vermieden werden.

Die enge Zusammenarbeit in der Projektsteuergruppe und die Diskussion in der Entwicklung

der Leitfäden führten zu einer Klärung der Schnittstellen und Aufgaben von Schulleitung und

Schulsozialarbeit.

Empfehlungen: Die Schulsozialarbeit spielt eine zentrale Rolle im FF-Prozess und in der

Entwicklung von FF-Konzepten in Schulen, da sie sowohl fachliches Know-how als

Sozialarbeitende mitbringt wie auch die Schulhauskultur kennt. Daher ist sie als Ressource

auch in zukünftigen Projekten einzubeziehen. Mit Vorteil wird sie neben Projektleitung und

Beratungsperson als zusätzliche Ressource eingesetzt.

Die Projektleitung sollte auch in zukünftigen Projekten bei der Schulleitung liegen. Dies

verschafft dem Projekt im Kollegium Legitimation und ermöglicht auch eine gute Abstimmung

mit anderen im Jahresplan vorgesehenen Aktivitäten und Projekten im Schulhaus.

4. In welchem Mass erfährt das Projekt Unterstützung durch Behörden und Ämter und

welchen Einfluss hat das Mass an Unterstützung auf die Einführung der FF?

Von den teilnehmenden Schulen hatten lediglich zwei Schulen vonseiten der Gemeinde einen

offiziellen Auftrag, FF einzuführen. In den anderen Schulen ist kein Auftrag vonseiten der

Gemeinde oder einer anderen Stelle erkennbar bzw. wurde von dieser als formale Bestätigung

eingeholt, nachdem die Schule entschieden hat, am Projekt teilzunehmen. Das heisst, es lag

bei der Mehrheit der Schulen innerhalb ihres Kompetenzbereichs, über die Teilnahme zu

entscheiden.

Je nachdem, ob ein Auftrag vorliegt oder nicht, stellt sich die Frage nach der Unterstützung

vor einem anderen Hintergrund. Bei einem Top-down-Vorgehen mit einem Auftrag an die

Schulen ist vermehrt mit Widerständen und Ablehnung zu rechnen (Fabian et al., 2006) und

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 68

es ist anzunehmen, dass sich diese bei fehlenden zusätzlichen Ressourcen verstärken. Daher

ist es für den Projekterfolg in diesem Zusammenhang wesentlich, ausreichende Ressourcen

und Kompetenzen zur Verfügung zu stellen. Dies war in den zwei Schulen mit externem

Auftrag durch vergleichsweise hohe zeitliche Ressourcen der Beratungspersonen (pro Schule

20 Stellenprozente für die Schulsozialarbeitenden) und die Kompetenzen durch eine

schulexterne Projektleitung in gewissem Masse gegeben. Im Vergleich zu den anderen

Schulen wurden die Projekte in diesen zwei Schulen stärker von Seiten der Gemeinde

begleitet und unterstützt. Bei einer freiwilligen Teilnahme entscheidet die Schule von sich aus

mit dem Wissen um die vom BAG bereitgestellten finanziellen und fachlichen Ressourcen für

das Projekt. Ohne Auftrag vonseiten der Gemeinde ist eine zusätzliche Unterstützung durch

die Gemeinde wünschenswert, aber nicht zwingend. Eine Unterstützung über die bestehenden

finanziellen Mittel für Lehrpersonenweiterbildung bzw. Gesundheitsförderung hinaus ist in

diesen Schulen nur in Ausnahmefällen vorhanden.

Eine andere Form der Unterstützung fand in Form einer Mitarbeit von Gemeinde- und/oder

Schulratsvertretungen in den Projektsteuergruppen statt. In einer der Beispielschulen zeigt

sich, dass die Vertretung in der Steuergruppe als ideelle Unterstützung wahrgenommen wird

und z.B. dem Projekt nach aussen mehr Gewicht geben kann.

Bezüglich Projektprozess und Ergebnissen sind keine systematischen Unterschiede zwischen

den Schulen mit und ohne Unterstützung durch die Gemeinde erkennbar.

Fazit: Fast alle Schulen entschieden freiwillig, am FF-Projekt teilzunehmen, und erhielten

über die vom BAG zur Verfügung gestellten Mittel und die üblichen Beiträge für

Gesundheitsförderung und Lehrpersonenweiterbildung hinaus keine zusätzliche finanzielle

Unterstützung. Bei einem Auftrag vonseiten der Gemeinde wurden entsprechende Ressourcen

zur Verfügung gestellt. Ob der Auftrag von Seiten der Gemeinde einen Einfluss auf den

Projektverlauf hatte, ist aufgrund der vorliegenden Daten nicht ersichtlich.

5. Konnten die Schulen mit Unterstützung der Beratungsperson einen Interventions-

leitfaden entwickeln und umsetzen?

Von den 14 teilnehmenden Schulen haben 13 einen Interventionsleitfaden entwickelt. Diese

Zielsetzung konnte somit in fast allen Schulen erreicht werden. Die Schule, die keinen

Leitfaden entwickeln konnte, musste in der bisherigen Laufzeit des Projekts erst einen

Teamentwicklungsprozess durchlaufen, um das Schulklima insgesamt und die Bereitschaft für

FF im Besonderen zu verbessern. Dies zeigt, dass in den Schulen von unterschiedlichen

Ausgangslagen ausgegangen werden muss, die unterschiedliche zeitliche und fachliche

Bedürfnisse und Vorgehensweisen in der Entwicklung von FF mit sich bringen.

Die Ergebnisse aus den vier Beispielschulen zeigen, dass bei den Lehrpersonen grundsätzlich

Bedarf an einem Interventionsleitfaden als Instrumentarium für den FF-Prozess vorhanden ist.

Bisher setzt über ein Drittel der Lehrpersonen der vier Beispielschulen den Leitfaden ein. In

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 69

den zwei Schulen, in denen der Leitfaden seit rund einem halben Jahr zur Verfügung steht, hat

ihn bereits die Hälfte der Lehrpersonen verwendet. Da die Leitfäden zum

Befragungszeitpunkt in den anderen beiden Beispielschulen erst seit wenigen Monaten

eingeführt waren, lässt sich hier noch keine abschliessende Bewertung formulieren. Die

Evaluation der Einführung von FF in Thun zeigt jedoch ähnliche Ergebnisse (Fabian et al.,

2007a). Ebenso sprechen die genannten Gründe für das Nichteinsetzen des Leitfadens dafür,

dass die Lehrpersonen den Leitfaden bei Bedarf anwenden werden.

Die Leitfäden werden von den Lehrpersonen mehrheitlich akzeptiert und positiv beurteilt.

Optimierbar sind die Praxistauglichkeit und die Anpassung an die Bedürfnisse der Schule und

der Lehrpersonen. Dies sind aus der Sicht des Evaluationsteams zentrale Einflussfaktoren, die

darüber entscheiden können, ob ein Leitfaden verwendet wird oder nicht. Es stellt sich daher

die Frage, ob die Bedürfnisse der Schule und der Lehrpersonen im Vorhinein noch besser

abgeklärt werden könnten. Dies ist, wie oben ausgeführt, vor allem beim Einsatz von bereits

bestehenden Vorlagen notwendig. Die Situationsanalyse könnte vermehrt dazu dienen, die

bisherigen Kommunikationsprozesse und Formen der Zusammenarbeit in Zusammenhang mit

gefährdeten Schüler/innen sowie den Bedarf an Neuerungen und Anpassungen zu erfassen.

Die Wirkung des Leitfadens auf tatsächlich stattfindende FF abzuschätzen, ist im Rahmen der

vorliegenden Evaluation nicht möglich. Dazu wäre eine Datenerhebung in einem grösseren

zeitlichen Abstand nach der Einführung des Leitfadens notwendig. Als erste positive

Veränderung durch die Leitfadenentwicklung konnte von den Beteiligten jedoch eine Klärung

und Strukturierung der Abläufe und Zuständigkeiten in Gefährdungssituationen festgestellt

werden. Diese Verbesserung trägt zu mehr Verbindlichkeit und Handlungssicherheit bei allen

Beteiligten bei.

Fazit: Fast alle Schulen haben das Ziel, einen Leitfaden zu entwickeln, erreicht. Dies ist als

wesentlicher Beitrag zum Handlungsrepertoire der Lehrpersonen und Schulleitungen zu

bewerten. Der Leitfaden wird von den Lehrpersonen als den Hauptakteuren der FF positiv

beurteilt und in einem zu erwartenden Mass eingesetzt. Die Anpassung der Leitfäden an die

Bedürfnisse und die Praxis der Schulen könnte noch optimiert werden. Die

Leitfadenentwicklung in den Schulen trug zu einer Klärung und Strukturierung von Abläufen

und Zuständigkeiten bei.

Empfehlungen: Die Entwicklung eines Leitfadens ist für die Schulen ein im Rahmen eines

zweijährigen Projekts erreichbares Ziel und führt zu einer Klärung der Abläufe und

Zuständigkeiten. In diesem Sinn sollte die Leitfadenentwicklung als Projektbestandteil

beibehalten werden. Die Anpassung an die Verhältnisse der Schule ist gezielt vorzunehmen,

insbesondere wenn Vorlagen aus anderen Schulen verwendet werden. Die Situationsanalysen

könnten vermehrt dazu genutzt werden, die Kommunikationsstrukturen, Prozesse und

Bedürfnisse der Schulen abzuklären, um die Leitfäden noch besser anzupassen. Dies könnte

die Wahrscheinlichkeit für die Anwendung des Leitfadens erhöhen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 70

6. In welchen Aspekten unterscheiden sich die Interventionsleitfäden?

Die Leitfäden der verschiedenen Schulen sind in ihrer Struktur sehr ähnlich und als

Stufenmodelle angelegt. Zwei der 14 Schulen (von denen eine als Beispielschule ausgewählt

wurde) unterscheiden sich mit ihrem Leitfaden darin, dass sie für jede Problematik (bisher 14

Thematiken wie z.B. Cannabiskonsum, depressive Verstimmung oder Mobbing) einen

eigenen Leitfaden entwickelt haben. Dies hat unseres Erachtens Vor- und Nachteile. Der

Vorteil besteht darin, dass der Leitfaden spezifischer an die gegebene Problematik angepasst

werden konnte, z.B. hinsichtlich der Intervention und des Einbezugs einer geeigneten

Fachstelle. Ein Nachteil besteht darin, dass die Lehrpersonen bereits sehr früh und

eigenständig eine Diagnose stellen müssen. Dies verlangt von ihnen viel Fachwissen, das

teilweise auch über das pädagogische Fachwissen hinausgeht. Auch ist immer eine Diagnose

notwendig um FF für die spezifische Problematik einleiten zu können. Offene Beobachtung

und Gesprächsführung sind dadurch eher nicht möglich. Ein weiterer Nachteil besteht darin,

dass Problematiken, zu denen kein Leitfaden vorhanden ist, nicht strukturiert angegangen

werden. Die Äusserung einer Lehrperson, dass sie noch keinen Leitfaden eingesetzt hat, weil

zu diesem Thema (noch) keiner vorliegt, bestätigt diese Annahme. Die Lehrpersonen

beurteilen die bisher bestehenden themenspezifischen Leitfäden als weniger übersichtlich und

nachvollziehbar, ihre Praxistauglichkeit jedoch als vergleichsweise hoch.

Die Leitfäden der 13 Schulen unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunkts für den Einbezug

der Eltern, der Einbezug ist jedoch in allen Schulen (mit einer Ausnahme) vorgesehen. Des

Weiteren unterscheiden sich die Leitfäden im Hinblick auf die Verantwortungsübergabe an

die Schulleitung und den Einbezug von externen Fachstellen.

Fazit: Die Leitfäden sind sehr ähnlich aufgebaut. Themenspezifische Leitfäden verlangen von

den Lehrpersonen viel Fachwissen über Diagnostik und beschränken sich auf die

ausgewählten Themen. Die vermuteten Vor- und Nachteile der themenspezifischen Leitfäden

müssen in der Praxis überprüft werden.

7. Wie direktiv (Handlungsanleitung) oder wie offen (Gestaltungsspielraum) sind die

Modelle?

Die Interventionsleitfäden sind in ihrem Aufbau eher starr. Der Einstieg erfolgt stets auf der

ersten Stufe, und darauf folgt die nächste Stufe. Bei einer Deeskalation ist eine Zurückstufung

nicht vorgesehen. Hier stellt sich aus der Sicht des Evaluationsteams die Frage, ob mit einer

flexibleren Ausgestaltung der Interventionsleitfäden in Bezug auf den Eintritt und den Verlauf

adäquatere Interventionen möglich wären.

In der Ausgestaltung der einzelnen Stufen, insbesondere im Einbezug der Schulsozialarbeit

und der externen Fachstellen sind jedoch Gestaltungsspielräume definiert. Der Einbezug der

Schulsozialarbeit und der anderen Fachstellen ist auf den unteren Stufen häufig optional,

wodurch den Lehrpersonen ermöglicht wird, die Notwendigkeit einer Unterstützung selbst zu

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 71

beurteilen und nach eigenem Bedürfnis in Anspruch zu nehmen. Die Lehrpersonen der vier

Beispielschulen nehmen ihre Gestaltungsspielräume als mittel bis gross wahr. Gleichzeitig

zeigt die Klarheit bezüglich der eigenen Aufgaben und Verantwortung, dass die Spielräume

für die Lehrpersonen nicht zu gross sind. Innerhalb der Stufen scheint somit eine geeignete

Balance zwischen Vorgaben und Gestaltungsspielraum gefunden worden zu sein.

Fazit: Der Aufbau der Leitfäden und die Steigerung von Stufe zu Stufe sind als eher starr zu

beurteilen. Eine flexiblere Gestaltung (z.B. nach Schwere der Symptomatik und die

Zurückstufung bei Verbesserung) könnte zusätzlichen Spielraum für den Einzelfall geben.

Innerhalb der Stufen konnte eine gute Balance zwischen direktiven Vorgaben und

Spielräumen gefunden werden.

8. In welchem Mass konnten die Lehrkräfte ihr Wissen über Gefährdungssituationen

und Gefährdungsentwicklungen erweitern?

Spezifische Veranstaltungen für Lehrpersonen fanden in allen Schulen statt. Neben der

Einführung in den Leitfaden waren Weiterbildungen zu Symptomen und zu allgemeinen

entwicklungspsychologischen Aspekten des Jugendalters am häufigsten. Die Hälfte der

Schulen führte entsprechende Weiterbildungsveranstaltungen für die Lehrpersonen durch.

Die Ergebnisse aus den vier Beispielschulen zeigen, dass durch das FF-Projekt bei den

Lehrpersonen Wahrnehmung für Gefährdungen sensibilisiert wurde. Ebenfalls wird deutlich,

dass durch Weiterbildungsveranstaltungen das Wissen der Lehrpersonen vermehrt werden

kann. In den Schulen B und D, in denen Weiterbildungsveranstaltungen stattfanden, berichten

90% der Lehrpersonen über einen Wissenszuwachs. Auch in den anderen beiden Schulen

konnte die Mehrheit der Lehrpersonen ihr Wissen nach eigenen Angaben erweitern. Somit

sind nicht nur Weiterbildungsveranstaltungen, sondern auch die Auseinandersetzung mit FF

in Gesprächen mit Kollegen und Fachpersonen wissensgenerierend.

Wissen über Symptome stellt nicht nur eine Grundlage für das frühzeitige Erkennen von

Gefährdungen dar, sondern, so zeigen die Ergebnisse, trägt auch zu einer vermehrten

Handlungssicherheit bei. Neben dem verbesserten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen

und dem Leitfaden ist für rund die Hälfte der Lehrpersonen das Wissen um Symptome und

Fachstellen ein zentraler Faktor für mehr Handlungssicherheit im Umgang mit gefährdeten

Jugendlichen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 72

Fazit: Die Sensibilisierung der Lehrpersonen für Gefährdungssituationen und das Wissen

über Gefährdungsentwicklungen konnte im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen, aber

auch durch den Austausch im Kollegium und mit Fachpersonen erhöht werden. Durch

ausreichend Wissen über Gefährdungssituationen und -entwicklungen kann die Lehrperson

nicht nur Symptome frühzeitig wahrnehmen, sondern auch mit grösserer Sicherheit in der

Situation handeln.

Empfehlungen: Die Lehrpersonen sind die zentralen Akteure der Früherkennung in den

Schulen. Ein minimales Wissen über Symptome und Gefährdungsentwicklungen ist notwendig

und führt zu mehr Handlungssicherheit. Dies kann, so zeigen die Ergebnisse, über

Weiterbildungsveranstaltungen und die Auseinandersetzung mit dem Thema im Kollegium

erreicht werden. Langfristig sollte in den Schulen das Thema immer wieder aufgenommen

werden, um einerseits neue Lehrpersonen weiterzubilden und andererseits die Sensibilität

aufrechtzuerhalten.

9. Verfügen die Lehrkräfte und Schulleitungen über ein Handlungsrepertoire, das sie

bei einer Gefährdung gezielt und sicher einsetzen können?

Die Ergebnisse der vier Beispielschulen zeigen mehrere positive Veränderungen auf

struktureller und individueller Ebene, welche wesentlich zu einem sicheren und adäquaten

Verhalten der Lehrpersonen und Schulleitung in Gefährdungssituationen beitragen:

• Auf struktureller Ebene wurden in zwei Schulen Intervisions- und Feedbackgruppen

eingerichtet. Innerhalb von Intervisionsgruppen können das eigene professionelle Handeln

reflektiert und durch den Austausch über individuelle Erfahrungen Fachwissen und

Handlungskompetenzen erweitert werden. Die verbesserte Zusammenarbeit und die

Unterstützung im Kollegium werden von einigen Lehrpersonen der Beispielschulen als

wichtigste Veränderungen durch das FF-Projekt genannt.

• Der Leitfaden als schriftlich festgelegtes Vorgehen wird am häufigsten als zentrale

Veränderung durch das FF-Projekt genannt und mehrheitlich auch akzeptiert. Der

Leitfaden leitet die Lehrpersonen zu einem definierten, geregelten Vorgehen im Fall einer

FF an und klärt die Zuständigkeiten zwischen den Beteiligten.

• Auf individueller Ebene konnte in zwei Schulen festgestellt werden, dass die Lehrpersonen

über verbesserte Gesprächsführungskompetenzen verfügen. Ein veränderter, reflektierterer

Umgang mit den Schüler/innen wird festgestellt. Dies wirkt sich positiv auf die Gespräche

mit den Schüler/innen sowie deren Eltern aus. Als Hilfsmittel dienen schriftliche Vorlagen

(z.B. Vereinbarungen mit Schüler/innen und Eltern über Verhaltensänderungen) und der

Interventionsleitfaden.

In allen vier Schulen gibt die Mehrheit der Lehrpersonen eine leichte Zunahme ihrer

Handlungssicherheit im Umgang mit schwierigen Situationen und gefährdeten Jugendlichen

an. Diese konnte neben dem erhöhten Wissen hauptsächlich durch den Austausch im Team

und den Leitfaden erreicht werden.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 73

Die Frage, ob die Lehrpersonen und Schulleitungen über ein geeignetes Handlungsrepertoire

verfügen, lässt sich nicht abschliessend beantworten. Die Veränderungen auf struktureller und

individueller Ebene geben jedoch Hinweise darauf, dass durch das FF-Projekt

Entwicklungsschritte möglich sind. Die Ergebnisse aus den vier Beispielschulen zeigen aber

auch, dass nicht in allen Schulen über den Leitfaden hinausgehende Veränderungen auf

Verhaltensebene erreicht werden konnten.

Fazit: Intervisionsgruppen und die Einführung des Leitfadens tragen zu mehr

Handlungssicherheit und Handlungskompetenzen bei den Lehrpersonen bei. Die Kompetenz-

steigerung in einzelnen Schulen ist als erfolgreiche Entwicklung durch das FF-Projekt zu

werten, in manchen Schulen sind jedoch weitere Anstrengungen notwendig.

10. Wie arbeiten Schulleitung und die einzelnen Lehrpersonen im Falle einer

Gefährdung zusammen?

Die Zuständigkeiten der Lehrpersonen und Schulleitungen sind in den Leitfäden definiert. Im

FF-Prozess haben in den teilnehmenden Schulen mehrheitlich die Lehrpersonen, insbesondere

die Klassenlehrpersonen die Verantwortung. Aussagen von Lehrpersonen lassen darauf

schliessen, dass dies mehrheitlich geschätzt wird, von Einzelnen aber als fachliche und

zeitliche Überforderung angesehen wird. In zehn der vorliegenden Leitfäden wird die

Schulleitung erst auf der vorletzten oder letzten Stufe einbezogen und die Verantwortung

teilweise an sie abgegeben. Bei Gefährdungsmeldungen oder anderen gravierenden

Sanktionen übernimmt die Schulleitung die Einleitung dieser Massnahmen. Die gemeinsame

Entwicklung des Leitfadens führte zu einer Diskussion über Aufgaben und

Verantwortlichkeiten der Lehrpersonen und der Schulleitung, und trug so zu einer Klärung

der Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen allen Beteiligten bei. Inwiefern diese

Aufgabenteilung und die Verantwortungsübernahme von Lehrpersonen und Schulleitung

umgesetzt werden, wurde in der vorliegenden Evaluation nicht erfasst und müsste an

konkreten Einzelfällen untersucht werden.

Fazit: Im FF-Prozess sind die Lehrpersonen die zentralen Akteure und Verantwortungsträger.

Wie die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und Schulleitung in der Praxis funktioniert,

ist aus den bisherigen Ergebnissen noch nicht erkennbar. Jedoch wird deutlich, dass die

gemeinsame Entwicklung des Leitfadens eine gute Möglichkeit ist, Aufgaben und

Verantwortlichkeiten zu definieren.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 74

11. Wurde in der Schule eine gemeinsame Haltung zur FF entwickelt und wie ist sie

formuliert?

Vier der insgesamt 14 Schulen setzten sich die Haltungsentwicklung explizit zum Ziel. In

zwei dieser Schulen sowie in einer weiteren, die sich allerdings keine entsprechende

Zielsetzung gesetzt hatte, wurden Veranstaltungen zur Haltungsentwicklung durchgeführt. Im

Vergleich mit den anderen Zielsetzungen im Rahmen des FF-Projekts wie

Leitfadenentwicklung, Wissenserweiterung oder Vernetzung mit Fachstellen ist der Anteil der

Schulen, die sich mit der Haltungsentwicklung befassen wollten oder sich damit

auseinandersetzten, gering.

Von den vier Beispielschulen haben zwei explizit zum Ziel, eine gemeinsame pädagogische

Haltung zum Umgang mit FF im Kollegium zu entwickeln (siehe Tabelle 15 im Anhang). In

diesen zwei Schulen wurde dies entsprechend in Veranstaltungen umgesetzt. In einer dritten

Schule wuchs im Verlauf des Projekts die Erkenntnis, dass die gemeinsame Haltung als Basis

für die FF zu entwickeln ist und somit im weiteren Verlauf des Projekts vermehrt aufgegriffen

werden sollte. Aus den Antworten der Lehrpersonen ist erkennbar, dass die

Haltungsentwicklung in diesen drei Schulen Thema ist, der Prozess jedoch noch nicht

abgeschlossen werden konnte. In einer Schule kann jedoch von einer deutlich positiven

Entwicklung berichtet werden. Eine Veränderung fand dahingehend statt, dass jetzt eine

gemeinsame Linie im Umgang mit auffälligen Jugendlichen und eine stärkere gemeinsame

Verantwortungsübernahme bestehen.

Als hemmender Faktor für die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung stellte

sich das unterschiedliche Rollenverständnis der Lehrpersonen heraus. Ein Teil der

Lehrpersonen, nach Aussagen von Beteiligten insbesondere der Sekundarstufe II, sieht seine

Aufgabe hauptsächlich in der Wissensvermittlung. Eine erfolgreiche FF kann jedoch nur

eingeführt werden, wenn alle Lehrpersonen der Überzeugung sind, dass sie neben dem

Bildungsauftrag auch einen Erziehungsauftrag erfüllen sollten. Denn für die Schule ist es

relevant, dass sie Schüler/innen hat, die motiviert, lernbereit und aufnahmefähig sind. Eine

Diskussion über das Rollenverständnis der Lehrperson ist demnach vor Einführung von FF

unumgänglich. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich im Projekt 'Schule und Cannabis' (Fabian et

al., 2006).

Aus der Sicht der Evaluation sollte die Diskussion über eine gemeinsame Haltung in allen

Schulen geführt werden. FF ist nicht allein von einem guten Instrument abhängig, sondern

von der Art und Weise, wie die Lehrpersonen das Instrument umsetzen. Grundlage für die

Umsetzung ist die pädagogische Haltung der Lehrpersonen bezüglich des Umgangs mit

gefährdeten Schüler/innen. Insbesondere für eine langfristige Nutzung und Verankerung der

Idee von FF muss eine entsprechende Schulhauskultur vorhanden sein.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 75

Fazit: Nur ein kleiner Teil der Schulen hat die Entwicklung einer gemeinsamen Haltung als

Ziel. Von den zwei Beispielschulen mit entsprechender Zielsetzung konnte eine das Ziel

erreichen. In anderen Schulen wuchs das Bewusstsein für die Wichtigkeit der gemeinsamen

Haltung im FF-Prozess. Das unterschiedliche Rollenverständnis der Lehrpersonen

hinsichtlich ihres Erziehungsauftrags und die fehlende gemeinsame Haltung sind hinderlich

für eine erfolgreiche FF.

Empfehlung: Die gemeinsame Haltung der Lehrpersonen ist die Grundlage für die

erfolgreiche, langfristige Umsetzung des FF-Konzepts und eine Schulhauskultur, in der FF

verankert ist. Daher sollte die Haltungsfrage bei der Entwicklung und Einführung des

Leitfadens thematisiert werden. Den Schulen sollte die Notwendigkeit der Haltungs-

entwicklung aufgezeigt werden.

12. Besteht ein Netzwerk von Fachstellen, das die Schulen bei Bedarf in Anspruch

nehmen können, und wie ist es ausgestaltet?

Die Frühintervention kann je nach notwendiger Unterstützung für den Schüler / die Schülerin

von externen Fachpersonen angeboten werden. Für das Einleiten einer adäquaten Intervention

ist es wichtig, dass die Schulen relevante Fachstellen und Fachpersonen kennen. Wenn die

Fachstellen bekannt sind und bereits erste Kontakte bestehen, kann eine Unterstützung

schneller und gezielter angeboten werden. Der Kontakt kann in unterschiedlicher Intensität

bestehen:

1. Die Lehrpersonen haben eine Liste mit den relevanten Fachstellen und deren Angebot.

2. Ansprechpersonen der Fachstellen werden einmalig eingeladen, um sich dem Kollegium

vorzustellen.

3. Es finden regelmässige Kontakte zwischen den Ansprechpersonen der Fachstellen und

dem Kollegium statt.

Betrachtet man die teilnehmenden Schulen, zeigt sich, dass zwei Schulen keinerlei Kontakt zu

den Fachstellen herstellten, auch nicht im Sinne einer Liste für die Lehrpersonen. Dies ist zum

einen die Schule, welche zuerst einen Schulentwicklungsprozess durchlief und auch noch

keinen Interventionsleitfaden entwickeln konnte, zum anderen eine Schule, welche im

Leitfaden keinen Einbezug von externen Stellen vorsieht. Hier stellt sich die Frage, ob in

dieser Schule die Lehrpersonen alleinige Akteure der Frühintervention sind, was in einigen

Fällen eine Überforderung für sie bedeuten würde. Mehrheitlich haben die teilnehmenden

Schulen jedoch eine Liste der Fachstellen zusammengestellt. Knapp die Hälfte der Schulen

nahm mit Fachstellen Kontakt auf, um sie in die Schulen einzuladen und in den

Entwicklungsprozess, z.B. in die Leitfadenentwicklung, einzubeziehen. In einer Schule sind

Bemühungen feststellbar, zusammen mit der Gemeinde ein regelmässiges Treffen („runder

Tisch“) einzurichten. Insgesamt wird jedoch deutlich, dass die Kooperation mit den

Fachstellen von den Schulen als schwierige und langwierige Aufgabe bewertet wird.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 76

Aus der Sicht des Evaluationsteams stellt sich die Frage, inwiefern jede Schule ein Netzwerk

aufbauen sollte bzw. wie die Kooperationen zwischen Schule und Fachstellen in den

einzelnen Schulen aussehen kann. Bei einer Netzwerkbildung sind unter anderem folgende

Punkte zu berücksichtigen (Miller, 2005):

• Zweck: Netzwerke sollten zielgerichtet sein. Das heisst, bevor die Schule an der

Vernetzung zu arbeiten beginnt, sollte der Zweck der Kontaktaufnahme festgelegt werden.

Sollen die Lehrpersonen die Fachstellen und ihr Angebot lediglich etwas kennen, die

Triage aber über die Schulsozialarbeit laufen, reicht eine aktuelle Liste mit Fachstellen für

die Lehrpersonen aus. Sollen die Lehrpersonen jedoch im FF-Prozess die Schüler/innen an

Fachstellen weitervermitteln, ist es von Vorteil, wenn zwischen Lehrpersonen und

Fachstellen persönliche Kontakte bestehen. Der Zweck der Vernetzung wären hier also das

gegenseitige Kennenlernen und evtl. ein regelmässiger Austausch über Angebote.

• Beteiligte: Bevor die Vernetzung aufgebaut wird, sollte entschieden werden, wer innerhalb

der Schule welche Rolle bei der Zusammenarbeit mit den Fachstellen übernimmt.

Entsprechend können die Massnahmen zur Vernetzung geplant werden. In den

teilnehmenden Schulen gibt es verschiedene Modelle, z.B. eine Vernetzung allein über die

Schulsozialarbeit; Lehrpersonen sind nicht beteiligt, somit sind keine Massnahmen auf der

Lehrpersonenebene notwendig. Oder die Vernetzung läuft zwar hauptsächlich über die

Schulsozialarbeit, aber die Lehrpersonen sollen z.B. für eine Projektarbeit die

entsprechenden Fachstellen direkt anfragen; dann ist eine Bekanntmachung der Fachstellen

notwendig.

• Ressourcen: Für eine Vernetzung sind fachliche und finanzielle Ressourcen notwendig.

Im Fall von FF müssten sowohl die Schulen wie auch die Fachstellen über entsprechende

Ressourcen verfügen können. Zu beachten ist ausserdem, dass der Aufbau eines Netzwerks

eine langfristige Aufgabe darstellt und somit auch langfristig Ressourcen eingeplant

werden müssen.

Sind die genannten Punkte festegelegt, kann die Form der Zusammenarbeit gemeinsam

definiert werden.

Als Brücke zwischen Schule und Fachstellen werden im FF-Projekt die Schulsozialarbeit und

teilweise auch die externen Beratungspersonen wahrgenommen. Auch bestehen nach Aussage

der Beteiligten erfolgreiche Modelle der Kooperation, in denen die Schulsozialarbeit als

zentrale Triagestelle die Zusammenarbeit mit den externen Fachstellen übernimmt. Als

hinderlicher Faktor werden neben den mangelnden Ressourcen die bisher schlechten

Erfahrungen der Schulen bei der Zusammenarbeit mit den Fachstellen genannt. Der

Informationsfluss wird als einseitig (von der Schule zur Fachstelle) empfunden. Die Kriterien

für den Datenschutz sind für die Schulen unklar.

Insgesamt sind in den teilnehmenden Schulen erste Schritte und verschiedene Modelle zur

Vernetzung erkennbar. Deren Nachhaltigkeit und Praxistauglichkeit müsste aufgrund des

langwierigen Prozess zu einem späteren Zeitpunkt überprüft werden.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 77

Fazit: Es ist ersichtlich, dass verschiedene Modelle der Vernetzung möglich sind. Knapp die

Hälfte der Schulen nahm im Rahmen des FF-Projekts Kontakt mit Fachstellen auf. Insgesamt

wird die Vernetzung eher als schwierig und langwierig beurteilt.

Empfehlung: Der Auftrag an die Schulen, für den FF-Prozess ein Netzwerk aufzubauen,

sollte klarer formuliert werden. Denn bevor von den Schulen ein Netzwerk aufgebaut werden

kann, müssen Zweck, Beteiligte und erforderliche Ressourcen festgelegt werden. Für die

Vernetzung von Schulen und Fachstellen sind verschiedene Modelle möglich und erfolgreich.

Eine Abklärung der vorhandenen Kontakte, der bisherigen Schwierigkeiten und des Bedarfs

im Rahmen der Situationsanalyse kann Hinweise auf das geeignete Modell geben.

13. Wurden die Eltern über das Konzept informiert und in welchem Umfang findet im

Zusammenhang mit der FF eine Kooperation zwischen Eltern und Schule statt?

Elternarbeit sollte aus der Sicht des Evaluationsteams Bestandteil von FF in der Schule sein.

Gerade Eltern von gefährdeten Schüler/innen sind durch die Schule häufig schwerer zu

erreichen, was eine gute Zusammenarbeit auf struktureller Ebene notwendig macht (Meister

& Trauffer, 2007). Ebenso zeigen Ergebnisse aus anderen Projekten, dass Partizipation der

Beteiligten ein Erfolgsfaktor für ein Präventionsprogramm darstellt (Frehner, 2005).

Die Information über FF und der Einbezug der Eltern in das Projekt gestaltete sich in den

teilnehmenden Schulen sehr unterschiedlich. Die Palette reicht von keinerlei Information bis

zur Mitarbeit und Mitentscheidung im Rahmen der Projektsteuergruppe. Die Ergebnisse

zeigen jedoch, dass der Einbezug der Eltern in der bisherigen Projektlaufzeit insgesamt nicht

sehr ausgeprägt war. Von den sechs Schulen, welche sich die Zusammenarbeit mit den Eltern

im Rahmen des FF-Projekts als Ziel setzten, konnten vier Schulen dieses umsetzen. Eine

weitere Schule führte auch ohne entsprechende Zielsetzung Veranstaltungen für die Eltern

durch.

Für das Projektjahr der Verlängerungsphase (Schuljahr 07/08) planen weitere Schulen, die

Eltern über das Thema zu informieren. Dies macht deutlich, dass das Vorgehen hinsichtlich

Information und Beteiligung der Eltern eher unklar war. Zum anderen zeigt der späte

Einbezug der Eltern auch, dass in vielen Schulen zuerst ein kollegiumsinterner Prozess

vollzogen wird: In einem ersten Schritt wird das Thema innerhalb der Schule bearbeitet und

Strukturen werden geschaffen, dann erst wird das Projekt nach aussen getragen. Nur in

Schulen mit bereits bestehenden Kooperationsstrukturen (wie z.B. Elternvereinigung) findet

von Anfang an ein vermehrter Einbezug statt. In den anderen Schulen muss zuerst die Form

der Information und Kooperation gefunden werden, was zusätzliche Zeit braucht.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 78

Fazit: Der Einbezug der Eltern als zentrales Element bei der Einführung von FF ist im

Rahmen der bisherigen Laufzeit des Projekts in wenigen Schulen gelungen. Schulen mit

bestehenden Kooperationsstrukturen zwischen Schule und Eltern nutzen diese, Schulen ohne

bestehende Kooperationsstrukturen müssen die Form eines möglichen Einbezugs erst

erarbeiten.

Empfehlung: Elternarbeit sollte auch in zukünftigen Projekten angestrebt werden, um FF als

erfolgreiches Präventionsprogramm einzuführen und umzusetzen. Damit die Schulen dies in

zwei bis drei Projektjahren erreichen, ist (je nach bereits bestehenden Kooperations-

strukturen) Unterstützung vonseiten der Projektträger notwendig. Mögliche Unterstützung

könnte in Form von Konzepten oder Best-Practice-Modellen erfolgen.

14. Wie wurden die Schüler/innen über das neue Konzept informiert?

Die Hälfte der Schulen bezog die Schüler/innen in die Situationsanalyse ein, d.h. die

Schüler/innen wurden zu ihrem Wohlbefinden und ihrer Problemlage befragt. Ob die

Ergebnisse Einfluss auf den weiteren Verlauf des Projekts hatten, ist für die Evaluation in den

meisten Schulen nicht schlüssig ersichtlich. In zwei Schulen zeigt sich jedoch, dass die

Ergebnisse der Situationsanalyse erst nach der Planung und dem ersten Jahr des Projekts

bekannt waren und damit erst dann gegebenenfalls einbezogen werden konnten. Aus der Sicht

der Evaluation stellt sich die Frage, inwiefern und in welchem Ausmass eine Analyse des

Wohlbefindens und der Problemlage für die Schulen notwendig und nützlich ist, da die

häufigsten Problematiken aus nationalen Studien wie z.B. HBSC- oder SMASH-Studien (z.B.

Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), 2007) bekannt

sind. Die Befragung der Schüler/innen kann jedoch dazu dienen, die Schüler/innen, aber auch

die Lehrpersonen, Schulleitungen, Eltern und weitere Akteure für die Thematik zu

sensibilisieren und den Bezug zur eigenen Schule zu schaffen. Aufwand und Nutzen des

Erfassens der Problemlagen sollte von den Schulen im Vorhinein abgewogen werden.

Wiederum die Hälfte der Schulen führte Veranstaltungen für Schüler/innen durch. Diese sind

alle der Gesundheitsförderung und universellen Prävention zuzuordnen. Ein konkreter Bezug

zu FF ist unseres Erachtens nicht gegeben. Weitere Schulen haben sich die Ausweitung des

Projekts auf die Ebene der Schüler/innen für das letzte Projektjahr vorgenommen. Demnach

kann - wie bei der Frage nach dem Einbezug der Eltern - festgestellt werden, dass in einigen

Schulen zuerst ein kollegiumsinterner Prozess durchlaufen werden muss, bevor Aktivitäten

ausserhalb des Kollegiums stattfinden können.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 79

Fazit: In der Hälfte der Schulen wurden die Schüler/innen in die Situationsanalyse

einbezogen. Ebenso häufig fanden für Schüler/innen Veranstaltungen zu Themen der

Gesundheitsförderung und Prävention statt. Die Befragung der Schüler/innen im Rahmen der

Situationsanalyse stellt aber keine Beteiligung im engeren Sinne dar, da die Schüler/innen nur

Auskunftgebende sind und nicht mitdiskutieren können. Als positiver Effekt könnte eine

Sensibilisierung für das Thema bei den Schüler/innen entstehen. Insgesamt bringen die

Befragungen keine überraschenden Ergebnisse. Eine Beteiligung im Sinne einer

Mitgestaltung des Projekts war lediglich in einer Schule vorgesehen.

Empfehlungen: Die Beteiligung der Schüler/innen im Sinne einer Mitgestaltung im Projekt

wäre erstrebenswert, da die Schüler/innen die Hauptbetroffenen sind und sich eine

Partizipation voraussichtlich positiv auf den Erfolg der FF auswirken würde (Frehner, 2005).

Wiederum könnten Konzepte und Best-Practice-Modelle, z.B. die Beteiligung des Schülerrats

oder die Diskussion von Regelwerken und Leitfäden mit Schüler/innen, den Schulen

Anregungen für die Gestaltung geben.

Zielsetzung, Inhalt und Aufwand der Situationsanalyse sind zu prüfen. Informationen über

den Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten der Schweizer Schüler/innen kann

aktuellen Studien entnommen werden. Die Befragung der Schüler/innen kann jedoch einen

Einstieg in das Thema bieten. Aus der Sicht der Evaluation sollte die Situationsanalyse

vermehrt zur Abklärung der Ausgangslage in Bezug auf die Prozesse und Strukturen genutzt

werden. Um die Situationsanalyse nicht zu umfassend zu gestalten, müssen Prioritäten gesetzt

werden.

15. In welchem Umfang wurden die Lehrpersonen in die Entwicklung und Einführung

des FF-Konzepts einbezogen und welchen Einfluss hat die Stärke des Einbezugs?

Die Partizipation der Beteiligten ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Präventionsprogramme

(Frehner, 2005). Die Lehrpersonen sind die Hauptakteure im FF-Prozess, insbesondere der

Früherkennung, in einigen Schulen aber auch der Frühintervention. Aus diesem Grund

nehmen wir die Frage nach dem Mass der Beteiligung der Lehrpersonen hier als zusätzliche

Evaluationsfrage auf.

Als positiv zu beurteilen ist, dass in allen Projektsteuergruppen Lehrpersonen vertreten sind

und dass die Teilnahme am Projekt die Zustimmung des Kollegiums erfordert. Beide

Kriterien wurden von den Projektträgern (BAG, SNGS und HSA Luzern) vorgegeben und

von den Schulen eingehalten. Dies bildet die Grundlage für einen partizipativen Prozess in

dem Sinn, dass zumindest die Lehrpersonen als Berufsgruppe durch Einzelne in der

Projektsteuergruppe vertreten sind und mitentscheiden können. Diese Zusammenstellung der

Steuergruppen wurde von den Mitgliedern der Steuergruppe der vier Beispielschulen als

sinnvoll beurteilt. Aus den Interviews wird deutlich, dass die Lehrpersonen der Steuergruppe

sowohl Informationen von der Steuergruppe in das Kollegium brachten als auch kritische

Rückmeldungen aus dem Kollegium in die Steuergruppe.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 80

Über diesen Einbezug einzelner Lehrpersonen hinaus gestaltete sich der Einbezug des

Gesamtkollegiums in den vier Beispielschulen unterschiedlich. In einer Schule wurde das

Kollegium in geringem Masse einbezogen und es fanden vergleichsweise wenige

Veranstaltungen für Lehrpersonen statt. Das heisst, FF wurde hauptsächlich in der

Steuergruppe thematisiert und bearbeitet. Dies schlägt sich in der eher geringen Bekanntheit

des FF-Konzepts und des Leitfadens bei den Lehrpersonen nieder. Die Hälfte der

Lehrpersonen an dieser Schule hatte bisher (nach zwei Jahren Projektlaufzeit) nach eigenen

Aussagen vom Konzept nur gehört. Ebenso konnte eine vergleichsweise geringe Steigerung

von Wissen und Handlungssicherheit erreicht werden. Die genannten Punkte sprechen für den

positiven Einfluss eines stärker partizipativen Vorgehens. Dieses führt zu grösserer

Bekanntheit und zentralen Entwicklungen bei den Lehrpersonen. Ob der Einbezug der

Lehrpersonen im Wesentlichen in Form von Veranstaltungen, wie er von zwei der vier

Beispielschulen gestaltet wurde, oder in Form von Mitarbeit in Arbeitsgruppen stattfindet, ist

abhängig von der Grösse des Kollegiums, von der Teamkultur und von den vorhandenen

Ressourcen.

Fazit: In allen Schulen waren Lehrpersonen in der Projektsteuergruppe vertreten und konnten

somit über den Verlauf und die Ausgestaltung des Projekts mitbestimmen. Ein Einbezug des

Gesamtkollegiums über Veranstaltungen oder Arbeitsgruppen wirkte sich positiv auf die

Bekanntheit der Thematik aus und führte zu mehr Wissen und Handlungssicherheit bei den

Lehrpersonen.

Empfehlungen: Die Partizipation der Lehrpersonen bei der Einführung und Entwicklung von

FF sollte in zukünftigen Projekten noch stärker gefördert werden, da sich FF so nachhaltiger

im Kollegium verankern lässt und der Austausch im Team zu mehr Handlungssicherheit

beiträgt. Die Wahrscheinlichkeit für einen längerfristigen Erfolg des FF-Konzepts kann durch

einen verstärkten Einbezug erhöht werden.

Für einen partizipativen Projektprozess müssen genügend Ressourcen eingeplant werden.

Weiterbildungszeit für das ganze Kollegium muss vorhanden sein und investiert werden,

ansonsten besteht bei den Lehrpersonen die Gefahr fehlender Motivation zur Mitarbeit.

16. Welche Themen werden im Projekt bearbeitet?

Alle Leitfäden sind auf allgemeine Gefährdungssituationen ausgerichtet bzw. beziehen sich

auf verschiedene Themen, auch unabhängig von der Suchtproblematik. Dies entspricht der

aufgezeigten momentanen Entwicklung von FF-Konzepten: weg von der Suchtproblematik,

hin zu einem breiteren Verständnis von Gefährdungsentwicklungen. Die Nähe zu

Suchtproblematik, universeller Prävention und Gesundheitsförderung ist teilweise in den

Zielsetzungen der Schulen (vgl. Tabelle 15 im Anhang) sichtbar, in deutlich stärkerem Mass

jedoch in den Veranstaltungen für die Schüler/innen. Diese können alle als Massnahmen im

Rahmen von Gesundheitsförderung (Gesundheitswochen u.Ä.) oder universeller Prävention

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 81

(Besuch einer Ausstellung zur Suchtmittelproblematik) bezeichnet werden. Grundsätzlich

sind sie als positive Erweiterung des Themas zu bewerten. Nichtsdestoweniger stellt sich die

Frage, ob die Schulen alle ein ähnliches Verständnis von FF, auch in Abgrenzung zu

Gesundheitsförderung und universeller Prävention haben. Aussagen aus Interviews lassen auf

ein tendenziell eher ungenaues Verständnis von FF an den Schulen, d.h. bei den

Schulleitungen und Lehrpersonen schliessen. Ein klares Verständnis von FF würde

wahrscheinlich zu einem fokussierteren Vorgehen bei der Einführung von FF und der

Verbindung mit gesundheitsfördernden und präventiven Massnahmen und Strukturen führen.

Auch stellt sich die Frage, ob aus der Sicht der Projektträger (BAG, SNGS und HSA Luzern)

mit dem Projekt diese breite Palette von Massnahmen gefördert werden soll oder ob eine

stärkere Einschränkung auf FF erfolgen soll.

Fazit: Mit den Interventionsleitfäden wird in den teilnehmenden Schulen eine breite Palette

von Problemlagen abgedeckt und die Möglichkeit geboten, FF auf verschiedene Gefährdungs-

entwicklungen anzuwenden. Das Verständnis von FF in Abgrenzung zu Gesundheits-

förderung und universeller Prävention könnte in den Schulen noch verbessert werden.

Empfehlungen: Ein fachlicher Input vonseiten der Projektträger oder auch vonseiten der

fachlichen Begleitperson könnte zu einem besseren Verständnis von FF in Abgrenzung zur

universellen Prävention und Gesundheitsförderung beitragen. Durch einen besseren Einblick

in die verschiedenen Formen der Prävention und Gesundheitsförderung kann FF auch besser

in ein Gesamtpräventionskonzept integriert werden.

17. Über welche zeitlichen und finanziellen Ressourcen verfügen die Schulen im Projekt

und reichen diese aus?

Aus den Projektdokumenten ist ersichtlich, dass rund die Hälfte der Schulen zusätzliche

finanzielle Mittel in das Projekt investierten. Die vom BAG zur Verfügung gestellten

finanziellen Ressourcen sind laut den zentralen Akteuren der vier Beispielschulen für dieses

umfassende und fachlich anspruchsvolle Projekt nicht ausreichend. Dies wird besonders in

einer der vier Beispielschulen deutlich, welche sehr wenige zusätzliche finanzielle Mittel zur

Verfügung hatte und ihre Situation als sehr schwierig empfand. Die zur Verfügung stehenden

Gelder wurden hauptsächlich für Weiterbildungen, Beratungsperson und Produkte (Leitfaden

u.Ä.) ausgegeben. Keine Entschädigung erhielten die Schulleitungen als Projektleitende, auch

nicht in Form von zusätzlichen zeitlichen Ressourcen - neben den alltäglichen Aufgaben

wurde die Projektarbeit damit zur Belastung. Unterschiedlich gestaltete sich die Belastung für

Lehrpersonen: je nachdem, ob Projektarbeit im normalen Arbeitspensum vorgesehen ist oder

nicht, wurde die Mitarbeit als übliche oder zusätzliche Belastung wahrgenommen. Entlastend

konnte die Schulsozialarbeit wirken, insbesondere wenn sie sich als zusätzliche Ressource

neben der Beratungsperson beteiligen konnte.

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Die Laufzeit des Projekts - mit Verlängerung - von insgesamt drei Jahren wurde als

ausreichend bewertet. Der Entscheid, die geplante Laufzeit von zwei Jahren auf drei Jahre zu

verlängern, wurde begrüsst. Das Verlängerungsjahr ist aus der Sicht der vier Beispielschulen

notwendig, um die Konzepte in die Praxis umzusetzen und den Leitfaden zu erproben. Auch

zeigen die Ergebnisse zum Einbezug von Eltern und Schüler/innen, dass dieser in vielen

Schulen erst nach einem kollegiumsinternen Prozess geschieht und somit eine längere

Projektzeit für die Umsetzung notwendig ist. Ob das Verlängerungsjahr entsprechend genutzt

wird, müsste nach Abschluss des Projekts überprüft werden.

Fazit: Die vom BAG zur Verfügung gestellten finanziellen Ressourcen werden begrüsst,

reichen jedoch für einen befriedigenden Projektverlauf nicht aus. Die zeitliche Belastung für

die Projektleitung wird als gross bewertet, die Schulsozialarbeitenden können entlastend

wirken. Die dreijährige Laufzeit scheint für die Einführung eines FF-Konzepts mehrheitlich

zu genügen.

Empfehlung: Die an zukünftigen Projekten teilnehmenden Schulen sollten darauf

hingewiesen werden, welcher Aufwand im Projekt zu erwarten ist und welche zusätzlichen

finanziellen Ressourcen für einen befriedigenden Projektverlauf notwendig sind. So könnten

dann entsprechende Massnahmen (z.B. Anpassung des Budgets für das kommende Schuljahr)

eingeleitet werden.

Auch die Belastung der Schulleitung als Projektleitung sollte im Vorhinein aufgezeigt werden,

so dass eine entsprechende Jahresplanung erfolgen kann.

Die geplante zweijährige Projektlaufzeit genügt in vielen Fällen, um erste Entwicklungen wie

den Interventionsleitfaden zu vollziehen, jedoch nicht, um diese umzusetzen und zu optimieren

oder Schüler/innen und Eltern zu informieren. Eine dreijährige Laufzeit ist vorzuziehen.

7.2 Hauptfragestellungen

7.2.1 Was sind hinderliche und förderliche Faktoren bei der Einführung von Früherkennung und Frühintervention in der Schule?

Nach den Evaluationsergebnissen lassen sich mehrere Faktoren, welche einen Einfluss auf

den Projektverlauf nehmen, benennen. Diese Faktoren wurden bereits in den Antworten zu

den Detailevaluationsfragen ausführlich beschrieben und werden im Folgenden noch einmal

kurz zusammengefasst:

• Tandembildung Beratungsperson-Schule: Die enge Zusammenarbeit der Schule mit

einer Beratungsperson gibt den Schulen fachliche und zeitliche Ressourcen, die für die

Einführung und Entwicklung von FF-Konzepten wesentlich sind. Ohne diese zusätzlichen

Ressourcen ist die Entwicklung und Einführung eines FF-Konzepts in umfassendem Mass

wahrscheinlich nicht möglich.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 83

• Projektleitung durch Schulleitung: Die Leitung des Projekts durch die Schulleitung gibt

dem Projekt die notwendige Legitimation und mehr Verbindlichkeit. Des Weiteren

vereinfacht sie die Verankerung des Projekts in der Jahresplanung der Schule. Bei anderen

Projektleitungsstrukturen muss all dies anderweitig, eventuell mit mehr Aufwand erarbeitet

werden.

• Schulsozialarbeit als zusätzliche Ressource: Die Schulsozialarbeit stellt eine wertvolle

zusätzliche fachliche und zeitliche Ressource bei der Entwicklung und Einführung des FF-

Konzepts dar. Sie wird mit Vorteil als schulinterne Unterstützung in Ergänzung zur

externen Beratungsperson in das Projekt einbezogen.

• Partizipation der Lehrpersonen: Der Einbezug der Lehrpersonen in die Ausarbeitung

und Gestaltung des FF-Konzepts (oder einzelner Bestandteile) fördert dessen Bekanntheit,

den Wissenszuwachs und somit auch die Akzeptanz und Verankerung von FF in der

Schule.

• Berufsverständnis der Lehrpersonen: Das unterschiedliche Berufsverständnis der

Lehrpersonen (Erziehungs- vs. Bildungsauftrag) ist hinderlich für die Einführung von FF,

da aktuelle Konzepte von FF in der Schule von einer Lehrperson als zentralem Akteur der

Früherkennung ausgehen. Falls unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der

Lehrpersonen oder ein enges Bildungsverständnis bestehen, muss dies thematisiert werden.

• Zeitliche und personelle Ressourcen: Fehlende Ressourcen müssen durch mehr

Enthusiasmus bzw. mehr persönliches Engagement aufgewogen werden, was über mehrere

Jahre hinweg nicht aufrechterhalten werden kann. Entsprechend sind fehlende finanzielle

und personelle Ressourcen ein hinderlicher Faktor, der durch eine frühzeitige Planung des

Jahresbudgets zumindest teilweise aufgefangen werden kann.

7.2.2 In welchem Mass verfügen die Schulen über ein Verfahrens- und Handlungsrepertoire, das sie in die Lage versetzt, bei Gefährdung eines Schülers / einer Schülerin frühzeitig und adäquat zu reagieren?

Die differenzierten Ergebnisse der Evaluation zeigen auf, wie unterschiedlich sich der

Prozessverlauf in den 14 teilnehmenden Schulen gestaltete und was innerhalb der

zweijähreigen Einführungs- und Entwicklungszeit möglich war. Folgende Bausteine tragen

aus der Sicht des Evaluationsteams zu einem Handlungsrepertoire bei, das bei Gefährdung

eine adäquate und frühzeitige Reaktion ermöglicht:

• Der Interventionsleitfaden ist Grundlage für ein Verfahrensrepertoire bei Gefährdung eines

Schülers / einer Schülerin. Mit einer Ausnahme konnten alle Schulen einen

Interventionsleitfaden entwickeln. Die vorliegende Evaluation zeigt, dass der Leitfaden

auch angewendet wird und somit das Verfahrensrepertoire der Lehrpersonen,

Schulleitungen und Schulsozialarbeitenden mitbestimmt.

• Über die Hälfte der Schulen führten Weiterbildungsveranstaltungen für die Lehrpersonen

durch, die zu mehr Wissen über FF, Symptome und Gefährdungen führten. Dieses Wissen

unterstützt die Lehrpersonen darin, Gefährdungen frühzeitig wahrzunehmen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 84

• Ebenso erweitert das Wissen über Fachstellen das Handlungsrepertoire und erhöht die

Handlungssicherheit. Wiederum über die Hälfte der Schulen nahm Kontakt mit Fachstellen

auf.

• Nur einzelne Schulen setzten sich mit grundlegenden Schulentwicklungsprozessen wie der

Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung oder der Verbesserung der

Kommunikation unter den Lehrpersonen auseinander. Gerade diese Auseinandersetzung

kann jedoch zu einem Überdenken der eigenen Handlungsstrategien und zu einem

erweiterten Handlungsrepertoire beitragen. Auf dieser Ebene konnte im Rahmen des

Projekts nur wenig erreicht werden.

Die teilnehmenden Schulen setzten verschiedene Schwerpunkte. Die durchgeführten

Aktivitäten zeigen, dass es nur wenigen Schulen möglich ist, innerhalb der zwei Jahre in allen

Bereichen Grundlagen für ein Verhaltensrepertoire zu legen. In fünf Schulen konnten neben

dem Interventionsleitfaden zwei oder mehr der oben genannten Entwicklungen in die Wege

geleitet werden, fand also ein Prozess statt, der auf verschiedenen Ebenen zu einem adäquaten

Handlungsrepertoire führen kann. Acht Schulen konzentrierten sich auf die Entwicklung des

Leitfadens und einen weiteren Bereich. Eine Schule konnte aufgrund ihrer Ausgangslage

einzig die schulinterne Kommunikation thematisieren, jedoch noch kein Handlungsrepertoire

für Gefährdungssituationen entwickeln.

Zusätzlich zu dieser Bewertung der Entwicklungen und Aktivitäten aus der Sicht des

Evaluationsteams liegen Beurteilungen der Lehrpersonen, Schulleitungen und Schul-

sozialarbeitenden über die Veränderungen im Umgang mit Gefährdungssituationen vor. Die

Gesamtbeurteilung der Steuergruppenmitglieder bezüglich FF in den vier Beispielschulen

kann als abwartend bis positiv beschrieben werden. Die bisherigen Entwicklungen werden als

Basis für die noch folgende Umsetzung der FF betrachtet. Die Sensibilisierung für eine

frühzeitige Erkennung von Gefährdungen wird am häufigsten als positive Veränderung

genannt. Auch die Handlungssicherheit bei den Lehrpersonen im Umgang mit gefährdeten

Schüler/innen konnte leicht erhöht werden.

Insgesamt befindet sich die Mehrheit der Schulen mit ihren Entwicklungen auf einem guten

Weg, sie sind jedoch erst am Anfang der Umsetzung in ein adäquates Handlungsrepertoire.

Die Frage, ob die Schulen nun über ein Verfahrens- und Handlungsrepertoire verfügen, das

sie frühzeitig und adäquat reagieren lässt, kann auf der Basis der vorliegenden Evaluation

nicht abschliessend beantwortet werden. Weitere Untersuchungen zu einem späteren

Zeitpunkt, wenn Erfahrungen mit FF gesammelt wurden, könnten den Erfolg der Umsetzung

abschliessend bewerten.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 85

Empfehlung: Grundsätzlich sollten neben der Entwicklung des Leitfadens weitere Prozesse

auf der Ebene der Wissensbildung und Schulkulturentwicklung Bestandteil der Einführung

von FF und somit Ziel der Schulen sein. Jedoch scheint es im Rahmen von zwei bis drei

Projektjahren nicht möglich, alle Ziele zu erreichen. Eine Prioritätensetzung der Ziele ist

notwendig, wobei die jeweilige Ausgangslage - bestehende Strukturen und Bedürfnisse der

Schule - ausschlaggebend sind. Die Projektträger sollten jedoch darauf achten, dass weniger

offensichtliche Prozesse wie die Haltungsentwicklung in den Zielsetzungen auch

berücksichtigt werden.

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8 Reflexion Evaluationsdesign

Das Evaluationsdesign ist zweistufig aufgebaut: eine Vollerhebung in allen 14 teilnehmenden

Schulen sowie vertiefte Analysen von vier ausgewählten Schulen. Die Auswahl der vier

Beispielschulen zielte auf eine maximale Variation ab, die die Variationsbreite und

Unterschiedlichkeit im Feld erschliessen soll (vgl. Flick, 2000). Als Auswahlkriterien dienten

die Beratungsperson, die Schulstufe und die Trägerschaft der Schulen. Von den vier vom

Evaluationsteam und den Projektträgern ausgewählten Schulen entschied sich eine Schule

aufgrund der für sie zu hohen Belastung durch die Befragung der Lehrpersonen gegen eine

Teilnahme. Eine andere Schule wurde daraufhin als Beispielschule ausgewählt. Dadurch

konnte die gewünschte optimale Kontrastierung der vier Beispielschulen nur in

eingeschränktem Masse erreicht werden.

In der Analyse der vier Beispielschulen wurde deutlich, dass drei von ihnen im Vergleich zu

den anderen teilnehmenden Schulen zum einen eine breitere Palette von Zielen aufwiesen,

darunter solche wie die Entwicklung einer gemeinsamen pädagogischen Haltung und die

Verbesserung der Kommunikation, zum anderen eine grössere Anzahl von Veranstaltungen

für Lehrpersonen, Eltern und Schüler/innen stattfand. Die Beispielschulen können somit in

ihren Aktivitäten nicht als repräsentativ für alle 14 teilnehmenden Schulen betrachtet werden.

Sie zeigen jedoch auf, was innerhalb von zwei Jahren im Rahmen eines solchen Projekts

möglich ist. Ebenso können im Vergleich der vier Beispielschulen untereinander und mit den

anderen teilnehmenden Schulen Hinweise auf allgemeingültige förderliche und hinderliche

Faktoren in der Entwicklung und Einführung von FF-Konzepten gewonnen werden.

Für die vorliegende Evaluation wurden drei verschiedene Methoden gewählt: die Analyse

aller Projektdokumentationen der 14 Schulen, die schriftliche Befragung der Lehrpersonen

sowie die mündliche Befragung der Steuergruppenmitglieder von vier ausgewählten Schulen.

Dies ermöglichte es, verschiedene Perspektiven einzubeziehen, und ergab eine Vielzahl von

detaillierten Ergebnissen.

Die Dokumentenanalyse zeigte auf, wie unterschiedlich die Schulen im Projekt arbeiten und

wie unterschiedlich auch die Dokumentation in den Schulen erfolgt. Es wurde deutlich, dass

es sich bei diesem Projekt nicht um ein homogenes Projekt handelt, sondern um 14

Einzelprojekte. Ein Vergleich zwischen den Schulen war somit nur begrenzt möglich. Ebenso

erwies sich die Sammlung der Dokumente als aufwendiger als geplant. Der Rücklauf aus den

teilnehmenden Schulen war unterschiedlich und teilweise musste mehrmals und mit

Nachdruck nachgefragt werden. Vonseiten der Evaluation wurde mit einem systematischen

Vorgehen (mit Vorgaben für die Schulen, welche Dokumente für die Analyse benötigt

werden) versucht, eine möglichst vollständige Sammlung zu erreichen. Trotzdem ist damit zu

rechnen, dass verschiedene Aktivitäten (Weiterbildungen, Elternabende etc.) eventuell aus

den zur Verfügung gestellten Dokumenten nicht ersichtlich sind. Mit dem Einbezug der

Zwischen- und Schlussberichte der Schulen konnten Lücken teilweise kompensiert werden.

Für zukünftige Evaluationen ist eine Kombination aus einer Analyse der Projektdokumente

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 87

und einer schriftlichen Erhebung der Aktivitäten bei den Projektleitungen in den Schulen

denkbar. Damit könnte sowohl ein Überblick über die Anzahl der verschiedenen Aktivitäten

geschaffen wie auch der Inhalt der Aktivitäten analysiert werden.

Die schriftlichen und mündlichen Befragungen konnten wie erwartet durchgeführt werden.

Die Teilnahmebereitschaft der Steuergruppenmitglieder war hoch, der Rücklauf der

Lehrpersonenbefragung befindet sich im Rahmen der für solche Befragungen üblichen

Rücklaufquoten.

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9 Ausblick

Die vorliegende Evaluation hat die Entwicklung und Einführung von FF-Konzepten in

Schulen im Fokus. Nicht betrachtet werden konnte aufgrund des Untersuchungszeitraums die

Umsetzung und Wirkung der Konzepte. Abgeleitet aus den bisherigen Ergebnissen haben sich

unter anderem folgende Fragestellungen für zukünftige Studien ergeben:

• Welche Leitfäden werden in der Praxis langfristig umgesetzt und welche Kriterien tragen

zu ihrer Nutzung bei?

• Kann mit den FF-Konzepten das langfristige Ziel, Gefährdungsentwicklungen frühzeitig zu

erkennen und mit adäquaten Interventionen Eskalationen wie Gefährdungsmeldungen,

Time-out o.Ä. zu vermeiden, erreicht werden?

Beide Fragestellungen können erst einer gewisse Zeit nach der Einführung und Entwicklung

der FF-Konzepte beantwortet werden. Sie sind aus der Sicht des Evaluationsteams jedoch

wichtig, um zum einen die Praxis der FF zu verbessern, indem die Leitfäden optimiert

werden, zum anderen aber auch, um den Nutzen der FF als präventive Massnahme

aufzuzeigen.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 89

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Miller, T. (2005). Die Störanfälligkeit organisierter Netzwerke und die Frage nach

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 91

11 Verzeichnisse

11.1 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Organigramm des Projekts 7

Abbildung 2: Überblick Erhebungsdesign 13

Abbildung 3: Themen der Veranstaltungen für Lehrpersonen 21

Abbildung 4: Anwendbarkeit des Leitfadens insgesamt (n=72-79) 34

Abbildung 5: Vermittlung von Wissen (n=67, Mehrfachnennungen möglich) 37

Abbildung 6: Vermittlung von Handlungssicherheit (n=63, Mehrfachnennungen möglich) 38

11.2 Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispielschulen 12

Tabelle 2: Zeitplan der Evaluation 15

Tabelle 3: Vergleich Zielsetzungen und Aktivitäten in den teilnehmenden Schulen 27

Tabelle 4: Stichprobe und Rücklauf der Lehrpersonenbefragung 28

Tabelle 5: Angemessene Beteiligung der Lehrpersonen an der Konzeptentwicklung 29

Tabelle 6: Entwicklung einer pädagogischen Haltung 30

Tabelle 7: Bedarf nach einem Leitfaden in den vier Schulen (Skala: 0=kein Bedarf, 1=eher klein, 2=eher gross) 31

Tabelle 8: Bisherige Verwendung des Leitfadens in den vier Schulen (n=78) 32

Tabelle 9: Anwendbarkeit des Leitfadens in den vier Schulen (Skala: vier-stufig, 0=stimmt nicht bis 3=stimmt) 34

Tabelle 10: Gestaltungsspielraum der Lehrpersonen bei der Anwendung des Leitfadens (Skala: 0=tief, 1=mittel, 2=hoch) 35

Tabelle 11: Wissenszuwachs in den vier Beispielschulen (n=83) 36

Tabelle 12: Steigerung der Handlungssicherheit in den vier Beispielschulen (n=81) 38

Tabelle 13: Vor- und Nachteile der externen und internen Beratung 45

Tabelle 14: Gegenüberstellung Beispielschulen, Projektlaufzeit August 05 – Juni 06 63

Tabelle 15: Übersicht über die 14 teilnehmenden Schulen 93

Tabelle 16: Projektorganisation in den teilnehmenden Schulen 97

Tabelle 17: Übersicht Interventionsleitfäden 101

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA

92

Anhang

• Übersicht über die 14 teilnehmenden Schulen

• Projektorganisation in den 14 teilnehmenden Schulen

• Interventionsleitfäden der 14 teilnehmenden Schulen

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA

93

Tabelle 15: Übersicht über die 14 teilnehmenden Schulen

Schulen Schulstufe Anzahl LP und S. Trägerschaft Beratungsperson Projektziele

A

Sekundarstufe I 46 LP 329 S.

Gemeinde Selbstständiger Berater 1. Erweiterung der Handlungskompetenzen im Bereich FF auf Lehrer/innenebene

2. Entwicklung eines Handlungsleitfadens zu diversen Präventionsthemen

3. Entwicklung div. Unterstützungsangebote

4. Partizipation auf Schüler/innen- und Elternebene in Form von Planung u. Durchführung thematischer Projekte u. Veranstaltungen

5. Schutz nicht konsumierender Schüler/innen

B

Sekundarstufe I und Sekundarstufe II

40 LP 370 S.

Private Stiftung Selbstständiger Berater 1. LP kennen salutogenetischen Ansatz und richten Projekte danach aus

2. Lehr- und Betreuungspersonen entwickeln gemeinsame Haltung im Umgang mit FF

3. Lehr- und Betreuungspersonen entwickeln, implementieren und evaluieren angepasstes Interventionsmodell

4. Verantwortung und Kompetenzen der einzelnen Rollenträger und Schnittstellen (Internat-Tagesschule) der FF sind geklärt

5. Das bestehende Sanktionsmodell ist überprüft und dem neuen FF-Modell angepasst

6. Eltern sind über FF informiert

7. Lehr- und Betreuungspersonen wissen, wann sie mit den Eltern in Kontakt treten und wie sie die Eltern einbeziehen

8. Externe, für die FF relevante Fachstellen sind den Lehr- und Betreuungspersonen bekannt. Ein Netzwerk ist aufgebaut.

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 94

C Sekundarstufe I 30 LP 247 S.

Gemeinden Mitarbeiterin kantonale Suchtpräventionsstelle

1. LP, SL und SSA haben gemeinsam Grundlagen für ihre interne Kommunikation erarbeitet. Vereinbarungen werden eingehalten.

2. LP haben sich mit einer gemeinsamen und verbindlichen pädagogischen Grundhaltung gegenüber den Schüler/innen auseinandergesetzt

3. LP erkennen früh auffälliges Verhalten, das auf eine problematische Situation ihrer Schüler/innen hinweist. Die Lehrkräfte handeln entsprechend dem erarbeiteten Wissen mit den erarbeiteten Instrumenten.

D

Sekundarstufe I 23 LP 168 S.

Gemeinde Schulsozialarbeiterin 1. An der Schule besteht ein Konzept zu Prävention, Früherfassung und Frühintervention, zur Suchtproblematik und zu allgemeinen Auffälligkeiten

2. Das Konzept zu FF ist in einem Leitfaden festgehalten

3. Präventionsarbeit ist im Wesentlichen in den Jahresfahrplänen festgehalten

4. Kommunikation, Kontakte und Zusammenarbeit sind sowohl innerhalb des Teams wie auch nach aussen in einer nachhaltigen Form strukturiert und optimiert

5. Alle Beteiligten innerhalb und ausserhalb der Schule sind über das Konzept informiert

6. Die Schule setzt das Konzept praktisch um

E

Kindergarten, Primarstufe und Sekundarstufe I

160 LP 1300 S.

Gemeinde Mitarbeiterin kantonale Suchtpräventionsstelle

1. Kriterien der Früherfassung erarbeiten

2. Verbindung zu Fachstellen ausbauen

F

Sekundarstufe II 45 LP 250 S.

Genossenschaft Mitarbeiter kantonale Stelle für Gesundheitsförderung

1. Aufbau von Wissen

2. Resultate mit Netzwerk, Information an Anspruchsträger und interne Regeln/Ablaufschema

3. Institutionalisierung mit Kompetenzgruppe und gemeinsamer pädagogischer Haltung

G

Sekundarstufe I 42 LP 380 S.

Gemeinde Schulsozialarbeitende 1. Handlungsleitfaden erarbeiten, implementieren und optimieren

2. Netzwerk aufbauen und unterhalten

3. Förderung des Bewusstseins für interdisziplinäre Kooperation

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 95

H Kindergarten und Primarstufe

21 LP 320 S.

Gemeinde Schulsozialarbeitende 1. Handlungsleitfaden erarbeiten, implementieren und optimieren

2. Netzwerk aufbauen und unterhalten

3. Förderung des Bewusstseins für interdisziplinäre Kooperation

I

Sekundarstufe I 23 LP 260 S.

Gemeinde Mitarbeiter kantonale Stelle für Gesundheitsförderung

1. Suchtfreie Schule werden

2. Verhaltensauffällige und gefährdete Jugendliche frühzeitig erkennen

3. Verbindliche Massnahmen für deren Stärkung einleiten

J Sekundarstufe I 120 LP 980 S.

Gemeinden Selbstständiger Berater 1. Werkzeugkasten für LP, Schüler/innen und Eltern erstellen; Ablaufschema für LP und Netzwerkkontakte

2. Weiterbildungsangebot für alle Beteiligten

3. Laufende Umsetzung, operationalisiert

4. Prävention-Früherkennung, Verknüpfung (Primarstufe, Sekundarstufe)

K

Sekundarstufe I 87 LP 720 S.

Gemeinde Selbstständiger Berater 1. Entwicklung eines FF-Konzepts, das alle im Lehrbetrieb Beschäftigten dabei unterstützt, schädigendes Verhalten zu erkennen u. im Rahmen der jeweiligen Kompetenzen professionell darauf zu reagieren.

2. Situationsanalyse zu FF und Schulklima

3. Handlungsleitfaden für Gewalt erstellen

4. Einbezug Eltern und Schülerschaft

5. Massnahmen zur Verbesserung des Schulklimas

L

Sekundarstufe I 40 LP 250 S.

Gemeinde Selbstständiger Berater 1. Vernetzung u. Optimierung der bereits bestehenden Präventions- u. Interventionsangebote

2. Planung, Durchführung und Evaluation thematischer Veranstaltungen auf Schüler/innen-, Eltern- und Lehrer/innenebene

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 96

M

Sekundarstufe I 34 LP 247 S.

Gemeinde Mitarbeiter kantonale Suchtpräventionsstelle

1. Ausbau der Prävention, ganzheitliches Konzept Prävention/Früherkennung

2. Information und Weiterbildung der LP im Bereich der Früherkennung

3. Grundlagen schaffen, damit die an der Schule Beteiligten im Hinblick auf Prävention, den Umgang mit der Suchtmittelproblematik bei Schüler/innen und die Zusammenarbeit mit deren Eltern kompetent handlungsfähig sind

N

Sekundarstufe I 70 LP 334 S.

Gemeinde Schulsozialarbeiter 1. Entwicklung eines Interventionsleitfadens in Verbindung mit einer einheitlichen Haltung und klaren Vorgehensregeln

2. Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns

3. Stärkung des fremdverantwortlichen Handelns

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 97

Tabelle 16: Projektorganisation in den teilnehmenden Schulen

Schulen Projektleitung Projektsteuergruppe Interne Unterstützungs-strukturen

Beratungspersonen und ihre Aufgaben Finanzielle Ressourcen

A

Schulleitung - Schulleitung - vier Lehrpersonen - Schulsozialarbeit

Schulsozialarbeit Selbstständiger Berater

Nimmt bei Bedarf der Steuergruppe an Projektsitzung teil; Durchführung der Situationsanalyse; Vernetzung mit Sekundarschule Sissach; Koordination, fachliche Begleitung und Redaktion der Leitfäden

Projektbeiträge

Budget für Lehrpersonenweiter-bildung und Gesundheitsförderung

B

Prorektor - Prorektor - zwei Internatsleitungen (gleichzeitig auch Schülerberatung) - Lehrperson - Beratungsperson

Schülerberatung Selbstständiger Berater

Unterstützt die Projektleitung und Steuergruppe; erschliesst Ressourcen (Literatur, Modelle) zu anstehenden Fragen; gibt Impulse zur inhaltlichen Auseinandersetzung und bringt sein eigenes Know-how ein; gibt Hinweise zum Vorgehen und zur Arbeitsweise; moderiert, leitet Schulentwicklungstag

Projektbeiträge

Zusätzliches Budget von Schule für Beratungsperson

C

.

Schulleitung - Schulleitung - vier Lehrpersonen - Schulsozialarbeit - Beratungsperson

Schulsozialarbeit Mitarbeiterin regionale Suchtpräventionsstelle

Kontakt zu Fachstellen; Moderation im Team; Mitglied der Kerngruppe (SL, SSA und Beratungsperson)

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

D

Schulleitung und Schulsozialarbeit (Ko-Leitung)

- Schulleitung - drei Lehrpersonen - Schulsozialarbeit - Schulrat - ein bis zwei Elternvertreter

Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit

Ko-Projektleitung; Beratung und Projektumsetzung

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 98

E

Lehrperson (mit Einbezug der Schulleitung)

- Lehrperson (Projektleitung) - drei bis acht Lehrpersonen (Kindergarten bis Oberstufe) - Schulsozialarbeit - Schulleitung - Schulpflege

Zusätzlich Arbeitsgruppen in den einzelnen Schulstufen

Schulsozialarbeit (für Oberstufe)

Mitarbeiterin kantonale Suchtpräventionsstelle

Begleitet die Arbeit der StG; bringt Fachwissen ein; unterstützt die Leitung der StG bei der Vorbereitung der Sitzungen und bei der Entwicklung des Projekts; hilft mit bei der Öffentlichkeitsarbeit

Projektbeiträge

Schuleigenes Budget für Gesundheitsförderung

F

Schulleitung - Schulleitung - vier Lehrpersonen

Keine bekannt Mitarbeiter kantonale Gesundheitsförderungsstelle

Fachliche und inhaltliche Beratung; Unterstützung bei der Umsetzung strategischer Entscheide; Evaluation; Einbringen von Themen und Schulung; Herstellung von Kontakten zu externen Beratungsstellen

Projektbeiträge

Schuleigenes Budget von Schulleitung geregelt

G

Beauftragter für Gesundheits- und Suchtfragen der Stadt

Projektteam (OS Strättligen und PS Neufeld gemeinsam): - Beauftragter für Gesundheits- und Suchtfragen - drei Schulsozialarbeitende - drei Lehrpersonen - zwei Vertreter externer Fachstellen

Zusätzlich Arbeitsgruppen in jeder Schule: - Schulsozialarbeit (Leitung) - Schulleitung / pädagogische Leitung - fünf bis sechs Lehrpersonen

Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit

Projektrealisierung auf operativer Ebene, d.h. Erarbeitung des FF-Konzepts und Umsetzung in den Schulen

Projektbeiträge

20% Stellenprozente der Beratungsperson und Projektleitung von Stadt finanziert

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 99

H Beauftragter für Gesundheits- und Suchtfragen der Stadt

Projektteam (OS Strättligen und PS Neufeld gemeinsam): - Beauftragter für Gesundheits- und Suchtfragen - drei Schulsozialarbeitende - drei Lehrpersonen - zwei Vertreter externer Fachstellen

Zusätzlich Arbeitsgruppen in jeder Schule: - Schulsozialarbeit (Leitung) - Schulleitung / pädagogische Leitung - fünf bis sechs Lehrpersonen

Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit

Projektrealisierung auf operativer Ebene, d.h. Erarbeitung des FF-Konzepts und Umsetzung in den Schulen

Projektbeiträge

20% Stellenprozente der Beratungsperson und Projektleitung von Stadt finanziert

I

Schulleitung - Schulleitung (zwei Personen) - drei Lehrpersonen (Mitglieder des Gesundheitsteams)

Keine bekannt Mitarbeiter kantonale Gesundheitsförderungsstelle

Fachliche und inhaltliche Beratung; Unterstützung bei der Umsetzung strategischer Entscheide; Evaluation; Einbringen von Themen und Schulung; Herstellung von Kontakten zu externen Beratungsstellen

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

J

Schulleitung - Schulleitung (zwei Personen) - acht Lehrpersonen - Schulsozialarbeit - Beratungsperson

Arbeit in drei themenspezifischen Gruppen

Schulsozialarbeit Selbstständiger Berater

Nimmt bei Bedarf der Steuergruppe an Projektsitzung teil; Mithilfe Projektsteuerung; Begleitung der themenspezifischen Gruppen; Durchführung der Situationsanalyse; Vernetzung mit Sekundarschule Birsfelden; Koordination, fachliche Begleitung und Redaktion der Leitfäden

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

K

Schulleitung - Schulleitung - vier Lehrpersonen - zwei Schulsozialarbeitende - Schulrätin

Schulsozialarbeit Selbstständiger Berater

Nimmt bei Bedarf der Steuergruppe an Projektsitzung teil; Durchführung der Situationsanalyse; Leitung und Moderation von Veranstaltungen

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 100

L

Schulleitung - Schulleitung - vier Lehrpersonen

B&M-Lehrperson (Begleitung und Mediation)

Selbstständiger Berater

Nimmt bei Bedarf der Steuergruppe an Projektsitzung teil; Durchführung der Situationsanalyse

Projektbeiträge

Weitere Beiträge nicht bekannt

M

Schulleitung - Schulleitung (zwei Personen) - zwei Lehrpersonen - Schulrätin - Gemeinderat - Beratungsperson

Keine bekannt Mitarbeiter kantonale Suchtpräventionsstelle

Beratende Stimme in der Projektsteuergruppe, Mitarbeit Veranstaltungen

Projektbeiträge

Budget für Lehrpersonenweiter-bildung

N

Schulleitung - Schulsozialarbeit - zwei Lehrpersonen

Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit

Leitung der Projektsteuergruppe; operative Umsetzung

Projektbeiträge

Zusätzliches Budget für Schule und Schulsozialarbeit

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,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 101

Tabelle 17: Übersicht Interventionsleitfäden

Schulen Anzahl Stufen

Verantwort-lichkeit auf den

einzelnen Stufen

Wer wird auf welcher Stufe einbezogen

Zeitlicher Gestaltungs-

spielraum

Sanktionen oder

Unterstützung

Hilfsange-bote intern

Hilfsangebote extern (ab

welcher Stufe)

Gestaltungs-spielraum Einbezug externer Personen

und Planung weiterer Schritte

Ein-führung der Leit-

fäden

A 4 Lehrperson

1. Lehrperson, 2. Lehrperson und Schüler/in, ab 3.

Lehrperson, Schüler/in, Eltern, Schulleitung, Schulsozialarbeit (je

nach Thematik)

Je nach Stufe zwischen 1-2

Wochen und 1-2 Monaten

Unterstützung durch Beratung,

kein Sanktionsmodell

Schulsozial-arbeit

Je nach Auffälligkeit spezifisches Hilfsangebot

Ab 2. Einbezug externer Personen möglich, zwingend

erst ab 4.

Januar 07

B 5

Anfänglich Lehrpersonen und

Internatsmit-arbeitende, ab 3. + Stufenleitung und Schülerberatung,

ab 4. + Schulleitung und Fachleute, 5.

nur noch Klassenlehrperson

und Internats-betreuende

Ab 3. näheres Umfeld, ab 4. weiteres Umfeld

Keine festgelegten Zeitfenster,

Modell versteht sich als Zyklus

Hinweise in Phase 2, allerdings unkonkret

Schüler-beratung

Externe Fachleute ab 2.

Stufe

Breites internes Hilfsangebot,

Abgrenzung nach aussen unklar oder nicht notwendig?

Vermutlich 09.09.06

C 3

Klassenlehrperson, andere Personen

können einbezogen werden, klare

Regelung von Muss und Kann

Schüler, Eltern und Lehrperson immer,

darüber hinaus flexible Ausgestaltung möglich

Keine festgelegten Zeitfenster

Strafarbeiten fakultativ ab 1.

Stufe möglich, im weiteren Verlauf

Auflagen an Schüler/in

Von Anfang an Angebot Schulsozial-

arbeit

Ab 2. Verweis an externe

Beratungsstellen

Standardisierter Ablauf, Flexibilität bei

den mitwirkenden Personen

10.11.06

D 3

1. Klassen-lehrperson,

2. fakultativ auch Schulleitung oder Schulsozialarbeit,

3. fakultativ Schulleitung oder Schulsozialarbeit

Erkennung Auffälligkeiten durch alle

Akteure im Schulhaus und Eltern. 1.

Klassenlehrperson, Schüler/in und Eltern, 2. Schulsozialarbeit oder Schulleitung,

3. externe Fachstellen

Nicht genauer geregelt,

Zeitrahmen muss ab 2. vereinbart

werden

Schulleitung: disziplinarische Massnahmen,

Schulsozialarbeit: unterstützende Massnahmen

Schulsozial-arbeit

Ab 3. Therapie, Sozialdienst,

Schulbehörde, Polizei/Justiz

Standardisierte interne und externe

Angebote

Frühjahr 07

Page 107: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 102

E 4 Bis 3. Stufe

Lehrperson, dann Schulleitung

1. Ggf. Eltern, ab. 2. zzgl.

Schulsozialarbeit, Teamleitung, Schulleitung

2-4 Wochen für eine Verhaltens-

änderung eingeplant

Keine Sanktionen,

Schulsozialarbeit als Hilfsangebot, verstärkter Druck

auf Schüler/in. Auf 4. Sanktion

durch Schulleitung

Gespräche mit

Schulsozial-arbeit

Ab 2. Empfehlung an

externe Fachstellen, 3. Suchtberatung,

Jugendberatung, Schulpsycho-

logischer Dienst, Kinder- und

Jugendpsychiatri-scher Dienst

Zunächst mehrere Gespräche zwischen

Lehrperson und Schüler/in, erst auf 3.

Einbezug externer Stellen

07.01.07

F

6 (3

Zyklen)

1. Fachlehrperson, 2. Klassenlehr-

person, 3. Fachlehrperson,

4. Klassenlehr-person,

5. Fachlehrperson, 6. Klassenlehr-

person und Schulleitung

Auf allen Stufen Schüler/in,

Fachlehrperson, Klassenlehrperson Schulleitung, Eltern

Keine festgelegten Zeitfenster

Begleitete Selbstein-schätzung Schüler/in, ansonsten

Verwarnungen und Sanktionen

Keine bekannt

Verweis auf 14 kommunale und

kantonale Beratungsan-

gebote.

Kein Einbezug von Fachstellen erwähnt,

ab 3. werden Beobachtungszeiten

und weitere Gespräche

verbindlich vereinbart.

Verteilung an Lehr-personen

am 16.01.06

G 7 Lehrperson, ab 4.

zusammen mit Schulleitung

1. Schüler/in, Lehrperson,

Schulsozialarbeit/Spezi-allehrkräfte, ab 3. +

Eltern, ab 4. + Schulleitung

Keine festgelegten Zeitfenster

Transparente Darstellung der Übergänge zu den nächsten

Stufen, ausführliche Er-läuterung und Empfehlungen zum Leitfaden

Schulsozial-arbeit,

Speziallehr-kräfte

beraten im Hintergrund bis 3., dann Unterstüt-

zungs-angebot für Eltern und Schüler/In

Ab 2. Angebot externe

Fachstellen, ab 5. verpflichtend

Hohe Flexibilität in der Ausgestaltung der einzelnen Stufen und bei der Beurteilung der eingetretenen

Veränderung

Erpro-bungs-phase

Aug. -Dez. 06,

Abschluss der Ent-wicklung

Ende Schuljahr

07/08, danach

Ein-führung

Page 108: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 103

H 7 Lehrperson, ab 4.

zusammen mit Schulleitung

1. Schüler/in, Lehrperson,

Schulsozialarbeit/Spezi-allehrkräfte, ab 3. +

Eltern, ab 4. + Schulleitung

Keine festgelegten Zeitfenster

Transparente Darstellung der Übergänge zu den nächsten

Stufen, ausführliche Er-läuterung und Empfehlungen zum Leitfaden

Schulsozial-arbeit,

Speziallehr-kräfte

beraten im Hintergrund bis 3., dann Unterstüt-

zungsange-bot für Eltern

und Schüler/In

Ab 2. Angebot externe

Fachstellen, ab 5. verpflichtend

Hohe Flexibilität in der Ausgestaltung der einzelnen Stufen und bei der Beurteilung der eingetretenen

Veränderung

Erpro-bungs-phase

Aug.-Dez. 06,

Abschluss der

Entwick-lung Ende Schuljahr

07/08, danach

Ein-führung

I 6 Lehrperson, ab 2.

Klassenlehrperson, ab 4. + Schulleitung

Schüler/in, Klassenlehrperson, ab

3. + Eltern, ab 4. + Schulleitung

Keine festgelegten

Zeitfenster, aber Zeitplan muss ab

2. vereinbart werden

Transparente Darstellung der Übergänge zu den nächsten

Stufen, ausführliche Er-läuterung und Empfehlungen zum Leitfaden, Hilfsangebot

auch für Lehrpersonen

Speziallehr-kräfte

beraten im Hintergrund bis 3., dann

Unter-stützungs-angebot für Eltern und Schüler/in

Ab 2. Angebot externe

Fachstellen, ab 5. verpflichtend

Hohe Flexibilität in der Ausgestaltung der einzelnen Stufen und bei der Beurteilung der eingetretenen Veränderungen

Zum Schul-jahres-beginn 07/08

J 4 Lehrpersonen

1. Lehrperson, 2. Lehrperson und Schüler/in, ab 3.

Lehrperson, Schüler/in, Eltern, Schulleitung, Schulsozialarbeit (je

nach Thematik)

Je nach Stufe zwischen 1-2

Wochen und 1-2 Monaten

Unterstützung durch Beratung,

kein Sanktionsmodell

Schulsozial-arbeit

Je nach Auffälligkeit spezifisches Hilfsangebot

Ab 2. Einbezug externer Personen möglich, zwingend

erst ab 4.

Juni 06

K Bisher kein Leitfaden entwickelt

L 5 Lehrpersonen

1. Klassenübergreifende Teams,

2. Klassenlehrpersonen, 3. Bezugsperson,

4. Integrative Schulungsform,

5. Schulhausleitung/ Schulleitung

Nicht ersichtlich

Entlastungsge- spräch und

Beendigung der Intervention nach

jeder Stufe möglich

Integrierte Schulungs-

form (Heilpäda-

gogik)

Nicht ersichtlich Nicht ersichtlich Bereits vor

Projekt-beginn

Page 109: Früherkennung und Frühintervention in der Schule · LP Lehrpersonen M Mittelwert (arithmetisches Mittel) n Stichprobe OS Oberstufenschule p Wahrscheinlichkeit (Signifikanzniveau)

,Früherkennung und Frühintervention in der Schule’ C. Müller, C. Mattes, C. Fabian (2007) FHNW-HSA 104

M 6

Bis 2. Stufe nicht geregelt, 3.

Klassenlehrerkon-ferenz, ab 4.

Schulleitung, ab 5. Schulrektor/in

zunächst interne heilpädagogische Stelle,

ab 2. Eltern, ab 3. Schulleitung, ab 4.

Schulrektor

Keine festgelegten Zeitfenster

Sanktion erst auf 6., Unterstützung

lediglich durch Gespräche mit Lehrpersonen,

Eltern, Schulleitung,

Rektor/in

Keine bekannt

Ab 2. Fachstellen

genannt, nicht konkretisiert

Anfänglich Gestaltung über interne

Ressourcen und Einbezug Fachstellen genannt, aber nicht

konkretisiert

Keine Informa-tionen über

Datum der Ein-

führung

N 6

Bis Stufe 3. bei Lehrperson, danach

zusätzlich Fachperson

1. und 2. Schüler und Lehrpersonen, ab 3.

Eltern, 4. schulinterne Hilfen, 5. schulexterne Hilfen,

6. Schulleitung

Keine festgelegten Zeitfenster

Sanktionen formal erst ab 6.

Schulsozial-arbeit, schul-

interne Fachstellen (Ergänzungs

unterricht, Aufgaben-

hilfe)

Ab 5. Schulpsycho-

logischer Dienst, Kinder- und

Jugenddienst, Ärzte und

Psychologen

Klar vorgegebener Ablauf, breites

Zeitspektrum möglich

Voraus-sichtlich

zum Schuljahr

07/08