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FRÜHMITTELALTERLICHE STUDIEN Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster in Zusammenarbeit mit Gerd Althoff, Arnold Angenendt, Volker Honemann, Albrecht Jockenhävel, Ruth Schmidt-Wiegand, Nikolaus Staubach und Joachim Wollasch unter Mitwirkung von Karl Hauck herausgegeben von HAGEN KELLER und CHRISTEL MEIER 32. Band 1998 WALTER DE GRUYTER . BERLIN· NEW YORK

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FRÜHMITTELALTERLICHE STUDIEN

Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung

der Universität Münster

in Zusammenarbeit mit

Gerd Althoff, Arnold Angenendt, Volker Honemann, Albrecht Jockenhävel,

Ruth Schmidt-Wiegand, Nikolaus Staubach und Joachim Wollasch

unter Mitwirkung von

Karl Hauck

herausgegeben von

HAGEN KELLER und CHRISTEL MEIER

32. Band

1998

WALTER DE GRUYTER . BERLIN· NEW YORK

KARL HEINRICH KRÜGER

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita

Die Zeit der Entstehung von Einhards Karlsvita haben im Abstand von fünfzigJahren 1933 Martin Lintzel und 1983 Heinz Löwe mit ausführlichen Überlegungeneinzugrenzen versucht", Martin Lintzel erwies die Datierung früherer Forscher auf dieJahre bis 821 als schlecht begründet. Denn ihr Hauptzeugnis, die Reichenauer Brevislibrorum ..• facta anno VIII Hludovici imperatons, kann wegen ihrer abschriftlichen Über-lieferung und wegen der Form des Eintrags als Vita et gesta Karoli (imperatons Augusti)volumen (l) nicht unzweifelhaft gesichert werden-, Lintzel hielt jedoch als Terminuspost quem den Abfall der slawischen Abodriten vom Reich im Jahr 817 fest, der inEinhards Darstellung im Kapitel12 der Karlsvita offensichtlich vorausgesetzt wird>,und er bestimmte als Terminus ad quem einen Brief des Lupus von Ferrieres anEinhard aus den Jahren bis 836, der die Karlsvita wegen ihres klassischen Stils lobendhervorhebt", Nach inneren Kriterien, d. h. durch den Nachweis von Stellen, die eineTendenz gegen Karls Sohn Ludwig den Frommen erkennen lassen sollen>, ergabensich für Lintzel als Entstehungszeit die Jahre nach Einhards Abschied vom Hof 830,"noch besser nach 833"6. .

Während nun - in der für die deutsche Mediävistik maßgeblichen Quellen-kunde - Heinz Löwe die Datierung Lintzels zunächst übernahm 7, stellte 1951 derbelgisehe Kenner der Karolingerzeit, Franccis L Ganshof, den Ansatz ohne viel Fe-derlesens richtig'', Denn ohne auf die inhaltlichen Argumente Lintzels im einzelnen

I MARTINUNTZEL, Die Zeit der Entstehung von Einharts Vita Karoli, in: DERS., Ausgewählte Schriften 2,Berlin 1961, S.27-41; HEINZ Löws, Die Entstehungszeit der Vita Karoli Einhards, in: DeutschesArchiv 39, 1983, S. 85-103. Vg!. noch KARL BRUNNER, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich,Wien - Köln - Graz 1979, S. 40 Anm. 1.

2 Text bei PAUL UHMANN, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz 1, Mün-chen 1918, Nr.49 S.248 Z.6. - UNTZEL (wie Anm.l) S. 27 £ Zu den bisher nicht ausgeräumtenSchwierigkeiten Löws (wie Anm. 1) S. 85-87 mit Anm. 9.

3 Einhardi Vita Karoli magni c. 12, hg. von OSWALD HOLDER-EGGER (MGH SS rer Germ. [25]) Hannover1911, S. 15 Z. 7: Abodrito!, qui (U'" Frand! o/illlfotturati "ant. Vg!. UNTZEL (wie Anm. 1) S. 32; Löws (wieAnm. 1) S. 85. - Zu den Abodriten RAIMUND ERNST, Karolingische Nordostpolitik zur Zeit Ludwigsdes Frommen, in: Östliches Europa. Spiegel der Geschichte. Festschrift für Manfred Hellmann, Wiesba-den 1977, S. 81-107, S. 84 ff.; WOLFGANGH. FRlTZE, Abodriten, in: Lexikon des Mittelalters 1, Mün-chen - Zürich 1980, Sp. 48 f.

4 Unten vor Anm. 30. Dazu UNTZEL (wie Anm. 1) S. 31; Lövs (wie Anm. 1) S.88.S LINTZEL (wie Anm. 1) S. 35-40, nach Vorgang von Louis Halphen; Löws (wie Anm. 1) S. 87 £6 UNTZEL (wie Anm. 1) S. 40.7 HEINZ Löwe, Wattenbach - Levison. Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter 2, Weimar 1953,

S.274£8 FRANS;OlSL. GANSHOF, Eginhard. Biographe de Charlemagne, in: Bibliotheque d'Humanisme et Renais-

sance 13,1951, S. 217-230, S. 222; DERS., L'historiographie dans la monarchie franque sous les mero-vingiens et les carolingiens, in: La storiografia altomedievale (Settimane di studio 17) Spoleto 1970, 2,S. 631-685, S. 646.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 125

einzugehen, verwies er auf die neue Datierung des Lupusbriefes zu 829-830, wie sieLeon Levillain in seiner Ausgabe des Briefwechsels 1927 vorgenommen hatte", und erfaßte zusammen: ,,Alle Versuche, eine genauere Bestimmung als 817-830 zu erreichen,blieben vergeblich.t'J?

Trotz dieser resignierenden Feststellung ergab sich 1971 bei der MünsteranerDiskussion zum arcus Einhardi11 ein begründeter früherer Datierungsansatz für dieKarlsvita. Karl Hauck formulierte ihn 1974 für beide Denkmäler des kunstfertigenHofmannes, nämlich für das nur als Zeichnung seines triumphbogenförmigen Sok-kels 12 überlieferte Kreuz von 825 und für die Vita, in folgenden Sätzen 13: "Das Ein-hardkreuz gehört seiner Konzeption nach zu der glanzvollen höchsten Aufgipfelungder fränkischen Kaisermonarchie. Die Karlsvita Einhards entstand dagegen gleichzei-tig mit den Reformschriften seit dem Winter 828/29. Sie versuchte die Schatten, dieseit der Geburt des jungen Karl und seit seiner nachträglichen Beteiligung an derThronfolge immer dunkler wurden, zu überstrahlen mit der verewigten Lichtgestaltdes großen Karl, als dessen größte Eigenschaften Hochherzigkeit und fester Sinn, alsdessen eigentliche Kaiserpflicht die religiöse Verantwortung den depressiven Nach-kommen gegenüber gerühmt wird."!"

Danach hat Heinz Löwe 1983 die auf den Lupusbrief gestützte Datierung nocheinmal überprüft. Obwohl er den Brief auf 831-834 setzt, entnimmt er seinen Mittei-lungen zu Recht, daß Lupus die Vita zwischen zwei Abschnitten seiner Ausbildung zuGesicht bekam. Das geschah nach seiner Schulung in den Artes liberales und vorAufnahme seiner theologischen Studien in Fulda, nämlich in den Jahren 827 bis 829.Unter Einbeziehung der in der Karlsvita laut Lintzel und anderen enthaltenen Kritik

9 LEON U:V1LLAIN,Loup de Ferrieres. Correspondance (Les classiques de l'Histoire de France au moyenage 10 und 16) Paris 1927-1935, 1, Nr. 1 S.3 mit Anm. 1: ,,829, fin ou 830". Die Ausgabe von ERNSTDÜMMLER, Epistolae Karolini aevi4 (MGH Epp.6) 1925 bzw. München 1978, S.I-126, Nr.l S.7

datiert auf "e. 830-836". P. K. MARsHAll, Servati Lupi epistolae, Leipzig 1984, S. 1 nennt beide Datie-rungen.

10 Übersetzt nach GANSHOF, Eginhard (wie Anm. 8) S.222. Vg!. etwa RAOUL C. VANUENEGEM, Guideto the Sources of Medieval History, Amsterdam - New York - Oxford 1978, S. 43: "composed certainlyafter 817 and most probably before 830; previously dated at the latest 821/822". Unentschieden auchangesichts der neuen Position von HAUCK (wie Anm. 13) bleibt IMMOEBERL,Einhard, in: Die DeutscheLiteratur des Mittelalters. Verfasserlexikon/ 2, Berlin - New York 1980, Sp. 420-425, Sp, 422.

11 KARL HAUCK (Hg.), Das Einhardkreuz. Vorträge und Studien der Münsteraner Diskussion zum arcusEinhardi, Göttingen 1974.

12 Paris, Bibliotheque Nationale: cod. fr. 10440; vg!. die Ausklapptafel bei HAUCK (wie Anm. 11).13 KARLHAUCK, Das Einhardkreuz. Mit einem Anhang zu Problemen des 'Rupertuskreuzes', in: Frühmit-

telalterliche Studien 8, 1974, S. 93-115, S. 104f. und ähnlich josss FLECKENSTEIN,Einhard, seine Grün-dung und sein Vermächtnis in Seligenstadt, in: HAUCK (wie Anm. 11) S. 96-121, S. 116 f. mit Anm. 104.DERS., Einhard, in: Lexikon des Mittelalters 3, München - Zürich 1986, Sp. 1737-1739, Sp. 1738: "wohlMitte der 30er Jahre" (infolge eines Druckfehlers?).

14 Hauck verweist dazu auf HEINRICH FICHTENAU, Kar! der Große und das Kaisertum, in: Mitteilungendes österreichischen Instituts für Geschichtsforschung61, 1953, S.257-334 bzw. als Sonderdruck:Darmstadt 1971, S. 272 ff., den er (wie Anm. 11) S. 176 auch länger zitiert. HUBERT MORDEK, Liviusund Einhard, in: Livius. Werk und Rezeption. Festschrift für Erich Burck, hg. von ECKARD LEvEVRE-ECKARTOL5HAUSEN,München 1983, S. 337-346, S. 343 mit Anm. 31 benutzt die Argumentation vonHauck für "wohl 830". Er setzt damit den Rückzug Einhards ins Otium auf einen zu einschnittartigenTermin und mißachtet Haucks Überlegungen zu einer jetzt eher geistlichen Tätigkeit

126 Karl Heinrich Krüger

an Ludwig dem Frommen postuliert Löwe sodann das Jahr 824 als Terminus postquem und erreicht so als Ergebnis, "daß die Vita Karoli um 825/826 entstand+'",

Erstaunlicherweise ist nicht nur die Münsterer Diskussion wenig rezipiert, son-dern auch Löwes eingehend begründete Frühdatierung nicht überall angenommenworden. So wurde Löwes Ansatz bei der Herausgabe eines Faksimiles der Karlsvita1991 sogar ganz übersehen. Außerdem verweisen jüngste Äußerungen aus Englandauf die Nähe zum Terminus post quem 81716• Eine neue Erörterung ist darum durch-aus sinnvoll.

1.

Lupus, der sich anschickte ein bedeutender Philologe der Karolingerzeit .undschließlich Abt des Klosters Ferrieres in der Diözese Sens zu werden 17, schrieb seinenersten Brief an Einhard aus dem ostfränkischen Kloster Fulda, wo er sich bis 836zu Studien aufhielt!", Bei der Betrachtung seines Schreibens sind zwei Zeitpunkteauseinanderzuhalten: 1. die Abfassungszeit des Briefes und 2. die Zeit, in der Lupusdie Karlsvita kennenlernte!". Lupus teilt mit, daß er vom Erzbischof Aldrich (vonSens, Juni 829-836) für die Wissenschaft bestimmt und später vom genannten Bischofzu Hraban (Abt von Fulda, 822-842) geschickt worden sei, um die Theologie kennen-zulernen", Daraus ergibt sich eine Zeit nachjuni 829 für die Abfassung des Briefes-t,

IS Löws (wie Anm. 1) S. 94 zum Ansatz, S. 102 f. zum Ergebnis. VgI. auch HEINZ WOlTER, Intention undHerrscherbild in Einhards Vita Karoli Magni, in: Archiv fur Kulturgeschichte 68, 1986, S.295-317,

. S. 311 mit Anm.46 und jetzt }UYMUND Korrrs, Einhard, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 3,Freiburg - Basel - Rom - Wien 1995, Sp. 543 f. sowie Ecox BoSHOF, Ludwig der Fromme, Darmstadt1996, S. 1: "vielleicht um 825/826, vielleicht auch erwas später".

16 Einhard, Vita Karoli Magni. Faksimileausgabe im Original format der Vita Karoli Magni aus CodexVindobonensis 529 (Folio 1-13) der Österreichischen Nationalbibliothek. Commentarium WOLFGANGMIlDE (-) THOMASWURZEL, Graz 1991. MATIliEW INNEs - RosAMOND McKrrrERIcK, The Writing ofHistory, in: RoSAMONDMcKrrrERICK. (Hg.), Carolingian Culture. Emulation and Innovation, Cambridge1994, S.193-220, S.204ff.; dagegen Einspruch bei DEPREUX (wie Anm.l7) S.181 Anm.60. - Vgl.

auch MATIliEW S. KEMpsHALL,Some Ciceronian Models for Einhard's Life of Charlemagne, in: Via-tor 26,1995, S. 11-37, S. 30, der in Anm. 159 gegenüber Löwe auf die Bemerkungen von KARt. FERDI-NANDWERNER,Hludowicus Augustus: Gouverner l'empire ehreden - Idees et realites, in: Charlemagne'sHeir, hg. von PETER GoDMAN - RoGER COUJNS, Oxford 1990, S.3-123, S.82 Anm.292 verweist.

Werner schließt aus der Orthographie der Handschriften auf eine größere Nähe zur Abfassung derTranslatio (wie Anm. 37) um 830 und erinnert an Einsprüche gegen die Verwendung von KarlsbildernamHof.

17 MAx MANmus, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters I, 1911 bzw. München 1965,S. 485; LEVILLAIN(wie Anm. 9) S. VI E; FRANz BRUNHÖIZL, Geschichte der lateinischen Literatur desMittelalters 1, München 1975, S. 476-480, bes. S. 478; HUBERTMORDEK, in: Lexikon des Mittelalters 6,München - Zürich 1993, Sp, 15 f.; PHIUPPE DEPREux, Prosopographie de l'entourage de Louis le Pieux(781-840), Sigmaringen 1997, S. 322£ (skeptisch gegenüber einem Hofamt).

18 Zum Leben des Lupus DÜMMLER (wie Anm. 9) S. 1-4, hier S.2 mit Anm. 8; MANmus (wie Anm. 17)S. 483-485, hier S. 485; LEVILLAIN(wie Anm, 9) S. VI; EMMANUELVON SERVERUS,Lupus von Ferrieres,Gestalt und Werk eines Vermittlers antiken Geistesgutes an das Mittelalter im 9.Jh., Münster 1940,S. 31; Löwe (wie Anm. 1) S.97.

19 So zuerst LöWE (wie Anm. 1) S.94.20 Lupus, ep. 1, hg. von LEVlLLAIN(wie Anm. 9) S. 6 f bei Anm. 1 bzw. hg. von DÜMMLER (wie Anm. 9)

S. 8 Z. 1 £: elli (1(. sopientiat) indagandat a sando IIttlropolitano pistopo Ald(rito} delega/lls, dodortllt gf'llllllltati,aesortitus SIIIIt ••. und bei Anm, 3 bzw. Z. 19 £: NIlJ1I a praifalo pistopo ad venerabiulIt Rhabanllllt dirttlNs SIIIIt,llti ab eo ;ngmslllIt 'opmllt divina1'1l11tscripfNra1'1l1lt.

21 LEVlLLAIN(wie Anm. 9) S. 2 Anm. 1.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards KarIsvita 127

Wie lange aber sich Lupus schon in Fulda befand, geht aus dem Text nur indirekthervor. Er hatte schon die dortige Handschrift von Ciceros Buch über die Rhetorikkollationiert, als er doch wohl bei Gelegenheit eines ersten Boten, den Hraban nachseiner Ankunft zu Einhard schickte, seine Scheu aufgab und dem lange verehrtenGelehrten schrieb22•

Die Folgerung, Lupus sei erst nach der Bischofsweihe Aldrichs von diesem fürdie Wissenschaft bestimmt worden, hat schon die ältere Forschung nicht ziehen wol-len. Man hat vielmehr damit gerechnet, daß Lupus bei der Abfassung des Schreibensden aktuellen Titel seines früheren Abtes einsetzte+', Heinz Löwe hat diese Ansichtgestützt, indem er aus den wahrscheinlichen Studienzeiten des Lupus schloß, daß dieZeit nach Juni 829 bis zum Verlassen Fuldas Sommer 836 für beide Lehrabschnittenicht ausgereicht hätte24• Lupus lernte nämlich zunächst die liberales disdplinae undstudierte danach die divinae saipturae in Fulda. Dazwischen lag sogar noch die Bemü-hung um allctorum volumina 25. Dafür, daß Lupus in Fulda nicht sehr jung war, sprichtüberdies die Nachricht, er sei dort als Diakon gewesen, und auch die Tatsache seinerAbtweihe in Ferrieres 84226• Der Argumentation Löwes läßt sich hinzufügen, daß dieAuswahl des Lupus für die literarische Bildungs? und seine spätere Entsendung nachFulda doch wohl durch den Abt seines Klosters erfolgen mußte28• Wenn also, wieallgemein angenommen wird29, Lupus Mönch in Ferrieres war, dann dürfte beidesgeschehen sein, als Aldrich dort als Abt amtierte (821/822-829) und dem Konventnoch nicht entrissen war30, die Entsendung nach Fulda also bis 828/829 anzusetzensein.

22 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 2 bzw. S. 7: Di« {/Inelal/ls s/lm ... , S. 6 bzw. S. 8: desideravi deineeps aliq/lamnancisci oporl/lni/atem, /It vos prauentes alloq/li possem ••. Neq/le tero id optare desistam •.. Q/lod posse contingerehoe magis in spem ducor (nämlich von Fulda aus), S. 8 bzw. S. 8: Ergo {/Im ad vas i//lr/lm bin« eius (Hrabans)n/lnh/lm compmSItm VgI. die Paraphrase bei Löws (wie Anm. 1) S. 94£. - Zur Kollation der Hand-schrift: Lupus, ep. I, S. 8 bzw. S. 8 Z. 28 f.

23 LEVlLUlN(wie Anm. 9) S. 7 Anm. 3; vg!. DÜMMLER(wie Anm. 9) S. 1 Anm. 6 und LUDWlGTRAUBE,Poetae Latini aevi Carolini 3 (MGH Poetae 3) 1886 bzw. München 1978, S.708 Anm.3. Vg!. auch

. Löws (wie Anm. 1) S. 96 f., 98, 101.24 Löwe (wie Anm. 1) S. 97 ff.25 Lupus, cp. 1 (wie Anm. 9) S. 6 bzw. S. 8 Z. 4; vg!. Löws (wie Anm. 1) S.95.26 Löwe (wie Anm. 1) S. 100 mit dem Nachweis zum Diakon in Anm. 57 (Hraban an Samuel von Worms;

Hrabani epistola 24, hg. von ERNSTDÜMMLER[MGH Epp. 5] Berlin 1899 bzw. München 1978, S. 430Z.28: rogante Lsp« monacho a/q/le hme diaeono), weiter S. 98 Anm. 49.

27 Zum Wortgebrauch deltgart Löws (wie Anm. 1) S. 94 mit Anm. 39. Vg!. VONSEVERUS(wie Anm. 18)S. 29. - Zum Vorgang vg!. Karls des Großen Epistola de litteris colendis, hg. von EDMUNDE. STENGEL,Urkundenbuch des Klosters Fula I,Marburg 1958, S. 251-254 Nr. 166b, S.253: Tales vero ad hoe Op/lSviri eliganmr, q/li er voumtalem el possibilitatem diseendi et desideri/lm habeanl alios instrsendi.

28 Regula Benedicti 67,7; vgl. 50,2 und 51,2. ADALBERTDEVOGüt - JEAN NEUFVlllE (Hgg.), La regie desaint Benoit 1-3, Paris 1972,2, S. 662 und 608.

29 VONSEVERUS(wie Anm. 18) S. 29; LEVlLLAIN(wie Anm. 9) S. V. Vg!. vorsichtig Löws (wie Anm. 1)S.95 mit Anm.41, S. 100 Anm.57: "Mönchsprofeß erst nach seiner Rückkehr in Ferrieres", DieseReihenfolge wird durch den Beleg (wie Anm. 26) aber nicht nahegelegt. - Zum Kloster HANS-JOACHIMSCHMIDT,Ferrieres, in: Lexikon des Mittelalters 4, München - Zürich 1989, Sp. 397 f. S. weiter D. C.NUSBAUM,Lupus of Ferrieres, Scholar, Humanist, Monk, Diss. Fordham t 977.

30 Lupus, ep. 130 bzw. 29 (wie Anm. 9) 2, S.206 bzw. S.35 Z. 15 ff. erzählt zwischen 837 und 862 vonVorgängen um Abt Adalberrus Magus und dann von Abt Adalrich (nobis, (/Im esset abbas, ablat/ls et eclesia«Smonicae pontifex fac/1ls esl). Anders als DÜMMLER,S. 34, der die Anschrift, in der der Verfasser fehlt, nichtabdruckt, nennt LEVlLLAlN,S. 200 Anm. 1 die Entscheidung gegen Odo oder für Lupus unmöglich.

128 Karl Heinrich Krüger

Diese nicht ganz befriedigenden Überlegungen sind für die Karlsvita wichtig,weil Lupus sie nach seiner Darstellung nicht erst in Fulda kennengelernt hat. Vielmehrteilt er mit, daß er nach dem Durchgang durch die liberales disciplinae, von denen erGrammatik und Rhetorik nennt, sich mit zeitgenössischen Schriftwerken (dieta/us nostraaetate confecti) unmutig abgegeben habe, weil sie der Gewichtigkeit Ciceros ermangelten.Da sei ihm Einhards Werk über die clarissima gesta des Kaisers Karl in die Händegelangt. Dies habe zusammen mit der auch vorher (et ante) gehegten HochschätzungEinhards als eines Gelehrten (sapiens) zu seinem Wunsch geführt, diesen kennenzuler-nen. Eine solche Gelegenheit habe er von seinem Ortswechsel ex Gallia in die Transrhe-nana regio erhofft>'. .

Lupus hat demnach die Karlsvita schon in Gallien kennengelernt und noch frü-her von Einhards probitas und sapientia erfahren. Einhards Ruf dürfte ihm von Aldrichvermittelt worden sein. Denn der Abt war als Schüler Alkuins und Arns von SalzburgNotar am Hofe Karls gewesen und noch 827 Kanzler von Ludwigs Sohn Pippin inAquitanien+', Er gehörte als gebildetes Mitglied der Hofkapelle zum BekanntenkreisEinhards. Diesen nun bat der Klerus von Sens nach dem Tod des Vorgängers (Dezem-ber 828), sich für einen (allerdings ungenannten) Nachfolger einzusetzen-". Damitaber sind die nötigen Verbindungen gegeben, mit Hilfe derer die Karlsvita vervielfältigtoder ausgeliehen nach Sens bzw. Ferrieres gelangen konnte.

Ein kleines Wortspiel, das Lupus in seinem Brief zur Charakteristik der Vitaverwendet, könnte darauf hinweisen, daß Lupus tatsächlich eine Abschrift vom Hofin die Hände bekam. Er berichtet: venit in manus meas opus vesirum, qua memorati imperatorisclarissim a gesta ... cla rissime litteris allegastis 34. Ähnlich aber verbindet der Pfalzbiblio-thekar Gerward in Versen an den (ungenannten) maximus princeps Ludwig am Schlußeines Hofexemplars den Biographen mit Kaiser Karl: Hanc prudens ges/am naris tu scribere,lector;I Einhardum Magni magnificum Karoli35• Angesichts dieses Lobes eines engenFreundes vermied Lupus den Eindruck platter Schmeichelei - liceat mihi absque suspicioneadulationis dicere vermerkte er anstelle der oben im Zitat gegebenen Punkte - höchstelegant, indem er die Angemessenheit von Stoff und Gestaltung, nicht die Personenverglich.

In der Datierungsfrage hilft uns die Wahrscheinlichkeit, daß Lupus die Aussageder Verse des Gerward variierte, nur wenig, zumal daraus nicht hervorgeht, wie langeEinhards Werk schon veröffentlicht war. Eines ist aber deutlich: Je früher man dasEintreffen des Lupus in Fulda ansetzt, desto weiter rückt seine Kenntnisnahme unddamit auch Einhards Abfassung der Karlsvita vor das Jahr 8.30 und näher auf den

31 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S.6 bzw. S.8 Z. 17 f. Dazu Löws (wie Anm. 1) S. 94 f32 JOSEF FLECKENSTEIN,Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1: Grundlegung. Die karolingische Hofka-

pelle, Stuttgart 1959, S. 71 und Register; Löws (wie Anm. 1) S. 95 mit Anm. 43; DEPREux (wie Anm. 17)S. 94-96 (A1dric [I]) mit Korrekturen.

33 Frotharii episcopi Tullensis epistolae, hg. von KAtu. HAMPE (MGH Epp. 5) Berlin 1899 bzw. München1978, S.277-298, S. 286 Nr. 14. Zitiert nach LöWE (wie Anm. 1) S.96 mit Anm. 45.

34 Wie Anm. 31.35 Gerwardi versus, hg. von HOLDER-EGGER (wie Anm. 3) S. XXIX; auch hg. von ERNST DÜMMLER,Poetae

Latini aevi Carolini 2 (MGH Poetae 2) 1884 bzw. München 1978, S. 126. Zu Gerward HEINZ Löws,Studien zu den Armales Xantenses, in: Deutsches Archiv 8,1951, S. 59-99, S. 88 f£; FLECKENSTEIN(wieAnm. 32) S. 66 und 69; BERNHAIlD BlSCHOFF, Die Hofbibliothek unter Ludwig dem Frommen, in:DERS., Mittelalterliche Studien 3, Stuttgart 1981, S. 170-186, S. 172 £; DEPREUX (wie Anm. 17) S.214£

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 129

Terminus post quem 817 zu. Da wir nach dem Text des Briefes annehmen, daß Lupusin Fulda die erhoffte oportnnitas einer Verbindung mit Einhard sobald wie möglichwahrnahm, ist noch ein Wort zur Datierung des Briefes bei Heinz Löwe zu sagen. Ergrenzt ihn auf "frühestens 831 und spätestens noch 834" - aber ungern, weil "zeitlichzu nahe" an Lupus' Abreise aus Fulda 836 ein, da er Einhards endgültige Lösung vomHof Ludwigs vorausserzt ".

In Hinsicht auf Einhards Abschied möchten wir an eine längere Entwicklungdenken, mit der auch Josef Fleckenstein rechnet. 827 ließ sich Einhard die Reliquiender Heiligen Marcellinus und Petrus in Rom besorgen, zunächst für Michelstadt bzw.Steinbach im Odenwald. Schon 828 •erzwangen' die Heiligen wider Einhards ur-sprüngliches Bestreben die Überführung nach Obermühlheim bzw. Seligenstadt amMain-". Die transrhenanischen Interessen Einhards lassen sich aber vor 827 nochweiter zurückverfolgen. Einhard und seine Gattin Imma hatten die genannten Orte815 von Ludwig erhalten und 819 die cella Michelstadt für die Zeit nach ihrem Todean das Kloster Larsch vergeben-", Überlegungen zum Rückzug aus dem weltlichenLeben hatte Einhard auch bei der Abfassung der Karlsvita angestellt. Darum erklärenwir - im Lichte unten zu besprechender Parallelen - die Einhard von Lupus unter-stellte Beschäftigung mit exteriores utilitates, wenn sie nicht doch politisch waren (Löweselbst nennt auch die Tätigkeiten zu 828 bis 830)39,beispielsweise mit Baumaßnahmenin Michelstadt bis 827 oder ab 828 in Oberrnühlheirrr'", Sie hielten ihn ab von denangestrebten intimae et abditae philosophiae rationes. Deren Gegenstand sind im Kontextvon Lupus' Brief weniger die verborum obscuritates, aber doch wohl das Studium antikerTexte; von frommen Übungen und der Heiligenverehrung, die Einhard später als seineAbsichten nennt, ist jedenfalls nicht die Rede+l. So läßt sich m. E. die Frühdatierungdes Briefes von Levillain auf 829/830 offenhalten.

2.Um aber der Entstehungszeit der Karlsvita weiter nachzugehen, fragen wir

nun nicht, für welchen Zeitpunkt die in der Vita vermutete Kritik an Ludwig ambesten passe. Wie das lange falsch eingeschätzte Hofexemplar mit Gerwards Versen

36 LöWE (wie Anm. 1) S. 92 £37 Einhardi Translatio sanctorum Marcellini et Petri, hg. von GEORGWAITZ(MGH SS 15,1) 1887 bzw.

Stuttgart 1963, S. 238-264, S. 243 f£ mit Einhards Daten; ein weiterer Grund ebd. c. 12, S. 244 Z. 35 £Dazu PHIUPPJAFFE, Menumenta Carolina (Bibliotheca rerum Germanicarum 4) Berlin 1867 bzw. Aalen1964, S. 496 mit Anm. 7. S. zuletzt FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 112 £

38 Wie Anm. 78 und Anm. 89.39 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 10 bzw. S.9: Lupus will Einhards ingenium nicht länger aufhalten, weil er

es vel exterioribus occupalum utililatibus vel circa intimas el abdilas philosophiae rationes inlenlum wisse. - EinhardsTätigkeiten: LöWE (wie Anm. 1) S. 92 Anm. 33; vg!. auch die Regesten bei JAFFE (wie Anm. 37) S.494und S. 496 £ mit Anm. 8, die eine Lücke zwischen 824 (S. 494) und 827 (5. 496) aufweisen.

40 Also in Michelstadt und Steinbach bis Ende 827, in Mühlheim bzw. Seligenstadt von Januar 828 an.Zu Michelstadt FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 103,105 f£, zu Seligenstadt S. 113 f Zusam-menfassend Dess., Einhard (wie Anm. 13) Sp. 1738.

41 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 8 bzw. S. 8 £ Ich denke an einen Termin, bevor etwaige Nachrichten überEinhards Krankheit 829 Fulda erreichten. Es fehlt bei Lupus auch ein Hinweis auf Einhards gesteigerteHeiligenverehrung seit 828/830.

130 Kar! Heinrich Krüger

zeigt42, war der Tadel für den Sohn ohnehin nicht so deutlich, daß man ihm das Werknicht hätte vorlegen wollen. In bezug auf den klarsten Kritikpunkt, die Blendung mitInkaufnahme des Todes seines Neffen Bernhard 818 (ein weiterer möglicher Terminusa quo), hatte Ludwig 822 ohnehin gesühnt43. Karl Hauck hat denn auch prinzipiellanders gefragt, wenn er die Phase in Ludwigs Politik suchte, in welcher das in der Vitavorgestellte Karlsbild als solches am ehesten aktuell war. Wir wollen im weiteren zu-nächst von Haucks Datierung ausgehen und uns dann der Frage stellen, wie es über-haupt mit Berufungen des Sohnes auf den großen Vater aussieht.

Karl Hauck hat seinen Datierungsvorschlag als Nebenfrucht der Einordnung desarcus Einhardi, des als Zeichnung überlieferten Kreuzsockels, aus Einhards KlosterSt. Servatius in Maastricht vorgetragen44• Er argumentiert dazu i.w. in drei Richtungen:

1. Neben dem Lupusbrief, den er nach Ganshof anführt, aber nicht genauer interpre-tiert, rechnet er eine "terminologische Entsprechnung" zwischen der Karlsvita undder "Translatio sanctorum Marcellini et Petri' zu den "Indizien der zeitlichen Nähe"beider Werke45. Es handelt sich um den Bericht über die Konversion von KarlsOnkel Karlmann 747 und um die Angaben über Einhards eigene geistliche Lebens-wende.

2. Aus der Ernsthaftigkeit von Einhards Konversion, die sich aus der Terminologiedieser Stellen und aus Einhards Briefen ablesen läßt, folgert Hauck, daß ein spätererTermin für die Karlsvita ausgeschlossen sei46•

3. Trotz aller Vergleichbarkeit des Triumphbogenreliquiars und der Karlsvita als kai-serlicher Monumente und ihrer Bedeutsamkeit für karolingische Kaisergedankenspiegeln beide eine verschiedene politische Konstellation: der Bogen mit seinerkonstantinischen Kaiseridee den Moment von Lothars Rückkehr 825 aus Rom, dieVita mit ihrer Ausrichtung an einem religiös verwandelten Augustus-Modell denMoment der beginnenden Reichskrise von 82947.

Gegenüber den Berufungen auf den politischen Kontext der Vita, die bei Lintzelund Hauck zu so verschiedenen Zeithorizonten führen, ist vielleicht ein anderer Wegaussichtsreicher. Bei der Bewertung der beiden von Hauck verglichenen Denkmale,

42 Gerwardi versus (wie Anm. 35). Beziehung der Verse auf Karl durch Georg Waitz als Zitat nach GeorgHeinrich Pertz bei HOlDER-E.GcER (wie Anm. 3) S. XVII Z. 25-27; danach Dümrnler, von Simson und

andere. Beziehung auf Ludwig bei BERNHARDBISCHOFF, Lorsch im Spiegel seiner Handschriften, Mün-chen 1974, S.56 und DERS. (wie Anm. 35) S. 173 mit Anm. 20; DEPREux (wie Anm. 17) S. 215. Vg!.auch Löws (wie Anm. 1) S. 95 f.

43 EDUARD HLAWITSCHKA,Bernhard, in: Lexikon des Mittelalters 1, München - Zürich 1980, Sp, 1983.Zur Sühne im Jahr 822: BERNHARD VON SIMSON, Jahrbücher des Fränkischen Reiches unter Ludwigdem Frommen, 1: 814-830, Berlin 1874 bzw. 1969, S. 179 mit Anm.2. Vg!. neuerdings NIKOLAUSSTAUBACH,Das Herrscherbild Karls des Kahlen, Phil. Diss. Münster 1981 (1982), S. 38 f.; RUDOLFSCHIEFFER,Die Karolinger, Stuttgart usw. 1992, S. 121.

44 Wie Anm. 11.45 HAUCK (wie Anm. 11) S.30.46 Ebd. S. 30 vor Anm. 69 und S. 174f.: "Einhards 'militia Dei' •.. schloß nach der 'conversio' •.. die

Niederschrift der Karls- Vita aus."47 Ebd. S. 180ff. und HAUCK (wie Anm. 13) S. 103-105. Die inneren Kritierien, die auch FLECKENSTEIN,

Gründung (wie Anm. 13) S. 117 in Anm. 104 hervorhebt, können eine Datierung nur abstützen, nicht

begründen.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 131

des Kreuzes über dem Bogen und der ja ebenfalls als monumental eingeschätztenVita, sei nun in unserem Zusammenhang hervorgehoben, daß beide Werke Einhardsbei aller kaiserlichen Thematik einen privaten Charakter tragerr'", Sie spiegeln sozusa-gen Kaisergedanken, wie sie für Einhard denkbar bzw. in seiner Umgebung zugänglichwaren, - was Hauck für den Bogen eindrucksvoll deutlich gemacht hat, - aber siesind ihrerseits offenbar nicht unbedingt programmatisch gemeinr'". Ebenso deutlichwie bei dem "nicht eigentlich imperiale Maße und Aachener Pracht" erreichendenBogen-", der wohl von vornherein für die Abtei in Maastricht bestimmt warSt, ist dasbei der Kar!svita feststellbar. Das Fehlen einer Widmung, das Fehlen einer Berufungauf einen höfischen Auftraggeber oder bedeutsamen Gewährsmann entspricht derbetonten Subjektivität in Einhards Prolog. Nach ihr ist nämlich die schriftliche Erinne-rung an Kar! ganz und gar Einhards eigene Sache und persönliche Pflicht. Ja, seinWerk dient, wie Kar! Schrnid beobachtet hat, auch dazu sui nominis famam ... memoriaeposterum tradere 52. Das ist um so erstaunlicher, als doch gerade in den 30er Jahren diefaktische Abhängigkeit Einhards vom Wohlwollen der Kaiser Ludwig und Lothar, derKaiserin Judith und des ostfränkischen Königs Ludwig in Verhaltensformen deutlichwird, die von der älteren Forschung als Opportunismus getadelt wurden=', Zu erin-

48 Die Inschrift des Bogenreliquiars besagt, daß der ,Sünder Einhard' es als Kreuzfuß ,setzen' (gemeint:,schenken'; Belting und Hauck: ,aufstellen') und ,Gott weihen' ließ: Ad Iropaell!ll aetemae vie/oriae sustine»:dl/!II Einhardlls peaator bunc aml!ll ponm at Deo dedicar« mravil. Die Inschrift ist abschriftlich überliefert(wie Anm, 12), so daß eventuelle Ligaturen nicht mehr zu ermitteln sind. - Zur Inschrift: HAUCK (wieAnm.11) S. 145; DERs. (wie Anm. 13) S.95; HANS BELTING, Der Einhardsbogen, in: Zeitschrift fürKunstgeschichte 36,1973, S. 93-101, S. 93; ANDRE GRABAR,Observations sur l'Arc de Triomphe de lacroix dit Arc d'Eginhard et sur d'autres bases de la croix, in: Cahiers Archeologiques 27,1978, S.61-83, S. 62: "le verbe ponere pouvant signifier soit la construction d'un arc soit sa representation par ledessin cicontre"; Vicros H. ELBERN,Einhardsbogen, in: Lexikon des Mittelalters 3, München - Zürich1986, Sp. 1739; DERS., Die Goldschmiedekunst im frühen Mittelalter, Darmstadt 1988, S. 38 f.

49 Wem beispielsweise hätte das Reliquiar in Maastricht einen politisch aktuellen Inhalt vermitteln sollen? -

Dazu BELTING (wie Anm. 48) S. 110 £: "Da ist eine gewisse Diskrepanz zwischen dem Anspruch, dereher zu einem Staatsdenkmal paßt, und der tatsächlichen Funktion des Arcus als Privatdenkmal imMaastrichter Kloster." Die von Belting vermißte "Beziehung zu Einhards Privatleben" liegt aber dochin der Stiftung des 'Sünders' für Gott mit der Berufung auf das Kreuzesheil und in der erhofftenMemoria der Mönche. Die Kategorie 'Staatsdenkmal' findet sich auch bei Hauck und im Anschluß anBELTING, S. 109 und 110, sowie bei ELBERN, Die Goldschmiedekunst (wie Anm. 48) S. 39. - BELTING,S. 115 und ELBERN,S. 40 £ betrachten dieses und andere z. T. nur literarisch bezeugte Nachgestaltungenad ins/ar anliqllof'll!ll optf'/l!ll (Einhard, ep. 57 [wie Anm. 53] S. 138 Z. 21) vor dem Hintergrund der karo-lingischen Renaissance bzw. Renovatio, Belting erkennt "den Stempel des kleinen Gelehrtenkreises" amHofe Karls.

50 HAUCK (wie Anm. 11) S. 26. Vg!. BELTING(wie Anm. 48) S. 113, der auch die Möglichkeit einer verklei-nernden Replik eines karolingischen Denkmals verwirft.

51 HAUCK (wie Anm. 50), aber ohne unsere Folgerung.52 Einhard, Vita Karoli magni, praefatio (wie Anm. 3) S. 1 Z. 16 und Z. 24. Das zusammenfassende Zitat

nach KAu SCHMID, Der Stifter und sein Gedenken. Die Vita Bennonis als Memorialzeugnis, in: Tradi-tion als historische Kraft, hg. von NORBERT KAMP - JOACHIM WOLLASCH,Berlin 1982, S.297-322,S.317 bei Anm.93. - Die hier wichtige Souveränität des Literaten beobachtet VON SEVERUS (wieAnm. 18) S. 124£ bei Lupus als an Cicero gewonnen. BRUNHÖ12L (wie Anm. 17) S. 317,347 und 378sieht Selbstbewußtsein und geistige Selbständigkeit besonders auch bei Fridugisus, Alkuins Nachfolgerin Tours und Kanzler Ludwigs, weiter bei Walahfrid Strabo und Paschasius Radberrus,

53 VgI. die Briefe 10, 11, 13-16, 18, 25, 29 und 30, aus denen die Abhängigkeit Einhards und anderervon den Herrschern hervorgeht, hg. von KARL HAMPE, Einhardi epistolae (MGH Epp. 5) Berlin 1899

132 Karl Heinrich Krüger

nern ist im Selbstverständnis der Karlsvita auch daran, daß sie der Zuneigung zu Karlund seinen Kindern in ihrer Mehrzahl entsprechen will (cum ipso ac liberis eius amicitia),also eben nicht allein dem einzig verbliebenen Thronfolger von 813, sondern auchLudwigs überlebenden Schwestern und Halbgeschwistern zugedacht ist54•

Zu dem privaten Charakter kommt bei der Vita als zweites das Moment derliterarischen, nicht der politischen Öffentlichkeit, auf die uns auch Lupus' Brief ver-weist. Wenn Einhard die politischen Veränderungen von 814, 817, 822, 829/830 ohnewesentliche Einbuße seines Ansehens überdauern konnte, wie es Walahfrid Strabo jain seiner späteren Einleitung ausdrücklich hervorhebt und wie es Lupus mit der probitasebenso ausgesprochen hat 55, dann muß der Grund dafür auch darin gesucht werden,daß Einhard in das politische Geschäft nach seiner Beteiligung an den Nachfolgerege-lungen von 806 und 813 weniger verwickelt war als andere'". Tatsächlich kennen wir·danach nur den wenig erfolgreichen Versuch seiner 'Engelsbotschaft' von 828/82957•

Die literarische Öffentlichkeit war zur Zeit Ludwigs des Frommen mit der politi-schen noch weniger als unter dem Vater identisch. Die hervorragenden Vertreter vonKarls Hofkultur waren in ihre Heimat zurückgekehrt oder hatten Ämter in den Bistü-mern und Klöstern übernornmenf''. Ihre bedeutenden Schü1er kamen nicht mehr allean den Hof, auch nicht zur Kaiserin Judith. Dadurch "ging die Vorrangstellung desHofes im geistigen Leben stark zurück", obwohl die Hofschule neben den Ausbil-dungsstätten und Skriptorien in vielen Klöstern wie Fulda, Corbie, Tours oder SanktGallen und an den Bischofssitzen weiterhin bestand'". Das Bild ist von einer eigenarti-gen Paradoxie, die am ehesten als ein zeitliches Nacheinander erklärt werden kann,wenn andererseits etwa Ganshof feststellt, auf dem geistigen Feld rage Ludwigs Regie-rungszeit als die volle Blüte der karolingischen Renaissance hervor; es sei die Zeit derEinhard, Hrabanus Maurus, Walahfrid Strabo, Paschasius Radbertus, Gottschalk, Lu-pus von Ferrieres, Smaragdus, Jonas von Orleans, Agobard, Amalar von Metz, Florusvon Lyon; diese wären fast alle untereinander eng verbunden, einige in nahem Verhält-nis zu Kaiser oder Hofkreis gewesen'P. Der letzten Feststellung wäre genauer nachzu-

bzw. München 1978, S. 105-149. Zur neuen Bewertung gegen Hampe, Lintzel und andere HAUCK(wieAnm. 11) S. 29 Anm. 63.

54 Wie lange die Schwestern Bertha und Gisla über 814 hinaus lebten, ist nicht bekannt. Dazu kamensicher die Halbschwestern Theodrada, Äbtissin von Argenteuil, und Ruthaid, Äbtissin von Faremoutiers,und die Halbbrüder Drogo, (Erz)bischof von Metz, und Hugo, Abt von Saint-Quentin. S. die Tafelvon KARLFERDINANDWERNERin: Karl der Große, 4: Das Nachleben, hg. von WOLFGANGBRAUNFELS-PERCYERNSTSCHRAMM,Düsseldorf 1967. -l'tfit Theodrada tauschte Einhard im Jahr 824 Hörige inArgenteuil; JAFFE(wie Anm. 37) S. 494.

55 Prolog des Walahfrid Strabo zur Karlsvita bald nach 840, hg. von HOLDER-EGGER(wieAnm. 3) S.XXIXZ. 4 und 11 f£ zu Einhards prudenti« et probitas und mira libratio. - Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 6 bzw.S. 8 Z. 14 £: tos •.• film probifaJ him sapitntia feara: daras:

56 Man vergleiche, was über die Rolle Walas bekannt ist; LoRENZWEINRICH,Wala. Graf, Mönch undRebell. Die Biographie eines Karolingers, Lübeck - Hamburg 1963; DEPREux (wie Anm. 17) S. 390-393.

57 Dazu HAucK (wie Anm. 11) S. 28.58 Vgl. aber gegenüber der älteren Forschung abwägende Bemerkungen von BISCHOFF(wie Anm.35)

S. 167 £ und 170 f£ zur Frage der Kontinuität von Hofbibliothek und Hofschule.59 BRUNHö12L(wie Anm. 17) S.316.60 FRAN~OISL. GANSHOF,The Carolingiens and the Frankish Monarchy. Studies in Carolingian History,

Ithaca N.Y. 1971, S.262; EUGENEWIG,Kulmination und Wende der Karolingerzeit (814-840), in:Handbuch der Kirchengeschichte, hg. von HUBERTJEDlN, Freiburg usw. 1966, 3,1, S.119-143,

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 133

gehen. Denn gelegentliche Anwesenheit am Hof schloß zum Beispiel bei PaschasiusRadbertus innere Distanz nicht aus'", wie denn eben überhaupt noch zeitlich zu diffe-renzieren wäre.

Ist so die literarische Öffentlichkeit als Nebenwelt richtig beurteilt, könnte diebisher nicht gelöste Frage nach einer politischen Absicht von Einhards Darstellungder - wie von ihm zugegeben - ,kaum nachahmbaren Taten' seines Helden unzurei-chend gestellt sein62• Um so wichtiger wird die Untersuchung der literarischen Zusam-menhänge, die die Forschung ebenfalls seit langem und, wie die Arbeiten von MaxManitius, Siegmund HelImann und Helmut Beumann zeigen, erfolgreich beschäftigthat63• Sie ist auch von Belang für unser Thema. So sind zunächst bei der von KarlHauck hervorgehobenen Terminologie noch Ergänzungen möglich.

Karl Hauck hat mit Recht auf die Entsprechungen in den beiden EinhardschenKonversionstexten, in dem Bericht über die "auffallig breit" behandelte ResignationKarlmanns in der Karlsvita und in den Bemerkungen Einhards über seinen politischenAbschied in der "Translatio sanctorum Marcellini et Petri' von 830 aufmerksam ge-machrv', Bei genauer Betrachtung stehen gegenüber

in der Karlsvita und in der "Iranslatio"

1. die Antithese von weltlichen Geschäften und geistlichem Leberr=amore coniersationis contemplativae suaensus,operosa temporalis regni administratione relic-ta,

negotiis saecularibus (2. Tim. 2,4) oaupatus. .. divinis officiis fadendis

s. 132 f£ - Zur Korrespondenz vg!. BRuNHöuL (wie Anm. 17) S. 355 £ (Walahfrids Versuche), 436(Kreis des Florus), 476 und 479 (Korrespondenten des Lupus).

61 Paschasius Radbertus, Epitaphium Arsenü [VitaWalae] 1, 11, hg. von ERNSTDÜMMLER(Abhandlungender königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Phil.-hist. Kl. 1900, II) Berlin 1900, S. 39. ZuRadbert BRUNHÖUL(wie Anm. 17) S. 378£ Vg!. allgemein BRUNHöuL, ebd. S. 390: "Ganz anders warschon unter Ludwig dem Frommen das Verhältnis der literarisch Tätigen zum Hof und zum Herrschergeworden ... "; aber THEODORSCHIEFFER,Handbuch der europäischen Geschichte 1, Stuttgart 1976bzw. 1979, S. 576: "Vielfältig war weiterhin der direkte oder mittelbare Bezug zum Kaiserhof ... " S. jetztauch DAVIDGANZ,Corbie in the Carolingian Renaissance, Sigmaringen 1990, S. 122 mit Zurückhaltunghinsichtlich Corbies "Isolation" 830-850.

62 Vg!. vorerst Anm. 52.63 MAx MANmus, Einharts Werke und ihr Stil, in: Neues Archiv 7, 1882, S.517-568 u. a.; vg!. aber

allgemein die Bemerkung von BRUNHÖUL(wie Anm. 17) S.319 Anm.4; SIEGMUNDHELLMANN,Ein-hards literarische Stellung, in: DERs.,Ausgewählte Abhandlungen, Darmstadt 1961, S. 159-229. - HEL-MUTBWMANN,Topos und Gedankengeftige bei Einhard, in: DERS.,Ideengeschichtliche Studien zuEinhard und anderen Geschichtsschreibern des früheren Mittelalters, Darmstadt 1962, S. 1-14; vg!.dazu jetzt WOLTER(wie Anm. 15) S. 297 f£ - S. weiter die im ganzen überzeugende Studie von KEMPS-HALL (wie Anm. 16), der für die Verwendung von Ciceros rhetorischen Vorschriften bei der Abfassungder Karlsvita auf einen vergleichbaren, wenn auch weniger erfolgreichen Versuch des Paschasius Rad-bertus, Vita Adalhardi 55 (MIGNE,PL 120) Sp. 1536, hätte hinweisen können, wo Radbert direkt aufein Programm der Personenbeschreibung iuxta oratores abhebt.

64 HAUCK(wie Anm. 11) S. 30; vg!. FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 117, 120. Zitat: WOLTER(wie Anm. 15) S. 303 f.

65 Das bei HAUCK(wie Anm. 11) S.30 erschlossene Gegenstück 'otium meditationis' ~erdeckt den einigeZeilen weiter genannten Zweck; vg!. Einhard, Translatio (wie Anm. 37) S. 239 Z. 43 und unten beiAnm. 87. Die Texte sind Einhard, Vita Karoli magni c. 2 (wie Anm. 3) S. 4 f.: Karlomannlls - incertumqlliblls de causis, tamen videtllr, quod amor« canversationis (Ontemplativae succensus -, operosa temporalis regni admini-stratians relicta, Romam se in otiNm (On/lltit, ibique •.• und Einhard, Translatio S. 239 f.: Cum adbt« in palatio

134 Karl Heinrich Krüger

2. die Rede vom erwünschten Genuß des Otium und der Ruhe66

se in otium contulit ...optata quiete perfruitur ...olium, quo ~:. delectabatur

3. die Suche nach einem Ort mit wenigen Besuchern''?

otiso», quo aliquandoperfrui cupiebam

locum mutare compel/unt. Nam huiuscemodifrequentiam cum suo proposito offtcere oidisset

locum seeretum atque a populari frequentiaualde remotum nana«s .

Die Parallelen sind besonders augenfällig, weil der Text in der "Iranslario' kürzerist. Zudem hat Einhard, wie Hauck zeigen konnte, den Anklang an den programmati-sehen Bibelvers 2. Tim. 2,4 wahrscheinlich mit Bedacht eingefügts'', Aber noch mehr:Obwohl die Wörter olium und quies und auch das Reden vom abgelegenen Ort demmonastischen Wortschatz und patristischer Tradition entsprechens", liegt hier nocheine weitere und für Einhards autobiographisches Selbstverständnis bedeutsame Ver-gleichsstelle zugrunde. Erkennbar wird sie ebenfalls in den knappen Worten der"Iranslatio", nach denen Einhard noch in Staatsgeschäfteil mit vielfältigen Überlegun-gen das erwünschte zukünftige otium bedenkt und endlich einen ruhigen Ort erhält?",

Bei seinem Abschied vom Hof schwebt ihm nämlich auch das Lebensideal desrömischen Staatsmannes Cicero vor, der sich aus seinen politischen und juristischen

posims at negoliis saeelllariblls oeCIIjJal1ls,Otilllll, qllo aliqllando perfrIIi ClljJiebam, IIII1/tillloda rogitatione lIIedilanr,qllendom /oCllm secre/llm alqlle a POPlllari.frtqllentia valtk rtlllol1lm nanctus a/qlle illillS, (IIi tun: militaveram, principisH/llodewici liberalitate ronse(lll1ls slim. Is IoCIIsesl ... In qllo CIIm ... non sO/11mdomos at habitaCllIa ad mantndllm,veT'llm etiam basilieam divinis officiis faciendis congmenle11l non intkrori optris aedi.fieQSstm, dIIbitart copi, in CIIillspotissimllm sancti vel marryris nomine a/qlle bonore dedieari debertl.

66 Einhard, Vita Karoli magnic. 2 (wie Arun. 3) S. 5: Romam se in otillm ronl1llil, ibiqlle habil1l pemtlllalomonachlls factlls in monte Soracte aplld udesiam beati Si/vestri eonslT'llcto monasterio CllIIIfratriblls seCllm ad hocvenienliblls per aliqllot annos opttda qllitte perfrIIil1lr und weiter wie Arun. 67. - Vgl. die Translatio (wie

Anm.65).67 Einhard, Vita Karoli magni c. 2 (wie Anm. 3) S. 5: Std (11mex Francia mlllti nobi/illm ob vota solventia Romam

so//emniler rommeartnt et eIlIlI ve/llt do11linllm qllondam IIIl1mpraeterirt nollent, Otill"" qllo maxime delectabal1lr, crebrasallltatione interrtlmpentes IoCllm mIlIart conptllunt. Nam hllillSctmodi .frtqllentiam CIImSilOproposito officm vidisset,rtlicto monte in Samnillm provinciam ad 1II0nas/mllm sancti Benedicti sitllm in easm Casino seewit el ibi qllodrt/iqllllm erat temporalis vitae rtligiose ronvmando conplevil. - Vg!. die Translatio (wie Anm. 65). - Zur SacheKAru. HEINRICH KRÜGER, Königskonversionen im 8.Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 7,1973, S. 169-222, S. 183 ff.; zuletzt etwa RuDOLF SCHIEFFER.,Väter und Söhne im Karolingerhause, in:Beiträge zur Geschichte des Regnum Francorum. Beiträge fUr Eugen Ewig, Sigmaringen 1990, S. 149-164, S. 154 und zum Hintergrund JÖRG JARNUT, AIemannien zur Zeit der Doppelherrschaft der Haus-meier Karlmann und Pippin, ebd. S. 57-66, S. 65 £ S. auch ScHIEFFER (wie Arun. 43) S. 56 f. - Zur

Wortwahl LECLERCQ(wie Anm. 69) S. 65 £68 HAUCK (wie Anm. 11) S. 175 mit Zitat von 2. Tim. 2,4 f.: Nemo mi/itans Deo implica/ se negotiis saeClllaribllS,

lit ei p!actat, CIIise probavit. Nam et qlli ctrlaI in agone, non roronal1lr nisi Itgitime ctrfaverit.69 Olillm: JEAN LECLERCQ,Otia monastica. Etudes sur le vocabulaire de la contemplation au moyen age

(Studia Anselmiana 51) Rom 1963, bes. S. 27-41. Obwohl otio perfrIIi zu den Wörterbuchwendungenaus Cicero gehört, bringt Leclercq aus der Antike keinen Beleg und nur ein Väterzitat S. 40 Anm. 31:Qlli olioso qlliete peifruil1lr, nisi spiril1laliler vixtrit, "'Ort peClldllm vivi/; vgl. ebd. S. 25 Anm. 37 und 38; - qllies:ebd. bes. S. 13-26; - /OCIISseerel1ls: vgl. mit heiden Texten Einhards (wie Anm. 65 und 66 f.) Z. B. Vitaepatrum 3,37 (MIGNE, PL 73) Sp. 763 vom Leben des Mönches: UI ... seerttam el qllietam ab omni strtpil1lhllills mllndi vitam ageret; zitiert mit LECLERCQ,S. 25 Arun. 36.

70 Einhard, Translatio (wie Anm. 65). Hervorgehoben sei die Wendung: CII", ••• olillm ••• mll1ti11l0t/arogita-tione meditarer. Vg!. den Anfang der Cicerozitate in Anm. 72 und 73.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 135

Geschäften für die respublica und für seine Freunde in die fruchtbare Muße literarischerBetätigung zurückzuziehen pflegte?'. Besonders am Anfang seines Lehrgesprächs ·Deoratore • ist Cicero darauf verallgemeinernd eingegangen. Er denkt dabei über denLebensabend verdienter Staatsmänner, aber auch über die Abwechslung zwischen ei-nem negotium ohne persönliche Gefährdung und einem otium ohne Kränkungen nach 72.

Dabei beklagt er die Enttäuschung seiner hoffnungsvollen Planungen (cogilationes clconsilia) für einen Ruhesitz (locus quietis cl tranquillilatis) 73 und stellt fest, daß ihm trotzallen Wünschens (cupere und exoplare) keine Muße (fruclus oti) gewährt ist, um jenear/es zu betreiben, denen er von Jugend an obliegt 74. Diese Parallele im Leben seinesliterarischen Vorbildes 75 lag Einhard nicht fern, hoffte doch Lupus in seinem erstenBrief, Ciceros Dialogus de oratore von Einhard auszuleihen, da in einem breve voluminorum,einer Bücherliste Einhards, die sich in Fulda befand, Ciceronis de rhelorica verzeichnetwar'6. Charles Henry Beeson hält sogar für wahrscheinlich, daß Lupus diese Schriftvon Einhard tatsächlich bekam und der Londoner Codex Harleianus 2736, den Lupusschrieb, auf Einhards Exemplar zurückgeht?".

Für Einhard war beides interessant, der zeitweilige Rückzug ins otium und dieabschließende Gestaltung des Lebensabends, hatten doch er und seine Frau Imma dieBesitzungen in Michelstadt und Obermühlheim bereits im Januar 815 von KaiserLudwig erhalten 78. Man darf annehmen, daß dieses Eigengut schon bald Einhards

71 Vgl. DITo SEE!.,Cicero, Wort, Staat, Welt, Stuttgart 21961, S. 378 f.; PIERREBOYANcE,Ciceron et la viecontemplative, in: Latomus 26,1967, S. 3-26. - In Cicero, de oratore 1,1,3 (wie Anm. 72) heißt es imJahr 56 v. Chr.: .•. qNanlll", ",ihi velfraNs ini",iconl", vel cassa a",iconl", vel res pNblica tribNe/ otii, ad smbendN'"pofissi",N", ronftra",.

72 Cicero, de oratore 1,1,1, hg. von KAzIMIERZF. KuMANIECKI,Leipzig 1969, S. 1: Cogi/anti mihi saepenN",eroet memoria vetmz rpetenli perl;eati foisse ••• illi videri solent, qNi in optima n pNblica ••• eNm vitae CItrIN", tener»pOllltT'llnt, N/vel ill negotio (sille periCNIo vel in otio) (/Im digni/ale essepossm/. IXfNil (lempNs ilmd CNm)mihi qNoqNeinitiN'" nqNiesmuJi atqNe allimN", ad •.• sIlIdia refmndi fon iNsIlI", ••• arbilranr, si inftnillls fomuiNIII rtT'II", Iobore/ ambitionis D«1IjJatio(de)(/IrIN bolIDnI", etia", mlam J1eXN constitisset. Die eingeklammerten Worte fehlen imCodex Harleianus fol. 1r.

73 Cicero, de oratore 1,1,2 (wie Anm. 72) S. 1 f.: QNalll spe", rogi/ationN'" el ronsiliorlllll meonl", CN", gravesro",mNniN", temponI'" Ill", Parii nostri (IlSNSfefellmlll/. nalll qNi 10CNsqNietis el /ranqNillitatis plenissilllNs fon videballlrin eo ",axi",ae moles ",olestia",,,, el INrbNlmtissilllae lempu/ales extitenlnl ...

74 Ebd. (Fortsetzung): neqNe vtro nobis npientibNs alqNe (ex)oplantibNs jrNelNS otii dalNs esl ad eas ams qNibNs aPNW dediti foi",NS alebrandas inter lIosqlle nrolendas. (ex) im Codex Harleianus 1r als Korrektur am Rand.

7S Vg!. die Berufung auf Gcero, Tusc. 3,6, im Vorwort der Karlsvita (wie Anm. 3) S.2 und das Kompli-ment des Lupus im Brief 1 (wie Anm. 9) S. 6 bzw. S. 8 Z. 5 f., dem die Karlsvita in die Hände kam, alser sich nach TNlliana ateronllllqNe gravitas sehnte.

76 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 8 bzw. S. 8: ite", dllsdem aNdoris de rhelorica /re! libri in dispN/atione QC dialogo deoraton (qNO! IIOShabm arbi/ror, proplma qNod in bnvio IIOllIminN'" nslrarllm .•• smplN'" npptri: Ciaronis derhetorica) •••

. 77 CHARLESHENRYBEESON,Lupus of Ferrieres as Scribe and Text Critic. A Study of his Autograph Copyof Gcero's De oratore With a Facsimile of the Manuscript, Cambridge Mass. 1930, S. 4 f.; zustimmendPAUL LEHMANN,Erforschung des Mittelalters 3, Stuttgart 1960, S. 165 f.; LEVlu.AIN (wie Anm.9) 2,S. 225; EUSABETIIPEuECRIN, Les manuscrits de Loup de Ferrieres. A propos du ms. Orleans 162 (139)corrige de sa main, in: Bibliotheque de l'ecole des Chartes 115, 1958, S. 5-31, S. 6 f., 10 f. mit Literatur;BISCHofF (wie Anm. 42) S. 63 C.; I'HIUPPE DEPREUX,Büchersuche und Büchertausch im Zeitalter derkarolingischen Renaissance am Beispiel des Briefwechsels des Lupus von Ferrieres, in: Archiv für Kul-turgeschichte 76, 1994, S. 269-284, S. 278, 282.

78 DLF BM2 569 vom l1.Januar 815 in Aachen (obwohl es noch keine Ausgabe der Urkunden Ludwigsdes Frommen gibt, zitieren wir sie mit der Sigle DLF und setzen die Regestennummer von BÖHMER_

136 Karl Heinrich Krüger

bevorzugter Aufenthaltsort wurde, außer wenn er sich - nicht nur zur Winterszeit -in Aachen bzw. am Hofe befand oder in einer seiner Abteien nach dem Rechten sah 79.

Das Nachdenken über einen geistlichen Lebensabend war ihm jedenfalls nicht fremd.So schließt er den Abschnitt der Vita über Karlmann mit dem Hinweis, dieser habe,,was von seinem zeitlichen Leben übrig war, in frommer Lebensweise (religiose comer-sando)' in Monte Cassino verbracht'P, Auch zitiert er im testamentarischen breviariumKarls am Schluß der Vita als Zeitpunkt der Inkraftsetzung neben dem Tod des Kaisersals zweite Möglichkeit einen freiwilligen Rückzug Karls aus dem weltlichen Leben( voluntaria saeeularium rerum earentia) 81.

Ein solcher Abschied von den •Amtsgeschäften' wurde offensichtlich öfter ge-wählt, als es allgemein bekannt ist82• Denn so konnte zum Beispiel ein Abt von Ferrie-res, nämlich Einhards Briefpartner Lupus oder sein Vorgänger Odo, in einem Briefzugunsten von zwei Priestern, die in sein Kloster konvertieren wollten, gleich auf zweiprominente Beispiele der Konversion von Geistlichen im Alter hinweisen: Er nannteerstens den abbas etpresbiter Sigulf, der als Greis aus dem Kanonikerstand zum Mönch-tum übergetreten und in Ferrieres nach eigenem Willen zwischen 814 und 821 seinemSchiller, dem Abt Adalbert, untergeben war, und zweitens den früheren Abt undErzbIschof Aldrich, den wir als Lupus' Mentor kennengelernt haben, der zurücktretenund in das Kloster hatte zurückkehren wollen, als er 836 starb83•

Das eigentlich Neue und Besondere an Einhards Abschied vom Hof ist dieBetonung des Dienstes für seine Heiligen, deren Erwerbung er 827 eingeleitet

MÜHLBACHER[wie Anm. 1001 mit dem Kürzel BM2 dazu); Text bei KARL GLÖcKNER, Codex Lauresha-mensis, 1: Einleitung. Regesten. Chronik, Darmstadt 1929 bzw. 1963, S. 299 f. Nr. 19.

79 Datierte Aufenthaltsorte ergeben sich aus acht Beurkundungen, an denen Einhard von 815 bis 839beteiligt war, und aus den Einzelangaben der "Translatio sanctorum Marcellini et Petri' für die Jahre827 bis 830, die JAFFE (wie Anm. 37) S. 493 f. und 497 f. in seiner Einleitung zur Karlsvita zusammenge-stellt hat. - Vg!. weiter HAucK (wie Anm. 11) S. 22 f.; FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 103 f.,105 ff.; DERS., Einhard (wie Anm. 13) Sp. 1738. Anders LöWE (wie Anm.l) S.92. S. auch oben bei

Anm.39.80 Wie Anm. 67.81 Einhard, Vita Karoli magni c. 33 (wie Anm.3) S. 39 Z. 12 f. Dazu verweist FICtITENAU (wie Anrn, 14)

S. 269 auf Gedanken des Augustus und auf das Beispiel des Diokletian in Paulus Diaconus, HistoriaRomana; vg!. auch KRÜGER (wie Anm. 67) S. 200. Es ist nicht auszuschließen, daß Kar! sich auf seinenTod vorbereitete - ähnlich, wie es Thegan, Vita Hludowici c. 7 (wie Anm. 98) S. 184 ff. von ihm berich-

tet.82 814 zog sich der Erzbischof Leidrad von Lyon nach Saint-Medard in Soissons zurück, auch er von

Krankheit an den Tod gemahnt; Ado von Vienne, Chronicon, hg. von GEORG HEINRICH PERTZ (MGHSS 2) Hannover 1829 bzw. Stuttgart 1976, S. 317-323, S. 320 Z. 35 ff. und Leidrad, Brief 30 von 813/814, hg. von ERNST DÜMMLER (MGH Epp.4) Berlin 1895 bzw. München 1994, S.s42 Z. 26f. zurKrankheit, zitiert mit EGON BoSHOF, Erzbischof Agobard von Lyon. Leben und Werk, Köln - Wien1969, S. 20 f., 23 f. Nach FLECKENSTEIN(wie Anm. 32) S. 105 Anm. 390 könnte er zur Hofkapelle gehörthaben. Vgl. auch G. MATHON, Leidrade, archeveque de Lyon, in: Catholicisme 7,1975, Sp. 256 f.; BRuN-HÖLZL (wie Anm. 17) S.41s; HUBERT MORDEK, Leidrad, in: Lexikon des Mittelalters 5, München -Zürich 1991, Sp. 1855; DEPREUX (wie Anm. 17) S. 287 f. - Ein Beispiel für den Rückzug vom Hofkönnte vorher Angilbert, Hofkapellan und Laienabt von Centula, gewesen sein; vgl. BRUNHÖLZL,S. 301.Allgemein HELMUT BEUMANN, Angilbert, in: Lexikon des Mittelalters 1, München - Zürich 1980,Sp, 634 f. - S. weiter in Anm. 90.

83 Lupus, ep. 130 bzw. 29, geschrieben zwischen 837 und 862 (wie Anm. 9) 2, S. 206 bzw. S. 34 Z. 19-

24.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 137

hatte84• Auf diesen Sinn seines otium kommt er auch später zurück85j er stand ininnerem Zusammenhang mit einem Krankheitsgelübde, von dem wir aus EinhardsEntlassungsgesuch an Ludwig den' Frommen wissen'". Bei der Darstellung von Karl-manns Konversion läßt Einhard die Möglichkeit eines Gelübdes offen, aber von divinaofftcia focienda etwa am Grabe Silvesters oder Benedikts ist in dem Bericht nichts zuhören'". Der Gedanke an den Reliquiendienst setzte außer dem geistlichen Grad einHeiltum voraus, an dessen Erwerb Einhard früher noch gar nicht gedacht haben mag.

Hinsichtlich von Einhards ,vielfältigem Nachdenken' noch am Hof über seinkünftiges otium 88 sind deshalb auch andere Absichten zu erwägen. Vielleicht gehörtin diesen Zusammenhang die im September 819 vorgenommene Schenkung von Mi-chelstadt an das Kloster Lorsch'", in das auch Hofkapelläne eingetreten sind90• Ein-hard, dem aus Cicero das nichtgeistliche, literarisch bestimmte onum vertraut war, fehltees auch nicht an prominenten christlichen Vorbildern. So war Cassiodor, der gelehrteRomane am Hofe Theoderichs des Großen (um 485 bis um 580), - den Josef Flecken-

84 Einhard, ep. 10 (wie Anm.53) S. 113 f.: 'Entlassungsgesuch' für den Dienst an den neuen Königs-und Reichsheiligen; ep. 14, S. 117: Bitte um Entschuldigung bei Ludwig mit dem Märtyrerdienst alsLebensvoraussetzung; ep. 15, S. 118: Entlassungsbitte mit Hinweis auf die Nützlichkeit des Märtyrer-dienstes für Ludwig. - Zum Erwerb der Heiligen FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 107 ff.;PATRICKJ. GEARY,Furta Sacra. Thefts of Relics in the Central Middle Ages, Princeton 1978, S. 143 ff.;HANS REINHARD SEEUGER, Einhards römische Reliquien. Zur Übertragung der Heiligen Marcellinusund Petrus ins Frankenreich, in: Römische Quartalschrift 83, 1988, S. 58-75 weist nach, daß Einhardanstelle des Kaufes den Diebstahl fingiert habe. S. auch HERMANN SCHEFERS,Einhards römische Reli-quien. Zur Bedeutung der Reliquientranslation Einhards von 827/828, in: Archiv für hessische Ge-schichte und Altertumskunde N. F. 48, 1990, S. 279-292. '

85 Einhard,ep. 52 (wie Anm. 53) S. 135: Entschuldigungsbrief; vgl. ep. 53, S. 136: Mahnung an diefralm, mit Vorschriften fur den Dienst an den Märtyrern.

86 Einhard, ep. 10 (wie Anm. 53) S. 113 f., S. 114 Z. 2: qllando infirmatlls viciniam mortis exhorrui und Z. 9 dieAufforderung an Ludwig roli mei rompolem zu bleiben. Vg!. HAUCK (wie Anm. 11) S.28 mit Datierungder Krankheit auf 829; Löws (wie Anm. 1) S. 92 Anm. 33.

87 VgI. oben in Anm. 66 (optata qllittt ptif'rNihlr) und 67 (religiose ronvmando).88 Wie Anm. 65, rückblickend: olillm, '1"0 aliqllando peifrlli opiebam, und aktuell im Entlassungsgesuch (wie

Anm. 84) S. 114 Z. 15-33: Einhard, der schon senex et faide infirmus ist, möchte a &llrissae&lllariblls absolllhlsam Grab der Märtyrer in patt et tranquil/itale dienen und am Todestag nicht transitoriis (l( stpeTvatllis &llris«opa/IIS, sondern in den mönchischen Tätigkeiten der oratio (l( /emo und der divinae legis medilalio angetrof-fen werden. Zu den letzten drei Begriffen vg!. JEAN LrCLERCQ, Etudes sur le vocabulaire monastiquedu moyen age (Studia Anselrniana48) Rom 1961, S. 129£,131 £,134, alle drei als "noms de la priere

contemplative".89 Erwähnt bei BöHMER - MÜHLBACHER (wie Anm.l00) Nr.569; hg. von GLÖcKNER (wie Anm.78)

S. 301 f. Nr. 20: Einhard und Imma schenken die tella Michelstadt am 12. September 819 in Lorsch andas Kloster, behalten sich aber die Nutzung zu Lebzeiten und ein illS pmarillm fur einen Sohn vor, fallssie noch Kinder bekommen. - Vg!. FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 106 f

90 Ricbod wurde 784 Abt von Lorsch; FLECKENSTEIN,Gründung (wie Anm. 13) S. 106 f.; vgl. auch HEIN-RICH FICHTENAU,Abt Richbod und die Annales Laureshamenses, in: Beiträge zur Geschichte des Klo-sters Lorsch (Geschichtsblätter fur den Kreis Bergstraße, Sonderband 4) Lorsch 1978, S.277-301 zuvielfältigen Beziehungen zwischen Aachen und Lorsch(Trier. - Gerward, Ludwigs des Frommen Pfalz-bibliothekar, war Mönch in Lorsch, oder er trat später dort ein; LöWE (wie Anm. 35) S. 89 f.; FLECKEN-STEIN (wie Anm. 32) S. 105 Anm. 387; DEPREux (wie Anm. 17) S. 215. - Vg!. auch den Kaplan Gerold(t 751), der ins Kloster Corvey eintrat; JOSEF PRINZ, Die Corveyer Annalen, Münster 1982, S. 103f.Anm.376 mit weiterer Literarur; BISCHOFF (wie Anm.35) S. 115 Anm. 12; DEPREUX (wie Anm. 17)S.114.

138 Karl Heinrich Krüger

stein mit Einhard verglichen hat'", - ,zuerst als Konsul, dann als Senator, schließlichals Mönch hervorgetreten'V, Das konnte Einhard ebenso wie Paulus Diaconus wissen.In Cassiodors erhaltenen Schriften findet sich allerdings kein Bericht über seine Kon-version='. Vergleichbar ist auch die Entscheidung des Paulus Diaconus·selbst, der amlangobardischen Hof aufgewachsen, mit der Königstochter Adelperga an den Fürsten-hof zu Benevent gegangen, wohl 774 ins Kloster Monte Cassino eingetreten war undsich dort, unterbrochen nur durch den Aufenthalt am Hofe Karls des Großen (782-786), seiner literarischen Tätigkeit widmere?", Insgesamt ist festzuhalten, daß sich ausder Konversionsterminologie Einhards angesichts der langen Zeitspanne, in der ersich mit seiner Entscheidung beschäftigte'", wohl ein längerer möglicher Zeitraum, inden das Abfassungsdatum fallen könnte, aber doch kein genauerer Datierungsanhaltfür die Karlsvita gewinnen läßt.

3.Einen neuen Weg mag die Frage eröffnen, wie man den Vater am Hofe des

Sohnes bewertete, eine Frage, die bisher noch nicht prinzipiell gestellt worden ist96•Wie das noch zu Lebzeiten Ludwigs des Frommen 836/837 verfaßte Ludwigsleben

91 FLECKENSTEIN,Gründung (wie Arun. 13) S. 121.92 Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 1,25, hg. von LUDWlG BETHMANN - GEORG WAlTZ (MGH

SS rer. Langob.) 1878 bzw. Hannover 1988, S. 12-192, S. 63 Z. 15-18: Huies temporibus Cassiodorus •••damit ••• Hie primitus ronsu4 JeinJe senator, ad poslrfmul1l IltrrJ monachus exstitit.

93 Cassiodor, De orthographia (MIGNE, PL 70) Sp. 1240C bemerkt in einer Liste seiner Werke: Post rom-menta Psalterii, ubi (praestante Domino) ronvtrSionis l1Ieat tempore pril1lUI1lstudium laboris impendi. Vgl. bei Ä. J.FRIDH (Hg.), Magni Aurelii Cassiodori variarum !ibri XlI (Corpus Christianorum 96) Turnhout 1973,S. V-XIII, S. VIII f. DERS., S. IX will auf die Diskussion, ob Cassiodor Mönch war, nicht eingehen,meint aber S. VIII f., er sei kein Abt in Vivarium gewesen, da in Institutiones 1,32,1 zwei Äbte nament-lich genannt sind. Vgl. auch BRUNHÖUL (wie Arun. 17) S. 27 f., 33, 35, KLAus ZEUER, Cassiodor,Benedikt und die monastische Tradition, in: Wiener Studien 98,1985, S. 215-237, S. 217 ff. und allge-mein JosE ALONso-NuNEZ - JOACHIM GRUBElt, Cassiodor, in: Lexikon des Mittelalters 2, München -Zürich 1983, Sp. 1551-1554 und die Rezension in: Deutsches Archiv 45,1989, S. 658 f. zum Kongreß-

band hg. von SANDROLEANZA(1986). - Auch Jordanes berichtet von seiner comersi«; WILHELMWAITEN-BACH- WILHELMUVlSON, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger I,Weimar 1952, S. 76 und 79 f.; ANDREASSCHWARCZ,Jordanes, in: Lexikon des Mittelalters 5, München -Zürich 1991, Sp. 626 f. - Mit MARTIN HEINZELMANN, Bischofsherrschaft in Gallien, München 1976,S. 197 f., 202 ff., bes. S. 204 kann überhaupt an die "christliche Integration der rusticatio des vornehmenRömers" innerhalb einer "großen Spannweite" von auch asketischen Conversio-Vorstellungen erinnertwerden.

94 Vgl. LöWE (wie Anm. 7) S. 215 f.; KARL LANGOSCH, Profile des lateinischen Mittelalters, Darmstadt1965, S. 113-117; BRUNHÖUL (wie Arun. 17) S.257f.; KARL HEINRICH KRÜGER, Zur 'beneventani-sehen' Konzeption der Langobardengeschichte des Paulus Diaconus, in: Frührnittelalterliche Stu-dien 15, 1981, S. 18-35, S. 20f.; STEFANO GASPARRI,Paulus Diaconus, in: Lexikon des Mittelalters 6,München - Zürich 1993, Sp, 1825 f. - HAUCK (wie Arun. 11) S. 29 nennt die Konversion des Karolin-gers Adalhard vor 774 vom Hof Karls in das Kloster Corbie; dazu BRIGIITE KASTEN, Adalhard vonCorbie, Düsseldorf 1986, S. 24 f.

95 Vielleicht von 813 (Karls testamentarisches Breviarium) und 815 (Eigenbesitz in Michelstadt und Ober-

mühlheim) an, kaum erst seit der Krankheit von 829. HAucK (wie Arun. 11) S. 29 spricht ebenfalls von,Jahren vor dem Existenzwechsel", auf die Einhard am Anfang der "Iranslatio' zurückblicke.

96 HANS HUBERT ANTON, Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, Bonn 1968, S. 200:"Der Regierungswechsel von 814 bedeutet keine Zäsur, keinen Einschnitt in der Entwicklungsliniedes Staatsgedankens." Anders WOLTER (wie Anm. 15) S. 310-317, z. B. S. 311: "Die objektivierendenTendenzen der Regierung Ludwigs des Frommen, seine weniger persönlich als vielmehr institutionell

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 139

des Thegan zeigt?", wurde der Vater damals hoch eingeschätzt'". Danach soll Karldem Sohn an1äßlichder Krönung zum Nachfolger (813) die Grundsätze der Regierungvorgeschrieben und soll Ludwig sie im Sinne des Vaters nach dessen Tod begonnenhaben'". Dieser Text dürfte allerdings eine indirekte Antwort auf eine Relatio derBischöfe sein, die zu dem Prozeß Lothars gegen Ludwig im Oktober 833 gehört. Siebehaupten unter den Anklagepunkten auch ein reatum sacrilegii cl homicidii, weil Ludwigder väterlichen Ermahnung und fürchterlichen Beschwörung KarIs, die unter Anru-fung Gottes vor dem heiligen Altar in Anwesenheit der Bischöfe und einer sehr großenVolksmenge geschehen sei, nicht gemäß seinem Versprechen gefolgt sei, sondern sichgegen seine Brüder und Verwandten gewendet und die Ermordung seines Neffenzugelassen habe 100.

Im übrigen aber finden sich nur wenige Hinweise, daß sich Ludwig den Program-men seines Vaters bewußt entgegengestellt hätte. Der Regierungswechsel brachte amAachener Hof einen Wandel, dessen personale und kulturelle Folgen jedoch zum Teilüberschätzt worden sind. Die neuen Männer bedeuteten keine Neubesetzung allerHofämrerl?'. Auch die Vertreibung der leicht geschürzten Musen leitet nicht den Un-tergang von Hofschule und Hofbibliothek ein 102. Gleichwohl gehörte es offenbar zuden Folgen der wieder stärker geistlichen Ausrichtung der Klöster und Stifte durchdie Reformen von 816 und 817103, daß Lupus (wieder im ersten Brief) über dasmangelnde Interesse an klassischen Wissenschaften klagte 104, und nicht von ungefähr

konzipierte christlich-universale Herrschaftsidee bedingten ein spürbares Abrücken von der fränkischenTradition ... "

97 Löws (wie Anm. 7) 3, Weimar 1957, S. 332 E; GANSHOF, L'historiographie (wie Anm. 8) S. 649 E; HANS-GERT und INGELOREÜOMEN, Zur Überlieferungsgeschichte von Thegans Vita Hludowici imperatoris,in: Festschrift fur Heinz Löwe, Köln - Wien 1978, S. 159-171. Zum Datum jetzt präziser TREMP (wieAnm. 98) S.7.

98 Thegan, Gesta Hludowici imperatoris c. 1-8, hg. von ERNST ThEMP (MGH SS rer. Germ. 64) Hannover

1995, S. 174-191.99 Thegan c. 6 (wie Anm. 98) S. 18(H85 und c. 8-13, S. 188-195.100 Episcoporum relatio Compendiensis von 833, hg. von ALFREDBORETtUS- VIKTORKRAUSE,Capitularia

regum Franeorum 1-2 (MGH Capit. 1-2) Hannover 1883-1897 bzw. Hannover 1984, 2, S. 54. - ZumVorgang JOHANN FRIEDRICH BÖHMER, Regesta Imperii, 1: Die Regesten des Kaiserreiches unter denKarolingern 751-918, neubearbeitet von ENGELBERTMÜHLBACHER- JOHANN LECHNER.Mit Ergänzun-gen von CARulICHARD BRÜHL und HANS H. KAMINSKY,Hildesheim 31967, Nr. 926a; VON SIMSON (wieAnm.43) 2, S. 63 fE; MÜHLBACHER(wie Anm. 101) S. 392 ff.; EWIG (wie Anm. 60) S. 141 E; SCHIEFFER(wie Anm. 61) S. 92. Vgl. auch oben Anm. 43.

101 Gegen ENGELBERTMÜHLBACHER,Deutsche Geschichte unter den Karolingern, 1896 bzw. Darmstadt1959, S. 324 vg!. VON SIMSON (wie Anm. 43) 1, S. 23; FLECKENSTEIN(wie Anm. 32) S. 94 E; EWIG (wieAnm.60) S. 121 E, 127; ScHIEFFER (wie Anm. 61) S. 584.

102 Gegen MÜHLBACHER(wie Anm. 101) S. 325 vg!. BISCHOFF (wie Anm. 35) S. 171 ff. mit Hervorhebungder Kaiserin Judith ab 819; auch EWIG (wie Anm. 60) S. 121 (,,Aber die Dichter verschwanden vorerstaus Aachen") und S. 133; SCHIEFFER (wie Anm. 61) S.576.

103 JEAN LECLERCQ,Wissenschaft und Gottveriangen (1957), dt. Düsseldorf 1963, S. 53 f. zeigt BenediktsBildungsprogramm, grenzt es aber nicht gegen ein 'klassisches Ideal' ab. BRUNHÖUL (wie Anm. 17)S. 440 beschreibt den Gegensatz zu Kar! dem Großen und AIkuin: "nicht Pflege der Wissenschaft unddes Unterrichts, Schule, Scriptorium und Bibliothek war fill ihn die Aufgabe des Mönchs, sondernentschiedene Abkehr von der Welt, Abtötung, Gebet, Handarbeit und Übung des Schweigens".

104 Lupus, ep. 1 (wie Anm. 9) S. 4 bzw. S. 7 Z. 28: nunc oneri sunt qui aliquid diseet't'affectant und WalahfridStrabo im Prolog zur Karlsvita (wie Anm. 55) S. XXVIII f.: Nunc oero ~/abentibllS in tontraria studiis lumensapitntilU, quod minus diligitur, rareseit in plurimis, beide als im Gegensatz zur Karlszeit. Vgl. aber die

140 Karl Heinrich Krüger

forderten die Bischöfe in einer Relatio zum August 829, Ludwig solle dem väterlichenGebrauch folgen und wenigstens an drei passenden Orten des Reiches scalaepublicaemit kaiserlicher Autorität einrichten, damit die Mühen des Vaters und seiner selbstnicht zuschanden würden 105. Zur gleichen Zeit besannen sich auch die Bischöfe selbstauf ihre diesbezüglichen Aufgaben, die ihnen schon seit 822/823 eingeschärft wa-ren 106. Im übrigen wurde Ludwig ermahnt, secundum morem paternum notleidende Bistü-mer zu unterstützen 107. - Insgesamt sind Karlsbezüge solcher Art in den politischenTexten und auch in den Urkunden selten, soweit es sich nicht um das selbstverständli-che Anknüpfen an das Prozedere des Vorgängers und der Vorfahren handelt, dasgelegentlich, so in den Kapitularen von 818 und 819, auch programmatisch ausge-drückt wurde 108. Die Ausnahmen von dieser Regel, soweit wir bei dem unzulänglichenEditionsstand der Ludwigurkunden mit Hilfe der Regesten überblicken können 109,

also betonte Berufungen auf Karl, fallen in das Jahr 823.Es ist das Geburtsjahr Karls, des letzten Sohnes Ludwigs, der später den Beina-

men "der Kahle' erhielt'!", Ein einziger Text, das erst nach 840 entstandene anonymeLudwigsleben des sog. Astronomus, deutet an, daß Ludwig dem Namen Bedeutungzumaß: ,Im Juni dieses Jahres wurde ihm von der Königin Judith ein Sohn gebo-ren, den er bei der Taufe (tempore baptismi) Karl nennen ließ (Karolum vodtare pla-cuit).'l11 Die Annalen von Saint-Benigne in Dijon, die erst spät überliefert sind1l2,

abwägende Beurteilung von EWIG (wie Arun.60) S. 136. - Zu Lupus: VONSEVERUS(wie Anm.18)S. 123 £; BRUNHÖUL(wie Arun. 18) S. 479.

105 Episcoporum relatio von 829, hg. von BoRETIUS- KRAUSE(wie Arun. 100) 2, S. 27-51, S.37 Z. 25 £in Nr. 196 cap. 24.

106 Ebd. S.40 cap. 39. Vg!. auch die Admonitio ad omnes regni ordines von 823-825, hg. von BORETIUS(wie Anm. 100) I, S.304 Nr. 150 cap.6 und die Capitula ab episcopis Attiniaci data von 822, ebd.S. 357 Nr. 174 cap. 3.

107 Wie Anm. lOS, S. 38 Nr. 196 cap. 27.108 Proemium generale von 818.819, hg. von BoRETIUS(wie Anm. 100) I, S. 274 Z. 24-33 in Nr. 137. Vgl,

auch die Regni divisio von 831, ebd. 2, S. 23 Z. 13 f£ in Nr. 194 mit Nennung der Vorgänger von KarlMartell über Pippin und Karl zur karolingischen (lira el deftnsio ealesia« sancti Petri. - Vg!. allgemeinANTON(wie Anm. 96) S. 198 f£

109 Bekanntlich ließ sich Ludwig alle älteren kirchlichen Privilegien von 814 bis 816 zur Bestätigung vorle-gen. Er hat in den Nachurkunden seine jeweiligen Vorgänger selbstverständlich genannt, so z. B. in derErneuerung von Immunität und freier Abtwahl für Lorsch vom 5. März 815 (DLF BM2 576; Text beiGLÖCKNER[wieAnm. 78] S. 295 Nr. 17), gelegentlich auch mit programmatischer Arenga wie im DLFBM2 577 über Fischereirechte für Lorsch am selben Tag in Aachen (GLÖCKNER,S.296 Nr. 18): Siimperia/is dignilas predeceSIonlln Sllomm pie facta inlliolabiliter ronseT'llart nititllr, qllanto magis nos ea conseruar«debemlls el nostris allclorilatiblls ronftrmart, qll{ domnIls et genilor nos/er Karo/IIS pi{ rtrordationis pmlantissimllsimperalor ad petitionem semoT'llm dei, ob emo/llmenlNm anime Sll{ el lltili/a/em strlloT'llm dei, per slIam ronftrmalli/asaoritato», Vgl. allgemein EWIG(wie Arun. 60) S. 122 f

110 VONSIMSON(wie Anm. 43) I,S. 198-201 und BöHMER- MÜHLBACHER(wie Anm. 100) Nr.773a.111 Astronomus, Vita Hludowici imperatoris c. 37, hg. von TREMP(wie Anm. 98) S. 422. - Zur Vita GANS-

HOF,L'historiographie (wie Arun. 8) S. 650-652; EUSABElHHEYSE,Astronomus, in: Lexikon des Mittel-alters I, München - Zürich 1980, Sp. 1153 und jetzt TREMP,S. 53-66. Der Name als 'Programmname'bei KARL HAUCK,Karl der Große in seinem Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien 9, 1975,S.202-214, S.213. STAUBACH(wie Arun.43) S.56 notiert ihn als "vielversprechend". Die ebd. imFolgenden vorgeführten Belege zur panegyrisch gefeierten 'Karlsnachfolge' des Prinzen setzen 826/828 mit dem Lobgedicht des Ermoldus Nigellus ein; Walahfrid Strabo und Frechulf von Lisieux folgen829.

112 Armales s. Benigni Divionensis ad a. 824, hg. von GEORGWAITZ(MGH SS 5) 1844 bzw. Stuttgart 1985,S. 39: Nallls est Karoha, ft/illS Llldowici, in Franconofllrt Idus IlIn. In q"o palatio novo i/Io anno imperator hj~mavit;

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 141

beginnen mit der Geburt am 13. Juni; sie erwähnen dann Ludwigs Winteraufenthalt imFrankfurter palatium notnonund die Kaiserkrönung und -akklamation Lothars durch einen,österlichen' Papst zu Ostern und noch die Priesterweihe von Drogo (Ludwigs Bruder,der Bischof von Metz werden sollte) am Vortag des 13.Junil13• Man war sich derBedeutung der Geburt also noch später bewußt. Ja, Karl selbst erinnerte sich an eineMaßnahme seiner Mutter Judith, die Erzbischof Ebo (und vielleicht auch anderen Erz-bischöfen) einen Ring als Verpflichtung zum Gebet für den Sohn geschickt hatte l!",Aber nirgendwo erfahren wir etwas über Anlaß und Bedeutung der Namenswahl.

Gerade aus den Wochen nach der Geburt sind nun zwei besondere Urkundenüberliefert: die erste für das Bistum Passau vom 28. Juni 823 aus Prankfurt+l>, diezweite für das im Vorjahr neu errichtete Weserkloster Corvey vom 27. Juli 823 ausIngelheim 116. Sie gedenken Karls des Großen in einer diplomatisch ungewöhnlichenForm. Beide Texte setzen unter Auslassung der Arenga gleich nach der Intitulatio miteiner seltenen Publikationsformel und einer Narratio ein, die, mehr als das sonst üblichist, historische Sachverhalte anspricht.'!". Diese historisierenden Teile beider Urkundenwerden besser verständlich, wenn man sie mit den entsprechenden Mitteilungen derKarlsvita vergleicht. Wir stellen die Texte zunächst im lateinischen Wortlaut vor. Dasgeschieht in etwas komplexer Form, weil wir zwei Fassungen der Passauer Urkundeberücksichtigen müssen und den Vergleich auch des Formulars ermöglichen wollen.

a) Die Narratio zur Urkunde Ludwigs des Frommen für das Bistum Passau vom28. Juni 823, gegeben in Frankfurt+l''Nr.5 (längere Fassung) Nr.6 (kürzere Fassung)Nullum ftdelium nosfromm ambigere credi-:mus, qualiter domnus et genitor noster beataememoriaepiissimus imperator Karolas regnumHunorum suae ditioni non sine magno pre-liorum Labore

Nullum ftdelium nosfromm industria ambigerecredimus, qua/iterpius domnus etgenitor nosterKarolas bane memoriepraestantissimus impe-rator regnum Hunonos

et a Paschali papa in die pascbo« Romae (Ln/hanus) corona/us et imperator esl apella/us. Drogo pridi« Idus Iun. inFranconofurl pmbi/er est ordinatus, (Hi e, episcopa/us Me//ensis est datus. Paschalis papa obiit. Eugenius suaessit. -Zur späten Entstehung der Annalen WILHELMWATIENBACH- RoBERTHOLTZMANN,DeutschlandsGeschichtsquellen im Mittelalter. Die Zeit der Sachsen und Salier, hg. von FRANZ-JOSEFSCHMALE,Darmstadt 1967, 2, S. 793 Anm. 75.

113 Zu Drogo VONSIMSON(wie Anm. 43) 1, S. 196 f Allgemein DITo GERHARDOEXLE, Drogo, in: Lexikondes Mittelalters 3, München - Zürich 1986, Sp. 1405; DEPREUX(wie Anm. 17) S. 163-167.

114 Brief Karls des Kahlen an Papst Nikolaus I. von 867; Caroli Calvi epistolae, hg. von M. BOUQUET(Recueil des historiens des Gaules et de la France 7) Paris 21870, S. 556-559, Nr. 5 S. 558. VONSIMSON(wie Anm.43) 1, S. 199 und BöHMER- MÜHLBACHER(wie Anm. 100) Nr.773a nehmen an, daß dieRingsendung auch an andere Erzbischöfe erfolgte. Bei JANETL NELSON,Charles the Bald, London -New York 1992, S. 77 als Anekdote. STAUBACH(wie Anm. 43) S. 346 Anm. 128 denkt nur an Ebo, siehtaber Ludwigs Schenkungen an Corvey seit 823 im Interesse des Adalhard von Corbie, die der Abtskata-log des 12.Jahrhunderts auf Judith zurückfuhrt, in diesem Zusammenhang.

115 DLF BM2 778; Urkundenbuch des Landes ob der Enns 2, Wien 1856, S. 8 Nr. 5 und S. 9 Nr, 6.116 DLF B1f 779; RoGERWILMANS,Die Kaiserurkunden der Provinz Westfalen 777-1313, 1, Münster

1867, S. 18-21 Nr.7.117 Wir meinen damit Abschnitte, die nicht nur über die unmittelbare Vorgeschichte der Beurkundung

unterrichten, sondern auf geschichtliche Sachverhalte in weiterem Umfang zurückgreifen und diese z.T.sogar reflektieren.

118 Wie Anm. lIS, S. 8 bzw. 9, verbessert mit ERKENS(wie Anm. 124) S.113.

142 Kar! Heinrich Krüger

subiugaveritet homines terrae il/ius cultui cbristianae reli-

subiugaveritet homines terrae il/ius cultui divino mancipa-veritgionis mandpaverit

in tantum, ut etiam in eademprovinda multasaealesiasob dei reoerentiam et renouari et afundamentisconstrui faeeret ...

b) Einhard, Vita Karoli magni 13 zum Awarenkrieg119

in tantum, ut etiam plurima loea ealesiae Pa-taviensi et presulibus eius delegaverit

Maximum omnium, quae ab ilia gesta sunt, bellomm praeter Saxonicum buic bello successit,il/ud videlicet, quod contra Avares sive Hunos suseeptum est ..• Quat proeJia in eogesta ..•

Vorn labor und von der Christianisierung spricht Einhard hier nicht.

c) Die Narratioder Urkunde Ludwigs des Frommen für das Kloster Corvey vorn27. Juli 823, gegeben in Ingelheim 120

Neminem fidelium nostrorus« dubitare credimus, quam magnum quondam domnus et genitornoster Karalus chtistianissimns imperator cum Saxonibus subiit laborem, ul eos ad agnitionemveraefidei adduceret, quod et divina cooperante gratia sicul oplavil effedt. Nos vera in eius soliosuperni muneris dono sublimati •.• monasterium amstruere iussimus •.. UI quia auctor« Deopraedictus ... in eadem genie primum Cbristianae religianis fidem conjirmavil, ita et nos '"primum monasticae religianis ordinem illic •.. constiluimus. Quod ita, opilulanle Omnipolentisgratia, ad effeclum rei perteni: ...

d) Einhard, Vita Karoli magni c. 7 und 8 zum Sachsenkrieg'<'Quo (bello) nullum nequeprolixius neque atrodus Francommque populo laboriosius susceptumest ... Eaque conditione ..• bellum conslaf essefinilum, III ... Chrislianae fidei alqlle religianissacramenta sllsciperent ..•. .. tot ac tanta ... bella ..• sollertia regis adminislrala, ul merito inlllentiblls in dubillm venirepossit, utrum in eo alii laborIIm patientiam alii jelidlalem potius mirari convenial ...... nihil ... propter laborem delraclavil ...

Von Gottes Hilfe ist in den heiden Einhardkapiteln nicht die Rede.

In ihrem eigenartigen Formular stützen sich die beiden Urkunden gegenseitigl22•Die beiden Varianten der aus dem 10. bzw. 13.Jahrhundert überlieferten Urkunde fürPassau (oben unter a) sind in der Forschung mit jeweiliger Verwerfung des Gegenstük-kes beide als echt bezeichnet worden 123. Auch wenn die zweite, kürzere Variante heuteals die weniger verunechtete zu gelten hatl24, werden doch der Beginn der Narratio

119 Einhard, Vita Karoli magni Co 13 (wie Anm. 3) S. 15 Z.22-25 und S. 16 Z. 3.120 Wie Anm.116, S.18£.121 Einhard, Vita Karoli magni Co 7 und Co 8 (wie Anm. 3) S.9 Z. 13£., S. 10 Z. 25-30, S. 11 Z. 12-16 und

23£.122 BÖHMER- MÜHLBACHER(wie Anm. 100) Nr. 778, S. 308: "publikationsformel und der beginn der narra-

tio finden einen beleg in der eigens stilisirten urk. für Korvey no 779."123 Vg!. die Anmerkungen im Urkundenbuch (wie Anm. 115) S.9 und S. 10£.124 ERNST KuSEL, Zur Kritik der Urkunde Ludwigs des Frommen für Passau vom 28. 6. 823, in: Archivali-

sche Zeitschrift 50/51, 1955, S. 319-327 und FRANZ-REINER ERKENs, Ludwigs Urkunde vom 28.Juni823 für Passau (BM2 778), in: Deutsches Archiv 42, 1986, S. 86-117 u. a. mit verbessertem Paralleldruckbeider Fassungen.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 143

der ersten, längeren Variante mit dem Hinweis auf den magnIls labor und die Anfangs-worte, die den beiden Varianten ohnehin gemeinsam sind, durch die Corveyer Narratiogestützt125. Die Corveyer Urkunde, die ebenfalls nur abschriftlich aus dem 10.Jahr-hundert überliefert ist, hat gelegentlich zu Zweifeln Anlaß gegeben 126.Sie enthältjedoch so viele gesicherte Bestandteile, daß man die übrigen Abschnitte aus der beson-deren Situation der Neugründung und der Notwendigkeit einer Selbstversorgung un-abhängig vom Konvent des Mutterklosters erklären muß127.

Für unseren Zusammenhang halten wir nur das Folgende fest: Es finden sichzwei historisierende Rückblicke auf Karl den Großen in Ludwigs Urkunden aus denersten sieben Wochen nach der Geburt des Sohnes der Judith, der Karl getauftwurde128. Sie betreffen die beiden Kriege, die Einhard in der Vita (oben in diesemAbschnitt unter b) vergleichend als Karls bedeutendste Erfolge herausgestellt hat129.Sie heben beide wie in Einhards Darstellung, der das allerdings nur bei den Sachsen-kriegen tut, den magnIls labor hervor. Dazu verweist die Passauer Urkunde wie EinhardsDarstellung des Awaren- bzw. Hunnenkrieges auf die proelia 130.Während die Arengafür Passau, über Einhard hinausführend, allein die unter Karl von Bayern aus erfolgteUngarnmission unterstreicht 131,gestaltet die Arenga für Corvey einen doppelten Ver-gleich von Karls Sachsenmission mit Ludwigs Klosterbau und Reliquienschenkungund von Karls äußerer Glaubensfestigung mit Ludwigs ,Mehrung' durch monastischenGottesdienst; beide Herrscher erhalten dabei in gleicher Weise göttliche Hilfe für dieVollendung ihres Vorhabens 132.Karls Kriegserfolgen, wie sie im ersten großen Teilder Vita erzählt sind 133,steht eine christliche Tat des Sohnes gegenüber, vergleichbarKarls religiösen Leistungen, wie sie im letzten Teil der Vita berichtet sind 134.

Abgesehen von den inhaltlichen und begrifflichen Übereinstimmungen leuchtetein, daß der Karlsvergleich in der Corveyer Urkunde nach Kenntnisnahme des über-

125 KuBEL (wie Anm. 124) S. 325 hält es für "durchaus möglich, daß die Fälschung (die längere Fassung)nicht die interpolierte kürzere Fassung, sondern an einer oder der anderen Stelle noch den echten Textvor sich gehabt und nur bei den Objekten den bereits interpolierten Text bemüht hat". Auch ERKENS(wie Anm. 124) S.97 meint, daß die kürzere Fassung "nur verstümmelt überliefert" sei.

126 VON SIMSON(wie Anm. 43) 2, S. 269 f.: "ein Dokument, dessen Echtheit freilich kaum über allenVerdacht erhaben sein dürfte" und S. 270 Anm. 1.

127 Dazu KAR!. HEINRICHKRÜGER,Geschichte und Geschichtserinnerung im Kloster Corvey, Teil 1,2,Typoskript Münster 1990.

128 Vg!. oben bei Anm. 111.129 Oben bei Anm. 119.130 Ebd. Auch ein nachträgliches Hineinfälschen durch einen Kanzlisten Ottos n. würde die Nähe zur

Darstellung der Karlsvita nur hervorheben.131 Erinnert sei an den Briefwechsel zwischen A1kuin und Arn von Salzburg. Desiderate der Forschung

zeigt die Skizze von REINHARDSCHNEIDER,Kar! der Große - politisches Sendungsbewußtsein undMission, in: Kirchengeschichte als Missionsgeschichte 2,1, hg. von KNUTSCHÄFERDIEK,München 1978,S.227-248.

132 Ergänze das Zitat bei Anm. 120, passend zu Kar!s quod et divina cooperant« gratia siCllt optavit efftcit, fürLudwig am Ende des wiedergegebenen Textes: Quod ita, opitulante Omnipotentis gratia, ad ifftctum rei perve-nit .••

133 Einhard, Vita Karoli magni c. 5-15 (wie Anm. 3) S.7-18.134 Ebd. c. 25-28, S. 30-33. Dazu HEINZLöWE, 'Religio Christiana'. Rom und das Kaisertum in Einhards

Vita Karoli magni, in: Storiografia e storia. Studi in onore di Eugenio Dupre Theseider, Rom 1974,S.1-20.

144 Kar! Heinrich Krüger

sichtlichen Karlsbildes der Vita leichter denkbar ist als ohne sie135.Ist das richtiggesehen, kann abschließend gefragt werden, wie sich Inhalte der Karlsvita zu demGeschehen der Jahre um 821 bis 823 verhalten 136.Im Oktober 821 war die Aussöh-nung der beiden Karolingerzweige, der Bernhardsöhne Adalhard und Wala auf dereinen, der Karlsnachfahren auf der anderen Seite erfolgt. Im August 822 wurden dieHalbbrüder Ludwigs miteinbezogen. Damals in Attigny setzte auch die gemeinsameBuße von Herrscher und Geistlichkeit einen neuen Anfang. Im Frühjahr 823 wurdeLudwigs Sohn und Mitkaiser Lothar von Papst Paschalis auf Ostern zur Krönungnach Rom eingeladen. Im JuniIJuli übernahm Lothar die Patenschaft über Karl. DieseAndeutungen, die den oben zitierten späten Dijoner Annalen entsprechen, mögengenügen137• Es bietet sich ausreichend bedeutsames Geschehen, das für die Gestaltungder Karlsvita, für die Gewichtung des dort Berichteten, Gesichtspunkte geliefert habenkann.

Unsere Überlegungen lassen sich in einem gewichtigen Punkt noch weiter führen.Zu den bedeutsamen Zeugnissen für Ludwigs Regierung in dieser Zeit gehört die sog.'Admonitio ad omnes regni ordines'138. Sie bezieht sich im c.6 mit einem praeteritotempore auf den Reichstag von 822 in Attigny und wird daher auf 823-825 datiert P",In der Einleitung beschwört Ludwig das Beispiel (exemplum) seines Vaters und seinerVorfahren, dem er folge 140. Das letzte der 26 Kapitel schließt er mit einer ähnlichenBerufung: sicut a genitore nostro et a nobis saepe admonitum est. Solche Bezugnahmen aufden Vater finden sich auch in anderen Kapiteln: zum pfleglichen Umgang mit fremdenGesandtschaften (c. 19), zur Wiederherstellung von Brücken (c. 22) und zur Zahlungvon Zehnten (c. 23) 141. Zu den weiteren Punkten, deren Durchführung Ludwig an diegeistlichen und weltlichen Großen delegiert, gehört die Sorge für die sancta religio (c. 4),für die Wiederherstellung von Kirchen und für deren Lichterdienst (c. 5 und 24) unddie Sorge für die Unterstützung von Waisen, Witwen und Armen (c.8). DieselbenAnliegen hebt auch Einhard in den Kapiteln 16 f und 26 f. der Vita als HerrschertatenKarls hervor. Mit ihnen charakterisiert er die Handlungen von Karls administratio regni.Indem er diese Kapitel um die Mitteilungen über Karls Gesittung und häusliches

135 Die Aufarbeitung des für die Karlszeit Besonderen ist sicherlich ein Fortschritt im damaligen Gegen-

wartsbewußtsein.136 Dieser methodische Schritt soll hier nicht so weit durchgefuhrt werden wie bei UNTlEL (wie Anm. 1)

zu 833 bis 836 und bei HAucK (wie Anm. 11 und 13) zu 829/830.137 Vg!. auch die Skizze von EWIG (wie Anm. 60) S. 128. Zum dort erwähnten Vorschlag eines einheitlichen

Reichsrechtes s. Bosaos (wie Anm.82) S. 41 f£ mit Anm.l0: Reformschrift des Agobard adversuslegern Gundobadi, entstanden vor 822, am ehesten zu 817. Zu Lothars Patenschaft für Karl den KahlenSTAUBACH(wie Anm. 43) S. 56 £.

138 Admonitio ad omnes regni ordines, hg. von BoRETlUS (wie Anm. 100) 1, S. 303-307 Nr. 150. Für dieAnregung zum folgenden Abschnitt danke ich auch hier Nikolaus Staubach.

139 Ebd. S.303; VON SIMSON (wie Anm.43) S. 241 f. Anm. 12 (eher zu 825); FRAN~OIS LoUIS GANSHOF,Was waren die Kapitularien?, Darmstadt 1961, S. 170 (825 mit BÖHMER- MÜHLBACHER[wie Anm. 100]Nr. 798); REINHARDSCHNEIDER,Kapitularien. Ausgewählt und eingeleitet (Historische Texte / Mittelal-ter 5) Görtingen 1968, S. 47 (825); BoSHOF (wie Anm. 15) S. 149 mit Anm. 325 (Lit.): im Verhältnis zuAttigny "wenig später".

140 Admonitio c. 1 (wie Anm. 138) S. 303: Omnibus vobis IlIIt roulllll aumlu notum esst non 'ubi/amu!, quia geni/ornoster et progenitores ••• studuenmt ••• Nos eham illXla modum nosfr1lm forum seqllentes txemplum •••

141 Admonitio (wie Anm. 138) S. 306 Z. 12: a geni/ore nostra el a nobis, Z.43: tempore genitoris nostri, S.307Z. 8: et genitor noster et nos.

Neue Beobachtungen zur Datierung von Einhards Karlsvita 145

Verhalten (mores) herum gruppiert, erhöht er "durch Wiederholung und Endstellung"ihr Gewicht142•

Vergleicht man nun Einhards Mitteilungen und Ludwigs Mahnungen, so erschei-nen Ludwigs Vorkehrungen gegen eine Mißachtung des Herrschers und des Reiches(inhonoratio regis et regni) und gegen einen schlechten Ruf im Ausland (mala fama beiexterae nationes) und sein Eintreten für das Ansehen des Herrschers und des Reiches(honor nostrum et regni;' alles c. 18 £) 143 wie ein Echo auf Karl, der nach Einhard diegloria regni durch Gesandtschaftsverkehr mit aller Welt (Vita c. 16) und Unterwerfungvon exterae nationes erhöhte(Vita c. 17). So antworten Ludwigs Bemühungen um dieErneuerung von alten Brücken (c.22) auf Karls exemplarischen, wenn auch unvollen-deten Brückenbau bei Mainz (Vita c. 17). Karls Befehlen, verfallene Gotteshäuser zurestaurieren (Vita c. 17), folgen Ludwigs diesbezügliche Ermahnungen; von Lichternist bei Karl für' Aachendie Rede (Vita c. 26). Die Armenfürsorge Karls erwähnt Ein-hard im Kapitel27144• So spiegeln beide, Einhards Karlsvita und Ludwigs "Admoni-tio', einRegieru"ngsprogramm, das sich zu seiner Legitimation auf Karl beruft, Paralleldazu betont die Corveyer Urkunde in der Gegenüberstellung von; Vater und Sohn,wie Ludwig die kriegerische Expansion des Vaters durch friedliche Christianisierunggottgewollt fortsetzt und durch die Einführung des Mönchtums vollendet. .

. Alle drei Zeugnisse setzen Besinnung' und Einsichten darüber voraus, was dieK~rlszeit eigentlich bedeutete. Ludwig war 814 angetreten, um die Mißstände zu besei-tigeri, die in den letzten Zeiten seines Vaters eingerissen waren. Doch offenbar besan-nen sich Ludwig und seine Berater - vielleicht schon seit 822 - auf die' positivenSeiten der Her~chaft des Vaters und akzentuierten die Kontinuitätdes herrscherliehenHandelns. Jedenfalls brachte 823 die Taufe des nachgeborenen Prinzen auf den Namendes Großvaters dies in Ludwigs Interesse programmatisch zum Ausdruck. Einhardaber faßte die derart aktualisierte Erinnerung an Karl, die offenbar auch andere disku-tierten und vielleichtzu überliefern sich anschickten (utrum ab alio saiberentur necne,liquido scire non potui usw), in seinem; eigenen Sinne zu einem' Idealbild zusammen 145.

Er tat dies gewiß auch im Hinblick auf herrscherliehe Handlungsmaximen, vor allemab~r in der Erkenntnis, daß die Taten Karls in de~ Gegenwart kaum vollständig nach-geahmt werden konnten (moderni temporis hominibus vix imitabiles actus)I46. Unsere Textegeben deutliche Hinweise für die Entstehung der Karlsvita schon bis Sommer 823und eine durch sie gespiegelte und geförderte Karlserinnerung, wie sie bei der Namen-wähl für den Sohn der Judith von Bedeutung war. So sind sie Zeugnisse für denhistorischen Moment, in dem der' Hof Ludwigs des Frommen in der Erinnerung andie Taten Karls neue Orientierungspunkte für die Politik suchte und fand.

142 Dazu NIKOLAUSSTAUBACH,'Cultus divinus' und karolingische Reform, in: Frühmittelalterliche Stu-dien 18, 1984, S. 546-581, S. 562ff., bes. S. 568 und 571 (Zitat).

W Admonitio (wie Anm. 138) S.305 Z.43 (vg!. auch 24) und S. 306 Z. 6,7 und tOf.144 Einhard, Vita Karoli magni c. t6 f. und c. 26 f. (wie Anm. 3) S. 19 f. und 30 f.145 Ebd. Praefatio, S. 1 Z. 21-23, auch unter dem Risiko einer Konkurrenz &11111aliis velut rolllllluniler.146 Ebd. S. 1 Z. 26 f.