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Frieda Raich Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten

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Frieda Raich

Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten

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Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten

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Frieda Raich

Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet {Jber <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Dissertation Universit~it Innsbruck, 2006

Die vorliegende Buchpublikation wurde vonder Europ~iischen Akademie Bozen (EURAC) unterstiitzt.

EURAC research

Institut fiJr Regionalentwicklung und Standortmanagement www.eurac.edu

1. Auflage November 2006

Alle Rechte vorbehalten �9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Brigitte Siegel/Britta GShrisch-Radmacher

Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de

Das Werk einschlieglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiJtzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbe-

; sondere fiJr Vervielffiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher von jedermann benutzt werden diirften.

Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scherglitz Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany

ISBN-10 3-8350-0599-5 ISBN-13 978-3-8350-0599-0

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Geleitwort

R~iume stellen eine Verdichtung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aktivit~iten dar. Sie sind ein Handlungsraum, welcher von sozialen und institutionellen Bindungen der Akteure profitiert. Die Gestaltbarkeit von R~iumen h~ingt ganz wesentlich vonder Steuerungs- f'~ihigkeit der Akteure ab. Die Arbeit von Frieda Raich erm6glicht einen wissenschaftlich fundierten und empirisch erprobten Einblick in die Governance von r~iumlichen Wettbewerbs- einheiten unter besonderer Berticksichtigung von Tourismus-Destinationen.

Die Steuerung von Tourismus-Destinationen ist ein alter Traum von Akteuren des Tourismus und anderer Branchen. Bei intensiver Betrachtung der Praxis versteht der Interessierte alsbald, dass es sich bei der Ftihmng und Steuerung von Tourismus-Destinationen um ein sehr kom- plexes Ph~inomen handelt. Selbst das Management der Dienstleistungsketten von Ziel- gebieten, die aus dem Blickwinkel der Nachfrage konstruiert werden, st6Bt in der konkreten Umsetzung auf eine Vielfalt von Problemen. Frieda Raich wagt sich dabei auf der Grundlage der politischen Steuerungstheorie - und hier liegt ein Neuigkeitsaspekt- in ein spannendes Betrachtungs- sowie Erkenntnisfeld vor, welches handlungstheoretisch die Steuerung als komplexen Prozess versteht, jedoch grunds~tzlich die Steuerungsfahigkeit bejaht. Behandelt wird ein Themenfeld, welches die Tourismuswirtschaft, aber auch zunehmend die Wissenschaft stark besch~ftigt: Wie gelingt es, vor dem Hintergrund der Metazielsetzung Wettbewerbsffihigkeit, die Steuerbarkeit und die Steuerungsffihigkeit der Tourismus- Destination zu garantieren? Dabei kann die Anwendung im Tourismus als h6chst innovativ bezeichnet werden und auf der vorliegenden Grundlage zukfinftig Fallstudien erm6glichen, deren Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Steuerungstheorie einflieBen k6nnen.

Es gelingt Frieda Raich, die Besch~iftigung mit Regional-Governance und die Erkenntnisse des Regional-Governance-Ansatzes auf touristische Destinationen umzulegen, was welters einen Neuigkeitsaspekt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit touristischen Destinationen darstellt. Dabei verdeutlicht die Autorin der vorliegenden Arbeit die ver- schiedenen Steuerungsebenen einer Tourismus-Destination als Grundlage fOr die Entwicklung eines allgemeinen Governance-Modells. Akteurkonstellation, Interaktionsformen der Entscheidungsfindung, Handlungsorientierung sowie institutioneller Kontext werden als relevante Bestimmungsfaktoren der Governance im Rahmen der empirischen Analyse unter- sucht. Man kann davon ausgehen, dass auf der Grundlage vorliegender Arbeit eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung bzw. Weiterentwicklung erfolgen wird. Ich wage zu behaupten, dass Frieda Raich eine essentielle Weiterentwicklung der Diskussion rund um den Themenkomplex Destination-Management gelungen ist. Der Blickwinkel ausgew~hlter Management-Theorien wird durch die politische Steuerungstheorie erg~,nzt und setzt maBgebliche Akzente bei Betrachtung der Komplexit~it der Funktionsweise von Tourismus- Destinationen. Die Verfasserin erm6glicht in der vorliegenden Arbeit einen profunden Ein- blick in die Literatur zum Themenkomplex Governance, erg~nzt durch die F~,higkeit, in der Literatur behandelte Definitionen und Argumente kritisch zu beleuchten und zu beurteilen. Herausragend ist diese Arbeit vor allem hinsichtlich der Erarbeitung eines Konzeptes auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Auseinandersetzung.

Prof. Dr. Harald Pechlaner

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Vorwor t

Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten ist ein Prozess, in welchem Eigendynamik und Steuerungsprozesse ineinander greifen. In dem Bem~hen, die Entwicklung von lokalen und regionalen R~umen zu beeinflussen, muss die Interdependenz von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aktivit~ten ber~cksichtigt werden. Einseitige Konzepte greifen zu kurz, um komplexe Wirkungszusammenh~nge zu steuern. Erforderlich sind Kombinationen verschiedener Steuerungsformen- und Elemente, die durch Lern- und Suchprozesse der

Beteiligten unterstt~tzt werden.

Die vorliegende Arbeit besch~ftigt sich mit dem Arrangement von Steuerung und Selbst- organisation, abseits von Machbarkeitsglaube und Steuerungspessimismus. Sie wurde im J~nner 2006 von der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakult~t der Universit~t

Innsbruck als Dissertation angenommen.

Mein Dank gilt den Personen, die mich bei meiner Arbeit unterstfitzt und begleitet haben, im Besonderen Prof. Dr. Harald Pechlaner. Im Gespr~ch mit ihm entstand das Interesse an diesem spannenden Thema und er stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Bedanken m6chte ich mich auch bei der Europ~ischen Akademie Bozen (EURAC), die das Schreiben der Dissertation wohlwollend gef6rdert hat. Sie hat die Durchffihrung einer umfangreichen empirischen Studie erm6glicht und die Publikation der Arbeit finanziell unterstfitzt. Ffir das

Zweitgutachten danke ich Prof. Dr. Klaus Weiermair.

Ich wfinsche den Lesern des Buches eine spannende Auseinandersetzung mit dem Thema Governance von rfiumlichen Wettbewerbseinheiten.

Frieda Raich

VII

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Inhaltsverzeichnis

1. E i n f a h m n g ......................................................................................................................... 1

2. Z ie l se tzungen ..................................................................................................................... 2

3. Analy t i scher Hintergrund .................................................................................................. 3

3.1 Exkurs: Poli t ische und wirtschaft l iche Steuerungsdiskuss ion ................................. 4

I Governance

1. Defini t ion ............................................................................................................................... 5

2. Die pol i t ische Steuerungstheorie ............................................................................................ 6

2.1 Der akteurtheoret ische Ansatz ......................................................................................... 8

2.1.1 Soziales Handeln ................................................................................................... 8

2.1.2 Akteurmode l le ....................................................................................................... 9

2.1.3 15berindividuelle Akteure und kollekt ive Handlungsf~ihigkeit ............................ 12

2.1.4 Akteurkonste l la t ionen .......................................................................................... 15

2.1.5 Akteur theoret ische Steuerung ............................................................................. 18

2.2 Der sys temtheoret ische Ansatz ...................................................................................... 19

2.2.1 Systeme: Grunddif ferenzierung ........................................................................... 19

2.2.2 Grundriss einer a l lgemeinen Theorie sozialer Systeme ...................................... 20

2.2.3 Steuerbarkei t und Steuerungsf'~ihigkeit in der Systemtheorie .............................. 23

2.3 Zwischen System und Akteur ........................................................................................ 26

2.3.1 Einw~inde gegen den sys temtheoret ischen Steuerungspess imismus ................... 26

2.3.2 Einfluss der Systemtheor ie auf die neuere Steuerungstheorie ............................ 28

3. Steuerungsverst~indnis in dieser Arbei t ................................................................................ 29

4. Steuerbarkei t und Steuerungsf~ihigkeit ................................................................................. 30

4.1 Steuerbarkei t .................................................................................................................. 30

4.2 Steuerungsf~ihigkeit ....................................................................................................... 32

4.3 Steuerungsmedien .......................................................................................................... 33

4.3.1 Macht ................................................................................................................... 34

4.3.2 Geld ..................................................................................................................... 36

4.3.3 Wissen ................................................................................................................. 38

4.3.4 Vert rauen ............................................................................................................. 40

5. S teuerungsproblemat ik ......................................................................................................... 41

5.1 Transintentionalit~it sozialen Handelns .......................................................................... 44

5.2 Ursachen von Transintentionalit~it ................................................................................. 45

5.3 Dimens ionen der Transintentionali t / i t ........................................................................... 48

5.4 Abbau von Transintentionalit~it ..................................................................................... 49

6. Von der Steuerung zur Governance ..................................................................................... 52

6.1 Inst i tut ionen ................................................................................................................... 53

6.2 Ins t i tu t ionendynamik versus Inst i tut ionengestal tung .................................................... 55

7. Governance -Formen ............................................................................................................. 59

7.1 Koordina t ionsver fahren ................................................................................................. 59

7.1.1 Einseit iges Handeln und wechselse i t ige Anpassung ........................................... 59

IX

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7.1.2 Verhandlung ........................................................................................................ 61

7.1.3 Mehrheitsentscheidung ........................................................................................ 66

7.1.4 Hierarchische Entscheidung ................................................................................ 67

7.2 Strukturmuster ............................................................................................................... 68

7.2.1 Der Markt ............................................................................................................ 69

7.2.2 Die Hierarchie ..................................................................................................... 71

7.2.3 Neben Hierarchie und Markt ............................................................................... 73

7.3 Analyse der Strukturalternativen ................................................................................... 74

7.3.1 Governancekostenansatz ..................................................................................... 74

7.3.2 Transaktionskosten der Steuerung ....................................................................... 77

7.3.3 Referenzformen ................................................................................................... 80

8. Zusammenfassung ................................................................................................................ 82

II Governance von r~iumlichen, regionalen Wettbewerbseinheiten 1. Der Raum ............................................................................................................................. 83

1.1 Die Grundqualit~iten des Raumes .................................................................................. 84

1.2 Raum und Zeit ............................................................................................................... 87

2. Wettbewerbseinheiten auf regionaler Ebene ........................................................................ 89

2.1 Die Region ..................................................................................................................... 89

2.2 Regionstypisierung ........................................................................................................ 91

2.3 Abgrenzung von Regionen ............................................................................................ 92

2.4 Die Bedeutung des regionalen Raumes ......................................................................... 94

3. Regional Governance ........................................................................................................... 97

3.1 Definition ....................................................................................................................... 98

3.2 Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus ..................................................... 99

3.2.1 Analytischer Hintergrund .................................................................................... 99

3.2.2 Das analytische Modell ..................................................................................... 100

3.3 Merkmale der Regional Governance ........................................................................... 108

3.4 Regionale Netzwerke als Basis der Governance r~iumlicher Einheiten ...................... 109

3.4.1 Netzwerke als heuristische Kategorie ............................................................... 110 3.4.2 Merkmale von Netzwerken ............................................................................... 111

3.4.3 Funktionen von Netzwerken .............................................................................. 112

3.4.4 Vorteile und Effekte .......................................................................................... 113

3.4.5 Machtstrukturen in Netzwerken ........................................................................ 114

3.4.6 Probleme und Zerfall von Netzwerken ............................................................. 115

3.4.7 Effekte r~umlicher N~ihe aufNetzwerkbeziehungen ......................................... 126

3.5 St~irken und Schw~ichen des Ansatzes ......................................................................... 127

3.6 Abgrenzung zu anderen Ans~tzen ............................................................................... 129

3.6.1 Hauptlinien der regionalwirtschaftlichen Ans~itze ............................................ 131 3.6.2 Kompatibilit~it und Komplementarit~it der Ans~itze ........................................... 133

3.6.3 Milieu Ansatz .................................................................................................... 134

3.6.4 Industrielle Distrikte .......................................................................................... 137

3.6.5 Regulationsansatz .............................................................................................. 138

3.6.6 Konzept der Lernenden Region ......................................................................... 139

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3.6.7 Regime-Konzept ................................................................................................ 141

3.6.8 Funktionen der Regionalentwicklung ................................................................ 143

4. Zusammenfassung .............................................................................................................. 144

III Governance von Tourismus-Destinationen 1. Die Tourismus-Destination ................................................................................................ 145

1.1 Das Tourismussystem .................................................................................................. 145

1.2 Tourismussystem und Umwelt .................................................................................... 150

1.2.1 Einfluss des Tourismus auf die Umwelt ............................................................ 151

1.2.2 Entwicklung und Einflussfaktoren .................................................................... 152

1.3 Die touristische Destination ........................................................................................ 156

1.4 R~iumliche Abgrenzung yon Destinationen ................................................................. 157

1.5 Destinationen als r~iumliche Wettbewerbseinheiten .................................................... 158

1.6 Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf~ihigen Destination .................................... 159

1.7 Notwendigkeit der Governance von Tourismus-Destinationen .................................. 165

2. Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen ............................. 167

2.1 Akteure der Tourismus-Destination ............................................................................ 167

2.1.1 Touristische Akteure ......................................................................................... 167

2.1.2 Interessengruppen .............................................................................................. 172

2.2 Handlungsorientierung der Akteure ............................................................................ 175

2.3 Konstellation in der Destination .................................................................................. 177

2.4 Interaktionsformen in der Destination ......................................................................... 179

2.5 Institutioneller Kontext einer Destination ................................................................... 182

2.5.1 Notwendigkeit der Tourismuspolitik ................................................................. 182

2.5.2 Instrumente der Tourismuspolitik ..................................................................... 185

2.5.3 Anforderungen an die Yourismuspolitik ........................................................... 186

2.6 Zusammenspiel der Bestimmungsfaktoren ................................................................. 188

3. Vom Management zur Governance von Destinationen ..................................................... 191 3.1 Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes ............................ 193

3.2 Exkurs: Governance von politisch-administrativen Regionen versus Destinationen.. 194

3.3 Entwicklung eines Governance-Modells far Tourismus-Destinationen ..................... 195

3.3.1 Steuerungsebenen in einer Tourismus-Destination ........................................... 195

3.3.2 Institutionell eingebettete Selbstorganisation .................................................... 199

3.3.3 Institutioneller Kontext oder ,der Schatten der Hierarchie' . ............................. 199

3.3.4 Selbstorganisation ............................................................................................. 205

3.3.5 Netzwerkpool .................................................................................................... 214

3.3.6 Vom Netzwerkpool zu aktivierten Netzwerken ................................................ 215

3.3.7 Netzwerkmanagement ....................................................................................... 218

3.3.8 Integration der verschiedenen Steuerungsebenen ............................................. 229

3.4 Zusammenfassung: Ansatz einer Governance von Tourismus-Destinationen ............ 230

IV Empirische Untersuchung 1. Zielsetzung ......................................................................................................................... 233

2. Methode .............................................................................................................................. 233

XI

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2.1 Quanti tat ive Untersuchung ................................................................................... 233

2.2 Stichprobe ............................................................................................................. 234

2.3 Vorgehensweise .................................................................................................... 235

2.4 Pretest ................................................................................................................... 235

3. Ergebnisse .......................................................................................................................... 237

3.1 Al lgemein .................................................................................................................... 237

3.1.1 Angewandte Tests bei Verg le ichen zwischen Gruppen .................................... 237

3.1.2 Angewandte Tests zur Analyse von Zusammenh~ingen .................................... 237

3.1.3 Rficklaufquote ................................................................................................... 238

3.1.4 Unternehmen und Gruppen ............................................................................... 239

3.2 Einfluss der Akteure .................................................................................................... 242

3.2.1 Einfluss der verschiedenen Akteurgruppen ....................................................... 242

3.2.2 Verte i lung des Einflusses .................................................................................. 243

3.2.3 Einsatz von Steuerungsmedien .......................................................................... 244

3.3 In terakt ionsformen ...................................................................................................... 245

3.3.1 Einsatz von In terakt ionsformen ......................................................................... 245

3.3.2 Einfluss der In terakt ionsformen auf die Nachhal t igkei t .................................... 247

3.3.3 Einfluss der In terakt ionsformen auf den Raumbezug ....................................... 248

3.4 Kol lekt ive Handlungsf~ihigkeit .................................................................................... 249

3.4.1 Interessenkonfl ikte ............................................................................................ 249

3.4.2 Gemeinsames Vorgehen .................................................................................... 250

3.5 Einfluss der 6ffentl ichen Hand .................................................................................... 252

3.6 Netzwerke .................................................................................................................... 253

3.6.1 Netzwerkqualit~it ................................................................................................ 253

3.6.2 Ne tzwerkprob leme ............................................................................................ 257

3.7 Erfolg ........................................................................................................................... 258

3.7.1 Bewer tung von Erfolgsfaktoren ........................................................................ 258

3.7.2 Wettbewerbsf~ihigkeit ........................................................................................ 260

3.7.3 Unte rnehmer tum ................................................................................................ 260

3.7.4 Koopera t ion /Netzwerkb i ldung .......................................................................... 261

3.7.5 Einzigart igkei t ................................................................................................... 262

3.8 Governance .................................................................................................................. 263

3.8.1 Bereiche der Governance .................................................................................. 263

3.8.2 Dominante Governance -Formen ....................................................................... 264

3.8.3 Governance-Akteure .......................................................................................... 267

4. Interpretat ion der Ergebnisse ............................................................................................. 269

4.1 Bes t immungsfak toren der Governance ....................................................................... 270

4.1.1 Akteure .............................................................................................................. 270

4.1.2 Handlungsor ien t ie rung ...................................................................................... 271

4.1.3 Akteurkonste l la t ion ........................................................................................... 271

4.1.4 Interakt ionsformen ............................................................................................ 272

4.1.5 Inst i tut ioneller Kontex t ...................................................................................... 273

4.2 Governance -Mode l l ..................................................................................................... 274

5. Aussagekraf t der empir ischen Untersuchung ..................................................................... 275

XII

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V Schlussbetrachtung und Ausblick 1. Rolle des regionalen Raumes ftir eine wettbewerbsf~ihige Entwicklung ............... 279

2. Wicht igkei t der Governance yon Niumlichen Wet tbewerbseinhei ten .................... 280

3. Akzeptanz der Komplexit~it yon Governance ......................................................... 281

4. Kombinat ion yon Governance-Elementen ............................................................. 281

5. Balance zwischen Governance-Formen und -E lemen ten ....................................... 282

6. Integration der Steuerungsebenen .......................................................................... 283

7. Governance-Akteure ............................................................................................... 284

8. Entwicklung der Bes t immungsfaktoren der Governance ....................................... 285

9. Governance yon Tourismus-Dest inat ionen ............................................................ 288

10. Weiterf i ihrende Forschungsempfehlungen ........................................................... 289

Literatur .................................................................................................................................. 291

XIII

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Abbi Id u ng sve rze ich n is

I Governance

Abbildung 1: Komplexe, t~berindividuelle Akteure ................................................................. 15

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2: Analyseebenen von Systemen ............................................................................ 19

3: Funktionssysteme, Medien, Codierung .............................................................. 25

4: Steuerungsmedien .............................................................................................. 33

5: Indikatoren f't~r Steuerungsproblematik und -f'~ihigkeit ...................................... 42

6: Intentionale und transintentionale Folgen sozialen Handelns ............................ 44

7: Dimensionen von Transintentionalit~t ............................................................... 49

8: Beziehung zwischen Regeln, Handlungsraum und Handlungsmuster ............... 52

9: Schaffung einer institutionellen Ordnung - Battle of the Sexes ........................ 56

10: Gestaltungsintentionen und institutionelle Dynamik ....................................... 57

11: Arten von Verhandlungsprozessen .................................................................. 62

12: Idealtypische Steuerungsformen ...................................................................... 73

13: Institutionelle Steuerungskosten als Funktion der Ressourcenspezialisierung 79

14: Unterschiede zwischen Strukturmustem .......................................................... 81

II Governance von riiumlichen, regionalen Wettbewerbseinheiten

Abbildung 15: Regionale Raumelemente ................................................................................ 91

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16: Das analytische Modell des akteurzentrierten Institutionalismus .................. 101

17: Institutionelle Ordnung - Gefangenendilemma ............................................. 102

18: Problemdimensionen und Fallstricke von Netzwerken ................................. 122

19: Spezifische Kosten von Netzwerkarrangements ............................................ 125

20: Regional Governance- Stgrken und Schw~chen .......................................... 128

21: Paradigmen in der Regionalentwicklung ....................................................... 129

22: Bandbreite und Kompatibilitgt regionalwirtschaftlicher Ansgtze .................. 133

III Governance von Tourismus-Destinationen

Abbildung 23: Tourismus als System .................................................................................... 146

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24: Wirkungen des Tourismus auf verschiedene Umweltbereiche ...................... 151

25: Einflt~sse auf den Tourismusmarkt ................................................................ 155

26: Optimierte Dienstleistungskette einer touristischen Destination ................... 157

27: Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf'~higen Destination ....................... 160

28: Wertsystem am Beispiel der Tourismusindustrie .......................................... 162

29: Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsf~ihigkeit von Destinationen ............ 166

30: Akteure in Tourismus-Destinationen ............................................................. 168

31: Merkmale von Klein-, Mittel- und Gro6betrieben im tertifiren Sektor .......... 170

32: Interessengruppen im Tourismus ................................................................... 172

33: Interessengruppen in der Tourismus-Destination .......................................... 173

34: Organisatorische St~rke und Beeinflussungskraft von Interessengruppen .... 174

35: Die Tourismus-Destination als virtuelles Dienstleistungsunternehmen ........ 177

36: Strukturmuster und Koordinationsmechanismen ........................................... 179

XV

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Abbildung 37: Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen ......... 189

Abbildung 38: Destinations-Modell als Governance-Grundlage ........................................... 197

Abbildung 39: Governance-Modell einer Tourismus-Destination ......................................... 198

Abbildung 40: Merkmale regionaler Kooperation ................................................................. 203

Abbildung 41: Netzwerkpool und Aktivierung von Netzwerken .......................................... 217

Abbildung 42: Vor- und Nachteile integrierter und unabh/~ngiger Managementeinheiten .... 220

Abbildung 43: Steuerungsebenen und deren Funktionen im Govemance-Modell ................ 230

IV Empirische Untersuchung Abbildung 44: Stichprobe ...................................................................................................... 235

Abbildung 45:

Abbildung 46:

Abbildung 47:

Abbildung 48:

Abbildung 49:

Abbildung 50:

Abbildung 51:

Abbildung 52:

Abbildung 53:

Abbildung 54:

Abbildung 55:

Abbildung 56:

Abbildung 57:

Abbildung 58:

Abbildung 59:

Abbildung 60:

Abbildung 61:

Abbildung 62:

Abbildung 63:

Abbildung 64:

Abbildung 65:

Abbildung 66:

Abbildung 67:

Abbildung 68:

Abbildung 69:

Abbildung 70:

Abbildung 71:

Abbildung 72:

Abbildung 73:

Abbildung 74:

Abbildung 75:

Abbildung 76:

Abbildung 77:

Abbildung 78:

Riicklauf nach Akteurgruppen ....................................................................... 238

Gruppierung der Akteurgruppen .................................................................... 239

Einbindung der Akteure in Kooperationen .................................................... 240

Kooperative Handlungsorientierung- Vergleich zwischen Akteurgruppen. 240

Funktion der Tourismusorganisation- Vergleich zwischen Regionen ......... 241

Funktion der Tourismusorganisation- Vergleich zwischen Akteurgruppen 241

Einfluss von Akteurgruppen - Vergleich zwischen Regionen ...................... 242

Einfluss von Akteurgruppen- Vergleich zwischen Akteurgruppen ............. 243

Verteilung des Einflusses ............................................................................... 243

Verteilung des Einflusses - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................. 244

Einsatz von Steuerungsmedien - Vergleich zwischen Regionen .................. 244

Einsatz von Steuerungsmedien - Vergleich zwischen Akteurgruppen ......... 245

Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung .............................................. 246

Interaktionsformen- Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 247

Einfluss der Interaktionsformen auf die nachhaltige Entwicklung ................ 247

Einfluss der Interaktionsformen auf den Raumbezug .................................... 248

Interessenkonflikte- Vergleich zwischen Regionen ..................................... 249

Interessenkonflikte - Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 250

Gemeinsames Vorgehen ................................................................................ 251

Gemeinsames Vorgehen- Vergleiche zwischen Akteurgruppen .................. 251

Rolle der 6ffentlichen Hand ........................................................................... 252

Eingriff der 6ffentlichen Hand - Vergleich zwischen Akteurgruppen .......... 253

Netzwerke ...................................................................................................... 253

Netzwerke- Test der Homogenit~it der Varianzen ........................................ 254

Netzwerke - Vergleiche zwischen Akteurgruppen- Mittelwertvergleiche .. 255

Netzwerke - Multipler Mittelwertvergleich zwischen Akteurgruppen ......... 256

Netzwerke - Vergleich zwischen Akteurgruppen ......................................... 256

Netzwerkprobleme ......................................................................................... 257

Netzwerkprobleme - Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 258

Bewertung von Erfolgsfaktoren ..................................................................... 259

Erfolgsfaktoren - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................................. 259

Regressionsanalyse Wettbewerbsf'~ihigkeit .................................................... 260

Regressionsanalyse Unternehmertum ............................................................ 261

Regressionsanalyse Kooperation/Netzwerkbildung ...................................... 261

XVI

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Abbildung 79: Regressionsanalyse Einzigartigkeit ................................................................ 262

Abbildung 80: Bereiche der Governance ............................................................................... 263

Abbildung 81: Bereiche der Governance - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................. 264

Abbildung 82: Management touristischer Gebiete ................................................................. 265

Abbildung 83: Management touristischer Gebiete - Vergleich zwischen Regionen ............. 265

Abbildung 84: Management touristischer Gebiete - Vergleich zwischen Akteurgruppen .... 266

Abbildung 85: Akteure der Governance ................................................................................ 267

Abbildung 86: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen ............................ 268

Abbildung 87: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen ............................ 269

Abbildung 88: Ansatzpunkte im Governance-Modell der untersuchten Regionen ............... 274

XVII

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1. EinfOhrung

Lokale und regionale R~iume haben trotz Globalisierung nicht an Bedeutung verloren. Sie sind die Basis der Wettbewerbsf'~ihigkeit der in ihnen agierenden Akteure. In R~iumen verdichten sich wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivit~iten. R~iume sind somit ein gestaltbares Handlungsumfeld, welches von sozialen und institutionellen Bindungen zwischen den Akteuren profitiert. Damit die territoriale Einbindung zur Wettbewerbsf~ihigkeit und zur Positionierung der Akteure beitragen kann und die Aussch6pfung von endogenen Potentialen m6glich ist, muss die Entwicklung von R~iumen gelenkt werden. Diese Arbeit besch~iftigt sich mit der Governance von rfiumlichen Wettbewerbseinheiten und im Speziellen von Tourismus- Destinationen.

Teil I befasst sich mit Governance im Allgemeinen. Diese wird definiert als das Zusammen- spiel verschiedener Steuerungsformen, als ein neues Arrangement von Steuerung und Selbstorganisation, wobei den Funktionen der Institutionen eine besondere Rolle eingediumt wird. Analytischer Hintergrund ist die politische Steuerungstheorie, welche der gesellschaft- lichen Steuerung zugeordnet ist. Der Steuerungsbegriff wird handlungstheoretisch aufgebaut, wobei Steuerung als komplexer Prozess verstanden wird, der mit transintentionalen Folgen verbunden sein kann. Steuerbarkeit und Steuemngsf'~ihigkeit werden gmnds~itzlich bejaht. Diskutiert werden die Koordinationsverfahren Anpassung, Verhandlung, Mehrheits- entscheidung und hierarchische Entscheidung sowie die Strukturmuster Markt, Hierarchie und intermedi~ire Formen. Die anschliel3ende Analyse verschiedener Stmkturalternativen basiert auf dem Governancekostenansatz. Dieser Teil n~ihert sich dem Ph~inomen Governance, stellt die verschiedenen Governance-Elemente dar und bildet somit den theoretischen Hintergmnd der Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten.

Teil II besch~iftigt sich mit der Governance von diumlichen, regionalen Wettbewerbs- einheiten. Die Diskussion der Gmndqualit~iten des Raumes zeigt die Besonderheiten und die gesellschaftliche Bedeutung des Raumes auf. Als Untersuchungsgegenstand wird die Region festgelegt, wobei eine Definition erfolgt und die M6glichkeiten der Abgrenzung diskutiert werden. Wesentlich ist in einem weiteren Schritt die Verbindung der allgemeinen Ausftihmngen zur Governance mit dem gew~ihlten Regionsbegriff. Regional Governance wird definiert als Koordinierung und Steuerung regionaler Prozesse in komplexen Strukturen. Dabei wirken unterschiedliche Akteure und Steuerungsformen zusammen. Als analytische Basis dient der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, der das kollektive Zusammenspiel yon Akteuren in ihrer situativen und institutionellen Einbindung zum Gegenstand hat. Die Abgrenzung des Regional-Governance-Ansatzes zu anderen regional- wirtschaftlichen Ans~itzen hilft zur Einordnung des Ansatzes in die bestehende Literatur und zeigt zudem die Bedeutung des Ansatzes auf. Die ausfiihrliche Diskussion der Netzwerke als grundlegendes Strukturmuster yon Niumlichen Wettbewerbseinheiten schliegt diesen Teil der Arbeit ab.

Teil Ill setzt sich mit der Governance von Tourismus-Destinationen auseinander. Destinationen werden als r~iumliche regionale Wettbewerbseinheiten definiert. Bevor die Erkenntnisse des Regional-Governance-Ansatzes auf Destinationen umgelegt und spezifiziert werden, wird die Destination allgemein als Teil des Tourismussystems betrachtet und werden die wesentlichen Faktoren der Wettbewerbsf~ihigkeit aufgezeigt. In Anlehnung an Teil II der

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Arbeit erfolgt die Untersuchung der Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus- Destinationen. Die Ergebnisse bilden die Grundlage der Entwicklung eines allgemeinen Governance-Modells, welches die verschiedenen Steuerungsebenen einer Tourismus- Destination sowie deren Integration verdeutlicht. Jede Ebene umfasst verschiedene Akteure, Funktionen und dominante Koordinationsformen. Die Diskussion dieser Elemente und deren Zusammenspiel verdeutlicht die Funktionsweise des Modells.

Teil IV umfasst die empirische Untersuchung. In einer Befragung von unterschiedlichen Akteuren in drei verschiedenen Regionen werden die wesentlichen Elemente des entwickelten Governance-Modells und deren Zusammenh~nge t~berprfift und ffir die untersuchten Gebiete konkretisiert. Diskutiert werden dabei die Bestimmungsfaktoren der Governance wie institutioneller Kontext, Handlungsorientierung, Akteurkonstellation oder Interaktionsformen der Entscheidungsfindung und erg~nzend die wesentlichen Bereiche der Governance. Die Obertragung der Ergebnisse in das entwickelte Modell zeigt die derzeitige Situation in den untersuchten Gebieten auf und weist auf wesentliche Ansatzpunkte ffir die Zukunft hin.

Schlussfolgerungen und Ausblick stellen Teil V der Arbeit dar. Insgesamt wird deutlich, dass die Governance einer Tourismus-Destination, welche eine wettbewerbsffihige Entwicklung erm6glichen und unterstfitzen soll, auf der flexiblen Integration verschiedener Steuerungs- formen und-instrumente basiert.

2. Zielsetzungen

Governance umschreibt Ver~nderungen in der Steuerungsdiskussion. Es dominieren nicht interventionistisches Handeln oder andere Steuerungsformen, sondern im Mittelpunkt steht das Zusammenspiel verschiedener Modi der Handlungskoordination. Das Ziel der Arbeit ist die Untersuchung der Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten und das Aufzeigen von Ansatzpunkten f~r eine wettbewerbsffihige Entwicklung. Dabei werden verschiedene weitere Ziele verfolgt:

- Untersuchung der theoretischen Fundierung des Governance-Themas unter Ein- beziehung verschiedener Theorien und Ans~tze;

- Diskussion der Elemente der Governance, deren Potentiale und Gefahren sowie der Funktionsweise ihres Zusammenspiels;

- Aufzeigen der Besonderheiten der Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten auf regionaler Ebene;

- Erarbeitung der Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen als Spezialfall r~umlicher Wettbewerbseinheiten;

- Kombination der diskutierten Struktur- und Koordinationsformen zu einem Modell der Governance von Tourismus-Destinationen, welches grunds~tzlich auf unter- schiedliche Destinationen t~bertragen werden kann;

- Diskussion der Integration der verschiedenen Steuerungsebenen im Modell;

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- Durchf't~hrung einer empirischen Untersuchung zum detaillierten Aufzeigen der

Bestimmungsfaktoren der Governance und der Auspr~igung der Steuerungsebenen im

Governance-Modell in ausgew~ihlten Regionen.

Die gew~ihlte Herangehensweise erlaubt die Auseinandersetzung mit der Governance sozialer

Systeme abseits von Steuerungspessimismus und Machbarkeitsglaube. Insgesamt wird ein

Verstgndnis der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten entwickelt sowie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Steuerungsformen und -mechanismen in regionalen

touristischen Rgumen aufgezeigt.

3. Analytischer Hintergrund

Governance profitiert vom Forschungsfeld der gesellschaftlichen Steuerung. Zur Analyse von Governance kann auf die politische Steuerungstheorie zurfickgegriffen werden. 1 Die politische Steuerungstheorie ist wesentlicher Teil der Steuerungsdiskussion und Voraussetzung, Governance-Begriffen und Diskussionen einen analytischen Rahmen zu geben. Govemance-Konzepte stellen dabei keine Weiterentwicklung der Steuerungstheorie dar, sondern einen Perspektivenwechsel. Steuerungstheorie und Govemance-Ansgtze nehmen gegenseitig Bezug und verhalten sich komplement~ir zueinander. ,,Governance [schliegt] an die Steuerungsdiskussion insofern an, als die vergnderten Interaktionsformen 6ffentlich- privater Konfiguration neu betrachtet werden k6nnen. ''2

Aufbauend auf die politische Steuerungstheorie wird in dieser Arbeit auf den Ansatz des ,akteurzentrierten Institutionalismus' von Mayntz und Scharpf zurfickgegriffen. 3 Der Grund liegt zum einen darin, dass im akteurzentrierten lnstitutionalismus die Beziehung und Verbindung zwischen Steuerungstheorie und Govemance-Entwicklung aufgearbeitet wird. Zum anderen eignet sich der akteurzentrierte Institutionalismus als analytische Basis des Regional-Govemance-Ansatzes, der dazu beitr~gt, die Governance von touristischen Destinationen als r~umliche Wettbewerbseinheiten zu untersuchen. 4 Ziel ist die Analyse des Zusammenspiels von Steuerungsformen und -mechanismen bzw. von verschiedenen Formen der Handlungskoordination in definierten geographischen Rgumen. Zus~itzlich wird der Govemancekostenansatz (in weiten Teilen der Literatur als Transaktionskostentheorie bezeichnet) der Neuen Institutionen6konomik herangezogen, um Govemance-Formen hinsichtlich ihrer Effizienz und Kosten zu untersuchen. Die verwendeten Ans~itze werden der institutionellen Denkweise, die den Governance-Konzepten zugrunde liegt, gerecht.

1 Vgl. Ft~rst, D., Regional Governance, 2001, S. 2 f.; Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16.

2 Botzem, S., Govemance-Ansgtze in der Steuerungsdiskussion, 2002, S. 15. 3 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39 ff. 4 Vgl. NOlting, B., Akteurzentrierter Institutionalismus und institutionelle Steuerung, 2004, S. 21; Benz, A. &

Ffirst, D., Region - Regional Governance - Regionalentwicklung, 2003, S. 34 ff.; Ffirst, D., Regional Governance, 2001, S. 3.

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3.1 Exkurs: Politische und wirtschaftliche Steueru ngsd iskussion

Die moderne politische Steuerung besch~iftigt sich mit der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung und analysiert die Interferenz zwischen autoritativen Interventionen, Verhandlungsprozessen zwischen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren, Selbstorganisation, Marktprozessen und spontaner Strukturbildung. Wesentlich ist das Umfeld, in welchem verschiedene Probleme bearbeitet werden. Ein zugrunde liegendes territoriales Ordnungsprinzip verlangt die Berficksichtigung der Akteurkonstellation sowie die Einbindung aller Branchen und Akteure. Zentrale Themen sind die Steuemngsf~ihigkeit und die Steuerbarkeit von gesellschaftlichen Prozessen und territorialer Entwicklung sowie die Integration verschiedener Steuerungsformen unter besonderer Berticksichtung der Netzwerke. Diskutiert werden die f'tir Verhandlungssysteme und Netzwerke charakteristischen Probleme wie die Handlungs- und Entscheidungsf~ihigkeit der durch Kooperation und r~iumliche N~ihe verbundenen Akteure, wobei 6ffentlichen Institutionen und der Qualit~it der in derartigen Strukturen erzielten Ergebnisse besonderes Augenmerk geschenkt wird. 5

Der Blickwinkel der wirtschaftlichen Steuerung hingegen ist ein strategischer: Die Bestimmung und Erreichung von diversen Zielen wie Wettbewerbsf~ihigkeit stehen im Vordergrund, wobei funktionale Ordnungsprinzipien diskutiert werden. Die wirtschaftliche Steuerung beschgftigt sich weniger mit territorialen R~iumen, zum Beispiel die Region als 6konomische Einheit, sondern vielmehr mit der einzelnen Unternehmung und deren Steuerung. Vor allem die Corporate Governance steht im Blickfeld. Es geht um die funktional zweckmaBige Strukturierung der Unternehmensspitze und um die Balance zwischen Kompetenz, Kontrolle und Verantwortung. ,,Das Unternehmen ist aus dieser Sicht nicht Gegenstand eines Bt~ndels von Interessengruppen, sondern eine eigenst~indige institutionelle Einheit, n~mlich der Grundtypus des produktiven Organs einer entwickelten Gesellschafl. ''6

In dieser Arbeit geht es um die Governance von rgumlichen Wettbewerbseinheiten, die sich, was die Gegentiberstellung zeigt, vor allem an die politische Steuerung anlehnt. Die Ergebnisse und Ziele der Governance basieren zum Teil auch auf der wirtschafllichen Steuerungsdiskussion.

5 Vgl. Mayntz, R., Politische Steuerung, 1997, S. 285 f. 6 Malik, F., Die Neue Corporate Governance, 2002, S. 34.

4

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I Governance

1. Def ini t ion

Der Begriff ,Governance' wird mit verschiedenen Adjektiven gekoppelt - Corporate Governance, Public Governance, Regional Governance, Urban Governance, Cultural Governance u s w . - und hat in mehreren Disziplinen Eingang gefunden. Der Begriff wird in

verschiedenen wirtschaftlichen, politischen und r~iumlichen Bezfigen gebraucht. 7 Governance wird seit dem 14. Jahrhundert in der englischen Sprache als Regierungshandeln verstanden und ist mit ,to govern' und ,goverment' verwandt. In der deutschsprachigen Steuerungs- diskussion hingegen ist der Begriff relativ neu. In die Sozialwissenschaften hat der Begriff Governance von drei verschiedenen Seiten Eingang gefunden:8 Zum einen in der Diskussion um intemationale Entwicklungsprozesse, weiters fiber soziologische Untersuchungen der amerikanischen Wirtschaft und schlieBlich tiber die Corporate Governance Diskussion. Letzte war f't~r die Verbreitung des Begriffs Governance wesentlich.

Ursprfinglich gewann der Governance-Begriff, der dann in die Steuerungsdiskussion aufgenommen wurde, Verbreitung im Rahmen der 6konomischen Transaktionskosten- theorie. 9 Der Begriff wurde dann in die Wirtschaftswissenschaften fibemommen, wo er durch weitere M6glichkeiten der Koordination erg/~nzt wurde, bis er schlieBlich alle wesentlichen Formen der Handlungskoordination umfasste. Den heutigen und auch in dieser Arbeit gebrauchten Govemance-Begriff pr~igen Regelungsstrukturen und deren Wirkung auf das Handeln der Akteure. Aufgrund dieser Entwicklung liegt dieser Governance-Perspektive eine institutionalistische Denkweise zu Grunde. 1~ Govemance, ffir sich alleine stehend, wird meist sehr allgemein definiert.

,,Grunds/~tzlich umschreibt der Begriff Governance die an sich banale Tatsache, dass die Entwicklung eines Unternehmens oder eines Raumes nicht ausschlieBlich hierarchisch von einer abgeschlossenen Akteursgruppe gesteuert wird, sondern immer im Zusammen- spiel vieler Akteure mit unterschiedlichen Interessen und ,Entscheidungslogiken' geschieht." l

Diese Aussage lehnt, wie sehr viele andere auch, an eine h~iufig zitierte und allgemein anerkannte Definition der Stiftung Entwicklung und Frieden an:

,,Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie 6ffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder unter- schiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Handeln initiiert werden kann. Der Begriff umfasst sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht

7 Vgl. Frey, R.L., Regional Governance, 2002, S. 2; Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16; Nischwitz, G. et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 3.

8 Vgl. Botzem, S., Governance-Ans~itze in der Steuerungsdiskussion, 2002, S. 16. 9 Vgl. Williamson, O.E., Transaction-Cost Economics, 1979, S. 233 ff. ~0 Vgl. Mayntz, R., Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, 2004, S. 5. I1 Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16.

5

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versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als im eigenen Interesse angesehen werden. ''~2

Diese Definition ist umfassend und eignet sich gut, den komplexen Begriff Governance einzufangen. Laut Nischwitz et al. umfasst Governance institutionelle und gesellschaftliche Strukturen, Politiken, Entscheidungsprozesse, formelle und informelle Regelungen. Governance ist ein Instrument, das far eine Verkntipfung der drei zentralen Steuerungsformen Hierarchie, Markt und Netzwerke steht: ,,Governance ... [ist] ein integrativer Begriff zur Beschreibung des Zusammenwirkens neuer Steuerungselemente und -module auf verschiedenen (r~iumlichen) Ebenen. ''13 Auch Ftirst verfeinert die allgemeinen Aussagen,

indem er Governance als ,,Prozesssteuerung far kollektives Handeln" sieht, bei dem ,,die Akteure/Organisationen so miteinander verbunden und im Handeln koordiniert werden, dass gemeinsam gehaltene oder gar entwickelte Ziele wirkungsvoll verfolgt werden k6nnen. ''14 Die doch sehr ~ihnlichen und die sich teilweise erg~inzenden Definitionen haben einen grogen gemeinsamen Nenner: die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Macht, Entscheidung und Partizipation. Governance umfasst somit mehr als Steuerung in einem eng definierten Sinn: Es geht um das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsformen von der Selbstorganisation bis hin zur einseitigen hierarchischen Steuerung, um die Abbildung der Ver~indemngen von Koordinations- und Steuerungskonfigurationen und um die Verkntipfung verschiedener Steuerungsmedien. 15

,,Aus einer generalisierten Steuerungs- und Regelungsperspektive im Sinne von Governance ist ein breites Spektrum von Mechanismen denkbar, angefangen bei dem erw~ihnten singul~ir-hierarchischen Schema, tiber komplexe und heterogene Steuerungs- systeme, in denen vielz~ihlige eigenstandige Steuerungssubjekte tiber ebenso vielf~iltige Koordinationsmechanismen und RessourcenflOsse ineinandergreifen und zusammen- wirken bis hin zum atomistischen Markt als Extrempunkt dezentraler Steuerung. ''16

Bevor auf die einzelnen Elemente der Governance eingegangen wird, soil zun~ichst die politische Steuerungstheorie als analytischer Hintergrund dargestellt werden.

2. Die politische Steuerungstheorie

,,Das Projekt der Moderne ruht auf den beiden grundlegenden Annahmen vonder Verstehbarkeit und der Gestaltbarkeit (oder Steuerbarkeit) der sozialen Welt. [...] Die Krisen der Moderne sind Zeiten, in denen sowohl die Verstehbarkeit als auch die Gestaltbarkeit heftig bezweifelt werden. ''17

Der Begriff ,Steuerung' l~isst sich ursprtinglich auf eine der ~iltesten Metaphern des abend- l~indischen Denkens zurtickfahren: das Steuern eines Schiffes auf hoher See. Von der Kunst

12 Stiftung Entwicklung und Frieden, Nachbarn in Einer Welt, 1995, S. 4. 13 Nischwitz, G. et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 29. 14 Ftirst, D., Regional Governance, 2001, S. 2. 15 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren, 1995, S. 16. 16 Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 10. z7 Wagner, P., Soziologie der Moderne, 1995, S. 254.

6

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und dem Wissen des Steuermannes (kybern6t6s) hingen das Schicksal des Schiffes und der Besatzung ab. Der heutige Steuerungsbegriff stammt aus der Regelungstheorie und aus der Kybernetik. Die sozialwissenschaftliche Steuerungstheorie setzt sich mit der Steuerbarkeit und der Steuemngsf~higkeit als auch mit ihrem Verh~ltnis auseinander. ~8 In den 60er und

70er Jahren herrschte Planungs- und Steuerungsoptimismus, das Begriffsverst~ndnis war

kausal: das Steuerungsobjekt ist in einem Ursache- und Wirkungszusammenhang an das

Steuerungssubjekt gebunden, welches zur Erreichung eines Steuerungszieles adfiquate Instrumente einsetzt. Seit Mitte der 70er Jahre breitete sich Planungsenttfiuschung aus, die zu wesentlich bescheideren Erwartungen ffihrte. 19

Seit den 80er Jahren ist vor allem die deutsche steuerungstheoretische Diskussion durch differenzierungstheoretische Uberlegungen beeinflusst worden. 2~ Nach dem Zerbrechen feudaler Gesellschaftsstrukturen in Mitteleuropa ffihrte die Entwicklung zu zunehmender gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die schlief31ich zur funktionalen Differenzierung gesellschaftlicher Teilbereiche ffihrte, was eine Ver~nderung der Machtverteilung bewirkte. 2~ ,,Im Zentrum dieser ganzen gesellschaftlichen Transformation stehen Schfibe wachsender Spezialisierung oder Differenzierung aller gesellschaftlichen Bet~tigungen, und die entsprechenden Schfibe der spezialisierten Integrierung, die zeitlich oft hintereinander zurfickbleiben. ''22 Aufgrund dieser Entwicklung ist die moderne Gesellschaft charakterisiert durch eine hohe interne Komplexit~t der Teilbereiche und komplexen Beziehungen und Verflechtungen zwischen diesen Teilen. ,,Die funktionale Ausdifferenzierung von Gesellschaften, die Herausbildung einer steigenden Anzahl leistungsf~higer Akteure und damit einhergehende Komplexit~tssteigemngen sind Ausdruck und Bedingung von Modemisierung. ''23 Beispiele ffir funktional ausdifferenzierte Teilsysteme sind Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Kunst oder Religion. Diese Entwicklung konstituiert das Steuerungsproblem der modernen Gesellschaft.

,,Das Auseinanderfallen der Gesellschaft in funktional spezialisierte Teilbereiche - die ,gesellschaftliche Arbeitsteilung' - f't~hrt einerseits zu wachsenden Interdependenzen zwischen den Teilen, andererseits zur zunehmenden Ausbildung von Teilrationalit~ten, widersprfichlichen Subsystemzielen, unterschiedlichen Binnenmoralen, spezifischer Indifferenzen und unterschiedlichen Steuerungsmedien. ''24

Die Komplexit~t in und zwischen den gesellschaftlichen Teilbereichen erh6hte dabei einerseits den Steuerungsbedarf, stellte aber andererseits die Steuerungskapazit~ten der traditionellen Instrumente in Frage. Dieses wachsende Steuerungsproblem und die often- sichtlich nur begrenzte Steuemngsfahigkeit von sozialen Systemen war (ist) Gegenstand sowohl sozialwissenschaftlicher als auch politischer Diskussion und Auseinandersetzung und ffihrte schlieSlich zu zwei verschiedenen Paradigmen, welche die Fragen nach der Steuer- barkeit und Steuemngsf'ahigkeit unterschiedlich beantworten. Der handlungstheoretische

is Vgl. BuBhoff, H., Politische Steuerung, 1992, S. 7. ~9 Vgl. Druwe U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse, 1992, S. 147 f. 2o Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur, 2000, S. 99. 2~ Vgl. Elias, N., Soziologie, 1996, S. 72; Luhmann, N., Funktionale Differenzierung, 1994, S. 34 f.; Willke, H.,

Systemtheorie, 1991, S. 181; Mayntz, R., Funktionelle Yeilsysteme, 1988, S. 38 ff. 22 Elias, N., Soziologie, 1996, S. 72. 23 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 73. 24 Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 146.

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Ansatz geht von dependenten Aktionsgefagen und Interventionschancen aus, w~ihrend der

systemtheoretische Ansatz besagt, dass Steuerung nur in Form der Selbststeuerung geschehen

kann. 25 Beide Entwicklungsstr~inge der Steuerungstheorie sind beeinflusst von den differenzierungstheoretischen Herausforderungen. Nachfolgend werden sie vorgestellt.

2.1 Der akteur theoret ische Ansatz

Der akteurtheoretische Ansatz in der Steuerungsdebatte baut auf dem Akteur als Handlungs- einheit auf. Soziale Ph~inomene sind das Resultat des Handelns und Verhaltens von Akteuren. 26 ,,Sozialit~it ... besteht aus dem Zusammenhang von Handlungen, Handlungs- wirkungen und Handlungsbedingungen. ''27 Handlungstheoretische Ans~itze verstehen Gesellschaft in erster Linie als Aggregation von Handlungen und entsprechend wird die Gesellschaft nicht als eigene Ebene oder als emergente Einheit diskutiert. 28

2.1.1 Soziales Handeln

Die Definitionen von ,Handeln' und darauf aufbauend von ,Sozialem Handeln' und ,Sozialen Beziehungen' werden in Anlehnung an Max Weber dargestellt. Weber definiert Handeln als ,,menschliches Verhalten .... wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ''29 Handeln ist eine Sonderform von Verhalten und kann das Handeln eines anderen Menschen hervorrufen. Verhalten sich viele Menschen gleich, so kann dies soziale Wirkungen begranden, wie das aufbauen, erhalten oder ver~indem sozialer Strukturen. 3~ Webers Verst~indnis von Handeln ist Ausgangspunkt for seine Definition sozialen Handelns: ,,Handeln .... welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. ''3~ Der Handelnde nimmt andere Akteure und deren Verhalten in seine Handlungsmotive auf. Er vergegenw~irtigt sich, ob andere Menschen durch sein Tun betroffen sind. Wechsel- seitiges soziales Handeln, das eine motivationale Verschr~inkung der beteiligten Menschen bewirkt, konstituiert eine soziale Beziehung: ,,ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegen- seitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer. ''32

25 Vgl. Druwe, U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse, 1992, S. 143. 26 Vgl. Etzrodt, Ch., Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien, 2003, S. 9. 27 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 9. 28 Vgl. Mt~nch, R., Handlungstheorie, 2003, S. 10. 29 Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 1. 3o Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 24. 3~ Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 1. 32 Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 13.

8

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2.1.2 Akteurmodelle

Wieso handelt jemand in einer bestimmten Situation auf eine ganz bestimmte Weise und nicht

anders? Eine Handlungssituation wird beeinflusst yon verschiedenen Variablen wie

Erwartungen, Sitten, Koalitionen, Konkurrenzverh~iltnisse, Wissen oder Wertorientierungen.

,,Jede soziale Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass ... Strukturelemente in jeweils

spezifischen Auspr~igungen die M6glichkeiten eines Handelnden teils beschr~inken, teils

erweitern. ''33 Da allgemeine Gesetzesaussagen fiber Handlungsentscheidungen aufgrund der

Komplexit~it der Variablen nicht m6glich sind, kann eine allgemeine Theorie zur Erkl~irung der ,Logik der Situation '34 nicht gelingen. Schimank erkl~irt, dass einzig eine hochgradig

selektive Betrachtung einiger weniger Strukturelemente, denen man in Handlungssituationen

einen kausalen Einfluss beimisst, m6glich ist. Anders sieht es jedoch aus, wenn man sich mit

der ,Logik der Selektion '35 besch~iftigt: Wie w~ihlen Handelnde eine verf'tigbare Alternative

(die sie dann auch tats~ichlich ausftihren), wenn der Alternativenraum strukturell bestimmt ist?

Generelle theoretische Modelle, so genannte Akteurmodelle, geben Antwort auf diese Frage.

Im Wesentlichen gibt es vier Modelle: den Homo Oeconomicus, den Homo Sociologicus, den

Emotional Man und den Identit~itsbehaupter. Nachfolgend werden sie vorgestellt. 36

Homo Oeconomicus

Die anthropologische Fundierung des Homo Oeconomicus ist die Zielverfolgung. Menschen

handeln nicht (immer) instinktm~igig, sondern setzen sich bewusst Handlungsziele. Marz

vergleicht prototypisches Handeln mit den tierartig instinktm~if3igen Formen der Arbeit:

,,Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ~ihneln, und eine Biene besch~imt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dal3 er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell, vorhanden war. Nicht dab er nur eine Formver~inderung des Nattirlichen bewirkt; er verwirklicht im Nattirlichen zugleich seinen Zweck, den er weir3, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen mul~. ''37

Die weiteren Merkmale spezifizieren, wie der Homo Oeconomicus seine Ziele verfolgt: Er

trifft seine Wahl nutzenorientiert, wobei er bei begrenzten Ressourcen jenes Handlungsziel

33 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 19. 34 Die Logik der Situation ergibt sich aus dem Umstand, dass gesellschaftliche Ph~inomene nicht nur einen

objektiven Charakter haben, sondern ftir die individuellen Akteure auch eine subjektive Bedeutung. Menschen interpretieren eine Situation, in der sie sich befinden, unabh~ingig davon, ob ihre Sichtweise realistisch ist oder auf verzerrter Wahrnehmung bzw. Einsch~itzung beruht (vgl. Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 15 ff.; Esser, H., Soziologie, 1993, S. 94).

35 Die Logik der Selektion erkl~irt das individuelle Handeln. Gesucht wird nach einer Handlungstheorie, die er- kl~irt, warum Akteure eine bestimmte Alternative unter gegebenen Umst~inden w~ihlen. Eine solche Handlungstheorie stellt einen kausalen Mechanismus dar, der die Logik der Situation und das Handeln der Akteure verbindet (vgl. Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 16; Esser, H., Soziologie, 1993, S. 94 ff.).

36 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 20 ff. 37 Marz, K., Das Kapital, 1867, S. 192 f. zitiert nach Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 73.

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verfolgt, welches seinen Nutzen maximiert. Die meisten Handlungsziele sind durch einen abnehmenden Grenznutzen 38 gekennzeichnet. Dies hat zur Folge, dass der Akteur seine Ziele

ver~indert. Der Homo Oeconomicus berticksichtigt bei der Wahl eines bestimmten Handelns jedoch nicht nur den absoluten Nutzen, sondern auch die damit verbundenen Opportunit~its- kosten 39. Die Kosten-Nutzen-Kalkulationen des Homo Oeconomicus beruhen auf subjektiven Erwartungen und Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wirkungen einer in Betracht gezogenen Handlungsalternative eintreten. Dabei tendieren die Akteure dazu, Handlungs- wirkungen umso geringer einzustufen, je weiter in der Zukunft deren Eintreten erwartet wird.

Grundlegendes Prinzip des Homo Oeconomicus Modells ist das Rationalit~itsprinzip. ,,Das Rationalit~itsprinzip besagt, dag das Individuum unter Anwendung des Kosten-Nutzen- Kalkfils seine Handlungsm6glichkeiten bewertet, um sich dann gem~ig dem relativen Vorteil zu entscheiden. ''4~ Wenn Rationalit~it, sprich Effizienz und Effektivit~it, in der Mittelwahl mit der nutzenorientierten Zielverfolgung zusammenf~illt, 41 ergibt sich ein umfassendes Bild des Homo Oeconomicus: Sein Handeln ist eine ,rational choice'. Insgesamt soll das angepeilte Ziel m6glichst weitgehend und mit m6glichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden. Der Homo Oeconomicus i s t - ebenso wie der Homo Sociologicus- auf das Handeln von individuellen, kollektiven und korporativen Akteuren anwendbar. 42 Insgesamt ist der Homo Oeconomicus nicht ohne Kritik geblieben. Ein Einwand besagt, dass Akteure nur begrenzt rational sind. Begrenzte Rationalit~it manifestiert sich auf verschiedene Weise: Akteure versuchen Entscheidungen hinauszuz6gern und verfiigen grunds~itzlich nicht ~iber eine voll- st~indige Kriterienliste, anhand welcher sie Entscheidungen f~illen. Zudem bemahen sie sich nicht, die verfiigbaren Entscheidungsalternativen vollst~indig zu erfassen, sondern begrenzen ihre Suche meist auf Bekanntes oder stellen Vergleiche mit ~ihnlichen Anl~issen an. Sobald eine Alternative einigermagen zufrieden stellend erscheint, wird die Suche abgebrochen. Die Ursachen dieses Verhaltens sind darin zu sehen, dass Rationalit~it zeit-, informations- und konsensaufwendig ist.

Ein weiterer Einwand gegen den Homo Oeconomicus sind die Routinen der Nutzen- verfolgung - ein Einwand, welcher in gewisser Weise eine Radikalisierung der Oberlegungen zu den Rationalit~itsbegrenzungen darstellt. Es kommt vor, dass Akteure starre Handlungs- folgen ausffihren, die sich als individuelle oder kollektive Routinen habitualisiert haben. Habitualisierung bedeutet, dass der Beobachtungs- und Reflexionsaufwand reduziert wird. In diesem Zusammenhang ist auch das so genannte ,Lob der Routine' zu erw~ihnen: Routine fahrt zwar nur selten zum besten Ergebnis, fiihrt aber in der Regel ohne gro~en Aufwand zu brauchbaren Resultaten. Ein dritter Einwand besagt, dass das Modell des Homo Oeconomicus Handeln nur in so genannten Hochkostensituationen erkl~iren kann. 43 Eine Hochkosten-

situation ist im Gegensatz zu einer Niedrigkostensituation dadurch gekennzeichnet, dass far den Akteur subjektiv sehr viel auf dem Spiel steht. Der Akteur verspt~rt einen Druck, sich

38 Der zus~itzliche Nutzen einer immer weiter getriebenen Zielverfolgung (zum Beispiel wiederholter Konsum eines bestimmten Produktes) wird immer geringer (vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 61 ff.).

39 Wert alternativer Zielverfolgungen (vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 22). 40 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 4. 41 ,,Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert" (Weber, M.,

Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 13). 42 Vgl. Oberindividuelle Akteure und kollektive Handlungsf~ihigkeit, Teil I-2.1.3. 43 Vgl. Zintl, R., Homo Oeconomicus, 1989, S. 52 f.

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rational (als Homo Oeconomicus) zu verhalten und sich anzustrengen, da er durch sein

Handeln einen groBen Nutzen realisieren oder groBe Kosten vermeiden k a n n - wenn er das

Richtige tut. Eine andere Kritik am Homo Oeconomicus betrifft nicht mehr eine Rationalitgts-

einschrgnkung sondern eine Rationalitgtsfiktion. 44 So kann zum Beispiel kultureller Druck zu

rationalen Entscheidungen durch Rationalit~itsfiktion ausgeglichen werden. Ein weiterer

Einwand bezieht sich auf die Frage, wie die Akteure zu ihren Vorstellungen tiber Nutzen

gelangen - eine Frage, die von vielen Rational-Choice-Analysen nicht auf befriedigende

Weise beantwortet werden kann.

Die Auseinandersetzung mit den Einwgnden am theoretischen Modell des Homo Oeconomi-

cus kann das Modell bereichern, macht es jedoch gleichzeitig aufwendiger und komplexer in

der Handhabung. Die Balance zwischen Einfachheit und Erkl~irungskraft bzw. Realitgtsn~ihe

ist je nach Situation und angestrebter Erkl~irung unterschiedlich. 45 ,,Ffir gar nicht so wenige

Probleme reicht ein sehr simpler Homo Oeconomicus als Erkl~irungsmodell v611ig aus. ''46

Homo Sociologicus

Dieses Modell, auch Modell des normorientierten Akteures genannt, spielte bei der

Herausbildung der Soziologie als eigenst~indige Disziplin eine wichtige Rolle, auch wenn sich

die Soziologie nicht allein auf den Homo Sociologicus (lateinisch: der soziologische Mensch)

stfitzen kann, da sich mit dem Modell nur einige Fragen nach Handlungsantrieben

untersuchen lassen. Soziale Normen stellen bei der Handlungswahl eine Orientierung dar,

indem sie mehr oder weniger Erwartungssicherheit bieten. Sie sind als Rollenerwartungen an

soziale Positionen adressiert. 47 Daher ist der normorientierte Akteur prim~ir ein Rollen-

handelnder, wobei zwei Ausprggungen unterschieden werden k6nnen: zum einen ,Role

taking', das heiBt komplikationslose 121bernahme und Befolgung der Erwartungen und zum

anderen ,Role making' als kreative BewNtigung m6glicher Komplikationen des Rollen-

handelns, zum Beispiel wenn die Erwartungen, denen eine Person in einer bestimmten Rolle

genfigen muss, nicht ohne weiteres mit anderen Rollen dieser Person vereinbar sind. ,,In sehr vielen ... sozialen Situationen gehen wir wechselseitig so miteinander um, als ob wir nichts

weiter als der typische Rollentrgger wgren. Und dieses Als-ob verfestigt sich schnell zu sich

selbst erffillenden Prophezeiungen. ''48

44 Weber spricht in diesem Zusammenhang von rationaler ,Einredung' (vgl. Weber, M., Wirtschaft und Gesell- schaft, 1980, S. 607).

45 Je einfacher das Modell, desto gr6Ber die Abstraktion. ,,Theorien und Modelle sind Instrumente zur Er- kundung aber keine Manifestationen der Wirklichkeit" (Esser, H., Soziologie, 1993, S. 133). Erst wenn ein Modell aufgrund der vorgenommenen Vereinfachungen nicht mehr in der Lage ist, den Sachverhalt darzustellen und zu erklgren, mfissen die gemachten Annahmen kontrolliert und eventuell gefindert werden. Der Wissenschaftler muss lernen, mit dem Tradeoff zwischen Einfachheit und Erkl~.rungskraft umzugehen. Dieses Dilemma wird auch das ,Problem der abnehmenden Abstraktion' genannt (vgl. Wippler, R. & Lindenberg, S., Collective Phenomena and Rational Choice, 1987, S. 135 ft.).

46 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 106. 47 Jeder Mensch nimmt unterschiedliche soziale Positionen ein, wenn auch meist nicht gleichzeitig. Beispiele

sind die Positionen Ehemann, Vater, Lehrer usw. Jede soziale Position ist mit einer Rolle verbunden, wobei soziale Rollen ein Bt~ndel an Erwartungen darstellen (vgl. Etzrodt, Ch., Sozialwissenschaftliche Handlungs- theorien, 2003, S. 289 f.).

48 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 51.

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Die zwei weiteren Modelle - der Emotional Man und der Identit~itsbehaupter- k6nnen als komplement~ire Ans~itze zum Homo Sociologicus gesehen werden.

Emotional Man

Emotionen k6nnen ebenso wie rationale Nutzenverfolgung oder Normkonformit~it Handlungsantriebe darstellen. W~ihrend Instinkte starre Reiz-Reaktionen-Sequenzen hervor- rufen, werden solche Sequenzen bei Emotionen und Kognitionen unterbrochen. Es findet eine auf Wahrnehmung gegrtindete Informationsverarbeitung statt. Bei Kognitionen erfolgt diese Informationsverarbeitung sequentiell. Elemente werden sortiert, verkntipft und anschlief3end wird aufgrund logischer Schliisse der Situation angemessenes Handeln abgeleitet. Bei Emotionen hingegen erfolgt die Informationsverarbeitung s imul tan- Wahrnehmungs- und Denkschritte fallen zusammen, ohne dasses zu instinktivem Verhalten kommt. Emotionales Handeln kann zwischen instinktivem Verhalten und nutzenorientiertem Handeln (Kognitionen) angesiedelt werden. Antriebe sind vor allem jene Emotionen, welche sich auf soziale Beziehungen richten wie Liebe, Mitgefiihl, Bewunderung, Neid, Hass, Verachtung oder Schadenfreude. Emotionale Handlungsantriebe k6nnen durch pl6tzliche Erwartungs- entt~iuschungen, durch Routinisierung49 oder durch inszenierte Emotionen ausgel6st werden.

Identit~tsbehaupter

Auch wenn es noch kein fertig ausgearbeitetes soziologisches Akteurmodell des Identit~its- behaupters gibt, so kann die Behauptung der eigenen Identit~it doch ein dominanter Handlungsantrieb sein. Identit~it ist das Bild einer Person von sich se lbs t - sie ist nicht so umfassend und vielschichtig wie die Pers6nlichkeit, sondern hebt einige Ztige der eigenen Person hervor. Diese Selbstsimplifikation gibt dem Menschen Orientierung fiir sein Handeln.

Der Homo Oeconomicus und der Homo Sociologicus sind die beiden bedeutendsten soziologischen Akteurmodelle. Diese zwei Modelle sind immer wieder Gegenstand einer interdisziplin~iren Konkurrenz zwischen Soziologie und Wirtschaftswissenschaft.

,,Weder l~iBt sich ... also der Homo Sociologicus als Spezialfall des Homo Oeconomicus angemessen verstehen, noch umgekehrt. Es handelt sich um zwei distinkte analytische Akteurmodelle- was wohlgemerkt nicht ausschlief3t, dab reales Handeln manchmal eine so ausgeglichene Mischung von Norm- und Nutzenorientierung sein kann, dab beide Modelle miteinander verkniipft werden mtissen. ''s~

2.1.3 0berindividuelle Akteure und kollektive Handlungsf~higkeit

Individuen k6nnen sich rechtlich faktisch zusammenschliel3en und im Namen und Interesse einer anderen Person, einer gr6f3eren Gruppe oder einer Organisation handeln. Solche Akteure, letztlich eine Konstellation individueller Akteure, werden in der Literatur allgemein

49 Auch Emotionen k6nnen der Gewohnheit unterliegen. so Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 87.

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als komplexe oder fiberindividuelle Akteure bezeichnet. Zentrale Aspekte wie Intentionalit~t, Zurechenbarkeit oder Lernf'~higkeit werden fiberindividuellen Akteuren ebenso zugeschrieben wie personalen Akteuren. Ziel ist die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen die zum Beispiel auf Kooperationseffekten beruhen und somit die Ffihigkeiten einzelner Akteure t~bersteigen. Kollektivit~t er6ffnet den beteiligten Akteuren spezielle Handlungsoptionen und unterbindet gleichzeitig andere Optionen wie einseitiges Agieren. Die Handlungsf'fihigkeit der Akteure kann in ihrer Gr6genordnung, Reichweite und Stabilit~t variieren. Ffir kollektive Handlungs- fahigkeit sind die Voraussetzungen nicht nur geteiltes Wissen oder Standards des Erstrebens- werten, sondern auch geteilte Ziele und Sollenserwartungen. 5~

Zusammenfassend ist die kollektive Handlungsffihigkeit umso gr6ger, je gr6ger der Anteil an stattfindenden Handlungen, die dem fiberindividuellen Akteur und nicht den einzelnen Mitgliedern als Individuen zugerechnet werden k6nnen. Ein fiberindividueller Akteur ist dann kollektiv handlungsffihig, wenn die Handlungen der einzelnen Mitglieder eine geordnete Gestalt ergeben. Diese Struktur muss nicht nur gelegentlich, sondern systematisch ineinander greifen, sodass eine die Individualinteressen fibergreifende Zielsetzung m6glich ist. Die Bfindelung individueller Einflusspotentiale und Ressourcen wie Wissen, Geld oder Macht erm6glicht die Erreichung dieser Ziele sowie die Durchsetzung von Interessen. 15ber- individuelle Akteure k6nnen zum einen ,von unten' konstituiert werden, das heil3t dass die Zielsetzungen an die gemeinsamen Interessen der Mitglieder rfickgebunden bleiben. Zum anderen k6nnen fiberindividuelle Akteure ,von oben' durch einen Tr~ger formiert werden, zum Beispiel bei einer Arbeitsorganisation. In diesem Fall steht am Anfang keine Interessen- fibereinstimmung der Mitglieder und die Verhandlungskonstellation ist eine andere. 52

Die Mitglieder fiberindividueller Akteure haben verschiedene M6glichkeiten, Einfluss zu nehmen. Grundsfitzliche M6glichkeiten sind ,exit' also Austritt oder ,voice' sprich Kundtun der Meinung und aktives Verlangen nach ,~nderung. 53 Die Art der Einflussnahme ist abhangig davon, in welche Strukturform die Mitglieder eingebettet sind und auf welche Weise die Handlungsfahigkeit hergestellt wird, zum Beispiel durch Vernetzung oder Hierarchie. Egal welche Form der Einflussnahme die Mitglieder w~hlen, die kollektive Handlungsf'fihigkeit kann dadurch geschw~cht werden. ,Voice' ist verbunden mit inneren Konflikten und Auseinandersetzungen, w~hrend ,exit' zu Mitgliederschwund fahrt. Mitgliederschwund kann aber auch eine Erh6hung der kollektiven Handlungsf~higkeit verursachen, wenn der Austritt der Mitglieder ohne gr6f3ere Reibungen m6glich ist. Um Konflikte zu vermeiden, strukturelle Dynamiken zu lenken und die kollektive Handlungs- ffihigkeit langfristig zu stabilisieren, muss die Ffihrung Kontrolle ausfiben und sich Legitimation beschaffen. Aufgrund der unterschiedlichen Integration kollektiver Einheiten k6nnen aberindividuelle Akteure in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, deren Handlungsffihigkeit unterschiedlich ist. Kollektivit~t bezeichnet in diesem Zusammenhang eine graduelle Gr6ge. 54 In der Literatur wird zwischen aggregierten, kollektiven und korporativen Akteure unterschieden. 55

51 Vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 2001, S. 226. 52 Vgl. Schimank, U., Akteurkonstellationen - korporative Akteure - Sozialsysteme, 2002, S. 39. 53 Vielfach ist ein angedrohtes ,exit' eine wirksame Drohung, um far ,voice' GehOr zu finden. 54 Vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 2001, S. 225. 55 Vgl. Schimank, U., Akteurkonstellationen - korporative Akteure - Sozialsysteme, 2002, S. 29 ff.; Scharpf,

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Aggregierte Akteure

Bei einfachen aggregierten Akteuren handelt es sich um parallel verlaufende Handlungen von mehreren Individuen, die bestimmte Merkmale teilen. Scharpf spricht von ,,unterstellter empirischer Ahnlichkeit der individuellen Entscheidungen. ''56 Es handelt sich um das aggregierte Ergebnis individueller Entscheidungen; nicht zu verwechseln mit der zweck- gerichteten Entscheidung eines bestimmten Akteurs. Die gemeinsamen Deutungsmuster entwickeln sich in erster Linie fiber wechselseitige Beobachtung, durch welche eine laufende Handlungsabstimmung erfolgen kann.

Kollektive Akteure

Haben Individuen ein gemeinsames Projekt oder ein gemeinsames Ziel, d.h. ihr Handeln richtet sich auf eine erwartete gemeinsame Wirkung, dann kann man von kollektiven Akteuren sprechen. Kollektive Akteure sind von den Prgferenzen und Interessen ihrer Mitglieder abhgngig. Was die Handlungsressourcen betrifft, so k6nnen diese entweder im Besitz der Mitglieder sein oder dem kollektiven Akteur zur Verfagung stehen. Zu kollektiven Akteuren zghlen Koalitionen, soziale Bewegungen, Clubs und Verbgnde. Bei einer Koalition verfolgen die Mitglieder separate Ziele und auch die Kontrolle der Handlungsressourcen liegt bei den einzelnen Mitgliedern. ,~hnlich ist es bei einer sozialen Bewegung, bei der jedoch ein kollektives Ziel verfolgt wird. Ein Club zeichnet sich aus durch separate Ziele der Mitglieder und der kollektiven Kontrolle der Handlungsressourcen. Bei kollektiven Zielen und einer kollektiven Kontrolle der Handlungsressourcen spricht man schlieBlich von einem Verband.

Korporative Akteure

Korporative Akteure, deren Strategien, Ziele oder Identit~ten, sind im Unterschied zu kollektiven Akteuren weitgehend unabhgngig von den Prgferenzen der Mitglieder. Diese Neutralisierung erfolgt tiber ein Besch~iftigungsverhgltnis bzw. tiber einen Arbeitsvertrag. Eine formale Organisation garantiert kollektives Handeln und zwar mit einer grOl3eren Effizienz und Effektivit~it als es normalerweise bei kollektiven Akteuren m6glich ist. Korporative Akteure verfagen tiber zentralisierte, nicht mehr den Mitgliedem individuell zustehende Handlungsressourcen.

Die Unterscheidung zwischen kollektiven und korporativen Akteuren ist analytisch. Es gibt keine klare Trennlinie, sodass in der Praxis hgufig Zwischenformen zu finden sind. Die Unterscheidungen dienen in erster Linie dazu, die Integration der Mitglieder t~berindividueller Akteure aufzuzeigen und die Komplexitgt zu verdeutlichen. Abbildung 1 gibt einen l~lberblick der Arten fiberindividueller Akteure: 57

F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 96 ft.; Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 306 ft.; Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 49 ff.

56 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 100. 57 Die Systemtheorie nach Luhmann kennt keine kollektiven Akteure, sie gibt jedoch Hinweise auf kollektives

Handeln. ,,Auch kollektives Handeln ist selbstverst/~ndlich Einzelhandeln, also jeweils eines der vielen Elementarereignisse im System. Es muss nur besonders ausgezeichnet werden durch Symbole, die verdeut-

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Aggregierte Akteure Koalition

Kollektive Akteure

Club Soziale Verband

Korporative Akteure

Bewegung

Handlung individuell gemeinsam gemeinsam gemeinsam gemeinsam Organisation

Ziel individuell individuell individuell kollektiv kollektiv Organisation

Ressourcen individuell individuell kollektiv individuell kollektiv Organisation

Entscheidung individuell Verein- Ab- Konsens Ab- hierarchisch barung stimmung stimmung

Abbildung 1: Komplexe, tiberindividuelle Akteure Quelle: Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 105.

2.1.4 Akteurkonstellationen

Eine Akteurkonstellation entsteht, sobald die Intentionen der verschiedenen Akteure interferieren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Akteure mit interdependenten Handlungsoptionen interagieren. 58 Bei der Verfolgung der eigenen Interessen tangieren Individuen die Intentionen anderer. Um sich erfolgreich durchzusetzen, verfolgen Akteure verschiedene Strategien: sie w~ihlen einen Weg, auf dem kaum Widerstand zu erwarten ist oder sie versuchen durch gezielte Beeinflussung den Widerstand anderer zu tiberwinden. Soziale Strukturen entstehen, wenn solche Intentionsinterferenzen nach relativ dauerhaften Mustern bew~iltigt werden. Das Handeln und Zusammenwirken von verschiedenen Akteuren fahrt zu Dynamiken, die soziale Strukturen aufbauen, erhalten oder ver~indem. Alle Triebkr~ifte des Einzelhandelns wie Nutzenverfolgung, Normkonformit~it, Ausleben von Emotionen oder Identit~itsbehauptung k6nnen dabei eine Rolle spielen. Schimank unter- scheidet drei Arten sozialer Strukturen: 59 Erwartungsstrukturen, Deutungsstrukturen und Gleichgewichte von Akteurkonstellationen. Zu den Erwartungsstrukturen z~ihlen sowohl rechtliche und formalisierte Regeln als auch informelle Regeln wie Sitten oder Umgangs- formen. Deutungsstrukturen hingegen fixieren kognitive und evaluative Orientierungen. Sie beruhen auf Werten wie Propagierung von Selbstverwirklichung oder auf spezifische Sachverhalte wie Vorlieben oder Abneigungen gewisser Gmppierungen. Die dritte Art sozialer Strukturen sind eingespielte Gleichgewichte von Akteurkonstellationen. Hier kann keiner der Akteure von sich aus seine Handlungsweise ~indem.

Nachfolgend werden die wichtigsten Akteurkonstellationen der akteurtheoretischen Soziologie vorgestellt: 6~ wechselseitige Beobachtung, wechselseitige Beeinflussung und wechselseitige Verhandlung. 61 Es handelt sich um analytische Modelle. Reale Akteur- konstellationen sind letztlich immer Gemengelagen der drei verschiedenen Arten.

lichen, dass das gesamte System dadurch gebunden wird" (Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 273). 58 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 60 ff. 59 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 176 ff. 6o Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 207 ft. 61 Scharpf unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Akteurkonstellationen und Interaktionsformen.

Die Akteurkonstellation gibt Auskunft tiber das vorhandene Konfliktniveau zwischen den Akteuren, aber sie enthNt noch keine Informationen tiber den Interaktionsmodus, durch den diese Konflikte bearbeitet werden k6nnen. Beispiele von Interaktionsmodi sind einseitiges Handeln, Verhandlung, Abstimmung oder Hierarchie (vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 128 f.).

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Konstellationen wechselseitiger Beobachtung

Die elementarste Art von Akteurkonstellationen ist jene der wechselseitigen Beobachtung.

Akteure k6nnen das Verhalten anderer unmittelbar oder lediglich mittelbar, zum Beispiel

durch Berichte, Effekte oder Antizipation, wahrnehmen und sich daran anpassen. Dies h~ingt

v o n d e r Gr613e und der Abgrenzung (klar oder nicht) der Akteurkonstellation ab. Direkte

Wahrnehmung verringert die Fehleinsch~itzungen tiber das Handeln anderer. Wird das

Verhalten anderer antizipiert, so kann es zu sich selbst er~l lenden Voraussagen 62 oder sich

selbst widerlegenden Voraussagen 63 der Zukunft kommen. Die Akteure beobachten sich

gegenseitig und ziehen daraus ihre Schltisse fiJr das eigene Handeln. Schimank stellt eine

Beziehung zwischen wechselseitiger Beobachtung und kollektiver Mobilisierung her. Damit

die gegenseitige Beobachtung oder die Antizipation von Handeln zu einer Dynamik des

Handelns wie zu einer sich selbst erftillenden Voraussage ftihrt, gentigt es nicht, wenn sich

nur einzelne Akteure engagieren, sondem es muss eine kollektive Mobilisierung des Handelns

erfolgen. 64 Eine derartige Mobilisierung kann durch verschiedene Faktoren untersttitzt oder

verhindert werden. So ist zum Beispiel das Trittbrettfahrer-Ph~inomen ein Faktor, welcher

eine kollektive Mobilisierung erschweren kann. 65 Ist hingegen von Anfang an ein hoher

Ertrag m6glich und profitieren die handelnden Akteure, so kommt es nicht zum Trittbrett-

fahrer-Ph~inomen und eine kollektive Mobilisierung ist wahrscheinlich.

Konstellationen wechselseitiger Beeinflussung

Auf wechselseitige Beobachtung kann wechselseitige Beeinflussung folgen. Dem Akteur gentigt es nicht, dass sein Handeln beobachtet wird und ein anderer Akteur sein Verhalten

eventuell anpasst, sondern der Akteur unterstreicht sein Handeln und beeinflusst den anderen

durch das Einflusspotential, welches ihm zur Verftigung steht. Sozialer Einfluss ist vielf~iltig

und kann durch Geld, Gewalt, moralische Appelle, formale Macht, Wahrheit, Liebe,

Sympathie, Charisma, Beziehungen oder Selbstbindungen geltend gemacht werden. Diese

Arten sozialer Einfltisse setzen bei unterschiedlichen Handlungsantrieben an. Geld, zum

Beispiel, spricht die Nutzentiberlegungen eines Menschen an. Auch Normkonformit~it oder

62 ,,The self-fulfilling prophecy is, in the beginning, a false definition of the situation evoking a new behavior which makes the originally false conception true" (Merton, R., The Self-Fulfilling Prophecy, 1967, S. 422 zitiert nach Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 4). Merton erz~ihlt die Geschichte einer Bank in den 30er Jahren. Durch ein falsches Gerticht der drohenden Insolvenz, dem die Sparer glauben, wollen alle Kunden gleichzeitig ihre Geldanlagen zurtick. Die daraus entstehende Dynamik f'tihrt innerhalb eines Tages zum wirklichen Bankrott der Bank. Die Menschen glauben dem GerOcht, d. h. sie definieren die Situation als real und handeln entsprechend.

63 Ein Beispiel f'tir eine solche Voraussage ist eine Wahlprognose, die eine Partei als haushohen Favoriten darstellt. Es kann passieren, dass Parteimitglieder nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie denken, dass sie sich die Mt~he sparen k6nnen.

64 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 232 ff. 65 Sind die Akteure nutzenorientiert, so ist es in bestimmten Situationen mr einzelne Akteure sinnvoll, sich als

Trittbrettfahrer zu verhalten, d. h. zu versuchen vom Verhalten anderer zu profitieren ohne sich selber zu engagieren oder entsprechend zu handeln. Ein solches Verhalten ist spieltheoretisch und basierend auf dem Akteurmodell des Homo Oeconomicus betrachtet, mit einem Gefangenendilemma vergleichbar. Wenn gentigend andere Personen handeln und sich engagieren, dann profitiert der Trittbrettfahrer von deren Erfolg oder hatte keinen Aufwand bei einem eventuellen Misserfolg (vgl. Varian, H.R., MikroOkonomik, 1995, S. 570 ff.).

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