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Nr. 13 - Seite 1 Friedhof als Lebensraum ... Gräber und Grabsteine, alte Friedhofs- mauern, Rasen- und Wiesenflächen, Gehölz- pflanzungen, Baumgruppen, Wege und Wegränder und Komposthaufen bilden ein eng verzahntes Mosaik auf dem Friedhof. Die Lage in der Stadt, im Dorf, im Stadtzen- trum oder am Stadtrand bedingt vielfältige Wechselbeziehungen zu angrenzenden Bereichen. Wichtig für die Tier- und Pflan- zenwelt sind neben der Größe, dem Alter und der Belegungsdichte vor allem ein größerer Baumbestand aus heimischen Laubgehölzen und Bereiche, die extensiv gepflegt werden. Auf Friedhöfen in Essen und Köln wurden über 450 wildwachsende Pflanzenarten, Flechten und Moose, festgestellt, darunter auch viele bedrohte Arten. Nach christlichem Verständnis ist der Friedhof ein Ort des Lebens und Ausdruck der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten. Für die Angehörigen der Verstorbenen ist er ein Ort der Erinnerung und des stillen Andenkens. Daraus entwickelte sich im Mittelalter eine reiche Friedhofskultur. Der Friedhof in direkter Nachbarschaft zur Kirche war ein zentraler Ort im Alltag der Menschen. Heute dagegen wird der Gedanke an den Tod häufig in der Gesellschaft verdrängt. Die Friedhöfe werden möglichst unauffällig an den Ortsrand gelegt und auch die alte Symbolik ist vielfach verschwunden. Ökologische Bedeutung Friedhöfe sind allerdings nicht nur als Begräbnisstätten zu sehen, sondern erfüllen in der heutigen Zeit eine Reihe weiterer Funktionen. In vielen Städten sind sie Grünflächen. Sie gelten als Oasen der Stille und Entspannung und dienen in erheblichem Umfang der „stillen Erholung“. Zudem haben sie positive Auswirkungen auf das Stadtklima, indem sie die Temperaturen abkühlen und Staub filtern. In Zusammenarbeit mit den Umweltbeauftragten der (Erz-) Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn sowie der evangelischen Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe Friedhof - Ort des Lebens Foto: K. Reidl Foto: B. Kraft

Friedhof - Ort des Lebens...Die NUA ist eingerichtet bei der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW (LÖBF) In Zusammenarbeit mit den Umweltbeauftragten der (Erz-)

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Friedhof als Lebensraum ...Gräber und Grabsteine, alte Friedhofs-mauern, Rasen- und Wiesenflächen, Gehölz-pflanzungen, Baumgruppen, Wege undWegränder und Komposthaufen bilden eineng verzahntes Mosaik auf dem Friedhof.Die Lage in der Stadt, im Dorf, im Stadtzen-trum oder am Stadtrand bedingt vielfältigeWechselbeziehungen zu angrenzendenBereichen. Wichtig für die Tier- und Pflan-zenwelt sind neben der Größe, dem Alter undder Belegungsdichte vor allem ein größererBaumbestand aus heimischen Laubgehölzenund Bereiche, die extensiv gepflegt werden.Auf Friedhöfen in Essen und Köln wurdenüber 450 wildwachsende Pflanzenarten,Flechten und Moose, festgestellt, darunterauch viele bedrohte Arten.

Nach christlichem Verständnis ist der Friedhof einOrt des Lebens und Ausdruck der Hoffnung aufdie Auferstehung der Toten. Für die Angehörigender Verstorbenen ist er ein Ort der Erinnerungund des stillen Andenkens. Daraus entwickelte sichim Mittelalter eine reiche Friedhofskultur. DerFriedhof in direkter Nachbarschaft zur Kirche warein zentraler Ort im Alltag der Menschen. Heutedagegen wird der Gedanke an den Tod häufig inder Gesellschaft verdrängt. Die Friedhöfe werdenmöglichst unauffällig an den Ortsrand gelegt undauch die alte Symbolik ist vielfach verschwunden.

Ökologische BedeutungFriedhöfe sind allerdings nicht nurals Begräbnisstätten zu sehen,sondern erfüllen in der heutigen Zeiteine Reihe weiterer Funktionen. Invielen Städten sind sie Grünflächen.Sie gelten als Oasen der Stille undEntspannung und dienen in erheblichem Umfangder „stillen Erholung“. Zudem haben sie positiveAuswirkungen auf das Stadtklima, indem sie dieTemperaturen abkühlen und Staub filtern.

In Zusammenarbeit mit den Umweltbeauftragten der (Erz-) Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster

und Paderborn sowie der evangelischen Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe

Friedhof -

Ort des Lebens

Foto: K. Reidl

Foto: B. Kraft

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Der letzte Garten früher und heuteDie alten Friedhöfe waren geprägt von christlicherSymbolik wie der Paradieswiese, dem Kreuzmotivoder der Verwendung von Symbolpflanzen. SolcheStrukturen sind neben dem Naturschutzaspekt auchvon großem kulturhistorischem Interesse. DieseFriedhofskultur ist heute in weiten Teilen verlorengegangen. Viele Friedhöfe sind arm an Symbolenund persönlichen Zeichen. Funktionale Aspekteund austauschbare Pflanzungen überwiegen. DieFriedhöfe sind häufig zu dicht belegt und eingrößerer Baumbestand fehlt. Die Grabstättenwerden intensiv gepflegt und einheitlich mitkleinwüchsigen Nadelgehölzen und Allerwelts-stauden bepflanzt. Ein gleichförmiges Erschei-nungsbild und eine geringe Struktur- und Arten-vielfalt sind die Folge.

Laubbäume sind wertvollDas Fehlen von Laubbäumen bemerken Friedhofs-besucher besonders an heißen Sommertagen, wenndie wohltuende Beschattung fehlt und die Grab-bepflanzung einer intensiven Bewässerung bedarf.Reine Koniferen-Friedhöfe wirken monoton, weilsie keinen Wechsel der Jahreszeiten anzeigen, eineMischung von 2/3 Laubgehölzen und 1/3 heimi-schen Nadelgehölzen ist sinnvoll. Eiben undStechpalmen bieten als heimische Immergrüne eineattraktive Alternative zu den exotischen Gehölzenwie Lebensbaum, Zeder oder Scheinzypresse. Dervorhandene Baumbestand sollte durch die Pflan-zung heimischer Gehölze ergänzt werden. GrößereBäume sind vor allem in den Randbereichen und alsprägende Einzelbäume, kleinere Bäume als Alleenentlang der Wege und zur Gliederung zwischen denGrabfeldern geeignet.

Bäume, Hecken und GebüscheDie Bestattung der Toten unter Bäumen warschon in vorchristlicher Zeit üblich. AuchFriedhöfe wurden früher stark von Laubbäu-men geprägt. In jüngster Zeit lässt sich aufvielen Friedhöfen eine deutliche Zunahme vonexotischen Nadelgehölzen feststellen, währendeinheimische Laubbaumarten immer seltenerwerden. Der Laubfall und die Beschattungwerden heute von vielen als störend empfun-den. Dabei dienen heimische Laubgehölze imGegensatz zu den Exoten einer Vielzahl vonTieren als Unterschlupf, Brutplatz und Nah-rungsquelle. Insbesondere die alten Bäumebieten höhlenbrütenden Vögeln, Fledermäu-sen und anderen Säugetierarten hervorragendeWohnstätten. Aus Gründen der Verkehrs-sicherungspflicht muss der Baumbestandjedoch auch auf einem Friedhof regelmäßigüberprüft werden, um mögliche Unfallgefah-ren zu erkennen. Auch oberflächliches Wurzel-werk ist in diese Kontrollen einzubeziehen.

eule und Buntspecht vorkommen. Die großeMannifaltigkeit und Vogeldichte, wie sie insbeson-dere auf älteren Friedhöfen auftritt, wird auf dasgute Nist- und Nahrungsangebot zurückgeführt.Friedhöfe dienen Vögeln nicht nur als Brutraumsondern auch als Rastplatz während der Durchreiseund als Überwinterungsort. Auf naturnahenFriedhöfen sind auch Eichhörnchen, Haselmaus,Waldspitzmaus, Siebenschläfer, Igel, Steinmarderund Fledermäuse zu finden.

...für Vögel und andere TierartenDie Zahl der Vogelarten kann aufFriedhöfen mit ausreichendemLaubbaumbestand und Struktur-reichtum sehr hoch sein. In Essenund Bielefeld wurden jeweils etwa 40Brutvogelarten festgestellt. Nebenden häufigeren Arten Amsel, Rot-kehlchen, Kohlmeise, Zilpzalp undZaunkönig können auch Garten-rotschwanz, Bluthänfling, Waldohr-

Foto: Markus van Berlo

Friedhof - Ort des Lebens

Foto: M. Woike

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Heimische Gehölze für den FriedhofGroßbäume (über 20 m): Spitz- und Bergahorn, Birke, Buche, Esche, Eiche, Sommer- und Winterlinde, WeideKleinbäume (10-15 m): Eberesche, Traubenkirsche, Stechpalme, Eibe, Feldahorn, Hainbuche, VogelkirscheGroßsträucher (3-6 m): Kornelkirsche, Hartriegel, Eibe Haselnuss, Pfaffenhütchen, Heckenkirsche, Kreuzdorn,

Heckenrose,Strauchweiden, Holunder, Schneeball,Kleinsträucher (bis 3 m): Felsenbirne, Seidelbast, Ginster, Wacholder, Johannisbeere, Wildrosen, Buchsbaum

Wege, Plätze und MauernAuf dem Friedhof sind befestigte Wege erforder-lich. Um Beeinträchtigungen des Bodenlebens unddes Wasserhaushaltes zu vermeiden, sollte dieVersiegelung durch ein abgestuftes Wegesystem mitwasserdurchlässigen Belägen (z.B. Kies-, Schotter-oder Rasenwege) und angepassten Wegebreitenmöglichst gering gehalten werden. Alte Friedhofs-mauern aus Naturstein sehen attraktiv aus und sindLebensraum für speziell angepasste Pflanzen undTiere. Aus ökologischer und kulturhistorischer Sichtsollten alte Mauern erhalten oder aus Natursteinenneu errichtet werden.

FriedhofsgestaltungInsbesondere bei der Erweiterung oder Neuanlagevon Friedhöfen ist es wichtig, die ökologischenAspekte frühzeitig in die Planung einzubeziehen.Dabei sind vor allem der Baumbestand und dieVielfalt der verschiedenen Strukturen für denLebensraum Friedhof von Bedeutung. Damitausreichend Freiflächen für eine naturnahe Bepflan-zung bleiben, ist eine zu dichte Belegung zu vermei-den (etwa 40%).Größere Erweiterungsflächen können durchzweimaliges Mähen im Jahr zu artenreichen Wild-blumenwiesen entwickelt werden. Eine frühzeitigeBepflanzung mit Laubgehölzen ist ebenfalls emp-fehlenswert, da sich dann die Friedhofsbesucherbereits auf die “laubabwerfenden” Gehölze alsfesten Friedhofsbestandteil eingestellt haben.

FriedhofspflegeIn vielen Friedhofsbereichen reicht eine extensivePflege aus. Im Randbereich, unter Gehölzen undauf ungenutzten Flächen kann Wildkrautvegetationgeduldet werden. Herbstlaub wirkt unter Gehölzenals natürlicher Bodenschutz, und die Entwicklungattraktiver Frühblüher wie Buschwindröschen,Schneeglöckchen und Primeln wird gefördert.Durch eine extensivere Pflege der Rasenflächenlässt sich der Arbeitsaufwand deutlich reduzieren.Nur Rasenwege müssen kurzgehalten werden, aufallen anderen Flächen reicht monatliches oderzweimaliges Mähen im Jahr. Frühjahrsblüher undWiesenkräuter können sich so ausbreiten. UnterBäumen sollten entweder die vorhandene Moos-schicht akzeptiert oder Bodendecker wie Efeu oderKleines Immergrün gepflanzt werden. Moose,Flechten und Farne sind ebenfalls eher eine Berei-cherung. Sie können an Mauern, auf Grabsteinen,Wegbegrenzungen und ähnlichen Standortengeduldet werden.

Auf die Anwendung vonchemischen Herbizidenauf Gräbern, Wegen undPlätzen muss grundsätzlichverzichtet werden, da die Mittel in NRW ausNaturschutzgründen verboten sind. Im Winterverhindert anstatt umweltschädlicher StreusalzeSand das Ausrutschen.

Kompostierung und AbfallvermeidungEine konsequente Abfalltrennung ist heute aufvielen Friedhöfen bereits eine Selbstverständlichkeit.Um Kunststoffabfälle zu vermeiden, könnenKränze und Grabschmuck aus kompostierbarenMaterialien und wiederverwendbare Grableuchtenaus Glas verwendet werden. Eine Kompostierungist direkt auf der Friedhofsfläche sinnvoll, denn derKompost kann gleich vor Ort wieder eingesetztwerden.

Friedhof - Ort des Lebens

Foto: Gertrud Hein

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Aktionstipps• Friedhofsbegehung mit Friedhofsverwaltung,

Kirchenvorstand, Friedhofsgärtner, Bestatter undSteinmetz unter ökologischen und kulturhistori-schen Gesichtspunkten

• Anlage von Beispielgräbern als Vorbild für eineabwechslungsreiche und naturnahe Grabbe-pflanzung

• Information der Friedhofsnutzer durch Infotafelnund Faltblätter mit Hinweisen zur Grab- undFriedhofsgestaltung

• Tierökologische und botanische Exkursionen mitörtlichen Naturschützern

• Aufhängen von Vogelnist- und Fledermauskästen,Nisthilfen für Insekten wie Wildbienen, Hornis-sen, Wespen, Hummeln, Ohrenkneifer

Literaturtipps• NABU (1995): Lebendige Friedhöfe. Bezug: NABU-Infoservice, Postfach 301054, 53190 Bonn Tel.: 0228/97561-0, Fax: 0228/97561-90

• NABU-Kreisverband Oberberg (1994): “Der letzteGarten”. Schützenstr. 4a, 51643 Gummersbach

• Reidl, K. & Schmidt, A. (1989): Naturschutz auf demFriedhof. LÖLF, Recklinghausen.

• Platz, M., 1994: Der Dorffriedhof und seine Pflanzen.1148. AID-Broschüre, Konstantinstraße 124, 53179 Bonn

Kontakt

Beispiel DuisburgSeit 1995 wird der Ev. Friedhof in Duisburg-Marxloh vom Diakoniewerk Duisburg nach ökolo-gischen Grundsätzen gepflegt und bewirtschaftet.Innerhalb weniger Jahre ist aus einem sehr schlich-ten Friedhof eine freundliche grüne Oase inmittender Industriestadt geworden. Es wurden Wege

entsiegelt, alte Bäumeerhalten und neueGehölze gepflanzt.Mülltrennung undeigene Kompostierungwurden eingeführt undam Rand wurde eineTotholzhecke und eineTrockenmauer angelegt.Für die Vogelwelt gibtes Nistkästen sowie eineWasserstelle und derEinsatz von Herbizidenist verboten. AlsAnregung für dieGrabgestaltung wurdenMustergräber mit einerDauerbepflanzung ausvorwiegend einheimi-schen Pflanzen angelegt.

Anpassung der FriedhofsordnungManchmal wird eine naturnahe Gestaltung desFriedhofs durch starre Friedhofssatzungen behin-dert. Deshalb ist es sinnvoll, auch in die Friedhofs-satzung ökologische Gesichtspunkte aufzunehmen.Vorbildliche Richtlinien dazu existieren z.B. in derNordelbischen Landeskirche oder im ErzbistumMünchen/Freising. In einer ökologi-schen Friedhofsordnung kann u.a.der Einsatz von Streusalz, Herbizi-den, Mineraldünger und Torf aus-geschlossen oder stark eingeschränktwerden. Für die Grabstätten könnenGestaltungsempfehlungen ausge-sprochen werden.

ImpressumNatur- und Umweltschutz-Akademie NRWSiemensstraße 5, 45659 Recklinghausen,Postfach 101051, 45610 RecklinghausenTel.: 02361/305-0, Fax: 02361/305-340E-Mail: [email protected], Internet: www.nua.nrw.deDie NUA ist eingerichtet bei der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnungund Forsten NRW (LÖBF)

In Zusammenarbeit mit den Umweltbeauftragten der (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn sowie derevangelischen Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe.Text: Markus van BerloGestaltung: Ö/K/O/M GbR, Münster1. Auflage, Recklinghausen 2002Der unveränderte Nachdruck für nichtgewerbliche Zwecke isterwünscht, andere - auch auszugsweise - Nachdrucke nur nachZustimmung der Herausgeber und Autoren.

Friedhof - Ort des Lebens

Foto: A. Niemeyer-Lüllwitz