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Arbeit und Gerechtigkeit: Die Akzeptanz von Lohn- und Beschäftigungsanpassungen in Deutschland Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung Projektleitung: Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler Friedrich-Schiller- Universität Jena Institut für Soziologie Abteilung Wirtschafts- und Sozialstruktur Forschergemeinschaft Knut Gerlach, Universität Hannover, Sven Hauff, F.-S.-Universität Jena, Christoph Köhler, F.-S.- Universität Jena, Alexandra Krause, Humboldt Universität Berlin, Christian Pfeifer, Universität Hannover, Tatjana Sohr, Universität Hannover, Gesine Stephan, IAB Nürnberg, Olaf Struck, F.-S.-Universität Jena. Universität Hannover Institut für Quantitative Wirtschaftsforschung Abteilung Arbeitsökonomie Sonderforschungsbereich 580 Projekt B2: Betrieb und Beschäftigung Projekt B7: Strategische Interaktion APROXIMA Agentur für Markt- und Sozialforschung, Weimar IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Soziologie

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Sonderforschungsbereich 580 Projekt B2: Betrieb und Beschäftigung Projekt B7: Strategische Interaktion. Universität Hannover Institut für Quantitative Wirtschaftsforschung Abteilung Arbeitsökonomie. Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Soziologie - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Arbeit und Gerechtigkeit: Die Akzeptanz von

Lohn- und Beschäftigungsanpassungen

in Deutschland

Gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung

Projektleitung: Gesine Stephan, Olaf Struck, Christoph Köhler

Friedrich-Schiller-Universität Jena Institut für Soziologie

Abteilung Wirtschafts- und Sozialstruktur

Forschergemeinschaft

Knut Gerlach, Universität Hannover, Sven Hauff, F.-S.-Universität Jena, Christoph Köhler, F.-S.-Universität Jena, Alexandra Krause, Humboldt Universität Berlin, Christian Pfeifer, Universität Hannover, Tatjana Sohr, Universität Hannover,

Gesine Stephan, IAB Nürnberg, Olaf Struck, F.-S.-Universität Jena.

Universität HannoverInstitut für Quantitative Wirtschaftsforschung

Abteilung Arbeitsökonomie

Sonderforschungsbereich 580Projekt B2: Betrieb und Beschäftigung

Projekt B7: Strategische Interaktion

APROXIMAAgentur für Markt- und Sozialforschung,

Weimar

IABInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,

Nürnberg

Page 2: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Zielstellung

Ziel:

Beitrag zur Diskussion um die Sicherheit und

Gerechtigkeit von Beschäftigungsverhältnissen

in Deutschland.

Fragestellung:

Unter welchen Umständen werden Lohnkürzungen

und Entlassungen von der Bevölkerung Deutschlands

als gerecht empfunden, und wann widersprechen sie

den Gerechtigkeitsvorstellungen?

Page 3: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Theoretische Grundlagen

Theorie interner Arbeitsmärkte:

Lohn- und Beschäftigungsanpassungen unterliegen innerhalb

interner Arbeitsmärkte impliziten Restriktionen.

Distributive und prozedurale Gerechtigkeit:

Die Akzeptanz von Personal- und Lohnanpassungen ist

abhängig von der Berücksichtigung distributiver und

prozeduraler Gerechtigkeitsstandards.

Psychologische Verträge:

Betriebliche Anpassungsprozesse können die impliziten

Reziprozitätserwartungen der Beschäftigten an ihren

Arbeitgeber verletzen.

Page 4: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Methodische Grundlage

Repräsentative telefonische Befragung

von 3039 Personen durch APROXIMA

Weimar.

Jeweils ca. 1500 Personen in

West- und Ostdeutschland.

Alter zwischen 20 und 60 Jahre.

Page 5: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Stichprobe im Überblick

Arbeitnehmer

Selb-

ständige

Nicht

ErwerbstätigeGesamtErwerbstätige Arbeitslos

oder in Umschulung

Männer 62,2 12,2 11,9 13,7 100

Frauen 57,0 15,2 6,4 21,3 100

Westdeutschland 60,7 7,1 9,3 22,9 100

Ostdeutschland 57,6 20,3 7,9 14,2 100

Deutschland (Gesamt)

59,0 14,0 8,6 18,3 100

Page 6: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Erhebungsinstrument: Telefonbefragung

Gerechtigkeitseinschätzung von Entlassungs- und

Lohnkürzungsszenarien.

Gerechtigkeitseinschätzung zu Statements.

Gerechtigkeitseinschätzungen zu konkreten Ereignissen

im eigenen beruflichem Umfeld.

Soziodemographische Informationen

(Alter, Geschlecht, Ausbildungs- u. Berufsstatus,

Haushaltskontext, Gewerkschaftsmitgliedschaft,

Arbeitgeberwechsel, Betriebszugehörigkeitsdauer,

Betriebsgröße, Existenz von Interessenvertretung etc.).

Page 7: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 1

In den letzten fünf Jahren haben mehr als 40% aller

Arbeitnehmer direkt oder indirekt betriebsbedingte

Entlassungen erlebt.

Im eigenen Arbeitsumfeld haben 48% der Ostdeutschen und 35%

der Westdeutschen Entlassungen erlebt (direkt oder indirekt).

Selbst von betriebsbedingten Entlassungen betroffen waren 16%

aller befragten Arbeitnehmer (direkt).

Rund 30% der erwerbstätigen Arbeitnehmer in Deutschland halten

es für wahrscheinlich, dass sie in naher Zukunft arbeitslos werden.

Lohnkürzungen haben 26% der befragten Arbeitnehmer in den

letzten fünf Jahren erlebt (direkt oder indirekt).

Page 8: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Betroffenheit der Arbeitnehmer von Entlassungen und

Lohnsenkung in den letzten 5 Jahren.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

Entlassungen Lohnsenkung

direkt

indirekt

nicht betroffen

Page 9: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 2

Die Arbeitnehmer erwarten, dass Beschäftigungsverhältnisse

gegen die Risiken der Marktwirtschaft abgesichert sind.

Für 98% der Arbeitnehmer zählt Arbeitsplatzsicherheit zu den wichtigen oder sehr wichtigen Arbeitgeberleistungen.

Konsequenterweise werden betriebsbedingte Kündigungen mehrheitlich als ungerecht bewertet.

Entlassungen werden eher dann akzeptiert, wenn sie wirtschaftlich unvermeidbar sind (bei starkem Absatzeinbruch), im Vorfeld Vermeidungsversuche unternommen wurden, Management und Unternehmensleitung auf Erfolgsprämien verzichten, bei der Auswahl der Entlassenen soziale Kriterien berücksichtigt werden, Abfindungen gezahlt werden.

Die große Mehrheit der Befragten teilt damit die Grundprinzipien des deutschen Kündigungsschutzes. 70% der befragten Arbeitnehmer treten für den Erhalt oder sogar den Ausbau des Kündigungsschutzes ein.

Page 10: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Beispiele zur Akzeptanz von Entlassungen.

Entlassungsszenario 1 Entlassungsszenario 2

Das wirtschaftliche Überleben eines Unternehmens ist durch einen allgemeinen Absatzeinbruch bedroht. Es entlässt daher eine Anzahl von Ingenieuren. Diejenigen die entlassen werden, erhalten eine großzügige Abfindung. Gleichzeitig bietet das Unternehmen Unterstützung bei der Stellensuche an.

In einem Unternehmen ist die Produktivität durch die Einführung einer neuen Produktionstechnologie gestiegen. Das Unternehmen entlässt daher eine Anzahl von Ingenieuren. Ihnen wird unter Einhaltung der Mindeststandards gekündigt. Die Unternehmensleitung erhält eine Erfolgsprämie für die erfolgreiche Kostensenkung.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

Akzeptanz Ablehnung

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Akzeptanz Ablehnung

Page 11: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ansichten zur Zukunft des gesetzlichen Kündigungsschutzes

(in Prozent aller befragten Arbeitnehmer).

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

weiterausbauen

unverändertbeibehalten

ehereinschränken

ganzabschaffen

Gesamtdeutschland

Westdeutschland

Ostdeutschland

Page 12: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 2 (Fortsetzung)

Für 83 % der Arbeitnehmer zählt eine hohe Entlohnung zu den wichtigen oder sehr wichtigen Arbeitgeberleistungen.

Dementsprechend werden betriebsbedingte Lohnkürzungen mehrheitlich als ungerecht bewertet.

Lohnkürzungen werden eher dann akzeptiert, wenn sie wirtschaftlich unvermeidbar sind (bei starkem Absatzeinbruch), im Vorfeld Vermeidungsversuche unternommen wurden, variable Lohnbestandteile gestrichen werden, sie zur Vermeidung betriebsbedingter Entlassungen erfolgen.

Einer Entlohnung auf Grundlage des jeweiligen Marktlohnes stehen die Befragten eher ablehnend gegenüber.

Page 13: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Beispiele zur Akzeptanz von Lohnsenkungen.

Lohnsenkungsszenario 1 Lohnsenkungsszenario 2

Ein kleines Unternehmen zahlt seinen Arbeitern jedes Jahr eine 10%ige Erfolgsprämie. Die Einkommen entsprechen bisher dem Branchendurchschnitt. In den letzten Monaten sind die Umsätze des Unternehmens deutlich langsamer gestiegen als zuvor, woraufhin die Erfolgsprämie gestrichen wird.

Ein kleines Unternehmen zahlt seinen Arbeitern bisher durchschnittliche Löhne. Die regionale Arbeitslosigkeit ist hoch, so dass die derzeitigen Mitarbeiter durch gute Mitarbeiter zu einem geringeren Lohn ersetzt werden könnten. Das Unternehmen macht Gewinne. Die Eigentümer senken die Löhne der Beschäftigten um 5%.

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Akzeptanz Ablehnung

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Akzeptanz Ablehnung

Page 14: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 3

Das Gerechtigkeitsurteil über Entlassungen wird in erster

Linie von erwerbsbezogenen Merkmalen beeinflusst.

Die eigene Betroffenheit von Entlassungen hat einen deutlichen

negativen Einfluss auf das Gerechtigkeitsurteil.

Gewerkschaftsmitglieder bewerten Entlassungen eher als ungerecht.

Eine günstige Einschätzung der eigenen Arbeitsmarktposition hat

einen positiven Einfluss auf die Gerechtigkeitswahrnehmung.

Eigene Entlassungserfahrungen werden von Westdeutschen

tendenziell als ungerechter bewertet.

Im Vergleich zu Männern bewerten Frauen Entlassungen als

ungerechter.

Page 15: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Einflussfaktoren auf das Gerechtigkeitsurteil bei eigenen

Erfahrungen mit Entlassungen.

43,0%

36,5%

40,3%

37,6%

51,3%

39,0%

42,2%

25,8%

43,0%

33,1%

Männer

Frauen

Ostdeutschland

Westdeutschland

günstige Arbeitsmarktposition

ungünstige Arbeitsmarktposition

Nicht-Gewerkschaftsmitglieder

Gewerkschaftsmitglieder

nicht selbst Betroffene

selbst Betroffene

Bewertung der erfahrenen Entlassung als gerecht

Page 16: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 4

Eine Verletzung der Erwartungen der Beschäftigten durch

den Arbeitgeber hat negative Folgen für das Unternehmen.

Bei denjenigen Arbeitnehmern, die in den letzten fünf Jahren eine

Entlassungswelle erlebt haben, aber weiterbeschäftigt sind,

beobachtete etwa ein Drittel negative Folgen für

die Zusammenarbeit mit Vorgesetzten,

die Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander,

das Engagement für das Unternehmen,

die Fluktuation.

Insbesondere dann, wenn Arbeitgeber im Vorfeld glaubhaft versucht

haben Entlassungen zu vermeiden, bleiben Negativreaktionen aus.

Page 17: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Folgewirkungen von Entlassungen.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

(Ost)

Bereitschaft für Arbeitnehmerint. einzutreten (West)

(Ost)

Bereitschaft das Unternehmen zu verlassen (West)

(Ost)

Ausmaß an Krankmeldungen (West)

(Ost)

Engagement der Mitarbeiter für die Firma (West)

(Ost)

Zusammenarbeit: Mitarbeiter untereinander (West)

(Ost)

Zusammenarbeit: Mitarbeiter/ Vorgesetzte (West)

verschlechtert bzw. gestiegen gleich geblieben verbessert bzw. gesunken

Page 18: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 5

Auch das betriebliche Umfeld beeinflusst die Akzeptanz von

Entlassungen und Lohnkürzungen.

In mittleren und größeren Betrieben werden Entlassungen und

Lohnkürzungen kritischer beurteilt als in Kleinbetrieben (unter 50

Beschäftigte).

Zudem werden Negativfolgen für die Unternehmen stärker hervorgehoben

(nur untersucht für Entlassungen).

In kleineren Betrieben sind die wirtschaftlichen Gründe und die Gestaltung

des Personalabbaus transparenter und eher nachvollziehbar.

In größeren Betrieben kann die Existenz interner Arbeitsmärkte die

geringere Akzeptanz von Entlassungen und Lohnkürzungen erklären

(Verletzung des impliziten Vertrages zwischen Arbeitgeber und

Arbeitnehmern).

Page 19: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Ergebnisse 6

Nicht zuletzt haben institutionelle Rahmenbedingungen

einen Einfluss auf das Gerechtigkeitsempfinden

In Deutschland werden Entlassungen und Lohnkürzungen

generell als ungerechter empfunden als in den USA und Kanada.

Diese Differenz geht mit Unterschieden in der Ausgestaltung

zentraler Arbeitsmarktinstitutionen (z.B. Absicherung bei

Arbeitslosigkeit, Kündigungsschutz) einher.

Page 20: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Beispiel zur Wirkung institutioneller Rahmenbedingungen:

Die Akzeptanz einer hypothetischen Entlassungssituation im

internationalen Vergleich.

Entlassungsszenario:

In einem Unternehmen ist die Produktivität durch die Einführung

einer neuen Produktionstechnologie gestiegen. Das Unternehmen

entlässt daher eine Anzahl von Ingenieuren, die seit ca. zehn

Jahren in dem Unternehmen beschäftigt sind. Die Betroffenen sind

Spezialisten für eine Produktionstechnik, die in anderen

Unternehmen selten eingesetzt wird. Ihnen wird unter Einhaltung

der Mindeststandards gekündigt.

Page 21: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

Beurteilung des Szenarios als ungerecht

(in Prozent aller Befragten)

Page 22: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Fazit

Die Erwartungen der Bevölkerung an Einkommens- und

Beschäftigungsstabilität sind nach wie vor sehr hoch.

Lohn- und Personalanpassungen werden grundsätzlich eher

als ungerecht wahrgenommen.

Arbeitnehmer reagieren dann mit negativem Gerechtigkeitsurteil und

Folgereaktionen.

Dies gilt vor allem, wenn:

das Vertrauen in psychologische Verträge verletzt wird

(kein Arbeitgeber-Engagement, Erfolgsprämie),

sowie Standards der prozeduralen Gerechtigkeit

(Beteiligung- und Informationsmöglichkeiten der Belegschaften)

und der distributiven Gerechtigkeit

(Zahlung von Abfindungen, Outplacement-Beratungen)

missachtet werden.

Page 23: Friedrich-Schiller-Universität Jena  Institut für Soziologie

Fazit (Fortsetzung)

Dabei ist die Akzeptanz betrieblicher Entlassungen und

Lohnkürzungen zudem abhängig

von der individuellen Erwerbssituation des Befragten (positiver Effekt hoher Wiederbeschäftigungschancen,

negativer Effekt einer Gewerkschaftsmitgliedschaft),

vom betrieblichen Umfeld

(höhere Akzeptanz in kleinen Betrieben).

Unterschiede in der Gerechtigkeitswahrnehmung in Deutschland,

USA und Kanada geben Hinweise auf den Einfluss institutioneller

Rahmenbedingungen. Diese Rahmenbedingungen etablieren explizite

Rechte und stützen implizite bzw. psychologische Verträge.