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Prof. Dr. Wilfried Breyvogel Sommersemester 05 | Montag 12.00-14.00 Uhr | R11 T00 D05 Vorlesung vom 18.04.2005 Friedrich Schleiermacher

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Prof. Dr. Wilfried Breyvogel

Sommersemester 05 | Montag 12.00-14.00 Uhr | R11 T00 D05Vorlesung vom 18.04.2005

Friedrich Schleiermacher

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Stationen der Biographie 1768 - 1799

1. Rückblick zur Familiengeschichte

Großvater: Daniel Schleyermacher

1725 Hofprediger in Schaumburg, dort in Ungnade entlassen1730 Prediger in der reformierten Gemeinde in Elberfeld„Sog eines pietistischen Konvertikels“

„Die junge Elberfelder Bäckerstochter Anna von Büchel empfing damals Auditionen von der nahen Ankunft des Tausendjährigen Reiches. In Gemeinschaft mit dem Kaufmann Elias Eller, den sie heiratete, rief sie zur Versiegelung der erwählten, der endzeitlichen Gemeinde auf. 1737 zogen die Anhänger Anna von Büchels und Elias Ellers nach Ronsdorf und errichteten dort das durch Reichtum und wirtschaftliche Tüchtigkeit glänzende ‚neue Jerusalem‘. ...

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Anna von Büchel...Daniel Schleyermache diente der Ronsdorfer Zionsgemeinde als Prediger. Ihr eigentliches Haupt war Anna von Büchel, die Zionsmutter. Nach dem Tode der Zionsmutter beanspruchte Elias Eller, bis dahin Kirchmeister, die Gemeindeleitung. Er überwarf sich mit Daniel Schleyermacher und schädigte dessen Ruf durch abenteuerliche Beschuldigungen. Friedrich Schleiermachers Großvater drohte Bestrafung durch den weltlichen Arm. Er floh nach Holland. Als geistlicher Amtsträger war er erledigt.“

(Kurt Nowak, Schleiermacher. Leben Werk und Wirkung, Göttingen 2001 (UTB für Wissenschaft 2215)

Ergänzend: Jens Brachmann, Friedrich Schleiermacher. Ein pädagogisches Portrait, Weinheim/Basel 2002 (UTB Päd.)

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Stationen der Biographie 1768 - 17991727 – Geburt des Vaters Johann Gottlieb Adolf Schleyermacher.Bei ihm verbleibt eine Scham über die „Ronsdorfer Irrungen und Verwirrungen“ des Vaters.Mit 16 Jahren wechselt er zur Universität Halle

1757 – Lehrer am Waisenhaus der Gemeinde in Magdeburg

1760 – Stabsfeldprediger im Dienste des preußischen Königs Der Vater heiratet in 1. Ehe Elisabeth Maria Katharina, dieTochter des Hofpredigers am Berliner Dom, TimotheusChristian Stubenrauch

1765 – Geburt von Frederike Charlotte Schleyermacher

21.11.1768 – Geburt von Friedrich (Daniel Ernst) Schleiermacher

1772 – Geburt von Johann Carl Schleyermacher

1777 – Geburt von Caroline Marie, gest. 1781

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Stationen der Biographie 1768 - 1799Zum Vater Johann Gottlieb Adolf Schleyermacher heißt es:„Der Boden des christlichen Glaubens schwankte lange unter seinen Füßen.“ (Nowak 2001, S.17)Er war unter anderem Mitglied einer Freimaurerloge

Bis 1787 (21. Lebensjahr) verheimlichte der Vater die Vorgeschichte des Großvaters gegenüber dem Sohn Friedrich.

Der frühe Tod der Mutter 1783 (mit 47 Jahren) überschattet die Familie.

1785 Die zweite Heirat des Vaters, 1786 – 1991 folgten drei Halbgeschwister aus zweiter Ehe, allesamt Mädchen. Das älteste hieß Anne Maria Louise, genannt „Nanny“, sie führte in Halle und Berlin Friedrich Schleiermachers Haushalt. 1817 heiratete sie den bereits bekannten Dichter Ernst Moritz Arndt. Kurt Nowak vermerkt: „[...] bereits ein wenig verblüht“; sie war 31 Jahre alt.

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Stationen der Biographie 1768 - 1799 Im familiären Feld pflegte Friedrich Schleiermacher eine enge Beziehung zu seiner älteren Schwester, Charlotte, die, von Narben entstellt, keine Chance zur Ehe hatte und ledig blieb.(vgl. Nowak 2001, S.18)

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Die Kindheit Friedrich SchleiermachersCharlotte beaufsichtigte häufig den jüngeren Bruder.„Eines Tages widerfuhr Charlotte das Mißgeschick, ihren Bruder fallenzulassen [...] der heftige Aufprall auf den Boden verursachte eine Wachstumsstörung [...] außerdem behielt er von dem Sturz eine schiefe Schulter.“ (Nowak 2001, S.19)

1773 – Friedrich S. in Breslau in die Friedrichs-Schule eingeschult, eine städtische Lateinschule

1778 – Die Übersiedlung der Familie von Breslau nach Pleß

1782 – Kontakte der Eltern mit der Herrnhuter Brüdergemeinde wg. Aufnahme der Kinder

„Herrnhut war begehrt. Auch Ausländer und adelige Familien beantragten bei der Brüdergemeinde die Erziehung der Kinder.“(Nowak 2001, S.23)

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Die Kindheit Friedrich Schleiermachers

Zunächst wird der Antrag von der Unitäts-Ältesten-Conferenz abgelehnt, nach nochmaliger Prüfung wurde am 17. Mai 1783 (durch Losorakel) Friedrich (14 Jahre alt) und Johann Carl (10 Jahre alt) in das Pädagogium in Niesky, Charlotte (17 Jahre alt) im August 1783 in die Kolonie Gnadenfrei (in Schlesien) aufgenommen.

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Friedrich S. in der Ausbildung der Herrnhuter Gemeinde

„Das Pädagogium erfreute sich des Rufs einer vorzüglichen Lehranstalt. Die Zöglinge erhielten Unterricht in Griechisch, Lateinisch, Hebräisch, Englisch und Französisch. Außerdem standen Geschichte, Mathematik und Naturkunde auf dem Lehrplan. Die musischen Fächer fehlten nicht. ‚In Zeichnen und Musik bekommt ein jeder Unterweisung, der nur einigermaßen Fähigkeiten und Lust hat‘.“ (Nowak 2001, S.24)

Anfangs war Friedrich S. vollständig mit den Glaubensvorstellungen der Herrnhuter identifiziert, am 28. April1784 erhielt er das erste Abendmahl.Im Jahre 1785 fiel die Entscheidung über seine Laufbahn zum Prediger und Geistlichen (Chor der led‘gen Brüder) und Übergang in das Seminarium von Barby.

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Friedrich S. in der Ausbildung der Herrnhuter Gemeinde

„In Barby schürzte sich der Knoten einer religiösen Krise.“ (Nowak 2001, S.26 ff.)

Gemeinsam mit einem englischen Freund, Samuel Okely, war Friedrich S. an der Gründung eines „philosophischen Clubs“ beteiligt.

„Die mutigsten, und zu ihnen gehörte Schleiermacher, versuchten sich eine alternative Identität aufzubauen. Die Clubisten erklärten sich zu Philosophen und blickten verächtlich auf ‚die elende Logik‘ herab, die sie hörten, ‚die eingeschränkte Lectüre, die wir genossen‘.“ (Nowak 2001, S.29)

In der Selbstbiographie von 1794 bemerkt Friedrich S.:„Meine Begriffe gingen bald so weit von dem System der Brüdergemeinde ab, daß ich nicht länger glaubte, mit gutem Gewissen ein Mitglied derselben bleiben zu können.“ (Nowak 2001, S.29)

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Friedrich S. in der Ausbildung der Herrnhuter Gemeinde

21. Januar 1787 - Brief an den Vater, er könne nicht länger Herrnhuter sein; seine Zweifel betreffen den Kerngehalt christlichen Glaubens:„Ich kann nicht glauben, daß der wahrer ewiger Gott war, der sich selbst nur den Menschensohn nannte; ich kann nicht glauben, daß sein Tod eine stellvertretende Versöhnung war, weil er es selbst nie ausdrücklich gesagt hat, und weil ich nicht glauben kann, daß sie nöthig gewesen.“ (Nowak 2001, S.30)

Der Vater reagierte mit Entsetzen und sah in ihm einen „Wiedergänger“ des Großvaters, Daniel Schleyermacher.

„O! Du unverständiger Sohn [...] wer hat Dich bezaubert, daß Du der Wahrheit nicht gehorchest?“ (Nowak 2001, S. 30)

16. April 1787 – Friedrich S. wechselte nach Halle an die Universität, „die Geburtsstunde seiner Freiheit“. (Nowak 2001, S. 32)

Charlotte und Johann Carl lebten weiter in der Brüdergemeinde.

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Friedrich S. in Halle als StudierenderAn der Universität Halle lehrte zu der Zeit unter anderem Carl Friedrich Bahrdt. 1786 erschient von ihm das griechisch-deutsche Lexikon des neuen Testamentes, 1787 vollzieht er die Gründung der geheimen Gesellschaft „Deutsche Union“ zur Förderung der Aufklärung, 1788 verfasst er eine Kritik am „Wöllnerschen Religionsädikt“, dafür erhält er 9 Monate Kerkerhaft auf der Festung Magdeburg.

Friedrich S. gestaltete sein Studium als Autodidakt, beraten von den Philosophen Johann August Eberhard und Johann Salomon Semler, sowie in Nähe zu dem bekannten Friedrich August Wolf. In Halle schloss Friedrich S. unter anderem eine Freundschaft mit dem schwedischen Adeligen Carl Gustav von Brinckmann (1764-1847), der sich allerdings durch Namen, Geld und Erfahrung überlegen fühlte, später Schriftsteller und Diplomat wurde. „Brinckmann war ein Herrnhuter, den die kleine Welt nicht klein gemacht hatte. Er schrieb amouröse Gedichte, er reiste viel umher und spann Fäden hierhin und dorthin.“ (Nowak 2001, S. 40)

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Schleiermachers Kant-Rezeption

Die Vertreter der Philosophie in Halle waren Kritiker Kants.

„Er nahm Kant im Horizont der Halleschen Philosophie und die Hallesche Philosophie im Horizont Kants auf. Das Ergebnis bestand in der Rezeption von Elementen aus beiden philosophischen Systemen. An Kant bestach Schleiermacher die Tanszendentalphilosophie, als System aller Prinzipien der reinen Vernunft. Das Denken hatte von den im Erkenntnisvermögen liegenden apriorischen Bedingungen des Erkennens auszugehen und sich der alten Substanzmetaphysik zu entschlagen.“(Nowak 2001, S. 37)

„Möglicherweise ist er niemals völlig zu Kants Einsicht durchgestoßen, daß das Denken immer nur das von uns Gedachte ist, mithin die Adäquation von Denken und Sein [objektives Wissen] unerschwinglich bleibt. Auch über den Zusammenhang von Verstand und Sinneswahrnehmung dachte er wohl unkritischer als Kant – hierin ein ‚Hallenser‘.“(Nowak 2001, S. 38)

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Schleiermachers Kant-Rezeption„Eine den Menschen apriorisch antreibende Vernunft, eine Einwirkung des allgemeinen Sittengesetzes auf sein Begehrungsvermögen anzunehmen, war nach Schleiermachers Urteil eine Konstruktion im philosophischen Sandkasten. Nur durch die sachhaltige Verknüpfung von Vernunft und Begehrungsvermögen ließen sich, so Schleiermacher, Kants Widersprüche und Halbheiten beheben.“(Nowak 2001, S. 38)

„Sofern das Begehrungsvermögen in der Reihe der sich aufbauenden Handlung eigenen, d.h. naturkausalen Gesetzen folgte, war die Frage nach der Korrelation von intelligibler Freiheit und naturkausaler Determination des Menschen aufgeworfen. In den strukturellen Spannungen von Vernunft und Begehrungsvermögen arbeitete Schleiermacher das ‚sittliche Gefühl‘ als Instanz der Vermittlung heraus.“(Nowak 2001, S. 39)

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Weitere Stationen im Leben von S.1790-1793 – Als Hauslehrer im Dienste des Reichsgrafen zu

Donah

1794-1796 – Als Aushilfslehrer in Berlin

1796-1802 – Als Geistlicher an der Charité in Berlin

1802-1804 – Hofprediger in Stolp (Ostpreußen)

1804 - Berufung an die theologische Fakultät in Halle

Für das weitere Vorgehen 3 Themenkreise:

1. Schleiermacher im Kreis der Frühromantik

2. Die Schrift über die Religion. An die gebildeten unter ihren Verächtern (1799)

3. Das Kolleg „Grundzüge der Erziehungskunst“ von 1813/14

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